"Das Glück der alten Tage " brand eins 07/2009

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In Alten- und Pflegeheimen - so will niemand leben. Die Bremer Heimstiftung zeigt, das es auch anders geht.

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Das Glück der alten TageIn Alten- und Pflegeheimen abgeschoben – so will niemand leben.

Die Bremer Heimstiftung zeigt, dass es auch ganz anders geht.

Text: Peter Laudenbach Foto: Antonina Gern

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SCHWERPUNKT: STABILITÄT _WOHNEN IM ALTER

Endspiel

Herr Hamm mag seine Eltern nicht besonders. Ein mürrisches„verfluchter Erzeuger!“ ist noch das Freundlichste, was er für seinen greisen Vater übrig hat. Hamms Abneigung beruht aufGegenseitigkeit. Auch seine Eltern machen sich nicht mehr dieMühe, Sympathie für ihren Spross zu heucheln. Alles, was sienoch mit ihrem Sohn verbindet, ist ihre Abhängigkeit. Er füttertsie mit Zwieback, das muss reichen. Auch das Zimmer, in demdie Eltern in Mülltonnen vegetieren, gehört Herrn Hamm. DerGenerationenvertrag: eine lästige Alimentierungspflicht. Viel mehrals ein Gnadenbrot und ein Platz in einer möglichst billigen Ver-wahranstalt ist für die Alten nicht drin.

Familie Hamm ist kein Beleg für die Härten des demografi-schen Wandels und den von Alarmisten herbeigeredeten „Gene-rationenkrieg“ (Frank Schirrmacher). Herr Hamm und seine El-tern in der Mülltonne sind Theaterfiguren aus Samuel Becketts„Endspiel“, einem Klassiker des absurden Theaters. Mindestensso absurd wie Becketts Stück ist allerdings auch die Routine, mitder alte und pflegebedürftige Menschen der fürsorglichen Ent-mündigung der Heime überlassen werden.

Aus dieser Perspektive sind die Alten dann wirklich nur nochein Kostenfaktor für den Sozialstaat und ein interessanter Marktfür Dienstleister. Einem Markt mit traumhaften Wachstumsratenund reichlich dysfunktionalen Rahmenbedingungen. Weil der Zu-schuss der Pflegeversicherung für stationäre Betreuung ungleichhöher ausfällt als bei ambulanter Pflege (für Pflegestufe 1 sind esstationär 1023 Euro, ambulant 420 Euro), wird die Einweisungins Heim für Pflegeanbieter und Angehörige ökonomisch attrak-tiv. Fachleute sprechen vom „Heimsog“. Bis 2030 wird die Zahlder Pflegebedürftigen in Deutschland um 1,3 Millionen Menschenauf dann 3,4 Millionen wachsen. Gleichzeitig lässt die Bereitschaftvon Familienangehörigen nach, selbst die Pflege zu übernehmen,eine Folge von Individualisierung und längerer Berufstätigkeit.Ändert sich daran nichts, braucht man, einer Modellrechnung desKuratoriums Deutsche Altershilfe zufolge, in den nächsten 50Jahren mehr als doppelt so viele Pflegeplätze. Das wird teuer fürdie Beitragszahler und unerfreulich für die im Zweifel möglichstkostengünstig abgefertigten Heiminsassen.

Eine ganz kleine Kulturrevolution

Wie es anders geht, führt die Bremer Heimstiftung mit ihrem„Haus im Viertel“ vor. Es liegt auf dem Gelände einer ehemaligenBrotfabrik im Bremer Steintorviertel, einem Stadtteil mit schönerArchitektur, etlichen Kneipen und vielen jungen Leuten. Das Hausim Viertel hat einen Innenhof mit Kopfsteinpflaster, es gibt ein Bio-Restaurant, in dem leise Musik der Beatles läuft, Räume der Volks-hochschule, einen Kindergarten, einen Treffpunkt der örtlichenBuddhisten. Nach Altersheim sieht es hier nicht aus, eher nach ent-

spanntem Wohnen mitten in der Stadt. Hier leben in 92 barrierefreien Wohnungen und zwei Wohngemeinschaften,eine für Demenzkranke und eine für Körperbehinderte, rundhundert alte, zum Teil pflegebedürftige Menschen. Der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 80 Jahren. Das Projektträgt sich selbst, die Bewohner zahlen für eine 47-Quadrat-meter-Wohnung 750 Euro. Enthalten ist eine monatlichePauschale von 132,60 Euro, die die Bezahlung der Sozial-arbeiter und den Grundservice des Hauses abdeckt. FürNotfälle und Pflegebedürftige gibt es rund um die Uhr ei-nen Pflegedienst im Haus, der extra bezahlt werden muss.Je nach Einstufung übernimmt die Pflegeversicherung dieKosten – allerdings nur zum Satz der ambulanten Betreu-ung. Alle anderen Serviceleistungen, etwa die Begleitung indie Stadt, Essen auf Rädern oder den Einkauf, zahlen dieBewohner nur, wenn sie sie in Anspruch nehmen.

Das Haus im Viertel bietet alle Heim-Vorteile: Sicher-heit, Schutz, Pflege, Hilfe. Zugleich erspart es den Bewoh-

Alexander Künzel, der Geschäftsführer der Heimstiftung

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nern die heimtypische Bevormundung. Sie leben in eigenen Woh-nungen. Und anstelle eines teuren All-inclusive-Pakets, das dieHeime anbieten, können die Bewohner hier selbst entscheiden,welche Hilfe sie in Anspruch nehmen. Das erhöht die Selbststän-digkeit, ist flexibler und billiger.

Das Haus im Viertel, gegründet vor zehn Jahren, war das erste alternative Wohnprojekt der Bremer Heimstiftung, in derenWohnanlagen, Alten- und Pflegeheimen rund 1500 Mitarbeiteretwa 3000 Bewohner betreuen. „Früher dachte ich, wenn es Pro-bleme gab, wir brauchen mehr Mittel und müssen mehr Leuteanstellen. Das haben wir dann auch getan“, berichtet AlexanderKünzel, der Geschäftsführer der Heimstiftung. „Die bittere Er-kenntnis war dann, dass sich an der Grundproblematik der Insti-tutionen nichts ändert. Sobald man ein Heim betreibt, ist man derFunktionslogik der Institution und der Kostenträger ausgeliefert.Institutionen entwickeln automatisch ein obrigkeitsstaatliches Ver-hältnis zu den Leuten, die von ihnen abhängig sind.“

Für Künzel markiert das Haus im Viertel einen Bruch mit derEndspiel-Kultur der Verwahranstalten. Seine Prognose: „Wir wer-den weniger Pflegeheime haben. Von unseren heutigen Pflege-heimbewohnern müsste höchstens die Hälfte in einem Heimwohnen. Die anderen könnten gut in geschützten Wohngemein-schaften leben. Wir lehnen die alte Versorgungslogik ab. Die Zu-kunft liegt in unterstützenden Assistenzsystemen.“ Die prakti-schen Beispiele, die Künzel und seine Kollegen dafür entwickelthaben, gehen über bekannte Modelle wie Mehr-Generationen-Häuser und betreutes Wohnen hinaus.

Die Öffnung hin zum Stadtteil und die gezielte Kooperationmit unterschiedlichsten Partnern ist Programm. Durch die Zu-

sammenarbeit mit den Paritätischen Diensten Bremen, einer gemeinnützigen GmbH, die die Körperbehinderten-Wohnge-meinschaft betreiben, konnte das Haus im Viertel etwa den Not-ruf-Service rund um die Uhr deutlich günstiger finanzieren. DieÖffnung in den Stadtteil bedeutet zum Beispiel, dass eine jungeFrau aus der Nachbarschaft, eine Sängerin, regelmäßig ins Heimkommt und mit den Mietern singt, ohne Bezahlung, einfach weiles ihr Spaß macht. Und weil die Hilfe zur Selbsthilfe zur Haus-Philosophie gehört, hängt vieles von den Bewohnern selbst ab,von ihren Freundschaften und Interessen und dem Austauschuntereinander. Das Haus bietet dafür den nötigen Rahmen.

Zwei Beispiele: Ein älterer Herr hatte bei seinem Einzug eineBibliothek, die viel zu groß für seine neue Wohnung war. DieHausleitung bot ihm an, eine Bibliothek für alle Bewohner ein-zurichten, und stellte ihm dafür zwei schöne Räume zur Verfü-gung. Jetzt stehen seine Goethe- und Shakespeare-Werkausgabendort in den Regalen, und alle haben etwas davon: Der Bücher-sammler muss sich nicht von seinen Schätzen trennen; es machtihm Vergnügen, die Bibliothek zu betreuen. Und die Mieter habenLektüre in großer Auswahl. Ein anderer Mieter, Anfang 80, hatsich im Hof eine kleine Werkstatt eingerichtet. Dort bastelt er regelmäßig mit den Kindern aus dem Kindergarten. Er strahlt, alser davon erzählt. Gut für ihn, gut für die Kinder – und völlig undenkbar in einem normalen Heim, das allenfalls eine schlechtbezahlte Animateurin aufbietet, die Bastelkurse veranstaltet undmit den Alten wie mit Kleinkindern redet.

„Der Sozialarbeiter hat hier den Job, die Selbstständigkeit derLeute zu unterstützen“, sagt Alexander Künzel. Wenn jemandzum Arzt muss und das nicht allein schafft, kann er auch Nach-barn fragen, ob sie ihm helfen, bevor er einen Profi dafür bezahlt.Hier wohnen keine Insassen, die von einem allmächtigen Appa-rat durch den Tag geleitet werden, sondern Menschen, die ihrenAlltag so weit sie können selber regeln und sich dabei nach ihrenMöglichkeiten gegenseitig unterstützen oder von ihren Angehö-rigen und Bekannten helfen lassen. Künzel: „Das ist kein Konsum-hotel mit langen Wahlleistungs-Listen.“

Offenbar ist das für viele Mieter attraktiv. In einer anderen Ein-richtung der Bremer Heimstiftung, dem Stiftungsdorf Gröpelin-gen, ist neben einem Kindergarten auch ein Integrationsprojektfür Migranten untergebracht. Jetzt unterhalten sich die älteren Bewohner in Gesprächskreisen mit den Ausländern, die so neben-bei ihr Deutsch verbessern. Im Gegenzug kochen sie regelmäßigfür die Bewohner. „So entsteht in einem Quartier etwas völlig anderes, als wenn wir dort einfach ein normales Pflegeheim hin-gestellt hätten“, sagt Künzel und wird dann grundsätzlich. „DasHauptproblem in der alternden Gesellschaft ist die soziale Isola-tion, die Einsamkeit. Soziale Teilhabe sorgt für Würde und Sinn.Zivilgesellschaft heißt: Wir organisieren etwas gemeinsam. Dabeispielen Laien eine wichtige Rolle. Profis sind für die Qualitäts-entwicklung zuständig und für schwierige Fälle. Wir haben 33

Katharina Schwuchow genießt das selbstständige Leben im Haus

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etwa Pflegehausgemeinschaften für Altersverwirrte. Da kochenmittags ganz normale Hausfrauen. So etwas hat eine Psycholo-gin vom Diakonischen Werk entsetzt: ,Reden da etwa Nicht-Pro-fessionelle mit den Dementen?‘, hat sie gefragt.“ So viel zu denÄngsten im Apparat. Künzel zählt die Vorurteile und Abwehr-Vokabeln auf: Entprofessionalisierung, neoliberal, Abbau des Sozialstaates. Solchen Blockaden setzt er entschlossen und kämp-ferisch entgegen: „Netzwerk statt Käseglocke, Leben in der Stadtstatt irgendwo am Rand, normaler sozialer Austausch statt ge-schlossene Anstalt. Kulturell ist das eine kleine Revolution.“

„Das ist jetzt mein Zuhause“

Katharina Schwuchow, eine höfliche Dame, spricht nicht von Revolution. Dafür ist die 92-jährige Hanseatin zu kultiviert. FrauSchwuchow lebt seit zweieinhalb Jahren im Haus im Viertel undsagt, dass das Leben hier ganz normal weitergehe. „Ich habe meine Möbel mitgenommen. Ich wohne in meiner eigenen Woh-nung. Ich mache mir mein Frühstück, wasche ab, mache mir meinBett.“ Einmal die Woche kommt ihre Tochter zu Besuch undkocht und putzt für sie. „Ich mache das gerne, das sind schöneBesuche“, sagt Eva-Maria Schwuchow, die Tochter. „Seit meineMutter dort lebt, müssen wir keine Angst mehr um sie haben.“Für den Notfall hat die alte Dame immer einen Notruf-Piepser dabei – ein Knopfdruck, und ein Pfleger kommt.

„Ich war im Pflegeheim, als ich nach einem Sturz krank war,aber da wollte ich nicht bleiben“, berichtet sie. „Das war ein teu-res Heim, aber die Schwestern waren nicht so freundlich wie hier,das Essen hat mir nicht geschmeckt. Da saßen die alten Leute denganzen Tag auf dem Gang, und wenn man sie gegrüßt hat, hatkeiner zurückgegrüßt.“ Marianne Schröder, mit 85 Jahren nochsehr rüstig, ist Frau Schwuchows Nachbarin und gerade zum Kaffeetrinken und Plaudern zu Besuch. Sie wohnt erst seit einemhalben Jahr hier. „Das ist jetzt mein Zuhause“, sagt sie. „Schönist es hier. Man fühlt sich so wohl, als wäre man schon ewig hier.“Das klingt unspektakulär und selbstverständlich, als hätten dieFrauen eine gute Zeit und genössen ihr Leben.

Und die Kranken? „Zurzeit leben hier etwa 25 Mieter, die ohneuns in ein Heim müssten“, sagt Ursula Schnell, die Hausleiterin,eine aufgeräumte und energische Frau. „Unser nachbarschaftlichesNetz und die Sicherheit stabilisiert die Lebenssituation ungemein.“Eine über 90-jährige Mieterin ist blind. Sie ist auf den Rollstuhlangewiesen, braucht Hilfe bei der Körperpflege und im Haushalt.Ein „Hilfemix“ (Schnell), zu dem der Pflegedienst, die Angehöri-gen, ein Nachbarschaftshelfer, Nachbarn, der Hausmeister und derSozialdienst gehören, sorgt dafür, dass sie in der Wohnung blei-ben kann. Sie pflegt ihre Bekanntschaften, nimmt am Gedächt-nistraining teil, wird in die Stadt gefahren.

Das Hilfsangebot der ehrenamtlichen und professionellen Hel-fer richtet sich nach den Kranken – nicht umgekehrt. Das Ziel ist

simpel und mit üblichen Heimen kaum vereinbar: so viel Unter-stützung wie nötig, so viel Autarkie wie möglich.

Das alles ist erst der Anfang. Was die Bremer Heimstiftungaus den Erfahrungen im Haus im Viertel lernt, nutzt sie für wei-tere Einrichtungen. Schon jetzt wohnt etwa ein Drittel der Mie-ter in solchen Service-Wohnanlagen. Das neueste Projekt: zehnWohnungen samt Gemeinschaftsräumen für alte und pflegebe-dürftige Menschen auf einer Hochhaus-Etage in Bremen-Tenever,einer Siebziger-Jahre-Hochhaussiedlung im Bremer Osten.

Auch dort wird so kalkuliert, dass die staatliche Grundsiche-rung zur Finanzierung von Miete und Basis-Service reicht. Diekommunale Wohnungsbaugesellschaft überlässt der Heimstiftungdie Wohnungen zu einer günstigen Miete, um so die Wohnan-lage auch für ältere Mieter attraktiv zu machen. Hier werdenMenschen mit kleinen Renten wohnen, wie alt gewordene Arbeits-losengeld-II-Bezieher, die von Grundsicherung leben. Ein Pflege-

Oben: Hans Jürgen Hahnenfeld teilt seine Bibliothek mit den NachbarnUnten: Treffpunkt im „Haus im Viertel“: das Bio-Restaurant

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dienst, finanziert aus den Ansprüchen der Mieter auf Hilfe aus der Pflegeversicherung, sorgt rund um die Uhrfür Hilfe. Und schon bevor die ersten Mieter eingezogensind, ist die Sozialarbeiterin dabei, das Projekt im Stadtteilzu vernetzen. Gekocht zum Beispiel wird jeden Tag vonMitarbeitern eines benachbarten Mütterzentrums. Das istbilliger, als Essen auf Rädern kommen zu lassen, und sorgtnebenbei für Kontakte und sozialen Austausch. Genau wieim Haus im Viertel: So viel professionelle Hilfe wie nötig,so viel Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, gegensei-tige und nachbarschaftliche Hilfe wie möglich.

Unabhängigkeit? Das mögen Experten nicht

Wohnanlagen wie das Haus im Viertel schaffen bei gerin-geren Kosten eine bessere Lebensqualität für die Bewohnerals konventionelle Heime. Das lässt sich belegen: Eine großangelegte empirische Studie der Bertelsmann Stiftung („So-ziales neu gestalten – Song“) hat in den vergangenenzweieinhalb Jahren das Haus im Viertel und drei ebenfallsgemeinwesen-orientierte Wohnmodelle anderer Trägeruntersucht. Wissenschaftler des Centrums fürsoziale Investitionen und Innovationen (CSI)der Ruprecht-Karls-Universität Heidelbergfragten nach dem „Social Return on Invest-ment“. Sie verglichen den Gesundheitszu-stand und die Kosten bei 350 Bewohnern die-ser Anlagen mit denen einer gleich großen,hinsichtlich Altersstruktur, Gesundheitszu-stand und soziokultureller Zusammensetzungähnlichen Vergleichsgruppe.

Danach liegen die Kosten pro Person je nach Alters-Mix 30 bis 50 Prozent unter denen kon-ventioneller Heimangebote. Hauptursache: DerZeitpunkt, zu dem Pflege notwendig wird, tritt spä-ter ein. Größere Eigenverantwortung und sozialerAustausch tun den Menschen gut. „In der Sozial-kapitalforschung ist es unstrittig, dass Menschen,die in dichteren sozialen Netzen mit zahlreichenKontakten leben, gesünder bleiben und eine höhe-re Lebenserwartung haben“, sagt der HeidelbergerCSI-Direktor Volker Then dazu. „Diese Korrelationist empirisch nachweisbar.“

Diese neuen Wohn- und Lebensmodelle sindschon weiter als der alte, verwaltende Sozialstaat. Das heißt auch: Sie können ihr Angebot nicht auto-matisch aus dem Versicherungssystem und den Finanzierungsströmen des Sozialstaates finanzieren –obwohl der auf diese Weise sparen könnte. Die Betreiber mussten kreative Lösungen finden, zum

Beispiel durch die Verwertung von Grundstücken der Gemeindeoder durch eine Quersubventionierung des Trägers, für den dasProjekt ein strategisches Investment ist. „Das ist eine klare poli-tische Lücke“, sagt Then. Die sozialen Sicherungssysteme profi-tieren von den Neuerern, ohne sich ausreichend an den Kostenzu beteiligen. Lieber investieren sie in herkömmliche Heime.„Selbstverantwortung und Selbstorganisation kann vom Sozial-staat bestärkt oder behindert werden“, stellt Alexander Künzelvon der Bremer Heimstiftung fest. „Zurzeit wird sie behindert.Eigenverantwortung und gegenseitige Hilfe sind uns seit den sieb-ziger Jahren durch die Professionalisierung und Spezialisierung in der Sozialarbeit systematisch ausgetrieben worden. Das führtzu einer unglaublichen Fehlleitung öffentlicher Mittel. Wenn manes hart sagen will: Die Spezialisten produzieren Abhängige als Legitimation für ihren eigenen Job.“

Kein Wunder, dass Künzel wütend ist. Neue Modelle für einbesseres Leben im Alter sind erprobt. Aber von der Umsetzungzum Wohle aller sind wir noch weit entfernt. --

Hauptsache Kontakt halten: Katharina Schwuchow, 92

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