Das bayerische Psychisch-Kranken- Hilfe-Gesetz …¼hrung... · Das bayerische...
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Das bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz
Rückschritt? Fehlschritt? Fortschritt? Referentin: Celia Wenk-Wolff
17. April 2018
Inhalt
• Teil 1 Hilfen, insb. Krisendienst • Teil 2 öffentlich rechtliche Unterbringung und Exkurs zu
den Grundlagen von Unterbringung • Teil 3 Änderungen des Maßregelvollzugsgesetzes • Kernforderungen des BayBT
Celia Wenk-Wolff
Teil 1 Stärkung der psychiatrischen Versorgung
• Art. 1: Krisendienste • Art 2: Prävention und Zusammenarbeit
• Verpflichtung aller Akteure zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit
• Bedeutung der Prävention, alle Maßnahmen sollen der Gesunderhaltung dienen
• Art 3: Beteiligung der Selbsthilfeorganisationen an der Versorgungsplanung • 🔥es fehlt eine angemessene Entschädigung es fehlt eine angemessene Entschädigung • 🔥es fehlt unabhängige Beschwerdestellen es fehlt unabhängige Beschwerdestellen
• Art 4 Psychiatrieberichterstattung: alle 3 Jahre ist dem Landtag ein schriftlicher Bericht vorzulegen, entspr. Ressource im LGL wird geschaffen
• Nicht geplant: Zwangsmaßnahmenregister
Teil 1 Krisendienste
• Auftrag der Bezirke zur Errichtung von Krisendiensten (KD) für Menschen in psychischen Krisen (subjektiver Krisenbegriff)
• Krisendienst = Ergänzung der Regelversorgung • Zweck auch Vermeidung von Unterbringungen und
Chronifizierungen/ Traumatisierungen • Elemente:
Bayernweit unter einheitlicher Rufnummer erreichbare Leitstellen, besetzt mit Fachpersonal, telef. Hilfe und Screening, Vermittlung auch in Regelversorgung, grds. von jedem (Betroffenen und deren Umfeld) zu nutzen, Mobile Interventionsteams, die aufsuchend tätig werden, wenn die telefonische Hilfe und die Regelversorgung nicht ausreicht, ebenfalls besetzt mit Fachpersonal (idR kein Arzt)
Teil 1 Krisendienste
Neu als gesetzlich konkret definierte Aufgabe, deswegen konnexitätsrelevant Freistaat finanziert die Leitstellen in der Endausbaustufe 24/ 7, einschl. ärztlicher Begleitung/ Leitung, Besetzung mit Fachpersonal, Sachkosten und Erstausstattung (Kostenschätzung 7,7 Mio. €) Gemeinsame Leistung von Freistaat und Bezirken!! Finanzierung der (zusätzlichen) mobilen Leistungen im Rahmen eines „kommunalen Eigeninteresses“ im Rahmen der Eingliederungshilfe über die Bezirke (Kostenschätzung bisher nicht möglich)
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Exkurs: Rechtsgründe für eine Unterbringung gegen oder ohne den Willen der betroffenen Person 1. Maßregeln der Besserung und Sicherung §§ 63, 64 StGB
Ø Straftat Ø aber nicht schuldhaft bzw. vermindert schuldfähig (zum Zeitpunkt der Tat!) Ø Folge: Anordnung der Maßregel, entweder psychiatrisches Krankenhaus
oder Entziehungsanstalt durch das Strafgericht Ø Verweildauer mehrere Jahre Ø Entlassung: wenn Prognose günstig oder maximaler Zeitablauf
2. Unterbringung nach § 1906 BGB Ø Betreuer bringt unter mit Genehmigung des Betreuungsgerichts Ø (ausschließlich) zum Wohle des Betreuten erforderlich Ø Gefahr der Selbsttötung oder erhebliche gesundheitliche Gefährdung Ø Oder zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen
Schadens ist Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig
Ø Betroffener kann die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln
Ø Ultima ratio
3. Öffentlich-rechtliche Unterbringung nach PsychKHG (bisher BayUnterbringungsgesetz) Ø Landesrechtliche Regelungskompetenz = rechtstechnisch der
Gefahrenabwehr zuzuordnen (Regelungslücke= Gefahr für Dritte oder Allgemeinwohl) Voraussetzungen Art. 5: Ø Auf Grund einer psychischen Störung, insbesondere Erkrankung Ø Werden Rechtsgüter anderer, das Allgemeinwohl oder die Person
selbst erheblich gefährdet Ø NEU: „insbesondere“ bei Selbstgefährdung, wenn voraussichtlich
nicht länger als 6 Wochen und keine Betreuung (Konkurrenz zu § 1906 BGB! Jetzt schon bei Selbstgefährdung grds. anwendbar)
Ø Ultima ratio Ø Unterbringung gegen oder ohne seinen Willen (wie bisher) Ø Ziele Art. 6: Gefahrenabwehr, 2. Ziel Person zu heilen oder Zustand
zu bessern, damit sie keine Gefahr mehr für andere oder sich darstellt
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Celia Wenk-Wolff
Forderung vieler Akteure einer zusätzlichen Voraussetzung der Unterbringung: Die Selbstbestimmungsfähigkeit muss eingeschränkt sein Gesetzeswortlaut: nein Begründung: Rechtsprechung hat das sowieso festgelegt, muss nicht besonders geregelt werden, denn: „Wer auf Grund einer psychischen Störung gefährlich sei, sei in der Regel nicht selbstbestimmungsfähig“
Stimmt das????
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Celia Wenk-Wolff
Orte der Unterbringung (= Aufnahmepflicht): • Psychiatrische Fachkrankenhäuser und
Fachabteilungen, • Fachabteilungen der Hochschulkliniken • Kinder- und jugendpsychiatrische Fachkliniken
und –abteilungen • Somatische Krankenhäuser im Falle eines
dringenden und vorrangigen somatischen Behandlungsbedarfs (Forderung!)
• „Sonstige Einrichtungen • NEU: Träger muss beliehen werden (auch bei KH-
Träger erforderlich soweit kein ör Träger)
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Celia Wenk-Wolff
• Sonderregelungen für Kinder- und Jugendliche fehlen weitgehend
• Zweckmäßigkeit der Hinzuziehung eines KD muss von Polizei geprüft werden, fehlt bisher
• NEU: Benachrichtigungspflichten an die Polizei bei jeder Entlassung Art. 14 Abs. 4 und 27 Abs. 4🔥 besser: nur bei fortbestehenden Gefährdungssituationen
• Finanzierung wie bisher: Dritte Verpflichtete, der Betroffene selbst, subsidiär der Bezirk, Geltendmachung im Rahmen des FAG 🙈.
• NEU: Sonderregelungen für ör untergebrachte Patienten, wie zB Dolmetscher bei Aufnahmeuntersuchung
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Celia Wenk-Wolff
Art. 20 Regelungen zur Zwangsbehandlung (Bisher auch möglich aber verfassungswidrig, weil zu unbestimmt)
Ziele: Herstellung einer Entlassungsperspektive Abwendung einer konkreten Gefahr für das Leben und oder einer konkreten schwerwiegenden Gefahr für die
Gesundheit der untergebr. Person 🔥 Abwendung einer konkreten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit Dritter (bisher: Aufrechterhaltung der Sicherheit der Einrichtung)
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Celia Wenk-Wolff
Öffentlich-rechtliche Unterbringung Parallelität zum bayerischen Maßregelvollzugsgesetz (BayMRVG) Art. 21 bis 26 Gestaltung der Unterbringung Art. 28 Durchsuchungen und Untersuchungen Art. 30 Unmittelbarer Zwang
viel zu umfangreiche Regelungen Rechte und Pflichten während der Unterbringung (Kontakt, Besuch, Post, Ausgang, Beschäftigung, Religionsausübung, Belastungserprobung), weitgehend inhaltsgleich aus dem BayMRVG übernommen und entnommen, sprachlich leicht angepasst.
Art. 29 Besondere Sicherungsmaßnahmen: nahezu wortgleich mit Art. 24 BayMRVG, nur andere Gerichte zuständig. (warum dann hier kein Verweis, sondern eigene Regelung im Gesetz?) Paragraphenbremse? Gleiche Regelung für vergleichbare Sachverhalte?
Celia Wenk-Wolff
Neu geplante Institution: Fachaufsichtsbehörde Art. 10 Art. 31, 32 Datenschutz, doppelte Aktenführung
🔥Verweis aufs BayMRVG Verweis aufs BayMRVG 🔥Therapiegespräche in gesonderter Akte zu führen, Parallele MRV Therapiegespräche in gesonderter Akte zu führen, Parallele MRV
Art. 33 Unterbringungsdatei
Ziele: UN Konvention gegen Verschwinden und Gefahrenabwehr 🔥 Speicherung personenbezogener Daten wie Diagnose, Entweichungstatbestände 🔥Zugriff durch Polizei, Kreisverwaltung, Justiz, nicht nur Fachaufsicht Zugriff durch Polizei, Kreisverwaltung, Justiz, nicht nur Fachaufsicht 🔥Speicherungsfrist 5 Jahre Speicherungsfrist 5 Jahre 🔥jede ör untergebrachte Person jede ör untergebrachte Person 🔥 gibt es nicht für betreuungsrechtlich untergebrachte
Problem: Datenschutz, Stigmatisierung, Unverhältnismäßigkeit
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Celia Wenk-Wolff
Unterbringungsbeiräte Art. 37 • ähnlich MRV-Beiräte (seit 1.8.2015) und JVA-Beiräte, sichern
die zivilgesellschaftliche Kontrolle • Ablösung der Besuchskommissionen • Mitwirkung bei Gestaltung der Unterbringung und Betreuung der
Untergebrachten • Vorsitz/ stv. Vorsitz: MdL • Beteiligung Fachkundiger • Zu errichten, wenn Klinik idR 100Personen/ Jahr untergebracht
hat Abschaffung der Besuchskommissionen
Teil 2 Öffentlich-rechtliche Unterbringung
Teil 3 Änderungen des BayMRVG
🔥 Regelungen zum Vollzug/ Gestaltung der Unterbringung weitgehend aufgehoben, statt dessen Verweis aufs PsychKHG Begründung: Paragraphenbremse/ Entbürokratisierung
Problem: intransparent, für Patienten und Mitarbeiter nicht lesbar Wird dem unterschiedlichen Rechtsgrund und Rechtsrahmen des Aufenthalts, dem unterschiedlichen Personenkreis, der unterschiedlichen Verweildauer nicht gerecht Stigmatisierend, legt lange Aufenthalte als Regel nahe
🔥 Anpassung Regeln zur Zwangsbehandlung fragwürdig Besser: Überarbeitung des BayMRVG von 2015 nach den bisherigen Erfahrungen in Ruhe Inkrafttreten erst zum 1.1.2019 geplant
Kernforderungen des BayBT
1. Die Einschränkung der Selbstbestimmungsfähigkeit als Voraussetzung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung muss explizit im Gesetz genannt werden. (Art. 5)
2. Die Zielrichtung des Gesetzes ist modern zu fassen, indem
mindestens die Ziele der Unterbringung „Heilung“ und „Gefahrenabwehr“ auf Augenhöhe und in Bezug gesetzt werden im Sinne von Heilung als beste Gefahrenabwehr. (Art. 6)
3. BayMRVG und BayPsychKHG dürfen nicht aufeinander verweisen.
Beide Gesetze müssen den jeweiligen Vollzug eigenständig und passgenau für die jeweiligen Betroffenen und Rahmenbedingungen regeln. (Art. 38 b)
Kernforderungen des BayBT 4. Die Unterbringungsdatei im Sinne von Art. 33 ist zu streichen oder
zumindest bzgl. der zu erfassenden Daten, der Zugriffsmöglichkeiten durch andere Behörden und der Speicherfrist auf die Zielrichtung der UN Konvention gegen das Verschwinden von Personen einzuschränken.
5. Die generellen Benachrichtigungspflichten der Klinik an die Polizei bei Erwachsenen in Art. 14 Abs. 4 S. 2 und 3, Art. 15 und Art. 27 Abs. 4 sind zu streichen oder zumindest auf Fallkonstellation fortbestehender Gefährdungssituationen zu beschränken.
6. Die doppelte Aktenführung in Art. 32 ist zu streichen. Die Krankenakte in ihrer üblichen Form darf nicht geteilt werden.
7. In Art. 11 und 12 soll die Hinzuziehung eines Krisendienstes bei der sofortigen vorläufigen Unterbringung durch Polizei und Kreisverwaltungsbehörde „nach Möglichkeit“ im Gesetz normiert sein.
Kernforderungen des BayBT Weiter hält der Bayerische Bezirketag folgende Änderungen für geboten: 1. Eine klarere Trennung der Regelungen zur Unterbringung in einem
Krankenhaus und in einem Heim ist erforderlich. Letztere sollte subsidiär nach Wegfall der Akutbehandlungsbedürftigkeit erfolgen.
2. Die Institution der Unterbringungsbeiräte ist ineffektiv und zu streichen; besser wäre die Beibehaltung und die Weiterentwicklung der Besuchskommissionen. (Art. 37)
3. Unabhängige Beschwerdestellen nach dem Modell Oberbayern sind flächendeckend einzurichten. (Art. 3)
4. Die Finanzierung der Beteiligung der Selbsthilfe in Planungsgremien ist von Seiten des Freistaats sicher zu stellen. (Art. 3)
5. Alle Verweisungen auf Strafgesetze, Strafvollstreckungsgesetze oder Gesetze zur Sicherungsverwahrung werden aus dem Text gestrichen.
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