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Das Janus-Gesicht der Macht 1 Das Janus-Gesicht der Macht Persönliche und gesellschaftliche Konsequenzen rücksichtnehmender versus rücksichtsloser Einwirkung auf Andere Wolfgang Scholl Humboldt-Universität zu Berlin

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Das Janus-Gesicht der Macht 1

Das Janus-Gesicht der Macht

Persönliche und gesellschaftliche Konsequenzen rücksichtnehmender versus rücksichtsloser

Einwirkung auf Andere

Wolfgang SchollHumboldt-Universität zu Berlin

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Das Janus-Gesicht der Macht 2

Das Janus-Gesicht der MachtGliederung

• Macht als Potenzial• Nutzung des Potenzials:

Machtausübung, Einflussnahme und Manipulation• Reaktionen der Betroffenen auf Macht und Einfluss• Rückwirkungen auf den Machtausübenden• Konsequenzen für Wissen und Effektivität• Zusammenfassung

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Das Janus-Gesicht der Macht 3

Macht als Potenzial –Gängige Definitionen

Macht kommt von got. „magan“ = vermögen. Power, pouvoiretc. kommen von lat. „potis“ = vermögend, mächtig; „potisesse“ = mächtig sein, vermögen wird zu „posse“ = können.

Wer möchte diese Fähigkeit nicht haben?

-"Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Bezie-hung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzu-setzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht" (Max Weber)

-"A hat Macht über B in dem Maß, wie er B dazu bringen kann, etwas zu tun, was B sonst nicht getan hätte" (Robert A. Dahl)

-"Unter Macht wird das Vermögen verstanden, auf das Verhalten anderer Einfluss zu nehmen" (Michael Argyle)

-"Macht ist die Fähigkeit zu handeln" (Rosabeth M. Kanter)

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Das Janus-Gesicht der Macht 4

Macht als Potenzial –Forschungsergebnisse (Keltner et al., 2003)

Hohes Machtpotenzial Geringes Machtpotenzial

Gefühle: Positive Stimmung, Gefühle: Negative Stimmung, Stolz, Begehren, Freude; bei Ehrfurcht, Scham, Schuld; Anmache: Ärger, Verachtung. bei Anmache: Furcht, Angst.

Aufmerksamkeit liegt auf Aufmerksamkeit liegt auf Belohnungen, Chancen; Bedrohungen, Gefahren; Andere als mögliche Mittel Selbst als mögliches Mittel für eigene Zwecke. für die Zwecke Anderer.Automatische Kognitionen: Systematischere Kognitionen: Stereotype Kognitionen, Individuierende Kognitionen, Outgroup-Diskriminierung, Ingroup-Diskriminierung, Ingroup-Favorisierung. Outgroup-Favorisierung.Verhalten: Zupackend, Verhalten: Gehemmt, nach eigenen Vorstellungen, kontextabhängig, ggf. normüberschreitend. auf Normen achtend

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Das Janus-Gesicht der Macht 5

Macht als Potenzial – und dessen Nutzung

• Macht zu haben, fühlt sich gut an.• Mit Macht kann man viele andere Belohnungen erlangen,

so dass ein Machtpotenzial an sich belohnend wirkt, schon vor jeder Nutzung. Macht ist ein sekundärer Verstärker (Psychologie), ein generelles Tauschmedium (Soziologie).

• Daher: Menschen streben nach Kontrolle anderer.

• Macht zu haben ist das eine; das Potenzial zu nutzen ist –je nach den Folgen für die Betroffenen – etwas anderes, denn mit Macht kann man andere schützen und fördernoder aber angreifen, benachteiligen und - im Doppelsinne des Wortes - verletzen. Etliche Autoren unterscheiden daher zwischen Machtausübung und Einflussnahme und eventuell Manipulation:

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Das Janus-Gesicht der Macht 6

Einflussnahme, Machtausübung und Manipulation (Scholl, 1976, 1991)

• Einfluss(nahme) ist eine intendierte Einwirkung von A auf das Erleben und/oder Handeln von B, die im Einklang mit den Interessen von B ist. → Die Interessen von B werden gewahrt oder gefördert.

• Macht(ausübung) ist eine intendierte Einwirkung von A auf das Erleben und/oder Handeln von B, die gegen die Interessenvon B ist. → Die Interessen von B werden verletzt.

• Manipulation ist eine Machtausübung von A auf B, die von B entweder gar nicht bemerkt wird oder als Einflussnahme wahr-genommen wird, weil die Verletzung der Interessen von B nicht bemerkt wird. → Die Interessen von B werden verletzt, aber es wird von B nicht registriert oder nicht A zugeschrieben.

• Soziale Einwirkung – als Oberbegriff - ist gegeben, wenn A das Erleben und/oder Handeln von B (mit)verursacht. Die Einwirkung ist umso stärker, je mehr Varianz im Erleben und Handeln von B durch A verursacht wird. Ein Machtpotenzial im bisherigen Sinne ist hier also ein Einwirkungspotenzial.

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Das Janus-Gesicht der Macht 7

Empirische Untersuchung von Macht- und Einflussepisoden

• Beschäftigte in Organisationen werden mit der Macht-Einfluss-Unterscheidung vertraut gemacht, die im übrigen dem deutschen Alltags-Sprachgebrauch entspricht.

• Sie schildern vier Episoden: Macht selbst ausgeübt, Einfluss selbst ausgeübt, Machtausübung erfahren, Einflussnahme erfahren.

• Instruktionsbeispiel:1. "Erinnern Sie sich an eine Situation an Ihrem Arbeitsplatz, in der

Sie Macht ausgeübt haben. Skizzieren Sie diese Situation und beschreiben Sie, was Sie erreichen wollten."

2. "Beschreiben Sie, welche Strategie Sie benutzt haben, um an Ihr Ziel zu kommen."

3. "Beschreiben Sie Ihre Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit der Machtausübung"

Weitere skalierte Fragen zu Reaktionen, Lernen usw. folgten.

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Das Janus-Gesicht der Macht 8

Beispiel Machtausübung1. Ich arbeitete in einem Ferienjob am Fließband in einer

Fensterproduktion. Manchmal musste ich Leim an einer Ecke auftragen. Die vorgegebene Zeit war schwer einzuhalten, daher fing ich an, einfach die ganze Kante zu bestreichen, was schneller ging. Ein Kollege weiter hinten musste allerdings mehr überflüssigen Leim abwischen.

2. Einmal kam ein Kollege und sagte, dass ich ihm unnötig Arbeit machen würde. Ich entschuldigte mich und sagte, dass ich es nicht gewusst hätte und dass ich es noch nicht so gut kann. Da die Kollegen immer wieder wechselten, machte ich einfach weiter so.

3. Ganz zu Anfang versuchte ich, es besser zu machen, aber dann war ich ganz zufrieden mit meiner nachlässigeren Arbeitsweise. Ich rechtfertigte mich damit, dass für den anderen das Abwischen sicher nicht schwerer war als das erleichterte Auftragen für mich. Außerdem war ich neu.

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Das Janus-Gesicht der Macht 9

Beispiel Einflussnahme1. Ich bin Tanzlehrerin und hatte mit einer anderen Frau eine

6-Minuten Show für 14 Tänzer und Tänzerinnen vorzu-bereiten. Gefordert waren vor allem technisch schwierige Figuren, aber die Kollegin wollte mehr freie Jazz-Elemente unterbringen und im Wettbewerb besser dastehen.

2. Sie traf sich wöchentlich mit mir, machte ihre Ideen und Interessen ganz klar, war aber auch sehr offen für meine Ideen und akzeptierte sie. Ich veränderte meine Musik, die sie nicht mochte, bis wir beide zufrieden waren. Mein Show-Konzept mit der grundlegenden Choreographie blieb gewahrt, enthielt nun aber mehr Jazz-Elemente.

3. Zunächst fühlte ich mich überfordert von ihren Wünschen, und die ständigen Abstimmungen und Revisionen waren harte Arbeit. Als die Saison voranschritt, wurden schritt-weise Erfolge sichtbar, und am Ende war das Team erfolgreich, und wir waren beide zufrieden.

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Das Janus-Gesicht der Macht 10

Grundlagen sozialer Einwirkung

Wirkung auf die Alternativenwahl des / der Betroffenen

Scholl (1976, 1991): Grundlagen sozialer Einwirkung

French & Raven(1959):power bases

Ausschluss aller Alternativen Zwang

Höhere Kosten für präferierte Alt. Bestrafung

Anordnung e. Alternative (Kombi) Legalität

Indirekter Ausschluss e. Alternative Situationskontrolle

normative Akzeptanz der Alternat. Legitimation

Höherer Nutzen e. Alternative Belohnung Reward p.

Identifikation mit Bezugsperson Attraktivität Referent p.

Übernahme Alternativenbeurteilung Sachkenntnis Expert p.

Neubeurteilung der Alternativen Information Information i.

Legitimate p.

Legitimate p.

Coercive power

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Das Janus-Gesicht der Macht 11

These: Je restriktiver eine Grundlage, umso mehr eignet sie sich zur Machtausübung

Wahrscheinlichkeit vonMachtEinfluss

Wirkung auf die Alternativenwahl des / der Betroffenen(Alt. = Alternativen)

Scholl (1976, 1991)

French & Raven (1959):power bases

Ausschluss aller Alternat. Zwang

Höhere Kosten f. präf. Alt. Bestrafung

Anordnung e. Alternative Legalität

Indirekter Ausschluss e. Alt. Situationskontrolle

normative Akzeptanz d. Alt. Legitimation

Höherer Nutzen e. Alt. Belohnung Reward p.

Imitation der Bezugsperson Attraktivität Referent p.

Übernahme Alt.beurteilung Sachkenntnis Expert p.

Neubeurteilung der Alternat. Information Information i.

Legitimate p.

Legitimate p.

Coercive power

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Verteilung von Macht und Einfluss über die Einwirkungsgrundlagen

Grundlagen Macht Einfluss

Bestrafung 29 1

Legalität 192 21

Sit.kontrolle 33 8

Legitimität 34 57

Belohnung 5 28

Attraktivität 3 10

Sachkenntnis 15 51

Information 17 75

Episoden 328 251 0% 20% 40% 60% 80% 100%Machtausübung

(Reanalyse der Daten von Buschmeier, 1995)

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Emotionale Reaktionen der Macht- bzw. Einfluss-Betroffenen

(Reanalyse der Daten von Buschmeier, 1995)

0

20

40

60

80

100

120

Beeinflusste BemächtigtePersonenEmotionen Positiv Neutral Negativ

Die Macht-Einfluss-Unterscheidung muss zur Unterscheidung von hohem und geringem Einwirkungspotenzial hinzukommen!

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Das Janus-Gesicht der Macht 14

Weitere Konsequenzen bei den Betroffenen:Psychologische Reaktanz

• Reaktanz ist ein motivationaler Zustand, eine bedrohte oder verlorene Freiheit zu schützen bzw. wieder herzustellen.

• Stärke der Reaktanz hängt ab von – der Wichtigkeit der Freiheit für die Person,– der Stärke der Freiheitseinengung.

• Verhaltensreaktion– Widerstand: direkte Wiederherstellung der Freiheit; oder– indirekte Wiederherstellung durch demonstrative Eigenständigkeit.

• Emotionale Reaktion: Ärger.• Kognitive Reaktion: Aufwertung der versperrten Alternative.

Offene Machtausübung sollte zu Reaktanz führen.

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Weitere Konsequenzen bei den Betroffenen:Erlernte Hilflosigkeit

• Wenn einem Individuum Ereignisse widerfahren, die durch sein Verhalten nicht änderbar sind, d. h. wenn sie unkontrollierbar sind, dann führt das zu erlernter Hilflosigkeit.

• Erlernte Hilflosigkeit hat drei Folgen:– Verhalten: Passivität; es fehlt der Anreiz, etwas zu tun– Emotion: Traurigkeit, Depression– Kognition: Lernen ist beeinträchtigt, Änderungen der

Situation werden oft nicht bemerkt.

Machtausübung, gegen die Widerstand zwecklos ist, sollte zu erlernter Hilflosigkeit führen.

• Reaktanz und Hilflosigkeit scheinen unvereinbar, aber ...

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Das Janus-Gesicht der Macht 16

Reaktionen auf Kontrollverlust –integriertes Modell (Wortmann & Brehm, 1975)

hoch

Motivation, Kontrolle

auszuüben

gering Hilf

losi

gkei

t

R

eakt

anz

Wenigerwichtiges Ereignis:

Wichtiges Ereignis:

gering Erfahrung der Unkontrollierbarkeit hoch

Dieses Modell wurde sowohl experimentell als auch bei Arbeitslosen bestätigt .

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Das Janus-Gesicht der Macht 17

Wirkung von Macht und Einfluss auf Reaktanz und Hilflosigkeit

5

4

3

2

1

0

-1

EinflussMacht Angaben von Beschäftigten, (Buschmeier,

1995)

Widerstand Widerstand Inneres Hilflosigkeit aus Sicht des aus Sicht des Widerstreben (WiderstrebenEinwirkenden Betroffenen d. Betroffenen - Widerstand)

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Machtausübung korrumpiert den Machthaber ... psychisch

Kipnis prüfte und bestätigte folgende Thesen (1976):• Ein hohes Machtpotenzial erhöht die „Versuchung“ für den

Machthaber, verfügbare härtere Mittel zur Durchsetzung persönlicher Vorstellungen einzusetzen, auch gegen die Interessen der anderen.

• Nutzt der Machthaber seine Überlegenheit und fügen sich die anderen, dann sieht er deren Leistung als nicht selbst, sondern von ihm verursacht;

• er findet eine Rechtfertigung seines Tuns in der Abwertung der Betroffenen: die sind nicht fähig, haben kein Recht, verdienen es nicht besser ... und in der Aufwertung seiner Person als wertvoller.

• Er distanziert sich von den Betroffenen und wird in Zukunft noch eher geneigt sein, seine Überlegenheit auszuspielen.

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Machtausübung korrumpiert den Machthaber ... auch materiell

Mitchell et al. (1998) bestätigten folgende Thesen:• Personen in höherer Machtposition unterliegen weniger

strengen Kontrollen (geprüft an Business Schools).• Personen in höherer Machtposition haben mehr Spielraum,

weniger klare Erwartungen und mehr soziale Distanz nach unten (große Ölgesellschaft).

• Personen in höherer Machtposition schreiben sich Erfolge eher selbst zu, Misserfolge eher den Umständen. Bei geringerer Macht schreiben sie es eher ungenügender eigener Anstrengung und Fähigkeit zu (Experiment).

• Mehrdeutige Standards und fehlende Sanktionssystemeführen zu mehr organisationaler und persönlicher Krimina-lität (180 Elektronik-Firmen).

• Klare Standards und Rechenschaftspflicht vermindern ille-gale Handlungen; allerdings nimmt auch das freiwillige Engagement für die Organisation ab (Experiment).

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Machtausübung wird den „Tätern“ oft nicht (sofort) bewusst, weil

• sie sich an ihre eigenen Rechtfertigungen gewöhnt haben bzw. ihrer eigenen Propaganda zunehmend glauben (s.o.),

• es gesellschaftlich vorfabrizierte Rechtfertigungen gibt, z. T. mit der Folge selbsterfüllender Prophezeiung,– die Vorrechte aufgrund angeblicher Fähigkeitsunterschiede

zuteilen, weil die anderen genetisch oder kulturell niedriger stehen (Rassismus, Kolonialismus; Sexismus: Logik, Rationalität, Führungsfähigkeit eher bei Männern?),

– die Änderungen zugunsten der Benachteiligten als Fehlverhal-ten ablehnen und entsprechend bewertete Subtypen kreieren (die abstoßende Karrierefrau, das Mannweib, die Lesbe, die Emanze versus die fürsorgliche Mutter oder das Vollweib),

• wahrgenommene Machtpotenziale automatisch rücksichts-lose (oder rücksichtnehmende) Ziele und entsprechende Handlungen auslösen können wie z. B. sexuelle Übergriffe (Bargh & Alvarez, 2001).

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Machtausübung, Einflussnahme und Wissensproduktion

Machtausübung beeinträchtigt die Wissensproduktion, weil• mächtigere Personen Diskussionen oft beenden, wenn sie ihre Inter-

essen gefährdet sehen;• Personen mit abweichender Meinung unter Konformitätsdruck kommen;• Personen mit relevantem Wissen, aber geringerem Status oft nicht

gehört oder von Entscheidungen ausgeschlossen werden;• Informationen manipuliert werden zugunsten der persönlich präfe-

rierten Alternativen;• Reaktanz oder Hilflosigkeit als Reaktionen auf Machtausübung den

Prozess der Wissensgewinnung weiter verschlechtern.

Einflussnahme dagegen fördert die Wissensgewinnung; sie• fördert den Austausch unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte;• erfordert fortgesetzte, intensive Diskussionen;• induziert eine Suche nach neuen, besseren Alternativen, mit denen sich

die Interessen aller Beteiligten besser befriedigen lassen• lässt Statusunterschiede in den Hintergrund treten.

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Das Janus-Gesicht der Macht 22

Wissenszuwachs bei Macht-ausübung und Einflussnahme

nMacht-situationen

Einfluss-situationen Skala t Sign

97 2.19 2.44 0-5 1.73 .044

„Inwiefern haben Sie (der Einwirkende), Ihrer Meinung nach, im Verlauf der Situation neue Erfahrungen und Kenntnisse gewon-nen?“ (Untersuchung 9)

„Hat die andere Person (Betroffener) von Ihnen Informationen, Ideen und/oder Anregungen über die Sache, um die es bei der Entscheidung ging, erhalten?“ (Untersuchung 4)

nMacht-situationen

Einfluss-situationen Skala t Sign.

35 3.64 4.27 0-6 2.55 .008

nach Buschmeier (1995)

... und mangelndes Wissen führt zu geringerer Effektivität:

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Das Janus-Gesicht der Macht 23

Effektivität bei Macht-ausübung oder Einflussnahme

beurteilt von nMacht-situationen

Einfluss-situationen Skala t Sign.

beiden Seiten 35 3.26 4.06 0-6 3.50 .001

„Hat die Entscheidung zur Verwirklichung der Ziele und Aufgaben der betrieblichen Änderung beigetragen?“ (Untersuchung 4)

nach Buschmeier (1995)

beurteilt von nMacht-situationen

Einfluss-situationen Skala t Sign.

Einwirkendem 94 3.75 4.24 0-5

Betroffenem 90 2.94 4.14 0-5 6.12 .000

.0022.91

„Inwieweit ist das Problem insgesamt gelöst worden? (Untersuch. 9)

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Das Janus-Gesicht der Macht 24

Eine andere Untersuchung, andere Messungen, dieselben Thesen

• Innovation und Information (Scholl, 2004):20 gelungene und 20 misslungene Innovationen aus 16 Unternehmen wurden aus ca. 5 Interviews pro Fall rekon-struiert; Informationspathologien wurden hier qualitativ erfasst. 4 der 5 Befragten füllten anschließend einen Fragebogen aus mit Fragen zu Informationspathologien, Konflikthandhabung, Handlungsfähigkeit und Innovations-erfolg.

• Wissenzuwachs wurde – umgekehrt gepolt - als Ausmaß von Informationspathologien gemessen.

• Machtausübung und Einflussnahme wurden als entsprechende Stile der Konflikthandhabung gemessen.

• Effektivität wurde als Ausmaß des Innovationserfolgs bestimmt.

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Das Janus-Gesicht der Macht 25

Erhobene Innovationsfälle

Produkte

Minidosiergerät (A)Hochdruckentladungslampe (C)Antibiotikum (D)CD- Kunststoff (E)Spezialverpackung (F)Konzertkopfhörer (G)Studiomikrofon (G)Leitungssuchgerät (H)Antibiotischer Futterzusatz (I)Exzenterschleifer (M)

Fehlerortungsgerät (H)

Induktionsmeßsonde (A)Halogenlampe Japan (C)Magentherapeutikum (D)Auto- Kunststoff (E)Leichtkopfhörer (G)Universalmikrofon (G)

Partikelmessgerät (H)Schnellkleber (L)Akku- Schleifer (M)Keramikwerkstoff (P)Synthetische Duftstoffe (P)

20

2

20

42 untersuchte Innovationsprozesse aus 16 Unternehmen (A -P)

erfolglos

Verfahren

EDV- Materialwirtschaft (A)PPS- Einführung (B)BTX- Vertriebsabwicklung (C)Phosphorsäureherstellung (I)Galenik- Produktion (J)EDV- Finanzbuchhaltung (K)Stärkeäther - Herstellung (L)EDV- Vertriebsabwicklung (L)Electronic-Mail - Einführung (N)CAD- Einführung (O)

Computergestützte Wertanalyse (B)

EDV- Angebotsverfolgung (A)PPS- Einführung (C)

EDV- Produktionslogistik (J)HICOM - Einführung (K)Conticracker (L)BTX- Vertriebsabwicklung (N)EDV- Vertriebsdatenbank (O)

erfolgreich

Innovation und Information (Scholl, 2004)

-PVC Beschichtungsmaschine (F)

Unterwassermesssonde (H)

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Informationspathologien und Innovationserfolg

1071412

15

15

26

36

0

20

40

60

80

100

Anz

ahl d

er

Info

rmat

ions

path

olog

ien

gelungene Innovation

misslungeneInnovationØ 2.2 Ø 4.8

Informationen wurden ..

..nicht (korrekt) verarbeitet.

..nicht (korrekt) übermittelt.

..nicht beschafft.

..nicht produziert.

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27

Ursachen von Informationspathologien

0

5

10

15

20

25

30

35

Anz

ahl d

erIn

form

atio

nspa

thol

ogie

n

Wunschdenken

Unangemesse

ne

Vorstellun

gen

von "W

issen"

misslungeneInnovationen

gelungeneInnovationen

Mangelndes

Problembewusstsein

Verständ

igungs-

Probleme

Machtau

sübung

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Das Janus-Gesicht der Macht 28

Macht, Einfluss und Effektivität

Effektivität(Innovationserfolg)

Wissenszuwachs(wenig Info.pathologien)

+.31 +.34

Handlungs-fähigkeit

Macht-ausübung

+.28–.33+.47

Einflussnahme(Interessenberücksicht.)

–.33

Pfadmodell der Konsequenzen von Machtausübung und Einflussnahme auf die Effektivität (chi2=5.24, df=4, p=.26, GFI=.94)

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Zusammenfassung• Ein hohes Macht- bzw. Einwirkungspotenzial ermöglicht

Kontrolle; es ist in sich belohnend und wird erstrebt.• Bei der Nutzung des Macht- bzw. Einwirkungspotenzials ist zu

unterscheiden, ob es autonomiefördernd oder einschränkend genutzt wird oder – anders gesagt – ob im Einklang mit den Interessen der Betroffenen (= Machtausübung) oder gegen deren Interessen (= Einflussnahme).

• Machtausübung führt – anders als Einflussnahme - bei den Betroffenen zu negativen Gefühlen sowie zu Reaktanz oder Hilflosigkeit.

• Machtausübung korrumpiert die Machtausübenden durch Rechtfertigungen, Abwertung der Betroffenen, Selbstauf-wertung und verstärkt – auch aufgrund geringerer Kontrollen – die Missachtung moralischer und legaler Standards.

• Machtausübung schädigt die soziale Gemeinschaft durch geringere Wissensproduktion und geringere Effektivität.

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Das Janus-Gesicht der Macht ...

zeigt sich erst in der Nutzung des jeweiligen Einwirkungs- bzw. Machtpotenzials, nämlich positivin der Berücksichtigung der Interessen anderer oder negativ in ihrer Verletzung.

Die Auswirkungen betreffen nicht nur die Ziel-personen, sondern auch die Einwirkenden selbst sowie das Wissen, die Handlungsfähigkeit und die Effektivität der jeweiligen sozialen Einheit.

Folgende Sinnsprüche fassen es gut zusammen:"Machtausübung korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.""Macht ist die Chance, nicht lernen zu müssen."

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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