DAS IT-MAGAZIN VON FERCHAU Modellbasierter … · & Cie. KG in Gütersloh. Im Rahmen der...

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DAS IT-MAGAZIN VON FERCHAU EDITION 02-17 S C H U T Z G E B Ü H R : 6 E U R FERCHAU.COM/GO/DOWNLOAD #19 < atFERCHAU > <04>ENGINEERING 2.0 Modellbasierter Entwicklung gehört die Zukunft <20>DIE CYBORGS KOMMEN Wie man sich selbst upgraded <22>QUANTEN-COMPUTER IN DER TELEMATIK Wider dem Verkehrschaos mit High-End-Computern Aus der zarten Bande zwischen ITlern und Ingenieuren wird durch Industrie 4.0 und IoT eine feste Beziehung. <04>

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D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U

E D I T I O N 0 2 - 1 7S C H U T Z G E B Ü H R : 6 E U R F E R C H A U . C O M / G O / D O W N L O A D

#19<atFERCHAU><04>�ENGINEERING 2.0 M o d e l l b a s i e r t e r E n t w i c k l u n g g e h ö r t d i e Z u k u n f t<20>�DIE CYBORGS KOMMEN W i e   m a n   s i c h   s e l b s t   u p g ra d e d <22>�QUANTEN-COMPUTER IN DER TELEMATIK W i d e r   d e m   Ve r ke h rs c h a o s   m i t   H i g h - E n d - C o m p u t e r n

Aus der zarten Bande zwischen ITlern und Ingenieuren wird durch Industrie 4.0

und IoT eine feste Beziehung.

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ausgerechnet bei Diskussionen rund um die Sicherheit in vernetzten Indus-trieanlagen oder vernetzten Fahrzeugen lässt uns die Muttersprache im Stich. Ein bisschen neidisch schielen wir aufs Englische. Denn dort lassen sich mit »Safety« und »Security« Aspekte unterscheiden, für das wir nur ein Wort im Fundus haben: Sicherheit. Sprechen also Engineering-Spezialisten über Verfügbarkeit und physisch betriebs-sichere Anlagen, meinen sie »Safety« – und sagen »Sicherheit«. Genau wie die Netzwerk- und IT-Fachleute »Sicher-heit« sagen, wenn sie über den Schutz vor Attacken sprechen – dabei aber »Security« meinen.

Um beim Vernetzen von Produktions-umgebungen keine Sicherheitslecks zu riskieren, müssen die sprachlichen – und wahrscheinlich auch die kulturel-len – Unterschiede der Fachbereiche überwunden werden. Der neue Netz-werkanschluss verbindet die Maschine nicht nur mit dem Netz. Er verzahnt

auch zwei einstmals getrennte Welten: Industrie-Sicherheit und IT-Sicherheit sind nicht mehr trennbar.

Daher ist interdisziplinäres Arbeiten gefragt. Worauf es hier ankommt, erläutern Kenner der Materie in der Titelgeschichte ab Seite 4. Und direkt im Anschluss fordert Professorin Sabina Jeschke von der RWTH Aachen im Inter-view, dass die »Kulturen verschmelzen«. Gemeint ist: Informatiker und Ingeni-eure müssen Hand in Hand arbeiten. Professorin Jeschke fordert nicht nur. Sie liefert auch Lösungsansätze, wie Organisationen diesen Kulturwandel stemmen können.

Wir bei FERCHAU sind jedenfalls davon überzeugt, dass dieses Zusammen-wachsen machbar ist. Und sogar eine Bereicherung für jede Entwicklungs-abteilung sein kann. Tschüss, Tellerrand. Hallo, vernetzte Welt.

Ihr Redaktionsteam

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LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

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COVERS. 04

IT küsst MechanikSmarte Geräte und vernetzte, intelligente Produkte benötigen ein neues Entwicklungsparadigma: Model-based Systems Engineering.

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Sprachbarrieren einreißenWie ITler und Ingenieure künftig konstruktiv zusammenarbeiten, weiß Professorin Sabina Jeschke von der RWTH Aachen.

S. 12

Gelddruckmaschine oder BedrohungWer macht das Rennen im Internet der Dinge?

S. 14

3D-Druck sicherer machenFERCHAU-Experten arbeiten an Algorithmen, um kritische 3D-Werkstücke zu prüfen – ohne sie zu zerstören.

S. 15

Agil ins ZielSchneller reagieren auf neue Anforderungen

S. 16

Testen am digitalen ModelModel-based Testing ist reif für den breiten Praxiseinsatz.

S. 18

NumbersEngineering und IT in Zahlen

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BRANCHENGEFLÜSTERS. 19

Schlauer StaubForscher tüfteln an Speicher aus dem Drucker, so klein wie Staub.

S. 20

Cyborgs Besser hören, sehen und erinnern: Wie man sich mit Hightech-Implantaten selbst pimpen kann.

S. 22

Quantenrechner gegen VerkehrskollapsDie ersten Quantencomputer nehmen ihre Arbeit auf und optimieren für VW die Verkehrsprognosen.

S. 24

Lebenswerte Städte Sensoren sind das Rückgrat smarter Metropolen. Ein Projektüberblick.

S. 26

Wischen, ziehen, sprechen!Die Interaktion von Mensch und Maschine kommt künftig ohne Bildschirm aus.

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VOICESS. 30

Bauplan für die SeeleProf. Dietrich Dörner, KI-Forscher der ersten Stunde, erläutert, warum KI die Mona Lisa nicht schön finden würde und wie man Systemen Menschliches einhaucht.

DO IT YOURSELFS. 34

Bananen-PianoMit MaKey MaKey bauen Sie sich ein Bananen-Piano. Erdbeeren gehen auch.

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INSIDE / EVENTSS. 28

Dienst- und WerkverträgeWas die neuen Gesetze für die Vertragsgestaltung bedeuten.

S. 29

Hall of FameKundenmagazin atFERCHAU ausgezeichnet

S. 29

Strategie FERCHAU AUTOMOTIVEInterview mit Christian Rudolph, Leiter Geschäftsbereich AUTOMOTIVE.

S. 28

Art of EngineeringKunst und Technik für Symbiosen von IT und Mobilität.

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I M P R E S S U M Ausgabe 02 | 2017, Auflage: 34.500, 9. Jahrgang /// Herausgeber: FERCHAU Engineering GmbH, Steinmüllerallee 2, 51643 Gummersbach, Fon +49 2261 3006-0, Fax +49 2261 3006-99, [email protected],ferchau.com /// Chefredaktion: (V. i. S. d. P.) Martina Gebhardt /// Redaktionsteam: Dirk Cornelius, Nando Förster, Wibke Kötter, Kerstin Kraft, Dietmar Schönherr, Isabell Schuller, Rolf Schultheis, Christoph Sedlmeir /// Gestaltung: Matthias Müller, Fon +49 211 63559150, grafish.de/// Redaktion extern: Bernd Seidel & Friends, Fon +49 89 45246970, seidelfriends.de /// Druck: Gronenberg Druck & Medien, 51674 Wiehl, Fon +49 2261 9683-0 /// Copyright: Die in diesem Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Wenn als Einzelnachweis auf der Seite nicht anders vermerkt: FERCHAU Engineering GmbH /// Bildquellen: S. 7: Christoph Hoppenbrock, bildbauer.de /// S. 7 - links: Ludmilla Parsyak © Uni StuttgartISW; Mitte: Schaeffler; rechts: Miele /// S. 10: Marcus Gerards, RWTH Aachen University /// S. 15: privat /// S. 19 - unten: Darrell Long /// S. 21 - links und rechts: privat /// S. 22: Kim Stallknecht / REDUX / laif /// S. 23 - links und Mitte: Volkswagen AG; rechts: D-Wave /// S. 27 - links und rechts: Hochschule Fulda, Fachbereich Angewandte Informatik; unten: Golden Krishna /// S. 30 - Peter Rigaud/laif

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Illustration:

Christoph Hoppenbrock, bildbauer.de

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mart ver-netzte Produkte kommuni-zieren scheinbar mühelos über das Internet of Things (IoT) und ermöglichen neue Serviceangebote, die be-stehende Geschäftsmodelle in Frage stellen. Im Ent-wicklungsprozess müssen hingegen noch Kommunika-tionshürden überwunden werden. Das sogenannte Smart Engineering benötigt neue IT-Werkzeuge, Metho-den, Prozesse und Mitar-beiter, die vernetzt denken und arbeiten.

Smarte Produkte enthalten im-mer mehr Elektronik und Soft-ware. So hat sich die Anzahl der elektronischen Steuergeräte samt Sensoren in einem Mittel-klasseauto in der vergangenen Dekade mehr als verzehnfacht. Die eingebettete Software ist ebenfalls rasant gewachsen: In manchen Fahrzeugvarian-ten stecken heute über 100 Millionen Lines of Code (LoC), während eine Boeing 787 mit 14 Millionen und eine durch-schnittliche App für IoS mit 50.000 LoC auskommen.

Die Programme steuern hoch-komplexe, oft über das ganze Fahrzeug verteilte Funktionen. Ob ein Motor 300 oder 400 PS auf die Straße bringt, sei im Wesentlichen eine Frage der Software, sagte einmal ein hochrangiger IT-Manager von Automobilzulieferer Continental.Software, Elektronik und Mechanik müssen perfekt zusammenspielen, und dieses Zusammenspiel muss frühzeitig über alle Systemebenen hinweg verstanden und abgesichert werden. Sonst kann es einem

gehen wie GKN Driveline, einem der führenden Hersteller von Antriebssträngen: Erst bei der Erprobung eines neuen Antriebsstrangs fi el auf, dass die Parksperre des Fahrzeugs aus Sicherheitsgründen beim Rückwärtsfahren nicht öffnete, wenn der Fahrer nicht ange-schnallt war, und dadurch der Antriebsstrang überlastet wer-den konnte. »Mit dem Systems- Engineering-Ansatz hätte man das früher feststellen und in den Anforderungen von vorn-herein berücksichtigen können«, sagte Michael Engelmann, Manager Systems Engineering bei GKN Driveline, in einem Vortrag auf dem jüngsten prostep-ivip-Symposium.

Schuld an solchen Fehlern seien allerdings nicht die Inge-nieure, sondern die mangelnde Integration der Methoden des Systems Engineering (SE) in den Produktentstehungsprozess und die fehlende IT-Unterstüt-zung. »Human« Based Systems Engineering praktizieren gerade die großen Automobilhersteller dagegen schon lange. Sonst würde heute kein Auto mehr auf der Straße fahren.

S M A R T E N G I N E E R I N G F Ü R V E R N E T Z T E P R O D U K T E

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T E X T : M I C H A E L W E N D E N B U R G

IT KÜSST MECHANIK

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IOT: NEUE GESCHÄFTS-MODELLE

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Die Entwicklung smarter Pro-dukte ist für die Unternehmen in allen Branchen eine enorme Herausforderung und Smart Engineering die Antwort darauf: ein interdisziplinärer, vernetz-ter und intelligenter Ansatz der Produktentwicklung, wie Dr. Marcus Krastel, Vorsitzender der Forschungsvereinigung Smart Engineering erläutert. »Er be-trachtet neben neuen Technolo-gien und Arbeitsmethoden auch die menschlichen Interaktionen, die für ein digital integriertes Engineering, ein kollaboratives und modelbasiertes Systems Engineering, neue, intelligente Produkt-Service-Systeme und eine fortschrittliche digitale Fa-brik erforderlich sind.« Auf einen einfachen Nenner gebracht: Smart Engineering soll künftig alle an der Entwicklung beteilig-ten Stakeholder enger an einen (digitalen) Tisch bringen.

Die Realität sieht in vielen Unter-nehmen anders aus: Ingenieure und ITler sprechen nicht die glei-che Sprache, jedenfalls nicht das gleiche Fachchinesisch, nutzen eine Vielzahl unterschiedlicher IT-Systeme und verwalten ihre Arbeitsergebnisse in unterschied-lichen Datensilos, die oft nur rudimentär miteinander integriert sind. »Die klassischen Entwick-lungsmethoden reichen nicht aus, um die wachsende Komple-xität smart vernetzter Produkte beherrschbar zu machen«, sagt Matthias Knoke, Leiter Virtuelle Produktentwicklung bei der Miele & Cie. KG in Gütersloh. Im Rahmen der SE4Miele-Initiative hat der re-nommierte Hausgerätehersteller die Grundlagen für die interdiszi-plinäre Entwicklung und Absiche-rung von smarten Hausgeräten, Services und den dazugehörigen Produktionssystemen mit Hilfe des Model-based Systems Engineerings (MBSE) gelegt.

INTERDISZIPLINARITÄT ALS HERAUSFORDERUNG

In vielen Unternehmen laufen derzeit Initiativen, um MBSE ein-zuführen oder breiter auszurol-len. Die Werkzeuge sind zum Teil schon im Einsatz, wurden aber bislang nicht systematisch und meist nur im Bereich der Elek-tronik- und Software-Entwicklung genutzt. »Die größte Herausfor-derung ist, die Methodik diszipli-nenübergreifend einzuführen«, betont Prof. Dr. Martin Eigner von der TU Kaiserslautern. »Wir haben von der Ausbildung und Arbeitsweise her eine diszipli-nenorientierte Welt und müssen plötzlich die Silos aufbrechen und mit Leuten Systemarchi-tekturen aufbauen, die dafür garnicht ausgebildet wurden. DieAkzeptanz für die neuen Metho-den ist gerade in der mechanisch geprägten Welt noch schwach.«

MBSE ist aber nicht nur für die Konstrukteure eine Herausfor-derung: »Wenn wir über Smart Engineering reden, können wir die Produktion nicht außen vorlassen«, sagt Prof. Dr. Oliver Riedel, Leiter des Instituts für Steuerungstechnik der Werk-zeugmaschinen und Fertigungs-einrichtungen (ISW) an der Universität Stuttgart und Mitglied im Direktorium des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).

»Ich habe aber noch keinen ge-nerell modellbasierten Ansatz für das Systems Engineering in der Produktion gesehen, geschweige denn an der Nahtstelle zwischen Engineering und Produktion.« Es fehle die Einbindung anderer Fraktionen in den Produktent-wicklungsprozess im Sinne eines Smart Simultaneous Enginee-rings, um die Produktionsmittel für die smarten Produkte früh-zeitig absichern zu können.

MIND CHANGE DER ORGANISA-TION ERFORDERLICH

Mit der Einführung neuer Werk-zeuge und Methoden ist es also nicht getan. MBSE erfordert einen Mind Change in der gesam-ten Organisation, die Schaffung neuer Rollen und organisatorische Veränderungen, wie Knoke betont. Die Unternehmen benötigen Leute mit Systemdenken, die bereit und fähig sind, über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinauszu-schauen. Sie können nicht warten, bis die Hochschulen ihnen diese System-Ingenieure in ausreichen-der Zahl bereitstellen, sondern müssen ihre eigenen Leute quali-fi zieren. Wichtig für eine erfolgrei-che MBSE-Einführung ist es, die Mitarbeiter durch Quick Wins zu begeistern und die Bedenken des mittleren Managements zu zer-streuen, das die Initiativen umset-zen und die eigenen Silos schleifen muss. Miele hat ein durchgän-giges, konzernweit einheitliches Anforderungsmanagement als ein Quick-Win-Projekt identifi ziert. Um die Werkzeuge und Metho-den des MBSE effi zient nutzen zu können, müssen sie sauber in die bestehende IT- und Prozess-landschaft integriert werden.

DIE KOMPLEXITÄT BEHERRSCHBAR MACHEN

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100.000.000

Lines of Code (LoC)

14.000.00050.000In manchen Fahrzeugvarianten

stecken über 100 Millionen LoC. Zum Vergleich eine Boeing 787 und eine durchschnittliche App für IoS.

INTERVIEWPROF. SABINA JESCHKE

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Matthias KnokeLeiter Virtuelle

Produktentwicklung Miele & Cie. KG

Prof. Dr. Oliver RiedelLeiter des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungs- einrichtungen (ISW) an der Universität Stuttgart

Prof. Dr. Martin EignerTU Kaiserslautern

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MODELLBASIERTE SYSTEMENTWICKLUNG MBSE ist eine Methodik, die dazu dient, komplexe Systeme in einer für alle Disziplinen verständlichen »Sprache« zu beschreiben bzw. zu modellieren. Die gängigste, grafi sche Modellierungssprache dafür ist SysML (Systems Modeling Language). Sie hat ihre Wurzeln in der Software-Entwicklung, enthält aber auch Diagrammarten und Modellelemente für die Defi nition mechanischer Systemkomponenten. Mit Hilfe dieser Diagramme kann sowohl das Verhalten als auch die Struktur eines Gesamtsystems spezifi ziert, analysiert, designt und verifi ziert werden. Wie man dabei idealerweise vorgeht, legt eine Beschreibungssystematik fest, die im Rahmen des MecPro2-Projekts spezifi ziert wurde. www.mecpro.de

FORSCHUNGSVEREINIGUNG SMART ENGINEERING Die digitale Transformation hat gravierende Auswirkungen auf den Menschen, die sich erst in Umrissen abzeichnen. Gerade auf diesem Gebiet gebe es noch viel zu erforschen, sagt Dr. Marcus Krastel, Vorsitzender der Forschungsvereinigung Smart Engineering. Sie unterstützt Mitgliedsunternehmen dabei, Forschungsprojekte zu technischen und organisatorischen Themen der interdisziplinären, vernetzten Produktentwicklung zu formulieren, Projektpartner zu suchen und Fördermittel zu beantragen. Das Angebot richtet sich insbesondere an kleine und mittelständische Unternehmen mit begrenzten IT- Budgets und -Ressourcen, für die die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse eine besondere Herausforderung darstellt. www.prostep.org/projekte/ forschungsvereinigung

Das setzt in den meisten Fällen voraus, dass erst einmal die fachspezifi schen Prozesse stär-ker vereinheitlicht werden. Das vom BMBF geförderte Verbund-projekt mecPro2 lieferte eine Blaupause dafür, wie ein modular aufgebauter Referenzprozess für die Entwicklung cybertronischer bzw. smart vernetzter Produk-te und Produktionssysteme aussehen könnte. Im Rahmen des Projekts wurde außerdem aufgezeigt, wie SysML-Objekte in PLM integriert werden können, um sie Kernprozessen wie dem Änderungs- oder Konfi gurations-management zu unterstellen.

ANFORDERUNGS-MANAGEMENT HAT OBERSTE PRIORITÄT

Ohne ein unternehmensweit einheitliches, IT-gestütztes Anforderungsmanagement kann die modellbasierte Systement-wicklung nicht funktionieren. Es sei eine der Initiativen, die bei den meisten MBSE-Projekten oberste Priorität habe, sagt Krastel: »Die Herausforderung besteht zum einen darin, die System- und die Komponentenwelt in einem nachvollziehbaren Prozess zu-sammenbringen, sprich die in der Systemarchitektur steckenden Anforderungen sauber auf die Dis-ziplinen herunterzubrechen und zu verfolgen. Ein zweiter Aspekt ist, sie so zu beschreiben, dass sie in der Verifi kation und Validierung direkt getestet werden können.«

In den meisten Unternehmen erfassen und verwalten Software, Elektrik-, Elektronik- und Mecha-nikentwicklung ihre Anforde-rungen mit unterschiedlichen Werkzeugen, oft noch dokumen-tenbasiert, so dass sie nicht mit Funktionen, Logik, Stücklisten, Dokumenten etc. verlinkt werden können. Dadurch lassen sich die Auswirkungen von Änderungen, die, so Prof. Eigner, bei komple-xen Systemen einer »Explosion«

gleichkommen, nicht nachvoll-ziehen. Außerdem erschwert das dokumentenbasierte Arbeiten den Austausch von Anforderungen über Standards wie das Requi-rements Interchange Format (ReqIF). Hochbezahlte Ingenieure sind dann oft tagelang damit be-schäftigt, Anforderungen aus den Lastenheften ihrer Auftraggeber per Copy and Paste wieder in ihre eigene Modellwelt zu übernehmen.

DIGITALE WERTSCHÖPFUNGS-KETTE MIT LÜCKEN

Die unternehmensweite Zusam-menarbeit wird einer Studie von Fraunhofer IPK, VDI und CONTACT Software durch den Trend zur smarten Vernetzung der Produk-te allerdings weiter zunehmen. Das bedeutet, dass künftig auch MBSE-Objekte in der Supply Chain ausgetauscht werden müs-sen, ohne das in ihnen steckende Know-how komplett offenzulegen. Während es für die Co-Simulation logischer Modelle mit FMI (Functional Mock-up Interface) einen relativ ausgereiften Stan-dard gibt, lassen sich SysML-Modelle derzeit nur über proprie-täre Schnittstellen austauschen. Eine Arbeitsgruppe des prostep ivip-Vereins bemüht sich darum, den XMI-Standard dahingehend zu erweitern, dass die Modelle wenigstens zusammen mit For-matierung und Layout übergeben werden können.

»Ziel von Smart Engineering ist eine durchgängige digitale Wertschöpfungskette, die nicht an der Grenze zwischen Diszip-linen und Abteilungen oder der Unternehmensgrenze abreißt«, sagt Prof. Eigner. Davon sind die Unternehmen noch weit entfernt. Selbst in der Prozess-kette zwischen Entwicklung und Produktion klaffen viele Lücken. Fertigungsrelevante Informatio-nen werden zeichnungsbasiert kommuniziert, anstatt sie als PMIs (Product Manufacturing Information) an das 3D-Modell

zu hängen, obwohl Neutralforma-te wie Jupiter Tessellation (JT) oder 3D PDF die Weitergabe der 3D-Annotationen unterstützen. Ähnliches gilt für die Qualitäts-sicherung. Um die Messplanung durchgängig zu digitalisieren, müsste der I++-DMS-Standard in den Unternehmen konsequenter genutzt werden.

INFORMATIONEN INTELLIGENT VERNETZEN

Standards und Offenheit sind mit Blick auf Smart Engineering unabdingbar. Sie erleichtern den Umbau der bestehenden PLM- und IT-Landschaften, die zu schwerfällig sind, um agil auf die Herausforderungen der Digita-lisierung reagieren zu können. Eine dieser Herausforderungen ist die Anbindung cloudbasierter IoT-Plattformen, die den Brücken-schlag zwischen digitaler und realer Produktwelt ermöglicht. Statt die monolithischen IT-Syste-me zwanghaft zu harmonisieren, empfehlen Experten wie Prof. Eigner eine intelligente Verlinkung der in ihnen steckenden Informati-onen auf Basis der REST(Repre-sentational State Transfer)- und OSLC(Open Services for Lifecycle Collaboration)-Technologie. Sie bietet zugleich die Möglichkeit, die Informationen den Menschen einfacher zugänglich zu machen.

Smart Engineering stellt den Menschen stärker in den Mittel-punkt. Ohne die aktive Mitwirkung der Mitarbeiter lässt sich das Abteilungsdenken nicht überwin-den. Erforderlich ist aber auch ein neuer Führungsstil, wie Prof. Dr. Armin Trost, Experte für Human Ressource Management an der Hochschule Furtwangen, auf dem prostep ivip-Symposium sagte. »Komplexität lässt sich nicht mehr hierarchisch bewältigen, sondern nur noch im Netz, mit Menschen, die nicht wie ein Rädchen in der Maschine funktionieren, sondern auch eigene Ideen entwickeln.«

MODEL-BASED TESTING

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DIGITALER ZWILLING STEUERT PRODUKTION Mit dem Konzept des digitalen Zwillings wollen Forscher des Fraunhofer- Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK die Vision von Industrie 4.0 realisieren. Ein digi- taler Zwilling bildet den gesamten Pro- duktionsprozess ab und ermöglicht den direkten Eingriff in die Fertigung. Durch die Verschmelzung von realer und digitaler Produktion entsteht ein Gesamtsystem, das sich im laufen- den Betrieb selbst überwacht, steuert und korrigiert. Maschinen und Software kommunizieren, soweit erforderlich, unabhängig vom Menschen miteinander und halten so die Produktion in Gang. Quelle: Fraunhofer IPK

BUCHTIPP: DIGITALER DARWINISMUS Wissen Sie, welche Gefahren und Chan- cen mit der zunehmenden Digitalisierung von Produkten und Services einhergehen, welche Macht den sozialen Medien inne- wohnt und wie diese bestehende Geschäftsmodelle aushebeln und Marken gefährden, aber ihnen auch zum globalen Erfolg verhelfen können? Ralf T. Kreutzer und Karl-Heinz Land liefern in dem Buch »Digitaler Darwinismus – der stille Angriff auf Ihr Geschäftsmodell und Ihre Marke« An- regungen, um die Kreativität zu fördern und Lösungsprozesse im Unternehmen anzu- stoßen. Sie bieten wertvolle Hilfe- stellungen und Denkanstöße, informie- ren über Best Practices und machen Mut, eigene Ideen auszuprobieren, solange der Markt Fehler von Unternehmen noch verzeiht. Digitaler Darwinismus, erschienen bei Springer Gabler, ISBN 978-3-658-11306-3

STUDIE: DIE 3D-REVOLUTION Ein selbst entworfenes Smartphone, Ersatzteile für Flugzeugtriebwerke oder sogar menschliche Organe auf Knopfdruck: Was vor einigen Jahren noch wie Science-Fiction klang, ist mit innovativen 3D-Druckverfahren heute schon möglich – und bietet riesige Chancen für die Fertigung und Logistik. Das zeigt eine reprä- sentative Befragung von 559 Indus- trieunternehmen ab 100 Mitarbei- tern, die der Digitalverband Bitkom beauftragt hat. Insgesamt verspre- chen sich 9 von 10 (89 Prozent) Industrieunternehmen vom 3D-Druck Vorteile für sich. Dabei sehen die Unternehmen den größten Vorteil (66 Prozent) des 3D-Drucks in der Möglichkeit, »individualisierte Produkte« herzustellen. 63 Prozent erwarten vom 3D-Druck vor allem eine insgesamt »größere Flexibilität in der Produktion«. Quelle: Bitkom

STANDARD FÜR ANFORDERUNGEN Requirements Interchange Format (ReqIF) ist ein XML-Dateiformat, mit dessen Hilfe Anforderungen samt zugehöriger Metadaten zwischen Softwarewerkzeugen verschiedener Hersteller aus- getauscht werden können. Mit dem Änderungsaustauschformat zusam- men ist auch eine Vorgehensweise (»Workfl ow«) defi niert, die die Übermittlung der Status von Requi- rements zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer beschreibt. Obwohl in der Automobilindustrie entstan- den, ist ReqIF ein generell für den verlustfreien Austausch von Anforderungen taugliches Format. Quelle: OMG Konsortium

Engineering, Standards,Studien

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»DIE KULTUREN MÜSSEN

VERSCHMELZEN«

I T K Ü S S T M E C H A N I K

T E X T : A N J A R E I T E R

Im Zeitalter von IoT müssen Informatiker und Ingenieure immer enger zusammenarbeiten. Warum fi nden

die zwei Berufsgruppen nur keine gemeinsame Sprache? atFERCHAU hat bei Prof. Sabina Jeschke

nachgefragt, die an der RWTH Aachen University zum Thema Innovationsmanagement im Maschinenbau forscht.

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In vielen Unternehmen stehen Missverständnisse zwischen Informatikern und Ingenieuren auf der Tagesordnung. Wieso?Das Grundproblem ist ein psychologisches: Deutsche Inge-nieure sind sehr selbstbewusst. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht schließlich klar auf den Ingenieurswis-senschaften. Nun kommt die Gruppe der Informatiker und sagt: »So, wir machen jetzt alles anders!« Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook oder Microsoft zeigen schließlich neue Geschäftsmodelle, Herangehensweisen und Organisa-tionskulturen. Das nagt am Selbstbewusstsein der Ingenieu-re. Trotzdem müssen die Maschinenbauer heute feststellen, dass sie ihre Produkte nur dann auf die nächste Ebene hieven können, wenn sie sich dem Informatikthema öffnen. Denn die Innovationen kommen eindeutig aus dem Elektro-nik- und Softwarebereich, und noch spezieller aus der immer größeren Fähigkeit von Maschinen zu intelligenten Aktionen.

In welchen Bereichen geraten die unterschiedlichen Kulturen derzeit besonders aneinander?Beim Thema Risikomanagement: Informatiker akzeptieren Unsicherheit bis zu einem gewissen Grad. Sie sind es ge-wöhnt, sich mit Trial und Error an ein Problem heranzutasten. Wenn ein Programm nicht sofort einwandfrei ist, schicken sie ein Update an ihre Kunden. Ein Ingenieur verabscheut aus sicherheitstechnologischen Gründen den Umgang mit solchen Black-Box-Systemen. Wenn die Bremsen eines Autos nicht funktionieren, riskieren Ingenieure schließlich Menschenleben. Sie tüfteln so lange, bis alles perfekt ist.

Gibt es auch klassische Kommunikationsprobleme?Selbstverständlich. Beide Ausbildungen sind technischer Natur. Daher benutzen beide Berufsgruppen technische Begriffe, etwa Modell, Sicherheit oder Konzept, meinen damit aber häufi g andere Dinge. Das führt zu Missverständnissen: Von einem Modell eines Motors in den Ingenieurwissen-schaften erwarte ich eine fundierte und deterministische mathematische Beschreibung. Ein Informatiker verbindet mit einem Modell möglicherweise ein »Domänenmodell«, also eine Abbildung und Strukturierung eines Realitäts-ausschnitts. Wie kann eine Annäherung stattfi nden?Persönlich habe ich dazu eine ganz klare Meinung. Der Trend geht in Richtung Software. Produkte verändern sich immer schneller, Unternehmen können sich keine langen Entwick-lungszyklen mehr leisten. Große Firmen sind daher gut bera-ten, ganze Teams von Informatikern zu integrieren und deren Arbeitsmodelle auch ein Stück weit als Vorbild zu nehmen.

An welche Arbeitsmodelle denken Sie?Informatiker arbeiten viel weniger standardisiert und lassen sich viel mehr auf agiles Management ein. Unternehmen können sich von diesen dynamischen Strukturen vieles abgucken: Open Innovation, fl achere Hierarchien. Derjenige macht den Mund auf, der es gerade weiß – nicht derjenige, der per Rolle dazu defi niert wurde. Diese Kulturveränderung muss vorgelebt werden. Wenn der Chef nach wie vor auf sein eigenes Zimmer und Sekretariat besteht, hat das eine völlig andere Wirkung, als wenn der Chef mitten im Großraumbüro

sitzt. Kulturveränderung geht in beide Richtungen, ganz sicher aber auch von oben nach unten.

Wie können Vorgesetzte dafür sorgen, dass das gegenseitige Verständnis gestärkt wird?Ich würde jedem Unternehmen raten, schrittweise vorzu-gehen. Zunächst arbeiten Ingenieure und Informatiker ne-beneinander in einem Haus. Im nächsten Schritt muss man versuchen, die Kulturen im Team miteinander zu verschmel-zen. Zum Schluss sollte der gegenseitige Respekt eigentlich so groß sein, dass es ein wechselseitiges Bedürfnis gibt, die Kompetenz des anderen zu erlangen.

Gibt es Unternehmen in Deutschland, denen dieser Transformationsprozess bereits gelungen ist?Die meisten Unternehmen fangen heute erst an, mit diesen Konzepten zu experimentieren. Wenn ein Mittelständler ent-scheidet, sich zu bewegen, kann das natürlich viel schnel-ler gehen als bei den großen Konzernen. Konzerne sind aufgrund ihrer Größe oft starrer und schwerer zu verändern; positive Beispiele gibt es aber auch hier: BMW etwa hat beim i3 dem Entwicklerteam einen viel größeren Spielraum zuge-billigt – ein eigenes Werk, eigene Prozesse, eigenen Einkauf. Der i3 ist zwar noch kein großer Kassenschlager, dennoch zeigt er das Potential solcher Inseln auf.

Ingenieure nutzen den Spielraum also gerne, wenn er ihnen angeboten wird?Von der Existenz solcher Inseln sollte man nicht folgern, dass alle Ingenieure sofort zur Kulturveränderung bereit sind. Bei der »Besatzung der Inseln« gibt es natürlich einen gewissen Auswahleffekt: Man sucht Leute aus, von denen man glaubt, dass sie eine innovative Keimzelle zum Blühen bringen. Ein Erfolg kann dann auch vorsichtigere Gemüter begeistern.

Frau Jeschke, Sie bilden als Professorin an der RWTH Aachen University auch die nächste Ingenieursgeneration aus. Was würden Sie in der Ausbildung gerne verändern?Ich würde mit Sicherheit den IT-Anteil in den Ingenieurs-studiengängen erhöhen. Außerdem würde ich vermehrt Kompetenzen in den Bereichen Organisationsentwicklung, Innovationsforschung und interkulturelles Management vermitteln. Interkulturelles Verständnis ist nicht nur wichtig, um international zu agieren. Auch das Verständnis zwischen den verschiedenen Fachkulturen kann davon profi tieren.

Sabina Jeschke (*1968) ist Professorin für Maschinenbau an der RWTH Aachen University mit Schwerpunkt »Informatik im Maschinenbau«. Sie ist Direktorin des Cybernetics Labs, eines interdis-ziplinären Forschungsverbunds. Derzeit beteiligt sie sich im Rahmen ihres Sabbaticals bei der Volvo Car Corporation in Göteborg am Aufbau des Think Tanks »Starke künstliche Intelligenz«.

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GELDDRUCK-MASCHINE ODER BEDROHUNG?Wer macht das Rennen im Internet der Dinge? Etablierte Hersteller von Hard- und Software oder Start-ups, die mit cleveren Services den Markt aufrollen? Ganz egal, wie der Wettlauf ausgeht: Ohne tragfähiges Geschäftsmodell kommt niemand ins Ziel.

R iesige Zahlen, egal wohin man schaut: Über 20 Milliarden vernetzte Endgeräte im Jahr 2020, für die private und professionelle Anwender laut Gartner 3 Billionen US-Dollar

ausgeben werden. Zum Vergleich: Das Bruttoin-landsprodukt Deutschlands lag im Jahr 2015 mit 3,3 Billionen Euro nur geringfügig über dieser Summe.

Im Consumer-Umfeld sind dank Amazon Echo (Alexa), Google Nest, Smarthome-Plattformen wie Qivicon und allerlei anderen vernetzten Gerät-schaften heute schon IoT-Dienste und -Hardware erlebbar. Wie aber steht es ums B2B-Umfeld?

Rolf Schultheis, Leiter Geschäftsfeld IT FERCHAUEngineering GmbH, hat hierzu gute Nachrichten: »Die Relevanz der Vernetzung ist in den pro-duzierenden Unternehmen angekommen. Und auch an Phantasie, sich neue Szenarien rund um IoT-fähige Geräte auszudenken, mangelt es nicht«, so Schultheis. Inzwischen kämen vermehrt technische Informatiker oder Ingenieur-Informati-ker auf den Arbeitsmarkt. »Diese Fachleute kön-nen zwischen IT- und Produktionsspezialisten im Unternehmen übersetzen«, sagt Rolf Schultheis.

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T E X T : U L I R I E S

Eher Evolution als Revolution?Gerade im IT-Umfeld gilt das Neue oftmals alsHeilsbringer. Kein Wunder, dass auch im Zusam-menhang mit IoT häufi g von neuen Geschäftsmo-dellen die Rede ist. Dabei geht es aber weniger um wirklich radikal Neues als vielmehr um die techno-logische Weiterentwicklung bestehender Modelle. Die vorhandenen Architekturen, Plattformen und Geschäftsmodelle werden durch neue technische Entwicklungen ergänzt und damit ausgereifter – unter Umständen sogar erst marktreif.

Ein Beispiel sind Services wie Predictive Main-tenance. Hierbei verdient nicht gezwungener-maßen der Service des Vorrausschauens selbst Geld, sondern erst die Wartung. Der Service ist erst einmal Mittel zum Zweck, um eine bezahl-te Dienstleistung besser erbringen zu können oder um einen Kunden zu binden. Amazon hat Ähnliches mit dem sprachgesteuerten Assisten-ten Echo vorgemacht: Ein an sich eigenständiges Produkt, das beispielsweise per Sprachkom-mando das Smart Home steuert – letztendlich aber ein zusätzlicher Vertriebskanal ist, über den Amazon Waren verkaufen und eventuell Werbung ausspielen kann.

Im B2B-Umfeld erhofft sich beispielsweise der Maschinenhersteller Homag Group nicht nur bes-sere Wartung und höhere Nutzerfreundlichkeit seiner vernetzten Holzverarbeitungsmaschinen. Vielmehr will man auch durch Predictive Main-tenance punkten: Der Konzern will die dafür ge-schaffene Cloud-Plattform namens Tapio späterauch für andere Maschinenanbieter öffnen. Unternehmenschef Pekka Paasivaara sieht hierin mehr Investitionssicherheit für seine Kunden. Letztendlich könnte Homag durch die eventuell erhobenen Gebühren für den Service aber auch ein neues, IoT-getriebenes Geschäftsmodell auf-bauen – das ohne das seit Jahrzehnten vorhan-dene Modell gar nicht geboren worden wäre. Eben Evolution statt Revolution.

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R O L F S C H U L T H E I S SLeiter Geschäftsfeld IT FERCHAU Engineering GmbH

Auf die Plätze …Bei neuen Services können Start-ups punkten. Denn das Entwickeln smarter Dienste kommt ohne große fi nanzielle Investitionen aus beziehungsweise kann aufs Crowdfunding zurückgreifen. Die Markteintrittsbarrieren sind also niedrig – wodurch der Wettbewerb steigt und damit die Chance sinkt, mit den Services selbst nachhaltig Geld zu verdienen.

Was das für die sich gerade im B2C- und B2B-Umfeld entwickelnden Predictive-Main-tainance-Dienste bedeutet, ist noch nicht ab-sehbar. Klar ist aber, dass technisch komplexe Produkte wie Fahrzeuge oder Haustechnik künftig Störungen selbst diagnostizieren und melden. FERCHAU-Entwickler arbeiten seit Jahren im Auftrag von Kunden an den notwen-digen Schnittstellen zwischen IT-ergänzten Produkten und IT-Plattformen. Die Anbieter der so vernetzten Endprodukte werden sicherlich passende Wartungsmodelle mit einer Quality of Service entwickeln oder sogar die Garantie für störungsfreien Betrieb anbieten.

Kunden kaufen dann nicht mehr nur das Fahr-zeug oder die Heizungsanlage – sie erwerben gleichzeitig einen störungsfreien Betrieb der Gerätschaften. Die Hersteller verkaufen keine Maschinen, sondern beheizte Räume, gefah-rene Kilometer oder Stunden an Unterhaltung fürs selbstfahrende Auto. Schaffen die etab-

lierten Produzenten den rechtzeitigen Markt-start solcher Dienste, können sie aggressiven Neuankömmlingen aus der Start-up-Szene durchaus die Stirn bieten. Wichtig ist auch hier das passende Personal: Ohne Data Scientists lassen sich die in Datenbanken gesammelten Sensordaten nicht gewinnbringend auswerten.

Sensor in der KrumeTeilweise Brachland ist die Digitalisierung der Landwirtschaft durch IoT. Junge Unternehmen wie The Yield machen den etablierten Landma-schinen- und Saatgutherstellern Konkurrenz: Die Australier bieten den im Iot-Umfeld gängi-gen Mix aus Sensoren, Apps und Cloud-Dienst an. Die Sensoren erfassen beispielsweise Luft- und Bodenfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung oder Feuchtegehalt der Pfl anzen. Der Cloud-Dienst wertet die Daten aus und errechnet dann Empfehlungen. Die App zeigt diese Ratschläge an und sagt dem Landwirt, wann es Zeit ist, zu pfl anzen, zu ernten, zu wässern oder Pfl an-zenschutz auszubringen. Missernten oder zu geringe Erträge sollen so ohne Materialschlacht der Vergangenheit angehören.

Und wer gewinnt jetzt das Rennen? Die Etab-lierten wie Homag? Oder die Start-ups wie The Yield? Das hängt vom jeweiligen Geschick ab. Und den beteiligten Mitarbeitern. Unzweifel-haft ist aber, dass die Kunden Sieger sein werden. Sie profi tieren von cleveren Services, gut funktio-nierenden Maschinen und niedrigen Preisen.

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Q U A L I T Ä T S S I C H E R U N G F Ü R 3 D - D R U C K V E R F A H R E N

DEN DRUCK IM BLICK

Per 3D-Druck produzierte Baustücke kommen immer öfter in kritischen Konstruktionen wie beispielsweise Flugzeugtriebwerken zum Einsatz. Wie aber lässt sich die Verarbei-tungsqualität eines Werkstücks testen, ohne es zu zerstören? Ein cleveres, neues Verfahren verspricht Abhilfe – indem es dem Drucker über die Schulter schaut.W ie ein Stein schlägt

die Drohne auf demBoden auf – weil ei-ner der vier Propeller abgebrochen ist.

Grund für die Fehlfunktion? Cyberangrei-fer manipulierten die CAD-Dateien des Propellers, so dass beim 3D-Druck Hohl-räume entstanden, die den Propeller letztlich schwächten.

Das Szenario war Teil eines »Dr0wned«, also »abgesoffen«, getauften For-schungsprojekts. Ziel: auf die Risiken von per 3D-Druck hergestellten Baustü-cken hinzuweisen, die sich in kommer-ziell vertriebenen Produkten fi nden. Laut dem Beratungsunternehmen EY produzieren Unternehmen in einzelnen Branchen bereits ein Drittel ihrer Teile mit 3D-Druckern. Im Jahr 2020 soll der Gesamtumsatz der 3D-Druck-Branche bei gut 12 Milliarden US-Dollar liegen.

Einblick dringend benötigtBaustücke sollten also nicht nur wegen Cyberangriffen auf strukturelle Proble-me geprüft werden – sondern auch, weil sie nach dem Druck immer mal wieder von den Spezifi kationen der Entwickler abweichen. Finden sich die Differenzen im Inneren, sind sie oft nicht zerstö-rungsfrei zu entdecken.

Die FERCHAU-Softwarespezialisten Dipl.-Ing. Markus Autengruber und B. Sc. Felix Bebber entwickeln daher zusammen mit einem Kundenteam eine neue Überwa-chungstechnik. Sie könnte die Qualitäts-sicherung in Zukunft schon während des additiven Fertigungsvorgangs sicherstellen, unabhängig vom Material: Eine Kamera in der Baukammer des Dru-ckers zeichnet den Bauprozess auf –

Schicht für Schicht. Eine kürzlich markt-reif gewordene Software analysiert die aufgezeichneten Bilder noch während des Drucks und sucht eigenständig nach Anomalien, wie beispielsweise einem zu kräftigen Energieeintrag auf eine bestimmte Schicht des Baustücks.

Nach dem Bauprozess kann ein Konstruktionsspezialist oder auch ein Qualitätsingenieur am PC eine weiter-führende, automatisierte Offl ine-Analyse der aufgezeichneten Bilder anstoßen, die Daten manuell untersuchen und das Baustück letztendlich als korrekt oder fehlerhaft einstufen. Künftige Versio-nen der Software sollen direkt in der Fertigung Alarm schlagen, so dass der Bediener das Baustück aus dem Verkehr ziehen kann.

Kollege Computer lerntMittels Machine Learning soll die Soft-ware die Bildanalyse, also die Parame-trisierung der Bildverarbeitungsalgorith-men, künftig automatisch optimieren und so selbständig die Erkennungsraten verbessern. Die maschinelle Cleverness ist auch nötig, warten doch schon größe-re Herausforderungen auf das Gespann aus Kamera und Software: Produzenten wollen den Druck beschleunigen, indem mehrere Laser gleichzeitig am selben Baustück arbeiten. Was natürlich den Prüfaufwand erhöht. Den Entwicklern der Analyseverfahren wird also so schnell nicht langweilig. Schließlich geht es um mehr als von hackenden Wissenschaft-lern manipulierte Propeller.

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Ob Hüftgelenke, Zahnkro-nen oder Einzelteile für die Turbinen von Raketen für die Raumfahrt – 3D-Drucker fertigen in der Industrie

mittlerweile maßgeschneiderte Unikate aus Metall präzise bis in den Millimeter-bereich. Doch noch dauert der Druck der einzelnen Objekte teilweise mehr als 24 Stunden, da ein Laser ein metallisches Pulver Schicht für Schicht schmilzt und in einer bestimmten Form aufträgt.

»Unser Ziel ist es, den 3D-Druck zu be-schleunigen und zu automatisieren und im Rahmen von Industrie 4.0 den Übergang von der Einzel- zur Massenfertigung zu schaffen. Dazu müssen wir die Algorith-men und die Software stetig weiterentwi-ckeln und optimieren«, sagt Lucia Vences, Software-Entwicklerin bei FERCHAU. Sie arbeitet momentan für einen Kunden, der 3D-Drucker für die Industrie herstellt. Dort gehört sie zum Team, das die Ansteuerung der Belichtungseinheit des 3D-Druckers programmiert. Dessen Laser arbeitet mit Algorithmen, die seine Leistung und die Stärke des Signals beim Auftragen der Schichten berechnen, die Geschwindigkeit oder die Position.

Scrum als zentrales Verfahren für die agile EntwicklungUm diese komplexen Anforderungen zu meistern, setzen die Entwickler auf die agile Methode Scrum. »Wir zerlegen eine große Aufgabe in kleine Schritte von zwei Wochen, die Sprints, nach denen wir etwa eine neue Funktion entwickelt, getestet und dokumentiert haben. Am Ende dieser Phase steht ein ausführliches Review, ob wir unsere Ziele erreicht haben. Auch

Probleme werden im Team besprochen und meist schnell gelöst«, erklärt Lucia Vences.

Hinzu kommen tägliche Meetings in den jeweiligen Teams zum aktuellen Status und zu den Fortschritten des Projekts. So können die Entwickler bei Bedarf auch kurzfristig innerhalb weniger Tage neue Funktionen bereitstellen oder bestehen-de Features optimieren. Die Features werden in einem Repository gesammelt, kombiniert und automatisiert getestet, um Fehler zu fi nden. »Die Softwareversion soll clean sein und nach kurzer Zeit live gehen können«, so Vences.

An der Entwicklung des 3D-Druckers sind insgesamt fünf Teams mit je sechs bis acht Entwicklern und Testern beteiligt. Sie programmieren die SPS-Einheit, deren Ansteuerung, die FPGA-Steuerung der Lasereinheit oder die Benutzeroberfl äche für die Endanwender. Grundsätzlich ist alle sechs Monate eine neue Software-version für die 3D-Maschine fällig. Der Scrum Master koordiniert die Arbeit der verschiedenen Teams und sorgt dafür, dass die Scrum-Regeln eingehalten werden. Die Teams organisieren sich weitgehend selbst und genießen große

Freiräume bei der Entwicklung. Dazu Lucia Vences: »Vorgegeben ist nur das Ziel der Aufgabe, den Weg dorthin verantwortet nahezu ausschließlich das jeweilige Team. Entscheidend für den Erfolg sind eine offene Kommunikation und eine konstruk-tive Feedbackkultur. Es ist nicht immer einfach, da wir eine gemeinsame Sprache zwischen den unterschiedlichsten Spezia-listen fi nden müssen. Aber letztendlich ist das ja auch das Spannende an der agilen Entwicklung mit Scrum.« Diese Meinung hat Lucia Vences nicht exklusiv. Dem 2016 State of Scrum Report zufolge arbeiten 89 Prozent der Befragten mit Scrum; 2015 waren es noch 82 Prozent.

A G I L E P R O J E K T E M I T S C R U M

Eine neue Funktion oder ein Sicherheitspatch für die 3D-Druck-Maschine binnen weniger Tage? In Zeiten von Industrie 4.0 ist eine schnelle Reaktion auf neue Anforderungen und unerwartete Probleme gefragt. Basis dafür sind agile Verfahren wie Scrum.

L U C I A V E N C E SSoftwareentwicklerin bei FERCHAU

T E X T : J Ü R G E N M A U E R E R

IN KURZENSPRINTSZUR NEUEN3D-DRUCK-SOFTWARE

<atFERCHAU #19> C O V E R

TESTEN –VON ANFANG ANDamit komplexe Produkte zuverlässig und sicher funktionieren, haben Ingenieure ausgefeilte Entwicklungsverfahren mit vielen Feedbackschleifen ausgetüftelt. Mit Model- based Testing lassen sich Komponenten bereits testen, bevor sie fertig sind.

Entwickler von Fahrzeugelektronik sehen sich vor allem mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Erstens: Zuverlässigkeit bei hoher Komplexität. Die Wertschöpfungs-

kette in der Fahrzeugbranche ist komplex: Zwischen der Instanz, welche die Eigenschafteneines neuen Autos defi niert, und derjenigen,die die Entwicklung von Software und Hardware im Detail durchführt, besteht kaum direkter Kontakt. Kommunikationsprobleme sind programmiert. Und weil im Auto sehr viele Komponenten zusammenspielen, sind die Anforderungslisten nicht gerade übersichtlich.

Herausforderung Nummer zwei: Geschwindig-keit. Um mit dem Entwicklungstempo in der Softwareindustrie Schritt halten zu können, werden Software und Hardware für die Steuer-geräte im Auto nicht nacheinander entwickelt – erst die Hardware, dann die zugehörige Soft-ware –, sondern parallel. Die Software muss

daher bereits erste Tests absolvieren, bevor die dazugehörige Hardware fertig ist. Wie testet man eine Software, deren Zielrechner es noch gar nicht gibt? Ein digitales Abbild, der sogenannte »digitale Zwilling«, kann helfen.

Diese Problematik stellt sich nicht nur bei der Entwicklung von Fahrzeugsoftware, sondern generell bei der Erstellung von Embedded Systemen – etwa bei Steuerungen von Werkzeugmaschinen, Flugzeugen oder auch Halbleiterchips. Nirgendwo aber bestimmt die Kombination aus Zeit- und Kostendruck, Sicherheitsanforderungen und Komplexitätin einem derartigen Maß die Arbeit der Ingenieure wie beim Auto. Deswegen gilt die Autoindustrie als führend bei der Einführung moderner Verfahren in der gesamten Entwick-lung und damit auch im Test als einer Teilin-stanz der Entwicklungsprozesse. Ein wichtiger Vertreter dieser modernen Prozesse ist das modellbasierte Testen (Model-based Testing, MBT) »Wir wenden MBT in der Entwicklung und Überprüfung sicherheitskritischer Sys-teme an«, erläutert Dr. Henri Debrat, der für FERCHAU Engineering für das Thema System-test und -integration tätig ist. Sicherheitskriti-sche Bereiche im Fahrzeug sind beispielsweise Bremsen, Lenkung und diejenigen Fahrer-assistenzsysteme, die darauf Zugriff haben. Aber was genau ist MBT?

Bei MBT werden aus den Requirements heraus Testfälle automatisiert erzeugt und Testergebnisse automatisch verifi ziert. Voraussetzung für jegliche Automatisierung

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RELATIONS AND MEANS TO CHECK THEM

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REQUIREMENTS• Analyse (Modell-Check)• Simulation (Model-in-the-Loop-Test)• Verfeinerungs-Check

• Analyse (Modell-Check)• Simulation (Model-in- the-Loop-Test)• Verfeinerungs-Check

• PiL(Processor-in-the-Loop)/ HiL(Hardware-in-the-Loop)-Test• Monitoring

• SiL(Software-in-the-Loop)-Test • Monitoring

Statische Codeanalyse• frei von Runtime-Errors• Invarianten• WCET(Worst-Case Execution

Time)-Stacknutzung

(INFORMAL)REQUIREMENTS

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CONSITENCY CHECKING

SATISFIES OR REFINES

CONFORMS TO (REFINEMENT)

SATISFIES

Verschlungene Pfade: Der Weg von den Requirements zum fertigen System führt über eine Vielzahl von Modellen.Quelle: MBAT Consortium (mbat-artemis.eu)

SPECIFICATION MODELRN…R2R1

CONFORMS TO (REFINES)V&V-STATUS

HIGH-LEVEL DESIGN MODEL(S)

DETAILED DESIGN MODEL(S)IMPLEMENTATION MODEL(S)

ANALYSIS- & TESTING-MODEL(S)

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ANALYSIS- & TESTING-MODEL(S)

TRANSFORMATION/INFO

TRANSFORMATION/INFO

IMPLEMENTATION CODE

ist, dass die Requirements in stark formalisier-ter, abstrakter und damit für den Computer zugänglicher Form vorliegen. »Beim MBT ist die Basis für diese formalisierte Gestaltung meist die Unifi ed Modeling Language (UML), die in der Softwareentwicklung starke Verbreitung gefun-den hat«, sagt Henri Debrat.

Model-Based Testing schließt andere oder weitere Testansätze keineswegs aus. Es stellt vielmehr eine verfahrenstechnische Ergänzung zu weiteren Methoden dar. Gegenüber anderen Verfahren weist MBT jedoch einige Unterschiede auf. Der wichtigste erscheint auf den ersten Blick zunächst als Nachteil: MBT setzt eine abstrakte, maschinenlesbare Darstellung der Requirements voraus – zum Beispiel eben in UML. Damit aber, und darin liegt der Vorteil dieses Ansatzes, elimi-niert es eine häufi ge Fehlerquelle, die auf der Am-bivalenz und Deutbarkeit natürlichsprachlicher Beschreibungen beruht. »Schon das Lastenheft – die Aufl istung der Anforderungen für ein Projekt – ist eine fehleranfällige Grundlage, um Tests zu defi nieren. Denn die enthaltenen Formulierungen sind nicht formal genug«, beschreibt Debrat die Problematik. »Selbst maschinenlesbare Skripts für die automatische Durchführung von Tests sind oft nur von ihren eigenen Entwicklern lesbar, weil sie so detailliert sind.«

Model-based Testing bietet eine grafische, maschinenlesbare gemeinsame Plattform für alle am Entwicklungsprozess Beteiligten, vom Mitarbeiter des Requirement Engineerings über die Architekten und Entwickler in der Implemen-tierungsphase bis hin zu den Testingenieuren.

Die stark formalisierte Sprache gibt den Betei-ligten die Möglichkeit, sich über die Defi nition der Erwartungen – denn nichts anderes sind die Requirements – zu verständigen.

Aufgrund der formalisierten Darstellung und der daraus resultierenden Maschinenlesbarkeit bietet das Modell die Möglichkeit, mittels geeigneter Softwaretools Testprozeduren automatisch zu generieren. »Ist das Testmodell erstellt, so können die an der Entwicklung Beteiligten mit hinreichen-der Sicherheit davon ausgehen, dass sowohl der Entwicklungsvorgang als solcher als auch die Tests auf der Basis der gleichen Erwartungen durchge-führt werden«, erläutert Debrat. Das digitale Modell bildet somit die Grundlage für die Generierung der Testfälle. Das spart Zeit und Arbeitsaufwand. Und weil damit manche Fehlerquellen bereits in einem frühen Stadium des Entwicklungsprozesses eliminiert werden, werden kostspielige Design-änderungen weniger häufi g erforderlich.

Henri Debrat und seinen Kollegen steht dazu ein umfangreiches Toolsortiment zur Verfügung. Beispiele sind Softwarewerkzeuge aus der Simu-link-Familie von Mathworks, IBMs Rhapsody ATG sowie eine große Anzahl sehr spezifi scher Tools für Teilaufgaben und Spezialzwecke. Und obwohl UML seit der Vorstellung des UML Testing Profi le eine Art Fixstern für Testmodellierer darstellt, ist es noch lange nicht Standard des Model-based Testing. »Fast alle Werkzeuge haben ihre eigenen spezifi schen Sprachen«, hat Debrat festgestellt. Trotzdem: Nach langer Forschung im Rahmen von EU-Förderprojekten ist MBT nun reif für den produktiven Einsatz.

D R . H E N R I D E B R A TFERCHAU-Experte für

Systemtest und -integration

»Selbst maschinenlesbare Skripts für die automatische Durchführung von Tests sind oft nur von ihren eigenen Entwicklern lesbar, weil sie so detailliert sind.«

<atFERCHAU #19> C O V E R

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ENGINEERING UND IT 2017 IN ZAHLEN

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W U R D E D I E E R S T E F U S S G Ä N G E R B R Ü C K E A U S B E T O N A U S E I N E M 3 D - D R U C K E R F E R T I G G E S T E L LT .

WARUM ENTSCHEIDENSICH UNTERNEHMEN FÜR AGILE METHODEN �?

12 meter länge1,75 Meter breite alcobendas, spanien

Quellen: 1) Studie Bitdefender, 2) Bitcom, 3) Studie Bitdefender, 4) Heise, 5) Hochschule Koblenz: Status Quo Agile 2016/2017, 6) www.3d-grenzenlos.de

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EIN DEUTSCHER HAUSHALT BESITZT IM DURCHSCHNITT 10�smarte, MIT DEM INTERNET VERBUNDENE Geräte.1

1.051.000Jobs wird es Ende 2017 inder Bitcom-Branche geben,das sind 21.000�Jobsmehr als im Vorjahr.

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der Deutschen haben SICHERHEITSBEDENKEN

bei IoT- oder Smart-Home-Konzepten.2

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SPEICHER AUS DER SPRAYDOSE

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A lle Jahre wieder veröffentlicht das IT-Marktforschungs-unternehmen Gartner seinen »Hype Cycle«, in dem der Status von rund 2.000 Techniktrends unter die Lupe

genommen wird. Für die relevantesten unter ihnen beschreibt das Technikorakel dann eine Entwicklungskurve, die die Produkte vom ersten Hype bis hin zur Marktreife zurücklegen werden.

Zukunft für smarte WinzlingeAm Beginn einer verheißungsvollen Evolution nennt Gartner in seinem Hype Cycle unter anderem Technologien wie den »Smart Dust« – intelligenten Staub. »Leistungsfähige, extrem miniaturi-sierte Systeme – insbesondere Sensoren – werden in Zukunft dann unter dem Aspekt des ›Internet of Things‹ (IoT) massenhaft verwendet«, sagt der Leiter des Instituts für Angewandte For-schung der Hochschule Furtwangen, Professor Ulrich Mescheder. Die Baugröße schrumpft von Volumina, die heute bei wenigen Kubikmillimetern liegen, bei ähnlicher Leistungsfähigkeit auf die Größe von Staubpartikeln.

»Heute werden zwar schon viele drahtlose Sensoren eingesetzt, aber die wenigsten von ihnen haben bereits Staubkorngröße«, sagt der Erfi nder des »Smart Dust«, Kristofer Pister, Professor

für Elektrotechnik und Computerwissenschaften an der University of California in Berkeley. Doch die Technik werde immer raffi nierter und ausgefeilter, so dass die Entwickler davon rasch profi tieren könnten.

»Smart Dust« aus der SpraydoseDie Welt der autonomen Mikrosensoren könnte bald durch eine Erfi ndung US-amerikanischer Forscher der Duke University in Durham, North Carolina, bereichert werden. Sie haben ein neues Verfahren entwickelt, das digitalen Speicherplatz gänzlich mit einem Aerosol-Jet-Printer ausdruckt. Statt mit Transistoren aus Silizium operiert der neue Speicher auf der Basis beschichteter Nanodrähte mit Kupferbahnen, die in eine Polymer-Matrix einge-bettet sind. Wenn man die Nanodrähte und das Polymer in eine Methanol-Lösung gibt, kann die geimpfte Flüssigkeit präzise auf jede Oberfl äche gesprüht werden. Dieses Speicherspray könnte bald auch aus einer Dose kommen.

»Ein Speicher ist eine sehr abstrakte Sache, grundsätzlich ist es eine Serie von Einsern und Nullen, die man nutzen kann, um Informationen zu verschlüsseln«, erklärt Chemieprofessor Benjamin Wiley. In diesem Fall wird die Information in Form unter-schiedlicher Widerstände abgelegt und ausgelesen. Mit einer kleinen Schreibspannung kann der Speicher zwischen hohem und niedrigem Widerstand umgeschaltet werden.

Speicher to go Im aktuellen Forschungsstadium beschränkt sich das Speicher-volumen zunächst nur auf vier Bit, es handelt sich aber immerhin um den ersten voll druckbaren Digitalspeicher der Welt. Dieses Verfahren eröffne völlig neue Anwendungsmöglichkeiten zum Beispiel für Umweltsensoren oder RFID-Tags, prophezeien die Wissenschaftler. Produkte benötigen dann keine Etiketten mehr und die gespeicherten Daten zerfallen in »Smart Dust«.

Vergessen Sie Industrie 4.0. Denn es wird alles noch smarter und noch kleiner: zu Staub!

Links oben: 4 x 4 Bit mit drei Schichten aus Gold auf dem Boden, Cu-SiO2-Nanodrähte in Ethylcellulose in der Mitte und Kupfer auf der Oberseite. Abmessungen 20 x 25 mm und nur 6 µm dick. Druckvorgang dauert noch einige Stunden. Rechts oben: Testschaltung. Unten: Blinkende LEDs, die die Funktion bestätigen.

Bilder: Matthew Catenacci/Duke University

P r o f . K r i s t o f e r P i s t e rProfessor für Elektrotechnik und Computer-wissenschaften an der University of California in Berkeley und Erfi nder des »Smart Dust«

<atFERCHAU #19> B R A N C H E N G E F L Ü S T E R

Elektroden, Chips, Magneten – mit verschiedenen Mitteln wollen Biohacker den menschlichen Körper verbessern. Sind wir bald alle Cyborgs?

atrick Kramer vergibt Seriennummern an Menschen. In Form kleiner Microchipimplantate, die er seinen Kunden unter die Haut schiebt – auf die Handober-fl äche, zwischen Daumen und Zeigefi nger. Jeder Chip eine Nummer. Der Geschäftsmann betreibt

den Online-Versandhandel Digiwell, der mit dem Slogan »Upgrading People« wirbt.

Mit dem Implantat können seine Kunden etwa ihre Haus-schlösser aufschließen, ihre Laptops entsperren oder die Beleuchtung in ihrem Smart Home steuern. Vorsichtigen Schätzungen zufolge tragen deutschlandweit ein paar tausend Personen einen Chip unter der Haut, weltweit sollen es rund 50.000 sein.

Noch sind Kramers Mikrochips nicht mehr als praktikable Schmuckstücke für technikbegeisterte Selfmade-Pioniere. Aber er träumt von mehr: »Diese Technologie wird eine wahnsinnige Entwicklung zurücklegen«, sagt er. Kramer spricht von Shytec – also schüchterner Technolo-gie. Technologie, die so klein und unauffällig ist, dass man sie gar nicht mehr wahrnimmt. Technologie, die den Men-schen künftig effi zienter und leistungsfähiger machen soll. Technologie, die Menschen in Cyborgs verwandelt.

Cyborgs träumen davon, die biologische Hülle zu über-winden und mit Technik zu verschmelzen. Sie nutzen digitale Technologien, um über die Last der Körperlichkeit hinauszuwachsen. Die Szene ist divers – von DIY-Cyborgs

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UPGRADEYOURSELF!

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bis hin zu Experten, die Anwendungen für den Einsatz im Leistungs-sport, in der Arbeitswelt oder beim Militär entwickeln. Die beson-ders Radikalen, die sogenannten Grinder, stellen ihren eigenen Körper zur Verfügung, um mit am Menschen unerforschten Tech-nologien zu experimentieren.

Die Anwendungen sind so speziell wie der menschliche Körper. Meist geht es dabei darum, neue Sinne zu kreieren oder gege-bene Sinne zu erweitern. Cyborgs pfl anzen sich Magneten in die Fingerkuppen, um Büroklammern aufzulesen. Sie setzen sich Gedankenhelme auf, um bestimmte Hirnregionen zu stimulieren. Sie schnallen sich Exo-Skelette um, um schneller zu laufen oder schwere Gewichte problemlos auf den Schultern zu tragen. Auch Unternehmen forschen mit: Facebook arbeitet an einer Technolo-gie, mit der man Gedanken direkt in Text verwandeln kann.

Als philosophischer Vordenker der Cyborgs gilt der amerikanische Technikvisionär Ray Kurzweil mit seiner Idee der Singularität. Die Singularität ist für ihn jener Zeitpunkt, an dem die künstliche Intelligenz die Kontrolle über das Schicksal der Erde übernehmen wird. Kurzweils Erlösungsszenario besagt, dass wir Menschen in etwa dreißig Jahren unsterblich sein werden – weil winzige Roboter, sogenannte Nanobots, in unserem Körper alte und defekte Zellen austauschen werden.

Auch die Ursprünge des Biohacking-Gedankens stammen aus der Medizin: Prothesen, Herzschrittmacher und Hörgeräte gleichen dort seit Jahrzehnten verlorene Körperfunktionen aus. »Mit der Weiterentwicklung der Medizin geht es heute nicht mehr nur um Heilen und Wiederherstellen, sondern zunehmend auch um das Bessermachen«, erklärt Dierk Spreen, Technik-Soziologe und Cyborg-Experte. Spreen spricht von einer Upgrade-Kultur: Cyborgs versuchen sich selbst zu optimieren, ihre Wahrnehmung oder Erscheinung zu verbessern.

Enno Park ist ein prominenter Cyborg Deutschlands. Durch ein Cochlea-Implantat hat er sein verlorenes Gehör wiederbekommen. Bald stellte er fest: Sein Implantat kann mehr als ein menschlichesOhr. Park kann es hacken, ausschalten, lauter stellen und seiner Umgebung anpassen. So kann er in lauten Kneipen sein Gegen-über besser verstehen als seine Freunde mit natürlichen Ohren. Und: Bis zu einer bestimmten Grenze ist sein Implantat frei programmierbar.

Park gründete den Verein Cyborgs e. V. Damit will er zur Diskussion über Mensch-Maschinen anregen und das Image von Cyborgs aufbessern. Viel zu oft würden diese in die Freak- oder Science-Fiction-Ecke geschoben werden.

Auch der kritische Technik-Soziologe Spreen sieht keinen prinzipiellen Grund, warum wir Menschen uns nicht verbessern sollten, wenn wir doch die Technologie dazu haben. Jedoch warnt er auch vor den Gefahren, wie etwa Hacking, und dem »totalitären Zug« der Upgrade-Kultur. Mit Biohacking sei ein äußerer Verbesserungsdruck verbunden, der sich in Exklusions- oder Abstiegsängsten äußere. Denn wenn Menschen mit Maschinen verschmelzen und ihre Fähigkeiten künstlich erweitern, liegt die Latte irgendwann für alle höher.

P A T R I C K K R A M E Rbetreibt den Online-

Versandhandel Digiwell

Durch ein Cochlea-Implantat hat Enno Park, Gründer des Vereins Cyborg e.V., sein verlorenes Gehör wiederbekommen.

COCHLEA-IMPLANTAT Das Cochlea-Implantat verbindet ein Mikrophon am Kopf mit der Hörschnecke im Ohr, der Cochlea. Dazwischengeschaltet ist ein digitaler Sprachprozessor. Über eine Sendespule werden akustische Signale an eine Emp-fangsspule gesendet, die sich hinter dem Ohr unter der Kopfhaut befi ndet. Dort werden sie über einen Stimulator über Elektroden an die Cochlea weitergegeben. Der integrierte Arduino-Chip lässt sich hacken – und so lässt sich der Hörsinn erweitern.

COCHLEA-IMPLANTAT

THYNC Schon heute können die Hirnaktivitäten in ge-wissem Maße beeinfl usst werden. Das Start-up Thync entwickelte ein System, das sich Nutzer an die Stirn klemmen, wobei sie zusätzlich eine Elektrode am Hinterkopf anbringen. Thync-User sollen so per App bestimmen können, ob sie sich entspannen oder anspannen möchten – Gemütszustand auf Knopfdruck.

MIKR0-CHIPS Der meistverkaufte Chip ist der sogenannte xNT. Das Implantat vereint zwei Technologien: Mittels der RFID-Technologie erhält der Träger eine einmalige Seriennummer und wird somit unverwechselbar. Mit Hilfe von NFC kann der Chipbesitzer über eine Handy-App Informationen auf dem Chip speichern und ändern: Er kann dort seine Visiten-karte oder seine Krankenakte ablegen oder einfach nur den Link zu seinem Twitter-Profi l.

D I E R K S P R E E NTechnik- Soziologe und Cyborg-Experte

Bild: © Leon Krenz, »Der Journalist und Autor Enno Park« für ze.tt

B R A I N - C O M P U T E R - I N T E R F A C E S : W I E F A C E B O O K G E D A N K E N L E S E N W I L L . ferchau.com/fwd/pg1053blg2487

<atFERCHAU #19> B R A N C H E N G E F L Ü S T E R

Q U A N T E N - R E C H N E R G E G E N D E N V E R K E H R S - K O L L A P S

Die Prozessoreinheit beim Quanten-computer D-Wave 2000Q arbeitet mit einem sogenannten Kryostat. Die rechts abgebildete Kühleinheit erzeugt die Arbeitstemperatur von 15 Millikelvin, das entspricht minus 273,135 Grad Celsius.

Absoluter Nullpunkt0 KelvinMinus 273,15 Grad Celsius

Der Com- puter, der aus der Kälte kommt

Staus vermeiden, bevor sie entstehen – so lautet das Ziel von Volkswagen bei der Verkehrs- optimierung in Peking. IT soll den Verkehrsfl uss optimieren. Da bisherige Hardware damit überfordert ist, kommen Quanten- computer zum Einsatz.

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 21 Millionen Einwohner und mehr als 5 Millionen Autos – der Berufsverkehr in der Metropole Peking ist im

Vergleich zu europäischen Großstädten höllisch. An manchen Tagen dauern die Staus länger als vier Stunden. Die bisheri-gen Maßnahmen wie etwa eine Stau-steuer oder bewusste Verzögerungen bei der Anmeldung von Pkws haben wenig Linderung gebracht. Der Pkw-Hersteller Volkswagen arbeitet in einem Forschungs-projekt daran, die Staus zu verhindern, bevor sie entstehen. Der Kniff dabei ist die aktive Verkehrssteuerung.

»Wir erfassen die Bewegungsdaten von 10.000 Pekinger Taxis per GPS und weisen den Wagen auf Basis einer Verkehrs-simulation den günstigsten Weg durch die Stadt«, berichtet Martin Hofmann, Chief Information Offi cer bei Volkswagen. »Gleichzeitig stellen wir sicher, dass durch die Verkehrslenkung keine neuen Staus an anderer Stelle entstehen.«

Klassische IT wäre mit der Verkehrsoptimierung überfordertDie Simulation versucht, 10.000 Fahr-zeuge auf alternative Punkte zu verteilen. »Hierbei kommt es sehr schnell zu einer kombinatorischen Explosion, die klassi-sche Computer überfordert«, erläutert Florian Neukart, Data Scientist bei Volkswagen. Da Neukart auch an einer holländischen Universität das Thema Quantencomputer unterrichtet, lag seine Lösung nahe: Man nehme einen neuartigen Rechner, der den heutigen Modellen an Rechenleistung dramatisch überlegen ist, weil er nicht nach den Gesetzen der Elek-tronik, sondern nach denen der Quanten-physik arbeitet: den Quantencomputer.

Herkömmliche Rechner arbeiten mit Bits, die entweder den Wert »Null« oder »Eins« haben können. Ein Quantencom-

puter hingegen arbeitet mit sogenannten Quantenbits, die in beiden Zuständen zugleich sein können. Je nach Art des Quantencomputers werden die Qubits auf unterschiedliche Weise erzeugt. Bei einem dieser Verfahren bestehen die Qubits aus Magnetfeldern, die Spulen in supraleitenden Schaltkreisen bei Tempe-raturen nahe des absoluten Nullpunkts erzeugen. »Zwischen diesen Qubits kann man eine Wechselwirkung anregen, so dass diese sich gegenseitig spüren«, erläutert Christoph Becher, Professor für Experimentalphysik an der Universität des Saarlands. »Das System versucht dann, sich so anzuordnen, dass es eine möglichst geringe Energie einnimmt.« Anhand der Verteilung der Magnetfelder versuchen die Forscher, die Lösung des Rechenproblems abzulesen.

Erste Experimente mit Qubits liefen 2001 am IBM Almaden Research Center. Heute unterscheiden Forscher drei Gruppen von Qubits: Die einfachste Stufe sind soge-nannte Quantum Annealer, mit denen sich lediglich eine einzige Aufgabe lösen lässt. Am oberen Ende stehen Universal Qubits, die sich universell programmieren lassen, die aber einen enormen Aufwand bei der Fehlerkorrektur erfordern. Als Zwischen-stufe gelten analoge Quantencomputer. Sie erfordern einen geringeren Aufwand bei der Fehlerkorrektur, so dass sich mit ihnen die Leistung möglicherweise einfacher erreichen lässt.

Drei Entwickler kämpfen derzeit um die Spitzenposition: D-Wave mit einem Quantum Annealer, Google mit einem analogen Quantencomputer und IBM mit universellen Qubits.

Qubits arbeiten tausendmal so schnell wie klassische ChipsIm jüngsten Quantencomputer von D-Wave arbeiten bis zu 2.000 Qubits –

laut Hersteller mindestens tausendmal so schnell wie ein konventioneller Rechner, der ähnliche Algorithmen mit einem Haupt-prozessor einer Grafi kkarte mit 2.500 Kernen berechnet. Genau dieses Modell kommt bei VW zum Einsatz.

Auf dem Rechenboliden laufen keine Programme aus der klassischen Rechner-architektur. Ein sogenanntes Quantum Machine Interface übersetzt bei D-Wave die Befehle aus der Programmiersprache Python in Funktionsaufrufe, die der Quan-tenrechner versteht. Bei der Verkehrsfl uss-optimierung in Peking geht es vereinfacht gesagt um die Frage, wie die Ressourcen Zeit und Geld optimal genutzt werden. Der Quantencomputer von D-Wave ist genau für diese Fragestellung optimiert. Laut Hersteller beträgt die Rechenzeit 5 Sekun-den statt 30 Minuten, die ein herkömmli-cher Rechner dafür brauchen würde.

Ein Quantencomputer arbeitet nahe am absoluten NullpunktDamit die Quanteneffekte entstehen, müssen die Qubits auf 15 Millikelvin abge-kühlt werden. Im Vergleich zu dieser Kälte wirken die 4 Kelvin von fl üssigem Helium oder die 77 Kelvin von fl üssigem Stickstoff regelrecht heiß. Der enorme Aufwand ist ein Grund dafür, dass Volkswagen den Quantencomputer nicht selbst betreibt, sondern sich die Rechenleistung beim Hersteller nach Bedarf anmietet.

Mit den Erfolgen bei der Routenoptimie-rung zeigt sich VW zufrieden. Künftige Einsatzfelder für den Quantencomputer sehen die Pkw-Spezialisten im autonomen Fahren, in intelligenten Mobilitätslösun-gen oder auch in der Selbstoptimierung von Robotern in der Produktion.

Für die Verkehrsfl uss-Optimierung in Peking nutzen IT-Experten von Volkswagen einen Quantencomputer.

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Der Quantencomputer steht nicht bei Volkswagen, sondern im Rechenzentrum des Herstellers D-Wave in Kanada.

← B i l d r e c h t s

T E C H N I K V E R G L E I C H D E R G Ä N G I G E N Q U A N T E N C O M P U T E Rferchau.com/fwd/pg1053blg2488

<atFERCHAU #19> B R A N C H E N G E F L Ü S T E R

D I G I T A L I S I E R U N G S O L L S T Ä D T E L E B E N S W E R T E R M A C H E N

Null Stau dank Sensoren?

T E X T : B E R N D S E I D E L , J Ü R G E N F R I S C H

D ie Vision klingt verführerisch: »Eine Smart City ist eine nahezu decarbonisierte Stadt, in der Nachhaltigkeit

konsequent gelebt wird«, berichtet Dr. Chirine Etezadzade vom Smart City Insti-tute. »Die Lebensqualität aller Bewohner sowie der Erhalt des Klimas und der Umwelt stehen im Mittelpunkt.« Viele Städte versuchen, sich diesem Ideal zu nähern. Laut diversen Prognosen soll der weltweite Markt für Smart-City-Lösun-gen im Jahr 2020 zwischen 500 Milli-arden und 1,5 Billionen Dollar umfassen. Eine riesige Chance für interdisziplinäre Projekte aus Ingenieuren, IT-Experten und Stadtplanern.

Analytik steuert Verkehr und Logistik Mit Berlin, Düsseldorf und Hamburg legen einige deutsche Metropolen Smart-City-Programme auf. Es geht dabei um die intelligente Steuerung von Verkehr, Versorgung und Logistik. »Es ist an der Zeit, die Daten zu Verkehr, Umwelt oder Energie zu vernetzen und sinnvoll aufzubereiten«, erläutert Dirk

Heuser vom Urban Software Institute. »Unternehmen können auf dieser Basis Dienstleistungen und Angebote schaf-fen, die den Bürgern zugutekommen.«

Mit URBAN PULSE betreibt das Smart City Institute eine Plattform, die Daten sammelt und bereitstellt. Hier laufen Informationen aus Sensoren, Fachab-teilungen und Sicherheitsdiensten zusammen, etwa aus Parkautomaten, Ampeln oder Kameras der Verkehsüber-wachung. Daraus lassen sich in Echtzeit Rückschlüsse ziehen für eine dynami-sche Ampelschaltung oder die Verkehrs-planung. Neben Verkehr und Warenlo-gistik gilt auch die effi ziente Nutzung von Energie und Wasser als Bereich für Innovationen. Smart Meter übermitteln neben den Verbrauchsdaten auch Anga-ben zum Nutzungsverhalten und dienen als Basis für intelligente Stromnetze.

Die technologische Infrastruktur spielt in Smart-City-Projekten eine zentrale Rolle. IT-Konzerne entwickeln unter-schiedliche Lösungen: IBM setzt auf eine Cloud-Infrastruktur, die Polizei, Feuerwehr und Notarzt vernetzt und den Straßenverkehr sowie die Strom- und Wasserversorgung steuert. Siemens entwickelt Zentralen, über die sich in Echtzeit Informationen über Verkehr,

Reibungsloser Verkehr, saubere Luft, schnelle Lieferungen

und Unterstützung im Alltag – all das verheißen Smart- City-Projekte. Basis dafür sind

Sensoren und Datenanalysen.

Was Komfort und Sicherheit bringt, können Hacker empfi ndlich stören.

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Energieversorgung und Stadtreinigung abrufen lassen. Der Netzwerkausrüster Cisco unterstützt die »Smart + Connected Communities Initiative«, die Dienstleis-tungen bereitstellt.

Von E-Mobility über Carsharing zum Fahrradkurier»Städte sind die größten Verbraucher von Ressourcen, haben aber auch das größte Optimierungspotential«, berichtet Ina Schieferdecker, Leiterin des Berliner Instituts Fraunhofer Fokus. Berlin ex-perimentiert mit innovativen Verkehrs-systemen. Die Bürger probieren dort E-Mobility-Projekte aus und testen Apps zur Routenoptimierung sowie neuartige Liefersysteme. Im Rahmen des EU-Ver-bundprojekts »Bentobox« dienen Boxen an einem zentralen Ort als Abholstation und Umschlagplatz für Lieferdienste. Lieferanten schließen die Pakete dort ein, Fahrradkuriere liefern sie zum Kunden.

Die Stadt Hamburg arbeitet im Pilotpro-jekt »Smart Port« an einer intelligenten Infrastruktur für den Hafen, das Waren- und Verkehrsströme lenkt und Pendler zur Arbeit bringt. Straßen erhellen sich,

wenn ein Fahrradfahrer kommt, Ampeln erkennen, wenn sich ein Bus nähert, und verschaffen ihm ebenso wie Lastkraft-wagen verlängerte Grünphasen. Das Projekt »Switchh« vernetzt Verkehrsinformationen in Echtzeit. Eine Smartphone-App zeigt Rei-senden, wie sie von A nach B kommen. Die Auswahl umfasst öffentliche Verkehrsmit-tel, Mietfahrräder, Carsharing-Fahrzeuge, Mietwagen oder einen Mix daraus.

Assistenzsysteme unterstützen SeniorenAuch das Thema Assisted Living gehört zu einer Smart City. Die Stadt Düsseldorf hat gerade den Regelbetrieb des 2016 gestarteten Projekts eHealthcare vermel-det. Zusammen mit dem Telekommuni-kationsausrüster ZTE erprobt das dortige Gesundheitsdezernat in Seniorenwoh-nungen, wie älteren Menschen mit Hilfe von Technologie länger zu Hause wohnen können. Das System basiert auf einer

Reihe kleiner Sensoren mit einer Analyse-plattform und überwacht Senioren ohne den Einsatz von Kameras. Eine Smartphone-App informiert Angehörige und Pfl eger über das Befi nden und schlägt bei Auffäl-ligkeiten Alarm. Das Urteil der Teilnehmer im Alter zwischen 75 und 90 Jahren fällt positiv aus. Die Sensoren stören nicht oder werden gar nicht bemerkt.

Hacker könnten das städtische Leben empfi ndlich störenSind städtische Systeme über das Internet vernetzt, eröffnen sich allerdings Angriffs-fl ächen für Hacker. Das erlebten Anfang April 2017 die Bewohner der US-Metropole Dallas, als nachts die Sturmwarnsyste-me Alarm schlugen. Ursache war nicht etwa ein Orkan. Vielmehr hatte ein Hacker das Sicherheitssystem der Warnanlage überlistet. Eine Katastrophe hat ein Smart-City-hack noch nicht ausgelöst. Laut Peter Tran, Senior Director beim Sicherheitsspe-zialisten RSA Security, ist so etwas durch-aus denkbar. Fielen mehrere verbundene Systeme gleichzeitig aus, würden Daten gelöscht oder stockte der Informations-fl uss, könne das städtische Finanzsystem zusammenbrechen. Und mit ihm mögli-cherweise das städtische Leben.

»Städte sind die größten Verbraucher von Ressourcen, haben aber auch das größte Optimierungs-potential.«

<atFERCHAU #19> B R A N C H E N G E F L Ü S T E R

G olden Krishna hat einen Traum. Den Traum einer bildschirmfreien Welt. Denn

egal ob Smartphone, Entertain-ment-System im Auto oder smarte Waschmaschine – wir verbringen zu viel Zeit damit, auf Displays zu starren, sagt der US-amerikanische Interaktionsdesigner. Oft mehr als sechs Stunden pro Tag. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des Markt-forschungsinstituts Forsa. Smartphones und Tablets nicht mitgerechnet. In seinem Buch »The best inferface is no interface« schreibt Krishna, warum unsere Liebe zu digitalen Geräten außer Kontrolle geraten ist und worum es eigentlich geht: nämlich darum, Probleme nicht mit Bildschirmen zu lösen, sondern, die Probleme der Menschen zu verstehen.

Was Interaktionsdesigner wie Krishna fordern, klingt zunächst abstrakt. Doch ihr Ziel ist, wie gutes Design sein soll, schlicht und einfach: dass Nutzer nicht mehr darüber nachdenken müssen, dass sie einen Computer bedienen.

Seit Jahrzehnten sind Display und Tastatur die Schnittstelle zu unseren Rechnern. Das soll sich ändern, wenn es nach Interak-tionsdesignern geht. Sie sagen: Die beste Schnittstelle ist die, die man nicht sieht. Was steckt dahinter und wie wird die Interaktion zwischen Mensch und Computer in Zukunft aussehen?

T E X T : L I S A K R Ä H E R

DER BILDSCHIRM MUSS WEG!

M E N S C H - C O M P U T E R -I N T E R A K T I O N

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Google-Sensor trackt Fingerbewegungen Im Google-Labor wird an der Aufgabe getüftelt, wie man Geräte ohne physische Bedienelemente steuert. »Soli« heißt das Projekt, in dem Forscher an einer Gestensteuerung mit Hilfe von Radar ar-beiten. Der dafür entwickelte Mini-Sensor kann kleinste Fingerbewegungen akkurat tracken. »Wir hatten die Idee zu diesen virtuellen Tools, weil wir festgestellt haben, dass es bestimmte Urformen der Steuerung gibt«, erklärt Chefdesigner Carsten Schwesig in einem Video. Darin zeigen die Google-Forscher mögliche Anwendungen wie das Drehen an einem imaginären Lautstärkenregler oder das Drücken eines Knopfes. Der Sensor ver-arbeitet die Drückbewegung so, als wäre tatsächlich ein Knopf da.

Auch Informatiker der Hochschule Fulda gehen der Frage nach, wie man einen Computer durch Körperposen und Bewe-gung bedienen kann. Im Forschungspro-jekt »ProGesture« erstellen sie Proto-typen für die Gestensteuerung interaktiver Systeme. Um die Bewegung zu tracken, nutzen die Forscher unter anderem Kinect, die Microsoft-Technik, die mit Hilfe mehrerer Kameras im Raum Bewe-gungen erkennt. Die Herausforderung ist, dass jeder Mensch eine Geste anders ausführt. Die Gefahr, dass das Gerät eine Bewegung nicht versteht, ist hoch. »Das System muss lernen, was der gemeinsa-me Nenner einer bestimmten Geste ist«, erklärt Professor Alexander Gepperth. Deshalb dürfen nur Gesten verwendet werden, die jeder Menschen ungefähr gleich ausgeführt.

Das Gerät muss in der Lage sein, dem Benutzer mitzuteilen, dass es eine Geste nicht verstanden hat, und es muss auf Basis vieler Beispielgesten verschiedener Personen kalibriert werden – mit Hilfe maschineller Lernverfahren.

Klinik erprobt GestensteuerungAn der Uniklinik Gießen wurde die Tech-nik der Fuldaer Forscher erprobt. Dort mussten Narkoseärzte bisher an einem Bildschirm eingeben, wann genau sie beispielsweise einen Tubus bei einem Patienten gesetzt hatten. Dank des neuen Systems machen sie nur eine bestimmte Bewegung und der Computer registriert die Zeitmarke von selbst – ohne Bild-schirm. Professor Birgit Bomsdorf leitet das Forschungsprojekt »ProGesture« und sieht die Anwendung der Gestensteue-rung auch in anderen Bereichen. Zum Bei-spiel dort, wo eine Berührung aus hygieni-schen Gründen nicht gewünscht ist – wie beim Fahrkarten- oder Essensautomat. Auch Menschen mit Behinderung könnten profitieren. Fällt es ihnen zum Beispiel schwer, eine Tür zu öffnen, könnte ihnen die personalisierte Gestensteuerung dabei helfen. Ist die Zeit, in der alle mit gesenk-tem Blick auf Smartphones starren und ihre Daumen beim Scrollen überlasten, also bald vorbei? Werden wir in Zukunft nur noch mit Händen in der Luft fuchteln, um Technik zu bedienen? Birgit Boms-dorf sagt: »Ich glaube nicht, dass es die eine Schnittstelle der Zukunft gibt. Man

muss immer fragen, welche Interaktionsform für welche

Anwendung und welchen Nutzer passt.«

Konversation mit Siri, Alexa und CoManchmal ist es leichter, einfach zu

sagen, was man will. Längst funktioniert das

auch mit den Geräten.

Erst im Juni 2017 stellte Apple seinen neuen smarten Lautsprecher vor, den HomePod, sozusagen den großen Bruder der Sprachassistentin Siri und Konkur-renzprodukt zu Amazons Echo. Seine intelligente Sprachassistentin Alexa kann man nicht nur nach dem Wetter fragen und auffordern, ein Lied zu spielen oder einen Witz zu erzählen. Sie verknüpft sich auch mit anderen Geräten im Haushalt und schaltet zum Beispiel das Licht aus, wenn man sie darum bittet.

Die Vision der Entwickler geht noch wei-ter: So forscht unter anderem Facebook an einer Hirn-Computer-Schnittstelle. Wie Regina Dugan, Vizepräsidentin der Entwicklungsabteilung bei Facebook, bei einer Konferenz im April 2017 verkündete, will das Unternehmen in den nächsten zwei Jahren ein System präsentieren, das 100 Wörter pro Minute durch die Messung von Nervenströmen in Spra-che oder Text wandelt. Menschen sollen so ihre Gedanken schneller mitteilen können.

Wenn wir wollen, dass Maschinen uns besser verstehen, müssen sie uns noch besser kennen. Das funktioniert nur mit einer Menge an Daten, die Systeme über uns sammeln – sei es Bewegung, Sprache, Mimik oder Hirnströme. Ob wir das wollen, ist jedoch die andere Frage. Manchmal, so Birgit Bomsdorf, sei die beste Schnitt-stelle immer noch der vertraute, alte Drehknopf. Und womöglich bleibt auch die Tastatur in Verbindung mit einem Bildschirm noch lange eine gute Möglich-keit, einen Text zu schreiben. Oder, um es mit einem Designleitsatz kurz zu fassen: Form follows function – die Form folgt der Funktion. Das gilt auch für die Mensch-Computer-Interaktion der Zukunft.

D E R B I L D S C H I R M M U S S W E G !ferchau.com/fwd/pg1053blg2491

<atFERCHAU #19> B R A N C H E N G E F L Ü S T E R

»Das System muss lernen, was der gemeinsame Nenner einer bestimmten Geste ist.«

G O L D E N K R I S H N ADer Interaktionsdesigner

Golden Krishna hat mit seinem Buch »The best inferface is no

interface« einen der am meisten diskutierten

Designtexte der vergangenen Jahre verfasst.

B I R G I T B O M S D O R F ist Professorin für

angewandte Informatik an der Hochschule Fulda. Dort leitet sie das Forschungs-

Projekt »ProGesture«.

A L E X A N D E R G E P P E R T HProf. Dr. Alexander Gepperth ist Mitglied des Forschungsteams »ProGesture« an der Hochschule Fulda.

SO PROFITIEREN KUNDEN VOM NEUEN TARIFMODELL

Jede Veränderung bringt Unsicherheit mit sich. Im Zuge der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) betrifft dies vor allem Unternehmen, die Arbeitnehmer entleihen. Die konkrete Umsetzung der Veränderungen sowie die dabei zu beachtenden Fristen geben vielen Einsatzunternehmen das Gefühl, sich auf dünnem Eis zu bewegen. Zudem sind sie gefordert, für das gesetzliche Equal Pay ihre Lohn- und Gehaltsstrukturen einschließlich Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Boni und Zuschlägen zu offenbaren – also alle Karten offen auf den Tisch zu legen.

Um Einsatzunternehmen so weit wie möglich entgegen-zukommen, wechselt FERCHAU daher zum 1. Januar 2018 vom bestehenden Haustarifvertrag mit der IG Metall zum Tarifvertrag des Bundesarbeitgeberverbands der Personal-dienstleister e. V. (BAP). »Dadurch können wir von der fl ächendeckenden Forderung nach gesetzlichem Equal Pay nach neun Monaten abweichen und stattdessen auch ein sogenanntes tarifl iches Equal Pay anbieten«, erläutert Ulrike Rodi, Manager Corporate Projects bei der FERCHAU-Muttergesellschaft ABLE. Möglich wird dies durch unter-schiedliche Branchenzuschläge zum BAP-Tarifvertrag, die von den DGB-Gewerkschaften der wesentlichen Wirtschaftszweige für derzeit zwölf Industriesegmente ausgehandelt wurden. Kunden der relevanten Wirtschaftszweige haben durch die vereinfachte Abwicklung den Vorteil, dass sie ihre Branchen-zugehörigkeit angeben, worauf FERCHAU dann automatisch bei Abschluss eines AÜ-Vertrags den einschlägigen Branchen-zuschlagstarif anwendet und keine weiteren Details aus-getauscht werden müssen. »Wir setzen alle Vorgaben und Informationen in einem SAP-Modul um und können durch die systemische Verarbeitung und Absicherung den Kunden Rechtssicherheit in allen Tarifmodellen bieten«, berichtet AÜG-Expertin Rodi. Begleitet wird der Prozess durch juristisch geprüfte Checklisten und Formulare, um sicherzugehen, dass sämtliche Fristen und Informationen erfasst sind. »Einen nicht rechtskonformen Vertrag wird

es auch zukünftig bei FERCHAU trotz erhöhter Komplexität in der Umsetzung nicht geben«, sagt Rodi.

Der Mitarbeiter erhält gesetzliches Equal Pay oder nähert sich durch die Branchenzuschläge stufenweise an das tarifl ich vereinbarte Equal Pay an – nach 15 Monaten liegt der Zuschlag in der Metall- und Elektroindustrie beispielsweise bei 65 Prozent auf den Tarifl ohn des BAP-Tarifvertrags. Hinzu kommen FERCHAU-Benefi ts, beispielsweise für zusätzliche Urlaubstage, Reisekosten und Weiterbildung. »Mit diesen Zusatzleistungen können wir weiterhin die qualifi ziertesten Mitarbeiter an uns binden, wodurch Kunden eine bessere Auswahl haben.«

Im Zuge der AÜG-Reform stehen bei FERCHAU tiefgreifende Veränderungen an. Um Kunden auch in Zukunft optimal zu unterstützen und alle Dienst-leistungen rechtssicher anbieten zu können, wechselt das Unternehmen den Tarifvertrag. Ziele sind die effi ziente Abwicklung der Zusammenarbeit und die absolute Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

BINÄR.BEWEGTART OF ENGINEERING STARTET DURCH

Der interdisziplinäre Wettbewerb Art of Engineering ist wieder am Start. Das Thema für 2017/2018: binär.bewegt – Symbiosen von IT und Mobilität.

Der Wettbewerb motiviert Kunstschaffende ausgewählter Disziplinen ebenso wie Ingenieure und Informatiker, sich im interdisziplinären Spannungsfeld zwischen Kunst und Technik zu bewegen. Gesucht sind kreative Objekte, Skulpturen, Installationen, Gemälde und Bewegtbilder, bei denen die Verbindung zwischen Ästhetik und Technik sowie die Verschmelzung von IT und Mobilität dargestellt wird. Preisgelder von insgesamt 20.000 Euro sind zu gewinnen. Die Einreichungsphase läuft vom 1. September 2017 bis zum 7. Januar 2018.

Mehr zur AOE 2018 unter:

ferchau.com/go/aoe

ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG

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HALL OF FAMEBereits dreimal wurde die atFERCHAU mit dem Award Best of Content Marketing (BCM) in Gold ausgezeichnet: Daher freuen wir uns, dass unser IT-Kundenmagazin dieses Jahr in die Hall of Fame eingezogen ist!

Und auch die FERCHAUaktuell kann an die Erfolgsserie anknüpfen: Das Redaktionsteam freut sich über Silber in der Kategorie »Magazine B2B Industrie/Energie«.

Zum Download der atFERCHAU und FERCHAUakuell:

ferchau.com/go/download

NACH DEM DRITTEN OSCAR FÜR atFERCHAU

D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U E N G I N E E R I N G

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< DAS ROTKÄPPCHEN-SYNDROM > IT-Schwachstelle Mensch: freundlich, neugierig, hilfsbereit

<17> DIE NERVENBAHNEN DES INTERNETS // Die Auffahrt auf die Datenautobahn liegt in Ostfriesland

<22> FUTTER FÜR DEN TRUTHAHN // Wie Big Data uns in Sicherheit wiegt

FERCHAU Engineering GmbH arbeitet mit den Automobilherstellern an der Realisierung von Zukunftstechnologien wie E-Mobilität und autonomem Fahren. Wie, das erklärt Christian Rudolph, Leiter Geschäftsbereich AUTOMOTIVE.

NAH AM KUNDEN, NAH AN DER TECHNIK

GESCHÄFTSBEREICH AUTOMOTIVE

C H R I S T I A N R U D O L P H

E-Mobilität, autonomes Fahren, Connectivity, Security und Komfort verändern die Automobilindustrie momentan stark. Wie gestaltet FERCHAU diese Veränderungen mit?Wir haben unser Leistungsspektrum den Bedürfnissen des Marktes kontinuierlich angepasst. Im AUTOMOTIVE-Segment, das bereits heute über 20 Prozent des Ge-samtumsatzes von FERCHAU ausmacht, sind aktuell mehr als 1.500 Spezialisten im Einsatz, Tendenz stark steigend. Durch die fortschreitende Digitalisierung sind neben den klassischen Disziplinen im Automobilbau immer stärker Kompeten-zen im Bereich E/E und IT gefordert. Auch diese Bereiche decken wir durch unsere Erfahrungswerte ab.

Künftig ist mehr Kooperation als Wett-bewerb gefragt, um die anstehenden Aufgaben zu lösen. Wie sehen Sie das?Lidar-Sensoren messen präzise die Abstände, Kameras überwachen das

Umfeld, Radar-und Ultraschallsensoren erkennen und vermessen die Umgebung, künstliche Intelligenz verarbeitet nicht nur die Informationen, sondern »lernt dazu«. Die Aufgabenstellungen hierbei sind nicht nur hochkomplex, sondern auch so ge-waltig, dass sie von den Fahrzeugherstel-lern nur mit der Unterstützung und dem Know-how von kompetenten Partnern der Zulieferindustrie und von Entwicklungs-dienstleistern zu realisieren sind.

Gefragt ist auch die Entwicklung von Lösungspaketen, etwa komplexen Kom-ponenten, oder auch Gesamtsystemen. Richtig. Bisher haben wir unsere Auto-motive-Kompetenz in erster Linie im Engineering Support, durch technische Mitarbeiter vor Ort bei den Kunden, unter Beweis gestellt. Das reicht nicht mehr. Automobilhersteller und Systemlieferanten erwarten, dass ihre Engineering-Partner Verantwortung im Produktentstehungs-prozess übernehmen.

Wie sieht das konkret aus?Man braucht die passenden Spezialis-ten – eingebettet in eine leistungsfähige Organisation –, plus die passenden Büro-, Werkstatt- und Versuchsfl ächen, um mit eigenen Teams komplexe Aufgabenpa-kete bearbeiten zu können. Aus diesem Grund hat FERCHAU den AUTOMOTIVE- Standort München gegründet, Anfang dieses Jahres erfolgten die Spezialisie-rung des Standorts in Ingolstadt und die Eröffnung der Niederlassung Stuttgart AUTOMOTIVE. Mit dem neuen Standort Heilbronn wird FERCHAU seine Strategie zur Anpassung an die Bedürfnisse der Automobilindustrie 2017 weiter fortfüh-ren. In direkter Nachbarschaft zu den neuen Kompetenzcentern der Automo-bilhersteller ergibt sich so die nachhalti-ge Möglichkeit, diese bei den technolo-gisch hochanspruchsvollen Themen zu unterstützen.

Herr Rudolph, danke für das Gespräch.

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P R O F . D I E T R I C H D Ö R N E RE M E R I T I E R T E R D I R E K T O R D E S I N S T I T U T S F Ü R

T H E O R E T I S C H E P S Y C H O L O G I E B A M B E R G

Bekannt wurde Professor Dietrich Dörner (Jahrgang 1938 – emeritierter Direktor des

Instituts für Theoretische Psychologie, Otto-Friedrich-Universität Bamberg) durch das

»EMO-Projekt«, in dem ein emotionaler Roboter programmiert und simuliert wurde. Er hat das

Computerwesen PSI (mit-)entwickelt, um die Vorgänge in einem menschlichen Gehirn nachzuvollziehen und zu verstehen, wie

Geist, Wille und Gefühl zusammenwirken.

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V E R S T E H E N

S P R E C H E N

FÜHLEN

KI FINDET MONA LISA NICHT SCHÖN

Wissenschaftler versuchen seit Jahrzehnten, den menschlichen Geist künstlich nachzubauen. Der Kognitionspsychologe und KI-Pionier Professor Dietrich Dörner erklärt im Gespräch mit atFERCHAU, welche Intelligenztests die KI heute bestehen würde und welche nicht. Noch nicht.

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B A U P L A N F Ü R I N T E L L I G E N Z

elche Jobs sind Ihrer Meinung nach am ehes-ten durch den Einsatz von KI gefährdet, Herr Professor Dörner?

Solche, die mehr oder minder komplizierte Routinen enthalten,

bei denen nicht viel gelernt werden muss, bei denen nicht mitgedacht werden muss. Es scheint mir, dass man die Leistung von KI im Moment ziemlich überschätzt, weil die Systeme sehr schnell sind und den Anschein erwe-cken, als wäre das, was sie da tun, eine Folge der eigenen Einsichtsfähigkeit. Die Einsichtsfähigkeit von KI ist aber praktisch gleich null.

Bitte ein Beispiel dafür. Prüfen Sie das doch einmal bei Bera-tungshotlines von Firmen, die Software produzieren. Bei Beratungshotlines macht man doch nach meiner Beobach-tung immer wieder die Erfahrung, wie grunddämlich die Roboter doch sind. Nachdem ich neulich verzweifelt ver-sucht habe, einen Beratungsroboter der Firma Nuance zu befragen, warum meine Benutzerprofi le immer wieder abstürzen, kam schließlich endlich ein menschlicher Berater in die Hotline und erlöste mich vom Beratungsroboter und seinen pro-grammierten Phrasen. Die menschliche Intelligenz ist der künstlichen Intelligenz eben doch noch weit überlegen.

Sind sich die Fachleute denn einig darüber, was Intelligenz eigentlich ausmacht? Intelligent ist, wer oder was für ein unbekanntes Problem selbständig Lösungsmethoden erarbeitet. Wenn ein Mensch das Schachspielen lernt, pro-grammiert er sich selbst und bedient sich nicht irgendwelcher program-mierter Anweisungen, sondern das geschieht durch Zwiesprache mit sich selbst. Man erklärt ihm die Regeln in fünf Minuten, dann kann er es schon rudimentär, oft gar nicht schlecht, spielen. Einen Computer muss man monatelang darauf trainieren, bis er es spielen kann, und sicherlich auch besser als der Mensch. Aber »kapieren« – im Sinne von verstehen oder eine Einsicht haben – wird das der Computer nie.

Gibt es weitere Bausteine der Intelligenz?Die Umgangssprache ist die Program-miersprache der menschlichen Intelli-genz. Denken – das innere Gespräch der Seele mit sich selbst. Keine Maschine ist zurzeit in der Lage, in Umgangsspra-che mit sich selbst zu kommunizieren. Außerdem mangelt es den künstlichen Systemen an Motivation, Neugierde oder Wissbegierde. Sie können ihre eigenen Kräfte nicht abschätzen; sie besitzen kein Selbstwertgefühl, um eine realisti-sche Einschätzung der eigenen

<atFERCHAU #19> V O I C E S

G E I S T

Fähigkeiten zu ermitteln. Sie kennen keinen Ehrgeiz, haben also kein Bedürfnis, sich selbst zu verbessern.

Wäre das möglich?Ja, meines Erachtens wird es schon möglich sein, »wirkliche« Intelligenz herzustellen; aber man muss dafür eben nicht nur »Intelligenz« konstruieren, sondern eine künstliche Seele. Das kann man zwar auch schon zum Teil, aber sehr wesentliche Teile fehlen eben noch.

Welche denn?Zentral ist das Problem der Sprachproduktion und des Sprachverständnisses. Die Umgangssprache ist etwas ganz anderes als etwa eine mathema-tische Sprache, mit der man wenig Schwierigkei-ten hätte. In der Umgangssprache wechseln die Bedeutungen der Worte ständig, oder sie verschie-ben sich langsam in eine andere Richtung. Die Umgangssprache kann als Metasprache für sich selbst benutzt werden. Man müsste einen Compu-ter bauen können, der ein Gedicht schätzt!

Wie sähe denn so ein intelligentes System aus?Es würde mehr einem künstlichen Lebewesen gleichen als den heutigen Systemen. Es müsste motiviert sein, auf jeden Fall Neugier besitzen, wohl auch eine Art von Kompetenzbedürfnis. Es müsste über echte Sprachfähigkeit verfügen, inklusive der Fähigkeit, Sprache zur Konstruktion von Vorstellun-gen benutzen zu können. Es müsste den Umgang mit Bildern beherrschen; in dieser Beziehung sind die gegenwärtigen Systeme der künstlichen Intel-ligenz noch sehr mangelhaft. Auf jeden Fall wäre aber ein solches System insofern problematisch, als seine Entwicklung nicht mehr vorauszusehen wäre. Im Gegensatz zu den gegenwärtig bekann-ten, gemeinhin als KI deklarierten Systemen, wäre es aber wirklich autonom.

Wie verhindert man, dass sich die künstliche Intelligenz ein falsches Bild von der Realität macht? Nun, indem man verhindert, dass die KI einen be-dingten Zusammenhang, der nur unter bestimmten Konditionen gilt, mit einem absoluten, immer gülti-gen Zusammenhang verwechselt. Diffuse Systeme sind für KI nicht durchschaubar. KI braucht Logik! In sehr sauberen und abgeschlossenen Realitäts-bereichen ist sie dann auch quasi »intelligent«, aber nie im Bereich der politischen Entscheidungen oder anderen »unsauberen« Bereichen.

KI kann deshalb auch keine eigenen Emotionen entwickeln? Vielleicht noch nicht. Man muss bei KI immer unterscheiden, was sieht intelligent aus, und was ist wirklich intelligent? Zugegeben, es gibt sehr leistungsfähige Schachroboter und neuer-dings sogar Maschinen, die Go spielen. Aber das sind alles abgeschlossene Realitätsbereiche, in denen nur bestimmte Handlungen erlaubt sind. In solchen Systemen sind logische Maschinen stark, wenn aber beispielsweise neue Erfi ndungen gefragt sind, wenn also beispielsweise der Chef eines Unternehmens zu seinem Vize sagen kann: »Du, wir brauchen ein neues Controllingsystem!«, dann weiß der genau, was er machen muss, oder kann herausbekommen, wo das Controllingsystem schwächelt.

Ein System kann mit der Anweisung »Wir brauchen ein neues Controllingssystem!« wenig anfangen? Richtig. Der gesamte Bereich der Phantasie, der gesamte Bereich des Erfi ndens neuer Vorrich-tungen, Werkzeuge, Computer und Roboter, ist ein Bereich, der bislang von Robotern überhaupt noch gar nicht berührt wird. Ästhetische Prozesse bedürfen der Erkenntnis; man muss Kunstwerke verstehen, und dafür muss man intelligent sein. KI wird Mona Lisa nicht schön fi nden.

Könnte KI denn so etwas im Bewusstsein haben?Aristoteles würde antworten: Das ist die Fähigkeit, sich mit sich selbst zu beratschlagen. Ich glaube, um diese Fähigkeit im großen Umfang zu haben, muss ein System sprechen können und zwar eine menschliche Sprache, nicht eine künstliche Spra-che mit ihren festen Bedeutungen. Ein solches System müsste in der Lage sein, ein Protokoll seiner eigenen vergangenen Tätigkeiten als Objekt zu nehmen, zu analysieren und Fehler in diesem Protokoll aufzuspüren, um dann in Zukunft die ent-sprechenden Fehler zu vermeiden. Das könnte man vielleicht in grober Weise auch jetzt schon bauen, obwohl mir kein System bekannt ist, welches diese Fähigkeit besitzt.

»Man muss bei KI immer unter-scheiden, was sieht intelligent aus, und was ist wirklich intelligent?«

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»Bauplan für eine Seele« – Computer sind dumm. Sie können sich nicht auf ihren menschlichen Gesprächspartner oder auf eine Situation einstellen, sie haben kein Bewusstsein von sich selbst, sie sind nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. 832 Seiten, ISBN-10: 3498012886amzn.to/2tXhUYD

B U C H T I P P

MOTIVA-TION

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L E R N E N

FÜHLEN

PHANTASIE

V E R S T E H E N

N E U G I E R I G S E I N

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B E W U S S T-S E I N

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P L A N E N

Programmierte Emotionen auf Basis von Bits und Bytes statt komplexer Biochemie?Biochemie ist auch nichts anderes als Berechnung, also die Veränderung des Zustands einer Variab-len aufgrund bestimmter chemischer Reaktionen. Irgendeine chemische Reaktion findet statt und dadurch verändert sich zum Beispiel der Wider-stand eines Mediums; elektrische Signale kommen leichter oder schwerer durch. Wenn man weiß, was da geschieht, kann man die biochemische Rech-nung natürlich auch durch eine andere, äquivalente Rechnung ersetzen. Also, wenn Emotionen Bio-chemie sind: Natürlich kann man sie dann auch im Computer realisieren.

Aber Emotionen reichen eben nicht aus ... Genau. KI wird erst mit der Fähigkeit, sich mit sich selbst oder über sich selbst zu beraten, wirklich mächtig. Dann müsste sie aber auch über die Fähig-keit zur Sprachproduktion und zum Sprachverstehen verfügen. Sie müsste Worte haben für ihre eigenen, inneren Zustände (Gefühle) und Prozesse, wie zum Beispiel »Angst«, »Schuld«, »Lernen«, »Tun«, »Pla-nen« usw. Hat man Worte für die Dinge, so kann man sie in einer Sprache nach den Regeln der Grammatik beliebig neu zusammensetzen und auf diese Art und Weise Anweisungen für sich selbst schaffen.

Trotz der menschlichen Unzulänglichkeit von Robotern gibt es bereits Stimmen, die eine Gewerkschaft für Roboter fordern. Gefällt Ihnen dieser Gedanke? Das hängt von den Motiven der Roboter ab und auch von ihren geistigen Fähigkeiten – zum Beispiel von ihrer Bewusstseinsfähigkeit. Wenn ein Roboter nicht schlafen braucht, wozu braucht er dann Urlaub oder überhaupt eine begrenzte Arbeitszeit? Wenn ein Roboter nicht das Bedürfnis hat, seinen Geist zu trainieren, indem er komplizierter Musik lauscht, warum soll er dann überhaupt Freizeit haben? Er könnte gar nichts damit anfangen und würde auch überhaupt nicht darunter leiden, wenn er keine Frei-zeit hätte. Wenn man also einen völlig anthropomor-phen Roboter bauen würde oder bauen könnte, dann bräuchte er natürlich all das, was Menschen auch brauchen. Das ist eine Frage der Bedürfnisse, und die bisherigen KI-Systeme haben überhaupt noch keine Bedürfnisse und Motive! Im Moment kümmert sich auch keiner darum, weil die Leute glauben, es würde reichen, wenn man »intelligente« Autos baut. Das ist ja auch ganz nützlich.

I N N E R E SG E S P R Ä C H

F Ü H R E N

<atFERCHAU #19> V O I C E S

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01 | Das MaKey-MaKey-Set beinhaltet alles, was Sie benötigen: Platine, Kabel und Kurzanleitung. 02 | Das Herzstück: Hier werden USB-Kabel und Krokodilklemmen angeschlossen, um eine Tastatur zu simulieren oder für die Fortgeschrittenen: ein Arduino-Board. 03 | Bananen sind nur eine Möglichkeit zur Eingabe. Denkbar wären beispielsweise Ketchup, Pfl anzen, Münzen, Knete oder Hanno, Ihr Hamster.

Zwei Studenten des MIT Medial Lab in Boston hatten eine fi xe Idee: Mit dem MaKey MaKey soll jeder in Kürze zum Erfi nder werden. Die kleine Platine verbindet sich per USB mit Ihrem Rechner und fortan werden Alltagsgegenstände zum Interface. Programmierkentnisse sind nicht nötig. Zu beachten sind nur zwei Dinge: Der Gegenstand muss elektrisch leitfähig sein und Ihre Phantasie grenzenlos.

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