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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten Grundlagen Willibald Jandl

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten

Grundlagen

Willibald Jandl

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Impressum: Eine Veröffentlichung des Bundeszentrums für Inklusive Bildung und Sonderpädagogik Kaplanhofstraße 40 4020 Linz Layout: Margit Leibetseder Lektorat: Christa Hagler

Downloadbar unter: www.bzib.at

Linz, Mai 2018

Im Auftrag von:

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Vorwort der Herausgeber

„Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf steigt,

obwohl die Gesamtschülerzahl sinkt.“ „Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher

Muttersprache erhalten sonderpädagogischen Förderbedarf, weil sie den

Lehrplananforderungen wegen ihres mangelnden Sprachverständnisses nicht

entsprechen.“ Diese und ähnliche Sätze waren und sind immer noch in der österreichischen

Bildungslandschaft zu hören. Fakt ist, dass die SpF-Quote in den letzten Jahren

österreichweit merklich gestiegen ist. Im Rundschreiben 23/2016 des BMBF wird dazu

festgestellt: „Da weder nationale noch internationale Kennzahlen auf eine vergleichbare

Zunahme von Behinderungen hinweisen, kann davon ausgegangen werden, dass dies auf

die Praxis der Feststellung des SPFs zurückzuführen ist. Um die Unterstützung, Begleitung

und Förderung von Schülerinnen/Schülern mit Behinderungen sicherzustellen, darf sich die

Vergabepraxis des SPFs ausschließlich nach der Intention des § 8 des Schulpflichtgesetzes

richten“ (Rundschreiben 23/20161).

Mit diesem Rundschreiben werden Richtlinien für Differenzierungs- und

Steuerungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Feststellung des sonderpädagogischen

Förderbedarfs definiert, die darauf abzielen, die Treffsicherheit zu steigern und die

Transparenz sowie Rechtssicherheit zu erhöhen.

Im Rahmen der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit

Behinderungen wurden in Österreich drei Inklusive Modellregionen (Steiermark, Kärnten

und Tirol) definiert, in denen Maßnahmen zur Implementierung eines inklusiven

Schulwesens entwickelt und erprobt werden.

Der Nationale Aktionsplan Behinderung 2012-2020 sieht allerdings vor, dass Inklusive

Modellregionen bis 2020 flächendeckend in ganz Österreich eingerichtet sind, was auch

einen strukturellen Wandel im Bildungssystem mit sich bringt.

Der Erlass zur Durchführung der Inklusiven Modellregionen enthält Richtlinien zu folgenden

Bereichen:

- Qualität der Inklusion in allgemeinen Schulen (gem. § 27a SCHOG) und Beschreibung der

Inklusiven Modellregionen

- Neuorganisation des ZIS (Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik)

- Effizienter, bedarfsorientierter und flexibler Ressourceneinsatz

1 http://www.cisonline.at/fileadmin/kategorien/RS_23-2016_SPF.pdf

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- Qualität der Verfahren zur Feststellung des SPF und der SPF-Bescheide

- Klärung von Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Schulerhaltern

(BMBF 2015, S. 1)2

Das Bundeszentrum für Inklusive Bildung und Sonderpädagogik (BZIB) wurde vom

Bundesministerium beauftragt, die Inklusiven Modellregionen (IMR) bei der Umsetzung

dieser Richtlinien zu begleiten. Für den Themenbereich „Qualität der Verfahren zur

Feststellung des SPFs und der SPF-Bescheide“ haben wir uns dazu entschlossen, das

Modell der Schweiz zum standardisierten Abklärungsverfahren (SAV) näher zu betrachten.

In Fortbildungen und Arbeitstagungen, die das BZIB veranstaltet und moderiert hat, haben

sich die Vertreter/innen der Inklusiven Modellregionen entschieden, dieses Modell für den

Gebrauch in Österreich zu adaptieren. Im Kontext dieser Auseinandersetzung musste auch

geklärt werden, welche Sicht bzw. Definition von Behinderung herangezogen wird. Das

schweizerische „SAV“ orientiert sich an international vereinbarten Definitionen von

Behinderung und verwendet die in diesem Zusammenhang entwickelten Klassifikationen

und Standards. Hierzu gehören insbesondere die „Internationale Klassifikation der

Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) sowie die Internationale

Klassifikation der Krankheiten (ICD-10 oder ICD-11)“ (Standardisiertes Abklärungsverfahren

2014, S. 9)3.

So wie die Definition von Behinderung wurden grundsätzlich auch die Ablaufschritte im

Verfahren aus dem Modell der Schweiz übernommen. Da aber das sehr aufwändige

Onlineverfahren, wie es in der Schweiz in Gebrauch ist, wegen zu vieler technischer und

rechtlicher Probleme nicht adaptiert werden konnte, entstand nur ein Antragsformular, das

schriftlich auszufüllen ist und als Word-Dokument von der Homepage des BZIB

downgeloadet werden kann.

Im Prozess zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sind zwei Elemente

im Ablauf eng miteinander verbunden.

1) Als erster Schritt wird ein „schulisches Standortgespräch (SSG)“ durchgeführt. Da nach

Ansicht der Teilnehmer/innen der Begriff des schulischen Standortgesprächs aber den

expliziten Vereinbarungscharakter dieses Gesprächs zu wenig zum Ausdruck bringt, wurde

2 http://www.ph-ooe.at/fileadmin/Daten_PHOOE/Inklusive_Paedagogik_neu/BIZB/Homepage_ab_2016/ Richtlinie_zur_Entwicklung_von_Inklusiven_Modellregionen_1_9_2015.pdf 3 https://vsa.zh.ch/internet/bildungsdirektion/vsa/de/schule_und_umfeld/gesundheit_praevention/ schulpsychologie/sav/_jcr_content/contentPar/downloadlist_0/downloaditems/219_1435840752701.spooler.download.1435840415047.pdf/SAV.pdf

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für die „Österreichfassung“ der Begriff „Schulisches Vereinbarungsgespräch

(SVG)“ gewählt. Mit dem SVG soll gewährleistet werden, dass Ressourcen in Form von

Beratung oder personeller Unterstützung bereits an die Schule kommen, bevor ein SPF-

Verfahren eingeleitet wird. Außerdem werden in einem SVG außer- wie innerschulische

Maßnahmen koordiniert. Die getroffenen Vereinbarungen sind verbindlich. Die Ressourcen

werden zur Verfügung gestellt, um Unterrichts- oder auch Schulentwicklung zu initiieren,

sodass ein SPF für die betroffenen Schüler/innen verhindert werden kann. Erst wenn die

dort besprochenen Maßnahmen und Hilfen zu keiner Lösung führen, wird der zweite Schritt

– das Standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) – in Gang gesetzt.

In einer Probephase wurden in den IMR sowohl die Instrumente für das

Standardisierte Abklärungsverfahren als auch für die Schulischen Vereinbarungsgespräche

verwendet und evaluiert. So entstanden für Österreich adaptierte Formulare für das SAV

und SVG samt zwei Handbüchern, die dazu beitragen sollen, den Intentionen des BMBWF

ein nachvollziehbares, transparentes und vom Prozess her standardisiertes Verfahren zur

Feststellung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs nach § 8 SchPflG zu etablieren. Alle

Ergebnisse liegen als barrierearme Dokumente vor und können von der Homepage des

BZIB (www.bzib.at) downgeloadet werden. Die Vernetzung mit dem Thema einer flexibleren

und weniger stigmatisierenden Ressourcenvergabe passiert über die Broschüre „Inklusion

Dokumentation – Flexible und bedarfsgerechte Ressourcenzuteilung für inklusive

Schulen“ – diese ist ebenfalls auf der Website des BZIB zu finden.

Wilfried Prammer & Ewald Feyerer

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Inhalt Vorwort der Herausgeber ....................................................................................................... 3

1. Einleitung ........................................................................................................................ 9

2. Verhältnis von Pädagogik und Recht ............................................................................ 10

3. Der sonderpädagogische Förderbedarf ........................................................................ 11

3.1 Die Prüfformel ............................................................................................................ 13

3.2 Definitionen ................................................................................................................ 15

3.2.1 „Kind kann ohne sonderpädagogische Hilfe dem Unterricht nicht folgen“ ........... 16

3.2.2 Behinderung ..................................................................................................... 17

4. Gutachten ..................................................................................................................... 21

4.1 Das sonderpädagogische Gutachten ...................................................................... 22

4.1.1 Inhalt des Gutachtens (Fragestellungen) ......................................................... 22

4.1.2 Aufbau des Gutachtens ....................................................................................... 23

4.2 Anforderungen an die/den Gutachter/in .................................................................. 24

4.2.1 Fortbildung ........................................................................................................... 24

4.2.2 Beratung der Eltern .............................................................................................. 24

4.2.3 Weisungsfreiheit der Gutachterin/des Gutachters ............................................... 25

4.3 Anfechtbarkeit des Gutachtens ............................................................................... 25

4.4 Stellung des sonderpädagogischen Gutachtens im Verfahren zum SPF ................... 26

5 Das Allgemeine Verwaltungsverfahren (AVG) – Einführung ......................................... 27

5.1 Verfahrensablauf ........................................................................................................ 28

5.1.1 Einleitungsverfahren (§ 39 Abs. 2 AVG) .............................................................. 28

5.1.2 Ermittlungsverfahren (§ 37 AVG) ......................................................................... 28

5.1.3 Erledigungsverfahren ........................................................................................... 29

5.2 Grundsätze des Verwaltungsverfahrens .................................................................... 29

5.2.1 Offizialmaxime (§ 39 Abs. 2 AVG) ....................................................................... 29

5.2.2 Grundsatz der materiellen Wahrheit (§§ 37 ff AVG) ............................................ 29

5.2.3 Grundsatz des Parteiengehörs (§§ 37, 45 Abs. 3 und 65 AVG) ....................... 30

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5.2.4 Recht, weitere Gutachten einzubringen (§ 8 Schulpflichtgesetz) ......................... 30

5.2.5 Freie Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) ......................................................... 30

5.3 Befangenheit (§ 7 AVG) ............................................................................................. 30

5.4 Mündliche Verhandlung (§ 43 Abs. 4 AVG) ................................................................ 30

5.5 Rechtsmittelbelehrung ................................................................................................ 31

6 Vom medizinischen zum bio-psycho-sozialen Behinderungsmodell ............................. 31

6.1 Kritik am medizinischen Modell .................................................................................. 32

7 ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) ......................... 35

7.1 ICD versus ICF ........................................................................................................... 35

7.2 Aufbau ........................................................................................................................ 36

7.2.1 Körperstrukturen .................................................................................................. 36

7.2.2 Körperfunktionen ................................................................................................. 37

7.2.3 Aktivitäten ............................................................................................................ 39

7.2.4 Partizipation (Teilhabe) ........................................................................................ 42

7.2.5 Kontextfaktoren .................................................................................................... 44

7.3 Codierung von Störungen .......................................................................................... 46

7.4 Zusammenspiel der Komponenten............................................................................. 47

7.5 Zuständigkeiten: Medizin, Psychologie, Pädagogik.................................................... 49

7.6 Prinzipien der ICF ....................................................................................................... 50

7.6.1 Das Mehraugenprinzip ......................................................................................... 50

7.6.2 Einbeziehung von Betroffenen ............................................................................. 51

7.6.3 Bedeutung für die Beurteilung eines Kindes im schulischen Kontext .................. 51

7.7 Mögliche Darstellung .................................................................................................. 52

8 Das schulische Standortgespräch SSG ........................................................................ 61

8.1 Aufbau .................................................................................................................... 61

8.1 Durchführung .......................................................................................................... 64

9 Das standardisierte Abklärungsverfahren SAV ............................................................. 67

9.1 Aufbau/Elemente .................................................................................................... 67

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9.2 Basisabklärung ....................................................................................................... 67

9.3 Bedarfsabklärung .................................................................................................... 72

10 Das sonderpädagogische Gutachten ......................................................................... 77

10.1 Schematischer Aufbau ............................................................................................. 77

10.2 Gutachten Beispiel ................................................................................................... 78

11 Anhang....................................................................................................................... 89

11.1 Beschreibung der ICF-Items nach dem Schweizer Modell (SAV – Volksschulamt

Zürich): ............................................................................................................................. 89

11.2 Beobachtungsbogen zur Unterrichtsbeobachtung ................................................. 107

11.2 Kommentierte Literaturliste .................................................................................... 111

11.2.1 Schulgesetz ..................................................................................................... 111

11.2.2 Schulrecht ........................................................................................................ 112

11.2.3 AVG Allgemeines Verwaltungsrecht ................................................................ 113

11.2.4 Gutachten im Verwaltungsverfahren ................................................................ 114

11.2.5 ICF ................................................................................................................... 114

11.2.6 Links ................................................................................................................ 115

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1. Einleitung Im Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes (nach § 8

Schulpflichtgesetz im Zusammenhang mit den dispositiven Bestimmungen des AVG) ist das

sonderpädagogische Gutachten ein zentrales Beweismittel.

In den letzten Jahren haben zahlreiche Beschwerden gegen Bescheide aufgezeigt, dass die

sonderpädagogischen Gutachten häufig unscharf formuliert sind oder wichtige

Fragestellungen nicht beantworten. Im Zentrum der Prüfung durch das BVwG stehen

weniger konkrete Bedürfnisse eines Kindes, sondern vielmehr Formalfehler. Mit dem

entsprechenden Wissen sollte es für eine/n Sonderpädagogin/-pädagogen jedoch möglich

sein, ein Gutachten zu verfassen, welches sowohl den Bedürfnissen des Kindes als auch

den rechtlichen Anforderungen entspricht. Dabei muss das Gutachten auch dem aktuellen

wissenschaftlichen Stand entsprechen.

Das standardisierte Abklärungsverfahren ist ein Tool im Rahmen der Feststellung des

sonderpädagogischen Förderbedarfes. Es basiert auf den Erkenntnissen der

Internationalen Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), durch welche eine

Behinderung in all ihren Wechselwirkungen beschrieben werden kann.

Entwickelt wurde das standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) von Schweizer

Schulpsychologinnen. Für den österreichischen Bedarf wurde es von einer Arbeitsgruppe

überarbeitet und soll künftig von Sonderpädagoginnen/-pädagogen als Grundlage für das

sonderpädagogische Gutachten eingesetzt werden.

Dieses Handbuch richtet sich an Sonderpädagoginnen/-pädagogen, welche mit der

Österreich-Version des SAV (SAV-Oe) arbeiten. Es liefert einen kurzen Einblick in die

Thematik der Gutachtenerstellung.

Da es sich um eine Einführung handelt, wird versucht, die Inhalte soweit zu vermitteln, wie

es für eine/n Gutachter/in notwendig ist. Es ersetzt nicht die intensive Beschäftigung mit

weiterführender Literatur und Fortbildung. An entsprechender Stelle wird auf diese Literatur

verwiesen. Aufgrund der Fülle der zur Verfügung stehenden Bücher wurde vom Autor eine

subjektive Auswahl getroffen. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch andere sehr gute und

lesenswerte Bücher zu den einzelnen Themen gibt.

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2. Verhältnis von Pädagogik und Recht Beim Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes handelt es sich

um ein Rechtsverfahren. Es werden dabei von der Behörde teilweise sehr weitreichende

Entscheidungen über ein Kind getroffen. Beispielsweise:

- Besteht bei dem Kind eine Behinderung?

- Welche Schule kann/muss das Kind besuchen?

- Nach welchem Lehrplan wird es künftig unterrichtet werden?

- etc.

Dabei stützt sich die Behörde (Landesschulrat) unter anderem auf das sonderpädagogische

Gutachten. Deshalb ist es für die/den Gutachter/in notwendig, in ihrer/seiner Arbeit stets

zwei Aspekte zu berücksichtigen:

1) das Kindeswohl und

2) die rechtlichen Bestimmungen.

Das Kindeswohl bildet dabei das Ziel aller Überlegungen. Was ist für das Kind wichtig,

welche Maßnahmen sind notwendig?

Die rechtlichen Bestimmungen bilden den Rahmen, unter dem das Ziel erreicht werden

kann. Dieser Rahmen wird vom Gesetzgeber vorgegeben und kann von uns Pädagoginnen

bzw. Pädagogen nicht verändert werden. Im Zusammenhang mit Behinderung werden im

österreichischen Recht die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention nur teilweise

umgesetzt. So führt die Feststellung eines „sonderpädagogischen Förderbedarfes“ zu einer

Stigmatisierung der betroffenen Kinder, die UN-Behindertenrechtskonvention verbietet aber

jede Form von Stigmatisierungen.

Bildhaft kann man sich dies wie eine Fahrt durch eine fremde Stadt vorstellen. Wir streben

ein Ziel an (Kindeswohl) und dürfen dabei die vorgegebenen Straßen (Normen) nicht

verlassen.

Am Beginn der Reise ist ein Kind, welches die Anforderungen einer Schule nicht schafft

oder aufgrund einer Behinderung eine Unterstützung in der Schule brauchen wird.

Das Ende der Reise sollte eine selbstbestimmte Teilhabe am Unterricht sein. Eine mögliche

Maßnahme, um dieses Ziel zu erreichen, kann der „sonderpädagogische

Förderbedarf“ sein. Es gibt aber auch andere mögliche Unterstützungsangebote. Die/der

Sonderpädagogin/-pädagoge hat alle Möglichkeiten abzuwägen, in ihrem/seinem Gutachten

darzustellen und die geeigneten Maßnahmen zu empfehlen.

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Abbildung 2: Weg zur optimalen Förderung durch die gesetzlichen

Vorgaben

Ein Kind, welches selbstbestimmt am Unterricht teilhaben kann und in der Lage ist, seinen

Begabungen entsprechend zu lernen, bildet das Ziel aller Bestrebungen.

Abbildung 1: glückliches Kind

In ihrer/seiner Tätigkeit hat die/der Sonderpädagogin/-pädagoge alle gesetzlichen

Bestimmungen zu berücksichtigen. Diese Normen bilden bildhaft den Weg zum Kindeswohl.

Oft ist der Weg von vornherein nicht immer ganz klar ersichtlich. Es gibt Sackgassen,

Umwege und Abkürzungen. Nicht immer ist der kürzeste Weg gangbar (Fahrverbote). Dies

ist für die/den Sonderpädagogin/-pädagogen zum Beispiel bei der Feststellung einer

„Behinderung“ durch das Ärztegesetz gegeben. Da bedarf es anderer Gutachten.

Deshalb ist es auch für eine/n Sonderpädagogin/-pädagogen wichtig, die grundlegenden

gesetzlichen Bestimmungen und Möglichkeiten(!) zu kennen.

3. Der sonderpädagogische Förderbedarf Die gesetzlichen Grundlagen zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs

finden sich im § 8 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes:

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§ 8. (1) Der Landesschulrat hat den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind auf Antrag der

Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes, auf Antrag des Leiters der Schule, dem das

Kind zur Aufnahme vorgestellt worden ist oder dessen Schule es besucht oder sonst von Amts wegen

festzustellen, sofern dieses infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der

Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische

Förderung nicht zu folgen vermag. Zuständig zur Entscheidung ist der Landesschulrat, in dessen

Bereich das Kind seinen Wohnsitz hat; wenn das Kind bereits eine Schule besucht, ist der

Landesschulrat, in dessen Bereich die Schule gelegen ist, zuständig. Der Landesschulrat hat zur

Feststellung, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, ein sonderpädagogisches Gutachten

sowie erforderlichenfalls ein schul- oder amtsärztliches Gutachten und mit Zustimmung der Eltern

oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen.

Ferner können Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte im Rahmen des Verfahrens Gutachten von

Personen, welche das Kind bisher pädagogisch, therapeutisch oder ärztlich betreut haben, vorlegen.

Auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten ist eine mündliche Verhandlung

anzuberaumen. Der Landesschulrat hat die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten auf die

Möglichkeit der genannten Antragstellungen hinzuweisen. (§ 8 Abs. 1 SchPflG)

In diesem Absatz findet sich eine Reihe wesentlicher Bestimmungen für die Feststellung

des sonderpädagogischen Förderbedarfes. Jedoch sind diese Informationen immer im

Zusammenhang mit den Normen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens (AVG) zu lesen

und zu verstehen.

Wir bleiben zunächst jedoch beim Schulpflichtgesetz und reduzieren diese Norm auf die

wesentlichen Bestandteile.

Der Landesschulrat hat den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind […] festzustellen [...].

(§ 8 Abs. 1 SchPflG)

Der Landesschulrat – und nur der Landesschulrat –hat den sonderpädagogischen

Förderbedarf festzustellen. Da die entscheidenden Beamtinnen/Beamten des

Landesschulrates das betreffende Kind meist nicht persönlich kennen, sind sie auf

Gutachten angewiesen.

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Der Landesschulrat hat zur Feststellung […] ein sonderpädagogisches Gutachten sowie

erforderlichenfalls ein schul- oder amtsärztliches Gutachten und mit Zustimmung der Eltern oder

sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen. (§ 8

Abs. 1 SchPflG)

Zwingend ist die Einholung eines sonderpädagogischen Gutachtens. Mit Zustimmung der

Eltern ist ein schulpsychologisches Gutachten und erforderlichenfalls ein schul- oder

amtsärztliches Gutachten einzuholen.

Darüber hinaus können die Eltern beliebige Gutachten einbringen. Jedenfalls müssen die

eingeholten Gutachten und Befunde alle Informationen liefern, welche für die Entscheidung

notwendig sind. Kann der Landesschulrat aus den Gutachten seine Entscheidung nicht

schlüssig ableiten, so sind die Gutachter/innen erneut unter Hinweis auf die fehlenden

Informationen zu beauftragen.

Die für die Entscheidung wichtigsten Informationen ergeben sich auch aus dem 1. Absatz

des § 8 des Schulpflichtgesetzes. Demnach ist der sonderpädagogische Förderbedarf für

ein Kind festzustellen.

[...], sofern dieses infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht […] nicht zu

folgen vermag. [...]

3.1 Die Prüfformel Eine Behinderung führt dazu, dass das Kind dem Unterricht ohne sonderpädagogische

Förderung nicht folgen kann.

Behinderung → Kind kann dem Unterricht ohne sonderpädagogische Hilfe nicht folgen

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 8 Abs. 1 SchpflG

„ergibt sich, dass ein schulisches Versagen eines Schülers auf eine physische oder psychische

Behinderung rückführbar sein muss, dass somit ein kausaler Zusammenhang zwischen dem

Bestimmungsmerkmal „dem Unterricht nicht folgen können“ und dem Vorliegen einer physischen

oder psychischen Behinderung bestehen muss“ (BVwG W224 2009763-1, 29.08.2014).

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Überlegungen zu dieser Prüfformel

Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wird die Formulierung „dem Unterricht ohne Hilfe nicht

folgen können“ durch den im pädagogischen Alltag gebräuchlicheren Begriff

„Schulversagen“ ersetzt.

SPF = Behinderung → Schulversagen

Ist die Gleichung nicht in exakt dieser Form erfüllt, so kann kein sonderpädagogischer

Förderbedarf festgestellt werden. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Problemen.

1. Unzulässiger Umkehrschluss

Das Kind kann dem Unterricht trotz Ausschöpfung aller Maßnahmen nicht folgen, folglich

muss es (lern-)behindert sein.

Schulversagen → Behinderung = kein SPF!

In mehreren Fällen wurde der SPF für ein Kind empfohlen, welches trotz

Schullaufbahnverlust und Ausschöpfung aller Fördermaßnahmen die Lehrplanziele nicht

erreichen konnte. Ein weiterer Schullaufbahnverlust war aus pädagogischen und

psychologischen Gründen nicht zu empfehlen. Es wurde aber keine eindeutige Behinderung

diagnostiziert. Um dem Kind zu helfen, empfahlen die Gutachter/innen den SPF. Das

Bundesverwaltungsgericht lehnt diese Vorgangsweise als „unzulässigen

Umkehrschluss“ ab. BVwG (W128 2009666-1/15E 11.05.2015 und W128 2008793-1/16E

11.05.2015).

2. Das Kind hat eine Behinderung. Trotz dieser Behinderung ist das Kind in der Lage zu

lernen und dem Unterricht zu folgen.

Behinderung vorhanden, führt aber nicht zu Schulversagen = kein SPF!

Diese Form ist denkbar bei Kindern mit einer Körperbehinderung oder einer

Sinnesbehinderung. In diese Richtung könnte auch die Bestimmung des § 8 Abs. 3a

SchuPflG interpretiert werden, nach dem ein sonderpädagogischer Förderbedarf bei sinnes-

und körperbehinderten Kindern aufzuheben ist, wenn diese die Aufnahmevoraussetzungen

in eine Sekundarschule erfüllen. Die Aufnahmevoraussetzung ist ein positiver Abschluss

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der 4. Stufe der Volksschule. Demnach liegt bei diesen Kindern kein Schulversagen vor. Es

wird vermutet, dass sie dem Unterricht folgen können. Jedoch ist dies häufig nur durch die

sonderpädagogische Förderung möglich. Damit wird die Prüfformel erfüllt, denn ohne diese

Förderung könnten sie dem Unterricht nicht folgen.

3. Die Behinderung muss zu einem Schulversagen führen. Es ist denkbar, dass bei einem

Kind sowohl eine Behinderung als auch ein Schulversagen vorliegen, diese aber in

keinem Zusammenhang zueinander stehen:

Behinderung + Schulversagen (ohne Zusammenhang) = kein SPF!

Dazu folgendes Beispiel:

„Daniel ist ein Kind mit einer Körperbehinderung, ihm fehlt der linke Fuß. Aufgrund seiner

Faulheit und mangelnder Förderung schafft er die dritte Stufe der Volksschule nicht.“

In diesem Beispiel finden wir eine Behinderung (Körperbehinderung – fehlender Fuß) und

ein Schulversagen. Beide Tatbestände stehen aber in keinem Zusammenhang.

In diesem Beispiel ist der fehlende Zusammenhang sehr offensichtlich. In der täglichen

Praxis ist der Beweis des Zusammenhanges aber äußerst schwierig.

Eine Möglichkeit, die Gleichung „Behinderung führt zu einem Schulversagen“ verständlich

zu beschreiben, bietet die ICF. Dabei werden die Wechselwirkungen von Stärken und

Schwächen eines Kindes mit den Angeboten und Hemmnissen der Umwelt in Bezug auf die

Teilhabe am Unterricht beschrieben.

3.2 Definitionen Die Gleichung (eine Behinderung führt dazu, dass ein Kind dem Unterricht ohne Hilfe nicht

folgen kann) enthält mehrere Begriffe. Diese können unterschiedlich interpretiert werden.

Um mit diesen Begriffen arbeiten zu können, müssen sie definiert werden. In vielen Fällen

finden sich die Definitionen in den Gesetzen. Dies sind dann sogenannten

„Legaldefinitionen“. In den anderen Fällen, in denen es keine gesetzlichen Definitionen gibt,

wenden Juristinnen/Juristen ein kompliziertes Regelwerk an, um zu Definitionen zu

kommen.

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3.2.1 „Kind kann ohne sonderpädagogische Hilfe dem Unterricht nicht folgen“

Diese Formulierung enthält zwei Elemente: „sonderpädagogische Hilfe“ und „dem Unterricht

folgen können“.

Da die sonderpädagogische Hilfe im Verfahren erst beantragt wird und somit zum Zeitpunkt

der Antragstellung noch nicht (im benötigten Ausmaß) vorhanden ist, kann dieses Element

zunächst unberücksichtigt bleiben.

„Kann dem Unterricht nicht folgen“

Im pädagogischen Alltag wird diese Formulierung manchmal mit dem Begriff

„Schulversagen“ gleichgesetzt. Ein solches Schulversagen wurde spätestens dann

festgestellt, wenn das Kind trotz Ausschöpfung aller Fördermaßnahmen (inklusive

Schullaufbahnverlust) nicht mehr in die nächste Schulstufe aufsteigen konnte. Aus

pädagogischer Perspektive sollte sichergestellt werden, dass jedes Kind spätestens in

seinem zehnten Schuljahr die achte Schulstufe abschließen und damit einen

Schulabschluss erreichen kann.

Seit 01.09.2016 sind Kinder in den ersten drei Jahren der Volksschule unabhängig vom

Erreichen eines Lehrplanziels zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe berechtigt. Das

„nicht aufsteigen Können“ fällt somit als Beurteilungsmaßstab weg.

Der Wortlaut des Gesetzestextes ist: „kann dem Unterricht nicht folgen“. Dies ist nicht

gleichzusetzen mit „nicht zum Aufsteigen berechtigt“.

Die Feststellung, ob ein Kind dem Unterricht folgen kann, lässt sich nur bedingt aus den

Schulnoten ableiten. Zweifellos kann ein Kind dem Unterricht folgen, wenn es positive

Schulleistungen erbringt. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht ohne weitere Erhebungen

möglich: Es kann nicht ausschließlich von negativen Noten darauf geschlossen werden,

dass ein Kind dem Unterricht nicht folgen kann. Denn negative Noten können auch andere

Gründe haben, wie beispielsweise Prüfungsangst, Tagesverfassung oder eine persönliche

Krise.

Diagnostische Schulleistungstests beantworten diese Frage auch nicht zur Gänze, da sie

weder auf den Lehrplan noch auf den individuellen Unterricht abgestimmt sind.

Diagnostische Schulleistungstests können eine Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder Lese-

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 17

Rechtschreibschwäche feststellen, beurteilen jedoch nicht, ob ein Kind dem Unterricht

folgen kann.

Um also feststellen zu können, ob ein Kind dem Unterricht folgen kann, braucht es andere

Möglichkeiten. Es gilt, die Teilhabe am Unterricht zu erfassen. Ein Verfahren alleine kann

diese Fragestellung nicht beantworten, deshalb müssen verschiedene Methoden

miteinander kombiniert werden, wie zum Beispiel:

- Unterrichtsbeobachtung,

- Gespräche mit dem Kind und der Lehrperson,

- Fehleranalyse der Hefte/Mitschriften punktuellen Leistungsfeststellungen durch die

Sonderpädagogin/den Sonderpädagogen,

- das von den Wiener Sonderpädagoginnen/-pädagogen ausgearbeitete Verfahren der

Kompetenzen im Grundschulbereich,

- und ähnliche.

3.2.2 Behinderung

„Behinderung“ ist ein recht weiter und unklarer Begriff. Um ihn anwenden zu können, bedarf

es einer Definition. Je nach Berufsgruppe hat dieser Begriff teilweise sehr unterschiedliche

Bedeutungen. In vielen Bereichen hat man den Begriff „Behinderung“ gänzlich aus dem

Wortschatz gestrichen. Da die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes auf

Grundlage der bestehenden Gesetze zu erfolgen hat, werden im folgenden

Gesetzesdefinitionen (sog. Legaldefinitionen) herangezogen.

Die Schulgesetze enthalten keine Legaldefinition des Begriffes „Behinderung“.

Der Behinderungsbegriff ist in den österreichischen Gesetzen auch nicht einheitlich

geregelt. Je nach Materie gibt es teilweise sehr unterschiedliche Definitionen, vor allem

weichen die Definitionen der Bundes- und Landesgesetze mitunter voneinander ab. (vgl.

Kommentar zum Behindertengleichstellungsgesetz, Hofer et al 2016, S. 50f)

Für die Materie der „inneren Organisation“ der Pflichtschulen ist nach Art. 14 B-VG

ausschließlich der Bund zuständig. Dabei wird unter „innerer Organisation“ der Schulbetrieb

selbst verstanden, wie er im Schulunterrichtsgesetz geregelt ist: Aufnahme als Schüler/in,

Klassenbildung, Lehrplan, Beurteilung etc.

Davon abzugrenzen ist die „äußere Organisation“. Diese umfasst im Pflichtschulwesen

insbesondere die Errichtung und Erhaltung von Schulen, Bereitstellung und Instandhaltung

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 18

des Schulgebäudes. Auch die Bereitstellung von Hilfspersonal ist Teil der äußeren

Organisation. Dieses Hilfspersonal ist im Zusammenhang mit Inklusion vor allem bei der

Bereitstellung von pflegerisch-helfenden Personen und Schulassistentinnen/-assistenten

von Bedeutung, aber auch für die Eröffnung und Schließung von Sonderschulen. Die

Bestimmungen der äußeren Organisation werden vom Bund grundgelegt

(Grundsatzgesetzgebung) und von den Ländern in Form von Ausführungsgesetzen näher

geregelt.

Deshalb können im Zusammenhang mit Inklusion im Pflichtschulbereich durchaus

verschiedene Definitionen von Behinderung nebeneinander stehen bleiben.

Neben den Bundes- und Landesgesetzen kommt durch die UN-

Behindertenrechtskonvention eine internationale Sichtweise hinzu. In der UN-

Behindertenrechtskonvention wird der Begriff der Behinderung wieder etwas anders

definiert.

Es ist wichtig zu unterscheiden, in welchem Zusammenhang der Begriff verwendet wird:

- Geht es um die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfes, um die

Lehrplaneinstufung etc., also um Fragen der inneren Schulorganisation, so sind

Bundesgesetze anzuwenden.

- Geht es um die Bereitstellung von pflegerisch-helfenden Personen und Fragen der

äußeren Schulorganisation, so sind Landesausführungsgesetze (insbesondere die

Landes Pflichtschulerhaltungsausführungsgesetze oder Schulgesetze des Landes)

heranzuziehen.

Um einen Überblick über die möglichen Behinderungsbegriffe zu behalten, könnte es

hilfreich sein, die möglichen Definitionen in drei Gruppen (Modellen) einzuteilen:

1. medizinisches Modell,

2. bio-psycho-soziales Modell,

3. Behinderungsbegriff der UN-Konvention.

Diese Modelle haben die Gemeinsamkeit, dass eine körperliche oder psychische

Funktionsstörung bzw. Normabweichung dazu führt, dass die/der Betroffene an sozialen

Angeboten ohne Hilfe nicht teilnehmen kann. Je nach Modell gibt es verschiedene Ansätze

bei Diagnostik und Fördermaßnahmen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 19

Medizinischer Behinderungsbegriff – medizinisches Modell

Behinderung ist die Abweichung von einer körperlichen oder psychischen Norm bzw. eine

Funktionsstörung. Je weiter diese Abweichung von der Norm ist, desto stärker ist die

Behinderung ausgeprägt. Definiert ist Behinderung als

„... eine nicht nur vorübergehende erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit, die

auf dem Fehlen oder auf Funktionsstörungen von Gliedmaßen oder auf anderen Ursachen

beruht ... Weiterhin liegen Behinderungen bei einer nicht nur vorübergehenden erheblichen

Beeinträchtigung der Seh-, Hör- und Sprachfähigkeit und bei einer erheblichen

Beeinträchtigung der geistigen oder seelischen Kräfte vor.“

Zentrale Elemente des medizinischen Behinderungsbegriffs sind:

- Behinderung ist eine Normabweichung bzw. Funktionsstörung;

- Die betreffende Person wird „vermessen“ bzw. getestet und es wird über sie eine

Diagnose erstellt. Dabei wird die betroffene Person nicht aktiv in den Diagnoseprozess

mit einbezogen;

- Fördermaßnahmen werden von Spezialistinnen/Spezialisten geplant (auch dies ohne

aktive Miteinbeziehung der/des Betroffenen);

- Fördermaßnahmen zielen darauf ab, die/den Behinderte/n so weit zu behandeln und zu

verändern, dass sie/er den gesellschaftlichen Anforderungen entspricht.

Sozialer Behinderungsbegriff – bio-psycho-soziales Modell

Das Verständnis von Behinderung wird bei dieser Definition weiterentwickelt. Nicht die

Normabweichung oder Funktionsstörung selbst bestimmt die Behinderung, sondern

Behinderung entsteht in der Wechselwirkung der Normabweichung/Funktionsstörung mit

der Umwelt. Die Umwelt kann für die/den Betroffene/n unterstützend wirken und ihr/ihm

helfen, an allen Angeboten teilzunehmen. Sie kann aber auch Barrieren schaffen und

die/den Behinderte/n von bestimmten Angeboten ausschließen.

Zentrale Elemente sind:

- Behinderung entsteht durch die Wechselwirkung zwischen einer Funktionsstörung und

den Barrieren der Umwelt;

- In der Diagnostik wird versucht die Barrieren zu bestimmen. Dazu braucht es die

aktive Mitarbeit der Betroffenen;

- Förderung besteht unter anderem in der Beseitigung von Barrieren.

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Behinderung als Menschenrecht – UN-Behindertenrechtskonvention

Die UN-Behindertenrechtskonvention definiert Behinderung aus einer bio-sozialen Sicht.

Sie geht in ihrer Definition aber noch weiter, indem auch seelische Beeinträchtigungen mit

aufgenommen werden. Außerdem wird die gleichberechtigte Teilhabe als Menschenrecht

mit aufgenommen.

In Artikel 1 heißt es: „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder

Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen

Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft

hindern können.“

Teilhabe wird als Menschenrecht definiert. Dies bedeutet, dass jeder Mensch ein Recht auf

volle Teilhabe hat – und zwar so wie er ist. Die/der Betroffene muss sich nicht verändern,

sie/er muss sich nicht anpassen, um teilhaben zu dürfen. Wird dieser Gedanke fortgeführt,

so kann jede Fördermaßnahme in Frage gestellt werden, da Förderung grundsätzlich darauf

abzielt, die/den Betroffene/n zu verändern und anzupassen.

Definition „Behinderung“ im Zusammenhang mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf

Das Bundesverwaltungsgericht verwendet seit 11.05.2015 (W128 2009666-1/15E) zur

Prüfung der Behinderung die Bestimmung aus dem Behinderteneinstellungsgesetz § 3 (BEinstG). Demnach ist eine Behinderung „die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden

körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der

Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Dabei gilt als nicht

vorübergehend ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten“ § 3 BEinstG.

Die ständige Rechtsprechung stellt das Schulleben dem Arbeitsleben gleich. Daraus ergibt

sich, dass eine Behinderung die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung ist, welche

geeignet ist, die Teilhabe am Schulleben zu erschweren (in Analogie zum BEinstG).

Die Funktionsbeeinträchtigung kann körperlicher, geistiger oder psychischer Natur sein, sie

kann aber auch in einer Sinnesbeeinträchtigung liegen.

Zur Feststellung, ob eine entsprechende Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, greift das

Bundesverwaltungsgericht auf die ICD und auf die „Einschätzverordnung zur Bemessung

des Grades der Behinderung“ zurück. Es ist ausreichend, dass die

Funktionsbeeinträchtigung in einer der beiden Quellen aufgelistet ist. Ein bestimmter Grad

der Behinderung/Funktionsbeeinträchtigung ist nicht erforderlich.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 21

Diese Feststellung ist für die/den Gutachter/in insofern von Relevanz, als der Begriff

„Behinderung“ im Gutachten nicht explizit erwähnt werden muss. Es ist ausreichend, eine

Diagnose aus der ICD bzw. der Einschätzverordnung zu benennen. Die Erstellung von ICD-

Diagnosen ist Ärztinnen/Ärzten und klinischen Psychologinnen/Psychologen vorbehalten (§

2 ÄrzteG, § 22 PsychG).

4. Gutachten

Grundsätzlich trifft eine Behörde eine Entscheidung in Form eines Bescheids. Dies erfordert

Fachwissen, über welches die Behörde meist nicht verfügt. Deshalb gibt es

Sachverständige, die ihr Fachwissen der Behörde zur Verfügung stellen.

Daraus lassen sich einige Grundsätze für die Erstellung eines Gutachtens ableiten:

- Die Gutachten liefern der fachunkundigen Behörde alle notwendigen Informationen,

die zur Entscheidungsfindung notwendig sind.

- Da die Behörde (meist) nicht über das notwendige Fachwissen verfügt, muss ein

Gutachten in verständlicher und nachvollziehbarer Weise eine Situation (den

Sachverhalt) beschreiben.

Im Feststellungsverfahren zum sonderpädagogischen Förderbedarf sind als Beweismittel

zur Sachverhaltsfeststellung folgende Gutachten vorgesehen (§ 8 Abs 1 SchPflG):

- ein sonderpädagogisches Gutachten (dieses ist zwingend vorgesehen),

- ein schulpsychologisches Gutachten, wenn die Erziehungsberechtigten diesem

zustimmen und

- allenfalls ein schul- bzw. amtsärztliches Gutachten.

Die Gutachten sollen den Sachverhalt schlüssig und widerspruchsfrei darstellen. Schlüssig

und widerspruchsfrei ist ein Gutachten dann, wenn die Gedankengänge und Ergebnisse

der/des Gutachterin/Gutachters in allen Schritten nachvollzogen werden können und es zu

keinen Gedankensprüngen oder Widersprüchen kommt.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 22

Über die Form und den Aufbau eines Gutachtens gibt es keine zwingenden Vorschriften.

Letztendlich bleibt es der/dem Gutachter/in überlassen, wie sie/er das Gutachten gestaltet.

Jedoch haben sich im Laufe vieler Jahre bewährte Modelle herausgebildet, welche auf die

Schlüssigkeit, die Nachvollziehbarkeit und die Verständlichkeit abzielen.

Den Ausgangspunkt bildet dabei die konkrete Fragestellung. Danach werden die

Untersuchungsverfahren angeführt und begründet, warum gerade diese Verfahren gewählt

wurden. Das Ergebnis der Untersuchung wird zuerst wertfrei beschrieben (Befund) und erst

in einem weiteren Schritt einer Bewertung unterzogen. Diese Trennung von Befund und

Bewertung ist für die Nachvollziehbarkeit besonders wichtig. Die Ergebnisse werden

zusammengefasst und interpretiert (in der Zusammenfassung dürfen keine neuen

Erkenntnisse vorkommen, welche nicht auch schon im Befund und der Bewertung erwähnt

wurden). Den Abschluss eines Gutachtens bildet die Beantwortung der

Ausgangsfragestellung.

4.1 Das sonderpädagogische Gutachten Das sonderpädagogische Gutachten ist ein zentrales Beweismittel im Verfahren zur

Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs. Aus ihm sollte sich der wesentliche

Sachverhalt feststellen lassen.

4.1.1 Inhalt des Gutachtens (Fragestellungen)

Folgende Fragen werden an die/den Sonderpädagogin/-pädagogen im Zusammenhang mit

dem sonderpädagogischen Förderbedarf gestellt:

1. Kernfrage: Kann das Kind ohne Hilfe dem Unterricht folgen?

Wenn nein: Welche Ursachen kommen dafür in Betracht?

Liegt die Ursache in einer Behinderung?

Darüber hinaus sind aber auch folgende Fragen von Bedeutung:

2. Wurden im Vorfeld alle Fördermaßnahmen ausgeschöpft?

3. An welcher Schule kann den Bedürfnissen des Kindes am ehesten entsprochen werden?

4. In welchen Gegenständen ist eine Änderung des Lehrplans notwendig?

5. Welche Fördermaßnahmen können ergriffen werden?

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 23

Alle diese Fragestellungen sind relevant und müssen im Gutachten beantwortet werden,

ansonsten könnte der Bescheid im Rahmen einer Bescheidbeschwerde aufgehoben

werden.

„Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

[…] Da die erforderlichen entscheidungsrelevanten Feststellungen nicht getroffen wurden, ist der

Sachverhalt in zentralen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.“ (BVwG W 227 2130760 vom

20.01.2017)

4.1.2 Aufbau des Gutachtens

Folgender Aufbau ist auch für fachunkundige Personen nachvollziehbar:

1. Auftrag: Datum, beauftragende Behörde, Fragestellung (im genauen Wortlaut)

2. Beweismittel: Darstellung der Beweismittel und Begründung, warum gerade diese zur

Beantwortung der Fragen ausgewählt wurden. Als Beweismittel in Frage kommen für

Sonderpädagoginnen/-pädagogen unter anderem in Betracht:

- Unterrichtsbeobachtungen,

- Gespräche mit Kind, Eltern und Lehrerinnen/Lehrern (im Zusammenhang mit der

Teilhabe),

- diagnostische Schulleistungstests,

- allgemeine Entwicklungstests (soweit diese für Pädagoginnen/Pädagogen

zugelassen sind),

- Einsicht in Hefte und Dokumente der Schülerin/des Schülers (besonders Tests und

Schularbeiten)

3. Befund: Darstellung der Ergebnisse der Untersuchung. Die Ergebnisse werden sachlich

wiedergegeben. Der Befund enthält keine Bewertung dieser Ergebnisse.

4. Bewertung: In diesem Schritt werden die Ergebnisse bewertet. Wie ist das

entsprechende Ergebnis aus dem Befund zu verstehen. Handelt es sich um ein gutes oder

unterdurchschnittliches Ergebnis. Sind die Ergebnisse altersentsprechend oder liegen sie

deutlich unter der Altersnorm.

5. Interpretation/Schlussfolgerungen: Welche Schlüsse und Erkenntnisse lassen sich aus

den Ergebnissen ableiten.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 24

6. Zusammenfassung und Empfehlung: In diesem Schritt werden die Ergebnisse

zusammengefasst und die Fragestellungen aus dem Auftrag werden beantwortet.

Dieser Aufbau ist idealtypisch. In der Praxis werden nicht alle diese Schritte in einem

Gutachten in einzelne, getrennte Kapitel geteilt, sondern es kommt vor allem in den

Punkten 3 und 4 (eventuell auch 5) zu einer gemeinsamen Abhandlung. Es ist auch

möglich, Befund und Bewertung in einem einzigen Satz zu verbinden, wie zum Beispiel „Die

Schülerin erreicht bei diesem Subtest 10 Punkte (Befund), dies entspricht einem

Prozentrang von PR = 1-2 (Befund) und damit einem sehr weit unter der Altersnorm

liegendem Ergebnis (Bewertung)“.

4.2 Anforderungen an die/den Gutachter/in Die/der Gutachter/in hat eine Situation so darzustellen und zu beschreiben, dass die

entscheidende Behörde alle notwendigen Informationen aus dem Gutachten entnehmen

kann. Dazu muss die/der Gutachter/in über das notwendige Fachwissen verfügen. Laut

Judikatur müssen Sachverständige und Gutachter/innen „geeignet“ (VwSlgNF 5431 A/1960;

VwGH ZfVB 1984/1023) sein oder über „besondere Fachkenntnisse verfügen, die über das

übliche Maß hinaus“ (VwGH 23.09.1992, 92/03/133) gehen.

4.2.1 Fortbildung

Ein Gutachten muss jedenfalls dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung

entsprechen (VwSlgNF 36127 A/1955; 12878 A/1989).

Aus diesen Ansprüchen ergibt sich, dass die/der Gutachter/in stets auf dem aktuellen

Wissenstand der Forschung sein muss, sie/er muss sich ständig fortbilden. Der Dienstgeber

kann Schulungen anbieten, die/der Gutachterin ist aber selbst für den Wissensstand

verantwortlich.

4.2.2 Beratung der Eltern

Sehr oft verzichten die Eltern eines Kindes auf das Recht einer mündlichen Verhandlung.

Dann ist die/der Sonderpädagogin/-pädagoge unter Umständen die einzige fachliche

Beratung für die Eltern. Deshalb ist es notwendig, dass sie auch über das notwendige

Wissen über den Verfahrensablauf verfügt. Der Verfahrensablauf nach dem AVG wird in

einem eigenen Kapitel kurz dargestellt.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 25

4.2.3 Weisungsfreiheit der Gutachterin/des Gutachters

Die/der Gutachterin ist ein/e Amtssachverständige/r im Sinne des AVG. Sie/er ist aber auch

Pädagogin/Pädagoge und hat ein Dienstverhältnis als Landeslehrer/in. Somit ist sie/er dem

Landesschulrat gegenüber weisungsgebunden. Es wäre nun denkbar, dass der

Landesschulrat seine Macht ausübt und der/dem Gutachter/in eine Weisung erteilt. Nach

den Bestimmungen des B-VG ist eine Weisung vor allem dann abzulehnen, wenn sie von

einem unzuständigen Organ kommt oder wenn sie gegen eine strafrechtliche Bestimmung

verstoßen würde.

Im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung gilt folgende Interpretation: Eine generelle

Weisung ist zu befolgen. Generelle Weisungen betreffen keinen Einzelfall. Wird versucht in

einen konkreten Einzelfall von Seiten der Behörde einzugreifen, hat die/der Gutachter/in die

Weisung mit der Begründung der „Anstiftung zur Falschaussage“ (strafrechtliche

Bestimmung § 288 StGB) zurückzuweisen.

4.3 Anfechtbarkeit des Gutachtens Eine inhaltliche Überprüfung eines Gutachtens ist für die Behörde sehr schwierig, da die

Behörde (meist) nicht über das notwendige Fachwissen verfügt.

Jedoch hat die Behörde zu prüfen, ob das Gutachten schlüssig ist. Schlüssig ist es, wenn

der Inhalt logisch nachvollziehbar ist. Unschlüssig kann ein Gutachten sein, wenn es in der

Schlussfolgerung auf Tatsachen baut, die im Befund nicht enthalten sind.

Beispielsweise:

(BVwG W227 2008467-1 28.08.2014):

Das sonderpädagogische Gutachten zählt einige Schwächen des Kindes auf und dann

heißt es im Befund: „Diese Schwächen würden keine eindeutige Behinderung im Sinne der

Definition eines lang andauernden, schwerwiegenden und umfänglichen

Schulleistungsversagens zeigen.“ Und in der Schlussfolgerung: „Es wird empfohlen, dem

Antrag auf sonderpädagogischen Förderbedarf aufgrund psychischer Behinderung

stattzugeben.“

Das Bundesverwaltungsgericht hob den Bescheid unter anderem mit dem Hinweis auf das

mangelhafte Gutachten auf.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 26

Wie bereits angedeutet kann die Behörde ein Gutachten nur auf offensichtliche

Widersprüche oder Schlussfolgerungen hin überprüfen. Eine genaue inhaltliche

Überprüfung ist der Behörde nicht möglich. Dies kann nur durch ein Gegengutachten

erfolgen.

„Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens

und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner

Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden.“ (VwGH, 27.05.1987,

87/01/0022)

4.4 Stellung des sonderpädagogischen Gutachtens im Verfahren zum SPF Im Feststellungsverfahren zum sonderpädagogischen Förderbedarf ist das

sonderpädagogische Gutachten als einziges Amtsgutachten zwingend einzuholen.

Das schulpsychologische Gutachten ist mit Zustimmung der Eltern

(Erziehungsberechtigten) und das schul- bzw. amtsärztliche Gutachten

„erforderlichenfalls“ einzufordern.

Es sind also Verfahren denkbar, die ausschließlich auf ein sonderpädagogisches Gutachten

aufbauen.

Da es sich bei der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes jedoch um

teilweise sehr weitreichende Entscheidungen handelt (Behinderung? Welche Schule kommt

für das Kind in Frage? Nach welchem Lehrplan wird unterrichtet? …), empfiehlt es sich

immer, die Entscheidung möglichst gut abzusichern und auf mehrere Gutachten zu stützen.

Auch aus pädagogischen Gründen empfiehlt es sich, die Eltern dahingehend zu beraten, ihr

Einverständnis zum schulpsychologischen Gutachten zu geben. Denn die Gutachten

enthalten Informationen, welche für die Förderplanung sehr hilfreich sind.

Für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs müssen zwei

Voraussetzungen gegeben sein. Erstens muss eine Behinderung vorliegen und zweitens

muss sich die Behinderung so auswirken, dass das Kind dem Unterricht nicht folgen kann.

Im Vorfeld müssen alle pädagogischen Maßnahmen ausgeschöpft worden sein.

Die Feststellung der Behinderung ist das primäre Fachgebiet der Medizin (vgl. § 2

Ärztegesetz). Auch Psychologinnen/Psychologen sind berechtigt, bestimmte Diagnosen zu

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 27

stellen (§ 22 Psychologengesetz). Ergänzend zum ärztlichen bzw. psychologischen

Gutachten beschreibt die/der Sonderpädagogin/-pädagoge die Auswirkungen der

festgestellten Behinderung im Zusammenhang mit Schule. Dabei muss sie/er die

Behinderung nicht unbedingt erneut feststellen. So kann die Diagnose auch aus den bereits

vorliegenden Gutachten übernommen werden. Es muss in diesem Fall eindeutig

beschrieben werden, welche Informationen aus welchem Gutachten stammen

(Nachvollziehbarkeit).

Somit kann auf ein schulärztliches Gutachten vor allem dann verzichtet werden, wenn es

um eine psychische Behinderung geht und ein Psychologe eine entsprechende ICD-

Diagnose erstellt hat. Umgekehrt kann auf ein schulpsychologisches Gutachten verzichtet

werden, wenn die Behinderung von einer Ärztin bzw. einem Arzt festgestellt wurde oder ein

aktuelles psychologisches Gutachten bereits vorliegt.

Nur im begründeten Ausnahmefall sollte die/der Sonderpädagogin/-pädagoge versuchen

die Behinderung selbst festzustellen.

Ein Beispiel dafür findet sich im Erkenntnis des BVwG vom 09.08.2015 (W128 2112862-1):

Dieses sonderpädagogische Gutachten beantwortet eindeutig und nachvollziehbar die oben

dargelegte ausschlaggebende Frage, ob bei dem Kind eine Behinderung vorliegt oder nicht.

Sowohl die laut Gutachten vorliegende Dyskalkulie als auch die Lese- und

Rechtsschreibschwäche sowie die gravierende Beeinträchtigung des Lernens im Sinne

einer Lernbehinderung stellen umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer

Fertigkeiten nach Code F 81 der von der WHO herausgegebenen International

Classification of Diseases (ICD-10) und somit – wie folgend dargestellt wird – eine

Behinderung, dar.“

5 Das Allgemeine Verwaltungsverfahren (AVG) – Einführung Der Landesschulrat entscheidet mittels Bescheid über die Zukunft eines Kindes. Dabei

werden sehr weitreichende Entscheidungen getroffen. Es wird unter anderem festgelegt,

welche Schule ein Kind zu besuchen hat und nach welchem Lehrplan es zu unterrichten ist.

Gerade bei so weitreichenden Entscheidungen ist es wichtig, die Elternrechte zu wahren.

Die wichtigsten Bestimmungen des Verfahrens und der Elternrechte sind im Allgemeinen

Verwaltungsverfahren (AVG) grundgelegt. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick gegeben

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 28

werden, soweit er für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs notwendig

ist.

5.1 Verfahrensablauf

5.1.1 Einleitungsverfahren (§ 39 Abs. 2 AVG)

Grundsätzlich kann das Verfahren entweder durch Parteienantrag oder von Amts wegen

eingeleitet werden. Die Einleitung durch Parteienantrag muss jedoch in den jeweiligen

Materiengesetzen festgeschrieben sein. Ist in den Materiengesetzen eine Einleitung durch

Parteienantrag nicht vorgesehen, so kommt nur eine amtswegige Verfahrenseinleitung in

Frage.

Jedoch ist die Behörde verpflichtet ein Verfahren amtswegig einzuleiten, wenn die dafür

notwendigen Gründe vorliegen. Jede Partei hat die Möglichkeit, die Behörde vom Vorliegen

relevanter Tatsachen mittels Anbringen zu verständigen.

5.1.2 Ermittlungsverfahren (§ 37 AVG)

Das Ermittlungsverfahren dient der Behörde dazu, den wesentlichen Sachverhalt

festzustellen. Dazu können Gutachten eingeholt werden. Es sind aber auch andere

Beweismittel zugelassen. So dient alles als Beweismittel, was zur Klärung des Sachverhalts

dienlich ist. Somit sind auch Schülerstammblatt, pädagogischer Bericht oder Zeugnisse als

Beweismittel zu sehen.

Die Eltern dürfen weitere Beweismittel einbringen (Privatgutachten etc.).

Im Sinne der materiellen Wahrheit hat die Behörde den relevanten Sachverhalt zu prüfen.

Es ist nicht möglich, wichtige Fragestellungen „außer Streit zu stellen“.

Mündliche Verhandlung

Die mündliche Verhandlung kann grundsätzlich unter verschiedenen Gesichtspunkten

gesehen werden. Sie dient der Behörde, den relevanten Sachverhalt mit den Parteien

(Eltern bzw. Erziehungsberechtigten) zu klären. Zusätzlich bietet die mündliche

Verhandlung den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten die Möglichkeit, Einsicht in die Akten

zu nehmen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 29

5.1.3 Erledigungsverfahren

Jedes Verfahren ist mit einem Bescheid zu erledigen. Auch, wenn es zu einer Ablehnung

des sonderpädagogischen Förderbedarfs kommt.

5.2 Grundsätze des Verwaltungsverfahrens

5.2.1 Offizialmaxime (§ 39 Abs. 2 AVG)

Die Offizialmaxime besagt, dass die Behörde ein Verfahren zu leiten hat. Die Behörde leitet

das Verfahren ein, sie bestimmt, welche Beweise (vor allem Gutachten) einzuholen sind,

bewertet diese und entscheidet in Form eines Bescheids. Die Offizialmaxime gibt der

Behörde sehr viel Macht. Diese Macht eröffnet ihr die Möglichkeit, auch gegen den Wunsch

der Eltern/Erziehungsberechtigten ein Verfahren einzuleiten, durchzuführen und zu

entscheiden.

Dabei sind sowohl die entscheidende Behörde als auch die Gutachter/innen

(Schulpsychologin/-psychologe und Sonderpädagogin/-pädagoge) Teile des Schulsystems.

Um die Elternrechte zu wahren, gibt es im Zusammenhang mit der Feststellung des

sonderpädagogischen Förderbedarfes einige Elternrechte, auf welche die Eltern

hinzuweisen sind:

Die Eltern dürfen ein Verfahren einleiten. Sie haben das Recht weitere Beweismittel

(Gutachten) einzubringen, sind über alle Ergebnisse zu informieren und haben das Recht

auf eine mündliche Verhandlung.

Wichtig ist dabei, dass die Eltern über diese Möglichkeiten aufgeklärt werden. Dies nennt

man die Manuduktionspflicht der Behörde (lat. manus = Hand; ducere = führen: an der

Hand führen).

Diese Aufklärung hat vor allem den Verfahrensablauf, die möglichen Beweismittel, den

Stand des aktuellen Verfahrens, die Rechte der Eltern und die Rechtsmittel zu beinhalten.

5.2.2 Grundsatz der materiellen Wahrheit (§§ 37 ff AVG)

Nach dem Grundsatz der Offizialmaxime hat die Behörde den relevanten Sachverhalt selbst

festzustellen. Dies bedeutet, dass sie alle Angaben auch zu prüfen hat. Es ist daher nicht

zulässig, dass Angaben von den Eltern oder Lehrpersonen ungeprüft übernommen werden.

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5.2.3 Grundsatz des Parteiengehörs (§§ 37, 45 Abs. 3 und 65 AVG)

Das Recht auf Parteiengehör ist ein zentrales Recht der Eltern. Die Eltern bekommen die

Möglichkeit, alle für sie bedeutsamen Gesichtspunkte vorzubringen. Dadurch können sie

auf das laufende Verfahren Einfluss nehmen. Auch haben sie aus diesem Grundsatz das

Recht, sich zu allen Gutachten zu äußern. Die bloße Möglichkeit der Akteneinsicht reicht

nicht aus. Eine Vernachlässigung dieses Grundsatzes stellt einen groben Verfahrensfehler

dar.

5.2.4 Recht, weitere Gutachten einzubringen (§ 8 Schulpflichtgesetz)

Die Eltern haben nach dem Schulpflichtgesetz das Recht, auch weitere Gutachten

einzubringen. Diese Gutachten müssen im Bescheid gewürdigt werden.

5.2.5 Freie Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG)

Liegen mehrere Gutachten vor, so obliegt es der Behörde, wie stark sie die einzelnen

Gutachten bewertet. Es gibt keine zwingenden Regeln, wie verschiedene Gutachten zu

werten sind. Alle Gutachten und Befunde sind grundsätzlich gleichwertig. Dies gilt auch für

die Privatgutachten. Jedoch hat die Behörde ihre Gründe für die Beweiswürdigung im

Bescheid anzuführen.

5.3 Befangenheit (§ 7 AVG) Die Eltern haben kein Recht, eine/n Amtssachverständige/n abzulehnen. Jedoch hat die/der

Sachverständige in folgenden Fällen von sich aus die Erstellung eines Gutachtens

abzulehnen und der Behörde gegenüber zu begründen:

- wenn es um die eigenen Kinder (auch Pflegekinder) geht (§ 7 Abs1 Z 1 AVG);

- wenn sonst wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit in

Zweifel zu ziehen (§ 7 Abs 1 Z 3 AVG).

In diesen Fällen hat die Behörde eine/n andere/n Sachverständige/n mit der Erstellung des

Gutachtens zu beauftragen.

5.4 Mündliche Verhandlung (§ 43 Abs. 4 AVG) Die mündliche Verhandlung dient im Ermittlungsverfahren der Behörde, offene Fragen zu

klären.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 31

Darüber hinaus kann die mündliche Verhandlung aber auch als Elternrecht gesehen

werden. Die Eltern haben nach dem Grundsatz des Parteiengehörs das Recht, zu allen

Gutachten und sonstigen relevanten Sachverhaltselementen Stellung zu nehmen. Dies ist

jederzeit möglich. Die mündliche Verhandlung bietet eine Gelegenheit, dieses Elternrecht

wahrzunehmen.

Zur mündlichen Verhandlung lädt die Behörde (Landesschulrat) die Eltern und die

Gutachter/innen ein. Die vorliegenden Gutachten und sonstigen Beweismittel werden

besprochen. Den Eltern wird dabei die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Danach

erklärt die Behörde, wie sie die einzelnen Beweismittel bewertet und wie sie entscheiden

wird.

Die mündliche Verhandlung dient dazu, die Eltern zu informieren und ihnen die Möglichkeit

zu geben sich zu äußern. Den Eltern kommt dabei aber kein Entscheidungsrecht zu.

5.5 Rechtsmittelbelehrung Die Eltern haben das Recht, gegen einen Bescheid binnen vier Wochen eine Beschwerde

einzubringen. Die Rechtsmittelbelehrung ist ein wichtiger Teil des Bescheids. Im

Beratungsgespräch sind die Eltern auf dieses Recht hinzuweisen.

6 Vom medizinischen zum bio-psycho-sozialen

Behinderungsmodell Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)

wurde 2001 nach jahrelanger Entwicklungsarbeit von der WHO verabschiedet. In der ICF

wird ein biosoziales Behinderungsmodell umfassend umgesetzt. Behinderung wird nicht

mehr als eine bloße Eigenschaft einer Person gesehen, sondern in ihren vielfältigen

Wechselwirkungen mit der Umwelt beschrieben.

Beim medizinischen Behinderungsmodell ist eine Behinderung als Schädigung oder

Krankheit (Beeinträchtigung/Funktionsstörung) eines Menschen definiert, durch welche die

Teilhabe an der sozialen Umwelt beeinträchtigt ist. Zentral an diesem Modell ist die

Beeinträchtigung der/des Betroffenen.

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Eine physische oder psychische Beeinträchtigung führt zu einer Einschränkung der

Aktivitäten und diese zu einer erschwerten Teilhabe am sozialen Leben.

Eine Beeinträchtigung (Schädigung oder Krankheit) auf körperlicher Ebene führt dazu, dass

bestimmte Aktivitäten wie „sich fortbewegen“ oder die Selbstversorgung nur erschwert

ausgeführt werden können. Diese eingeschränkten Aktivitäten führen in Folge dazu, dass

eine soziale Teilhabe erschwert wird.

Dazu folgende Beispiele:

1. Max, ein siebenjähriger Knabe, möchte gerne ins Kino, um sich mit seinen Freunden

den neuesten Film anzusehen. Max ist schwer körperbehindert (Schädigung) und

braucht einen Rollstuhl (eingeschränkte Aktivität der Fortbewegung). Leider sind am

Kinoeingang mehrere Stufen, welche Max mit seinem Rollstuhl nicht bewältigen kann

(Barriere). Bekommt er keine Hilfe, so kann Max am gemeinsamen Kinoerlebnis nicht

teilhaben.

2. Sabine, ein stark sehbeeinträchtigtes Mädchen (Schädigung), möchte gerne ihrer

Freundin zum Geburtstag schreiben (Aktivität). Dazu benötigt sie einen speziellen

Computer. Mit Hilfe des Computers gelingt es ihr, den Brief zu verfassen.

Die Grundform des medizinischen Modells:

Der Lösungsansatz im medizinischen Modell besteht im Versuch, die physische oder

psychische Beeinträchtigung zu minimieren. Der Betroffene wird behandelt, therapiert und

gefördert. Letztlich ist es das Ziel, die betroffene Person so weit zu ändern, dass sie am

sozialen Leben möglichst teilhaben kann.

6.1 Kritik am medizinischen Modell Jahrzehntelange Forschungen haben gezeigt, dass der medizinische Ansatz in vielen

Fällen zu kurz greift. Der beschriebene Prozess von der Beeinträchtigung zur erschwerten

physische / psychische

Beeinträchtigung

Einschränkung der Aktivitäten

erschwerte Teilhabe

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Teilhabe ist nur eine Form des Ablaufes von vielen. Es ist auch der umgekehrte Ablauf

denkbar.

Dazu folgendes Beispiel:

Walter, ein etwas unsicherer junger Mann, trifft sich mit Bekannten auf einer Party.

Aufgrund einer Ungeschicklichkeit verschüttet er etwas Wein. Er versucht das Missgeschick

mit Humor zu nehmen, dieser Scherz geht jedoch völlig daneben und so machen sich die

Gäste an diesem Abend über Walter lustig. Diese Erfahrung prägt den jungen Mann und er

vermeidet es ab sofort an Partys teilzunehmen. Zunehmend verstärkt sich seine

Unsicherheit und Walter isoliert sich immer mehr, obwohl er gerne in Gesellschaft wäre.

Durch die zunehmende Isolation und Verunsicherung kränkt sich Walter und er wird

schließlich körperlich krank.

In diesem Beispiel läuft der Prozess genau umgekehrt zum medizinischen Modell ab.

Aufgrund der fehlenden Teilhabe kommt es zu einer körperlichen Krankheit.

Krankheit, Aktivitäten und Teilhabe beeinflussen sich also gegenseitig. Es sind auch

positive Beeinflussungen denkbar.

So führt zum Beispiel das Erlernen und Ausüben einer Sportart (Aktivitäten) in vielen Fällen

zur Linderung einer Krankheit.

Die Freundschaft zu anderen Menschen kann einer beeinträchtigten Person viel Kraft und

Hoffnung geben und sie dadurch stärken.

Es sind alle möglichen Wechselwirkungen positiver und negativer Art denkbar.

In der ICF wird versucht, diese Wechselwirkungen zu erfassen und eindeutig zu

beschreiben. Dafür wurde ein Klassifikationsschema geschaffen, welche über die Krankheit

fehlende Teilhabe

Einschränkung der Aktivitäten Krankheit

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hinaus auch die Aktivitäten, die Teilhabe/Partizipation, die Angebote und Barrieren der

Umwelt in eindeutiger Weise erfasst.

Für das Verständnis von Behinderung und Teilhabe ist aber noch ein wesentlicher

Denkschritt notwendig.

Dazu folgendes Beispiel:

Klaus, ein Bub mit einer Körperbehinderung, benötigt zur Fortbewegung einen Rollstuhl. Im

alltäglichen Leben wird er oft behindert, zum Beispiel wenn er mit einem Bus fahren möchte

und dieser nicht barrierefrei ist. Oder wenn er ins Kino will und am Eingang Stufen sind. Es

gibt aber auch Momente, in denen Klaus nicht behindert wird. Das ist immer dann, wenn

sich seine eingeschränkten Aktivitätsmöglichkeiten nicht auf sein Alltagsleben auswirken.

Zum Beispiel wenn er sich mit einem Freund einen guten Film im Fernsehen ansieht. Oder

wenn er im Restaurant an einem (barrierefreien) Tisch sitzt und mit Freunden isst.

Aus diesem Beispiel lässt sich ableiten, dass ein Mensch ein Gesundheitsproblem zwar

immer hat, dieses ihn aber nur in bestimmten Situationen behindert.

Es kann also nicht das alleinige Ziel sein, einen Menschen mit einem Gesundheitsproblem

so weit zu therapieren und zu verändern, dass dieser in die gesellschaftlichen Vorgaben

passt, sondern vielmehr müssen Barrieren abgebaut werden, um allen Menschen eine

Teilhabe zu ermöglichen.

Die Notwendigkeit der Veränderung besteht in einer veränderten Sichtweise:

Nicht die/der Betroffene muss sich ändern und sich an die Umwelt anpassen, sondern die

Umwelt muss sich so verändern, dass jede/r mit ihren/seinen Fähigkeiten und

Einschränkungen gleichermaßen teilhaben kann.

Auch für diese Sichtweise bereitet die ICF den Weg, indem hemmende und fördernde

Umweltfaktoren in Form von Barrieren und Ressourcen benannt und beschrieben werden.

Gegenüberstellung:

medizinisches Modell bio-psycho-soziales Modell

Ärztin/Arzt bestimmend, dominierend beratend, begleitend

Patient/in (Eltern) passiv, erduldend aktiv, eigenverantwortlich

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Strategie kurativ, „behandelnd“ optimierend

7 ICF (International Classification of Functioning, Disability and

Health) Die ICF wurde von der WHO im Jahre 2001 entwickelt. Sie dient dazu, Behinderungen in

ihrer Ausprägung und in ihren Wechselwirkungen mit Umweltbedingungen zu beschreiben.

Für den Einsatz bei Kindern und Jugendlichen wurde eine besondere Form der ICF

entwickelt, in welcher die Besonderheiten der Entwicklung von der frühen Kindheit bis zum

Erwachsenenalter besonders berücksichtigt werden. Dies ist die ICF-CY (International

Classification of Functioning, Disability and Health Children and Youth).

7.1 ICD versus ICF Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Internationale Klassifikation der

Krankheiten und weiterer Gesundheitsprobleme (ICD) als länderübergreifend einheitliches

Diagnosesystem weltweit etabliert. Da sich mit der ICD viele Fragen jedoch nicht klären

lassen, wurde von der WHO als Ergänzung zur ICD eine weitere internationale

Klassifikation geschaffen. Während mittels ICD ein Gesundheitsproblem diagnostiziert wird,

beschreibt die ICF das Gesundheitsproblem mit allen seinen Ausprägungen und

Wechselwirkungen.

Gesundheitsprobleme sind meist multifaktoriell. Bei der medizinischen Diagnose wird

zunächst die Ausprägung einzelner Faktoren bestimmt und danach werden die einzelnen

Werte addiert. Je nach der Gesamtsumme der einzelnen Faktoren (Scores) ergibt sich eine

bestimmte Diagnose. Aus dieser ICD-Diagnose lassen sich oft nur sehr bedingt

Rückschlüsse auf die Ausprägung in den einzelnen Bereichen ziehen.

Beispielsweise:

ICD: F81 umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten

In welchen schulischen Gegenständen sich diese Entwicklungsstörung manifestiert, kann

aus der Diagnose nicht unmittelbar abgeleitet werden. Ähnlich breite und häufige

Diagnosen im Zusammenhang mit Schule sind:

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F83: kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen

F92: kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen

Im therapeutischen Setting führt eine solche Diagnose dazu, dass die/der Therapeut/in

erneut feststellen muss, welche Bereiche wie stark von einer Störung betroffen sind.

Deshalb hat die WHO als Ergänzung zur ICD eine weitere Klassifikation entwickelt: die

Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF).

In der ICF wird ein Gesundheitsproblem auf mehreren Ebenen dargestellt und die

verschiedenen Wechselwirkungen werden beschrieben. Therapeutische Maßnahmen und

Förderungen können direkt von dieser Beschreibung abgeleitet und umgesetzt werden.

7.2 Aufbau

7.2.1 Körperstrukturen

Damit ein Kind in der Schule die notwendigen Leistungen erbringen kann, muss es

zunächst über die körperlichen und psychischen Voraussetzungen verfügen. Diese

körperlichen und psychischen Voraussetzungen werden in den Komponenten der

Körperstrukturen und Körperfunktionen beschrieben.

Im Rahmen der ICF wird eine Behinderung in verschiedenen Komponenten erfasst. Wenn

eine Störung auf der körperlich-organischen Ebene angesiedelt ist (z. B. die Missbildung

eines Organs oder Muskels), so ordnet die ICF diese Schädigung der Komponente der

Körperstrukturen zu.

„Körperstrukturen sind anatomische Teile des Körpers, wie Organe, Gliedmaßen und ihre

Bestandteile.“ (Hollenweger und de Camargo, ICF-CY, Bern 2013, S. 38)

Eine Schädigung der Körperstruktur kann eine „Anomalie, ein Defekt, Verlust oder eine

andere wesentliche Abweichung der Körperstruktur sein.“ (ebda., S. 38)

Die Körperstrukturen werden in Körpersysteme gegliedert (Übersicht erste Ebene).

Körperstrukturen

1. Nervensystem

2. Auge, Ohr

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3. Stimme und Sprechen

4. Verdauung, Stoffwechsel

5. Urogenital- und

Reproduktionssystem

6. Bewegung

7. Haut

Wie aus der Übersicht der ersten Ebene ersichtlich ist, erfolgt die Unterteilung nicht nach

Organen, sondern nach funktionell zusammenhängenden Bereichen.

7.2.2 Körperfunktionen

Es reicht nicht aus, dass die Organe angelegt und ausgebildet sind, sie müssen auch

„funktionieren“ und zusammenwirken. Erst die Summe mehrerer Organe oder Körperteile

macht durch ihr Zusammenspiel eine Leistung möglich.

Deshalb kommt es auf der körperlichen Ebene zu einer zusätzlichen Komponente, den

„Körperfunktionen“.

„Köperfunktionen sind die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich

psychologische Funktionen.“ (Hollenweger und de Camargo, ICF-CY, Bern 2013, S. 38)

Die Körperstrukturen und Körperfunktionen stehen in einem engen Zusammenhang.

Entsprechend dieses Zusammenhangs gibt es eine große Übereinstimmung in der

Gliederung zwischen den Körperstrukturen und -funktionen in den einzelnen Ebenen:

Körperfunktionen

1. mentale Funktionen

2. Sinnesfunktionen (und Schmerz)

3. Stimm- und Sprechfunktionen

4. Funktionen des kardiovaskulären,

hämatologischen, Immun- und

Atmungssystems

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Körperstrukturen

1. Nervensystem

2. Auge, Ohr

3. Stimme und Sprechen

4. Verdauung,

Stoffwechsel

5. Urogenital- und

Reproduktionssystem

6. Bewegung

7. Haut

Körperstrukturen und Körperfunktionen beschreiben die körperlichen und psychischen

Komponenten, welche allgemein für das Lernen als Voraussetzung notwendig sind. Wie

gerade gezeigt wurde, wird dabei nicht auf einzelne Organe reduziert, sondern es werden

Funktionsgruppen gebildet.

Da gibt es Parallelen zum sonderpädagogischen Denken. In der Sonderpädagogik werden

die physischen und psychischen Lernvoraussetzungen in die Bereiche Kognition, Sprache,

Sensorik, Motorik und Sozioemotionales gegliedert.

Die kognitiven Lernvoraussetzungen werden im ICF auf körperlicher Ebene in der

Komponente Körperstrukturen dem 1. Kapitel „Nervensystem“ und in der Komponente

„Körperfunktionen“ dem 1. Kapitel „Mentale Funktionen“ zugeordnet.

Die sensorischen Lernvoraussetzungen der Sonderpädagogik werden in der ICF auf

körperlicher Ebene im 2. Kapitel abgebildet („2. Auge und Ohr“ in den Körperstrukturen und

„2. Sinnesfunktionen und Schmerz“ in den Körperfunktionen).

Die Sprache findet sich im 3. Kapitel der ICF und die Motorik im 6. Kapitel.

Die emotionalen Voraussetzungen haben meist keine anatomische Abweichung als

Grundlage, deshalb sind sie in den Körperstrukturen nicht zu finden und in den

Körperfunktionen als Unterpunkt der kognitiven Funktionen angeführt.

5. Funktionen der Verdauung und des

Stoffwechsels

6. Funktionen des Urogenital- und

Reproduktionssystems

7. bewegungsbezogene Funktionen

8. Funktionen der Haut (und

Hautanhangsgebilde)

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 39

Alle diese Kapitel der ICF lassen sich noch differenzierter beschreiben. Dazu werden

Unterkapitel eingeführt. ICF spricht von 2. und 3. Ebene.

So untergliedert sich beispielsweise das Kapitel 1 der Körperstrukturen in der zweiten

Ebene (Struktur des Nervensystems) in:

S110 Struktur des Gehirns

S120 Struktur des Rückenmarks und mit ihm im Zusammenhang stehende Strukturen

S130 Struktur der Hirnhaut

S140 Struktur des sympathischen Nervensystems

Der Aufbau der Codes erfolgt dabei nach einem einheitlichen Muster:

Der Code beginnt bei den Körperstrukturen immer mit dem Buchstaben „S“ für Strukturen.

Danach folgen auf der zweiten Ebene 3 Ziffern. Die erste der drei Ziffern ergibt das Kapitel.

Die beiden weiteren Ziffern eine mögliche Unterkategorisierung.

Analog dazu werden die Körperfunktionen codiert. Anstelle des „s“ steht bei den

Körperfunktionen ein „b“ (body). Danach kommen die Ziffern:

b130 Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs

b140 Funktionen der Aufmerksamkeit

7.2.3 Aktivitäten

Sind die körperlichen Voraussetzungen gegeben (Körperstrukturen und -funktionen), so

kann ein Kind lernen und Aktivitäten entwickeln.

Somit kommt eine dritte Komponente hinzu, in welcher die Aktivitäten beschrieben werden:

„Eine Aktivität ist die Durchführung einer Aufgabe oder einer Handlung (Aktion) durch einen

Menschen.“ Hollenweger 2011, S. 161

„Beeinträchtigungen der Aktivität sind Schwierigkeiten, die ein Mensch haben kann, die

Aktivität durchzuführen.“ ebda., S. 161

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 40

Dabei umfassen die Aktivitäten alle Bereiche, in denen das Kind lernt bzw. etwas gelernt

hat, vom einfachen Zuschauen oder Zuhören bis hin zu komplexen Leistungen wie Lesen,

Schreiben oder Rechnen.

Die ICF unterscheidet zwischen dem Leistungsstand und der Leistungsfähigkeit eines

Menschen. Leistungsfähigkeit ist diejenige Leistung, welche die/der Betreffende unter

möglicher Ausschaltung aller Umweltfaktoren zu leisten im Stande ist.

Leistungsstand sind die tatsächlich unter den jeweiligen Umweltvoraussetzungen

erbrachten Leistungen. Gibt es zwischen diesen beiden gravierende Abweichungen, so ist

zu prüfen, ob der Grund für diese Differenz nicht in Barrieren der Umwelt liegt. Diese

Barrieren könnten eventuell beseitigt werden.

Nach der ICF erreicht ein Kind seine maximale Leistung, wenn es keine Barrieren in der

Umwelt gibt.

Ein weiterer Grund dafür, dass ein Kind seine Leistungsfähigkeit nicht voll ausschöpft, kann

auch in der Motivation liegen.

Somit kann die tatsächliche Leistung auf drei Faktoren zurückgeführt werden:

- Leistungsfähigkeit

- Motivation

- Angebote und Barrieren der Umwelt

Nur wenn alle diese drei Voraussetzungen vorliegen, wird eine Aktivität auch tatsächlich

ausgeführt. Deshalb kann auch nicht von der Leistungsfähigkeit alleine auf die tatsächliche

Leistung geschlossen werden. In der ICF wird die Motivation des Kindes nicht

berücksichtigt.

Einteilung der Aktivitäten und der Partizipation (Teilhabe) 1. Kapitel

Aktivitäten und Partizipation

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 41

• 1. Lernen und Wissensanwendung

• 2. Allgemeine Aufgaben und Anforderungen

• 3. Kommunikation

• 4. Mobilität

• 5. Selbstversorgung

• 6. Häusliches Leben

• 7. Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen

• 8. Bedeutende Lebensbereiche

• 9. Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben

Aus dieser Aufstellung ist ersichtlich, dass die Gliederung der Aktivitäten von der

Gliederung der Körperstrukturen und -funktionen in manchen Bereichen abweicht.

Kapitel 1: Da ist eine durchgängige Darstellung vom Nervensystem (Körperstrukturen) über

mentale Funktionen (Körperfunktionen) hin zum Lernen und zur Wissensanwendung

möglich.

So auch im Kapitel 3: Stimme bis hin zur Kommunikation.

Hier kommt es also zu einem Bruch in der übergeordneten Darstellung. Durch eine einfache

Änderung der Reihenfolge lässt sich aber eine für Pädagoginnen bzw. Pädagogen

brauchbare Übersicht erstellen, aus welcher die Zusammenhänge und Wechselwirkungen

auch vertikal ablesbar sind. Um den Bezug zur Codierung der ICF nicht zu verlieren,

werden die Codes nicht verändert:

Beispielsweise:

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Körperfunktionen Körperstruktur Aktivitäten Umweltfaktoren

1. Mentale Funktion

2.Sinnesfunktion und

Schmerz

3. Stimm- und

Sprechfunktionen

4. Funktionen der

kardiovaskulären,

hämatologischen,

Immun- und

Atmungssystems

5. Funktionen des

Verdauungs-, des

Stoffwechsel- und

des endokrinen

Systems

6. Funktionen des

Urogenital- und

Reproduktions-

systems

7.2.4 Partizipation (Teilhabe)

Die vierte Komponente bildet die Partizipation oder Teilhabe. In der ICF werden die beiden

Begriffe Partizipation und Teilhabe synonym verwendet.

Teilhabe ist das Einbezogensein einer Person in eine Lebenssituation oder einen

Lebensbereich. (Hollenweger 2011, S. 161)

Beeinträchtigungen der Teilhabe sind Probleme, die eine Person beim Einbezogensein in

eine Lebenssituation oder einen Lebensbereich erlebt. (ebda., S. 161)

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 43

Wichtig ist die persönliche Sichtweise der Betroffenen. Es kommt in dieser Komponente

noch nicht so sehr auf die Angebote der Gesellschaft an (dies wird in den Kontextfaktoren

abgebildet), sondern auf das subjektive Erleben.

Somit steht die Komponente der Partizipation stark mit dem Grundrecht der UN-Konvention

im Zusammenhang.

Die Komponente der Teilhabe ist in der ICF (noch) nicht codiert. Dies lässt viel

Interpretationsspielraum zu. Schuntermann unterscheidet drei Interpretationsmöglichkeiten

(ICF – Einführung in die ICF, 4. Aufl., Hamburg 2013, S. 60ff):

1. Interpretation von Teilhabe in der ICF

In der ICF wurden die Komponenten Aktivitäten und Teilhabe (ursprünglich) nicht

voneinander getrennt betrachtet. Es herrschte die Annahme, dass sich Teilhabe über die

Aktivitäten bestimmen lasse. Ein Mensch, welcher alle notwendigen Aktivitäten beherrscht,

sei auch in seiner Teilhabe nicht eingeschränkt. Diese Annahme stimmt in der Praxis nur

zum Teil. So ist es auch denkbar, dass ein Mensch alle Aktivitäten ausführen kann, jedoch

von der Teilhabe aufgrund von Mobbing ausgeschlossen ist.

2. Interpretation von Teilhabe im Zusammenhang mit den Menschenrechten

Die Menschenrechte umfassen auch

- den Zugang zu Lebensbereichen,

- in Lebensbereiche integriert zu werden (Teilhabe),

- ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen.

Dabei beziehen sich diese Rechte auf das subjektive Empfinden einer Person. Fühlt sich

die/der Betroffene auch einbezogen und integriert?

3. Ansatz von Rentsch und Bucher (2005)

Dies ist ein therapeutischer Ansatz. Das Ziel der Therapie ist die größtmögliche Teilhabe.

Dabei wird dieses Ziel in einzelnen Schritten erreicht. Der erste Schritt besteht darin, die

notwendigen Aktivitäten zu erlernen. Danach werden die erlernten Aktivitäten stufenweise in

das Leben der/des Patientin/Patienten integriert – zuerst in einer kontrollierten Umgebung

und später immer mehr in den Lebensalltag.

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Zusammenhang zwischen Aktivität und Teilhabe

Schuntermann führt dazu folgendes Beispiel an (Schuntermann 2013, S. 63f): Eine Person liegt im Krankenhaus. Sie könnte sich waschen und möchte dies auch

(Leistungsbereitschaft vorhanden, Teilhabe im Lebensbereich ‚sich waschen´). Ihr Zeitbedarf für das

Waschen ist jedoch deutlich erhöht und sie benötigt dazu eine Assistenz. Wenn im Krankenhaus der

erhöhte Zeitbedarf und eine Assistenz zur Verfügung gestellt würden, dann hätte sie auch Teilhabe

am Lebensbereich Waschen. Aus Zeitgründen und wegen der Personalsituation (Barrieren der

Umwelt) wird die Person jedoch in ihrem Bett gewaschen (dies wird von der betreffenden Person als

Missachtung ihrer Selbstbestimmung und als unangenehm erlebt).

Aus diesem Beispiel leitet Schuntermann folgende Erkenntnisse ab:

- Jedes Item aus der Komponente Aktivität kann sowohl unter dem Aspekt der Aktivität

(Leistungsfähigkeit) als auch unter dem Aspekt der Teilhabe (Menschenrecht,

subjektive Erfahrung) gesehen werden.

- Teilhabe und Leistung haben einen ganz starken Bezug zur Umwelt. Beide sind von

Umweltfaktoren abhängig.

- Beide Komponenten, Aktivität und Teilhabe, können nur dann gemeinsam beurteilt

werden, wenn sie sich auf dieselbe Situation beziehen. Dabei wird die Aktivität meist

fremdbeurteilt, während die Beurteilung der Teilhabe auf einer Selbsteinschätzung

beruht.

7.2.5 Kontextfaktoren

Gerade die beiden letztbesprochenen Komponenten (Aktivitäten und Teilhabe) lassen sich

ohne Berücksichtigung des Kontextes nicht abschließend beurteilen. Die Möglichkeiten und

Hemmnisse der Umwelt spielen eine große Rolle dafür, wie weit eine Person an den

verschiedenen Lebensbereichen teilhaben kann.

In der ICF wird deshalb ein starkes Augenmerk auf die Beschreibung von Barrieren und

Ressourcen in der Lebensumwelt gelegt. Diese Überlegung folgt dem sozialen

Behinderungskonzept. Gelingt es, Barrieren in der Lebensumwelt abzubauen oder

Ressourcen anzubieten, so führt dies zu einer gesteigerten Teilhabemöglichkeit.

In der ICF werden die Kontextfaktoren in zwei Komponenten gegliedert:

„Umweltfaktoren“ und „personenbezogene Faktoren“

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Umweltfaktoren bilden die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der

Menschen leben und ihr Dasein entfalten. (Hollenweger 2011, S. 228)

Im Zusammenhang mit Schule werden vor allem die familiären und schulischen

Lebensbereiche erfasst, welche im Zusammenhang mit der Einschätzung einer

Behinderung sehr ausführlich beschrieben werden. Dabei wird angegeben, inwieweit in der

Familie bzw. Schule Ressourcen, aber auch Barrieren vorhanden sind.

Die zweite Komponente beinhaltet Faktoren in der betroffenen Person selbst. Es sind dies

alle jene Faktoren, welche nicht im Zusammenhang mit der primären Beeinträchtigung

stehen.

Personenbezogene Faktoren sind der besondere Hintergrund des Lebens und der

Lebensführung einer Person (ihre Eigenschaften und Attribute) und umfassen

Gegebenheiten des Individuums, die nicht Teil ihres Gesundheitsproblems oder -zustandes

sind. Diese Faktoren sind in der ICF derzeit noch nicht klassifiziert.

(Schuntermann 2013, S. 25)

Dabei ist noch einmal wichtig darauf hinzuweisen, dass bei den personenbezogenen

Faktoren klar zu unterscheiden ist, ob sie Teil des Gesundheitsproblems sind oder nicht. So

ist zum Beispiel eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft in vielen Fällen ein

personenbezogener Faktor. Ist das Gesundheitsproblem jedoch eine Depression, so stellt

die mangelnde Anstrengungsbereitschaft einen Teil des Gesundheitsproblems dar.

Die Umweltfaktoren werden auf der ersten Ebene in folgende Kapitel eingeteilt:

Umweltfaktoren

• 1. Produkte und Technologien

• 2. Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt

• 3. Unterstützung und Beziehung

• 4. Einstellungen

• 5. Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze

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7.3 Codierung von Störungen In der ICF werden die einzelnen Items in Form von Codes dargestellt. Diese Codes

beginnen mit einem Buchstaben:

s (für Körperstrukturen)

b (für Körperfunktionen)

d (für Aktivitäten und Teilhabe)

e (für Umweltfaktoren)

Danach folgen Ziffern für die Ebenen (eine Ziffer für die erste Ebene und weitere Ziffern für

zweite und dritte Ebene = Unterkapitel).

z. B.

b2 = (b=Körperfunktionen, 2 = 1. Ebene 2. Kapitel = Wahrnehmung)

b210 = (b= Körperfunktionen, 210 = 2. Ebene 2. Kapitel = Funktionen des Sehens)

Abweichungen und Störungen werden nach der letzten Ziffer, nach einem Punkt als weitere

Ziffer eingefügt:

z. B.

b210.3

Dabei sind die Ziffern 0 bis 4, 8 und 9 möglich.

0 = Problem/Schädigung nicht vorhanden (ohne, kein, unerheblich, …)

1 = Problem/Schädigung leicht ausgeprägt (schwach, gering, …)

2 = Problem/Schädigung mäßig ausgeprägt (mittel, ziemlich, …)

3 = Problem/Schädigung erheblich ausgeprägt (hoch, äußerst, …)

4 = Problem/Schädigung voll ausgeprägt (komplett, total, …)

Die beiden Ziffern 8 und 9 haben eine besondere Bedeutung:

8 = Problem/Schädigung nicht spezifizierbar

9 = nicht anwendbar

Nicht spezifizierbar = Wenn das Problem vorhanden ist, jedoch nicht genau bestimmt

werden kann.

Nicht anwendbar = Wenn ein Item auf eine Person nicht anwendbar ist (beispielsweise

„d140 Lesen lernen“ bei einem Kindergartenkind).

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 47

Beispiele:

d145.1 = ein leichtes Problem in der Aktivität Schreiben lernen

b730.2 = ein mäßiges Problem in der Funktion der Muskelkraft

d150.0 = kein Problem in der Funktion Rechnen lernen

Nun stellt sich die generelle Frage der Abgrenzung einzelner Problemstärken. In der ICF

werden als Vergleichswerte dafür Prozentzahlen (nicht zu verwechseln mit Prozentrang!)

vorgeschlagen:

xxx.0 = Problem nicht vorhanden = 0 – 4 %

xxx.1 = Problem leicht ausgeprägt = 5 – 24 %

xxx.2 = Problem mäßig ausgeprägt = 25 – 49 %

xxx.3 = Problem erheblich ausgeprägt = 50 – 95 %

xxx.4 = Problem voll ausgeprägt = 96 – 100 %

Dieser Vorschlag gilt jedoch nicht als starre Grenze, sondern als Orientierungshilfe.

7.4 Zusammenspiel der Komponenten Wir haben nun die verschiedenen Komponenten isoliert voneinander betrachtet. Die Stärke

der ICF liegt jedoch gerade darin, das Zusammenwirken der Komponenten zu beschreiben.

Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet ein Gesundheitsproblem. Dieses wirkt sich auf

die verschiedenen Komponenten der Person unterschiedlich aus. Wobei die verschiedenen

Komponenten sich aber auch gegenseitig beeinflussen.

Gesundheitsproblem

(Störung, Krankheit)

Körperfunktionen

Körperstrukturen Aktivitäten Partizipation

Teilhabe

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 48

Dieses Schema zeigt deutlich, dass sich das Gesundheitsproblem direkt auf die

Körperstrukturen bzw. -funktionen, aber auch direkt auf die Aktivitäten und die Teilhabe

auswirkt.

(Im medizinischen Modell wird das Gesundheitsproblem oft mit den Körperstrukturen und

-funktionen gleichgesetzt. Dies entspricht aber nicht dem Denkschema der ICF).

Gleichzeitig wirken sich die Aktivitäten auf die Körperstrukturen und -funktionen aus und

umgekehrt. Es gibt auch eine direkte Verbindung zwischen den Körperstrukturen und

-funktionen und der Partizipation (und umgekehrt).

Es kann zusammenfassend gesagt werden, dass sich jede Komponente auf jede andere

Komponente auswirkt. Alle gemeinsam bilden das Gesundheitsproblem oder umgekehrt,

das Gesundheitsproblem manifestiert sich in allen Komponenten.

Dem gegenüber stehen die Kontextfaktoren. Ressourcen und Barrieren der Umwelt bzw.

persönliche Kontextfaktoren können sich auf alle Komponenten auswirken:

Gesundheitsproblem

(Störung, Krankheit)

Körperfunktionen

Körperstrukturen Aktivitäten Partizipation

Teilhabe

Umweltfaktoren personenbezogene

Faktoren

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 49

Wir haben somit ein sehr komplexes System wechselseitiger Beeinflussungen.

Dies führt zu einem großen Aufwand in der Erhebung der einzelnen Faktoren, jedoch zahlt

sich dieser Aufwand aus. Es ist möglich, mit Hilfe dieser Darstellung einzelne Faktoren zu

bestimmen, welche leichter verändert werden können als andere. Dies betrifft in vielen

Fällen die Umweltfaktoren. Da sich diese unmittelbar auf alle anderen Komponenten

auswirken, kann der/dem Betroffenen durch den Abbau von Barrieren und dem Bereitstellen

von Ressourcen sehr geholfen werden.

Sehen wir uns dazu die Verbindungen der Umweltfaktoren zu den anderen Komponenten

noch etwas detaillierter an:

Umweltfaktoren → Aktivitäten:

Aktivitäten sind diejenigen Faktoren, welche durch Lernen und Entwicklung gebildet

werden. Somit werden die Aktivitäten durch Lern- und Förderangebote direkt

beeinflusst.

Umweltfaktoren → Körperstrukturen und -funktionen:

Darunter können Hilfsmittel verstanden werden. Wenn einer stark kurzsichtigen

Person etwa eine Brille angeboten wird, so verändert sich dadurch ihre

Kurzsichtigkeit nicht, die Person lernt auch nichts dazu, jedoch gleicht diese Brille

den körperlichen Mangel aus.

Umweltfaktoren → Partizipation:

Dies sind alle Formen des Abbauens von Barrieren bzw. des Bereitstellens von

Ressourcen, um eine selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen.

7.5 Zuständigkeiten: Medizin, Psychologie, Pädagogik Die ICF ist so konzipiert, dass keine der drei Disziplinen für sich alleine eine vollständige

Diagnose erstellen kann. Je nach Fachrichtung werden schwerpunktmäßig unterschiedliche

Komponenten abgedeckt:

Ärztin/Arzt: Körperstrukturen und Körperfunktionen

Psychologin/Psychologe: Körperfunktionen und Aktivitäten

Pädagogin/Pädagoge: Aktivitäten und Partizipation

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 50

Aus der Zusammenschau der verschiedenen Ergebnisse, lässt sich eine Behinderung mit

allen ihren Wechselwirkungen darstellen. Dadurch wird ein wichtiges Prinzip der ICF

verwirklicht, nämlich das Mehraugenprinzip.

7.6 Prinzipien der ICF Mit der Entwicklung der ICF wurde nicht nur eine neue Klassifikation geschaffen, sondern

die WHO hat darüberhinausgehend Prinzipien festgelegt, nach welchen gearbeitet werden

soll. Diese Prinzipien sollen eine hochwertige Qualität sichern.

7.6.1 Das Mehraugenprinzip

Wesentlich für die ICF ist es, bei einer Diagnose mehrere Disziplinen beizuziehen, um

Behinderung mit ihren Wechselwirkungen abzubilden. Wie oben ausgeführt, haben Medizin,

Psychologie und Pädagogik einen gleichwertigen Anteil.

Medizin

Psychologie

Pädagogik

Es kommt in einzelnen Komponenten teilweise zu Überschneidungen der Zuständigkeiten.

So können zum Beispiel Körperfunktionen ein Teilbereich der Medizin oder der Psychologie

sein. Die genaue Abgrenzung ergibt sich dann in einer differenzierteren Betrachtung. So

sind beispielsweise die Items b117 (Funktionen der Intelligenz) und b140 (Funktionen der

Aufmerksamkeit) der klinisch psychologischen Disziplin zugeordnet, während die Medizin

eher zum Beispiel b210 (Funktionen des Sehens) oder b410 (Herzfunktionen) erfasst.

Körper-

strukturen

Körper-

funktionen Aktivitäten Partizipation

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 51

Auch zwischen Pädagogik und Psychologie gibt es bei den Aktivitäten teilweise

Überschneidungen. Die Aktivitäten d140 (Lesen lernen) oder d145 (Schreiben lernen)

werden von beiden Disziplinen erfasst und beurteilt.

Jedoch haben Pädagogik und Psychologie, auch wenn sie dasselbe Item bewerten,

unterschiedliche Zugänge, welche es zu berücksichtigen gilt.

Gerade in den Schulleistungen kommen diese unterschiedlichen Zugänge sehr deutlich

zum Ausdruck. Während die Psychologie das Leistungsvermögen eines Kindes bewertet,

erfasst die Pädagogik die tatsächliche Leistung im schulischen Kontext.

7.6.2 Einbeziehung von Betroffenen

Das zweite wichtige Prinzip ist die Einbeziehung der Betroffenen. Wie bereits ausführlich

beschrieben (soziales Behinderungsmodell) ist es ein wesentliches Prinzip der ICF, dass

eine Diagnose nicht über ein Kind erstellt wird, sondern gemeinsam von einer Fachperson

mit dem Kind. Dies ist gerade für die Komponente Partizipation und die Erfassung von

Umweltfaktoren wichtig.

Inwieweit ein Mensch partizipieren kann, kann nur die betroffene Person selbst erklären.

Auch kann die Person selbst am ehesten bestimmen, wo es im Alltag Barrieren

(Umweltfaktoren) gibt. Eine Diagnoseerstellung ohne Einbeziehung der/des Betroffenen ist

im Sinne der ICF nicht denkbar.

7.6.3 Bedeutung für die Beurteilung eines Kindes im schulischen Kontext

Die Berücksichtigung der ICF-Grundprinzipien hat eine weitreichende Auswirkung auf die

Beurteilung von Kindern im schulischen Kontext. So war es bisher weitgehend nicht üblich,

die Betroffenen aktiv in die Befunderstellung einzubinden. Auch der Austausch zwischen

den einzelnen Disziplinen wurde nicht in diesem Ausmaß gepflegt. Viel eher war es bisher

üblich, dass jede/r Fachfrau/-mann ihr Gutachten unabhängig von anderen erstellte und erst

die Behörde führte die einzelnen Gutachten zusammen.

Um auch unter den Grundprinzipien der ICF schlüssige und nachvollziehbare Gutachten zu

erstellen, braucht es eine ganz klare Vorgangsweise. Es ist wichtig, dass Befunde und

Ergebnisse nachvollziehbar bleiben und auch im Nachhinein klar ersichtlich ist, wer durch

welche Methode welches Ergebnis und welchen Befund erstellt hat. Die Zusammenarbeit

der Disziplinen darf nicht zu einer Vermischung von Kompetenzen und Ergebnissen führen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 52

Deshalb ist es notwendig, dass jede Disziplin zunächst unabhängig ihren Befund erhebt.

Sollten diese Ergebnisse in einem anderen Gutachten erwähnt werden, so ist dies

nachvollziehbar und erkennbar zu vermerken.

7.7 Mögliche Darstellung In einer Darstellung könnte das Grundschema der ICF mit schulrelevanten Items abgebildet

werden:

Grundschema:

Gesundheitsproblem

(Störung, Krankheit)

Körperfunktionen

Körperstrukturen Aktivitäten Partizipation

Teilhabe

Umweltfaktoren personenbezogene

Faktoren

1

2 3 4

5 6

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 53

1

2 3 4

5

6

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 54 Name: _______________________ Hauptdiagnose:________________________________ Geb. am: ____________________ Körperstrukturen Körperfunktionen Aktivitäten Partizipation (Teilhabe) 1. Struktur des Nervensystems

S110 Gehirn b110 Bewusstsein d131 lernen durch Handlungen

S120 Rückenmark b114 Orientierung d155 Fertigkeiten aneignen

S130 Hirnhaut b130 Energie und Antrieb d166 lesen

S140 sympathisches Nervensystem b140 Aufmerksamkeit d170 schreiben

S150 parasympathisches Nervensystem b152 Emotionen d172 rechnen

b164 höhere kognitive Funktionen d 175 Probleme lösen

b172 das Rechnen betreffende Funktionen

2. Das Auge, das Ohr und damit zusammenhängende Systeme

S210 Augenhöhle b210 Sehen d110 zuschauen

S220 Augapfel b230 Hören d115 zuhören

S230 um das Auge herum b280 Schmerz d120 andere bewusste sinnliche

Wahrnehmungen

S240 äußeres Ohr

S250 Mittelohr

S260 Innenohr

3. Strukturen, die an der Stimme und beim Sprechen beteiligt sind

S310 Nase b310-b399 Stimm- und d133 Sprache erwerben

S320 Mund Sprechfunktionen d310 kommunizieren als Empfänger

S330 Pharynx d330 sprechen

S340 Kehlkopf d335 Nonverbale Mitteilungen

produzieren

d720 komplexe interpersonelle

Interaktionen

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 55 d740 formelle Beziehungen

4. Mit der Bewegung in Zusammenhang stehende Strukturen

S710 Kopf- und Halsregion b735 Muskeltonus d250 sein Verhalten steuern

S720 Schulterregion b760 Willkürbewegungen d410 elementare Körperposition

wechseln

S730 obere Extremitäten d440 feinmotorischer Handgebrauch

S740 Beckenregion

S750 untere Extremitäten

S760 Rumpf

S770 muskuloskeletale Struktur d230 tägliche Routine durchführen

d530 Toilette benutzen

d540 sich kleiden

d550 essen

d571 auf die eigene Sicherheit

achten

Umweltfaktoren

persönliche

Faktoren

Familie Schule Hilfsmittel Raumangebot Unterstützung Förderung

Beziehung Einstellung

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 56

Diese Übersicht ist in folgender Weise zu lesen:

Beim Knaben XY besteht folgende Behinderung (Hauptdiagnose).

Diese Behinderung manifestiert sich in einzelnen Komponenten.

Im körperlichen Bereich kommt es zu Normabweichungen in (Körperstrukturen) und

(Körperfunktionen). Es können einige Aktivitäten (Aktivitäten) nicht erlernt werden und es

kommt zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe in verschiedenen Lebensbereichen

(Partizipation).

Erschwerend kommen hinzu (Barrieren), als hilfreich/unterstützend erweist sich

(Ressourcen).

Um die Übersichtlichkeit zu wahren, werden verschiedene Farben verwendet:

Rot = Problem stark/voll ausgeprägt

Orange = Problem mäßig ausgeprägt

Schwarz = Problem nicht/leicht ausgeprägt

Grün = individuelle Stärke

Beispiele:

1. Gregor

Gregor, ein sechsjähriges Kind, wird im Herbst eingeschult.

Der Bub hat eine Schädigung des Rückenmarks, welche zu einer inkompletten Lähmung

der unteren Extremitäten führt (rot dargestellt). Die Rumpfmuskulatur und die

Mundmuskulatur sind weniger betroffen (orange).

In den Körperfunktionen führt diese Lähmung zu einer starken Beeinträchtigung des

Muskeltonus (rot) und zu einer mittleren Beeinträchtigung der Stimm- und

Sprechfunktionen (orange). Stärken hat Gregor im kognitiven Bereich, vor allem in den

höheren kognitiven Funktionen, der Aufmerksamkeit und den Emotionen (grün).

Hilfe braucht der Knabe in den Bereichen der Aktivitäten vor allem in der täglichen

Routine, dem Essen, beim An- und Auskleiden und dem Toilettenbesuch (rot). Auch hat er

aufgrund des schwachen Muskeltonus Probleme in der Stifthaltung und Strichführung

(orange).

Die Partizipation wurde nicht beurteilt, da Gregor noch den Kindergarten besucht.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 57

Die Kontextfaktoren im familiären Bereich wurden aufgrund der Schilderungen der

Sonderkindergärtnerin und der Eltern eingeschätzt.

Die Familie verfügt nur sehr eingeschränkt über die notwendigen Hilfsmittel. So hat der

Bub beispielsweise einen einfachen Rollstuhl, welchen er nicht selbst steuern kann. Er

könnte aber mit einem elektrisch betriebenen Rollstuhl selbst umgehen (dies haben

Versuche in der Familie gezeigt). Trotzdem wird zurzeit nicht an die Anschaffung eines

solchen Rollstuhles gedacht (orange).

Das Raumangebot zu Hause ist großzügig, die Familie bewohnt ein großes Bauernhaus.

Auch bietet die Umgebung viel Raum (grün).

Die Eltern lieben ihren Sohn (grün), haben aber ein Problem mit der Behinderung, welche

sie nicht wahrhaben wollen. Deshalb lassen sie ihm auch kaum Förderung zukommen

(orange).

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 58 Name: ____Gregor______________ Hauptdiagnose: ____inkomplette Querschnittlähmung____ Geb. am: ________________________ _________________________________ Körperstrukturen Körperfunktionen Aktivitäten Partizipation (Teilhabe)

1. Struktur des Nervensystems S110 Gehirn b110 Bewusstsein d131 Lernen durch Handlungen

S120 Rückenmark b114 Orientierung d155 Fertigkeiten aneignen S130 Hirnhaut b130 Energie und Antrieb d166 lesen S140 sympathisches Nervensystem b140 Aufmerksamkeit d170 schreiben S150 parasympathisches Nervensystem b152 Emotionen d172 rechnen b164 höhere kognitive Funktionen d 175 Probleme lösen b172 das Rechnen betreffende Funktionen 2. Das Auge, das Ohr und damit zusammenhängende Systeme S210 Augenhöhle b210 Sehen d110 zuschauen S220 Augapfel b230 Hören d115 zuhören S230 um das Auge herum b280 Schmerz d120 andere bewusste sinnliche Wahrnehmungen S240 äußeres Ohr S250 Mittelohr S260 Innenohr 3. Struktur., die an der Stimme und beim Sprechen beteiligt sind S310 Nase b310-b399 Stimm- und Sprechfunktionen d133 Sprache erwerben S320 Mund d310 kommunizieren als Empfänger S330 Pharynx d330 sprechen S340 Kehlkopf d335 Nonverbale Mitteilungen produzieren d720 komplexe interpersonelle Interaktionen d740 formelle Beziehungen 7. Mit der Bewegung in Zusammenhang stehende Strukturen S710 Kopf- und Halsregion b735 Muskeltonus d250 sein Verhalten steuern S720 Schulterregion b760 Willkürbewegungen d410 elementare Körperposition wechseln S730 obere Extremitäten d440 feinmotorischer Handgebrauch S740 Beckenregion S750 untere Extremitäten S760 Rumpf S770 muskuloskeletale Struktur d230 tägliche Routine durchführen d530 Toilette benutzen d540 sich kleiden d550 essen d571 auf die eigene Sicherheit achten

Umweltfaktoren Persönliche Faktoren

Familie Schule

Hilfsmittel

Raumangebot

Unterstützung Förderung

Beziehung Einstellung

Sehr fröhliches Kind, Kontaktfreudig

Sehr wissbegierig, motiviert

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 59

Aus dieser Darstellung lässt sich auch deutlich ablesen, in welchen Bereichen Barrieren

bestehen und welche Maßnahmen eingeleitet werden sollen.

So gibt es ein knappes Raumangebot in der Schule und Gregor braucht eine Assistenz bei

Handlungen im Bereich der täglichen Routine und Hilfe beim Schreiben (eventuell sollte

ein PC eingesetzt werden).

2. Beispiel: Nathalie

Nathalie, 6 Jahre alt, wird im Herbst eingeschult.

Aus einem psychologischen Gutachten geht hervor, dass das Mädchen kognitiv stark

beeinträchtigt ist (IQ = 67). Davon sind auch die Aufmerksamkeitsfunktionen betroffen.

Das Mädchen ist etwas übergewichtig und lethargisch (Energie und Antrieb).

In den Aktivitäten ergeben sich dadurch Schwierigkeiten in allen kognitiven Bereichen (1.

Ebene), wobei die schulischen Fertigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben noch nicht

von dem Mädchen verlangt werden. Jedoch zeigen sich in den Vorläuferfertigkeiten große

Probleme.

Das Mädchen stammt aus einer sehr einfachen Familie. Beide Eltern haben einen

Sonderschulabschluss und leben von Sozialleistungen. Dadurch können sie ihre Tochter

nur sehr eingeschränkt fördern. Auch können sie sich keine besonderen Hilfsmittel oder

Förderangebote leisten.

Für die bevorstehende Einschulung ist zu erwarten, dass die wohnortnahe Schule sehr gut

ausgestattet ist (Hilfsmittel, Raumangebot) und die Lehrerinnen das Mädchen sicher gut

fördern werden. Jedoch bestehen von Seiten der Lehrerinnen gewisse Vorurteile der

Familie gegenüber (Nathalie hat mehrere ältere Geschwister). Dies kommt im Feld

„Beziehung, Einstellungen“ zum Ausdruck.

Als Ansatzpunkt für Fördermaßnahmen und Hilfestellungen ergibt sich aus der Abbildung,

dass Unterstützungsmaßnahmen im häuslichen Umfeld dringend notwendig sind. So

werden Fördermaterialien zur Verfügung gestellt und eine Lernförderung organisiert.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 60 Name: ___Nathalie___ Hauptdiagnose: ____Umschriebene Entwicklungsstörung der kognitiven Funktionen__ Geb. am: ________________________ _________________________________ Körperstrukturen Körperfunktionen Aktivitäten Partizipation (Teilhabe)

1. Struktur des Nervensystems S110 Gehirn b110 Bewusstsein d131 lernen durch Handlungen

S120 Rückenmark b114 Orientierung d155 Fertigkeiten aneignen S130 Hirnhaut b130 Energie und Antrieb d166 lesen S140 sympathisches Nervensystem b140 Aufmerksamkeit d170 schreiben S150 parasympathisches Nervensystem b152 Emotionen d172 rechnen b164 höhere kognitive Funktionen d 175 Probleme lösen b172 das Rechnen betreffende Funktionen 2. Das Auge, das Ohr und damit zusammenhängende Systeme S210 Augenhöhle b210 Sehen d110 zuschauen S220 Augapfel b230 Hören d115 zuhören S230 um das Auge herum b280 Schmerz d120 andere bewusste sinnliche Wahrnehmungen S240 äußeres Ohr S250 Mittelohr S260 Innenohr 3. Struktur., die an der Stimme und beim Sprechen beteiligt sind S310 Nase b310-b399 Stimm- und Sprechfunktionen d133 Sprache erwerben S320 Mund d310 kommunizieren als Empfänger S330 Pharynx d330 Sprechen S340 Kehlkopf d335 Nonverbale Mitteilungen produzieren d720 komplexe interpersonelle Interaktionen d740 formelle Beziehungen 7. Mit der Bewegung in Zusammenhang stehende Strukturen S710 Kopf- und Halsregion b735 Muskeltonus d250 sein Verhalten steuern S720 Schulterregion b760 Willkürbewegungen d410 elementare Körperposition wechseln S730 obere Extremitäten d440 feinmotorischer Handgebrauch S740 Beckenregion S750 untere Extremitäten S760 Rumpf S770 muskuloskeletale Struktur d230 tägliche Routine durchführen d530 Toilette benutzen d540 sich kleiden d550 essen d571 auf die eigene Sicherheit achten

Umweltfaktoren Persönliche Faktoren

Familie Schule

Hilfsmittel

Raumangebot

Unterstützung Förderung

Beziehung Einstellung

Etwas schwerfällig,

nicht motiviert,

kaum Beziehungen zu anderen

Kindern od Erwachsenen

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 61

8 Das schulische Standortgespräch SSG

Das schulische Standortgespräch ist ein strukturiertes Gespräch zwischen Kind,

Eltern, Lehrer/in und Sonderpädagogin/-pädagoge. In diesem Gespräch soll durch

gemeinsame Bewertung ein Überblick über die Aktivitäten und die Partizipation des

Kindes in der Schule gewonnen werden. Aus diesem Überblick werden Ziele

abgeleitet und mittels einer schriftlichen Vereinbarung fixiert. Diese schriftliche

Vereinbarung ist wie ein Vertrag zwischen den Beteiligten, in welchem Maßnahmen

und Verantwortungen fixiert werden.

Materialien und Erklärungen finden sich auf der Homepage des Volksschulamtes

Zürich: (www.volksschulamt.zh.ch)

8.1 Aufbau

Das SSG besteht im Wesentlichen aus drei Teilen:

1. Einschätzung der Aktivitäten/Teilhabe

2. Formulierung der Ziele

3. Vereinbarung über die Maßnahmen und Verantwortlichkeiten

Ad 1) Das SSG beginnt mit der Erhebung von relevanten Daten:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 62

Diese Daten brauchen nicht von jeder/jedem Teilnehmer/in gesondert ausgefüllt

werden. Es reicht, wenn die fallführende Person, also in der Regel die/der

Sonderpädagogin/-pädagoge, dies in Absprache mit der Klassenlehrperson macht.

Danach werden die Aktivitäten erfasst. Dieses Blatt wird von allen Beteiligten

möglichst selbständig ausgefüllt. Dabei sollen nicht die Schulnoten abgebildet

werden, sondern eine möglichst persönliche Einschätzung der Aktivitäten aus Sicht

der jeweiligen Person dargestellt werden:

Von oben nach unten nimmt das Problem zu. Das heißt, dass ein Kreuz in der

obersten Reihe eine individuelle Stärke des Kindes bedeutet. Je tiefer die Reihe,

desto ausgeprägter ist das Problem. Rechts neben der Erklärung gibt es Platz, an

dem jede/r der Bewerter/innen Anmerkungen anbringen kann. Dies ist aber nicht

unbedingt notwendig.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 63

Ad 2) Als nächster Schritt werden Ziele formuliert:

Diese Aufgabe übernimmt die/der Sonderpädagogin/-pädagoge. Es werden zwei

Schwerpunktthemen formuliert.

Ad 3) Die letzte Seite enthält eine Kurzzusammenfassung, die Vereinbarung

bezüglich der Maßnahmen und Verantwortlichkeiten (Wer macht was?), den

Zeitpunkt des nächsten Treffens und eine Unterschriftenliste.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 64

8.1 Durchführung 1. Die Einschätzungsblätter werden an die Anwesenden verteilt. Die/der

Sonderpädagogin/-pädagoge erklärt den Ablauf. Jede/r Beteiligte soll in den

genannten Bereichen eine subjektive Einschätzung abgeben (von einer

individuellen Stärke bis Problem voll ausgeprägt). Dafür werden ca. 10 Minuten

veranschlagt. Diese Einschätzungen sollen nicht die Schulnoten abbilden, sondern

ein subjektives Bild der Beteiligten darstellen. Am rechten Rand gibt es auch die

Möglichkeit Anmerkungen einzutragen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 65

Sehr oft sind die Eltern oder Kinder nicht in der Lage, das Blatt selbständig

auszufüllen. Da empfiehlt es sich, dass sich die/der Sonderpädagogin/-pädagoge

schon eine Viertelstunde vorher mit den Eltern trifft und mit ihnen gemeinsam das

Blatt ausfüllt. Gemäß den Grundsätzen der ICF sind die Kinder als vollwertige

Mitglieder im Gespräch mit dabei und füllen das Blatt selbständig aus.

2. Im zweiten Schritt werden die Einschätzungsblätter nebeneinandergelegt. Es ist

dabei unerheblich, wer welche Einschätzung getroffen hat, da alle Bewertungen

grundsätzlich gleichwertig sind. Besprochen werden zuerst übereinstimmende

Einschätzungen, danach werden die divergierenden Einschätzungen besprochen.

Welche Gründe kann es für die abweichende Beurteilung geben?

X

X

X X

X

X

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 66

3. Aus den Einschätzungen werden zwei ausgewählt, in welchen das Problem stark

oder voll ausgeprägt ist. Diese zwei werden durch eine gemeinsame Absprache

festgelegt.

4. Die beiden gewählten Bereiche werden möglichst genau beschrieben. Wie zeigt

sich das Problem (Ist-Stand).

5. Aus dem Ist-Stand wird ein Ziel formuliert. Das Ziel sollte möglichst genau

beschrieben (operationalisiert) werden. Es wird auch festgelegt, in welcher Zeit

das Ziel realistischerweise erreicht werden kann und welche Maßnahmen dafür

notwendig sind.

6. Im letzten Schritt wird vereinbart, wer für welche Maßnahme verantwortlich ist. Die

Verantwortlichkeiten werden schriftlich fixiert und in Form eines Vertrages von

allen unterschrieben. Es wird festgelegt, wann sich die Beteiligten erneut treffen,

um die Fortschritte zu besprechen und die vereinbarten Maßnahmen bei Bedarf zu

verändern.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 67

9 Das standardisierte Abklärungsverfahren SAV Das standardisierte Abklärungsverfahren dient dazu, alle für die Feststellung des

sonderpädagogischen Förderbedarfs notwendigen Daten zu erheben. Darüber

hinaus werden jene Daten erhoben, welche für die gezielte schulische Förderung

notwendig sind. Im Sinne der ICF werden Ressourcen und Barrieren in den

Umweltfaktoren benannt. Insgesamt wird das Kind mit seinen Stärken und

Schwächen in seiner Umwelt beschrieben, um daraus Maßnahmen ableiten zu

können. Da es sich dabei um eine große Menge an Daten handelt, ist es wichtig,

strukturiert vorzugehen und den Überblick zu behalten.

9.1 Aufbau/Elemente Die Daten werden in zwei Gruppen eingeteilt:

1. Basisabklärung

2. Bedarfsabklärung

In der Basisabklärung wird der IST-Stand erhoben. Aus diesem IST-Stand wird in der

Bedarfsabklärung eine Zielvorstellung formuliert. In dieser Zielformulierung werden

die Maßnahmen festgelegt, durch die das Ziel erreicht werden soll.

Basisabklärung = IST-Stand Bedarfsabklärung = Ziel und notwendige Maßnahmen

9.2 Basisabklärung Die fallführende Person erhebt zunächst die Daten des Kindes:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 68

Sehr wichtig ist es, die Fragestellung – möglichst im Wortlaut – zu erfassen. Die

Fragestellung ist vor allem für das Gutachten von zentraler Bedeutung.

Die Umwelt beeinflusst die Auswirkung der Funktionsstörung auf die Teilhabe.

Deshalb muss auch die Umwelt des Kindes erfasst und beschrieben werden.

Zunächst wird die schulische Situation beschrieben.

Im Sinne der ICF können sich schulische Rahmenbedingungen als Ressourcen oder

als Barrieren für ein Kind auswirken. Es reicht also nicht aus, die

Rahmenbedingungen zu benennen, sondern sie sollten in der Wechselwirkung mit

dem Kind als förderlich oder hemmend (Ressourcen oder Barrieren) beschrieben

werden. Allerdings ist es dabei notwendig, sich vor allem auf überprüfbare und

nachvollziehbare Tatsachen zu beziehen. In der Schule können dies sein:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 69

Klassenschüler/innen-Zahl, Abteilungsunterricht, zusätzliche Lehrer/innen in der

Klasse, etc. Im familiären Umfeld ist dies erheblich schwieriger und muss mit den

Eltern besprochen werden. Derartige Aussagen dürfen aber nicht auf Spekulationen

basieren.

Im SAV bildet das häusliche Umfeld den zweiten wichtigen Bereich der

Kontextfaktoren. Auch hier werden Rahmenbedingungen zunächst benannt und in

einem zweiten Schritt die Wechselwirkungen mit der Funktionsstörung des Kindes

beschrieben.

In der Österreichversion des SAV wurde versucht die Bewertungen des familiären

Umfeldes zurückhaltend zu formulieren. Auch die/der Gutachter/in sollte hier sehr

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 70

vorsichtig vorgehen. Es empfiehlt sich, in diesem Bereich bei Beschreibungen zu

bleiben und nicht zu bewerten.

Die anamnetischen Daten werden im Anschluss zu den familiären Daten erhoben.

Ein zentrales Element in der Basisabklärung ist die Erfassung der Funktionsfähigkeit

und der Aktivitäten eines Kindes. Diese Elemente sind direkt von der ICF

übernommen. Da der SAV im Zusammenhang mit schulischen Fragestellungen

durchgeführt wird, wurden aus der ICF nur jene Items ausgewählt, welche mit Schule

in Beziehung stehen. In vielen Fällen ist diese Aufzählung aber nicht ausreichend.

Deshalb wird dringend empfohlen, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die

Liste zu ergänzen und fehlende Items mittels der ICF händisch nachzutragen. Im

SAV fehlen Angaben aus den Körperstrukturen vollständig. Dazu wird auf

vorhandene ICD Diagnosen (Hauptdiagnose) verwiesen. Für unsere Beschreibung,

vor allem schwerst- und mehrfachbehinderter Kinder, ist es aber unbedingt

notwendig, auch die Körperstrukturen zu erfassen und zu beschreiben.

Abgebildet werden die Körperfunktionen und Aktivitäten, wie in der Grafik ersichtlich:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 71

Durch diese Form der Abbildung werden die Funktionen übersichtlich dargestellt. Es

ist für unsere Arbeit wichtig, dass exakt definiert wird und es einheitliche Vorgaben

gibt, wie stark ein Problem einzustufen ist. Deshalb findet sich im Anhang eine

detaillierte Beschreibung aller dieser Items und Anregungen zur Einstufung.

In den Anmerkungen neben der Einschätzung ist zu vermerken, warum diese

Einschätzung getroffen wurde und welche Eigenschaften des Kindes zu dieser

Bewertung des Problems geführt.

Wie im Kapitel über die ICF bereits gezeigt wurde, dient die ICF der Beschreibung

einer konkreten Funktionsstörung, während die ICD die Diagnose (das

Gesundheitsproblem) liefert. Deshalb werden als letzter Punkt der Basisabklärung

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 72

bereits vorliegende ICD Diagnosen angeführt.

Es genügt nicht, nur die Diagnosen anzuführen, sondern es ist auch anzumerken,

wer diese Diagnose wann erstellt hat.

(z. B. F83 Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung, Dr. Muster, 18.01.2017).

Dies ist für die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens wichtig.

9.3 Bedarfsabklärung Nach der Erhebung des IST-Standes werden im Rahmen der Bedarfsabklärung die

Ziele für das Kind und die dafür notwendigen Maßnahmen festgelegt.

Dabei werden zunächst die Bereiche ausgewählt, in welchen das Kind

schwerpunktmäßig gefördert werden soll. Vorgegebene mögliche Bereiche sind:

1. Lernen und Wissensanwendung

2. Allgemeine Aufgaben und Anforderungen

3. Kommunikation

4. Mobilität

5. Selbstversorgung

6. Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 73

Jeder dieser Bereiche kann entweder altersgemäß entwickelt oder individualisiert

sein. Altersgemäße Entwicklung bedeutet, dass keine besondere Förderung

notwendig ist und das Kind mit anderen Kindern seiner Altersgruppe vergleichbar ist.

Individualisiert bedeutet, dass das Kind, ganz allgemein gesprochen, eine

individuelle Förderung braucht.

Altersgemäße oder individualisierte Entwicklung können zum Zeitpunkt der Erhebung

(IST-Stand) oder in der Zukunft liegen.

Dabei sind verschiedene Kombinationen denkbar:

Aktuelle Situation: altersgemäß → anvisierte Situation: altersgemäß

(hier ist das Ziel der Förderung einen Leistungsstand zu halten).

Aktuelle Situation: individualisiert → anvisierte Situation: altersgemäß

(das Kind soll seine derzeitigen Defizite durch die Förderung ausgleichen und

aufholen)

Aktuelle Situation: individualisiert → anvisierte Situation: individualisiert

(trotz intensiver Förderung wird es kaum möglich sein, die bestehenden Defizite

auszugleichen)

Um das Ziel erreichen zu können, sind bestimmte Maßnahmen notwendig. Diese

werden im Folgenden beschrieben:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 74

Eine wichtige Maßnahme könnte in einer Lehrplanänderung liegen. Wichtig dabei ist

es, diese mit den Eltern und Lehrpersonen zu besprechen (vgl. Grundsatz des

Parteiengehörs, Elternrechte im AVG).

Behinderung entsteht nach dem bio-psycho-sozialen Modell der ICF in der

Wechselwirkung einer Person mit Barrieren der Umwelt. Ein wichtiges Ziel ist es,

diese Barrieren zu benennen und nach Möglichkeit zu beseitigen. Deshalb werden

im Folgenden die im Verfahren zu Tage getretenen Barrieren benannt.

Aus der Abklärung ergeben sich auch Maßnahmen, welche das Kind braucht, um

sich gut entwickeln zu können. Diese Maßnahmen werden beschrieben und fixiert.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 75

Dabei wird unterschieden, welche Maßnahmen direkt aus dem SAV ableitbar sind

und welche sich durch andere Informationen ergeben.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 76

Als letzter Schritt werden alle empfohlenen Maßnahmen zusammengefasst.

Wie gezeigt wurde, wird im Rahmen des SAV eine sehr große Menge an Daten

erhoben. Um den benötigten Zeitaufwand in Grenzen zu halten, sollte dabei sehr

gezielt vorgegangen werden.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 77

10 Das sonderpädagogische Gutachten Das sonderpädagogische Gutachten dient im Verfahren zur Feststellung des

sonderpädagogischen Förderbedarfs der entscheidenden Behörde als zentrales

Beweismittel. Deshalb ist es wichtig, dass in diesem Gutachten alle

entscheidungsrelevanten Fragen beantwortet werden.

Das Gutachten ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus den schulischen

Standortgesprächen (SSG) und dem SAV. Dabei wird folgender grundlegende

Aufbau empfohlen.

10.1 Schematischer Aufbau An den Landesschulrat für [Bundesland]

[Außenstelle]

[Straße]

[PLZ Ort] [Datum]

Sonderpädagogisches Gutachten: [Name (Geb.Dat.)]

Gutachtenauftrag Fragestellungen

Bereits vorliegende Gutachten

Angaben zum Kind Schullaufbahn

Bereits ausgeschöpfte Maßnahmen

Sonderpädagogische Überprüfung Unterrichtsbeobachtung (Beobachtungen)

Durchgeführte Tests (Ergebnis)

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 78

Darstellung der Ergebnisse Bewertung und ICF-basierte Darstellung

Beantwortung der Fragen Zusammenfassung und Empfehlungen

Mit freundlichen Grüßen

10.2 Gutachten Beispiel Ausformuliert könnte das Gutachten in etwa wie folgt lauten.

KOPF des SPZ/ZIS/PBZ

An den Landesschulrat für [Bundesland]

[Außenstelle]

[Straße]

[PLZ Ort] [Datum]

Sonderpädagogisches Gutachten: [Name (Geb.Dat.)]

Gutachtenauftrag

Der Landesschulrat [Bundesland, Außenstelle] hat das [PBZ/SPZ/ZIS] am [Datum

des Auftrages] im Rahmen des Feststellungsverfahrens zum „sonderpädagogischen

Förderbedarf“ (gem. § 8 SchPflG) beauftragt, ein sonderpädagogisches Gutachten

über das Kind [Name (Geb.Dat.)] zu erstellen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 79

Fragestellungen

Im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen

Förderbedarfs wurden vom Landesschulrat dem [PBZ/SPZ/ZIS] folgende Fragen zur

Beantwortung vorgegeben:

a) Kann die/der Schüler/in dem Unterricht folgen? b) Sollte die/der Schüler/in dem Unterricht nicht folgen können, worin liegt die

Ursache? c) Welche Fördermaßnahmen wurden bereits ausgeschöpft? d) Wie kann die/der Schüler/in ihren/seinen Fähigkeiten entsprechend am besten

gefördert werden? e) Welche Schule entspricht den Bedürfnissen der Schülerin/des Schülers am

ehesten? f) Welche weiteren Maßnahmen sind notwendig?

Bereits vorliegende Gutachten

Folgende Gutachten liegen bereits vor:

Angaben zum Kind: Name: [Name] Geboren am: [Geb.Dat.]

Schule: [Schule] Klasse: [Klasse]

Schullaufbahn:

[Jahr] [Schule] [Klasse] [Stufe] [JdSpfl] [Lehrer/in]

Sonderpädagogische Überprüfung Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden [mehrere] teilnehmende Unterrichts-

beobachtungen (Dat., Stunde) und eine gezielte pädagogische Testung am [Dat.]

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 80

durchgeführt. Zusätzlich wurden Gespräche mit dem Kind, den Lehrpersonen und

den Eltern geführt.

Unterrichtsbeobachtung (ICF Teilhabe) Die Unterrichtsbeobachtung(en) wurde(n) mittels eines vom PBZ Villach

ausgearbeiteten Protokollbogens durchgeführt. Dabei werden im 5-Minuten-Intervall

verschiedene Komponenten erfasst:

- Beteiligung am Unterricht - Benötigte Hilfestellungen - Störendes Verhalten - …

Die Komponenten sind operationalisiert und werden jeweils in vier Stufen bewertet.

Dadurch kann für jede beobachtete Stunde ein übersichtliches Verlaufsprofil erstellt

werden.

Ergebnis der Unterrichtsbeobachtung

Am [Dat.] wurde die [x.] Stunde beobachtet. Dabei handelte es sich um das

Unterrichtsfach [Fach]. Anwesend waren [Zahl] Schülerinnen und [Zahl] Schüler,

welche von [Lehrperson] unterrichtet wurden.

Aufbau der Stunde: [Zeit von bis] [Inhalt] [Sozialform]

Besondere Beobachtungen:

Protokoll:

Pädagogische Diagnose (ICF Aktivitäten) Die pädagogische Diagnose wurde am [Datum] durchgeführt. Erhoben wurden dabei

mittels standardisierter Schulleistungstests die Lese-, Schreib- und Rechenleistungen

des Kindes. Das Ergebnis wird in Prozenträngen (PR) angegeben, wobei

PR 0 – 2 = eine massive Beeinträchtigung darstellt.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 81

Lesen (d166 Lesen): Die Leseleistungen wurden mittels des Salzburger Lesetests SLT II (überprüft:

Wortlesen, lautes Lesen, Lesegeschwindigkeit, Fehleranzahl) und des Elfe Lesetests

ELFE 1-6 (überprüft: leises Lesen, Leseverständnis, Textverständnis) durchgeführt.

SLT II: Wortlesen: PR:

Pseudowortlesen: PR:

ELFE 1-6: Wortverständnis: PR:

Satzverständnis: PR:

Textverständnis: PR:

Gesamtleseleistung: PR:

Schreiben (d170 Schreiben): Die Rechtschreibleistungen des Kindes wurden mittels des Salzburger

Rechtschreibtests SRT II (überprüft: Wortdiktat) und des HSP [Zahl]+ (überprüft:

Wortdiktat und Satzdiktat) festgestellt. Zusätzlich wurde der/dem Schüler/in ein

kurzer Text diktiert, welcher von der/dem Schüler/in fortgesetzt werden sollte

(überprüft: Satzdiktat und selbständiges freies Schreiben):

SRT II: gesamt Fehler: PR:

O-Fehler: Zahl /kritischer Wert:

NO-Fehler Zahl /kritischer Wert:

Groß-Kleinschreibung Fehler: Zahl /kritischer Wert:

HSP _+

Freies Schreiben:

Diktiert wurde:

„Die Sonne scheint. Peter spielt im Hof mit dem Ball. Plötzlich fällt der Ball auf die

Straße. Da kommt ein Auto.“ Die/der Schüler/in sollte den Text in wenigen Sätzen

fortsetzen.

Von der/dem Schüler/in wurde geschrieben: …

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 82

Mathematik (d172 Rechnen): Die mathematischen Kompetenzen wurden mittels Eggenberger Rechentest ERT

[_]+ geprüft. Dieser Test erfasst die mathematischen Kompetenzen in vier

Komponenten:

- Grundkompetenzen PR: - Algebra PR: - Mengen- und Größenbeziehungen PR: - Angewandte Mathematik PR:

Summe der mathematischen Leistungen: PR:

Weitere Beobachtungen in den Bereichen Motorik, Sensorik, Sprache, Selbstversorgung:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 83 Aktivitäten und Partizipation

* Vorwiegend den Schulbereich betreffend (Alle übrigen Kriterien gelten sowohl für den Frühbereich als auch für den Schulbereich).

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Bemerkungen/Erläuterungen/Hinweise auf besondere Stärken

Lernen und Wissensanwendung (d1)

Zuschauen (d110)

Zuhören (d115)

Andere bewusste sinnliche Wahrnehmungen (d120)

Lernen durch Handlungen mit Gegenständen (d131)

Sprache erwerben (d133)

Sich Fertigkeiten aneignen (d155)

Lesen * (d166)

Schreiben * (d170)

Rechnen * (d172)

Probleme lösen * (d175)

Allgemeine Aufgaben und Anforderungen (d2)

Die tägliche Routine durchführen (d230)

Sein Verhalten steuern (d250)

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 84 Kommunikation (d3)

Kommunizieren als Empfänger gesprochener Mitteilungen (d310)

Sprechen (d330)

Nonverbale Mitteilungen produzieren (d335)

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 85 Aktivitäten und Partizipation (Folge)

* Vorwiegend den Schulbereich betreffend (Alle übrigen Kriterien gelten sowohl für den Frühbereich als auch für den Schulbereich).

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Bemerkungen/Erläuterungen/Hinweise auf besondere Stärken

Mobilität (d4)

Eine elementare Körperposition wechseln (d410)

Feinmotorischer Handgebrauch (d440)

Selbstversorgung (d5)

Toilette benutzen (d530)

Sich kleiden (d540)

Essen (d550)

Auf eigene Sicherheit achten (d571)

Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen

Komplexe interpersonelle Interaktionen (d720)

Formelle Beziehungen * (d740)

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 86

Bereits ausgeschöpfte Maßnahmen: Differenzierung und Individualisierung: Ein differenziertes Lernangebot wurde in [Bereichen] gemacht. Die

Differenzierungsmaßnahmen bestehen dabei vor allem in einer besonders anschaulichen

Darbietung des Unterrichtsstoffes, in vermehrter Hilfestellung und Unterstützung und in

einer teilweisen Reduktion des Stoffumfangs.

(konkrete Beispiele)

Besondere Förderung: [Name] nimmt regelmäßig am Förderunterricht teil. Dabei wurden die wesentlichen Inhalte

wiederholt und gefestigt. Nicht Verstandenes wurde anschaulich erklärt und es wurden

Hilfestellungen angeboten.

(konkrete Beispiele)

Beratung über mögliche Fördermaßnahmen: Die Eltern wurden von Seiten der Schule am [Datum] und am [Datum] wiederholt über

mögliche außerschulische Fördermöglichkeiten aufgeklärt und beraten.

(konkrete Beispiele)

Außerschulische Förderung: Die Eltern haben für [Name] eine Nachhilfe organisiert. Diese fördert das Kind regelmäßig.

Die Inhalte der Nachhilfe werden mit den Lehrpersonen der Schule abgesprochen und

koordiniert.

(Beschreibung)

Klassenwiederholung: [Name] hat die [Klasse] Klasse ( . Schulstufe) wiederholt.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 87

Beantwortung der Fragen: Ad a) Kann das Kind dem Unterricht folgen? Aus der Unterrichtsbeobachtung geht eindeutig hervor, dass [Name] in den beobachteten

Unterrichtsstunden dem Unterricht nicht folgen kann. Sie/er braucht sehr viel

Unterstützung und individuelle Hilfestellungen. Dabei ist das Lernangebot in den

Bereichen [Bereich] schon sehr differenziert.

Diese Beobachtung wird durch die Aussagen des Kindes, der Eltern und der Lehrperson

untermauert: [Aussagen]

b) Sollte das Kind dem Unterricht nicht folgen können, worin liegt die Ursache? Die möglichen Ursachen können in verschiedenen Bereichen liegen:

- Es handelt sich nur um eine vorübergehende, kurzzeitige Schwäche: Dazu ist festzuhalten, dass die Problematik seit Jahren besteht und auch eine

Klassenwiederholung und gezielte Förderung keine Verbesserung gebracht haben.

- Fehlende schulische oder außerschulische Förderung: Wie oben angeführt, nimmt das Kind regelmäßig am schulischen Förderunterricht

teil und erhält regelmäßig auch eine außerschule Lernförderung bzw. Nachhilfe.

- Die Ursache könnte in einer Behinderung liegen:

Aus dem [GA] geht hervor, dass bei [Name] eine Behinderung im Sinne des § 8

SchPflG vorliegt:

Diese Behinderung ist geeignet, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren und

erklärt die schulischen Probleme in nachvollziehbarer Weise.

c) Welche Fördermaßnahmen wurden bereits ausgeschöpft? Diese Fragestellung wurde oben bereits ausführlich beantwortet.

d) Wie kann das Kind seinen Fähigkeiten entsprechend am besten gefördert werden? Aus der beiliegenden Übersicht wird deutlich, dass [Name] große Probleme in den

Aktivitäten [Probleme] hat. Als Fördermöglichkeiten bieten sich dabei an:

[Förderprogramme]

e) Welche Schule entspricht den Bedürfnissen des Kindes am ehesten?

Ich empfehle den Besuch der [Schule], da an dieser Schule [Fördermaßnahmen]

(fördernde Umweltfaktoren im Sinne der ICF) bestehen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 88

f) Welche weiteren Maßnahmen sind notwendig? [Maßnahmen]

Zusammenfassung und Empfehlung

[Name] besucht in diesem Schuljahr die [Klasse] [Schulstufe] der [Schule]. Aufgrund der

von [GA] festgestellten [Diagnose] kann sie/er dem Unterricht ohne sonderpädagogische

Förderung nicht folgen. Andere Ursachen für das Unvermögen dem Unterricht zu folgen

können ausgeschlossen werden. Im Vorfeld des Antrags zur Feststellung des

sonderpädagogischen Förderbedarfs wurden alle möglichen Fördermaßnahmen,

insbesondere Differenzierung und Individualisierung, Beratung und

Schulstufenwiederholung ausgeschöpft.

Deshalb wird von Seiten des [PBZ/SPZ/ZIS] empfohlen, für [Name] den

sonderpädagogischen Förderbedarf festzustellen. Den Bedürfnissen des Kindes kann am

ehesten an der [Schule] entsprochen werden. Da [Name] dem Unterricht in den

Gegenständen [Gegenstände] nicht folgen kann, wird empfohlen, diese nach dem

Lehrplan der Sonderschule zu unterrichten.

Mit freundlichen Grüßen

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 89

11 Anhang

11.1 Beschreibung der ICF-Items nach dem Schweizer Modell (SAV –

Volksschulamt Zürich): d110 zuschauen

Definition: Absichtsvoll den Sehsinn benutzen, um visuelle Reize wahrzunehmen, wie einen

Gegenstand visuell verfolgen, Personen beobachten, einer Sportveranstaltung oder dem

Spiel von Kindern zuschauen.

Beschreibung: Dieser Code beinhaltet, mit dem Sehsinn und der visuellen Wahrnehmung in einer

Situation anwesend zu sein sowie durch Fokussierung und Lenkung des Blicks über eine

gewisse Zeit Informationen aus visuellen Stimuli zu entnehmen. Mit «Zuschauen» ist das

anhaltende Verfolgen visueller Stimuli gemeint, nicht die Fähigkeit, einen kurzen,

konzentrierten Blick auf ein Objekt zu lenken; dies würde unter d160 «Aufmerksamkeit

lenken» kodiert werden. Dieser Code unterscheidet sich von der Körperfunktion «Visuelle

Wahrnehmung» (Subcode von b156 «Funktionen der Wahrnehmung») dadurch, dass er

sich auf ein spezifisches, intentionales Verhalten bezieht, während sich die Funktionen der

Wahrnehmung auf die Integrität von neurologischen Verarbeitungsfunktionen beziehen.

Fallbeispiel: Ein 8-jähriges Kind mit korrigierter Sehschwäche kann im Frontalunterricht den schriftlichen Ausführungen

der Lehrperson nur dann folgen, wenn es in der ersten Tischreihe sitzt.

Ein 15-jähriger Knabe ist nach einer Hirnverletzung im schulischen Kontext sehr erregt und unkonzentriert.

Er kann seinen Blick nicht auf die Wandtafel lenken. Vor seinem Unfall hat er sich sehr für Fußball

interessiert, doch jetzt kann er kein Fußballspiel während mehr als einer halben Minute verfolgen.

Ein 10-jähriges Kind mit einer schweren mehrfachen Behinderung verfolgt mit den Augen nur Gegenstände,

die auffällig sind und in einer kurzen Distanz vor ihm hin- und her bewegt werden.

Ein 4-jähriges Mädchen kann die Bewegungen von spielenden Kindern nur bei hellem Licht als Schatten

verfolgen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 90

d115 zuhören

Definition:

Absichtsvoll den Hörsinn benutzen, um akustische Reize wahrzunehmen, wie solche aus

dem Radio, eine menschliche Stimme oder Musik, beim Hören eines Vortrags oder einer

vorgetragenen Geschichte.

Beschreibung: Dieser Code beinhaltet Aspekte des Codes «Aufmerksamkeit fokussieren» (d160),

insoweit die Entnahme von Informationen aus Gehörtem einer gewissen Aufmerksamkeit

bedarf. Er reflektiert die Fähigkeit, vorzugsweise bestimmte auditive Stimuli zu beachten

und sich so über eine gewisse Zeit hinweg Informationen zu beschaffen. Mit «Zuhören» ist

das anhaltende Verfolgen auditiver Stimuli gemeint, nicht die Fähigkeit, sich kurz an

Geräuschen zu orientieren; dies würde unter d160 «Aufmerksamkeit lenken» kodiert

werden. Dieser Code unterscheidet sich von den Körperfunktionen «Auditive

Wahrnehmung» (Subcode von b156 «Funktionen der Wahrnehmung») oder von den

«Funktionen des Hörens» (b230) dadurch, dass er sich auf ein spezifisches, intentionales

Verhalten bezieht, während sich Körperfunktionen auf die Integrität von physiologischen

oder neurologischen Funktionen beziehen.

Fallbeispiel: Ein 6-jähriges Mädchen fühlt sich in der Gruppe nur angesprochen, wenn man sich direkt an das Kind

wendet. Es lässt sich durch Störgeräusche leicht ablenken.

Durch die Anwendung eines Sprachgenerators kann ein 9-jähriger Knabe mit Autismusspektrumsstörung

sprachlichen Äußerungen lange genug folgen, um ein kurzes Wort zu buchstabieren.

Auch in einer ruhigen Umgebung kann ein 17-jähriger Jugendlicher mit schweren auditiven

Verarbeitungsstörungen den Ausführungen des Schulpsychologen nicht lange genug folgen, um die Aufgabe

zu verstehen.

Ein 13-jähriges hirnverletztes Kind reagiert nicht, wenn es angesprochen wird oder wenn ihm seine frühere

Lieblingsmusik vorgespielt wird.

d120 andere bewusste sinnliche Wahrnehmungen

Definition:

Absichtsvoll andere elementare Sinne benutzen, um Reize wahrzunehmen, wie die materielle Struktur tasten

und fühlen, mit dem Mund erkunden, Süßes schmecken oder Blumen riechen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 91

Beschreibung:

Fallbeispiel: Ein 3-jähriges Kind mit Down-Syndrom erkundet seine Spielumgebung fast ausschließlich dadurch, dass es

die Gegenstände in den Mund nimmt.

Ein 16-jähriger Jugendlicher mit Asperger-Syndrom vermeidet konsequent die Berührung und Erkundung

von ihm unbekannten Gegenständen.

Ein 1-jähriges Mädchen mit starken spastischen Bewegungsstörungen kann Gegenstände nur mit großer

Mühe erkunden.

Ein 8-jähriger tetraplegischer Junge kann seine Hände nicht zur Erkundung seiner näheren Umgebung

einsetzen.

d131 Lernen durch Handlungen mit Gegenständen

Definition:

Lernen durch einfache Handlungen mit einem einzelnen Gegenstand, mit zwei oder mehr

Gegenständen, durch Funktions- oder Symbolspiele, wie mit Gegenständen klopfen,

Bausteine stoßen und mit Puppen oder Autos spielen.

Beschreibung: Dieser Code beinhaltet verschiedene Aspekte des Lernens (z. B. d135 «Üben», d175

«Probleme lösen») und je nach Spielinhalt und Spielkontext auch motorische und soziale

Kompetenzen. Durch Spielhandlungen lernen ist v. a. in der frühen Kindheit bis zum Alter

von etwa 10 Jahren von großer Bedeutung für die Entwicklung.

Fallbeispiel: Ein 10-jähriger Knabe mit Migrationshintergrund hat anhaltende Schwierigkeiten, sich an gängigen

Regelspielen zu beteiligen.

Ein 3-jähriges Mädchen mit zerebralen Bewegungsstörungen und kognitiven Schwierigkeiten stößt beim

Spielen einen mit Sand gefüllten Lastwagen, den ihm ein anderes Kind gibt, jeweils nur um, statt den Inhalt

in einen Güterwagen zu leeren.

Ein 5-jähriges Kind mit Autismusspekturmsstörung erkennt Spielangebote anderer Kinder nicht, nimmt ihnen

die Spielzeuge weg und schlägt diese wiederholt an die Wand.

Ein 1-jähriges Mädchen mit Rett-Syndrom verwendet seine Hände für keinerlei Funktionsspiele und benützt

sie nicht zum Erkunden der Umwelt.

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d133 Sprache erwerben

Definition:

Die Fähigkeit entwickeln, Personen, Gegenstände, Ereignisse und Gefühle durch Wörter,

Symbole, Redewendungen oder Sätze zu repräsentieren.

Exkl. «Zusätzliche Sprache erwerben» (d134); «Kommunikation» (d310–d399).

Beschreibung: Mit Spracherwerb ist das ungesteuerte Lernen der Erstsprache gemeint. In der Regel

haben Kinder bis zum Alter von 12 Jahren auch komplexere syntaktische Strukturen

erworben. Obwohl der Spracherwerb nie abgeschlossen ist, ist seine Einschätzung vor

allem im Vorschulalter von großer Bedeutung.

Fallbeispiel: Ein 5-jähriges Kind hat Schwierigkeiten sich auszudrücken, weil es über einen geringen Wortschatz verfügt,

und versteht oft die Anweisungen der Kindergärtnerin nicht.

Ein 8-jähriges Mädchen mit Down-Syndrom spricht in Zwei-Wort-Sätzen und versteht Anweisungen, wenn

sie mit Gesten begleitet werden.

Ein 2-jähriger gehörloser Knabe (kurz vor einer Cochlea-Implantation) verwendet nur familieninterne

Bezeichnungen, zum Beispiel für Mama, Papa oder Essen.

Ein 12-jähriger Knabe mit einer Mehrfachbehinderung macht durch Lallen und Schreien auf sich

aufmerksam und reagiert nicht auf sprachliche Äußerungen anderer.

d155 sich Fertigkeiten aneignen

Definition:

Elementare und komplexe Fähigkeiten für integrierte Mengen von Handlungen und

Aufgaben entwickeln, um die Aneignung einer Fertigkeit anzugehen und zu Ende zu

bringen, wie Werkzeuge oder Spielzeuge handhaben oder Spiele spielen.

Beschreibung: Dieser Code bezieht sich auf eine verbesserte Performanz über eine gewisse Zeit und

kann deshalb nur unter Berücksichtigung von mindestens zwei Zeitpunkten eingeschätzt

werden. Er umfasst primär Fähigkeiten, die nicht mit Schreiben, Lesen oder Rechnen

lernen in Zusammenhang stehen.

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Wenn eine bestimmte Fähigkeit in engem Zusammenhang mit einem spezifischen

Lebensbereich steht (z. B. sich ankleiden lernen), können allfällige Schwierigkeiten sowohl

hier als auch dort kodiert werden.

Fallbeispiel: Eine 18-jährige Jugendliche mit einem Schädel-Hirn-Trauma hat große Schwierigkeiten beim Wiedererwerb

alltäglicher Fähigkeiten wie selbstständig essen, einen Weg finden oder einen Koffer packen.

Ein 12-jähriger Knabe mit Down-Syndrom zeigt große Schwierigkeiten beim Lernen von Stricken und Nähen

im textilen Werkunterricht.

d166 Lesen

Definition:

Aktivitäten im Zusammenhang mit der Erfassung und Interpretation von Texten

durchführen (z. B. aus Büchern, Anweisungen oder Zeitungen – auch in Braille), um

allgemeines Wissen oder besondere Informationen zu erlangen.

Beschreibung: Mit d166 «Lesen» sind die gegenwärtigen Fähigkeiten im Kompetenzbereich «Lesen»

(Leseverständnis, Dekodierungsfähigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit) gemeint. Die

Lesefähigkeiten sollten mit einem standardisierten Verfahren erfasst werden. Hier geht es

primär um Fähigkeiten, die im Zusammenhang mit Lernprozessen stehen.

d170 Schreiben

Definition:

Symbole und Sprache verwenden oder produzieren, um Informationen zu vermitteln, wie

schriftliche Aufzeichnungen von Ereignissen oder Ideen produzieren oder einen Brief

entwerfen.

Beschreibung: Zum Kompetenzbereich d170 «Schreiben» gehören die Fähigkeiten Sprachverständnis,

Enkodierungsfähigkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Die Schreibfähigkeiten sollten

mit einem standardisierten Verfahren erfasst werden. Hier werden primär Fähigkeiten

erfasst, die im Zusammenhang mit Lernprozessen stehen. Spezifische Probleme können

zum Beispiel im Zusammenhang mit motorischen Koordinationsproblemen,

Wahrnehmungsproblemen und Rechtschreibschwächen stehen.

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d172 Rechnen

Definition:

Berechnungen unter Anwendung mathematischer Prinzipien durchführen, um in Worten

beschriebene Probleme zu lösen und die Ergebnisse zu produzieren oder darzustellen,

wie die Summe aus drei Zahlen berechnen oder das Ergebnis der Division einer Zahl

durch eine andere finden.

Beschreibung: Zum Kompetenzbereich d172 «Rechnen» gehören die Fähigkeiten Zählen, Messen, Raum

und Form, Funktionen und Wahrscheinlichkeit. Die Rechenfähigkeiten oder

mathematischen Kompetenzen sollten mit einem standardisierten Verfahren erfasst

werden.

d175 Probleme lösen

Definition:

Lösungen für eine Frage oder eine Situation finden, indem das Problem identifiziert und

analysiert wird, Lösungsmöglichkeiten entwickelt und die möglichen Auswirkungen der

Lösungen abgeschätzt werden und die gewählte Lösung umgesetzt wird, wie die

Auseinandersetzung zweier Personen schlichten.

Beschreibung: Der Code d175 «Probleme lösen» bezieht sich auf die Integration und gezielte Nutzung

der eigenen geistigen Fähigkeiten, um ein gestelltes Problem zu lösen.

Fallbeispiel: 1 Ein 17-jähriger Knabe mit einer geistigen Behinderung (IQ 40) hat Probleme, mögliche Lösungen für eine

einfache Labyrinth-Aufgabe zu finden.

d230 die tägliche Routine durchführen

Definition:

Einfache und komplexe sowie koordinierte Handlungen ausführen, um die Anforderungen

der alltäglichen Abläufe oder Pflichten zu planen, zu handhaben und zu bewältigen, wie

Zeit einplanen und den Tagesplan für die verschiedenen Aktivitäten aufstellen.

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Inkl. die tägliche Routine handhaben und zu Ende bringen; das eigene Aktivitätsniveau

handhaben. Exkl. «Mehrfachaufgaben übernehmen» (d220).

Beschreibung: 1

Fallbeispiel: 1 Ein 2-jähriger Knabe hat große Mühe, sich an den Tagesablauf (aufstehen, Wachphase, essen,

Mittagsschlaf, etc.) zu gewöhnen.

Ein 12-jähriges Mädchen mit Down-Syndrom hat Probleme, alle Unterlagen für die Erledigung der

Hausaufgaben beisammen zu haben und vergisst, in der Schule die Blumen zu gießen, wenn ihm diese

Aufgabe übertragen wurde.

d250 sein Verhalten steuern

Definition: 1 Einfache oder komplexe und koordinierte Handlungen auf einheitliche Art ausführen als Reaktion auf neue Situationen,

Personen oder Erfahrungen, z. B. sich in einer Bibliothek ruhig verhalten.

Beschreibung:

Fallbeispiel: Ein 4-jähriges Mädchen mit Entwicklungsverzögerung zeigt gegenüber unbekannten

Personen und bei neuen Aufgaben anhaltend motorische Unruhe und Abwehr, es weicht

aus und bricht die Kooperation ab.

Ein 5-jähriger Knabe mit Autismusspektrumsstörung reagiert auf ungewohnte Situationen

mit einem Schreianfall und Selbstverletzungen.

Ein 15-jähriges Mädchen mit Down-Syndrom geht auf der Straße auf fremde Menschen zu

und versucht sich an ihren Arm zu hängen.

d310 Kommunizieren als Empfänger gesprochener Mitteilungen

Definition:

Die wörtliche und übertragene Bedeutung von gesprochenen Mitteilungen erfassen, wie

verstehen, ob eine Aussage eine Tatsache behauptet oder ob sie eine idiomatische

Wendung ist.

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Beschreibung: Dieser Code wird verwendet um zu beschreiben, ob jemand – ob hörend oder gehörlos –

gesprochene Mitteilungen versteht oder nicht. Er erfasst somit das erfolgreiche

Verständnis von gesprochener Sprache und beinhaltet etwa Wortverständnis oder das

Verständnis der Bedeutung der jeweiligen Intonation.

Fallbeispiel: Ein 11-jähriger Bub mit Lernbehinderung erfasst sprachliche Inhalte, die einen übertragenen Sinn andeuten, jeweils nur

nach spezieller Erläuterung und Erklärung.

Ein 10-jähriges Mädchen kann einer einfachen Geschichte nur bruchstückweise folgen, wenn sie erzählt wird. Wird die

Geschichte mit Bildern begleitet, gelingt ihm das weit besser.

Ein 13-jähriger Bub kann lediglich eindimensionale, klar formulierte und direkt an ihn gerichtete Mitteilungen

aufnehmen. Auch einfache Kinderwitze, deren Pointen auf einem Wortspiel beruhen, kann er nicht nachvollziehen.

Eine Jugendliche mit schwerer geistiger Behinderung ist nicht in der Lage, den Inhalt von Wörtern und Sätzen, die an

sie gerichtet werden, aufzunehmen.

d330 Sprechen

Definition:

Wörter, Wendungen oder längere Passagen in mündlichen Mitteilungen mit wörtlicher und

übertragener Bedeutung äußern, wie in gesprochener Sprache eine Tatsache ausdrücken

oder eine Geschichte erzählen.

Beschreibung: Mit diesem Code wird die verbale Produktion von Mitteilungen erfasst; er beschreibt die

erfolgreiche Kommunikation der eigenen Ideen, Gedanken, Bedürfnisse und Wünsche.

Hier soll weniger die grammatikalisch korrekte Produktion von Sätzen und Wörtern erfasst

werden, sondern die erfolgreiche Kommunikation von Ideen.

Fallbeispiel: Ein 8-jähriger Bub kann seinen Redefluss nur ungenügend kontrollieren. Für das Verständnis wichtige Elemente lässt er

regelmäßig aus, so dass das Gegenüber den Inhalt nur mit Mühe verstehen kann.

Ein 10-jähriges gehörloses Mädchen kann mittels Lautsprache nur einfache Botschaften und Wünsche übermitteln.

Ein 13-jähriger Bub mit einer geistigen Behinderung kann Erlebtes nur in Einzelbegriffen bzw. in grammatikalisch

unvollständigen Sätzen wiedergeben.

Eine 15-jährige Jugendliche mit einer zentralen Sprachstörung kommuniziert mit Lautäußerungen und Gesten.

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d335 nonverbale Mitteilungen produzieren

Definition:

Gesten, Symbole und Zeichnungen zur Vermittlung von Bedeutungen einsetzen, wie

seinen Kopf schütteln, um Uneinigkeit anzuzeigen, oder ein Bild oder Diagramm zeichnen,

um eine Tatsache oder eine komplexe Vorstellung zu vermitteln. Inkl. Körpergesten,

Zeichen, Symbole, Zeichnungen und Fotos produzieren.

Beschreibung: Dieser Code wird für Mitteilungen oder Botschaften verwendet, die anders als über Lesen

und Schreiben vermittelt werden. Er ist besonders bedeutsam in Situationen, in denen

nonverbale Mittel das Sprechen unterstützen oder in Situationen, in welchen nonverbale

Kommunikation das primäre Mittel zur Kommunikation darstellt.

Fallbeispiel: Ein 8-jähriges Kind mit geistiger Behinderung kann durch Zeigen auf Gegenstände oder auf eine Tafel mit

Symbolen eine begrenzte Anzahl an Informationen vermitteln.

Ein 10-jähriger Bub kann einige elementare Aussagen wie «ja» und «nein», «ich habe genug gegessen»,

«ich muss auf das Klo» durch eindeutige Gesten ausdrücken.

Ein 13-jähriges Mädchen kann durch Kopfnicken und Kopfschütteln lediglich «ja » und «nein» eindeutig

ausdrücken.

Ein 7-jähriger Bub ist nach einer Unfall-Hirnverletzung nicht in der Lage, eigene Wünsche oder andere

Informationen durch Körpergesten zu vermitteln.

d410 eine elementare Körperposition wechseln

Definition:

In eine und aus einer Körperposition gelangen und sich von einem Ort zum anderen

bewegen, wie sich von einer Seite auf die andere drehen, sich setzen, aufstehen, von

einem Stuhl aufstehen, sich in ein Bett legen sowie in eine kniende oder hockende oder

aus einer solchen Position gelangen.

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Inkl. seine Körperposition aus einer liegenden, knienden oder hockenden, sitzenden oder

stehenden Position heraus verändern, sich beugen und seinen Körperschwerpunkt

verlagern.

Beschreibung:

Fallbeispiel: Ein 11-jähriger Bub mit starken Lähmungserscheinungen ist nicht in der Lage, sich selbstständig vom

Rollstuhl auf sein Bett oder auf einen Stuhl zu verlagern.

d440 feinmotorischer Handgebrauch

Definition:

Koordinierte Handlungen mit dem Ziel ausführen, Gegenstände mit der Hand, den Fingern

und dem Daumen aufzunehmen, zu handhaben und loszulassen, wie es für das

Aufnehmen von Münzen von einem Tisch, für das Drehen einer Wählscheibe, das Tippen

auf einer Telefontastatur oder das Drehen eines Knaufes erforderlich ist.

Inkl. aufnehmen, ergreifen, handhaben, loslassen.

Beschreibung: Dieser Code umfasst alle Fähigkeiten, mit den Händen und Fingern koordiniert und

zielgerichtet Objekte zu manipulieren. Dabei stehen die bewegungsbezogenen Funktionen

im Vordergrund, nicht explizit psychomotorische Funktionen.

Fallbeispiel: Ein 6-jähriger Knabe mit einem Schädel-Hirn-Trauma kann kein Blatt Papier vom Tisch aufheben und hat

große Probleme, aus Lehm eine Kugel zu formen.

d530 die Toilette benutzen

Definition:

Das Bedürfnis zur Beseitigung menschlicher Ausscheidungen (Urin, Stuhl,

Menstruationssekrete) anzeigen, die Beseitigung planen und durchführen sowie sich

anschließend reinigen.

Inkl. die Belange der Blasen- und Darmentleerung sowie der Menstruation regulieren.

Exkl. «sich waschen» (d510), «seine Körperteile pflegen» (d520).

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Beschreibung:

Fallbeispiel: Ein 4-jähriges Mädchen mit leichter Zerebralparese benötigt in der Nacht noch Windeln, manchmal auch

tagsüber, etwa bei ungewohntem Tagesablauf oder wenn es besonders aufgeregt ist.

Ein 11-jähriger Knabe mit Muskeldystrophie Typ Duchenne muss für den Stuhlgang beim Transferieren vom

Rollstuhl zur Toilette unterstützt werden, kann aber alle weiteren notwendigen Handgriffe selber ausführen.

Meistens erfolgt der Stuhlgang zuhause und nicht in der Schule.

Ein 15-jähriger Knabe mit Autismusspektrumsstörung spürt selten, wann er auf die Toilette gehen muss.

Eine Betreuerin muss deshalb mit ihm regelmäßig die Toilette aufsuchen. Es kommt etwa 1–2 Mal pro

Woche vor, dass er den Gang zur Toilette nicht rechtzeitig schafft.

Ein 7-jähriges Mädchen mit Tetraplegie nach einem Autounfall muss zur Blasenentleerung katheterisiert

werden. Auch der Stuhlgang muss künstlich herbeigeführt werden.

d540 sich kleiden

Definition:

Die koordinierten Handlungen und Aufgaben durchführen, welche das An- und Ausziehen

von Kleidung und Schuhwerk in Abfolge und entsprechend den sozialen und klimatischen

Bedingungen betreffen.

Beschreibung:

Fallbeispiel: Ein 11-jähriger Bub mit Hemiplegie holt seine Kleider selbst aus dem Schrank und kann sich selbstständig

an- und ausziehen, benötigt aber viel Konzentration und Zeit dafür. Für das Binden der Schuhe und das

Einfädeln des Reißverschlusses benötigt er Hilfe.

Ein 13-jähriges Mädchen mit geistiger Behinderung kann sich weitgehend selbstständig anziehen, wenn alle

Kleidungsstücke in richtiger Position bereitgelegt werden. Es benötigt immer wieder Unterstützung, um den

richtigen Ärmel zu finden oder die Socken richtig über die Füße zu ziehen.

Ein 8-jähriger Bub mit starken motorischen Einschränkungen und geistiger Behinderung wird auf einem

speziellen Sitzgerät von einer hinter ihm sitzenden Person an- und ausgezogen. Er kann ansatzweise

mithelfen (z. B. den Ärmel eines Pullovers nach hinten ziehen).

Ein 10-jähriges Mädchen mit schwerer mehrfacher Behinderung muss vollständig an- und ausgekleidet

werden.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 100

d550 essen

Definition:

Das Bedürfnis anzeigen und die koordinierten Handlungen und Aufgaben durchführen, die

das Essen servierter Speisen betreffen, sie zum Mund führen und auf kulturell akzeptierte

Weise verzehren, Nahrungsmittel in Stücke schneiden oder brechen, Flaschen und Dosen

öffnen, Essbesteck benutzen, Mahlzeiten einnehmen, schlemmen oder speisen.

Beschreibung:

Fallbeispiel: Ein 10-jähriges Mädchen mit ausgeprägter Zerebralparese kann selbstständig essen und trinken, wenn die

Speisen vorgeschnitten werden und spezielle Hilfsmittel zur Verfügung stehen (Teller mit hohem Rand,

abgewinkelter Löffel, Schnabeltasse).

Ein 12-jähriger Knabe mit Down-Syndrom verschlingt alles Essbare in seiner Nähe und zeigt am Tisch

Essgewohnheiten, die kulturell nicht leicht akzeptiert werden können.

Ein 15-jähriges Mädchen kann nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma nicht mehr selbstständig essen

und hat Probleme mit dem Kauen, so dass es nur pürierte Nahrung aufnehmen kann.

d571 auf die eigene Sicherheit achten

Definition:

Vermeiden von Risiken, die zu körperlichen Verletzungen oder Leid führen können, sowie

Meiden von riskanten Situationen etwa beim Missbrauch von Feuer oder bei

Gefährdungen im Straßenverkehr.

Beschreibung:

Fallbeispiel: Eine 14-Jährige mit schwerer geistiger Behinderung stößt sich wiederholt spitze Gegenstände wie Scheren

oder Stricknadeln in die Nase und verletzt sich dabei schwer.

Ein 8-jähriger Bub klettert unbeirrt auf Balkongeländer oder Baugerüste und droht wiederholt abzustürzen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 101

d720 komplexe interpersonelle Interaktionen

Definition:

Die Interaktionen mit anderen in einer kontextuell und sozial angemessenen Weise

aufrechterhalten und handhaben, wie Gefühle und Impulse steuern, verbale und physische

Aggressionen kontrollieren, bei sozialen Interaktionen unabhängig handeln und in

Übereinstimmung mit sozialen Regeln und Konventionen handeln.

Inkl. Beziehungen eingehen und beenden; Verhaltensweisen bei Interaktionen regulieren;

sozialen Regeln gemäß interagieren und sozialen Abstand wahren.

Beschreibung: Dieser Code umschreibt die sozialen Fähigkeiten, sich in Beziehungen zu anderen

Menschen der Situation entsprechend adäquat zu verhalten.

d740 formelle Beziehungen

Definition:

Spezielle Beziehungen in formellen Rahmen aufnehmen und aufrechterhalten, wie mit

Lehrern, Arbeitgebern, Fachleuten oder Dienstleistungserbringern.

Inkl. mit Autoritätspersonen, Gleichaltrigen, jüngeren oder älteren Kindern/Jugendlichen.

Beschreibung: Dieser Code wird verwendet, wenn zum Beispiel im schulischen Kontext spezifische

Beziehungsprobleme auftreten.

b114 Funktionen der Orientierung

Definition:

Allgemeine mentale Funktionen, die das Erkennen und Ermitteln der Beziehung zu

Objekten, zu sich selber, zu anderen Personen, zu Zeit, Umgebung und Raum betreffen.

Inkl. Funktionen der Orientierung zu Zeit, Ort und Person sowie der Orientierung zur

eigenen Person und zu anderen Personen; Desorientierung zu Zeit, Ort und Person.

Exkl. «Funktionen des Bewusstseins» (b110), «Funktionen der Aufmerksamkeit» (b140),

«Funktionen des Gedächtnisses» (b144).

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 102

Beschreibung: Die Funktionen der Orientierung beziehen sich spezifisch auf die Bewusstheit in Bezug auf

Personen (selbst und andere), Ort und Zeit. Allgemeine Einschränkungen der Reaktionen

auf alle Stimuli werden eher unter Funktionen des Bewusstseins erfasst.

Fallbeispiel: Nach einem Schädel-Hirn-Trauma findet sich ein 13-jähriges Mädchen auf seinem Schulweg nicht mehr

zurecht.

b130 Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs

Definition:

Allgemeine mentale Funktionen, die physiologische und psychologische Vorgänge

betreffen, welche bei einer Person ein nachhaltiges Streben nach Befriedigung bestimmter

Bedürfnisse und das Verfolgen allgemeiner Ziele verursachen.

Inkl. Funktionen, welche die psychische Energie, die Motivation, den Appetit, die Sucht

(einschließlich Sucht nach Substanzen, die zu einer Abhängigkeit führen) und die

Impulskontrolle betreffen.

Exkl. «Funktionen des Bewusstseins» (b110), «Funktionen des Schlafes» (b134),

«psychomotorische Funktionen» (b147), «emotionale Funktionen» (b152).

Beschreibung: Dieser Code beinhaltet verschiedene Aspekte des Verfolgens eines Ziels, wie etwa das

Ausmaß von psychischer Energie oder Motivation. Konstrukte wie Appetit, Drang,

Verlangen beziehen sich auf bestimmte Substanzen oder Verhalten (z. B. psychoaktive

Substanzen, Essen, Spielen) und werden auch unter diesem Code erfasst, wie auch die

Impulskontrolle – generell oder in Bezug auf bestimmte Verhaltensweisen. Dieser Code

sollte nur verwendet werden, wenn die damit erfassten Charakteristiken oder

Verhaltensweisen systematisch und über längere Zeit auftreten.

Der Code kann im Zusammenhang mit Suchtverhalten verwendet werden, wenn eine

Beeinträchtigung dieser Funktionen Teil der Störung ist. Eine Beeinträchtigung der

psychischen Energie und Motivation kann auch bei Verletzungen des zentralen

Nervensystems und bei psychischen Erkrankungen wie der Depression bedeutsam sein.

Die Beeinträchtigung der Impulskontrolle ist für verschiedene psychische Störungen von

Bedeutung, wie etwa für Hyperaktivität, Verhaltensstörungen oder bipolare Störungen.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 103

Fallbeispiel: Ein 12-jähriger Knabe mit Adipositas fühlt sich immer hungrig und kann sich deshalb nicht an die

Therapievorgaben halten. Ein 14-jähriges Mädchen mit Autismusspektrumsstörung reißt sich zwanghaft ihr

Kopfhaar aus.

b140 Funktionen der Aufmerksamkeit

Definition:

Spezifische mentale Funktionen, die die Fokussierung auf einen externen Reiz oder auf

innere Vorgänge für eine geforderte Zeitspanne betreffen.

Inkl. Funktionen, welche die Daueraufmerksamkeit, den Wechsel der Aufmerksamkeit, die

geteilte Aufmerksamkeit, die mit anderen geteilte Aufmerksamkeit, die Konzentration und

die Ablenkbarkeit betreffen.

Exkl. «Funktionen des Bewusstseins» (b110), «Funktionen der psychischen Energie und

des Antriebs» (b130), «Funktionen des Schlafes» (b134), «Funktionen des

Gedächtnisses» (b144), «psychomotorische Funktionen» (b147), «Funktionen der

Wahrnehmung» (b156).

Beschreibung: Dieser Code bezieht sich auf die Fähigkeit, geistige Energien zu lenken. Funktionen der

Aufmerksamkeit repräsentieren die Integration verschiedener Fähigkeiten wie

Daueraufmerksamkeit, Wechsel oder Lenkung von Aufmerksamkeit, geteilte

Aufmerksamkeit und mit anderen geteilte Aufmerksamkeit.

Diese Körperfunktion hat einen Parallelcode im Bereich Aktivitäten/Partizipation der ICF:

d160 «Aufmerksamkeit fokussieren». Theoretisch ist es möglich, zwischen den mentalen

Funktionen, welche der Aufmerksamkeit zu Grunde liegen (Körperfunktion), und der

bewussten Lenkung der Aufmerksamkeit (Aktivität) zu unterscheiden. Da jedoch mentale

Funktionen meist nicht direkt beobachtbar sind, sondern aus dem Verhalten abgeleitet

werden, ist es nicht immer möglich, diese beiden Codes klinisch zu unterscheiden.

Dieser Code sollte nur im Zusammenhang mit klinischen Verfahren zur Abklärung der

Aufmerksamkeitsfunktionen verwendet werden.

Fallbeispiel: Ein Jugendlicher mit Autismusspektrumsstörung konzentriert sich ausschließlich auf Türklinken und bemerkt

scheinbar das Eintreten anderer Menschen in den Raum nicht.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 104 Ein Kind mit einem hyperkinetischen Syndrom kann sich in der Gegenwart von mehr als einer Person nur

einige Sekunden auf die Lernaufgabe konzentrieren.

b152 emotionale Funktionen

Definition:

Spezifische mentale Funktionen, die im Zusammenhang mit Gefühlen und den affektiven

Komponenten von Bewusstseinsprozessen stehen.

Inkl. Funktionen, welche die (Situations-)Angemessenheit der Emotion und die affektive

Kontrolle betreffen; Affekt, Trauer, Glück, Liebe, Furcht, Ärger, Hass, Anspannung,

Freude, Sorgen; emotionale Labilität; Affektverflachung.

Exkl. «Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs» (b130).

Beschreibung: Dieser Code umschreibt nicht nur den dominanten emotionalen Zustand, sondern auch die

Breite, die Regulation und den Ausdruck von Emotionen.

Spezifische Defizite betreffend Motivation oder Energielevel sollten besser unter d130

«Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs» erfasst werden.

Fallbeispiel: Eine 15-jährige Jugendliche leidet nach einem traumatischen Ereignis an einer Depression, hat ein sehr

negatives Selbstwertgefühl, ist antriebslos, unkonzentriert und hat Angstzustände.

b164 höhere kognitive Funktionen

Definition:

Spezifische mentale Funktionen, die insbesondere von den Frontallappen des Gehirns

abhängen, einschließlich komplexe zielgerichtete Verhaltensweisen wie Entscheidungen

treffen, abstrakt denken sowie einen Plan aufstellen und durchführen, mentale Flexibilität,

sowie entscheiden, welche Verhaltensweisen unter welchen Umständen angemessen sind

(häufig «exekutive Funktionen» genannt).

Inkl. Funktionen, die das Abstraktionsvermögen oder Ordnen von Ideen betreffen,

Zeitmanagement, Einsichts- und Urteilsvermögen; Konzeptbildung, Kategorisierung und

kognitive Flexibilität.

Exkl. «Funktionen des Gedächtnisses» (b144), «kognitiv-sprachliche Funktionen» (b167).

Beschreibung:

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 105

Höhere kognitive Funktionen korrelieren mit b117 «Intellektuelle Funktionen», umfassen

jedoch ein spezifisches Set von kognitiven Funktionen, die sich später entwickeln, wie

etwa Abstraktion, Erkenntnis, Urteilsfähigkeit und geistige Flexibilität. Sollen nur die

höheren kognitiven Funktionen beurteilt werden, ist es ratsam, den entsprechenden Code

zu verwenden.

Fallbeispiel: Ein 12-jähriger Knabe kann nach einer Hirnverletzung zwar ohne Probleme kognitive Routineaufgaben

lösen, hat jedoch Schwierigkeiten mit Aufgaben, die kognitive Flexibilität erfordern.

b210 Funktionen des Sehens

Definition:

Sinnesfunktionen bezüglich der Wahrnehmung von Licht sowie von Form, Größe, Gestalt

und Farbe des visuellen Reizes.

Inkl. die Sehschärfe betreffende Funktionen, das Gesichtsfeld betreffende Funktionen;

Qualität des Sehvermögens, Licht- und Farbwahrnehmung; Sehschärfe bei Weit- und

Nahsicht, einäugiges und beidäugiges Sehen, Bildqualität, Funktionsstörungen wie

Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit, Hornhautverkrümmung, Halbseitenblindheit,

Farbenblindheit, Tunnelsehen, zentrale und periphere Gesichtsfeldausfälle, Doppelbilder,

Nachtblindheit, Hell-Dunkel-Adaptation.

Exkl. «Funktionen der Wahrnehmung» (b156).

Beschreibung: Die Einschätzung der Sehfunktionen wird von einer entsprechend ausgebildeten

Fachperson vorgenommen und an dieser Stelle global bezüglich des Schweregrades

eingeschätzt.

b230 Funktionen des Hörens

Definition:

Sinnesfunktionen bezüglich der Wahrnehmung von Tönen oder Geräuschen und der

Unterscheidung von deren Herkunftsort, Tonhöhe, Lautstärke, Qualität.

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Das ICF-basierte sonderpädagogische Gutachten | Seite 106

Inkl. Funktionen des Hörens, akustische Differenzierung, Ortung der Geräuschquelle,

Richtungshören, Spracherkennung, Funktionsstörungen wie Taubheit, Schwerhörigkeit,

Einschränkung des Hörvermögens, Hörverlust.

Exkl. «Funktionen der Wahrnehmung» (b156).

Beschreibung: Die Einschätzung der Hörfunktionen wird von einer entsprechend ausgebildeten

Fachperson vorgenommen und an dieser Stelle global bezüglich des Schweregrades

eingeschätzt.

b280 Schmerz

Definition:

Empfinden eines unangenehmen Gefühls, das mögliche oder tatsächliche Schäden einer

Körperstruktur anzeigt.

Inkl. allgemeiner oder umschriebener Schmerz in einem oder mehreren Körperteilen,

Schmerz in einem Dermatom, stechender, brennender, dumpfer, quälender Schmerz,

Muskelschmerz, aufgehobene Schmerzempfindung, gesteigerte Schmerzempfindung.

Beschreibung: Schmerz ist nur in beschränktem Maß messbar. Die Einschätzung kann durch die/den

Betroffene/n selber erfolgen (z. B. auf einer Skala von 0 bis 10) und dann entsprechend

des Schweregrades kodiert werden.

b3 Stimm- und Sprechfunktionen

Definition:

Empfinden eines unangenehmen Gefühls, das mögliche oder tatsächliche Schäden einer

Körperstruktur anzeigt. Stimm- und Sprechfunktionen betreffen alle Funktionen, die die

Lauterzeugung und das Sprechen betreffen.

b735 Funktionen des Muskeltonus

Definition:

Funktionen, die im Zusammenhang mit dem Ruhetonus der Muskeln und dem Widerstand

bei passiver Bewegung entstehen.

Inkl. Funktionen, die mit dem Tonus einzelner Muskeln und Muskelgruppen, Muskeln einer

einzelnen Extremität, einer Körperhälfte, der unteren Körperhälfte, aller Extremitäten, des

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Rumpfes und aller Muskeln des Körpers verbunden sind; Funktionsstörungen wie

verminderter Muskeltonus, erhöhter Muskeltonus, Spastik.

b760 Funktionen der Kontrolle von Willkürbewegungen

Definition:

Funktionen, die mit der Kontrolle und Koordination von willkürlichen Bewegungen

verbunden sind.

Inkl. Funktionen der Kontrolle einfacher und komplexer Willkürbewegungen, der

Koordination von Willkürbewegungen, Stützfunktionen der Arme oder Beine, motorische

Rechts-Links-Koordination, Auge-Hand-Koordination, Auge-Fuß-Koordination,

Funktionsstörungen wie Kontroll- und Koordinationsprobleme, z. B. Dysdiadochokinese.

11.2 Beobachtungsbogen zur Unterrichtsbeobachtung Ein zentrales Problem bei der Beschreibung eines Kindes im Unterricht ist die

Verwendung von vagen, wertenden Begriffen wie zum Beispiel:

- kann dem Unterricht überwiegend nicht folgen

- ist sehr unaufmerksam

- stört den Unterricht wiederholt

- etc.

Begriffe, wie „überwiegend“, „sehr“ oder „wiederholt“ sind sehr diffus und unklar und

werden deshalb von juristischer Seite beanstandet.

Daher ist es wichtig, die Beobachtungen weitgehend zu operationalisieren. Eine

Möglichkeit dazu ist es, jeweils im Abstand von 5 Minuten die Beobachtungen

niederzuschreiben. Dadurch erhält man pro Stunde 10 Beobachtungszeitpunkte und

Eintragungen. Im beiliegenden Protokoll wurde diese Methode umgesetzt und auf

verschiedene Dimensionen angewandt:

- Mitarbeit

- benötigte Hilfe

- Störung des Unterrichts

- freie Kategorie

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Beispiel: Mitarbeit:

Zeit

5´ 10´ 15´ 20´ 25´ 30´ 35´ 40´ 45´ 50´ arbeitet gar nicht mit arbeitet überwiegend nicht mit deutlich abgelenkt ist abgelenkt, arbeitet aber mit unauffällig

Die Schülerin arbeitete in den ersten 15 Minuten sehr gut mit. Danach beschäftigte sie

sich damit, ihre Stifte zu spitzen und mit ihrer Sitznachbarin zu reden (obwohl sie einen

Text abschreiben sollte). Nach einer kurzen Intervention von Seiten der Lehrerin (30´)

arbeitete sie noch für ca. 10 Minuten konzentriert mit. Erst in den letzten 10 Minuten

verweigerte sie die Mitarbeit völlig.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass 50 % der Unterrichtszeit eine gute Mitarbeit

stattfand, 10 % der Beobachtungen eine deutliche Ablenkung zeigen und in 40 % der Zeit

das Kind nicht entsprechend mitgearbeitet hat.

Unterrichtsbeobachtung Datum: Stunde: Zeit: Lehrer/in:

Anz Kinder (m/w): Gegenstand:

Sitzordnung:

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Verlauf: Beschreibung der einzelnen Unterrichtssequenzen:

Zeit Sozialform Inhalt

Protokoll: Mitarbeit (Kind beteiligt sich am Unterricht, arbeitet mit):

Zeit

5´ 10´ 15´ 20´ 25´ 30´ 35´ 40´ 45´ 50´ arbeitet gar nicht mit arbeitet überwiegend nicht mit deutlich abgelenkt ist abgelenkt, arbeitet aber mit unauffällig

Hilfestellungen (Kind braucht Hilfestellung durch die Lehrperson):

Zeit

5´ 10´ 15´ 20´ 25´ 30´ 35´ 40´ 45´ 50´ ständige Hilfestellung Lehrer/in beschäftigt sich

überwiegend mit dem Kind

braucht deutliche Hilfestellung kurze Zuwendung notwendig unauffällig

Störende Verhaltensweisen (Kind stört den Unterricht):

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Zeit

5´ 10´ 15´ 20´ 25´ 30´ 35´ 40´ 45´ 50´ ständige Unterrichtsstörung überwiegende Unterrichtsstörung deutliche Unterrichtsstörung leichte Unterrichtsstörungen unauffällig

Sonstige Beobachtungen:

Zeit

5´ 10´ 15´ 20´ 25´ 30´ 35´ 40´ 45´ 50´

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11.2 Kommentierte Literaturliste

Zu jedem der angeführten Bereiche gibt es zahlreiche Literaturangebote. Es ist

unumgänglich, sich mit dieser Literatur zu beschäftigen. Die im Folgenden vorgestellten

Werke stellen nur eine kleine, subjektive Auswahl des Autors dar. Es ist unbedingt

festzuhalten, dass es darüber hinaus noch eine Reihe weiterer sehr guter und

lesenswerter Bücher gibt.

11.2.1 Schulgesetz

Das Recht ist eine sich ständig ändernde Materie. Gesetze, die heute gültig sind, können

schon morgen geändert werden oder gänzlich entfallen. Deshalb ist es wichtig, gerade in

diesem Bereich nur aktuelle Literatur zu verwenden. Zum Zeitpunkt der Verfassung des

Handbuches sind dies vor allem:

Der Kodex beinhaltet die wesentlichen Schulgesetze,

Verordnungen und Erlässe in unkommentierter und aktueller

Form.

Doralt, Werner (Hrsg.) (2017): Kodex Schulgesetz 2016/17.

Wien: Line Verlag Ges.m.b.H.

Ist eine kommentierte Fassung der österreichischen

Schulgesetze. Gilt als Standartwerk und wird auch von Richtern

in Urteilen häufig zitiert. Der Jonak-Kövesi erscheint nicht

jährlich, deshalb ist auf die Aktualität zu achten.

Jonak, Felix/Kövesi Leo (2016): Das österreichische Schulrecht 14. Auflage. Wien: ÖBV Verlag.

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Die kommentierte Fassung der

österreichischen Schulgesetze von Götz & Münster stellt die

Alternative zum Jonak-Kövesi dar.

Durch die lose Blattsammlung ist eine ständige Aktualität der

Inhalte gegeben.

Götz, Andrea/Müster, Gerhard (2017): Die

österreichischen Schulgesetze. Sonderausgabe. Wien: Manz

Verlag.

11.2.2 Schulrecht

Als Ergänzung zu den Gesetzestexten gibt es eine große Zahl von Lehr- und

Einführungsbüchern zum Schulrecht. Gerade für juristische Laien (Lehrer/innen und

Schulleiter/innen) sind diese Bücher empfehlenswert, da sie die wichtigsten Themen in

einzelnen Kapiteln behandeln.

Gibt eine gute Einführung in das österreichische Schulrecht, wobei versucht wird, den

Bogen von den verfassungsrechtlichen Grundlagen bis hin zu unterrichtspraktischen

Fragen (Leistungsbeurteilung von Kindern mit Legasthenie, ...) zu

behandeln. Ein Kapitel ist auch dem sonderpädagogischen

Förderbedarf gewidmet.

Juranek, Markus (2016) Das österreichische Schulrecht. Einführung

in die Praxis. Wien: Verlag Österreich.

Das „Schulrecht 2016/17“ von Armin Andergassen und Karl Heinz

Auer geht zentral auf die aktuellen Überlegungen zur

Schulrechtsreform 2016/17 ein. Darüber hinaus finden sich aber

auch zahlreiche Kapitel, welche sich mit konkreten praktischen

Fragestellungen von Lehrpersonen befassen, wie zum Beispiel die

Leistungsbeurteilung oder die Aufsichtspflicht.

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Andergassen, Armin/Auer, Karl Heinz (2016): Schulrecht 2016/17.

Wien: Manz Verlag.

Rochel, Erich/Brezovich, Renate (2014): Schulrecht kurzgefasst.

Studien- und Arbeitsbuch. Linz: Trauner Verlag.

Eine sehr knappe und übersichtliche Darstellung der wichtigsten

Schulgesetze von Erich Rochel und Renate Brezovich.

Hans Neuweg beschreibt in diesem Buch neben den gesetzlichen

Grundlagen der LBVO auch praktische Zugänge und Möglichkeiten

der Leistungsbeurteilung. Er zeigt Hürden auf und bietet für

schwierige Fragestellungen (Beurteilung der Mitarbeit/Trennung von

Mitarbeit und Verhalten) Möglichkeiten an.

Neuweg, Georg Hans (2014): Schulische Leistungsbeurteilung.

Rechtliche Grundlagen und pädagogische Hilfestellungen für die

Schulpraxis. Linz: Trauner Verlag.

11.2.3 AVG Allgemeines Verwaltungsrecht

Zum Thema Verwaltungsrecht gibt es zahlreiche gute und

lesenswerte Bücher. Die meisten von diesen gehen jedoch sehr ins

Detail. Für Lehrpersonen ist es meist ausreichend, einen Überblick

über das Verwaltungsverfahren zu haben. Deshalb wird dieses Buch

empfohlen. Es bietet eine sehr knappe Darstellung der wichtigsten

Inhalte.

Fasching, Wolfgang/Schwarz, Walter (2014):

Verwaltungsverfahrensrecht im Überblick. EGVG – AVG– ZUStG –

VStG – VVG – E – GovG. 5. überarbeitete Auflage. Wien: Facultas

Verlags- und Buchhandels AG.

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11.2.4 Gutachten im Verwaltungsverfahren

Die meisten Bücher, welche in diesem Bereich erhältlich sind, behandeln spezifische

Themen, die nur sehr eingeschränkt auf den pädagogischen Alltag übertragbar sind.

Es gibt jedoch ein gut brauchbares Skript im Internet:

Kärntner Verwaltungsakademie (2013): Die/der Sachverständige im

Verwaltungsverfahren:

http://www.ktn.gv.at/280330_DE--Der_Sachverstaendige_im_Verwaltungsverfahren

_Attlmayr_2013.pdf [15.05.2017]

Darin werden die Anforderungen an ein Gutachten beschrieben, darüber hinaus auch die

Pflichten einer/eines Sachverständigen (Fortbildung, etc.). Ebenso geht dieses Skript auf

spezielle Fragestellungen ein, wie zum Beispiel die Weisungsgebundenheit oder

Befangenheit.

11.2.5 ICF

Die „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ ist

ein relativ neues Instrument zur Erfassung und Beschreibung von Behinderungen. Da sie

viele Fachbereiche anspricht und sowohl diagnostischen als auch therapeutischen Wert

hat, erscheinen zahlreiche neue Bücher über die ICF am Markt.

Die ICF-CY ist speziell für Kinder und Jugendliche konzipiert.

Neben einer sehr knappen Einführung in die ICF werden alle Items

in allen Komponenten beschrieben. Dieses Buch ist aus meiner

Sicht für die Arbeit mit der ICF unerlässlich.

Hollenweger, Judith/Kraus de Camargo, Olaf (2013):

ICF-CY: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,

Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Bern:

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Verlag Hans Huber.

Schuntermann bietet die wahrscheinlich verständlichste und

umfassendste Einführung in die ICF. In leicht verständlicher Sprache

und übersichtlichen Kapiteln wird in die Denkweise und den Aufbau

der ICF eingeführt. Viele praktische Beispiele erleichtern das

Verständnis.

Schuntermann, Michael F. (2013): Einführung in die ICF. Grundkurs

– Übungen – offene Fragen. 4. überarbeitete Auflage. Landsberg am

Lech: Ecomed Medizin.

Julia Waage zeigt in diesem Buch einen Weg auf, die Teilhabe von

Schulanfängerinnen/-anfängern und Kindern mit Problemen im

sprachlichen Ausdruck zu erfassen. Dieses Buch ist gerade für

Sonderpädagoginnen/-pädagogen von Interesse.

Waage, Julia (2016): Erfassung der Teilhabe bei Vorschulkindern mit

Frühförderung. Entwicklung und Erprobung eines Leitfaden-

interviews auf Grundlage der ICF-CY. Wiesbaden: Springer.

11.2.6 Links

Das schulische Standortgespräch (SSG) und der das standardisierte Abklärungsverfahren

(SAV) wurden von Schulpsychologinnen/-psychologen in der Schweiz entwickelt. Auf der

Homepage des Volksschulamtes Zürich gibt es Handbücher und Handouts zum

Download:

SAV:

http://www.vsa.zh.ch/internet/bildungsdirektion/vsa/de/schule_und_umfeld/gesundheit_pra

evention/schulpsychologie/sav.html#a-content [15.05.2017]

SSG:

http://www.vsa.zh.ch/internet/bildungsdirektion/vsa/de/schulbetrieb_und_unterricht/sonder

paedagogisches0/ssg.html [15.05.2017]

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