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Bautechnische Forschungs- und Versuchsanstalt Salzburg Seite 1 von 7 akkreditierte Prüf-, Überwachungs- und Kalibrierstelle 1 EINLEITUNG Der Einsatz von Geotextilien im Straßenbau entspricht dem heu- tigen Stand der Technik, wobei die Einsatzmöglichkeiten weit gestreut sind. Geotextilien werden sowohl bei einfachen Ver- kehrswegen (z.B. Güter- und Forstwegen) und unbefestigten Straßen mit begrenzter Lebensdauer (z.B. Baustellenzufahrten und Baustraßen) als auch bei hochwertigen Straßen mit gebun- denem Oberbau aus Asphalt oder Beton und im Unterbau von hochbelasteten Schienenwegen eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Wirkungsweise des Geotextils als Trenn- und Filterlage sowie als zugfeste und dehnfähige Bewehrung im Verbundsystem aus Tragschichte, Geotextil und anstehendem Untergrund. Für den Routineeinsatz im Straßenbau haben sich vernadelte Vliesstoffe gegenüber Ge- weben und Maschenwaren weitgehend durchgesetzt. Steht die Funktion einer Bewehrung im Vordergrund, werden auch Ver- bundstoffe auf Vliesbasis und Geogitter eingesetzt, wobei letzte- re mit Vliesen kombiniert werden müssen, um Trenn- und Filter- funktionen erfüllen zu können. Im Folgenden wird von Vliesen ausgegangen. Ob die Trenn- und Filterfunktion oder die Wirkung als Be- wehrung im Vordergrund steht, ist eine viel diskutierte Frage. Tatsache ist, daß Geotextile die Vermischung von Tragschicht- material und anstehendem Untergrund verhindern. Bei entspre- chender Dimensionierung als Filter verhindern Geotextilien das Einspülen von Feinteilen in das Tragschichtmaterial, entwässern den Untergrund und beschleunigen somit bei feinkörnigen, was- sergesättigten Böden die Konsolidierung. Weiters verhindert der Einsatz eines Geotextils eine punktuelle Überbelastung von ge- ring tragfähigen (z.B. aufgeweichten) Zonen im anstehenden Un- tergrund. Durch eine geotextile Bewehrung kann die Steifigkeit eines Tragschichtsystems erhöht bzw. die Mächtigkeit der Tagschichte reduziert werden, wofür zahlreiche Versuchsergebnisse vorlie- gen. Unter anderem haben Beyer und Nimmesgern (1994) Ver- suche sowie Vergleichsberechnungen mit der Methode der Fini- ten Elemente durchgeführt. Die maßgebende mechanische Beanspruchung eines im Straßenbau eingesetzten Geotextils ergibt sich durch die Einzel- körner bzw. durch steinige oder auch blockige Einzel- komponenten des Schüttmaterials. Insbesondere bei unzu- reichender Qualität bzw. Verdichtung der Schüttung oder geringer Tragfähigkeit des anstehenden Untergrundes werden geotextile Trenn-, Filter- und Bewehrungsschichten auf Durch- drücken bzw. –stoßen beansprucht. Ergänzend zur Durchdrückbeanspruchung werden Geo- textilien im Rahmen der Erdarbeiten durch Schütten, Verdichten und Befahren dynamisch belastet. Langfristig werden Geo- textilien in Tragschichtsystemen auch durch dynamische Ver- kehrslasten, welche beim Rollen, Anfahren, Beschleunigen und Bremsen mobilisiert werden, beansprucht. Laier und Bräu (1986) sowie Floss und Bräu (1988) haben das (Durchdrück)Verhalten von Geotextilien sowie die Verform- ungen eines Tragschichtsystems auf gering tragfähigem Unter- grund zufolge dynamischer Lasten im Groß- bzw. Baustellenver- such untersucht. Hierbei wurden sowohl der günstige Einfluß von Geotextillagen als auch die unterschiedlichen Produkteigen- schaften aufgezeigt. Kisskalt und Kossendey (1994) zeigen den Einfluß einer dynamischen Belastung auf die Filterwirksamkeit eines im Straßenbau verwendeten Geotextils Um die bautechnischen Anforderungen im Erdbau des Stra- ßenbaus langfristig erfüllen zu können, ist es erforderlich, daß ein Geotextil die dynamischen und statischen Belastungen der Bauphase, insbesondere die Durchdrückbeanspruchung unbe- schadet übersteht. Als Beurteilungskriterium für das Durch- drückverhalten von Geotextilien unter dynamischer und stati- scher Belastung wurde an der Bautechnischen Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg der dynamische und der statische Pyramidendurchdrückversuch entwickelt, der in die Technischen Vertragsbedingungen der RVS 8S.01.2, „Geotextilien im Unter- bau“ aufgenommen wurde. Im Folgenden wird der Stand der Versuchstechnik diskutiert. Weiters werden die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen sowie der RVS 8S.01.2 angegebenen Aus- wahlkriterien für Geotextile, welche auch den Einfluß dyn- amischer Belastungen berücksichtigen, erläutert. Der dyn- amische und der statische Pyramidendurchdrückversuch werden detailliert beschrieben und repräsentative Versuchsergebnisse aufgezeigt. Verfasseranschrift: Dipl.-Ing. Dr. M. Moser, BauR hc Dipl.-Ing. Dr. H. Breymann, Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg, Abteilung Geotechnik, Alpenstraße 157, A-5020 Salzburg DAS DURCHDRÜCKVERHALTEN VON GEOTEXTILIEN UNTER DYNAMISCHER UND STATISCHER BELASTUNG - DER PYRAMIDENDURCHDRÜCKVERSUCH NACH RVS 8S.01.2 M. Moser und H. Breymann Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg KURZFASSUNG: Im Straßenbau eingesetzte Geotextilien werden vorwiegend durch die Einzelkörner des Schüttmaterials bean- sprucht. Diese punktuellen Belastungen können Schäden verursachen, welche die an das Geotextil gestellten bautechnischen Anfor- derungen wesentlich beeinträchtigen. Für eine Beurteilung des Durchdrückverhaltens von Geotextilien sind im deutschsprachigen Raum vorwiegend der Stempeldurchdrückversuch, mit dem die Kraftaufnahme bei statischer Belastung simuliert wird sowie der Ke- gelfallversuch, mit dem ein Schüttvorgang nachgestellt wird, von Bedeutung. Aufgrund der nicht wirklichkeitsnahen Ausbildung von Prüfstempel bzw. –spitze sowie der fehlenden Möglichkeit zur Simulation dynamischer Lasten befriedigt der derzeitige Stand der Versuchstechnik aus bodenmechanischer Sicht nicht. Auf Basis des Stempeldurchdrückversuches wurde daher ein Versuch ent- wickelt, bei dem die pyramidenförmige Prüfspitze gemäß ÖNORM S 2076 sowohl statisch als auch - unter zyklischer Auf- und Abbe- wegung – dynamisch durch das Geotextil gedrückt wird. Die hierfür erforderliche Kraft wird in Abhängigkeit vom Vorschubweg kon- tinuierlich aufgezeichnet. Das derart ermittelte Kraftmaximum wird als statische bzw. dynamische Pyramidendurchdrückkraft be- zeichnet und ist Beurteilungskriterium in den Technischen Vertragsbedingungen der RVS 8S.01.2, Geotextilien im Unterbau. Die Versuchseinrichtung wird beschrieben und die Brauchbarkeit des Verfahrens anhand von Prüfergebnissen gezeigt.

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Bautechnische Forschungs- und Versuchsanstalt Salzburg Seite 1 von 7 akkreditierte Prüf-, Überwachungs- und Kalibrierstelle

1 EINLEITUNG

Der Einsatz von Geotextilien im Straßenbau entspricht dem heu-tigen Stand der Technik, wobei die Einsatzmöglichkeiten weit gestreut sind. Geotextilien werden sowohl bei einfachen Ver-kehrswegen (z.B. Güter- und Forstwegen) und unbefestigten Straßen mit begrenzter Lebensdauer (z.B. Baustellenzufahrten und Baustraßen) als auch bei hochwertigen Straßen mit gebun-denem Oberbau aus Asphalt oder Beton und im Unterbau von hochbelasteten Schienenwegen eingesetzt.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Wirkungsweise des Geotextils als Trenn- und Filterlage sowie als zugfeste und dehnfähige Bewehrung im Verbundsystem aus Tragschichte, Geotextil und anstehendem Untergrund. Für den Routineeinsatz im Straßenbau haben sich vernadelte Vliesstoffe gegenüber Ge-weben und Maschenwaren weitgehend durchgesetzt. Steht die Funktion einer Bewehrung im Vordergrund, werden auch Ver-bundstoffe auf Vliesbasis und Geogitter eingesetzt, wobei letzte-re mit Vliesen kombiniert werden müssen, um Trenn- und Filter-funktionen erfüllen zu können. Im Folgenden wird von Vliesen ausgegangen.

Ob die Trenn- und Filterfunktion oder die Wirkung als Be-wehrung im Vordergrund steht, ist eine viel diskutierte Frage. Tatsache ist, daß Geotextile die Vermischung von Tragschicht-material und anstehendem Untergrund verhindern. Bei entspre-chender Dimensionierung als Filter verhindern Geotextilien das Einspülen von Feinteilen in das Tragschichtmaterial, entwässern den Untergrund und beschleunigen somit bei feinkörnigen, was-sergesättigten Böden die Konsolidierung. Weiters verhindert der Einsatz eines Geotextils eine punktuelle Überbelastung von ge-ring tragfähigen (z.B. aufgeweichten) Zonen im anstehenden Un-tergrund.

Durch eine geotextile Bewehrung kann die Steifigkeit eines Tragschichtsystems erhöht bzw. die Mächtigkeit der Tagschichte reduziert werden, wofür zahlreiche Versuchsergebnisse vorlie-gen. Unter anderem haben Beyer und Nimmesgern (1994) Ver-suche sowie Vergleichsberechnungen mit der Methode der Fini-ten Elemente durchgeführt.

Die maßgebende mechanische Beanspruchung eines im Straßenbau eingesetzten Geotextils ergibt sich durch die Einzel-körner bzw. durch steinige oder auch blockige Einzel-komponenten des Schüttmaterials. Insbesondere bei unzu-reichender Qualität bzw. Verdichtung der Schüttung oder

geringer Tragfähigkeit des anstehenden Untergrundes werden geotextile Trenn-, Filter- und Bewehrungsschichten auf Durch-drücken bzw. –stoßen beansprucht.

Ergänzend zur Durchdrückbeanspruchung werden Geo-textilien im Rahmen der Erdarbeiten durch Schütten, Verdichten und Befahren dynamisch belastet. Langfristig werden Geo-textilien in Tragschichtsystemen auch durch dynamische Ver-kehrslasten, welche beim Rollen, Anfahren, Beschleunigen und Bremsen mobilisiert werden, beansprucht.

Laier und Bräu (1986) sowie Floss und Bräu (1988) haben das (Durchdrück)Verhalten von Geotextilien sowie die Verform-ungen eines Tragschichtsystems auf gering tragfähigem Unter-grund zufolge dynamischer Lasten im Groß- bzw. Baustellenver-such untersucht. Hierbei wurden sowohl der günstige Einfluß von Geotextillagen als auch die unterschiedlichen Produkteigen-schaften aufgezeigt. Kisskalt und Kossendey (1994) zeigen den Einfluß einer dynamischen Belastung auf die Filterwirksamkeit eines im Straßenbau verwendeten Geotextils

Um die bautechnischen Anforderungen im Erdbau des Stra-ßenbaus langfristig erfüllen zu können, ist es erforderlich, daß ein Geotextil die dynamischen und statischen Belastungen der Bauphase, insbesondere die Durchdrückbeanspruchung unbe-schadet übersteht. Als Beurteilungskriterium für das Durch-drückverhalten von Geotextilien unter dynamischer und stati-scher Belastung wurde an der Bautechnischen Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg der dynamische und der statische Pyramidendurchdrückversuch entwickelt, der in die Technischen Vertragsbedingungen der RVS 8S.01.2, „Geotextilien im Unter-bau“ aufgenommen wurde.

Im Folgenden wird der Stand der Versuchstechnik diskutiert. Weiters werden die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen sowie der RVS 8S.01.2 angegebenen Aus-wahlkriterien für Geotextile, welche auch den Einfluß dyn-amischer Belastungen berücksichtigen, erläutert. Der dyn-amische und der statische Pyramidendurchdrückversuch werden detailliert beschrieben und repräsentative Versuchsergebnisse aufgezeigt. Verfasseranschrift: Dipl.-Ing. Dr. M. Moser, BauR hc Dipl.-Ing. Dr. H. Breymann, Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg, Abteilung Geotechnik, Alpenstraße 157, A-5020 Salzburg

DAS DURCHDRÜCKVERHALTEN VON GEOTEXTILIEN UNTER DYNAMISCHER UND STATISCHER BELASTUNG - DER

PYRAMIDENDURCHDRÜCKVERSUCH NACH RVS 8S.01.2

M. Moser und H. Breymann Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg

KURZFASSUNG: Im Straßenbau eingesetzte Geotextilien werden vorwiegend durch die Einzelkörner des Schüttmaterials bean-sprucht. Diese punktuellen Belastungen können Schäden verursachen, welche die an das Geotextil gestellten bautechnischen Anfor-derungen wesentlich beeinträchtigen. Für eine Beurteilung des Durchdrückverhaltens von Geotextilien sind im deutschsprachigen Raum vorwiegend der Stempeldurchdrückversuch, mit dem die Kraftaufnahme bei statischer Belastung simuliert wird sowie der Ke-gelfallversuch, mit dem ein Schüttvorgang nachgestellt wird, von Bedeutung. Aufgrund der nicht wirklichkeitsnahen Ausbildung von Prüfstempel bzw. –spitze sowie der fehlenden Möglichkeit zur Simulation dynamischer Lasten befriedigt der derzeitige Stand der Versuchstechnik aus bodenmechanischer Sicht nicht. Auf Basis des Stempeldurchdrückversuches wurde daher ein Versuch ent-wickelt, bei dem die pyramidenförmige Prüfspitze gemäß ÖNORM S 2076 sowohl statisch als auch - unter zyklischer Auf- und Abbe-wegung – dynamisch durch das Geotextil gedrückt wird. Die hierfür erforderliche Kraft wird in Abhängigkeit vom Vorschubweg kon-tinuierlich aufgezeichnet. Das derart ermittelte Kraftmaximum wird als statische bzw. dynamische Pyramidendurchdrückkraft be-zeichnet und ist Beurteilungskriterium in den Technischen Vertragsbedingungen der RVS 8S.01.2, Geotextilien im Unterbau. Die Versuchseinrichtung wird beschrieben und die Brauchbarkeit des Verfahrens anhand von Prüfergebnissen gezeigt.

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2 STAND DER VERSUCHSTECHNIK

Die Eigenschaften eines Geotextils sind durch Laborprüfungen nachzuweisen; die hierbei ermittelten Kennwerte sind die Basis für die Wahl einer entsprechenden Geotextiltype. Da viele Prü-fungen aus der Textilindustrie übernommen wurden, sind viele im Labor ermittelten Geotextilkennwerte nur bedingt für die Be-urteilung von Geotextilien geeignet. Neben den Identifikations-prüfungen (Flächengewicht und Dicke) haben sich vor allem die Streifenzugfestigkeit und –dehnung, der Stempeldurchdrückver-such, die Grabzugprüfung, die Weiterreißprüfung, der Berst-versuch und der Kegelfallversuch als Beurteilungskriterium für die mechanischen Eigenschaften sowie die charakteristische Öffnungsweite, die Wasserdurchlässigkeit in der Ebene und die Wasserdurchlässigkeit normal zur Ebene als Kriterium für die hydraulischen Eigenschaften von im Straßenbau verwendeten Geotextilien durchgesetzt.

2.1 Das Durchdrückverhalten von Geotextilien

Für eine Beurteilung des Durchdrückwiderstandes von Geotexti-lien werden derzeit im deutschsprachigen Raum vorwiegend der Stempeldurchdrückversuch gemäß EN 12236 sowie der Kegel-fallversuch gemäß EN 918 herangezogen:

Der Stempeldurchdrückversuch verwendet den Prüfstempel des aus dem Straßenbau bekannten CBR-Versuches. Die Simula-tion des Schüttkornes erfolgt mit einem zylindrischen Stempel mit 50 mm Durchmesser und abgerundeten Kanten, welcher mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch das Geotextil gedrückt wird. Prüfergebnis ist die maximal erreichbare Durchdrückkraft.

Der Kegelfallversuch sieht eine kegelförmige Spitze mit ei-nem Öffnungswinkel von 45° und einer Masse von 1000 g vor, der aus einer definierten Höhe auf das Geotextil fällt. Prüfergeb-nis ist der hierbei erzeugte Lochdurchmesser.

Der Stempeldurchdrückversuch erlaubt die Simulation stati-scher Lasten; mit dem Kegelfallversuch kann die dynamische Beanspruchung beim Überschütten nachgestellt werden. Auf-grund der zahlreich vorliegenden Versuchsergebnisse bieten die beiden genannten Versuche ein gutes Beurteilungskriterium für den Vergleich der Produkteigenschaften unterschiedlicher Geo-textiltypen. Aufgrund der nicht wirklichkeitsnahen Geometrie des Prüfstempels bzw. der Prüfspitze sowie der fehlenden Mög-lichkeit zur Simulation der dynamischen Beanspruchung durch Verdichtung oder durch Verkehrslasten befriedigt der derzeitige Stand der Versuchstechnik aus bodenmechanischer Sicht nicht.

2.2 Wahl einer für Schüttmaterial repräsentativen Prüfspitze

Für die Ermittlung charakteristischer Kennwerte hinsichtlich des Durchdrückverhaltens von Geotextilien besteht der Bedarf nach einer Prüfspitze, welche die geometrischen Eigenschaften der als Schüttmaterial verwendeten Gesteinskörnung wiedergibt.

Als Schüttmaterial wird im österreichischen Straßenbau be-vorzugt gebrochenes, rundkantiges oder kantiges Kiesmaterial verwendet, da natürlich gewachsene Kiesmaterialien mit gerun-deten Komponenten häufig nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. In Österreich wird die Kornzusammen-setzung ungebundener unterer und oberer Tragschichten in RVS 8S.05.11 geregelt. Für obere Tragschichten werden Kornberei-che definiert; für untere Tragschichten werden als wesentliche Anforderung Verdichtungskriterien angegeben. Ergänzende For-derungen hinsichtlich der Korngrößenverteilung von unteren Tragschichten sind eine Beschränkung des Kornanteils < 0,063 mm, ein Filterkriterium und ein maximaler Korndurchmessers von 90 mm. Schüttmaterial für Bodenauswechslungen wird auf Basis des Klassifizierungssystems der ÖNORM B 4400 (DIN 18196) in RVS 8.24 beschrieben. Im Regelfall weisen die Schüttmaterialien des Straßenbaus meist ein Größtkorn von ca. 60 mm auf; kantiges Kiesmaterial wird aufgrund der günstigen Verdichtungseigenschaften gegenüber rundkörnigen Materialien bevorzugt.

Für die Ermittlung der statischen und der dynamischen Py-ramidendurchdrückkraft gemäß RVS 8S. 01.2 wird daher die Prüfpyramide gemäß ASTM D 5494-93 bzw. ÖNORM S 2076 verwendet. In Abbildung 2.2-1 ist eine entsprechende Prüf-pyramide gemeinsam mit dem Prüfstempel des Stempeldurch-drückversuches und der Prüfspitze des Kegelfallversuches ver-schiedenen Kieskomponenten unterschiedlicher Kornform gegenübergestellt. Der Vergleich zeigt, daß die Geometrie der Prüfpyramide die rundkantige und die kantige Kornform gut be-schreibt. Gleichmäßig gerundete Komponenten werden durch den CBR-Stempel gut simuliert.

Abbildung 2.2-1: Prüfstempel, Prüfspitze und Prüfpyramide; Schütt-material (gerundetes, rundkantiges und kantiges Einzelkorn)

Die Prüfpyramide besteht aus einer vierseitigen Pyramide, welche auf einen Zylinder mit 25 mm Durchmesser aufgesetzt ist. Die einzelnen Pyramidenflächen stehen zueinander in einem Winkel von 90°. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß die in ASTM D 5494-93 und ÖNORM S 2076 angegebene Geometrie der Prüfpyramide nicht reproduzierbar ist (siehe auch Abbildung 2.2-2) Die Übergangsflächen zwischen den mit 0,1 mm ge-rundeten Kanten und der mit 0,5 mm abgerundeten Spitze kann nicht exakt beschrieben werden und ist fertigungstechnisch nicht herstellbar. Weiters sind weder der Werkstoff noch die Ober-flächenrauhigkeit der Prüfpyramide definiert. Dementsprechend werden in der täglichen Praxis unterschiedliche Prüfspitzen ver-wendet. Es kommen Prüfpyramiden zum Einsatz, deren Spitze aus einer eingepreßten Kugel oder einem abgerundeten Stift be-steht; die Oberflächenbehandlung ist oft mangelhaft, wodurch eine erhöhte „Schneidewirkung“ der Pyramidenkanten entsteht. Es hat sich gezeigt, daß unterschiedliche Pyramidenausbildungen zu streuenden Ergebnissen führen können. Beim dynamischen Pyramidendurchdrückversuch wurde beobachtet, daß zufolge ei-ner nicht sauberen Ausbildung der Pyramidenspitze oder der Py-ramidenkanten („Sägezähne“) einzelne Fasern aus Vliesstoffen gezogen werden.

Um Unregelmäßigkeiten auszuschließen, wurde eine Prüf-pyramide definiert, die allgemein reproduzierbar ist und zukünf-tig für Pyramidendurchdrückversuche verwendet werden soll. Die neue Prüfpyramide wurde bereits in internationalen Normen-auschüssen präsentiert und kann hinsichtlich den Abmessungen, Toleranzen, Oberflächen und dem Werkstoff wie folgt beschrie-ben werden:

- Radius Spitze = Radius Pyramidenkante 0,5 ± 0,02 mm

- Winkeligkeit der Pyramidenflächen 0,01 mm

- Nicht tolerierte Maße gemäß DIN 7168, T1 fein

- Rmax der nicht bemaßten Kanten 0,3 mm

- Oberfläche Ra max. 0,8 (VDI 18)

- Werkstoff Werkzeugstahl gehärtet (58 + 3 HRC) Cr-Anteil min. 11 %

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Vergleichsversuche (siehe auch Abbildung 4.6-3) haben gezeigt, daß die mit der neuen Prüfspitze insbesondere beim dyn-amischen Versuch im Regelfall günstigere (höhere) Kraftwerte erzielt werden können.

12,5

mm

25,0

mm

25,0 mm

R 0,1 m

m

R 0,3 mm

R 0

,5 m

m

Abbildung 2.2-2: Prüfpyramide gemäß ASTM D 5494-93 bzw. ÖNORM S 2076

3 AUSWAHLKRITERIEN FÜR IM STRASSENBAU EINGESETZTE GEOTEXTILIEN

Meist werden im Straßenbau eingesetzte Geotextilien nach der flächenbezogenen Masse sowie nach der Zugfestigkeit und der Bruchdehnung ausgewählt. Die für das Durchdrückverhalten maßgebenden Geotextilkennwerte wie die Stempeldurchdrück-festigkeit und der Lochdurchmesser des Kegelfallversuches spie-len meist nur eine untergeordnete Rolle, da allgemein anerkannte Bemessungskriterien fehlen. Im Allgemeinen müssen im Stra-ßenbau eingesetzte Geotextilien neben den mechanischen Krite-rien auch hydraulischen Anforderungen genügen; die Filter-funktion des Geotextils muß auf die Kornzusammensetzung des anstehenden Untergrundes abgestimmt werden, um eine Verun-reinigung des Tragschichtmaterials durch eingespülte Feinteile zu verhindern.

Prinzipiell sind Tragschichtsysteme, welche unter dem Ein-satz von Geotextilen aufgebaut werden, sowohl hinsichtlich der erforderlichen Tragschichtmächtigkeit als auch hinsichtlich des verwendeten Geotextils zu bemessen. Resl (1997) gibt einen Ü-berblick über die unterschiedlichen gängigen Bemessungs-methoden. Im Folgenden werden diejenigen Auswahlkriterien beschrieben, die auch den Einfluß dynamischer Lasten erfassen.

3.1 Geotextilrobustheitsklassen gemäß Merkblatt der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen

Die erforderlichen Eigenschaften des Geotextils werden durch Geotextil-Robustheitsklassen definiert, wobei die Festig-keitseigenschaften von Vliesstoffen durch die Stempeldurch-drückkraft angegeben werden. Ergänzend wird für jede Robust-heitsklasse eine Mindestanforderung für das Flächengewicht definiert (siehe Tabelle 3.1-1).

Tabelle 3.1-1: Geotextilrobustheitsklassen für Vliesstoffe Geotextilrobustheitsklasse

(GRK) Stempeldurchdrückkraft (x*-s)

Masse pro Flächeneinheit (x*)

1 ≥ 0,5 kN ≥ 80 g/m2

2 ≥ 1,0 kN ≥ 100 g/m2

3 ≥ 1,5 kN ≥ 150 g/m2

4 ≥ 2,5 kN ≥250 g/m2

5 ≥ 3,5 kN ≥ 300 g/m2

Für Vliesstoffe wird der Mittelwert der Stempeldurchdrückkraft (x*) minus Standardabwei-

chung (s) verwendet.

In Abhängigkeit vom verwendeten Schüttmaterial werden Anwendungsfälle (AS) beschrieben, die gemeinsam mit den Be-anspruchungsfällen (AB), welche durch den Einfluß der dynami-schen Belastung zufolge Einbau und Baubetrieb definiert sind, ein Klassifikationssystem für die Geotextilrobustheitsklassen darstellen (siehe Tabellen 3.1-2 bis 3.1-4).

Tabelle 3.1-2: Einteilung nach der Beanspruchung durch das Schütt-material

Anwendungsfall Beschreibung

AS1 Einsatz eines Geotextils in Fällen, in denen die mechanische Bean-spruchung durch das Schüttmaterial und den Einbau ohne Einfluß auf die Auswahl ist.

AS2 Geotextil zwischen feinkörnigen Böden und grob- oder gemischtkör-nigen Böden.

AS3 Geotextil zwischen feinkörnigen Böden und grob- oder gemischtkör-nigen Böden mit bis zu 40 % Steinen sowie scharfkantigem, gebro-chenem Material der Körnung wie AS2.

AS4 Geotextil zwischen feinkörnigen Böden und grob- oder gemischtkör-nigen Böden mit bis zu 40 % Steinen und Blöcken sowie scharfkanti-gem, gebrochenem Material der Körnung wie AS3.

AS5 Geotextil zwischen feinkörnigen Böden und grob- oder gemischtkör-nigen Böden mit bis zu 40 % Steinen und aus scharfkantigem Gestein.

Tabelle 3.1-3: Einfluß der Beanspruchung durch Einbau und Baubetrieb Beanspruchungsfall Beschreibung

AB1 Einbau und Überschütten von Hand und keine wesentliche Beanspru-chung des Geotextils durch die Verdichtung.

AB2 Maschineller Einbau und Verdichtung, keine wesentliche Walkbean-spruchung durch den Bauverkehr.

AB3 Maschineller Einbau und Verdichtung sowie erhöhte Walkbeanspru-chung durch zugelassene Spurrinnentiefe von 5 bis 15 cm.

AB4 Maschineller Einbau und besondere Walkbeanspruchung durch zuge-lassene Spurrinnentiefe von über 15 cm.

Tabelle 3.1-4: Einfluß der Beanspruchung durch Einbau und Baubetrieb Beanspruchungsfall

Anwendungsfall AB1 AB2 AB3 AB4

AS1 GRK1

AS2 GRK2 GRK2 GRK3 GRK4

AS3 GRK3 GRK3 GRK4 GRK5

AS4 GRK4 GRK4 GRK5 (1)

AS5 GRK5 GRK5 (1) (1)

(1) Für diese Anwendungen sind entweder Baustellenversuche auszuführen oder die Schüttlagendicke zu erhöhen.

3.2 Anforderungen für Trenn- und Verstärkungsgeotextilien gemäß RVS 8S.01.2

Die Anforderungen an das Geotextil sind durch den Untergrund, das Schüttmaterial sowie die Verkehrsbelastung definiert. In Abhängigkeit vom Größtkorn (dmax ≤ 63 mm oder dmax > 63 mm), der Kornform (Rundkorn oder Kantkorn), dem Ver-formungsmodul Ev1 des Untergrundes (U1: Ev1 ≤ 5 MN/m2, U2: Ev1 = 5 bis 15 MN/m2, U3: Ev1 > 15 MN/m2) und der Verkehrs-belastung gemäß RVS 3.63 (Lastfallklassen I bis IV) werden auf Basis einer Tragschichtmächtigkeit von 40 cm Geotextil-kennwerte definiert, wobei dem dynamischen Pyramidendurch-drückversuch besondere Bedeutung zukommt (siehe Tabelle3.2-1 und 3.2-2).

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Tabelle 3.2-1: Mechanische Anforderungen an Geotextilien für Schütt-material Rundkorn oder Schüttmaterial Kantkorn dmax ≤ 63 mm

Höchst-

zugkraft

Höchst-

zugkraft-

dehnung

Stempel-

durchdr.-

kraft

Lochdurch-

meser/

Kegelfall-

versuch

Pyramiden-

durchdr.-

kraft (stat.)

Pyramiden-

durchdr. -

kraft (dyn.) U

LKL

gem.

RVS 3.63

kN/m % N mm N N

LKL I-IV ≥ 23 > 55 ≥ 3850 < 15 ≥ 1000 ≥ 660 U1

LKL V ≥ 21 > 55 ≥ 3500 < 16 ≥ 900 ≥ 600

LKL I-IV ≥ 18,5 > 55 ≥ 3000 < 17 ≥ 750 ≥ 510 U2

LKL V ≥ 15,5 > 55 ≥ 2700 < 21 ≥ 660 ≥ 450

LKL I-IV ≥ 13,5 > 55 ≥ 2300 < 23 ≥ 560 ≥ 390 U3

LKL V ≥ 11 > 55 ≥ 1850 < 27 ≥ 490 ≥ 310

Tabelle 3.2-2: Mechanische Anforderungen an Geotextilien für Schütt-material Kantkorn dmax > 63 mm

Höchst-

zugkraft

Höchst-

zugkraft-

dehnung

Stempel-

durchdr.-

kraft

Lochdurch-

meser/

Kegelfall-

versuch

Pyramiden-

durchdr.-

kraft (stat.)

Pyramiden-

durchdr.

kraft (dyn.) U

LKL

gem.

RVS 3.63

kN/m % N mm N N

LKL I-IV ≥ 26 > 55 ≥ 4200 < 14 ≥ 1140 ≥ 750 U1

LKL V ≥ 23 > 55 ≥ 3850 < 15 ≥ 1000 ≥ 660

LKL I-IV ≥ 21 > 55 ≥ 3500 < 16 ≥ 900 ≥ 600 U2

LKL V ≥ 18,5 > 55 ≥ 3000 < 17 ≥ 750 ≥ 510

LKL I-IV ≥ 15,5 > 55 ≥ 2700 < 21 ≥ 660 ≥ 450 U3

LKL V ≥ 13,5 > 55 ≥ 2300 < 23 ≥ 560 ≥ 390

Ergänzend zu den in Tabelle 3.2-1 und 3.2-2 geforderten mechanischen Kennwerten wird die mechanische Filterstabilität durch Grenzwerte der charakteristischen Öffnungsweite gemäß EN ISO 12956 definiert (0,06 mm ≤ O90, w ≤ 0,2 mm). Ergän-zend wird die hydraulische Filterstabilität durch eine Mindestan-forderung hinsichtlich der Durchlässigkeit normal zur Ebene gemäß EN ISO 11058 gewährleistet (kv ≥ 1,0 .10-3 m/s, bzw. Permittivität Ψ ≥ 1 s-1).

Für den Einsatz als Filter- oder Drainagegeotextil sind in RVS 8S.01.2 Mindestanforderungen hinsichtlich der me-chanischen und hydraulischen Geotextilkennwerte angegeben.

4 DER PYRAMIDENDURCHDRÜCKVERSUCH GEMÄSS RVS 8S.01.2

4.1 Versuchseinrichtung

Die Versuchseinrichtung erlaubt es, sowohl dynamische als auch statische Lasten zu simulieren. Detailliert kann die Versuchs-einrichtung wie folgt beschrieben werden (siehe auch Abbildung 4.1-1):

Die Geotextilprobe wird über einen Prüftopf mit einem In-nendurchmesser von 150 mm sowie einer Höhe von 150 mm aufgelegt und in einem Spannring gemäß EN ISO 12236 (Stem-peldurchdrückversuch) fixiert. Die Masse des Prüftopfes inklusi-ve Spannring beträgt rund 12000 g.

Anschließend wird der Prüftopf zentrisch auf die Kraft-messeinrichtung aufgestellt, welche aus drei, unter einem Winkel von jeweils 120° versetzten Wägezellen der Marke HOTTIN-GER, Typ Z 6-4 (Nennlast 200 kg), besteht.

Die Krafttmesseinrichtung ist auf einer Vorschubeinrichtung montiert, welche den Prüftopf mit konstanter Geschwindigkeit gegen die Prüfspitze drückt. Der Vorschub für das Anheben des Prüftopfes gegen die Prüfpyramide erfolgt mit einer Geschwin-digkeit von 10 ± 1 mm/min. Bei der beschriebenen Versuchs-einrichtung wird eine Universalprüfmaschine der Marke Zwick, Typ 1488 als Vorschubeinrichtung verwendet.

Mit der Prüfpyramide (siehe auch Punkt 2.2) wird jene Bean-spruchung simuliert, die während der Einbauphase infolge Be-schütten, Verdichten und Befahren auftritt.

90°

Hub (Amplitude)

Exzenterantrieb

Pyramide

SpannringGeotextil

Kraftmesseinrichtung

150

mm

Prüftopf d = 150 mm

Vorschubeinrichtung

Führungsplatte

Abbildung 4.1-1: Versuchseinrichtung Pyramidendurchdrückversuch

4.2 Kraftmessung

Die Kraftmeßeinrichtung dient zur Ermittlung der dynamischen und statischen Kräfte, welche das Geotextil bzw. den Prüftopf belasten. Hierfür muss die Kraftmeßeinrichtung in der Lage sein, während des Versuches sowohl statische als auch dynamische Kräfte zu registrieren.

Das Meßprinzip kann wie folgt beschrieben werden: Beim dynamischen Versuch werden je Schwingungsperiode 50 Kraft-Werte gemessen und daraus die Maxima und Minima der jewei-ligen Periode ermittelt. In einem Meßvorgang werden 10 Schwingungsperioden der Wägezellen betrachtet, die hierbei ge-messenen Maximal- und Minimalwerte arithmetisch gemittelt und der letzten Wegmessung der Schwingungsperiode zuge-ordnet. Für ein bestimmtes Vorschubintervall ergeben sich somit zwei Kraft-Werte, welche die Umhüllende des Kraft-Vorschub-weg-Verlaufes repräsentieren.

Die Kraftmessung des statischen Versuches erfolgt analog zum dynamischen Versuch. Die Durchdrückkraft wird kontinu-ierlich aufgezeichnet und das gemessene Kraftmaximum einem bestimmten Vorschubintervall zugeordnet.

4.3 Statischer Pyramidendurchdrückversuch

Die Ermittlung der statischen Pyramidendurchdrückkraft erfolgt in Anlehnung an den Stempeldurchdrückversuch gemäß EN ISO 12236. Anstelle des Prüfstempels wird jedoch die oben beschrie-bene Prüfpyramide verwendet und mit einer Vorschubge-schwindikgeit von 10 mm/min durch das Geotextil gedrückt.

Die auf die Prüfpyramide wirkende Kraft wird in Abhängig-keit vom Vorschubweg kontinuierlich aufgezeichnet. Als stati-

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sche Pyramidendurchdrückkraft Fstat wird die höchste erreichbare Eindruckkraft in Newton bezeichnet, die beim Durchdrücken der Prüfpyramide durch die eingespannte Geotextilprobe festgestellt wird.

4.4 Dynamischer Pyramidendurchdrückversuch

Beim dynamischen Versuch wird die Prüfpyramide mittels eines Exzenters oszillierend in Vorschubrichtung bewegt.

Die oszillierende Bewegung bzw. die Beanspruchungs-kriterien des dynamischen Pyramidendurchdrückversuches set-zen sich aus nachstehend angeführten Parametern zusammen, welche schematisch in Abbildung 4.4-1 dargestellt sind.

- Vorschubgeschwindigkeit des Prüftopfes: 10 mm/min

- Hub der Prüfpyramide: ± 5 mm

- Frequenz (Hubanzahl je Sekunde) 15 Hz bzw. Umdrehungen des Exzenterantriebes 900 U/min für die Bewegung der Pyramide.

Hub (Amplitude)

Zeit

Pyra

mid

e

Geotextil

VorschubPrüftopf -

+

5 m

m5

mm

Frequenz

10 mm/min

1 s

15 Hz

Abbildung 4.4-1: Beanspruchungskriterien

Die dynamische Pyramidendurchdrückkraft Fdyn ist die maxi-male Eindrückkraft in Newton, die beim Durchdrücken der Prüf-pyramide während der oszillierenden Bewegung auf die Probe ausgeübt wird.

4.5 Versuchsdurchführung

Die einzelnen Geotextilproben werden spannungsfrei zwischen den Spannringen eingebaut. Anschließend wird der Prüftopf mit der eingespannten Probe zentrisch unter der Prüfpyramide fixiert und die Nullage eingestellt.

In der Nullage jeden Versuches liegt die Spitze der Prüf-pyramide an der Oberfläche der eingespannten Geotextilprobe möglichst spannungsfrei auf. Für den dynamischen Pyramiden-durchdrückversuch ist der Exzenter auf die unterste Hublage einzustellen.

Der Versuch ist beendet, wenn ein signifikanter Abfall der Eindrückkraft festgestellt wird oder wenn der Prüftopf 60 mm gegen die Prüfpyramide gedrückt wurde.

Je Geotextiltype sind mindestens fünf statische und fünf dy-namische Einzelversuche durchzuführen. Der Kraft-Verschie-bungsverlauf ist für jeden Einzelversuch aufzuzeichnen.

Die Pyramidendurchdrückversuche sind bei einer Tempera-tur von 23 ± 2 °C durchzuführen.

4.6 Auswertung und Dokumentation

Die Auswertung erfolgt entsprechend den in Abbildung 4.6-1 dargestellten Kennwerten.

Die statische bzw. die dynamische Pyramidendurchdrück-kraft eines Einzelversuches entspricht dem maximalen erreichten Wert der Durchdrückkraft oder jener Kraft, die bei einem Vor-schubweg von 60 mm gemessen wurde und wird in Newton an-gegeben. Als Kennwert einer Geotextiltype sind die arithmeti-schen Mittelwerte Fstat und Fdyn zu berechnen.

Produkte, welche ein Kraftmaximum bei einem Vorschub-weg von weniger als 30 mm aufweisen, entsprechen nicht den Anforderungen für die Verwendung als Trenn- und Verstär-kungsgeotextil im Unterbau des Straßenbaus.

Im Prüfbericht sind die statische Pyramidendurchdrückkraft Fstat und die dynamische Pyramidendurchdrückkraft Fdyn sowie die aus den Ergebnissen der Einzelversuche berechnete Stan-dardabweichung und der Variationskoeffizient anzugeben. Ge-gebenenfalls entsprechen Fstat bzw. Fdyn der Kraft, welche bei ei-nem Vorschubweg von 60 mm aufgezeichnet wurde. Eine gra-phische Darstellung der Versuchskurven ist dem Prüfbericht bei-zulegen.

10 20 30 40 50

Vorschubweg u [mm]

Pyra

mid

endu

rchd

rück

kraf

t [N

]

8060 70

F

F60,stat

60,dyn

max, dyn

max, stat

F

F

umax, stat u max, dyn

0

gem. RVS 8S.01.2soll Fmax

Abbildung 4.6-1: Kennwerte

Typische an einem Geotextil ermittelte dynamische und statische Versuchskurven sind in Abbildung 4.6-2 dargestellt. Ergänzend sind in Abbildung 4.6-3 die Prüfergebnisse der gesamten Geo-textil-Produktreihe in Abhängigkeit vom Flächengewicht aufge-tragen. Es zeigt sich, daß die Kraftmaxima mit zunehmendem Flächengewicht ansteigen. Die einzelnen Werte des statischen und des dynamischen Versuches weichen nur geringfügig von der im Diagramm eingetragenen Trendlinie (lineare Regression) ab.

0 10 20 30 40 50 60 70 800

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

1300

1400

1500

1600

Vorschubweg u [mm]

Pyra

mid

endu

rchd

rück

kraf

t F [N

]

2000

1900

1800

1700

2100

2200

soll Fgem. RVS 8S.01.2

max

2390 g/m

Fmax, dynMittelwert

770,5 N

1207,3 N

MittelwertFmax, stat

Mitt

elw

ert

36,4

mm

max

, sta

tu

=u

max

, dyn

statisch:dynamisch:

Abbildung 4.6-2: Typische Versuchskurven des dynamischen und des statischen Pyramidendurchdrückversuches

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100 200 300 4000

500

1000

1500

Flächengewicht [g/m ]

Pyra

mid

endu

rchd

rück

kraf

t [N

]

2000

500

2

2500

Legende:

..... dynamische Versuche Prüfpyramide alt

..... dynamische Versuche Prüfpyramide neu

..... statische Versuche Prüfpyramide alt

..... statische Versuche Prüfpyramide neu

F

max, stat

F max, dyn

Abbildung 4.6-3: Dynamische und statische Pyramidendurchdrückkraft in Abhängigkeit vom Flächengewicht

5 VERSUCHSERGEBNISSE

Für eine vereinfachte Darstellung der Kurvenscharen können die Meßergebnisse der Einzelversuche in normierter Form darge-stellt werden; die während des Versuches kontinuierlich aufge-zeichneten dynamischen oder statischen Kraftwerte werden auf die gemessene Pyramidendurchdrückkraft Fmax bezogen und die Vorschubwerte auf das Wegmaximum umax. Hierdurch ergeben sich die Wertepaare

0 < F / Fmax ≤ 1 und

0 < u / umax ≤ 1

aus welchen ein Mittelwert gebildet werden kann. Typische normierte Versuchskurven eines dynamischen Pyramidendurch-drückversuches sowie der hieraus berechnete Mittelwert sind aus Abbildung 5-1 ersichtlich.

Abbildung 5-1: Normierte Darstellung der Versuchskurven; Mittelwert-bildung

Durch Multiplikation mit den, aus den Ergebnissen der Ver-suchsreihe berechneten Mittelwerten ergeben sich sowohl eine dynamische als auch eine statische Versuchskurve welche ein Geotextil charakterisieren (siehe Abbildung 5-2).

Der Vergleich der Versuchsergebnisse zeigt, daß bei dyn-amischer Beanspruchung im Regelfall geringere Pyramiden-durchdrückkräfte erreicht werden als bei statischer Belastung.

Der Vorschubweg umax, dyn des dynamischen Kraftmaximums ist meist geringfügig höher als u max, stat.

Als Entscheidungskriterium für die Auswahl eines geeignet-en Geotextils sind einerseits die zu erwartenden Verformungen andererseits die hierbei eintretende Abminderung infolge dyn-amischer Beanspruchung von Bedeutung.

0 10 20 30 40 50 600

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

1300

1400

Vorschubweg u [mm]

Pyra

mid

endu

rchd

rück

kraf

t F [N

]

~390 g/m2

stat

isch

dyna

misc

h

Abbildung 5-2: Dynamische und statische Pyramidendurchdrückkraft; Charakteristische Versuchskurven

Im Straßen- bzw. Gleisbau beeinflussen im Wesentlichen die Kornabstufung, Größe und Kornform des Schüttmaterials sowie die Lagerungsdichte, der Verdichtungsgrad und die Steifigkeit von Tragschichte und anstehendem Untergrund die Verform-ungen und Dehnungen des Geotextils (siehe auch Abbildung 5-3). Die Einflußdauer, Art und Größenordnung der dynamischen Belastung ist abhängig von den Anforderungen an die Konstruk-tion sowie der Art- und Weise der Baudurchführung.

Geotextil

Geotextil gut abgestuft

Kies-Steine

Kies

schlecht abgestuft

dicht

locker

dynamische Lastz.B. Verdichtung

Abbildung 5-3: Einfluß von Kornabstufung, Korndurchmesser und Ver-dichtungsgrad auf die Geotextil-Verformung

Für eine detaillierte Beurteilung ist es daher erforderlich den Einfluß der dynamischen Lastkomponente in Abhängigkeit von der Verformung zu betrachten. Dementsprechend wurden einer-seits die Differenz aus dynamischen und statischen Kraft-Werten

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berechnet, andererseits die Kraft-Werte des dynamischen Ver-suches auf die Ergebnisse des statischen Versuches bezogen und in Abhängigkeit vom Vorschubweg aufgetragen. Die Abbildun-gen 5-4 und 5-5 zeigen eine dementsprechende Auswertungen für zwei verschiedene Geotextilprodukte.

20 30 40 50 60-200

Vorschubweg u [mm]

F -

F

70

1000

800

600

400

200

0

[N]

390 g/m

250 g/m

~250 g/m2

2

2

soll Fgem. RVS 8S.01.2

max

~

~

10

dyn

stat Prod

ukt 1

Produkt 2

Produkt 1

Abbildung 5-4: Fstat - Fdyn; dargestellt in Abhängigkeit vom Vorschubweg

Die Grafiken zeigen, daß bis zu einem Vorschubweg von rund 15 mm die mobilisierbaren dynamischen Kräfte größer als die statischen Kräfte sind; eine mögliche Interpretation hierfür ist die stoßartige Lastaufbringung durch die oszillierende Pyra-mide bei kleinen Vorschubwegen. Für größere Geotextil-Ver-formungen ergibt sich unter dynamischer Belastung eine (pro-duktabhängige) Reduktion des Arbeitsvermögens von bis zu 30 %.

20 30 40 50 600

Vorschubweg u [mm]

F /

F

70

120

100

80

60

40

20

[%]

dyn

stat

390 g/m

250 g/m

~250 g/m2

2

2

soll Fgem. RVS 8S.01.2

max

~

~

10

Produkt 1

Produkt 1

Produkt 2

Abbildung 5-5: Fdyn / Fstat; dargestellt in Abhängigkeit vom Vorschubweg

6 ZUSAMMENFASSUNG

Geotextilien werden im Erdbau als Trenn- und Filterlage sowie als zugfeste Bewehrung eingesetzt. Die größte Beanspruchung erfolgt im Regelfall während des Einbaus, wobei insbesondere der Durchdrückwiderstand gegenüber statischen und dyn-amischen Lasten von Bedeutung ist.

Mit dem vorgestellten Pyramidendurchdrückversuch besteht eine Versuchseinrichtung welche es erlaubt, sowohl statischen als auch dynamische Belastungen zu simulieren. In Kombination mit althergebrachten Geotextilprüfungen, welche meist aus der Textilindustrie übernommen wurden, ergeben die Prüfergebnisse ein Beurteilungskriterium für die technisch begründete Auswahl eines geeigneten Geotextil-Typs. In den Technischen Vertrags-bedingungen der RVS 8S.01.2 sind in Abhängigkeit vom ver-wendeten Schüttmaterial und der Steifigkeit des Untergrundes entsprechende Grenzwerte angeführt.

Eine detaillierter Betrachtung der Versuchsergebnisse zeigt, daß die Abminderung des Arbeitsvermögens infolge dyn-amischer Belastung abhängig von der Geotextil-Verformung bzw. Dehnung ist. Die Ergebnisse des Pyramidendurchdrückver-suches stellen somit eine geeignetes Bemessungskriterium für al-le Fragestellungen, bei denen dynamische Lasten von Bedeutung sind, dar.

7 LITERATUR

RVS 8S.01.2: Technische Vertragsbedingungen – Baustoffe – Geotex-tilien im Unterbau; Ausgabe Oktober 1997. Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten; Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen

RVS 8.63: Straßenplanung - Bautechnische Details – Oberbaubemes-sung; Ausgabe Juli 1997. Bundesministerium für wirtschaftliche An-gelegenheiten; Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Stra-ßenwesen

RVS 8S.05.11: Technische Vertragsbedingungen - Oberbauarbeiten (oh-ne Deckenarbeiten) – Ungebundene Tragschichten; Ausgabe Juli 1997. Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten; For-schungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen

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ÖNORM EN 918: Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Dy-namischer Durchschlagversuch (Kegelfallversuch); Ausgabe Februar 1996

ÖNORM S 2076: Deponien – Dichtungsbahnen aus Kunststoff – Verleg-ung; Ausgabe 1993

ASTM D 5494-93: Standard Test Method for the Determination of Pyramid Puncture Resistance of Unprotected and Protected Geomem-branes. Ausgabe Jänner 1994

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Erd- und Grundbau: Merkblatt für die Anwendung von Geotextilien und Geogittern im Erdbau des Straßenbaus, Ausgabe 1994

Beyer, H. und Nimmesgern, M. (1994): Zur Wirkungsweise von Geo-textilien und Geokunststoffen im ungebundenen Straßenbau. Straße + Autobahn 7, S. 373-378

Laier, H. und Bräu G. (1986): Einsatz von Geotextilien im Verkehrswe-gebau bei intensiver dynamischer Beanspruchung. 3rd intern. Conference on Geotextiles, S. 99-104, Wien 1986

Floss, R. und Bräu, G. (1988): Geotextilien in Baufahrstraßen. 1. Kon-greß Kunststoffe in der Geotechnik, K-GEO S. 55-68, Hamburg 1988

Kisskalt, J. und Kossendey, T. (1994): Untersuchungen zur Langzeit-filterwirksamkeit von Geotextilien unter statischer und dynamischer Beanspruchung. Straße + Autobahn 4, S. 187-192

Resl, S. (1994): Geokunststoffe. Polyfelt Ges.m.b.H.