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1 Wolfgang Hagen Das dritte Bild Kontingenzen und Zäsuren in der Technikgeschichte des Fernsehens. 1 Die Geschichte des Fernsehens ist – wissenschaftsgeschichtlich gesehen – von drei Zäsuren gekennzeichnet, die im einzelnen nachzuzeichnen ganz sicher den Rahmen dieses Vortrags sprengen würde. Aber ich will sie wenigstens kurz skizzieren, um der Kontext meiner These zu erläutern. Meine These besagt nämlich, dass das Fernsehen, dessen Start ich 1939 datiere, von der technischen Konstruktion und technologischen Realisation eines Dritten Bildes abhing, das epistemologisch gleichwohl weitgehend unbegriffen blieb. Das heißt, das Fernsehen beginnt seinen Siegeszug von einem Zeitpunkt an, wo das Wissen, das es technisch möglich macht, seinen von ihm konstruierten Artefakten hinterherläuft. Und in gewisser Weise gilt, dass diese Nachlauf, diese Nachträglichkeit des Wissens immer noch anhält. Benannt ist damit eine der drei angesprochenen Zäsuren, die vorläufig letzte nämlich, auf das Jahr 1939 datiert. 1939 wird auf der Weltausstellung in New York von RCA das erste umfassende elektronische Fernsehsystem der Welt vorgestellt. Kamerasysteme, Empfängerproduktion und Senderketten werden in Betrieb genommen wurde. Es ist die letzte voratomare Weltausstellung der Geschichte, dazu eine der größten und eine der vergessensten, denn ihre gewaltigen Illusionen wurden noch im selben Jahr von den Kriegen in Europa und dann von Pearl Habour weggewischt. Sie mögen also überrascht sein, dass sich seither, zum Beispiel im Bereich der digitalen Optik, aus meiner Sicht nicht noch eine weitere Zäsur ereignet haben soll. Nein, auch das nur in aller Kürze, der digitale Chip, der uns seit den achtziger Jahren in allen Photo- und Fernsehkameras begegnet, macht eine weitere epistemologische Zäsur in Bezug auf das Fernsehen in meinen Augen nicht. Der digitale CCD-Chip, der unserem Fotografieren und Filmen freilich operativ völlig neue Dimensionen 1. Basler Kongress für Medienwissenschaft “SchnittStellen”. 20. - 23. Juni 2002 1 1

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Wolfgang Hagen

Das dritte Bild

Kontingenzen und Zäsuren in der Technikgeschichte des Fernsehens. 1

Die Geschichte des Fernsehens ist – wissenschaftsgeschichtlich gesehen – von drei Zäsuren gekennzeichnet, die im einzelnen nachzuzeichnen ganz sicher den Rahmen dieses Vortrags sprengen würde. Aber ich will sie wenigstens kurz skizzieren, um der Kontext meiner These zu erläutern. Meine These besagt nämlich, dass das Fernsehen, dessen Start ich 1939 datiere, von der technischen Konstruktion und technologischen Realisation eines Dritten Bildes abhing, das epistemologisch gleichwohl weitgehend unbegriffen blieb. Das heißt, das Fernsehen beginnt seinen Siegeszug von einem Zeitpunkt an, wo das Wissen, das es technisch möglich macht, seinen von ihm konstruierten Artefakten hinterherläuft. Und in gewisser Weise gilt, dass diese Nachlauf, diese Nachträglichkeit des Wissens immer noch anhält.

Benannt ist damit eine der drei angesprochenen Zäsuren, die vorläufig letzte nämlich, auf das Jahr 1939 datiert. 1939 wird auf der Weltausstellung in New York von RCA das erste umfassende elektronische Fernsehsystem der Welt vorgestellt.

Kamerasysteme, Empfängerproduktion und Senderketten werden in Betrieb genommen wurde.

Es ist die letzte voratomare Weltausstellung der Geschichte, dazu eine der größten und eine der vergessensten, denn ihre gewaltigen Illusionen wurden noch im selben Jahr von den Kriegen in Europa und dann von Pearl Habour weggewischt.

Sie mögen also überrascht sein, dass sich seither, zum Beispiel im Bereich der digitalen Optik, aus meiner Sicht nicht noch eine weitere Zäsur ereignet haben soll. Nein, auch das nur in aller Kürze, der digitale Chip, der uns seit den achtziger Jahren in allen Photo- und Fernsehkameras begegnet, macht eine weitere epistemologische Zäsur in Bezug auf das Fernsehen in meinen Augen nicht. Der digitale CCD-Chip, der unserem Fotografieren und Filmen freilich operativ völlig neue Dimensionen

1. Basler Kongress für Medienwissenschaft “SchnittStellen”. 20. - 23. Juni 20021

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eröffnet, ist industriegeschichtlich ein Kind der Fernsehforschung selbst, setzt also das Medium Fernsehen schon voraus.

Das, was uns heute überall digitale Bilder beschert, wurde entwickelt als die Optimierung eines Elements, das schon das elektronische Fernsehen von 1939 definiert hatte, nämlich das „stored picture“, das gespeicherte Bild, in manchen Patenten auch das „electrical image“, das elektrische Bild genannt. >>a Dieser Charged

Coupled Device, kurz CCD – Chip, 1970 erstmals beschrieben, war Ergebnis der organisierten Forschung eines angewandten, entfalteten Wissensgebietes, nämlich der Quantenmechanik der Festkörperphysik. >> b Dieser Chip diente von Beginn an dem Ziel, einen Videospeicher, eine Stillbild-Speicher für Fernsehkameras zu bauen. Ein „stored Image“, also ein drittes gespeichertes Bild, enthielten die elektronischen Kameras von 1939 ebenso, wenn auch nicht in dieser szientivisch nun perfekt durchdachten Form des CCD-Chips.

In der Bildtechnik des zwanzigsten Jahrhunderts macht also nicht die Digitalisierung die entscheidende Zäsur, sondern das erste, rein elektronisch erzeugte Bild des Fernsehens von 1939. Erst in seiner weiteren epistemologischen Folge entsteht die Digitalisierung, ihr Konzept und ihre Technik.

Mit diesen einleitenden Überlegungen habe ich Ihnen implizit schon etwas über den Begriff der Zäsur erläutert, der für mein Verständnis von Technikgeschichte entscheidend ist. Zäsuren, die technikgeschichtlich bedeutsam sind, sind immer Zäsuren im Wissen. Jede andere Abstufung und Narration von Technikgeschichte, die technische Erfindungen als Taten grosser Männer und Frauen additiv aufeinander

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folgen liesse, führt zu beliebigen anthropologischen und ontologischen Irrtümern. Technik ist niemals nur Instrument und auch keines, dem ein anthropologischer Menschenwillen vorausgeht. Ebenso ist Technik und ihre Geschichte kein ontologisches Paradigma, das den Menschen erst zudem machte, was er wäre, also beispielsweise zu seinem Sklaven. Jede Technik, Mechanik wie Optik, Elektronik wie Genetik, muss, um verstanden zu werden, in die Archäologie des Wissens zurückgespielt werden, aus der sie, so oder so, hervorgeht. Die technischen Medien gehen aus der Geschichte des Wissens als Zäsur hervor, zumeist als ein Akt größter und überraschendster Unwahrscheinlichkeit. So aufgetreten werden sie aber sofort – um mit Luhmann zu reden – in wissensmäßige, kulturelle oder wissenschaftlich gesicherte Erhaltungswahrscheinlichkeit überführt. Solche Erhaltungswahrscheinlichkeiten aber müssen nicht gleichbedeutend sein mit Wissen oder Wissenschaft. Bei der Telegrafie beispielsweise reichte es über Jahrzehnte hin, sie mit ihren allen Fehlern und unglaublichen Schwächen als immer noch überlegenes Nachrichtensystem kulturell, ökonomisch und politisch zu implementieren, ohne dass man technisch-wissenschaftlich so recht verstand, warum und wie sie tatsächlich funktionierte.

Von Zäsuren im Wissen zu sprechen heißt also zugleich, von Zäsuren im Unwissen und Ungewissen zu sprechen. Von Zäsuren, die Kontexte aufreißen, indem ohne weiteren Grund und oft sehr plötzlich Etwas auf der Ebene der Wahrnehmung und der Welt erscheint, existiert und beschrieben werden kann, gebaut wird und gebraucht, das gleichwohl völlig unbegriffen bleibt, inkonsistent, ungewiss und ungefähr. Ein technisches Etwas, das existiert, aber von den vorhandenen, umgebenden und im Feld der Wissenschaft gekoppelten Diskursen nicht oder nur unzureichend beschrieben werden kann. Solche Dinge könnte man „Artefakte“ nennen oder, um mit dem Wissenschaftshistoriker Hans-Jörg Rheinberger

zu sprechen, „epistemische Dinge“.

Mit einem solchen Ding des Wissens, mit einem solchen Artefakt beginnt die Geschichte der Tele-Medien. Ich komme damit zur ersten Zäsur angesprochen, die ifür die Geschichte des Fernsehens maßgeblich.

Die Sache liegt weit zurück. Es handelt sich um das, was Georg Christoph Lichtenberg 1777 in sechs sensationell bebilderten Aufsätzen der

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wissenschaftlichen Welt offerierte, nämlich jene seltsamen Harzstaubfiguren, er zufällig, aufgrund von Harzstaubdreck in seinem Labor, fand. Sie zeigen positive und negative Entladungsbilder einer statischen positiven, bzw. negativen Elektrizität anzeigten.

Es waren Bilder der Entladungen des Elektrophors, also eines Gerätes, das zu seiner Zeit in der wissenschaftlichen Welt bestens bekannt war. Es stand hundertfach in allen Labors Europas herum. Durch Experimente mit diesem Elektrophor fand schließlich Alessandro Volta, der mit Lichtenberg eng zusammenarbeitete, sehr folgerecht zu seiner Entdeckung

des elektrochemischen Erzeugung von fließendem Strom im Jahre 1800, also zu dem, was wir heute eine Batterie nennen. Den Zusammenhang zwischen Elektrophor und Batterie kann ich Ihnen hier nicht auseinanderlegen, aber er ist alles anderes als unwahrscheinlich oder ungewiss. Früher oder später war die Entdeckung kleinster Ströme aus elektrolytischen Quellen, wie Volta sie fand, naheliegend, wenn man nur das Elektrophor als Messinstrument atmossphärischer Ströme immer weiter

verfeinerte, was Volta tat.

Ganz und gar unwahrscheinlich, völlig ungewiss und unverstanden, – das waren und blieben nach 1877 allein diese Lichtenbergschen Figuren.

Novalis wird sie zwanzig Jahre später in die „große Chiffernschrift“ einer Selbstaufschreibung der Natur einreihen, nachdem, wie sie hier sehen, der Akustiker Ernst Florenz Chladni, im Anschluss an

Lichtenberg, die Selbstaufschreibung von Tönen und Klängen auf den Tisch der romantischen Naturphilosophie gelegt hat. Wenn wir uns fragen, wie es kommt, dass Fotografie und Telegrafie, also die beiden wichtigsten neuen Medien des 19ten

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Jahrhunderts, so zeitnah nebeneinander, ja fast zeitgleich entstehen, nämlich in den 20er und 30er Jahren des 19ten Jahrhunderts, dann könnte eine Antwort darin liegen, dass sie der gleichen epistemologischen Ungewissheit entstammen. Denn die Ungewissheit, die von den lichtenbergschen Figuren ab 1777 ausging, führte ja nicht zu ihrer Erklärung. Klären und Aufklären konnte sie letztlich nur die atomare Physik des 20ten Jahrhundert. Die Ungewissheit der lichtenbergschen Figuren, der chladnischen Figuren und damit einer selbstaufschreibenden Chiffernschrift der Natur blieb in der Naturphilosophie der Romantik vielmehr als Ungewissheit präsent, nämlich im Rahmen der Systeme der sogenannten spekulativen Physik des frühen Schelling und der des deutschen Idealismus insgesamt. Indem er nach Selbstabbildungen der Elektrizität und ihrer polaren, dualistisch-dialektischen Eigenschaften suchte, fand der romantische Philosoph Christian Oerstedt im Jahr 1820 die elektrodynamische Wirkung des elektrischen Stroms. Damit war die entscheidende Wissensvoraussetzung der Telegrafie gegeben, dass nämlich fliessender elektrischer Strom eine magnetische Wirkung hat.

Das Zugleich des Auftritts beider Hauptmedien des 19ten Jahrhunderts, Fotografie und Telegrafie, folgt einem in der romantischen Naturphilosophie angelegten Zug zum selbstähnlichen Experiment mit dem Ungewissen einer Selbstaufschreibung der Natur. So fand Christian Oerstedt den elektrodynamischen Effekt, das Andre-Marie Ampere sofort als das erste Elektrodynamische Gesetz der

Moderne anschrieb. Daraus folgte unmittelbar die Konstruktion des ersten Zeigertelegrafen aus der Hand von Ampere selbst. Das selbstähnliche Experiment mit der Ungewissheit einer selbstaufschreibenden Natur ist aber auch der Grund, warum von beiden führenden Wissenschaftsakademien Europas 1839 die Fotografie in die Welt gesetzt wird, in Paris die Erfindung Daguerres, präsentiert durch Arago, in London die Erfindung Talbots, präsentiert von Michael Faraday. Fotografie ist für die Akademie in Paris und die Royal Society in London nämlich vor allem ein Wissenschaftsmedium, was angesichts der Überbetonung von Kultur und Kunst in der Fotografiegeschichte seither allzu oft vergessen worden ist.

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So darf auch nicht verwundern, dass der schottische Uhrmacher und Instrumentenbauer Alexander Bain bereits 1843, also im Entstehungsjahr der Morse-Telegrafie in Amerika, die erste Bildübertragungsmaschine vorstellte. Telegrafie war von Anfang an keine Sache der Schrift und der Morsezeichen allein. Auch Charles Wheatstone, der Begründer der englischen Telegrafiesysteme, hatte ein solches Patent bereits 1840

entwickelt.

Hier sehen Sie, auch schon in den Anfängen der Telegrafie, einen Bildtelegrafen von Frederik Bakewell aus dem Jahre 1848. Prinzip ist das Einbrennen eines Bildes mit nichtleitender Tinte, das elektromechanisch abgetastet wird, um auf der Empfängerseite als gezeichnetes Bild zu erscheinen.

Perfektioniert wird das Ganze in den 60er Jahren durch den Pantelegrafen Giovanni Casellis, mit dem sich Handschriften, geschrieben mit nichtleitender Tinte, und sonstige in Kupfer eingeätzte Bilder übertragen liessen.

Zu dem Erbe der Ungewissheiten der Lichtenbergschen im Wissen der romantischen Naturphilosophie gehörte selbstredend auch der Zusammenhang zwischen Licht und Elektrizität. Dass die Fotografie ganz offensichtlich einer

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chemischen Lichtwirkung sich verdankte, war ja von den Akademien in Paris und London beschrieben worden. Allerdings hatte man, wie der Sekretär Arago zugeben musste, keine Erklärung für den Sachverhalt.

Aus der damit veranlassten selbstähnlich-ungewissen Experimentation mit Licht und Elektrizität, ergab sich die Entdeckung von Edmond Becquerel sozusagen zwangsläufig. Seine Entdeckung von 1839 war, dass Licht eine photovoltaische Reaktion hervorruft. Der Einfall von Licht auf diese hier dargestellte chemische Stromzelle ruft einen fliessenden Strom hervor, sehr schwach und daher unbrauchbar, aber nunmehr im Wissen der

Forschergemeinde beschrieben blieb als der erste Effekt, der heute auf unseren Dächern in Form von Solarzellen Licht in elektrische Energie wandelt.

Dies alles gehört noch zur ersten, grossen epistemologischen Zäsur, der sich das Fernsehen verdankt. Fernsehen entsteht, im Blick auf die erste Zäsur, die es möglich macht, aus der gekoppelten Ungewissheit über den Zusammenhang von Licht, Selbstchiffrierung der Natur und Elektrizität. Denn die Ungewissheit über den Ursprung der elektrischen Ströme in Becquerells elektrolytischem Apparat hier war keine größere als die über den elektrizitätstheoretischen Ursprung der Lichtenbergschen Figuren von 1877. Wissenschaftshistorisch steht heute fest, dass die Entwicklung der Theorie der Elektrizität sich nicht aus den Gewissheiten ergab, die etwa die klassischen Theorien Newtons oder die analytische Mechanik darboten, sondern aus den großen, ja katastrophalen Ungewissheiten, die bei der Anwendung des Mediums Telegrafie auftraten. Sie wissen, dass England ab Ende der sechziger Jahre des 19ten Jahrhunderts über zahlreiche Seekabel quer durch die Ozeane der Welt verfügte und darauf ganz wesentlich seine Finanzmacht und das Commonwealth-Empire gründen konnte. Genau diese Seekabel aber funktionierten

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im technischen Sinne eher schlecht als recht. Gemessen an heutigen Seekabel waren sie sozusagen völlig kaputt. Sie operierten mit theoretisch unergründlichen Signal-Fehlern, Signale auf diesen Kabeln verschwanden oder kamen nur schwach und verzerrt an. Die Suche nach den Ursachen dieser

Fehler, also wieder Operationen im Ungewissen, waren es, die der Elektrizitätstheorie Maxwells am Ende des Jahrhunderts zum Durchbruch verhalf. Mit der Fehlersuche in Seekabeln waren ab 1850 Generationen von electricians und Physikern beschäftigt, und einer von ihnen fand einen weiteren, für die Fernsehentwicklung wesentlichen Baustein.

Hier sehen Sie ein Stück Selen, das erstmals 1873 beschrieben wurde als ein Halbleiter-Metall, das dann besonders gut Strom leitet, wenn die Sonne darauf scheint und dann besonders schlecht, wenn man es im Dunkeln lagert. Werner von Siemens entwickelte daraus einen Belichtungsmesser und sie ahnen, welche Bedeutung dieses Element damit auch für das Fernsehen haben würde.

Das letzte und bedeutendste Element, das in der experimentellen Erforschung des zutiefst ungewissen Zusammenhangs von Licht und Elektrizität gefunden wurde, stammt von Heinrich Hertz. Hertz fand bei der systematischen Untersuchung eines Zufallsfundes, der am Ende zur Entdeckung der Radiowellen führte, dass Entladungsfunken an der Spitze eines Metallstiftes dann besonders stark und hell waren, wenn ultraviolettes Licht darauf fiel. Heinrich Hertz konnte diesen Effekt nicht erklären, aber er beschrieb sein Zustandekommen zweifelsfrei in seiner ersten Veröffentlichung von 1887. Die experimentelle Durcharbeitung dieses Effekts sollte es sein, die 1939 zur Etablierung des vollelektronischen Fernsehens führte. Zunächst aber baute man, binnen weniger Jahre, kleine Geräte, genannt Fotozellen, die diesen Effekt technisch ausbeuteten.

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Hier sehen Sie das lichtempfindliche Metall auf der rechten Seite des kleinen Glaskolbens. Fällt Licht darauf, dann entsteht ein messbarer Strom, der durch den Drahtkreis auf den linken Seite herausgeführt werden kann.

Damit komme ich zur zweiten Zäsur, der sich das Fernsehen verdankt, nämlich zum Einsatz des mechanischen Fernsehens. Das mechanische Fernsehen betritt mittels der beschriebenen Elemente genau dann die Bühne, als das Telefon, nach 1876, seinen weltweiten Siegeszug antritt.

Alexander Graham Bell aber, erlauben Sie mir diese Anmerkung, war kein Physiker, sondern Taubstummenforscher und Sprachlehrer. Die Experimentationsgeschichte des Telefons ist deshalb auch eine der kuriosesten und unwahrscheinlichsten Entwicklungsgeschichten im Feld des wissenschaftlich Ungewissen, die das 19te Jahrhundert überhaupt zu bieten hat. Wer

einmal genauer sehen möchte, wie außerwissenschaftliches Wissen, Verwechselungen und grobe Missverständnisse, in eine Wissenschaft dringt, um einem wissenschaftlichen Außenseiter die größte Unwahrscheinlichkeit, nämlich die Entdeckung des Telefons, gelingen zu lassen, sollte Bells Laborbücher, die ihn zum Telefon führten, lesen. Als Bell aber seine fertige Entdeckung vorführt, bestätigt er damit die bis dahin exotischste, aber korrekteste Theorie der Elektrizität, nämlich die von James Clerk Maxwell. Erst zwölf Jahre später wird Heinrich Hertz ihre Gültigkeit

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experimentell beweisen. Kurz vor seinem Tod ehrt Maxwell selbst der Taubstummleher Bell in einem großen Vortrag, Maxwell selbst aber bleibt unverstanden.

Mit dem Bellschen Fernsprecher dringt erstmals entscheidend außerwissenschaftliches Wissen in die Wissenschaft und Technik der Medien des

19ten Jahrhunderts. Nach dem Fernhören und Fernsprechen, das der Taubstummenlehrer Bell eindringen lässt in die Physik und Technikgeschichte, wird jetzt, wie Sie in diesem Zitat Paul Nipkows sehen, Fernsehen als Motivation und Grund von Forschung aktuell. Es wird aktuell im Sinne des Aufbaus eine selbstähnlichen Experimentation, denn Nipkow will einen Apparat bauen, „der in ähnlicher Weise, wie das Telephon dem Ohre, dem Auge die Möglichkeit gebe, Dinge

wahrzunehmen, die weit außerhalb seines natürlichen Wirkungskreises sich befinden.“

Zu diesem Zweck bedient er sich Lochscheiben, die aus der akustischen Physik seit Seebecks Oberton-Experimenten von 1841 nur allzu bekannt waren. Nipkow dreht diese akustischen Scheiben buchstäblich ins Optische um. Dasselbe Gerät, das früher einmal für das Hören von Sirenentönen gemacht war, soll nun das elektromechanische Sehen von Bildern ermöglichen.

Auf die Nipkow-Scheibe werden spiralförmig Löcher angebracht, die Scheibe rotiert vor einem zu übertragenden Objekt, das auf diesen Weise Spiralloch für Spiralloch abgetastet wird. Hinter jedem Loch, das

auf diese Weise einen kurzen Lichtimplus durchlässt ist ein Selenelement ! 10

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angebracht, das in Abängigkeit von der Lichtstärke einen Stomimpuls erzeugt, der auf der Empfängerseite eine Leuchtbirne aufscheinen lässt. Diese Empfängerbirne muss ihrerseits hinter einer Lochscheibe postiert werden, die sich synchron mit der Empfangsscheibe zu drehen hat. << Film Einspielung >>

Das mechanische Fernsehen, von seinen Anfängen 1884 an gerechnet, blieb etwa 50 Jahre lang, also bis in die Mitte der 30er Jahre hinein, das dominierende Paradigma der Entwicklung. Aber bereits vor dem ersten Weltkrieg hatten Wissenschaftler und Ingenieure die Haltlosigkeit dieses Unterfangens klar genug beschrieben.

Um eine Auflösung zu erreichen, die für das menschliche Auge ein einigermaßen zusammenhängendes Bewegtbild ergibt, errechnete der englische Elektroingenieur Alan Archibald Campbell Swinton bereits 1908 160 tausend synchrone Abtastoperationen pro Sekunde. 160 tausend Bildabtast- und Bildwiedergabeoperationen aber ließen sich auf dem Wege über

mechanische Hilfsmittel wie rotierende Lochblenden und ausgefeilteste Spielreflexkonstruktionen beim bester Anwendung mechanischer Techniken niemals exakt synchronisieren.

Doch die in England und Deutschland vorherrschenden mechanischen Epistemologien, in den Köpfen hunderttausender Ingeneure und Wissenschaftler tief verwurzelt, waren für solche Einwände lange Jahrzehnte taub. Im vorherrschenden Denken von Mechanik und Ontologie ließ man in Europa ein weiteres Vierteljahrhundert nicht davon ab, die außerwissenschaftlich gesetzte

Erwartung, das Fernsehen als Pendant zum Fernhören aufzufassen und es gleichsam mit mechanischen Mitteln zu

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erzwingen. Diese stolze Übersichtstafel der Fernsehdemonstrationen anlässlich der großen Nazi-Rundfunkausstellung 1935 in Berlin zeigt dies noch einmal deutlich.

Ein Irrweg, der bereits ein Jahr später, anlässlich der Olympiade in Berlin, durch den Import eines amerikanischen Aufnahme-Röhrenprinzips namens Ikonoskop

korrigiert wurde. Das Ikonoskop enthält kein mechanisches Teil. Es konstruiert rein elektronisch in der Aufnahmeröhre der Fernsehkamera ein „drittes“ Bild.

Ich bin damit bei dritten und insofern entscheidenden Zäsur, die das Fernsehen in seiner heutigen Form ermöglicht hat. Ihr Gegenstand ist eine Ungegenständlichkeit schlechthin.

Die Rede ist vom Elektron, jenem subatomaren Korpuskel, das 1897 von J.J. Thomson in einer Kathodenstrahlröhre jenes Typs nachgewiesen wurde, die Ferdinand Braun in Karlsruhe im selben Jahr der Welt als erste Bildschirmröhre präsentierte. Mit dieser Verbindung aus messbarer Unsichtbarkeit und einem unsichtbaren Effekt der Sichtbarkeit, in dieser Koppelung von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, die

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an eine Logik und eine Phänomenologie des Nicht-Unbeobachtbaren gebunden ist, entsteht das Fernsehen.

Was das Elektron betrifft, so galt vom Tage seiner Entdeckung an, dass man es messen kann, dass man es wiegen kann (Thomson schon bestimmte sein Gewicht), dass man seine Ladung bestimmen kann, also seine Energie, auch seinen Orte durch die Spuren, die es hinterlässt. Aber man kann das Elektron, um das es geht, nicht sehen. Sein Erscheinen ist, nach heutigem Wissen, ein Quanteneffekt, abhängig von einer Wahrscheinlichkeitsfunktion. Ironisch genug, das im selben Jahr in zwei verschiedenen Röhren, an verschiedenen Orten der Welt, dennoch zunächst seine Existenz und parallel dazu seine leuchtenden Spuren ins Wissen treten. Das Elektron kann man nur sehen, wenn man es misst, also eine seiner jeweils lokalen Eigenschaften ermittelt. Nur gilt dabei, sie erinnern es aus dem Physikunterricht: man kann niemals alle seine Eigenschaften zugleich messen. Am Elektron nämlich stellte Heisenberg seine Unschärferelation auf. Sie besagt, dass im Messprozess des Elektrons jeweils mindestens eine Eigenschaft des Elektrons unbestimmt bleibt. Für das Fernsehen und sein technisches Zustandekommen spielt zwar die Unschärferelation keine Rolle. Für die Epistemologie der Teilchen, auf deren Wechselwirkung es basiert, aber sehr wohl.

Das untere, Brauns Erfindung, beschrieb die Kathodenstrahlröhre als Bildschirm, als beschreibbare und bemalbare Oberfläche, die ein trägheitsloser, magnetisch abgelenkter Kathodenstrahl beliebig bebildert. Damit sehen wir heute noch fern. Braun hatte am inneren rechten Kolbenrand der Röhre fluoreszierende Materialien aufgebracht, die der Entladungsstrahl der Kathodenröhre zum kurzzeitigen Glimmen brachte. Die obere Abbildung, die Entdeckung von J.J. Thomson, zeigt dieselbe Röhre wie die braunsche, nur eben präpariert nicht fürs Sehen, sondern fürs Messen. Zu sehen gibt es hier nichts.

Thompson misst die Energie des Strahls, die er durch die Röhre schickt, und bestimmt durch seine verschiedenen Ablenkungswinkel die Energie und die Masse der Teilchen, aus denen er besteht. Ein unglaublich geniales Experiment, aber aus dem Wissen der Wissenschaft, deren Kind Thomson ist, ganz folgerecht und logisch erschlossen. Erst das Resultat dieses Experiments ließ eine

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epistemologische Welt zunächst bröckeln und dann zusammenbrechen. Denn fortan, seit 1897, heißt Sehen Messen, fortan lautet die Ontologie des Elektronischen: Es existiert das Gemessene oder es existiert nichts.

Um die Jahrhundertwende 1900 dämmert eine konstruierte Welt herauf, so könnte man sagen. Sie ist dabei, ihren Seinsgrund zu verlieren, wenn in einem wichtigen Teil ihres Wissens alternativlos Sehen durch Messen ersetzt wird, zu deutsch: wenn die Welt verschwindet zugunsten einer Konstruktion der Welt durch Beobachtung. Ich behaupte nicht, dass der Konstruktivismus in der Geistesgeschichte um 1900 gründet. Ja gerade weil ich das nicht behaupte, kann ich auf die unvorstellbar maßlosen und zerstörerischen Kräfte im Geistigen und in der Kultur der ersten Jahrhunderthälfte des 20ten Jahrhunderts verweisen. Die Exzentrik, der Wahnsinn, das Leid an der Entfremdung, die Exzesse des Todes und der Vernichtung, aber auch diese jenseitige Kraft der Avantgarde in ihrer Kunst, - das könnte sich erklären damit, dass ab 1900 in die Epistemologie des Wissens ein Riss eingreift, der über Jahrzehnte hin, bin in die fünfziger Jahre hinein fast unerkannt bleibt, obwohl er bereits in diesem Riss des Thomsonschen Experiments gründet.

Thomson brachte in die Welt der Wissenschaft und Technik um 1900 ein energetisch exakt messbares, fast trägheitslosen Teilchen, das dennoch nach herkömmlichen Gesetzen des elektrischen Stroms gut manipulierbar war, dabei immer unsichtbar blieb, aber zugleich mit Licht, also dem Stoff des Sichtbaren, auf die ausgezeichnetste Weise zusammenspielte.

Nun kam sofort eine hektische Bewegung in die Front der Physiker, die sich mit der Photozelle beschäftigten. Konnte Licht tatsächlich aus Metallen Elektronen herausschlagen? Ja, Philipp Lenard, Heinrich Hertzens Assistent, bewies das schon 1910 abschließend. Auf

seiner Messkunst, die in nichts der Thomsonschen nachstand, gründeten bereits vor dem ersten Weltkrieg die beiden fundamentalen empirischen Gesetze der Photoelektrik.

1. Die Zahl der Elektronen pro Zeiteinheit, die aus einer

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photoelektrischen Oberfläche herausströmen, ist der Intensität des Lichteinfalls proportional. Und 2: Die Energie, d.h. Geschwindigkeit der Elektronen, die aus einer photoelektrischen Oberfläche austreten, ist nicht abhängig von der Intensität des Lichts, sondern von seiner Frequenz, also von seiner Farbe.

Mit diesen beiden Gesetzen, sie glauben es nicht, kann man Fernsehen realisieren. Wir verdanken das Fernsehen von 1939 einem in die USA emigrierten

Russen, Vladimir Kozmic Zworykin. Zworykin, ein profund gebildeter Physiker aus der Thomson und Lenard-Schule, hatte auf Basis beider Lenardschen Gesetze bereits 1923 das Patent beschrieben, das Fernsehen möglich machen sollte. Es ist das Patent des dritten Bildes, eines zwischengespeicherten Bildes, eines elektrischen Bildes, eines aus Elektronen konstruierten Bildes, das

entstehen muss, damit fernes Licht zum Fernsehlicht wird.

Geht man nur hart genug darauf aus, das Sichtbare durch etwas Unsichtbares zu konstruieren, so ist der Aufbau der Zworykinschen Kamera recht schnell zu verstehen. Durch eine Linse fallen die Lichtstrahlen eines Bildes auf ein sehr feines Mosaik von Photozellen. Es sind gut 370 tausend kleine Zellen, um genau zu sein Silbertröpfchen mit Zäsium versetzt, die auf diesem Mosaik angebracht sind. Diese Tröpfchen reagieren mit Licht, indem sie, nach den Gesetzen Lenards, Elektronen ausstossen und über die Signalplatte abfliessen lassen. Nun kommt die Kathodenstrahlröhre ins Spiel, die im offenen Winkel zur Tröpfchenplatte angebracht ist. Sie überstreicht in exakt 2 Sekunden exakt 525 mal die Tröpfchenplatte millimetergenau links nach rechts und führt den Tröpfchen in einer geschickten Schaltung die Elektronenladung wieder zu, die sie durch den Lichteinfall verloren haben. Proportional dazu fließen die herausgeschlagenen Elektronen von der Signalplatte ab in Form definierter Ladungsgrößen. Empfängerseitig, auf dem Bildschirm, also in einer Braunschen Röhre, streicht im gleichen Takt und ganz synchron eine Kathodenstrahl 525 mal alle zwei Sekunden den Bildschirm zeilenweise ab. Dabei wird dieser Strahl durch die abfließenden Ladungen an der Signalplatte der Kamera punktgenau in seiner Helligkeit gesteuert.

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Und damit haben wir ein Fernsehbild, das auf der Konstruktion eines dritten, unsichtbaren Bildes basiert. Punktum. Die Weltausstellung ist eröffnet. An Kontrast und Schärfe darf noch gearbeitet werden.

Quanteneffekte spielen bei all dem keine Rolle. In Zworykins Büchern, die seine Erfindung detailliert und zum Nachbau für jedermann erklären, steht keine Silbe Quantenmathematik. Er braucht sie nicht.

Fernsehen braucht keine Atomphysik. Man muss nicht das Doppelspaltexperiment verstehen, um Fernsehen zu verstehen. Man muss auch nichts von der Unschärfe-Relation verstehen, nichts von Einstein und Bose und Fermi oder Dirac, um zu begreifen, wie das Fernsehen in seiner Epistemologie radikal Elektronisches auf Elektrisches herunterrechnet, Elektronenflüsse als Ladungsmengen anschreibt und dabei vollends mit einer Mathematik aus dem 19ten Jahrhundert auskommt.

Das ist das Geheimnis seines rasanten Erfolges, denn die Heerscharen von Technikern um 1940, allesamt nach den Wissensstand der Telegrafieelektrizität des 19ten Jahrhunderts geschult, brauchten nicht umzulernen, um die Kenngrößen des Fernsehens in hunderten von Fabriken und Werkstätten anzuwenden und am Fließband Fernseher und Kameras zu bauen.

Und doch, in der Epistemologie des Elektronischen bleibt ein Riss. Anwenden kann man die Wechselwirkung von Lichtphotonen und Elektronen und deren Rückverwandlung in Lichtimpulsen auf dem fluoreszierenden Bildschirm ohne ein Gran von Wissen darüber, welcher phänomenologische Rückstand dabei bleibt. Das ist das Skandalon der Epistemologie des Elektronischen im

20ten Jahrhundert. Sie erlaubt und eröffnet Techniken der medialen Bildkonstruktion und verdeckt dabei deren epistemologischen impact in demselben Zuge. Wenn man nämlich genauer fragt, hartnäckiger und fundamentaler, als es für die technische Funktion Fernsehen nötig ist, warum und wie genau Lichtphotonen mit Silberelektronen wechselwirken, die mit Cäsiumatomen dotiert sind, dann kommt

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man um die Quantenmechanik und um die ihr zugrundeliegende Quantenphysik nicht herum. Epistemologisch ist man dann aber schon in dem virulenten Streit, den die analytische Philosophie und die philosphy of Science immer noch und gerade heute durchzieht, wie Richard Rorty es in seiner Rede zum hundersten Geburtstag von Gadamer noch einmal resumiert hat. Die „techies“, wie Saul Kripke und David Lewis, halten Elektronen und Elementarteilchen für ontologisch gegeben, für unabweisliche Tatsachen in der Natur, die nicht de dicto, sondern de re gegeben sind. Die „fuzzies“, wie David Putnam, Ian Hacking, Bruno Latour und andere, halten die Definition der Elementarteilchen für eine Konstruktion aus Beobachtung und Bezeichnung, der immer auch andere, weitergehende, abweichende oder gleichgeltende, an die Seite gestellt werden können. Die „techies“ unter den amerikanischen Philosophen sind von den Konsequenzen geradezu enthusiasmiert, indem sie uns mit den Kosmologien des BigBang verzaubern oder mit möglichen Schlussfolgerungen auf real existierende Paralleluniversen beunruhigen. Die „fuzzies“, und zu ihnen zählt sich wohl Rorty selbst, üben sich dagegen in einem lässigen Nominalismus und suchen nach Ausgleich der Diskurs, nach antimetaphysischem Konsens und einer Solidarität in der Sprache.

Medienepistemologisch folgt aus den hier vorgestellten Überlegungen zweierlei. Zunächst, hatlen wir es noch einmal fest, basiert das Fernsehbild, als es 1939 in die Welt gesetzt wird, auf der technischen Konstruktion eines dritten Bildes. Ein drittes Bild als eine pure Konstruktion elektrischer Effekte und damit keine camera obscura. Das in die Kamera fallende Licht, das einfallende Bild

tritt nicht mehr heraus und wirft auch in einem belichtenden Sinne keinen Schein auf nichts. Was wir sehen auf den Flimmerkisten unserer Bildschirme ist nicht das, was in die Kamera hineinkommt. Es ist vielmehr die Abtastung und elektrische Ausmessung eines Zwischenbildes, einer unsichtbaren Speicherung, einer technischen Ikone, – präzise gesagt handelt es sich um eine elektronische Ikonoskopie. Die Konstruktion dieser Technik kehrte sich expressis verbis ab von den mechanischen Fernsehversuchen zuvor, die der mechnistischen Utopie anhingen, das Licht an der Quelle irgendwie doch noch einmal am Ort des entfernten Ziels erscheinen zu lassen. Zworykin hat dagegen immer darauf bestanden, dass sein

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ikonoskopisches Fernsehen kein mechanisches ist, und von einer Direktübertragung des Lichts und der Bilder nicht die Rede sein kann. Erstens also: Fernsehen ist die Konstruktion eines dritten Bildes aus elektronischen Effekten. Diese Effekte aber verdanken sich einem Wissen und einer Epistemologie, die zu keinem Zeitpunkt die quantenmechanisch paradoxalen Fragen aufkommen ließen, wie denn die Wechselwirkung zwischen Lichtphotonen und elektrischen Ladungsteilchen physikalisch oder gar ontologisch zu beschreiben wären. Fernsehen ist eine Technik, die ein neues Wissen vom fundamentalen Konstruiertsein der Welt integriert, aber nur, indem sie es überlagert durch die Anwendung eines alten Wissens vom Realitätskontinuum der Natur.

Zweitens also, und das erscheint mir sowohl bildtheoretisch wie fernsehtheoretisch von Bedeutung zu sein: Wir haben es beim Fernsehen wissensgeschichtlich mit einer Überlagerung zu tun, die eine Unkenntlichmachung zur Folge hat. Mit Fernsehen meinte man lange, eine Realität und Wirklichkeit zu übertragen, weil es technisch mit Mitteln einer Epistemologie zusammengesetzt ist, denen eine Vorstellung des Kontinuums von Welt und Natur völlig genügt. Tatsächlich aber ist Fernsehen von Anfang an eine Konstruktion und kann also nur mit konstruktiven Theorien der Wahrnehmung und Kommunikation verstanden werden. Zu deren Dekonstruktion, zu einem Offenhalten der Faltung ihrer Diskurse, sollten meine Anmerkungen beitragen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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