Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas...

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bulletin 1 Brücken Sorgenbarometer: Das bekümmert die Schweizer Anlagen Nachhaltigkeit bringt Gewinne | Lateinamerika Stabil trotz Tango-Krise | Sponsoring Cyberhelvetia: Zu Besuch in der Zukunft der Schweiz www.credit-suisse.ch/bulletin Februar/März 2002 Das Magazin der Credit Suisse Financial Services verbinden Menschen

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BrückenSorgenbarometer: Das bekümmert die Schweizer

Anlagen Nachhaltigkeit bringt Gewinne | Lateinamerika Stabil trotz Tango-Krise |Sponsoring Cyberhelvetia: Zu Besuch in der Zukunft der Schweiz

www.credit-suisse.ch/bulletin

Februar/März 2002

Das Magazin der Credit Suisse Financial Services

verbinden Menschen

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Schwerpunkt: «Brücken»

Daniel Huber, Chefredaktor Bulletin

Ich bin ein «Bröggler». Anders als Kennedys Be-kenntnis zu Berlin ist das für die grosse Welt völlig belanglos. Für meine kleine Welt war und istes wichtig. Denn «Bröggler» sind Bewohner desSt. Galler Vorstadtquartiers Bruggen. Das Quartierhat seinen Namen nicht von ungefähr. Hier über-spannen auf engstem Raum mehr als ein DutzendBrücken das zerklüftete Sittertobel. Die Sammlungumfasst praktisch alle Facetten der Brückenbau-kunst und gilt als historisch wertvoll. Uns Kindernwar das egal. Und doch haben die Brücken vonBruggen uns geprägt.

Unvergessen bleibt der Tag, als ein Waghalsigerunvermittelt das 50 Meter hohe Stahlgerüst derHaggen-Brücke hochkletterte – Kitzel der Höhe, aberauch Sog der Tiefe. Auf der Fürstenlandbrückeerschwert ein vorgehängtes Stahlnetz den Sprung in den Tod. Immer wieder galt es, sich im dichtenSittertobelwald neu zu orientieren und für den Wegüber die eine oder andere Brücke zu entscheiden –

Wenn Brücken den Weg weisen

Brücken stellen Weichen. Die stählerne Fachwerk-brücke nach Stein darf von marschierendenSoldaten nicht im Gleichschritt überquert werden.Ansonsten beginnt sie bedrohlich zu wanken –Brücken sind zerbrechlich.

In Bruggen gibts auch Grenzbrücken. Sie ver-binden den Kanton St. Gallen mit Appenzell Ausser-rhoden – erste Erfahrungen mit dem abstraktenGrenzbegriff. Die Welt jenseits der Brücke sieht aufden ersten Blick zwar recht ähnlich aus. Und dochsprechen die Leute eine etwas andere Sprache, und es scheint in jedem zweiten Haus ein Zahnarztoder ein Naturheilpraktiker zu wohnen.

Brücken schaffen Verbindungen, wo die Naturuns Grenzen setzt. Dabei verläuft die Bewegung aberimmer in beide Richtungen. Das macht Angst. Docherweitert es unseren Horizont – politisch, kulturellund wirtschaftlich. Es braucht Mut, die Brücken fürdas ankommende Fremde offen zu halten – ob inBruggen oder sonstwo auf der Welt.

EDITORIAL

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INHALT

SCHWERPUNKT: «BRÜCKEN»

6 Beruf und Berufung | Menschen verbinden, Tag für Tag16 Ästhetik im Brückenbau | Interview mit Christian Menn 20 Bernina | Eine Brückenbilderreise ins Veltlin26 Wunschbild | Ein Kundenberater nach Mass28 Rösti | In Freiburg Brücke statt Graben gefunden

AKTUELL

30 Euro | Das Konto für das neue Geld Esprix | Motivationsforum für ManagerErreichbar | Sonderservice in Singapur Einfach | Massgeschneiderte Vorsorge für Firmen

31 @propos | Songhai, Schreibmaschinen, Surftouren32 Sorgenbarometer | Interview mit Liliane Maury Pasquier36 Ökorating | Wer für die Zukunft schaut, fährt besser39 Reaktionen | Lesermeinungen zum Thema Reichtum39 Mindestlöhne | Die Bulletin-Umfrage in den Medien40 Kritisch durchleuchtet | Banken im Zweiten Weltkrieg

ECONOMICS & FINANCE

44 Kantone | Wer wächst und wer zurückbleibt48 Entwicklungsfinanzierung | Konferenz sucht Lösungen51 Prognosen zur Konjunktur52 Lateinamerika | Tango-Krise zieht keine Kreise55 Analyse | Der nächste Kollaps droht in Japan56 Anlagen | Technologieaktien behalten ihren Reiz58 Prognosen zu den Finanzmärkten

LUST UND LASTER

60 Tango | Wenn Europäer argentinisch tanzen und leiden

SPONSORING

66 Expo.02 | Attraktive Landesmutter: Cyberhelvetia70 Agenda

LEADERS

72 Abt Martin | In Einsiedeln Gott näher kommen

FINANCIALSERVICES

Das Bulletin ist das Magazin der Credit Suisse Financial Services

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Vergleich: So entwickeln sich Bevölkerung und Haushaltseinkommen der Kantone.

Leidenschaft: Eine lust- und lasterhafte Annäherung an den Tango und das Bandoneon.

Einsiedeln: Abt Martin ist kein Einsiedler,sondern als Chatter «mönch» lebensnah.

20Brückenland: Mit dem Bernina-Express über191 Brücken gen Süden gefahren.

Umfrage: Worüber sich die Schweizer sorgen,und was die höchste Schweizerin dazu sagt.

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Jeder Tag ein BrückenschlagWas hat die Grande Dame der Schweizer Dolmetscher mit dem Konzertveranstalter und dem Honorargeneralkonsul gemeinsam? Und was verbindet die Bewährungshelferinmit den Streitschlichtern eines St.Galler Primarschulhauses? Sie sind Brückenbauer. Von Berufs wegen und zuweilen auch aus Berufung schlagen sie Brücken. Jeden Tag.

Hugo FaasKonzertveranstalter«Wir können von anderen Kulturen mindestens so viel lernen wie sie von uns.»

Die kalte Wintersonne scheint auf das Zürcher Industriequartier.Der Verkehr lärmt hier, wo einst Zahnräder und Schiffsbestandteilehergestellt wurden, über die Autobahnzubringer. Die Industrie befindet sich auf dem Rückzug, die qualmenden Schornsteinewerden immer weniger. Einzug halten dafür immer mehr trendigeRestaurants, Kinokomplexe und Kulturstätten. Im ehemaligenSchiffbauareal hat auch das «Moods», Zürichs renommiertestesJazzlokal, eine neue Heimat gefunden.

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Hugo Faas veranstaltet hier seine «Weltmusikwelt»-Reihe.«faascinating concerts», seine Ein-Mann-Agentur, feiert heuerihr zehnjähriges Bestehen. «Musik war für mich immer etwas,das Brücken schlägt», sagt Hugo Faas. Schon während seiner Unizeit veranstaltete er Konzerte, gründete 1974 zusammen mit anderen die Kulturstelle, wo neben Jazz, seiner grossen musika-lischen Liebe, auch Rock, Folk und Klassik auf dem Programmstanden. «Ich war immer davon überzeugt, dass Musik, die mirFreude bereitet, auch anderen gefällt», antwortet er auf die Frage,wieso er Konzertveranstalter geworden sei. Das Studium der Sozialwissenschaften hängte er ein Jahr vor dem Abschluss anden Nagel – er hatte seinen Beruf schon gefunden. Um das zutun, was er am liebsten tat und am besten konnte, habe er nunwirklich keinen Universitätsabschluss gebraucht, schmunzelt er.

Seit über 30 Jahren veranstaltet Hugo Faas

Konzerte. Er ist davon überzeugt, dass Musik,

die ihm Freude bereitet, auch anderen gefällt.

Hugo Faas spricht leise, spuckt keine grossen Töne. Er drängtsich keinesfalls in den Vordergrund, überrascht dafür umso mehrmit seinem hintergründigen Humor. Ins Scheinwerferlicht tritt ernur, wenn er seine Künstler ansagt, zurzeit etwa bei 30 Kon-zerten pro Jahr. Er präsentiert Musikerinnen und Musiker aus allen Ecken der Welt, von der Crème de la crème des Flamencobis zu tunesischen Lautenspielern und südafrikanischen Chören.Er vermittelt nicht nur zwischen westlichem Publikum und ausser-europäischen Musikern, sondern initiiert auch gerne Projekte mitMusikern verschiedener Herkunft. So geschehen mit dem Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker derersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah Ibrahim, dessen Europaaktivitäten er koordiniert. Auch sonst ist Faas der geborene Kultur-Kuppler. Beinahe gleichzeitig mit der Gründung

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von «Weltmusikwelt» vor zehn Jahren entstand auch die «Kultur-brugg Rorbas-Freienstein-Teufen», wo er die Kultur quasi vor dereigenen Haustüre ins Rollen bringt.

Zehn Jahre lang war Faas im Management von Andreas Vollenweider tätig. Der administrative Aufwand hätte immer mehr seiner Zeit in Anspruch genommen, erinnert er sich. Unddie Freundschaft zwischen Vollenweider und ihm habe zu leiden begonnen. Zudem habe er sich schon immer auch für andereMusikformen interessiert und darum die Chance zum Wechselergriffen. «Finanziell ist dieser Entscheid sicher nicht klug gewesen», bemerkt er ohne Reue, doch dafür seien sie heutenoch Freunde, und das sei gut so.

Hugo Faas pickt die Rosinen aus dem Weltmusik-Kuchen

Zu Beginn der Neunzigerjahre war der Begriff «world music»plötzlich in aller Munde. Alles, was nicht näher zugeordnet wer-den konnte, wurde mit diesem willkommenen Etikett versehen.«Das hat zur Folge, dass auch aller Ramsch mit einfliesst. Diegrossartigsten Werke aus der persischen oder indischen Hoch-kultur stehen neben irgendwelchem Synthesizer-Gesäusel, kombiniert mit einer indischen Trommel», bedauert Hugo Faas.Der Weltmusik-Boom habe seine Arbeit etwa zu gleichen Teilen positiv und negativ beeinflusst. Mittlerweile sei die Musik derganzen Welt auf CD erhältlich. Seine Aufgabe sei es, «die Rosinen herauszupicken».

Immer wieder gelingt es ihm, diese Rosinen zu finden und seinem stetig wachsenden Stammpublikum zu präsentieren. Inüber 30 Jahren als Veranstalter hat er einen sechsten Sinn fürmusikalische Exzellenz entwickelt. Viele Musiker, die er für dieSchweiz entdeckt hat, kehren später in grösserem Rahmenzurück – bei einem anderen Veranstalter. «Die ganz grossen Namen sind für mich finanziell nicht machbar. Aber das ist auchnicht meine Aufgabe. Etwas rein aus Prestigegründen zu machen,interessiert mich nicht.» Ihn reizen jene, die noch nicht berühmtsind, die verborgenen musikalischen Juwelen. Auch das sei finanziell nicht klug, bemerkt er verschmitzt, «aber ich kann daseinfach nicht». Sein Antrieb ist die Freude an der Musik – der Live-Musik, und er möchte andere daran teilhaben lassen.

Als Veranstalter ist er in erster Linie Gastgeber und schätztden Kontakt mit den Musikern. Und er sieht seine Konzerte immer auch als Brücken zwischen den Kulturen: «Wir sollten abervon der kolonialistischen Denkweise wegkommen und aufhörenzu glauben, wir seien die einzigen, die Brücken bauen können.Wir können von anderen Kulturen mindestens so viel lernen wiesie von uns. Wenn nicht mehr.» Ruth Hafen Ó

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Iris VonowDolmetscherin und Agenturleiterin«Wir vermitteln die Botschaft, nicht nur die einzelnen Wörter.»

Fast wäre aus Iris Vonow eine Apothekerin geworden. Am Anfang der Vierzigerjahre studierte sie nämlich Pharmazie inZürich. Ihre Mutter spürte jedoch, dass dieses Studium Iris nichtglücklich machte, und zeigte ihr eine Annonce der Dolmetscher-schule in Genf. Iris Vonow zögerte nicht lange und schrieb sichein. Da sie mehrsprachig aufgewachsen war, erfüllte sie die Voraussetzungen. Viele ihrer Dozenten und Kollegen an derSchule waren ehemalige Dolmetscher des Völkerbunds, die wegen des Kriegs arbeitslos geworden waren. Von deren Könnenschwärmt Iris Vonow noch heute: «Damals übersetzten die Dolmetscher längere Passagen, während der Referent seine Rede unterbrach. Viele hatten einen wunderschönen Stil, sie formulierten oft präziser als der Redner selbst.» Der Nachteil warder Zeitfaktor, eine dreistündige Rede dauerte mit einer zusätz-lichen Sprache jeweils mehr als vier Stunden. Nach dem Krieg setzte sich das simultane Dolmetschen, mit Mikrofon und Kopfhörer, durch. Diese Tätigkeit erfordert höchste Konzentra-tion; normalerweise arbeitet ein Dolmetscher eine halbe Stundeam Stück und macht anschliessend 30 Minuten Pause.

Freie Dolmetscher kennen keine Routine

Ihre Sporen verdiente sich Iris Vonow beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ab. Das IKRK war zeitweise fast dereinzige Arbeitgeber für Dolmetscher; in den Nachkriegsjahrenwurden in der Schweiz nur wenige internationale Konferenzendurchgeführt. In den Fünfzigerjahren änderte sich dies, nun organisierten alle Kongresse: Wissenschaftler, Banken, Industrieund neu gegründete internationale Vereine. Diese Vielfalt gefielIris Vonow; nie suchte sie nach einer festen Anstellung. Die Dol-metscher auf dem freien Markt schätzen es, dass sie ständig mitneuen Themen und Orten konfrontiert werden. Zum Teil sind siebis ins hohe Alter aktiv: «Eine meiner Kolleginnen dolmetschte,bis sie 86 Jahre alt war. Damit die Organisatoren ihr Alter nichtbemerkten, schlich sie sich jeweils heimlich in die Kabine», er-zählt Iris Vonow.

An ihrem Beruf gefällt Iris Vonow die Vermittlerfunktion: «Wirhelfen Menschen, die Sprachbarriere zu überwinden, und bringensie einander näher. Dabei übersetzen wir nicht nur die Wörter,sondern auch die Mentalität und Emotionen wie Begeisterung

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oder Missmut.» Es gibt jedoch eine Grenze: Flüche werden nichtübersetzt, sondern durch einen salonfähigen Kraftausdruck ersetzt. Iris Vonow hatte nie Mühe mit der Rolle als Sprachrohr.Vor allem bei einigen männlichen Kollegen hat sie allerdings bemerkt, dass diese darunter litten, die zweite Geige spielen zumüssen. Sie selbst hatte immer das Gefühl, beim Dolmetschengenug Eigenes einbringen zu können.

Ohne Allgemeinbildung läuft nichts

Lange war Iris Vonow in der Berufsberatung für Maturandentätig. Ihr fiel auf, dass das Dolmetschen bei vielen Jugendlichenals Modeberuf galt: «Später möchte ich entweder Flight Atten-dant oder Dolmetscherin werden», bekam sie zu hören. Oder:«Mich interessiert Mathe überhaupt nicht, darum will ich Dol-

Obwohl es harte Knochenarbeit ist –

ein Leben ohne die Dolmetscherei kann

sich Iris Vonow nicht vorstellen.

metscherin werden.» Da hat die Fachfrau jeweils insistiert, dassDolmetschen harte Knochenarbeit sei. Und dass man sich alsDolmetscher mit allen Themen, inklusiv Naturwissenschaften,befassen müsse. Wie soll jemand an einem Physikerkongressübersetzen, der kein Basiswissen in Mathematik mitbringt?

Als sie eine eigene Familie gründete, konnte Iris Vonow nichtmehr von Konferenz zu Konferenz reisen. Sie eröffnete eineDolmetscher-Agentur; Leute zu vermitteln war auch von zu Hause aus möglich. Zu keiner Zeit hat sie den Beruf ganz aufgegeben – ein Leben ohne Dolmetscherei hätte sie sich nievorstellen können. Heute ist sie, obwohl sie das Pensionsalterschon lange erreicht hat, immer noch berufstätig. Sie organisiertDolmetscher für Konferenzen auf der ganzen Welt. Manchmalwacht sie mitten in der Nacht auf, weil ihr einfällt, dass ihre

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Dolmetscher beim nächsten Einsatz den Saal wechseln müssenund es noch nicht wissen.

Seit sie selber nicht mehr als Dolmetscherin aktiv ist, vermisstsie vor allem eines – das Lampenfieber. «Wir Dolmetscher liebendas Gefühl, auf einem Pulverfass zu sitzen», sagt Iris Vonow mitleuchtenden Augen. Ihr Beruf habe viel Ähnlichkeiten mit demeines Schauspielers, denn auch Dolmetscher wiederholen, wasandere gesagt oder geschrieben haben. Ebenfalls geben sienicht nur den Inhalt, sondern auch die Botschaft wieder.«Brücken zu schlagen zwischen einem Redner und seinem Publikum, einen Text mit seinen Zwischentönen in eine andereSprache zu übertragen, ist eine Kunst – und wie andere Interpreten schätzen wir nach der Vorführung den Applaus.»Martina Bosshard Ó

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Agathon AerniHonorargeneralkonsul«Ich bin in Bern zuhause und mit derganzen Welt verbunden.»

ANDREAS SCHIENDORFER Bei Trinidad und Tobago denkt man an Sonne,

Palmen, Musik und schöne Frauen – wie passt das zum «bernischen

Urgestein», als das Sie Ihr Stadtpräsident kürzlich bezeichnete?

AGATHON AERNI Ich habe etliche Jahre im Ausland gelebt, in denUSA, in Uganda, Jamaica, aber auch in Trinidad und Tobago. Da baut man sich eine Beziehung auf, die tiefer geht als solcheFerienstichworte. Auf dieser Beziehungsbrücke wandle ich immer noch, obwohl ich nicht mehr tropentauglich bin.

Agathon Aerni ist bereits seit 1972

Honorargeneralkonsul von Trinidad und Tobago

und Doyen des Bernischen Konsularcorps.

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Wie sind Sie zu Ihrem Ehrenamt gekommen? Ó Ich war beruflichals Entwicklungshelfer in finanziellen Belangen in Trinidad undTobago tätig. In der Schweiz setzte ich mich für die Ausarbeitungeines Luftfahrts- und eines Doppelbesteuerungsabkommensein. 1972 wurde ich zum Honorargeneralkonsul ernannt.

Und was macht ein Honorargeneralkonsul?Ó Der Konsul ergänztdie diplomatische Vertretung und erledigt administrative Arbeitenwie das Ausstellen von Pässen und Visa sowie von Bestäti-gungen und Beglaubigungen. Zur Hauptsache besteht meineArbeit im Vermitteln von Informationen und Kontakten. Das töntsehr trocken, aber im Einzelfall kann das sehr spannend sein ...

Bücher und nochmals Bücher stehen, Rücken an Rücken, inAgathon Aernis Haus in Bern. Als wärs eine Bibliothek. Belesenist er wie kaum ein zweiter. Nomen est omen. Hiess nicht derBildungsroman, den weiland Wieland schrieb, Geschichte desAgathon? Geschichte ist die wahre Berufung des ehemaligenBankiers. Geschichte, Geschichten, Bildung. Aerni beherrschtmehrere Sprachen, was es ihm erleichtert, Brücken zu bauen.

«Ich bin und bleibe ein Auslandschweizer», hält Aerni fest, ob-wohl er seit 30 Jahren wieder in der Schweiz lebt. Sein Einsatzfür die fünfte Schweiz begann bereits Ende der Fünfzigerjahrebeim Schweizerischen Hilfsverein von San Francisco. Danacharbeitete er jahrzehntelang in den verschiedensten Gremien derAuslandschweizerorganisation tatkräftig mit. Dies nutzte Aerniauch, um in Ausstellungen und Publikationen Emigration undWirken schweizerischer Bürger im Ausland aufzuarbeiten, na-mentlich in Brasilien, Bulgarien und Venezuela.

Bescheiden ist er, wie es die Bernburger Devise «servir etdisparaître» verlangt. Dabei ist er ohne Zweifel einer der meist-dekorierten Schweizer. Seit 1988 ist er «Cavaliere dell’Ordine diMerito della Repubblica Italiana». Und allein 2001 erhielt er Ordendes Königreichs Thailand und des Patriarchen von Russland so-wie ein Ehrendiplom der Ukraine. Jede dieser Auszeichnungenist Sinnbild einer dank ihm gebauten kulturellen Brücke. Acht Orden, acht Brücken sind es bereits.

Eine Spezialität Aernis ist die Geschichte ausländischer Ver-tretungsbehörden in der Schweiz und ihrer Residenzen in Bern.So publizierte er Bücher über die Tschechische Republik, dasKönigreich Thailand und die Republik Österreich. Nun stehen interessante Forschungsprojekte zu den Philippinen und Frank-reich an. Entscheidend sei Diskretion, wenn man auf diesem Gebiet arbeite. Man müsse wissen, wie man es sagt. «Ich will nichteine Schlagzeile produzieren, um für immer zu verschwinden.»

Beharrlichkeit in Detailfragen ist sein Markenzeichen. Ist es wirk-lich wahr, dass die Österreicher 1799 dem russischen GeneralSuworow die versprochenen Lebensmittel nicht zukommenliessen? Was weiss man über den ersten Staatsbesuch in derSchweiz durch den siamesischen König Tschulalongkorn 1897?Warum nur kaufte ein nachmaliger österreichischer Honorar-generalkonsul ad personam eine kleine Hemdenfabrik nahe deritalienischen Grenze, mitten im Zweiten Weltkrieg? Bei seinenRecherchen ist Aerni unerbittlich. Keine genaue Antwort ist für ihnkeine Antwort: Als Historiker lässt er sich nicht beirren.

Nichts umschreibt die Persönlichkeit des 72-jährigen Doyensdes Bernischen Konsularkorps besser als die Feststellung, er seiin allen fünf Bern verankert: im eidgenössischen, im kantonalen,im städtischen, im bürgerlichen und im internationalen. Gleich-zeitig schlägt er eine Brücke zwischen den Gepflogenheiten des19. Jahrhunderts und den Ansprüchen der modernen Welt.

Bananen – eine Leibspeise der Familie Aerni? Bananen-schachteln jedenfalls sind bei Aernis zu Hauf versteckt, 103waren es bei der letzten Zählung. Sie enthalten auch potenziellehistorische Sensationen. Wer sich für diese interessiert, sollte indes in seinen Werken vor allem zwischen den Zeilen lesen. DerHonorargeneralkonsul von Trinidad und Tobago ist aus Diskre-tionsgründen ein – Spurenleger. Andreas Schiendorfer

Die Friedensstifter vom «Buecheli»«Weil ich streiten nicht gut finde.»

Die Stadt St. Gallen liegt eingebettet zwischen zwei Hügelketten.Auch in St. Gallen steigt mit dem Einkommen die Wohnlage. Dersonnige Südhang des Rosenbergs war schon vor hundert Jahrenbei den reichen Textilfabrikanten begehrt. Bauland für die neuenEinfamilienhäuser-Quartiere gabs später auch vor allem auf denHügeln. Wer nicht viel Geld für Miete ausgeben will oder kann,wohnt heute unten im Tal in einer Altbauwohnung. Immigranten-familien haben meistens keine Wahl.

In St.Gallen unterscheidet man zwischen Berg- und Tal-Schul-häusern – einer vermeintlich «heilen» Schweizer Welt und einer«problematischen» mit grossem Ausländeranteil. Der SchulkreisHeimat liegt im Tal. Rund die Hälfte der Kinder sind fremdländi-scher Herkunft. Sie kommen aus 25 Nationen – Schmelztiegel

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Heimat. Rund 200 Meter vom Heimat-Hauptgebäude steht als eine Art Dépendance das kleine Schulhaus Buchwald. Die rund 90Schüler gehen gern ins «Buecheli». Hier gelten zum Teil andereRegeln als im «Heimat». Ganz wichtig: Die Schüler dürfen mitdem Kickboard zur Schule. Auch bietet in der Pause ein grosserPark viel Platz, um Dampf abzulassen. Trotzdem streiten auch dieKinder vom «Buecheli» miteinander, und teilweise mit bedrohlichharten Bandagen. Doch gibt es hier einen speziellen Ansatz,damit umzugehen und friedliche Brücken zu schlagen.

Von der Schülerschaft für ein Semester gewählt

Stolz zeigen die Friedensstifter vom «Buecheli» ihre gelben Plastik-Binden. Je nach Grösse gibt es pro Klasse zwei oder vier Friedens-stifter. Insgesamt sind es sieben Mädchen und sieben Buben. Frie-

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densstifter wird man nicht einfach so. Anfang Semester könnenInteressierte dafür kandidieren. Die Wahl erfolgt durch die ver-sammelte Schülerschaft. Bei Simon hat es erst im zweiten Anlaufgeklappt. Er ist vom Sinn seiner Aufgabe überzeugt: «Seit es dieFriedensstifter gibt, haben wir auf dem Pausenplatz viel wenigerStreit.» Ab und zu brauche es aber schon etwas Überwindung,gerade bei Grösseren alleine dazwischen zu gehen. So richtigAngst habe er aber noch nie gehabt. Gerät ein Friedensstifter beiseiner Arbeit in Bedrängnis, sollten ihm wenn möglich andere zuHilfe eilen. Einer für alle, alle für einen.

Die Kinder haben recht ähnliche Gründe, warum sie Friedens-stifter werden wollten. «Es macht mir Spass, anderen zu helfen»,sagt Bianca. «Früher sind wir in der Pause einfach nur so rum-gelaufen», ergänzt Melanie. «Jetzt haben wir eine Aufgabe. Für

Im Dienste des Friedens:

Die Drittklässler Lorenz und Alexa sind zwei

der 14 Friedensstifter vom «Buecheli».

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BRÜCKEN

mich ist das auch ein bisschen ein Spiel.» «Weil ich streiten nichtgut finde», sagt Lorenz.

Lehrer Dominik Widmer erklärt: «Die Friedensstifter sollen aber nicht nur schlichten, wenn der Streit bereits ausgebrochenist. Es geht auch darum, Spannungen früh zu erkennen und allenfalls anzusprechen – also präventiv zu wirken.» Die Rolle derFriedensstifter und mögliche Streitszenarien werden gemeinsamin der Klasse diskutiert und durchgespielt. Es gilt, ein Sensoriumfür das Thema Frieden zu schaffen. Wenn möglich sollen Streit-situationen erst gar nicht entstehen.

Die Kinder haben auch eine Liste von Verhaltensregeln fürFriedensstifter erarbeitet. Darunter finden sich Grundsätze wie:«alle Schüler/innen müssen für die Friedensstifter/innen gleichsein, ob bester Freund oder nicht»; «Vorbild sein», «Streitendeohne Fäuste auseinander nehmen»; «dürfen keine schlimmenWörter sagen»; «Streitende fragen, wieso sie es machen, dar-über reden und Lösungen finden». Sind diese Ziele nicht etwasgar hoch gesteckt? Simon gibt zu: «Das mit dem Reden ist nichtimmer so einfach.» Sehr ernst nimmt Kevin seine Aufgabe: «Ichhabe auch schon mal einen Brief an eine Lehrerin geschickt, weilimmer die gleichen zwei Buben aus ihrer Klasse miteinanderstreiten.» Eher kriminalistisches Wunschdenken steckt hinterdem Vorschlag «mit Funkgeräten in Verbindung sein».

Das Konzept zu den Friedensstiftern vom «Buecheli» stammtaus Kanada. Eine Kollegin der «East Richmond Elementary» erzählte Dominik Widmer während einer Neuseelandreise davonund schickte ihm später die Unterlagen. «Natürlich sind die Frie-densstifter nichts Neues», sagt Widmer, «es gibt eine ganze Reihe von internen und externen Mediationskursen für Lehrer.Schön an unserer Idee finde ich aber, dass sie von innen herkommt. Sie wird von den Schülern getragen und nicht von obenherab durchgesetzt.» Daniel Huber Ó

Denise Tunali, Bewährungshelferin«In der Bewährungshilfe ist schon der kleinste Schritt ein Erfolg.»

Zu Beginn des Jahres 2001 standen in der Schweiz rund 11 000Menschen unter Justizaufsicht, 0,2 Prozent der erwachsenenBevölkerung. 5160 davon sassen in Haftanstalten ein, 500befanden sich im alternativen Strafvollzug, und 5400 Menschen

waren den Bewährungshilfestellen unterstellt. Gesamtschweize-risch rechnet das Bundesamt für Statistik mit rund 160 Sozial-arbeiterinnen und Sozialarbeitern, die in der Bewährungshilfetätig sind. Im Kanton Zürich gehen rund 40 Leute dieser Arbeitnach, unterstützt von vielen Sachbearbeiterinnen und freiwilligenHelfern.

Denise Tunali arbeitet beim Bewährungsdienst Winterthur, einer der vier Zweigstellen der Bewährungs- und Vollzugsdienstedes Kantons Zürich. Zurzeit betreut sie rund 50 Klientinnen undKlienten in Freiheit. Es sind Leute, die unter Schutzaufsicht ste-hen, die bedingt aus der Haft entlassen worden sind oder derenHaftstrafen zugunsten von stationären oder ambulanten Mass-nahmen aufgeschoben wurden. Zudem besucht sie 20 Perso-nen, die sich in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft befinden.

«Ich habe lange hin und her überlegt, bevor ich mich für dieseStelle bewarb. Der Umgang mit Straffälligen, vor allem Männern– ich wusste nicht, ob mir das liegt», blickt sie zurück. Es sei nichts für Berufsanfänger, meint sie. Sie selbst hat nach dem Abschluss der Schule für Soziale Arbeit zuerst in der Fürsorgefür anerkannte Flüchtlinge gearbeitet und war dann siebenein-halb Jahre in einer Arbeitslosenberatung der Kirche tätig. DenWechsel in die Bewährungshilfe habe sie nie bereut. «Ich machemeine Arbeit gern», stellt sie fest.

Immer mehr Menschen sind vom Alltag überfordert

95 Prozent ihrer Klienten sind Männer. Es sind aber nicht hart-gesottene Verbrecher, wie man sie aus dem Samstagabendkrimikennt. Viele sind unauffällig, gehen einer geregelten Arbeit nach.Fahren in angetrunkenem Zustand, Drogenkonsum, psychischeProbleme: Es gibt viele Gründe, um mit dem Gesetz in Konfliktzu kommen. Und immer mehr Menschen kommen mit den hohenAnforderungen der Gesellschaft nicht mehr zurecht. «Ich erlebe,dass unsere Gesellschaft sehr hart geworden ist gegenüberLeuten, die nicht ins Schema passen», bedauert Denise Tunali.

Ihre Aufgabe als Bewährungshelferin besteht einerseits darin,zu kontrollieren, ob ihre Klienten die Auflagen erfüllen, die dieJustiz ihnen gemacht hat. Andererseits arbeitet sie zusammenmit ihnen darauf hin, den Einstieg ins normale Leben wieder zufinden. Das beinhaltet auch viel Papierkram mit Sozialversiche-rungen, Steuerbehörden, Betreibungsämtern, Vermietern undArbeitgebern. Und die Klienten sind oft schwierig im Umgang:«Zu uns kommen sehr viele Leute, die nie gelernt haben, wieman sich benimmt. Sie kommen vorbei und schreien zuerst ein-mal herum, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen.» DeniseTunali begegnet bei ihrer Arbeit oft Menschen mit einer tief-

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BRÜCKEN

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liegenden Aversion gegen die Justiz. Auch wenn nicht gerade je-der Amok laufe und Leute umbringe, so hätten doch viele eine Riesenwut auf den Justizapparat: «Das Urteil ist zu hart, das Gefängnis unerträglich und die Sozialarbeiterin eine blöde Kuh.»Sie braucht ein dickes Fell und einen langen Atem, das Frustra-tionspotenzial ist gross. Doch in besonders schwierigen Fällennimmt sie kein Blatt vor den Mund, denn sie hat die Erfahrunggemacht, dass Ehrlichkeit geschätzt wird. «Wenn sich einer an-dauernd wie ein Kotzbrocken verhält, sage ich ihm auch, dass ereiner ist.» Es gehe darum, dass ihre Klienten lernten, ihr Verhal-ten und ihre Einstellung zum Leben und zur Gesellschaft selbstzu verändern. Das Gefängnis allein ändere niemanden.

Die Erwartungen an ihre Klienten hat sie im Lauf der Jahreheruntergeschraubt. Manchmal muss sie schon froh sein, wenn

Denise Tunali braucht bei ihrer Arbeit als

Bewährungshelferin ein dickes Fell und einen

langen Atem.

ihre Schutzbefohlenen die Abmachungen und Termine einhalten.Es kommt immer wieder vor, dass Klienten die Brücken, die siezusammen gebaut haben, nicht benützen, sie sogar wieder ein-reissen und somit die Arbeit von ein paar Monaten zunichte machen. Zwei Schritte vor, einer zurück. Ihre Arbeit hat aberauch schöne Seiten. Wenn sie für jemanden etwas erreichenkonnte, das er selbst nie geschafft hätte, und so sein Vertrauengewinnt. Oder die Dankbarkeit des Mannes, dessen Massnahmevor drei Jahren abgeschlossen werden konnte. Seither ruft er je-weils aus New York an, um ihr schöne Festtage zu wünschen.

Denise Tunali baut täglich Brücken. Sie ist sich bewusst, dasssie als Bewährungshelferin die Welt nicht verbessern kann. Dochsie gibt nicht auf, baut weiter. Denn sie weiss um das Glück derkleinen Schritte. Ruth Hafen Ó

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Führung / Kommunikation / Persönlichkeitsentwicklung

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Project management –methodology and tools

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Strategien / Informatik / Betriebswirtschaft

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Corporate Creativity

Lebensqualität undLeistungsfähigkeit steigern

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Integrierende Führung

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Investitions- und Wirtschaftlichkeits-rechnung in der Entscheidungsfindung

Betriebliches Rechnungswesenfür Anwender

Strategische Planung für KMUs

Informatikstrategie

Unternehmerische Führungder Informatik

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Aus- und Weiterbildung für Führungskräfte – Seminarkalender 2002

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«Für die Ästhetik gibt es

Christian Menn aus Chur gilt als der bedeutendste Schweizer Brückenbauer derGegenwart. Krönung seines bisherigen Schaffens ist die kürzlich eröffnete, 450 Meterlange Stahlseilbrücke über den Charles River in Boston. Interview: Daniel Huber, Redaktion Bulletin

DANIEL HUBER Brücken haben Ihr Leben bestimmt. Wann haben Sie

Ihre erste Brücke gebaut? CHRISTIAN MENN An meinen ersten Ver-such im Brückenbau kann ich mich noch gut erinnern. Ich mussso ungefähr vier oder fünf Jahre alt gewesen sein. Ich hatteeinen genauen Plan im Kopf, wie ich die Brücke mit drei Brett-chen bauen wollte. Dann habe ich drauflosgehämmert wie wild,doch irgendwie wollte die Brücke einfach nicht gelingen, und ichkonnte nicht begreifen, wieso.

Im Verlauf der letzten 50 Jahre sind dann aber doch noch ein paar

Brücken gelungen. Wissen Sie, wie viele? Ó Das lässt sich nichtso genau beziffern. Brücken sind eine umfangreiche Teamarbeit,und es gibt deshalb verschiedene Formen der Mitarbeit. Mass-geblich beteiligt war ich wahrscheinlich an etwa 100 Brücken.

Gibt es solche, die Sie rückblickend lieber nicht gebaut hätten? Ó

Es gibt jedenfalls eine ganze Menge, die ich nicht mehr so bauen

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leider keine Normen»würde, wie sie damals gebaut wurden. Wir haben zu meiner Stu-dienzeit an der ETH nicht den echten Brückenbau gelehrtbekommen. Das Bauingenieurstudium ist sehr vielfältig. Für denBrückenbau, wie ich ihn verstehe, hatte man zu wenig Zeit undErfahrung, und kein Student durfte erwarten, dass er je einmalgrosse Brücken bauen würde.

Hat sich in dieser Beziehung an der ETH etwas verändert? Ó Imkreativen Bereich kaum. Es wird fast nur das Handwerklichegelehrt. Das führt unter anderem dazu, dass viele Brückeninge-nieure später Architekten beiziehen, die dann dem Ingenieur oftunrealisierbare oder unwirtschaftliche Konzepte schmackhaftmachen wollen.

Was gehört für Sie zu einem gelungenen Brückenprojekt? Ó BeimBrückenbau gibt es drei Entwurfsziele, die unbedingt erfülltwerden müssen: Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit oderFunktionalität und Dauerhaftigkeit. Diese Zielsetzungen lassensich unter Berücksichtigung der entsprechenden Normen mit derheutigen Bautechnik problemlos erfüllen. Keine Normen gibt esdagegen für die kreativen Entwurfsziele, Wirtschaftlichkeit undÄsthetik. Hier muss der Ingenieur eine optimale Balance finden.Die Ideallösung wäre, wenn die schönste Brücke gleichzeitigauch die wirtschaftlichste wäre. Doch das ist nicht machbar. Esist im Prinzip falsch, eine Brücke nur als banales Zweckobjektoder nur als beliebig teure Skulptur zu entwerfen. Eine schöneBrücke darf etwas mehr kosten. Doch kommt es beim Wievielimmer auf den Standort, die Bedeutung und die Grösse derBrücke an. Unter Brückenbaukunde verstehe ich die Erfüllungder normierten Entwurfsziele, unter Brückenbaukunst die opti-male Balance von Kosten und Ästhetik.

Was darf Schönheit zusätzlich kosten? Ó Meiner Meinung nachdarf eine mittelgrosse Brücke aus ästhetischen Gründen höchs-tens 20 Prozent teurer sein als eine banale Standardbrücke.Ansonsten muss man eine andere Lösung suchen.

Wie viel teurer war Ihre allseits hoch gepriesene Sunnibergbrücke

bei Klosters? Ó Rund 15 Prozent oder drei Millionen Franken.Zugegeben, das ist recht viel Geld. Andererseits wird die Neubau-strecke von Küblis bis und mit der Umfahrung Klosters wegen derlangen Tunnels aus Rücksicht auf die Landschaft etwa eine Milli-arde Franken kosten. Angesichts dieser Summe ist ein Aufpreisvon drei Millionen für eine eindrücklichere Gestaltung des einzigenin der Landschaft sichtbaren Bauwerks nicht so viel. Zudem hat

sich das Tiefbauamt, das mit seinen Strassenprojekten häufigauf viel Widerstand stösst, mit dieser von der Talbevölkerungsehr gut aufgenommenen Brücke viel Goodwill geschaffen.

Stehen noch alle Brücken, die Sie gebaut haben? Ó Soviel ichweiss, schon. Allerdings mussten ein paar massiv saniert werden.

Wie kommt das? Ó Als ich in den späten Fünfzigerjahren begann,Brücken zu bauen, kannte man die intensive Schwarzräumungmit Tausalzen noch nicht. Die massive Verwendung von Salz Mitteder Sechzigerjahre kann man vergleichen mit der Anwendungeines Medikaments, dessen Nebenwirkungen nicht bekanntsind. Salz ist der grösste Feind des Stahlbetons. Die meistenBeläge waren damals salzwasserdurchlässig. Die Autos hattenübrigens die gleichen Probleme. Nach drei, vier Jahren waren sie durchgerostet. Doch während die Autobauer relativ kurz-fristig reagieren und die Karosserien mit immer besseren Schutz-schichten überziehen konnten, war es uns nicht möglich, unsere Brücken nach den schlechten Erfahrungen wieder neu zu bauen.

Und wie sieht es heute aus? Hat man das Salzproblem im Griff? Ó

Im Prinzip ja, aber ich habe leider immer noch Auseinanderset-zungen mit Bauämtern oder Kollegen, weil sie dieses Problemverdrängen. Selbst im Bundesamt für Strassen ist man nichtbemüht, eine wirksame Strategie zur Behebung bestehenderMängel auszuarbeiten. Und die Forschung befasst sich sowiesoam liebsten mit akademischen Messungen. So gibt es noch heutewichtige Brücken mit unzureichenden Belägen. Für mich ist dasgrob fahrlässig.

Christian Menn

Der 74-jährige Christian Menn studierte und promovierte

an der ETH Zürich. Von 1957 bis 1971 führte er in Chur

ein eigenes Ingenieurbüro. Danach folgte während zwanzig

Jahren die Lehrtätigkeit als Professor an der ETH in Zürich.

Obwohl seit bald zehn Jahren offiziell im Ruhestand, wird er

noch immer mit Anfragen aus aller Welt für neue Brücken-

projekte überhäuft. Dabei beschränkt sich seine Arbeit auf

erste Entwürfe und Baukonzepte. Christian Menn ist verhei-

ratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.

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Wie gross ist die Lebensdauer einer modernen Brücke? Ó Beimheutigen Stand der Kenntnisse und Technik beträgt die Lebens-dauer der Tragkonstruktion einer einwandfrei projektierten undgebauten Brücke gut 100 Jahre.

Welche Ihrer Brücken ist Ihnen am liebsten? Ó Am liebsten ist mirimmer die Letzte. Man glaubt immer, man hätte jetzt die optimaleLösung gefunden.

Konkret wäre das also die neue Schrägseilbrücke in Boston. Wie

kamen Sie zu diesem Projekt? Ó Boston ist die historisch undintellektuell bedeutendste Stadt der USA. Die Bürger von Bostonwollten im Zusammenhang mit ihrem riesigen Infrastruktur-projekt der City-Untertunnelung auch eine aussergewöhnlicheBrücke. Als ich mehr oder weniger zufällig in dieses Projektinvolviert wurde, bestanden bereits verschiedene Vorschläge,die aber nicht befriedigten. Man wollte ein echtes Wahrzeichenfür das 15-Milliarden-Dollar-Projekt und die Stadt. Als ich dannmit meinem Brückenmodell kam, waren Behörden und Bürgererleichtert und begeistert. Das war Ende 1992. Danach dauertees noch fünf Jahre bis zum Baubeginn.

Einer der verantwortlichen Projektleiter im Transportation Depart-

ment, Stan Durlacher, bezeichnete Ihr Honorar von 50 000 Dollar

in einem Interview als einen absurd kleinen Betrag. Haben Sie sich

unter Wert verkauft? Ó Im Prinzip ja, aber an anderen Orten habeich für meine Konzeptideen noch viel weniger bekommen. Undehrlich gesagt, wenn man mich vor zehn Jahren gefragt hätte,ob ich in dieser exklusiven amerikanischen Stadt den Aus-führungsentwurf für eine Grossbrücke ausarbeiten wolle, dannhätte ich für diese Chance wahrscheinlich sogar noch 50 000Dollar bezahlt. Konzeptionelle Ideen zählen bei uns leider wenig,vielleicht weil bereits an der Hochschule wenig Wert daraufgelegt wird.

Sie sind ein weltweit gefragter Brückenbauer. An welchen anderen

Projekten arbeiten Sie zurzeit noch? Ó Ich bin noch an ein paarProjekten irgendwie engagiert. Allerdings weiss ich nicht, objemals etwas daraus wird. Den Entwurf für eine Grenzbrückezwischen USA und Kanada über den Niagara River bei Buffalowerde ich demnächst abgeben. Kürzlich habe ich auch eine Ideefür eine besondere Stadtbrücke in Columbia, Ohio, ausgearbei-tet. Viel grösser und interessanter ist eine neue Brücke über denMississippi bei St. Louis. Hier besteht zwar bereits ein erster, fürmich allerdings nicht überzeugender Entwurf. In diesem Falle

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Hoover Dam Bridge in Las Vegas: Christian Menns

Entwurf einer mächtigen Bogenbrücke, die sich

300 Meter hoch über den Colorado River wölbt, wird

vermutlich nicht verwirklicht.

Peace Bridge bei den Niagarafällen: Grosse

Chancen auf Verwirklichung hat Menns Konzept,

eine neue, moderne Brücke neben die 1926

erbaute Eisenkonstruktionsbrücke zu stellen.

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BRÜCKEN

habe ich für einmal selbst die Initiative ergriffen, weil ich diezuständigen Berater kenne. Kaum erfolgreich bin ich wohl leidermit einem Vorschlag für eine Brücke über den Colorado beimHoover Dam in der Nähe von Las Vegas. Das wäre eine sehrschöne, neuartige Bogenbrücke, die sich 300 Meter, also sohoch wie der Eiffelturm, über den Fluss schwingt. Und dann binich noch Berater bei einem Projekt in Griechenland und einerRheinbrücke in Deutschland.

Was ist aus Ihrem Traum von einer Brücke über die Strasse von

Messina nach Sizilien geworden? Ó Diese Idee entstand vor einpaar Jahren nach einem Symposium anlässlich einer Brücken-eröffnung in Frankreich. Ein Vortragsthema betraf Ideen für dieRealisierung von sehr grossen Spannweiten. Ähnlich wie bei derHöhe von Wolkenkratzern gibt es bei Brücken ein weltweitesWetteifern um die grösste Spannweite. Zurzeit hält den Rekordeine Hängebrücke in Japan mit der etwas merkwürdigen Spann-weite von 1996 Metern – ich verstehe jedenfalls nicht, warumman nicht 2000 Meter gewählt hat. Für die Überbrückung der Strasse von Messina wären etwas mehr als 3000 Meternotwendig. Wahrscheinlich wird man hier einfach extrapolieren –also alles etwas grösser machen – und das Prinzip einer tradi-tionellen Hängebrücke weiterverfolgen, anstatt wie der berühmteSchweizer Ingenieur Ammann bei der George-Washington-Brücke bei einem grossen Schritt auch eine neue Idee zuverwirklichen.

Was sprach gegen die Verwirklichung Ihres Konzeptes? Ó Daswichtigste Problem bei sehr grossen Spannweiten ist dasSchwingungsverhalten. Ich hatte eine interessante technischeIdee für dieses Problem, die zu einer neuen Form von Hänge-brücken führen würde. Allerdings hätte man in einem bestimmtsehr wertvollen Forschungsprojekt die Tragwerksdynamik ermit-teln müssen. Leider konnte ich die jungen Professoren in Zürichund Lausanne nicht überzeugen, sich hier für eine grosse Visionzu engagieren.

Brücken eröffnen häufig wichtige Verkehrsströme zu abgelegenen

und wirtschaftlich zurückgebliebenen Regionen. Verstehen Sie

sich auch als Entwicklungshelfer? Ó Eigentlich nicht. Mich inter-essiert vor allem die Herausforderung, mit kreativen Ideen mög-lichst nahe an die Ideallösung des zugleich wirtschaftlichsten undausdrucksvollsten Bauwerks heranzukommen, wobei die Inte-gration der Brücke in ihr räumliches und zeitliches Umfeld eineentscheidende Rolle spielt.

GROSSE SCHWEIZER BRÜCKENBAUER

Hans Ulrich Grubenmann 1709–1783

Hans Ulrich Grubenmann aus Teufen entstammte einer bekannten Bau-

meister-Familie. Nach der Schule erlernte er bei seinem Vater und seinen

älteren Brüdern das Handwerk des Zimmermanns. Bald schon ging sein

Tätigkeitsfeld über das Handwerkliche hinaus. Er übernahm als Architekt

die Bauleitung von mehreren Kirchen und anderen repräsentativen Gebäu-

den. Im Falle von Bischofszell, das 1743 weitgehend abbrannte, wurde

er beim Wiederaufbau gar als Städteplaner zugezogen. Weit über die

damaligen Grenzen hinaus bekannt wurde Grubenmann aber durch seine

gewagten Holzbrücken-Konstruktionen, die mit wenig oder gar keinen

Stützpfeilern auskamen. So galt insbesondere seine Holzbrücke über den

Rhein von Schaffhausen nach Feuerthalen als Meisterwerk der damaligen

Baukunst. Auch Goethe war von der Brücke tief beeindruckt und

beschrieb sie ausführlich in einem seiner Reiseberichte. Insgesamt baute

Grubenmann 14 gedeckte Holzbrücken, von denen noch zwei über die

Urnäsch in Appenzell Ausserrhoden erhalten sind.

Othmar Ammann 1879–1965

Im selben Feuerthalen, wo sich Grubenmanns Holzbrücke bis zu ihrer

Zerstörung durch die Franzosen 1799 über den Rhein spannte, wuchs

Othmar Ammann auf. Mit zehn Jahren zog die Familie aber nach Kilchberg.

Nach der Matura studierte Othmar Ammann an der ETH Zürich Bauinge-

nieur. Um ein paar Jahre Erfahrungen im Brückenbau zu sammeln, reiste

er 1904 in die USA. Zu seinem Erstaunen fand er sofort eine Anstellung.

Erstmals auf sich aufmerksam machte Ammann 1907 mit einem Unter-

suchungsbericht zum Einsturz einer im Bau befindlichen Brücke über den

Lorenz-Strom in Québec. Ab 1912 war er als stellvertretender Chefinge-

nieur massgeblich beim Bau der Hell Gate Bridge von Gustav Lindenthal

über den East River in New York beteiligt. Ein erstes Denkmal setzte sich

Ammann 1931 als Brückeningenieur der Port of New York Authority mit der

George Washington Bridge. Für Architekt Le Corbusier war es schlicht die

schönste Brücke der Welt. Mit einer Mittelspannweite von 1067 Metern war

sie zudem auch die weltweit längste Hängebrücke. Nur wenige Wochen

später folgte die Einweihung von Ammanns Bayonne Bridge. Weitere Pro-

jekte zur besseren Anbindung New Yorks ans Festland folgten. Daneben

war Ammann von 1931 bis 1937 auch als beratender Ingenieur am Bau der

Golden Gate Bridge in San Francisco beteiligt. Nach seiner Pensionierung

1939 bei der Port of New York Authority gründete er sein eigenes In-

genieurbüro und blieb noch weitere 25 Jahre als Brückeningenieur aktiv.

Ein Jahr vor seinem Tod 1965 wurde in New York sein letztes grosses Werk,

die Verrazano Narrows Bridge, eröffnet. Mit einer Mittelspannweite von

1298 Metern war es erneut die längste Hängebrücke der Welt. (dhu)

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Der rote Wagen in Chur ist fein säuberlich angeschrieben: Bernina- Der Landwasser-Viadukt bei

Filisur, erbaut 1902,

schwingt sich in kühnem

Bogen direkt in einen Tunnel.

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Metern hinunter auf 429 Meter, dazwischen thront der Bernina-Pass auf 2253 Metern über Meer. Eine Kulturreise, ermöglicht durch

55 Tunnels und 199 Brücken. Rekordverdächtig. Und der handliche Führer des Bernina-Express verspricht nichts weniger als

«eine fantastische Fahrt mit unzähligen Highlights». Ó Bereits ruft der Kondukteur: «Nächste Brücke: Reichenau». Ó Bei

Neuhausen stürzt er imposant über die Felsen, in Basel kriegt er gerade noch die Kurve. Wo mündet der Rhein ins Meer? Ach ja,

bei Rotterdam. Aber wie ist das mit der Loreley, der blonden, lieblichen, Tod bringenden Stimme? (nachgeschlagen). Der Felsen

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BRÜCKEN

Der Bernina-Express fährt über zahlreiche Brücken und ist selbst eine, fährt vorbei anBergen und Burgen und durch drei Kulturkreise, verbindet die deutsche Schweiz mit demrätoromanischen Engadin und dem italienischen Veltlin. Pia Zanetti, Aufnahmen, Andreas Schiendorfer, Text

Express. Chur–Pontresina–Poschiavo–Tirano. Abfahrt 08.54 Uhr, Ankunft 13.11 Uhr. In 257 Minuten immerhin 144 Kilometer, von 585

Berge. Brücken. Bahn.

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bei St.Goarshausen. Und hier also, bei Reichenau, vereinigen sich der Hinterrhein vom Rheinwaldhorn und der Vorderrhein vom

Tomasee im Oberalpmassiv. Ó Das Domleschg, das Schweizer Burgenland, liegt bereits im Rücken. Rund 20 Burgen und Ruinen

zeugen von der einstigen Bedeutung dieser Gegend. Thusis, die Viamala und immer noch der Hinterrhein. Bridge over troubled

water. Ó Der Albula entlang in die wilde Schynschlucht. Ó Surava. Ob man ihn schon wieder vergessen hat, den unerschrockenen

Journalisten Surava, Hans Werner Hirsch, Kritiker der Nationalsozialisten und ihrer Schweizer Gesinnungsfreunde? Der Film von

Erich Schmid erschütterte 1995 das Land. Die Schwierigkeit, der Menschlichkeit gerecht zu werden, im Zweiten Weltkrieg, heute.

Rheinbrücke bei Reichenau:

Graubünden ist ein Brückenland. Allein die

Rhätische Bahn fährt über 485 Brücken.

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Und die «kleine Weisse» fliesst. Ó Warum spricht man eigentlich stets vom Kirchlein von Wassen? Die rätische Wendeltreppe steigt

in fünf Kehrtunnels, zwei Tunnels, zwei Galerien und neun Viadukten auf nur 12,6 Kilometern um 416 Meter nach Preda. Im Winter

schlitteln, hinunter nach Bergün, im Sommer bildungswandern auf dem bahnhistorischen Lehrpfad. Durch den Albula-Scheitel-

tunnel – den höchstgelegenen Alpendurchstich – ins Engadin. Ó Der erste Klimalehrpfad in den Alpen, von der Alp Muottas

Muragl zur Alp Languard dem Schafberg entlang. Der Temperaturanstieg taut die Permafrostgebiete auf, lässt die Gletscher schmel-

zen. Zentimeter um Zentimeter. Stärkere Erosion, Überschwemmungen, Schlammlawinen, zerstörte Brücken, verheerend 1987.

BRÜCKEN

Nach dieser Brücke gabelt sich die Bahnlinie: Der Bernina-Express fährt

dem Hinterrhein entlang südwärts in Richtung Engadin, der Glacier-Express

folgt dem Lauf des Vorderrheins in Richtung Wallis.

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Lokomotivenwechsel in Pontresina. Gleichstrom statt Wechselstrom, Schmalspur ja schon von Beginn weg, auf Zahnräder wird

verzichtet. Ó Ein anderes Fliessen. Die Wasser des Inn ergeben sich ins Schwarze Meer. Ó Hinauf, so die neue Losung; bis zu

70 Promille beträgt die Steigung. Es folgen die höchste offene Alpenüberquerung per Bahn, der Blick ins Val Morteratsch, der

Lago Bianco auf dem Pass. Nach Süden. Die Gedanken werden weicher, fröhlicher, wir strömen der Adria zu. Ciao Poschiavo.

Die Sturmschäden sind verschwunden, das Städtchen lacht malerischer denn je, das Spaniolenviertel, Hildesheimer zog es hier-

her, Künste liegen in der Luft. Ó Der Duft gerösteter Kaffeebohnen im ganzen Puschlav. Staatlich kontrollierter Schmuggel

90 Meter über der wilden

Albula: Der Soliser Viadukt ist

der höchste Rätiens.

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BRÜCKEN

noch bis 1994. Zigaretten und Kaffee, tonnenweise, später Radios und Filmkameras. Legale Ausfuhr im Zwischengelände, illegale

Einfuhr ins Veltlin, durch italienische Spalloni getragen in deren Bricolla, auf bewilligten Routen, zu bestimmten Zeiten. Ó Tirano,

seit 1804 wieder Italien. Unscheinbar, unterschätzt. Schon früher. Vernichtende Niederlage des Niklaus von Mülinen am 11. Sep-

tember 1620, Verhandlungskünstler Jürg Jenatsch. Ó Madonna di Tirano, Veltliner Fussreisen, Grenzschlängeln. Südländische

Lebenslust. Die Pizzoccheri Valtellinesi schmecken vorzüglich. Buchweizennudeln mit Kartoffeln. Wein aus Nebbiolo-Trauben. Der

Reisende wird heimisch. Gelungener Brückenschlag. Ó Gewinnen Sie eine Reise mit dem Bernina-Express. Siehe Talon.

Der Kreisviadukt bei Brusio, letzte Kehre auf der Talfahrt

ins Veltlin, bringt wertvolle Höhenmeter: vollendete Schönheit

und Nützlichkeit in einem Guss.

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Über Erfolg oder Misserfolg einer Kundenbeziehung entscheidenhäufig Sekunden. Ausschlaggebend ist die erste Begegnung.Dann wird im Unterbewusstsein ein erstes Bild vom Gegenüber geformt. Diesen «ersten Eindruck» nachträglich zu korrigieren,ist fast unmöglich. Gerade weil niemand innert so kurzer Zeit einen adäquaten Eindruck von einer Person und ihrem Charakter gewinnen kann, gehören Äusserlichkeiten zu den wichtigstenFaktoren beim ersten Eindruck: Auftreten, Stimme, Kleidung,Körperhaltung. Aufschlussreich ist ein Experiment in der Schal-terhalle einer Bank: Der eine Kundenberater sitzt mit Anzug,Hemd und Krawatte hinter dem Schalter, sein Kollege in Poloshirtund Jeans. Die überwiegende Mehrheit der Kunden steuert – unbewusst – auf den Mann im Anzug zu. Ebenso interessant ist die Tatsache, dass Frauen als Kundenberaterinnen offenbar besonders geschätzt werden, weil man ihnen Eigennutz und Verschlagenheit nicht zutraut. Kundinnen und Kunden fassendeshalb schneller Vertrauen zu ihnen als zu ihren männlichenKollegen. Andererseits wird bei Frauen viel stärker darauf geachtet, ob sie fachlich auch wirklich kompetent sind.

Ob Berater oder Beraterin, wichtig ist, dass Auftreten undUmgangsformen über jeden Zweifel erhaben sind. Solche «Klei-nigkeiten» zu beachten, lohnt sich, denn 71 Prozent der Menschenkaufen, weil sie den Verkäufer sympathisch finden, ihn respek-tieren und ihm vertrauen. Das ist in einer Bank nicht anders alsin einer Kleiderboutique. Die Credit Suisse bietet für diesen Teilder Kundenberater-Ausbildung ein Modul unter der Bezeichnung«Fit for Events» an. Hier lernen angehende Kundenberater vomrichtigen Essen von Fisch bis zu den Regeln, die sie beachtenmüssen, wenn sie zwei Personen einander vorstellen, einfach alles, um sich in Gesellschaft von Kunden jederzeit freundlich,korrekt und kompetent verhalten zu können.

Aber das ist ja erst der Anfang. Was braucht es denn konkret,damit ein Berater oder eine Beraterin die «Brückenfunktion» zwischen Bank und Kunde erfolgreich wahrnehmen kann? Eine

wichtige Eigenschaft ist das Zuhörenkönnen. «Wir nennen in unseren Ausbildungsseminaren jeweils ein Verhältnis von 70 zu30 Prozent», meint Valentina Lez, verantwortlich für die Aus-bildung der Kundenberater bei Credit Suisse Private Banking.«Das bedeutet, der Kundenberater sollte zu ungefähr zwei Dritteln zuhören und nur während etwa einem Drittel des Ge-sprächs selber reden.» Ein guter Kundenberater kann beimKundengespräch mit ein paar wenigen Worten eine angenehmeAtmosphäre schaffen. Als kommunikativer Mensch ist er gern in Gesellschaft, geht zum Beispiel mit seinen Kunden in die Operoder lädt sie zu einem Abendessen ein. Das ist übrigens eine Anforderung an Kundenberater, die nach Ansicht von ChristianVonesch, langjähriger Verantwortlicher für Kundenberater im Private Banking und heute Leiter Market Unit Zürich des Credit

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Auf der Suche nach dem perfDer Beruf des Kundenberaters ist eineGratwanderung. Ein Berater sollte kompetent wirken und trotzdem nicht zu viel sprechen, auf den Kunden eingehen,ohne aufdringlich zu sein, und jederzeitglaubwürdig agieren.

Jacqueline Perregaux, Redaktion Bulletin

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Suisse Private Banking Switzerland, in Zukunft an Bedeutunggewinnen wird: die Bereitschaft, ihren Kunden und deren Lebens-partnern auch an Wochenenden zur Verfügung zu stehen, etwaum gemeinsam noch etwas zu besprechen und anschliessend eine Veranstaltung zu besuchen.

Zuhören, Bedürfnisanalyse, selbst Konzerteinladungen alleinnützen nichts, wenn den Worten keine Taten folgen. Deshalb istdie Verbindlichkeit eines Kundenberaters ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor. Der Kunde muss spüren, dass sich der Berater fürihn einsetzt und seine Anliegen ernst nimmt; Glaubwürdigkeitfördert das Vertrauen des Kunden in seinen Berater. Ein Kun-denberater muss sich in seinen Kunden hineinversetzen können,Interesse am Kunden als Menschen und an seiner Situationzeigen, sich nach seinen Bedürfnissen ausrichten.

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ekten KundenberaterKommen wir damit dem Bild des « idealen Kundenberaters»nun näher? «Den idealen Kundenberater gibt es nicht», erklärt Christian Vonesch. «Im Gegenteil, Kundenberater und -berate-rinnen sollen möglichst verschieden sein, damit sie auch unterschiedliche Kundenpersönlichkeiten betreuen können.» Indiesem Sinne ist der ideale Kundenberater derjenige, der sichnicht verstellen muss, der die gleiche Wellenlänge wie seinKunde hat. Schliesslich ist eine Beratung eine sehr persönliche Angelegenheit. Umso wichtiger ist es, dass sich Kunde und Kundenberater in erster Linie als Menschen wahrnehmen können.

Professionalität ist zwar unabdingbare Voraussetzung für einen guten Kundenberater, der zwischenmenschliche Aspekt ist jedoch entscheidend. Erfolgreiche Kundenberater der CreditSuisse, die gefragt werden, welche Kriterien ein angehenderKundenberater erfüllen muss, nennen auffällig oft «soft skills»wie sympathisches Auftreten, gute Umgangsformen, die Art, wiejemand mit den Kunden spricht. Fachliche und verkäuferischeFähigkeiten kommen als Erfolgsfaktoren erst hinterher.

«Emotionale Intelligenz» heisst das Zauberwort

Das heisst, der ideale Kundenberater ist weder reiner Lieferantvon sachbezogenen Informationen, noch ist er unkritischerFreund, sondern Partner. Wer die Interessen, Motive und Gefühle seines Kunden kennt, hat es leichter, eine langfristigeBeziehung aufzubauen. Kein Wunder, denn erst die persönlicheBeziehung schafft Verbindungen, die im Gegensatz zu Produk-ten – gerade im Bank- und Versicherungsbereich – nicht mehreinfach austauschbar sind. Und: Fachliches Know-how kann sichein Kundenberater in Seminaren und Weiterbildungen aneignen,«soft skills» hingegen sind oft eine Frage des Charakters und der Persönlichkeit eines Menschen.

Gefordert ist neben Fach- und Produktewissen, Selbstorga-nisation und Fleiss also vor allem eins: emotionale Intelligenz.Nur wer sich in jemanden einfühlt, kann sich überhaupt anmas-sen, ihn gut zu beraten. Angesichts der praktisch globalen Austauschbarkeit von Produkten kommt dem «Faktor Mensch» immer grössere Bedeutung zu. Umso wichtiger ist die Einsicht,dass Geschäfte von Mensch zu Mensch und nicht zwischen Firma und Kunde gemacht werden. Kunden entscheiden übrigenszu 95 Prozent nach Gefühl, ob sie etwas kaufen oder nicht. Wersich also optimal auf seine Kunden einstellen kann, hat einen ungeheuren Vorsprung gegenüber anderen. Oder, wie vom Vor-stand der Deutschen Bank schon vor längerem propagiert: Alleine mit Lächeln könnte 25 Prozent mehr Umsatz gemachtwerden. Es kostet nichts und bringt sehr viel.

Könnte man den idealen Kundenberater

auf dem Reissbrett entwerfen, wäre er

einfühlsamer Zuhörer und brillanter Rhetoriker

zugleich, stets tadellos gekleidet, mit

perfekten Umgangsformen. Fachlich der

Konkurrenz meilenweit voraus – und in Sachen

emotionaler Intelligenz unschlagbar.

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ÓReisende sind schon darübergefahren; denn es ist die Eisen-bahnbrücke, über die der Schnellzug Bern–Freiburg–Lausannerollt. Nur achtet man sie kaum. Beim Überqueren ist bereits dieLautsprecheransage erfolgt, man komme in Freiburg an, sodasssich männiglich und fraulich zum Aussteigen bereit machen. Undwers nicht tut und aus dem Fenster blickt, sieht ja nicht dieBrücke, sondern den achtzig Meter tiefen Saanegraben – oderweit hinten die Autobahnbrücke, die es mit der Eisenbahnbrückean Eleganz jedoch bei weitem nicht aufnehmen kann.

Wer indes über die Autobahnbrücke fährt, merkt erst, wieschön diese Eisenbahnbrücke ist, die sich in einer zweistöckigenPfeilerreihe über die Saane spannt. Auch der Spaziergang überdie Fussgängerpasserelle lohnt sich; denn hier lässt sich ein tiefer Blick in den «Röstigraben» tun – selbst wenn man damitrechnen muss, dass einem gelegentlich ein Schnellzug über denKopf hinwegdonnert. Über das Geländer sollte man sich bessernicht hinauslehnen. Allerdings zeigen Graffiti («f… the police»,«f… Schweizer Käs»), dass die Virtuosen der Spraydose ihrerKunst wegen den Fall in den «Röstigraben» riskieren.

Wie sind die Freiburger zu ihrer schönen «Röstibrücke»gekommen? Dies ist eine lange Geschichte, die sich zu erzählen lohnt.

Die Saane ist ein eigenartiges Flüsschen. Von der Wasser-menge her bildet sie eigentlich ein armseliges Rinnsal. Aber wasihr an Breite fehlt, besitzt sie an Tiefe. Tief hat sie sich in dieLandschaft eingefressen, sodass die Umgebung von Freiburglange Zeit kaum befahren war. Doch 1157 wurde die Stadt Frei-burg vom Zähringerherzog Berchtold IV. in einer Saaneschlaufegegründet. Es gab dort eine Furt, das heisst eine Untiefe, woMensch und Tier durchs Wasser waten konnten. An dieser Stellewurde eine erste Brücke gebaut – die dortige Holzbrücke ist bisheute eine der Attraktionen Freiburgs. Bald besass die StadtFreiburg drei stolze Brücken. Aber die Überquerung der Saaneblieb bis ins 19. Jahrhundert eine mühsame Sache. Denn es galt,auf der einen Seite des Saanegrabens einen steilen Abhang zur

Wer sich in der Welt ein bisschen herumgesehen hat, weiss: Woeine Brücke ist, ist meist auch ein Graben. Der Satz lässt sichaber auch umkehren: Wo ein Graben ist, findet man auch eineBrücke. Wenn dies zutrifft, müsste es am «Röstigraben» eigent-lich auch «Röstibrücken» geben. Machen wir uns auf den Weg.

Zuvor aber: Wo liegt eigentlich der «Röstigraben», von demman so oft spricht? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beant-worten. Denn die «Grenze» zwischen deutscher und welscherSchweiz ist nicht eine durch Grenzpfähle, Stacheldraht und Zoll-häuschen markierte Linie, sondern eine immaterielle, geradezuimaginäre Grösse.

Nehmen wir als Beispiel den zweisprachigen Kanton Freiburg.Viele Schweizer meinen, dass der Saanefluss die Sprachgrenzebildet, und die Romands bezeichnen die Deutschschweiz kurzer-hand als «outre-Sarine», als Gegend jenseits der Saane. Nun ist die Wirklichkeit etwas komplizierter. Die Saane entspringt imbernischen, das heisst deutschsprachigen Saaneland. Danndurchquert sie das waadtländische Pays d’En-Haut und das freiburgische Greyerzerland, wo auf beiden Seiten des Flussesfranzösisch gesprochen wird, von zwei kleinen Gemeinden imJauntal abgesehen. In der zweisprachigen Kantonshauptstadtsind die Verhältnisse vollends unübersichtlich. Zwar wurde früherim rechtsufrig gelegenen Au-Quartier in der Unterstadt mehrdeutsch gesprochen als in den linksufrigen Stadtvierteln, aberheute hat sich das durchmischt. Erst im Norden der Stadt ist dieSaane auch Sprachgrenze, doch in der Gegend von Murtenbeginnt sie links und rechts zu hüpfen, sodass die Sprachenkartehier wie ein bunter Flickenteppich aussieht.

Richtig anschaulich ist die Sprachgrenze eigentlich nurunmittelbar nördlich der Kantonshauptstadt, wo sie ein Stückweit mit dem Cañon der Saane zusammenfällt. Wenn man alsofeststellen will, ob es nicht nur einen «Röstigraben», sondernauch «Röstibrücken» gibt, geht man am besten dorthin.

Und in der Tat stösst man hier auf eine «Röstibrücke» vonbemerkenswerter Eleganz: das Grandfey-Viadukt. Unzählige

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Die «Röstibrücke» und ihrDer Röstigraben ist – fast schon zum Überdruss – in aller Munde. Von Christophe Büchi, Westschweizkorrespondent der NZZ, wollten wir etwas über die Röstibrücke erfahren.

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Unterstadt hinunterzufahren, und kaum war man über dem Fluss,ging es auf der anderen Seite ebenso steil wieder hinauf.

Endlich wurde im Jahr 1834 hinter der Freiburger Kathedralenach Plänen des französischen Ingenieurs Joseph Chaley eineHängebrücke zum rechten Saaneufer hinüber gespannt. Sie war246 Meter lang – ein Weltrekord, der Freiburg in ganz Europaberühmt machte. Und bald danach entstand eine zweite Hänge-brücke über das Tälchen der Gottéron (Galternbach), die aber soschwankte, dass viele Leute sie lieber besichtigten als benützten.

Mitte des 19. Jahrhunderts kam die grosse Zeit des Eisenbahn-baus. Natürlich war es undenkbar, die Eisenbahnlinie mittendurch die Stadt zu legen. So beschloss man, die Saane etwasweiter nordwärts zu überqueren. 1852 wurde das Grandfey-Viadukt gebaut. Es war eine revolutionäre Eisenkonstruktion, dieauf sechs achtzig Meter hohen Pfeilern ruhte.

Nur wurden die Eisenbahnzüge immer schwerer und schneller.1891 krachte in der Nähe von Basel eine Eisenbahnbrücke, dievon Gustave Eiffel, dem Eiffelturm-Eiffel, konzipiert worden war,unter der Last eines Zugs zusammen. Das Unglück kostete 73 Tote. Auch am Grandfey-Viadukt stellte man gefährlicheRisse fest. Deshalb wurde die Geschwindigkeit auf 40 km/hbeschränkt. Im Ersten Weltkrieg begannen die SBB, auf Stromumzuschalten. Die Grandfey-Brücke wurde einbetoniert, ohnedass der Zugverkehr eingestellt werden musste. Die Brücke verlor zwar von ihrem Reiz, dafür bekam sie jetzt die Fuss-gängerpasserelle. Auch die beiden Hängebrücken in der Stadtsind längst modernen Betonkonstruktionen gewichen. Dennochist Freiburg bis heute eine Stadt der Brücken geblieben. Waszeigt, dass der «Röstigraben» auch sein Gutes hat.

Übrigens: Beim Überqueren des Grandfey-Viadukts stellt man fest, dass die Welt auf beiden Seiten des Saanegrabensbemerkenswert ähnlich aussieht. Die Menschen sind die glei-chen, die Landschaft ist die gleiche. Nichts ändert sich, aussernatürlich die Sprache. Diese Feststellung ist eigentlich einenSpaziergang wert.

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BRÜCKEN

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Graben

Christophe Büchi lebt als Publizist und Westschweiz-Korrespon-dent der NZZ in Prilly. Im Jahr 2000 veröffentlichte er das bereitszum Standardwerk gewordene Buch «Röstigraben: das Verhältniszwischen deutscher und französischer Schweiz. Geschichte undPerspektiven». Büchi erhielt mehrere Preise, zuletzt den «PrixJean-Dumur» des Genfer Buchsalons 1986, und den «Prix deLucerne» der Stadt Luzern 2000.

Christophe Büchi

hat das Grandfey-

Viadukt bei Freiburg

zur Röstibrücke

«ausgebaut».

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Das Kontozum EuroSeit dem 1. Januar 2002 ist der

Euro in den zwölf Staaten der

Europäischen Währungsunion

bare Münze. Die «Europhorie»

hat sich gelegt, und die neue

Währung hält – auch in der

Schweiz – Einzug ins Alltags-

leben. Mit dem neuen Privat-

konto euro trägt die Credit

Suisse diesem Umstand Rech-

nung. Das Konto bietet zahl-

reiche Vorteile: Die Zahlungs-

ein- und -ausgänge unterliegen

keinen Währungsschwankun-

gen, die Kontoführung ist gra-

tis und bereits ab einer Einlage

von 2000 Euro profitieren die

Kontoinhaber von einem attrak-

tiven Zinssatz. Zudem können

Beträge bis 500000 Euro jeder-

zeit frei abgehoben werden.

Und mit der ec/Maestro-Karte

zum Privatkonto euro können

Karteninhaber weltweit Bar-

geld beziehen und ihre Ein-

käufe bargeldlos tätigen, in

den zwölf europäischen Euro-

Ländern sogar ohne Umrech-

nungsverluste. Umfassende

Informationen zum Privatkonto

euro finden sich auf www.credit-

suisse.ch/eurokonto. (rh)

Massgeschneiderte Vorsorgefür Firmenkunden

Mit der Lancierung der Web-site www.cspb.com.sg setztCSPB Singapore einen neuenMassstab im asiatischen Pri-vate-Banking-Markt. Die Kun-den von CSPB Singapore, diefast über die ganze Welt verteilt

sind, können nun wählen, wie sie ihre Private-Banking-Geschäfteabwickeln wollen. Sie können sich nicht nur weiterhin ganz aufihren Relationship Manager verlassen, sondern auch jederzeitund unabhängig von ihrem Standort auf die Internetplattformzugreifen, um ihre Konten und Portfolios einzusehen, Analysendurchzuführen und Börsengeschäfte online zu tätigen. Ausser-halb der Bürozeiten können sich die Kunden entweder tele-fonisch, per Fax oder E-Mail an das Service Center wenden. Diedort eingesetzten Bankfachleute sprechen mehrere Sprachenund verfügen über sämtliche Kenntnisse, um Transaktionenauszuführen, Internetsupport zu geben und auf Anfragen undWünsche einzugehen. (jp)

Die nächste Private-Banking-Generation

Am 27. Februar 2002 findet imKultur- und KongresszentrumLuzern das ESPRIX Forumzum Thema «Managing Moti-vation» statt. Daran teilnehmenwerden rund tausend Führungs-kräfte aus der ganzen Schweiz.Fragen wie «Was motiviert Men-schen zu Höchstleistungen?»oder «Welche Faktoren unter-stützen Motivation?» stehen ander Tagung im Diskussionsmit-telpunkt. Als Hauptreferentenfungieren Rolf Dörig, CEOCredit Suisse Banking; JosefFelder, CEO Unique Airport;Peter Gross, Professor für Soziologie an der HochschuleSt. Gallen, sowie Evelyne Bin-sack, Bergführerin und Heli-kopterpilotin. Am Nachmittagerfolgt die Verleihung des«ESPRIX Schweizer Qualitäts-preis für Business Excellence».ESPRIX ist eine Initiative derSwiss Association for QualitySAQ und der Credit Suisse.Weitere Informationen zumESPRIX Forum finden sich aufwww.esprix.ch. (rh)

Seit 1. Januar 2002 ist beider Winterthur Life & Pen-sions im Vorsorgegeschäftder zweiten Säule eine neueStruktur der Zusammenar-beit mit den verschiedenenBankenvertriebskanälen inKraft. Das Zusammenrückenvon Kundenverantwortlichender Credit Suisse Corporate & Retail Banking und Unter-nehmensberatern der Winterthur ermöglicht eine rascheund professionelle Beratung und Betreuung der einzelnenFirmenkunden der Credit Suisse. Auch profitieren diesedurch den neuen Vermittlungsprozess von der umfassendenFachkompetenz des Banken- und Versicherungsbereichsaus einer Hand. (rh)

ESPRIX 2002 –Forum für Excellence

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Formel 1Grosse Erwartungen inneue BolidenDie ersten Tests mit dem neuen Sauber C21 sind über die Bühne,die Ergebnisse bleiben streng geheim. Am 3. März hat der Wagenmit einem stärkeren Motor, einem leichteren Getriebe, Verbesse-rungen in der Aerodynamik und mit neuer Steuerungs-SoftwareRennpremiere beim Grossen Preis von Australien. Können sichHeidfeld und Massa mit dem C21 im 2002 durchsetzen und bewähren? Ein Saisonausblick mit dem Sauber-Team.

medi-24/MedvantisDie betreuende VersicherungMit medi-24/Medvantis führt Winterthur Insurance in der Schweizeinen gesundheitlichen Beratungsdienst ein. Angeboten werdenPräventions- und Betreuungsprogramme, insbesondere fürchronisch Kranke. Bulletin Online sprach mit einem Vertreter derWinterthur Insurance und fragte nach, warum Versicherungenmehr Einfluss auf die medizinische Betreuung der Patientennehmen wollen.

Ausserdem im Bulletin Online: • Mobilität sprengt Kantonsgrenzen: Welche Schweizer

Kantone können in Zukunft mit einer günstigen Bevölke-rungsentwicklung rechnen, und welchen droht das Fallbeil?Harte Fakten, Regierungsstimmen und Zukunftsvisionen.

• Videointerview: Walter Mitchell, Lateinamerika-Experte derCredit Suisse, erklärt die Argentinien-Krise.

• Expo.02: Unser virtueller Reporter berichtet jeden Monat ausCyberhelvetia.

www.credit-suisse.ch/bulletin

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propos@SprachzauberlehrlingPaul Parin, Begründer der Ethnopsychoanalyse, habe seine Zu-

sage auf einer mechanischen Schreibmaschine getippt, gibt der

Organisator der Autorenlesung in Schaffhausen seinem Stau-

nen Ausdruck. Parin liest eine Weile, dann stellt er klar: «Meine

Bücher schreibe ich von Hand.» Ist dies das Geheimnis seines

Sprachzaubers? Wenig später erzählt Arbeitskollege Stephan

von seinem Buchtraum, den er sich noch erfülle, irgendwann:

Über den und den Stamm in Ecuador, woher seine Frau stamme

und bei dem die Tradition der mündlichen Überlieferung am

Aussterben sei. Diese müsse er dokumentieren. Finde ich auch,

aber welcher Indiostamm war es? Vergessen. Blackout total.

«Shuar oder Zapara?» frage ich per E-Mail. «Die Zapara. Dass

Du Dich daran erinnerst!» kommt es umgehend zurück. Ich trei-

be die Hochstapelei weiter. Ob er wisse, dass das mündliche

Erbe und die kulturellen Ausdrucksformen der Zapara auf der

Unesco-Liste «Meisterwerke des mündlichen und immateriellen

Erbes der Menschheit» stünden? Nun fange ich selbst an, mein

Wissen zu bewundern – der Internetsuchmaschine Google sei

Dank. Gleichzeitig bringt mich Parins «Traum von Ségou» zurück

in die Studienzeit, als ich über die Goldstadt Timbuktu forschte

und dabei – für mich – das schwarzafrikanische Reich der Son-

ghai entdeckte. Heute würde ich die Lizenziatsarbeit anders

konzipieren, gewichten, statt mit der Schreibmaschine mecha-

nisch Fakten aufzuzählen. Wie gut könnte man die neuen

Recherchier- und Gestaltungsmöglichkeiten einsetzen. Natür-

lich nicht, um den Professor zu blenden, die liebe Note, sondern

um der Sache willen. Während Tabea, die Musikerin, mir zwei

hörenswerte Songhai-CDs vorlegt, verlangt Cyril: «Triff mich um

18 Uhr vor dem Trainingsplatz, Kleider kaufen.» «Ich cha nid cho,

mis @propos isch nid fertig», sms-le ich zurück, pflichtschul-

digst in Mundart, wie es mir die Söhne ultimativ vorgeschrieben

haben. Das Problem indes bleibt: Wie finde ich den Schluss?

Weder Internet noch PC helfen, ich Esel am Berg, wie zu Blei-

satzzeiten. Sprachzauber entstünde im Kopf allein. Parin, 86-

jährig, stellt übrigens nur deshalb nicht auf den Computer um,

weil er dies seiner Haushälterin nicht mehr zumuten möchte.

von Andreas Schiendorfer

[email protected]

Jetzt im Bulletin Online

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AKTUELL

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«Das Igelverhalten schadet der Schweiz»Die Nationalratspräsidentin Liliane Maury Pasquier versteht die Sorgen der Bevölkerung.Als höchste Schweizerin nimmt sie Stellung zum Sorgenbarometer der Credit Suisse. Die repräsentative Umfrage wurde im Oktober 2001 bei Schweizer Stimmberechtigtendurchgeführt.

MARTINA BOSSHARD Sind die Top-

Plätze beim Sorgenbarometer

auch für Sie die wichtigsten

Probleme der Schweiz?

LILIANE MAURY PASQUIER Sobalddie Bevölkerung diese Themenals problematisch empfindet,sind sie es auch. Ich kann alleSorgen verstehen, setze

persönlich jedoch anderePrioritäten.

M.B. Wie würde Ihre persönliche

Rangliste aussehen?

L.M.P. Meine Hauptsorge istdie Integration der Schweiz.Unser Land muss internationalbesser verankert sein, sowohl

Interview: Martina Bosshard,

Redaktion Bulletin Online

Liliane Maury Pasquier ist ein

optimistischer Mensch. Mit Sorgen

hält sie sich nicht lange auf,

sie sucht lieber nach Lösungen.

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AKTUELL

in Europa als auch in derganzen Welt. Sehr am Herzenliegt mir auch, dass dieSchweiz endlich eine aktiveFamilienpolitik einführt. Dieswürde der Wirtschaft helfen,da das Potenzial der Frauenim Arbeitsmarkt besserausgeschöpft werden könnte.Eine weitere Priorität ist dieUmwelt. Wir sollten handeln,bevor es zu spät ist; aufkeinen Fall dürfen wir dieUmweltverschmutzung ein-fach ignorieren. Als Politikerinmöchte ich dazu beitragen,dass die Umwelt-Thematik im Bewusstsein der Bevölke-rung bleibt.

M.B. 64 Prozent der Befragten

sehen im Gesundheitswesen

das grösste Problem. Dieses

war schon im letzten Jahr

die Hauptsorge und hat sich

nun noch gesteigert (um

fünf Prozentpunkte). Wie stellen

Sie sich dazu?

L.M.P. Eigentlich ist es para-dox, dass das Gesundheits-wesen das grösste Problemder Schweiz sein soll; wirhaben eines der bestenGesundheitssysteme der Welt.Die Qualität ist einzigartig, und dank der obligatorischenKrankenkasse hat jede Person, die in der Schweizwohnhaft ist, auch Zugang zu medizinischer Betreuung.Für mich liegt das Problem bei den Kosten und ihrerVerteilung. Wir haben 26unterschiedliche Gesundheits-systeme – das kompliziert dieInitiativen zur Kostensenkung.Der Staat braucht mehrKompetenzen, um den Gesund-heitsbereich koordinieren und kontrollieren zu können.Ich bin nach wie vor dafür,Fo

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2001 2000 1999 1998 1997 1996Gesundheitswesen 64 59 48 46 52 46

Arbeitslosigkeit 45 34 57 74 81 75AHV/Altersvorsorge 37 49 45 45 39 36

Europa 34 45 43 40 39 34Flüchtlinge/Asyl 32 41 56 47 30 25

Extremismus/Terrorismus 27 – – – – –neue Armut 27 18 18 17 19 21

Globalisierung 24 11 13 10 9 8Ausländer 22 – – – – –

Löhne 19 13 13 12 14 13Bundesfinanzen 19 22 26 17 22 19

Wirtschaftsentwicklung 16 8 11 15 20 19Umwelt 15 25 18 19 19 20

persönliche Sicherheit 14 15 18 15 13 13soziale Sicherheit 13 15 17 15 15 18

Drogen 11 15 16 22 28 30Inflation/Teuerung 10 10 5 8 10 12

Zusammenleben 10 – – – – –Verkehr/Neat 10 – – – – –

Rassismus/Fremdenfeindlichkeit 10 15 22 24 21 22

Das schmerzt die SchweizGesundheit, Arbeitslosigkeit und Altersvorsorge führen die Rangliste an. Aber auchdie Globalisierung drängt sich vermehrt in das Problembewusstsein der Schweizer.

Das waren die grössten Sorgen im Jahr 2001Wie schon im Jahr zuvor bereitet der Gesundheitsbereich am meisten Kopfzerbrechen.Neu im Fokus stehen «Terrorismus/Extremismus» und «Neue Armut».

AKTUELL

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AKTUELL

Ereignisse des 11. Septem-ber die Schweizer geprägt.Wenn selbst die vermeintlichunverletzbare Weltmacht USA getroffen werden kann,besteht das gleiche Risiko für die Schweiz. Ich hoffe,dass das Interesse für inter-nationale Themen zu mehrÖffnung führen wird, denn einIgelverhalten kann unseremLand nur schaden.

M.B. 47 Prozent der Befragten

gehen von einer Verschlechte-

rung der Wirtschaftslage im

laufenden Jahr aus. Sehen Sie

dies auch so?

L.M.P. Nein, ich bin von Naturaus optimistisch. Ich halteunsere Wirtschaft für sehrdynamisch, sie hat ein grossesWachstumspotenzial. Mansollte an die eigene Wirtschaftglauben, damit sie sich positiventwickeln kann. Wirtschafthat viel mit Psychologie zutun. Die negative Einstellungder Leute hängt bestimmtauch mit den Ereignissen imletzten Herbst zusammen.

M.B. Die Umfrageresultate

unterscheiden sich in den ver-

schiedenen Sprachregionen

nur gering. Differenzen sind

eher zwischen Stadt/Land, den

sozialen Schichten und den

Altersgruppen sichtbar. Ist die

Angleichung der Sprachregio-

nen ein allgemeiner Trend?

L.M.P. In den letzten eid-genössischen Abstimmungenhat man festgestellt, dass sichder Graben zwischen denSprachregionen verkleinert hat.Ich glaube jedoch, dass beiThemen wie Aussenpolitik undUmwelt die Meinungen immernoch auseinander gehen.Falls es zu einer längerfristi-

gen Annäherung käme, würdeich mich freuen. Es wäre gut, wenn die Schweizerinnenund Schweizer vermehrt dasGefühl hätten, zum gleichenLand zu gehören.

M.B. Sie bekleiden 2002 das

höchste politische Amt.

Haben Sie sich spezielle Ziele

gesetzt?

L.M.P. Als Nationalratspräsi-dentin habe ich vor allemrepräsentative und organisa-torische Aufgaben. Ich werdejedoch sicher bei der Kam-pagne für den UNO-Beitritteine aktive Rolle spielen. Daeine grosse Mehrheit desParlaments hinter der Kam-pagne steht, habe ich keineSkrupel, diese Position klar zuvertreten. Der Beitritt zurUNO ist wichtig für die Zukunftder Schweiz.

Liliane Maury Pasquier hat ein

ungewöhnliches Profil für

eine Nationalratspräsidentin:

Die SP-Frau ist Mutter von

vier Kindern, mit 45 Jahren

schon Grossmutter und von

Beruf Hebamme. 2002 wird

sie allerdings bei keiner

Geburt beistehen, der Natio-

nalrat beansprucht sie zu

stark. Liliane Maury Pasquier

will erst ab 2003 wieder als

Hebamme arbeiten. Der Beruf

ist ihr wichtig, und die sozia-

len Kontakte helfen ihr bei

der Arbeit als Politikerin. Den

Spagat zwischen Familie,

Beruf und Politik schafft sie,

weil ihr Mann und sie sich die

Aufgaben im Haushalt teilen.

Auch nach 20 Jahren verspürt

die Genferin immer noch

die gleiche Leidenschaft für

die Politik wie zu Beginn ihrer

Karriere.

dass die Krankenkassen-Prä-mien vom Einkommen abhän-gig sind. Gerade Familienwürden davon profitieren. Beider Diskussion zu möglichenLösungen gehen die politi-schen Meinungen weit aus-einander: Die Gesundheit wirdwohl auch im nächsten Jahrdie Hauptsorge bleiben.

M.B. Die Altersvorsorge war

lange auf Platz zwei, neu ist sie

nur noch an dritter Stelle. Hat

sich die Situation auf diesem

Gebiet entspannt?

L.M.P. Während der AHV-Revision wurde natürlich vielüber die Kosten des Systemsund das erwartete Defizitgesprochen. Sobald vonDefizit die Rede ist, löst diesAngstgefühle aus. Wenn sich die wirtschaftliche Lageerholt, rücken die Defizit-perspektiven in die Ferne. DieSozialversicherungen sindsehr eng mit dem Wachstumder Wirtschaft verbunden;wenn es gut läuft – wie amAnfang dieses Millenniums –,ist der Druck weniger gross.Verschlechtert sich die Lage,ist auch das Thema AHVwieder auf dem Tisch.

M.B. Neu ist die Arbeitslosigkeit

wieder auf dem zweiten Rang;

für 45 Prozent der Befragten

ist sie Grund zu grosser Sorge.

Die Schweiz hat eine der

tiefsten Arbeitslosenquoten

der Welt. Warum bereitet

die Thematik so viel Kopfzer-

brechen?

L.M.P. Ob die Quote tief istoder hoch: Es ist immerbeunruhigend, wenn die Zahl der Arbeitslosen steigt. In denletzten Monaten wurde dieSorge natürlich durch dieProbleme der Swissair ver-stärkt. Massenentlassungenmachen Angst. Das Swissair-Debakel hatte auch einestarke symbolische Wirkung.Die nationale Fluggesellschaftwar ein Inbegriff für die mo-derne Welt. Plötzlich kommt es in dieser Welt zu einemVerlust – das führt unweiger-lich zu einer Verunsicherung inder Bevölkerung. Die Angstvor der Arbeitslosigkeit ist beiuns besonders gross, weil dieArbeit für die Schweizerinnenund Schweizer einen sehrhohen Stellenwert hat. Siesetzen Arbeitslosigkeit oftgleich mit einer Ausgrenzungaus der Gesellschaft. Dies istin Ländern, in denen zehn oder20 Prozent der Leute arbeits-los sind, weniger der Fall.Dort hat man eher gelernt, mitdieser Realität umzugehen.

M.B. Terrorismus/Extremismus

steht neu an sechster Stelle.

Auch die Globalisierung wird

immer öfter genannt. Gewinnen

weltpolitische Themen in

der Schweiz an Bedeutung?

L.M.P. Ja, die nationalenGrenzen werden durchlässi-ger. Wir haben die gleichenProbleme wie andere Länderauch; deshalb müssen wirnach gemeinsamen Lösungensuchen. Natürlich haben die

Highlights zum Sorgenbarometer und die

ganze Studie finden Sie im Bulletin Online.

www.credit-suisse.ch/bulletin

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Angabe in % Stimmberechtigter

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…den Bundesrat Der Bundesrat schneidet gutab, er platziert sich noch vordem National- und Ständerat.Die Nummer eins in der Gunstder Bevölkerung bleibt jedochdie Polizei.

Vertrauen in…

…die Banken 2001 haben die Banken enorman Vertrauen verloren. Dasschlechte Resultat könnte darauf zurückgeführt werden,dass viele Schweizer den Banken die Verantwortung fürdas Swissair-Grounding im Oktober zuschrieben. Das Ergebnis von 2001 ist sogarnoch schlechter als dasjenigevon 1997/98, dem Höhepunktder Holocaust-Debatte.

…die UNO 1996 bis 2000 stieg das Vertrauen in die UNO konstant.2001 ist ein leichter Rückgangzu bemerken. Die EuropäischeUnion schneidet schlechter ab –nur 30 Prozent der Bevölkerungvertrauen ihr.

35Bulletin 1| 02Credit Suisse

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Sorge trotz hohem Einkommen Die Arbeitslosigkeit ist bei Personen mit einem Haushaltseinkommen von über 9000 Franken monatlich eine Hauptsorge. Besonders betroffen fühlen sich auchStädter, junge und sozial schlechter gestellte Menschen.

Arbeitslosigkeit macht AngstDie Arbeitslosigkeit sorgt wieder für schlaflose Nächte. DieTerroranschläge in den USA, das Swissair-Debakel und dieEntlassungen im Verkehrs- und Kommunikationsbereichverunsichern die Bevölkerung.

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WirtschaftsentwicklungBei den Erwartungen für die Wirtschaft im Jahr 2002 sieht die Mehrheit der Befragten dunkelgrau. Nur fünfProzent der Schweizerinnen und Schweizer glauben an eineVerbesserung der wirtschaftlichen Lage.

überfordert, eine Ein-schätzung zu machen 9%

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USD MSCI World, indexiert auf 1993 USD DJSI World, indexiert auf 1993

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Anleger beachten bei ihren Investitionsentscheiden nebenfinanziellen immer mehr auchethische und ökologische Kriterien und bevorzugen Fir-men, die sich entsprechend

36 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Nachhaltigkeit zahltsich ausUnternehmen, die sich der Nachhaltigkeit verpflichten, sind tendenziell innovativer und verfügen über ein besseres Risikomanagement als ihre Mitbewerber. Vor allem abersind sie interessant für Investoren. Von Christine Frey, Equity Research, Credit Suisse Financial Services, und

Bernd Schanzenbächer, Umweltmanagement, Credit Suisse Group

verhalten. Man spricht in die-sem Fall von «Nachhaltigkeit»(Sustainability). Der Begriffstammt ursprünglich aus derForstwirtschaft. Ein Försterpflegt seinen Wald dann

nachhaltig, wenn er nur soviele Bäume fällt, wie nach-wachsen können. Mit einemKahlschlag könnte er zwarseinen kurzfristigen Gewinnsteigern, für nachfolgende

Nachhaltige Papiere schneiden gut ab Der DJ-Sustainability-Index misst die Performance von so genannten «Sustainability Leaders», also von Unternehmen, die in Bezug auf Nachhaltigkeit in ihrer Branche führend sind. Die beiden Kurven des DJ-Sustainability-Index und des MSCI-World-Index zeigen deutlich, dass sich der Erfolg der «SustainabilityLeaders» sehen lassen kann. Quelle: Datastream, SAM Group

Page 37: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

37Bulletin 1| 02Credit Suisse

AKTUELLFo

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«Anleger beachten nebenden herkömmlichen finanziellen auch immermehr ethische und ökologische Kriterien.» Christine Frey,

Equity Research CSFS

Generationen hätte aber derüberstrapazierte Wald kaummehr etwas zu bieten. Deshalbwird nachhaltiges Handelndefiniert als die Befriedigungheutiger Bedürfnisse, ohnedie Möglichkeiten zur Bedürf-nisbefriedigung zukünftigerGenerationen einzuschränken –kurz, es geht um eine lang-fristig tragfähige Wirtschafts-weise. Wer nachhaltig wirt-schaftet, denkt nicht nur andie nächsten Quartalszahlen,sondern schaut über die kom-menden Jahre hinaus. DochNachhaltigkeit beschränktsich nicht auf ökologische undethische Aspekte, sondernumfasst auch soziale undökonomische Überlegungen.Fortschrittliche Unternehmenschonen also nicht nur natür-liche Ressourcen, sondernzeichnen sich durch einen re-spektvollen Umgang mit ihrenMitarbeitern und der Öffent-lichkeit aus. Nur der Einbezugaller Verantwortungen sichertlangfristige Wachstums-chancen, eine Steigerung desShareholder Value und – nichtzu unterschätzen – des Stake-holder Value. So konnten jeneUnternehmen, welche sichdurch progressives und inno-vatives Handeln an die Spitze

«Wer nachhaltig wirtschaftet,denkt nicht nur an die nächsten Quartalszahlen, sondern schaut über diekommenden Jahre hinaus.» Bernd Schanzenbächer,

Umweltmanagement CSG

der neuen Sustainability-Dynamik gestellt haben, diePerformance ihrer Wettbe-werber in den vergangenenJahren wiederholt übertreffen.

Sustainability hat Zukunft

Noch vor wenigen Jahren wardie Investition in nachhaltigwirtschaftende Firmen einemkleinen Kreis von Fachkundi-gen vorbehalten. Die Titelaus-wahl erforderte viel Erfahrungund Fachwissen, das Wachs-tumspotenzial der neuen Anlagestrategie musste sicherst noch beweisen. Inzwi-schen haben auch grosse institutionelle Investoren dasPotenzial nachhaltiger Anlagenerkannt. So hat etwa die AHVim Mai letzten Jahres 500 Mil-lionen Schweizer Franken für

nachhaltige Investitionen beiseite gestellt, was einemDrittel ihres ganzen damaligeninternationalen Investitions-portfolios entspricht. In Eng-land und Deutschland ver-pflichten neue Verordnungendie Pensionskassen undFondsdienstleister sogar dazu,ihre Anlagestrategie in Bezugauf soziale und ökologischeKriterien offen zu legen. Ähnliche Vorstösse stehen imgesamten EU-Raum bevor.Der Druck der «potenziellenShareholder» und der interes-sierten Öffentlichkeit wird dieUnternehmen veranlassen,sich vermehrt nach ökologi-schen und gesellschaftlichenKriterien zu richten. Gemässeiner Schätzung der FinancialTimes sind heute in Grossbri-

tannien rund 3,3 MilliardenPfund in Sustainability-Fondsinvestiert gegenüber 791 Mil-lionen Pfund vor fünf Jahren –ein starkes Wachstum, dassich in den kommenden Jahrennoch akzentuieren dürfte.Auch unter privaten Investo-ren erfreut sich Sustainability zunehmender Akzeptanz. Immer mehr Menschen wollenbei der Geldanlage sicher- gehen, dass sie mit ihrem Geldnicht ökologisch und ethischfragwürdige Firmen unterstüt-zen. Doch bisher fehlte einembreiteren Anlegerkreis dasFachwissen, um erfolgreich inSustainability investieren zukönnen.

Stock Screener analysiert

Im Bereich Sustainability erleichtert die Credit SuisseGroup ihren Kunden jetzt denEinstieg ins nachhaltige Inves-tieren. Der Stock Screener(ehemals Stock Tracker) wurdekürzlich um Nachhaltigkeits-analysen erweitert. BeimStock Screener handelt essich um einen weltweiten, kostenlosen Aktienscreenermit fundamentalen und tech-nischen Bewertungskriterien.Als Bestandteil des Kunden-bereichs von Credit Suisse

Page 38: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

STOCK SCREENER BIETET EFFIZIENTE AKTIENANALYSE

Aktienlisten können aus einem weltweiten Universum nach dem gewünschten Anlagestil

einfach ausgewählt werden. Zusätzlich zu den gewählten Kriterien wie zum Beispiel

Kurs-Gewinn-Verhältnis, Momentumwerte oder Verhältnis Preis zu Buchwert sind die

gesamte Researchdatenbank von Credit Suisse und neu auch Sustainability-Berichte der

SAM Group mit dem Tool verlinkt. Der Link zu Market Watch liefert zusätzlich eine

grafische Analyse, aktuellste Marktdaten und Neuigkeiten zum ausgewählten Titel. Über

den Trade Link ist ein direkter Kauf oder Verkauf des ausgewählten Titels im Direct Net

möglich. Voraussetzung dafür ist der Zugriff zum Direct Net. Auch hier hilft Ihnen Ihr

Anlageberater gerne weiter.

Die personalisierte MyScreen Funktion ermöglicht es, einmal erstellte und gespeicherte

komplexe Marktübersichten durch einen einfachen Klick aufzurufen. Als Ideenquelle

können auch die vordefinierten Experts’ Screens hinzugezogen werden und auf indivi-

duelle Bedürfnisse abgeändert als MyScreen abgespeichert werden.

So präsentiert sich der Stock Screener auf dem Bildschirm. Informationen zur Nachhaltigkeit sind

mit einem Mausklick abrufbar.

DIE VORTEILE DES STOCK SCREENERS AUF EINEN BLICK

■ Ethische und ökologische Kriterien als Zusatz zu den herkömmlichen finanziellen

Kriterien

■ Der Stock Screener ist neu mit Sustainability Ratings und dazugehörigen Research-

Berichten des externen Partners SAM Group ausgestattet.

■ Zeitersparnis durch Speichern Ihrer eigenen Screens und Zugriff auf vorbereitete

Experts’ Screens.

■ Zugang zu allen Research-Dokumenten von Credit Suisse Private Banking, News und

detaillierten Marktinformationen der einzelnen Titel.

■ Direkter Link zu Direct Net erlaubt schnelles und einfaches Handeln.

Private Banking ist er unterwww.cspb.com bei den OnlineService Tools zu finden. Kunden erhalten über ihrenAnlageberater Zugriff zu dieser Finanzplattform.

Zu den bestehenden Krite-rien ist neu ein ökologisches,ökonomisches und gesell-schaftliches Rating pro Titelmit umfassendem Research-Bericht zur Nachhaltigkeit desTitels hinzugekommen. DieAnalysen und Einschätzungen,welche dem Rating zugrundeliegen, stammen von einer unabhängigen Drittpartei, SAMSustainable Asset Manage-ment. Die erweiterte Funktio-nalität des Stock Screenersermöglicht es, Sustainability-Kriterien gegen andere Kriterien abzuwägen. Zudem werden Analysen und Ein-schätzungen zum Herunter-laden angeboten. Somit können Anleger ihre Investi-tionsentscheide nach ihren eigenen Wünschen und Ansprüchen fällen.

Wer sein Vermögen zwarmit gutem Gewissen investie-ren möchte, die Titelauswahlnach ökonomischen, ökologi-schen und sozialen Kriterienjedoch einer Fachpersonüberlassen will, findet denrichtigen Ansprechpartner.Anleger können ihren Port-folio-Manager auch anweisen,nur in Titel zu investieren,welche ihrem ethischen An-forderungsprofil entsprechen.

Christine Frey,

Telefon 01 334 56 43

[email protected]

Bernd Schanzenbächer,

Telefon 01 333 80 33

[email protected]

38 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Page 39: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

AKTUELL

39Bulletin 1| 02Credit Suisse

Die letzte Ausgabe des Bulletins war dem ThemaReichtum gewidmet. Am Endedes Artikels «Who wants to be a millionaire» forderten wirdie Leserinnen und Leser auf, uns weitere Irrtümer beziehungsweise Einsichtenmitzuteilen. Die Reaktionenwaren vielfältig und reichtenvon kurzen Statements bis zulängeren Betrachtungen. Eine Auswahl:

«Reichtum ist des GlückesPlunder!» lautet die Inschriftam roten Rathaus in Berlin,wie uns Raymond Spengleraus Wallisellen mitteilt,während Heinz Ritter, Zürich,den Lesern das Sprichwort«Dem Reichen ist alles reich»unkommentiert zur freien Interpretation überlässt.

Auch in Deutschland wirddas Bulletin aufmerksam gelesen, wie zwei Stellung-nahmen per E-Mail belegen.Volker Freystadt aus Wörthseeführt aus, dass im Schnitt rund40 Prozent der Ausgaben eines Durchschnittshaushaltsfür Kapitalkosten aufgewendetwerden müssten und inDeutschland die Bankzinser-

träge in den letzten 32 Jahrenum 3,5-mal stärker zugenom-men hätten als die Wirtschafts-leistung. Der HildesheimerManfred Glombik hingegenmacht auf Reichtümer inanderen Kulturkreisen auf-merksam. «Reichtum à laPapua bestehend aus Wild-schweinzähnen und Kauri-muscheln zeigt ein Halsband,das zugleich den Vorteil hat,dass jeder Betrachter sofortweiss, wie gut es dem Besitzergeht.»

Es gab aber auch kritischeStimmen: «Was Sie als Irr-tümer abtun, ist zum Teil tiefeWeisheit», meint etwa MartinPfyffer aus Solothurn. «Undstatt den Weisheiten nachzu-forschen, betrachten Sie diese von einem oberflächli-chen, materialistischen undrationalistischen Standpunktaus.» Kurt Rohrbach, Schönen-berg, geht unter anderem aufdie Armut in der Dritten Weltein: «Strategen sind der Mei-nung, dass die Globalisierungdie Armut in diesen Ländernmildert. Das Gegenteil ist der Fall. (…) Die westlichen Investoren haben das verdienteGeld immer wieder zurück-

Grosses MedieninteresseDas GfS-Forschungsinstitut führte im Auftrag des Bulletins die repräsentative Umfrage «Reichtum – nicht nur eine Frage des Geldes» durch. Diese enthielt eine Vielfalt an spannenden Ergebnissen, die wir im letzten Bulletin zusammenfassten.Das Medienecho war entsprechend gross, wobei das Thema«Mindestlöhne» eindeutig im Vordergrund stand.

So titelten die Schweizer Zeitungen:Tages-Anzeiger Klares Ja zu MinimallöhnenWalliser Bote Überwältigende Mehrheit für staatlich fixierteMindestlöhneThurgauer Zeitung Fast alle wollen garantierte Mindestlöhne24 heures Des salaires minimaux fixés par l’Etat?20 Minuten Die Manager sind ihr Geld nicht wertNeue Zürcher Zeitung Umfrage zum ReichtumSt. Galler Tagblatt Mehrheit für MindestlöhneLandanzeiger, Oberentfelden Repräsentative Meinungs-umfrage der Credit Suisse zum Thema ReichtumLe Temps Les Suisses pour des salaires minimaux fixés par l’Etat

fliessen lassen, sonst würdensie den Einsatz gar nicht wagen. Globalisierung lässtden Mittelstand ‹krepieren›,und, siehe Südamerika, dieSchere zwischen Reich undArm wird weiter.»

«Das Bulletin 6 ist nicht nurinteressant zu lesen, sondernschenkt auch Wissen», stelltEugen Graf aus Meilen fest.«Dazu gehört Ihre Informationrund um die Million. Eigentlichgehörte auch der Name Nobelmit dazu, ist doch dessenPreis vermutlich das am bestenbekannte Beispiel erfolgreichs-ter Vermögensverwertung.»

Einen überraschendenAspekt erläutert Ernst Wolferaus Wädenswil: «Die AHV-Rente für mich und meineFrau beträgt 3090 Frankenpro Monat, also 37 080 Fran-ken pro Jahr. Das zugrundeliegende Kapital wird mit

Vielleicht schon ein Millionär,ohne es zu wissen

empfinden sich als reich, 63 Prozent ant-worteten: «Ich bin nicht reich».

Bescheidenheit oder zwinglianischesTiefstapeln? Seis drum. Immerhin sagen62 Prozent von sich, dass sie genug Geldhätten. Und vergessen dabei nicht, dass esin unserem Land auch andere Verhältnissegibt. 80 Prozent der Befragten glaubennämlich, dass in der Schweiz viele sogenannte «Working Poor» leben: Men-schen, deren Lohn trotz vollem Arbeitspen-sum die Armutsgrenze nicht übersteigt. Ih-nen scheint damit bewusst, dass inunserem Land beispielsweise rund 7,5Prozent der Erwerbstätigen im Alter von20 bis 59 Jahren zur Gruppe der «WorkingPoor» gehören – also rund 250 000 Per-sonen, von deren Einkommen 535 000Menschen abhängig sind. 79 Prozent derBevölkerung ist der Meinung, dass dasProblem der Armut mit staatlich festgeleg-ten Mindestlöhnen anzugehen sei. Zudemwürden 64 Prozent die Beiträge an Bedürf-tige im eigenen Land erhöhen. Das passtzu den Aussagen der 84 Prozent, die ver-neinen, dass, wer arm ist, selber schuld sei.

Als Hauptgründe für soziale Notlagengelten in den Augen der Befragten die all-gemeine Wirtschaftslage (42 Prozent), ein«Klima, in dem nur der Stärkere überlebt»(25 Prozent), und die Tatsache «dass nie-

mand mehr dem anderen hilft» (21 Pro-zent). Die solidarische Haltung hat indesGrenzen. 54 Prozent sind der Meinung,dass die Schweiz ihre Beiträge an die Ent-wicklungshilfe ins Ausland gleich lassensollte; 23 Prozent sind sogar dafür, sie zuverringern. Dabei mag eine Rolle spielen,dass 72 Prozent die Aussage ablehnen,dass es der Schweiz nur so gut gehe, weiles um andere Staaten schlecht steht.

Arm und Reich treiben auseinander

Eine überwältigende Mehrheit der Bevöl-kerung stützt die These, dass «Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer». Für die Situation in der Schweizlassen 94 Prozent diese Aussage gelten;mit Sicht auf die Welt sind es 95 Prozent.Mitunter nehmen sie damit eine Furchtauf, welche die Gegner der Globalisierungbewegt: die Vorstellung eines breiter wer-denden Grabens zwischen Arm und Reich.

Nichtsdestotrotz sieht das Volk diewohlhabende Schweiz nicht auf dem auf-steigenden Ast. Die Frage, ob das Land infünf Jahren reicher, gleich oder ärmer seinwird als heute, entlockt den meisten (55Prozent) ein «gleich» und 29 Prozent ein«ärmer». Nur sieben Prozent erwartenmehr Reichtum. Laut der Bulletin-Umfragenicht mehrheitsfähig ist das Vorurteil, den

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Für einmal wähnte das Bulletin die Schwei-zerinnen und Schweizer in einem Märchen.«Stellen Sie sich vor, Sie hätten drei Wün-sche. Wofür würden Sie sich entscheiden?»Die Podestplätze waren schnell vergeben:«Jugend» (37 Prozent der Nennungen)und «Reichtum» (30 Prozent) waren dieBesitztümer, welche sich die helvetischeSeele am häufigsten erträumt. Abge-schlagen folgte auf dem dritten Rang die«Schönheit» (7 Prozent).

Dies eines der Ergebnisse einer reprä-sentativen Umfrage, die das Bulletin in Zusammenarbeit mit dem GfS-For-schungsinstitut diesen Herbst durchge-führt hat. Die Bulletin-Redaktion wollteherausfinden, wie Herr und Frau Schwei-zer zu den vielen Facetten von Reichtumstehen, zumal die Schweiz als eines derwohlhabendsten Länder der Welt gilt.

«Ich bin nicht reich»

Generell teilt die Mehrheit (83 Prozent)der Befragten die Einschätzung, dass dieSchweiz ein reiches Land sei. Überdurch-schnittlich oft sagen das Menschen ausdem linken Lager, gut Ausgebildete und60- bis 69-Jährige. Kommt die Rede aller-dings auf die persönliche Situation, siehtdie Sache anders aus: Nur gerade 27 Pro-zent der Schweizerinnen und Schweizer

Herr und Frau Schweizer wollen Mindestlöhne

Regiert Geld die Welt? Verdirbt Reichtum den Charakter? Das Gros der Schweizerinnen und Schweizer antwortet mit einem klaren «Ja». Ebenso eindeutig ist das Volk der Ansicht, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden. Das Gegengift: ein Mindestlohn für die «Working Poor». Hier exklusiv, die Resultate einer Umfrage zum Thema «Reichtum». Christian Pfister, Redaktion Bulletin

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bin nicht reich

bin reich

in % Stimmberechtigter

Bei der Armut scheiden sich die Geister«Wie hoch muss Ihrer Meinung nach im Monat das Netto-Haushaltseinkommen einer Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern mindestens sein, damit die Familie nicht in Armut lebt?» Trotz Vielfalt der Antworten – die Armutsgrenze setzen viele hoch an.

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in % Stimmberechtigter

Die Schweiz bekennt sich zu Mindestlöhnen79 Prozent der Befragten lassen keine Zweifel aufkommen: Um die Armut trotz Vollzeiterwerb anzugehen, sind sie dafür, dass der Staat Mindestlöhne festlegt, welchedie Existenz sichern.

Eine Nation macht auf Bescheidenheit«Sind Sie reich?» 63 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer überraschen mit einem «Nein, ich bin nicht reich».

einem Umrechnungssatz von7,2 Prozent gerechnet. 100 Prozent Kapital wären515 000 Franken. Eine halbeMillion liegt also in «Bern» füruns bereit. Dazu kommt diePension aus der zweiten Säule,der betrieblichen Vorsorge(BVG). Ab mittlerem Kaderkann diese bald einmal höhersein als die AHV. (…) So istwohl mancher schon Millionär,ohne es zu merken.» (schi)

LeserbriefeWeitere Leserreaktionen, insbesondere zum Artikel«Für eine Ehe mit Trau-schein» von Manuel Rybachüber die Frage des UNO-Beitritts aus der Sicht derWirtschaft, finden sich imBulletin Online: www.credit-suisse.ch/bulletin.

Page 40: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

Jonathan SteinbergProfessor of Modern

European History,

The University of Pennsylvania

Seit 1995, als die Schweizplötzlich ins Scheinwerferlichtder weltweiten Medien geriet,entwickelte sich im kleinenAlpenland eine veritableGeschichtsindustrie, die sichemsig bemühte, die dunklen

Finanzinstituten (Schweize-rische Kreditanstalt, Schwei-zerische Volksbank, BankLeu). Dieses Buch bietet dieerste ausführliche Übersichtüber ein bedeutendes StückSchweizer Finanzgeschichte.Es behandelt überdies eineReihe von Themen (u. a.Goldhandel, Arisierung), dieähnliche historische Projektebei der Deutschen Bank und der Dresdner Bank inseparaten Monografienaufgearbeitet haben. Somitbietet dieses Werk in einem

Seiten der Schweizer Neutra-lität während des ZweitenWeltkriegs aufzudecken. (…)

Inmitten der Flut vonBerichten zu diesem Themaist die Publikation «ZwischenBundeshaus und Paradeplatz»ein Meilenstein, eröffnet siedoch eine neue Etappe der«Vergangenheitsbewältigung».(…) Der Leser erhält Zeugnissevon drei unterschiedlichen

40 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Zwischen Bundeshausund ParadeplatzDer 850-seitige Sammelband «Zwischen Bundeshaus und Paradeplatz», herausgegeben von Joseph Jung, Chefhistoriker der Credit Suisse Group, behandelt die Tätigkeit der Banken der Credit Suisse Group im Zweiten Weltkrieg. Das Bulletin bat sechs unabhängige Experten um eine Rezension.

Umfassende Analyse vonBanken in einer Krisenzeit

Der Zürcher Paradeplatz in den

Vierzigerjahren. Rechts im Bild

das Gebäude der Schweizerischen

Kreditanstalt.

Page 41: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

Band eine Analyse des Ver-haltens von Banken in einerKrisenzeit.

Das Buch ist sehr schöngestaltet, und der Text wirdmit historischen Fallbeispielenvon schlecht behandeltenKunden, Arisierungen undRaubkunst ergänzt. (…) FarbigeTextkästen bieten nützlicheHintergrundinformationen. Es gibt eine chronologischeÜbersicht aller relevantenEreignisse, ein ausgezeich-netes Stichwortverzeichnis,eine Reihe hervorragenderGrafiken und statistischerTabellen. Die Lektüre gestaltetsich so bequem wie derAufenthalt in einem elegantenSchweizer Hotel.

Die Geschichte selbst istunerfreulich. Sie wird aufruhige, nüchterne Art – viel-leicht ein bisschen zu nüchtern– geschildert. So werdenAspekte von Goldtransaktionenfolgendermassen kommen-tiert: «Trotzdem wären Über-legungen ethisch-moralischerNatur angebracht gewesen;doch solche sind nicht akten-kundig.» Dies kann man nichtgerade als einen Schrei derEmpörung bezeichnen. Unge-wöhnlich ist die vorsichtigeNennung von Einzelpersonen.Jüdische Kunden und Firmenwerden nicht namentlicherwähnt und auch nur sehrwenige Führungskräfte der Bank. Es wäre aber nichtgerecht, sich zu beklagen,wenn so viel geboten wird.

Die Credit Suisse Grouphat die Verantwortunggegenüber der Geschichtewahrgenommen und kannstolz darauf sein, was durch die eigenen Forschungenerreicht wurde.

Jean-Christian LambeletProfesseur d’Economie,

Directeur Institut Créa,

Université de Lausanne

In diesem umfangreichen undauch thematisch weit aus-greifenden Werk leistet dasKapitel «Die staatliche Kontrolleder Flüchtlingsvermögen»einen neuen, interessantenund fundierten Beitrag. (…)Der Bundesrat beschloss am18. Mai 1943, der Schweizeri-schen Volksbank ein allge-meines und exklusives Mandatfür die Verwaltung dieserVermögen zu übertragen. (…)

Die Dokumente im Zusam-menhang mit diesem Mandatsind heute ins Firmenarchivder Credit Suisse Group inte-griert. Sie sind sehr umfang-reich, da mehr als 16 000Flüchtlinge betroffen waren.Ihre Sichtung und Auswertunggestaltete sich deshalb nichteinfach. Das daraus entstan-dene Kapitel zeugt von eineräusserst professionell und in jeder Hinsicht mustergültigausgeführten wissenschaft-lichen Arbeit. Demnach hat dieSVB die Guthaben der Flücht-linge, trotz einigen unvermeid-lichen Friktionen und kleine-ren Zwischenfällen, in derenInteresse effizient und korrektverwaltet. Aus Sicht der Bank war das Mandat nichtrentabel, ja sie hat dabei sogarGeld verloren, denn dieBewältigung dieser Aufgabewar mit einem grossen perso-nellen und zeitlichen Aufwandverbunden. Das Kapitel zeigtauf, dass den Flüchtlingen

die Guthaben ordnungs-gemäss zurückerstattet unddie nicht eingeforderten Gut-haben dem Bund überwiesenwurden. Es liessen sich keineHinweise finden, die daraufhindeuten würden, dass sichdie SVB unrechtmässig berei-chert hätte. Zu erwähnen ist auch die ausgezeichneteZusammenfassung desForschungsstandes über dieSchweizer Flüchtlingspolitik zurZeit des Nationalsozialismus.

Diese Studie ist ein wichtiger«Baustein» eines noch fertig zustellenden «Gebäudes», daseine genauere, ausgewoge-nere und besser fundierte

Vorstellung der Geschichteder Schweiz im Weltkriegerlaubt. (…) Eine neue Studiedes Genfer Staatsarchivs zeigtauf, dass in der Region Genf86 Prozent aller Asylbewerberaufgenommen wurden; beiFlüchtlingen mit jüdischerReligion oder Herkunft warenes über 90 Prozent. Diesbestätigt frühere Untersuchun-gen des Verfassers diesesArtikels. Solche und weitere,noch laufende Forschungs-arbeiten tragen dazu bei, dieSchweiz in Bezug auf ihreRolle im Zweiten Weltkrieg zu rehabilitieren und dasNegativbild, das in letzter Zeit, insbesondere von deroffiziellen Geschichts-schreibung, noch verstärktwurde, zu korrigieren.

AKTUELL

41Bulletin 1| 02Credit Suisse

Korrektur an der offiziellenGeschichtsschreibung

Den Finanzplatz Schweizendlich neu eingeschätztWalther HoferEmeritierter Professor für

Neuere Weltgeschichte,

Universität Bern

«Geschichte ist die geistigeForm, in der sich eine Kulturüber ihre VergangenheitRechenschaft gibt.» DiesesWort des holländischen Histo-rikers Jan Huizinga kommteinem in den Sinn, wenn einUnternehmen sich daranmacht, sich Rechenschaft überseine Vergangenheit zu geben.Reflektiertes Handeln, schreibtJoseph Jung, schliesse das

Bekenntnis zur historischenVerantwortung ein, und diesewiederum könne nur über-nehmen, wer die Geschichtedes eigenen Unternehmenskennt. (…) Jung ist zuzustim-men, wenn er festhält: «GiltWissenschaftlichkeit als obers-tes Qualitätskriterium, so istunerheblich, ob Forschung vonöffentlicher oder unternehme-rischer Seite betrieben wird.» In der Tat sind ja so genannteunabhängige Forscherkeineswegs davor gefeit, vonausserwissenschaftlichenTendenzen beeinflusst zu

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wir haben zu verantworten, wiewir heute mit der Geschichteumgehen. Wir sind bereit, (…)unsere Vergangenheit zudurchleuchten und die Ergeb-nisse offen zu legen.» Ichfrage, ob das Versprecheneingelöst wurde.

Die Frage ist, was dieForm angeht, zu bejahen; wasvorliegt, ist eine umfangreiche,ausführliche Publikation. Ichdenke, dass das Wort auch hin-

Eric L. DreifussDr. phil. et lic. iur.,

Rechtsanwalt, Zürich

Anlässlich der Generalver-sammlung der Credit SuisseGroup 1997 hatte der damaligePräsident des Verwaltungs-rates ein Versprechen abge-geben: «Wir sind nicht dafürverantwortlich, was unsereVorgänger im Einzelnen getanoder unterlassen haben. Aber

werden, wie ein Blick in dieZeitgeschichte beweist.

Das vorliegende Werk istnicht nur schwergewichtigdurch seinen Umfang, sondernvor allem auch dadurch, dasses Forschungslücken füllt.Das gilt beispielsweise für die Kapitel über Geldströme der Flüchtlinge, über dieGeschäftsbeziehungen dereinzelnen CS-Banken mitDeutschland oder über dieFinanzbeziehungen Schweiz –USA. Es zeichnet sich weiteraus durch den interdisziplinärenAnsatz, das heisst durch dieZusammenarbeit von Histori-kern, Ökonomen, Juristensowie Spezialisten für Bank-fragen. Begrüssenswert ist auch die Befolgung desGrundsatzes, die Unterneh-mensgeschichte in den weite-ren nationalen und internatio-nalen Kontext zu stellen. (…)

Dass die Bedeutung desFinanzplatzes Schweiz zur Zeitdes Zweiten Weltkriegs starküberschätzt wird, ist das ein-drückliche Ergebnis der Studievon Hans Mast. Durch inter-nationalen Vergleich weist ernach, dass er vor 1945 einrecht kleines Gebilde gewesenist. Er widerlegt die immerwieder kolportierte Behaup-tung, die finanzielle Leistungder Schweiz sei so wichtiggewesen, dass das DeutscheReich sie sich unbedingt habeerhalten wollen und daher vonmilitärischen Aktionen abge-sehen habe. Diese Erkenntnistrifft sich mit den Ergebnissender Forschungen, die der Ver-fasser dieses Artikels zusam-men mit Herbert Reginboginim Buch «Hitler, der Westenund die Schweiz» (NZZ Verlag2001) vorgelegt hat.

erstellte Röntgenbild derOperationen einer internationaltätigen Finanzgruppe in einerUmgebung von Krieg, Verbre-chen und globaler Rechts-auflösung. Als Produkt einesbeispiellosen archivarisch-historiografischen Firmen-Grossprojekts ist es eineunschätzbare Dienstleistungzuhanden der weiterverarbei-tenden Wissenschaft. Die indiesem Band vereinigteGeneral-Spurensicherung ausdem Wirkungsradius derCredit Suisse Group trägt mitAkribie, extrem weit getrie-bener Nüchternheit und zur Perfektion kultivierterUrteilsabstinenz den Stoffzusammen, aus dem eineneue Generation von Finanz-historikern nach dem gegen-wärtigen Anfall staatlicherBerichts-Historiografie sichihre eigene, lebendigeSynthese des Geschehenswird erschreiben können.

Jörg BaumbergerTitularprofessor für

Volkswirtschaftslehre,

Universität St. Gallen

Die 1930er-Jahre sind gekenn-zeichnet durch Deglobalisie-rung und eine zunehmendwirtschaftskriegsähnliche inter-nationale Wirtschaftspolitikwichtiger Handelspartner derSchweiz. Die Desintegrationbahnt sich bereits vor derMachtergreifung der National-sozialisten an und bringt das –im Weltmassstab unbedeutende,im helvetischen Massstabjedoch stark auslandsver-flochtene – Schweizer Finanz-wesen schon in den frühen1930er-Jahren ins Schlingern.Internationale Kredite, diesoeben noch wie zukunfts-weisende Erfolgspositionenaussahen, werden unverse-hens zu existenzbedrohendenBelastungen. AusländischeEinlagen und Vermögensver-waltungsmandate stellen dieBanken der nachmaligen CreditSuisse Group vor finanzielleund menschliche Entschei-dungen, auf die sie ihretradierte Erfahrung nicht vor-bereitet hat. Alles, was nichtpures Inland-Inland-Geschäftist, gerät ins Spannungsfelddes von allen Parteien alstotal verstandenen globalenKrieges. In einer Zeit, in dersich zunächst einzelne undschliesslich beinahe alle nor-malen Geschäftsfenster zumAusland unter gewaltigenVerlusten schliessen und dieauf multilaterale Wirtschafts-beziehungen angewiesene,

nicht Krieg führende Schweizmit dem Rest ihres omnilate-ralen Finanznetzes ins Kreuz-feuer des Wirtschaftskriegesgerät, unternimmt jedes derdamals noch unabhängigenInstitute der Gruppe seinen jeeigenständigen Versuch, heilzwischen den Klippen hin-durchzusteuern und sich fürdie höchst unsicheren Kriegs-und Nachkriegsszenarien zurüsten. Das vorliegende Werkist ein flächendeckendesAudit, wie die damals nochnicht zusammengehörendenInstitute je auf ihre zeit- undumstandsgebundene Art dieTurbulenzen einer arglistigenZeit zu meistern versuchthaben. Was die Credit SuisseGroup hier zwischen zweiBuchdeckeln vorlegt, ist das wohl umfassendste je

42 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Mit Urteil über sich selbst zu Recht zurückhaltend

Grosshistoriografie mit extremer Nüchternheit

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sichtlich Inhalt gehalten wurde;so wurde der Band auch inder Presse aufgenommen(«solide Forschungsarbeiten»gemäss «NZZ», keine«Gefälligkeitsstudie» gemäss«Tages-Anzeiger»).

Das Werk ist ein Bericht,weniger eine Erzählung, auchkeine Interpretation, wie die Historiker sie manchmalversuchen. Man hat zur Dis-kussion gestellt, ob es nichtdes Urteils und der Thesen zusehr entbehre. Ich neige dazu,die Frage zu verneinen. Wohlist der Band ein historischesBuch; aber es ist autobiogra-fisch, umfassend im Sachver-halt, zurückhaltend im Urteil inder Tat. Ist es nicht schicklich,das Urteil über sich selber,wenn die Fakten gegeben sind,anderen zu überlassen, die,mit grösserer Distanz, hierzueine bessere Legitimationhaben? Im Übrigen sprechenzahlreiche Fallbeispiele fürsich selber, legen etwa dieVerstrickung in Arisierungendar; und was den Umgang mitden nachrichtenlosenVermögen nach dem Kriegangeht, ist (zu) geringe Sensi-bilität eingeräumt.

War es sinnvoll, das Buchzu schreiben? Die Vorlageeines Bandes, der der Unter-nehmensgeschichte imweiteren Sinn gewidmet ist,ist von geschäftspolitischerRelevanz. Er trägt bei zumVerständnis dessen, was dieIdentität der Bankengruppeheute ist. Auch die Geschichteeines Unternehmens in der Welt, in der es tätig warund ist, gehört zur – vielfachbeschworenen – corporateidentity. Diese hat, über dasWirtschaftliche im engeren

Sinn hinaus, mit Werten zu tun, will Vertrauen schaffen.Der Entscheid, über dieeigene Geschichte in schwie-rigen Zeiten zu berichten, hat diesen (vertrauensbilden-den) Aspekt.

Gerne stellt man bei derLektüre fest, dass ein Team ander Arbeit war, das Historiker,Juristen und Ökonomenumfasste, um dergestalt eine

möglichst ganzheitlicheDarstellung zu erzielen. Geradedie interdisziplinäre Dimensionhat man in einzelnen Studiender Unabhängigen Experten-kommission Schweiz – ZweiterWeltkrieg, einer Historiker-kommission, zum Teilvermissen müssen. Kritik?

Ja: Schade, dass das Buch nicht früher, viel frühergeschrieben worden ist.

AKTUELL

43Bulletin 1| 02Credit Suisse

Urs AltermattProfessor für Allgemeine und

Schweizerische Zeitgeschichte,

Universität Freiburg/Schweiz

Auch wenn die verunsicherteÖffentlichkeit von den Histori-kern gerade in kontroversenFragen endgültige Antwortenerwartet, besitzen historischeStudien keinen definitivenCharakter und unterliegeneiner ständigen Revision. Diesgilt auch für die Studien derBergier-Kommission, die in der Geschichtsschreibungüber die Schweiz im ZweitenWeltkrieg zweifellos eineZäsur brachten. Es ist deshalbzu begrüssen, dass Banken,Unternehmen, Verbände undKirchen ihre eigene Geschichtewährend der Jahre 1933bis 1945 aufarbeiten lassen.

In einem Werk von 850Seiten legt die Credit SuisseGroup Studien vor, die dieBestände der eigenenFirmenarchive und anderer

Archive auswerten und dieGeschichte der zur Gruppegehörenden Banken undderen Geschäftstätigkeit in denKriegsjahren untersuchen. Esversteht sich von selbst, dassviele Erkenntnisse der Studieauch in den Berichten derBergier-Kommission zu findensind. Der Leser stösst indes-sen immer wieder auf neueSachverhalte, die die Bergier-

Berichte substanziell ergänzenund vertiefen und dadurch zur weiteren Erhellung derGeschichte der Schweiz imZweiten Weltkrieg beitragen.Interessant sind z. B. dieTeilstudien über die Vermögens-werte von Flüchtlingen in der Schweiz und über dieKunstdrehscheibe Schweiz.

Der gewichtige Sammel-band, an dem unter derLeitung des HistorikersJoseph Jung zahlreiche Auto-rinnen und Autoren mitgear-beitet haben, ist im Kontexteines grösseren Forschungs-programms zu sehen, zu dem auch die im Jahre 2000erschienenen zwei Bändeüber die Geschichte derSchweizerischen Kreditanstaltund der Winterthur-Versiche-rungen zählen.

Dieses sehr ambitiöseForschungsprogramm ist fürden Finanzplatz Schweizerstmalig. Die drei gewich-tigen Bände antworten aufForschungslücken und gebenmit ihrem interdisziplinärenAnsatz dem Leser auch im Anmerkungsapparat eineFülle von Anregungen.

Zwischen Bundeshaus und Paradeplatz. DieBanken der Credit Suisse Group im ZweitenWeltkrieg. Studien und Materialien. Heraus-gegeben von Joseph Jung, mit Beiträgen vonAlois Bischofberger, Matthias Frehner, ThomasMaissen und Hans J. Mast. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2001.855 Seiten, 48 Franken.

Ambitiöses, pionierhaftesForschungsprogramm

Die hier leicht gekürzten Rezensionen finden sich, vollstän-

dig und in der jeweiligen Originalsprache, zusammen mit

einer Zusammenfassung des Inhalts des Buchs «Zwischen

Bundeshaus und Paradeplatz» im Bulletin Online.

www.credit-suisse.ch/bulletin

Page 44: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

«Die Entwicklung von

Bevölkerung und

Haushaltseinkommen

liefert klare Indizien

für die künftige Stärke

der Kantone», sagt

Sara Carnazzi Weber,

Economic Research &

Consulting.

ZH BE LU UR SZ OW NW GL4.0%

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Die Politiker diskutieren derzeit über denneuen Finanzausgleich. Dieser soll dieDisparitäten zwischen den Kantonenabbauen und die spezifischen Sonder-lasten besser auf die Nutzniesser ver-teilen. Dabei gilt es geografisch-topogra-fische und soziodemografische Aspektesowie die Zentrumslasten zu berück-sichtigen. Eine aktuelle wissenschaftlicheUntersuchung über die Entwicklung derso genannten kantonalen Haushalts-einkommen (siehe Box, Seite 46) zeigtdeutliche Wachstumsunterschiede auf.Die Schere zwischen den einzelnen Kan-tonen öffnet sich weiter. Insbesondere dieperipheren, eher ländlichen Gebiete wieGlarus, Uri, Jura oder Appenzell Ausser-rhoden geraten weiter ins Hintertreffen.Demgegenüber können sich die KantoneZug, Zürich, Schwyz, aber auch Nid-walden, Baselland und Aargau nochmalsverbessern. Sie profitieren davon, dass die Städte heute noch ausgeprägter alsfrüher die Triebkräfte der wirtschaftlichenEntwicklung in der Schweiz sind undzusammen mit den Agglomerationen fastzwei Drittel der gesamten Bevölkerungbeheimaten.

Die Zentren selbst, insbesondereZürich und Basel, haben allerdings auf-grund der zunehmenden Mobilität als

45Bulletin 1| 02Credit Suisse

ECONOMICS & FINANCEFo

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Kantone unter der LupeWie entwickeln sich die Kantone in den nächsten Jahren? Eine Studie der Credit Suisse überBevölkerung und Einkommen zeigt das wahrscheinlicheSzenario auf. Sara Carnazzi Weber, Economic Research & Consulting

ZG FR SO BS BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU CH

Nur fünf Kantone über dem DurchschnittDie Haushaltseinkommen der Kantone entwickeln sich 1999 bis 2004sehr unterschiedlich. Die Grafik zeigt die durchschnittliche jährlicheWachstumsrate aller Kantone in Prozent auf. Auch wenn es sich hin-sichtlich des Zustands der Kantone nur um einen Aspekt von mehrerenhandelt, gilt es ihn ernst zu nehmen.

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Wohnort zugunsten der Agglomerationenan Attraktivität verloren. Die gut erschlos-senen, steuergünstigen und doch noch imGrünen liegenden Gemeinden und Kanto-ne im Umfeld dieser Zentren vermögendavon eindeutig zu profitieren.

Mobilität wirkt sich aus

Die Entstehung der Wertschöpfung, aus-gedrückt durch das Bruttoinlandprodukt,und deren Verteilung, ausgedrückt durchdas Einkommen, fallen aufgrund desangesprochenen Anstiegs der Mobilitäträumlich zunehmend auseinander. Für dieBeurteilung der Wachstumsperspektiveneiner Region sind deshalb sowohl dieEntwicklung der Wertschöpfung als auchdiejenige der Einkommen von Bedeutung.Für die Perspektiven des regionalenHaushaltseinkommens sind Struktur undWachstum der Bevölkerung massgebend.Was in einer Region an Einkommenentsteht, hängt vornehmlich von derAltersstruktur, dem Lohnniveau und derErwerbsquote der Einwohner ab. DieAbweichungen in den einzelnen Kantonensind Ausdruck von deren Standortattrak-tivität. Sie widerspiegeln gleichzeitig aberauch die räumliche Entwicklung wie zumBeispiel das Wachstum in den Agglome-rationen oder die Abwanderung aus denRandgebieten.

Kantone mit einer dynamischen Bevöl-kerungsentwicklung können tendenziellauch mit einer günstigen Entwicklung der Haushaltseinkommen rechnen. Eben-so entscheidend ist jedoch die Bevöl-kerungsstruktur. Die Einkommensbasiseines Kantons – das so genannte Ein-kommenssubstrat – hängt davon ab, ob

eher Altersgruppen mit niedrigen oderhöheren Einkommen vertreten sind.Unabhängig von regionalen Lohnunter-schieden steigen mit zunehmendem Altersowohl der Durchschnittsverdienst alsauch die Erwerbsquote. Die 25- bis 65-Jährigen sind deshalb besonders attraktiv.

Zug hat besonders viel Zug

Die Grafiken auf Seite 47 zeigen dieprognostizierte Entwicklung von Bevölke-rung und Einkommenssubstrat im Zeit-raum 1999 bis 2004 der Kantone Zug undUri sowie der ganzen Schweiz. Zug undUri sind typisch für zwei Varianten der Ent-wicklung. Die Studie selbst analysiertjedoch alle Kantone; die entsprechendenResultate sind im Internet abrufbar. Zugwird in den nächsten Jahren weiterhin eineder dynamischsten Bevölkerungsentwick-lungen des Landes verzeichnen und profi-tiert auch von einer günstigen Struktur. Urihingegen wird einen Bevölkerungsrück-gang in Kauf nehmen müssen, wobeibesonders jener bei den 30- bis 39-Jähri-gen negativ ins Gewicht fällt. Immerhinführt die Zunahme bei den über 40-Jähri-

46 Bulletin 1| 02Credit Suisse

DER SCHWEIZ DROHT MEHR UND MEHR EINE ÜBERALTERUNG

In den letzten Jahrzehnten ist die Lebenserwartung bei den Frauen auf 82,6

Jahre und bei den Männern auf 76,7 Jahre gestiegen, womit die Schweiz

mit Japan und Schweden weltweit die höchste Lebenserwartung aufweist.

Gleichzeitig ging die Geburtenrate der Frauen weiter zurück. Sie schwankt

nun zwischen 1,24 Kindern je Frau (Basel-Stadt) und 1,86 Kindern je Frau

(Appenzell Innerrhoden). Zum Erhalt des Generationenbestandes wären

durchschnittlich 2,1 Kinder pro Frau nötig. Dementsprechend ist die Migra-

tionskomponente für das Bevölkerungswachstum noch wichtiger geworden.

Bis 2030 steigt die Schweizer Bevölkerung in der Schweiz jährlich um etwa

0,3 Prozent. Mit einem Rückgang der Bevölkerung müssen die Kantone

Glarus, Uri, Basel-Stadt, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden, Schaff-

hausen, Jura, Neuenburg, Bern und Appenzell Innerrhoden rechnen. Der

Anteil der über 65 Jahre alten Senioren wird landesweit auf 24,3 Prozent

(+8,9 Prozentpunkte) steigen, derjenige der unter 20-Jährigen auf 19,3 Pro-

zent (–3,8 Prozentpunkte) schrumpfen. Der Alterslastquotient erhöht sich

von 25,0 auf 43,2 Prozent. Das Verhältnis zwischen aktiver Bevölkerung und

Rentnerbevölkerung wird sich dementsprechend von 4 zu 1 auf 2,3 zu 1

verschlechtern. Besonders problematisch wird die Entwicklung in Appen-

zell Ausserrhoden, Uri und Glarus ausfallen.

WAS IST DAS HAUSHALTSEINKOMMEN?

Das Haushaltseinkommen – auch Einkommen der privaten Haushalte

genannt – umfasst das Einkommen der Arbeitnehmer und der Selbständigen

sowie die Vermögens- und Mietzinseinnahmen der privaten Haushalte. Im

Kontext der Nationalen Buchhaltung erfasst das Haushaltseinkommen den

wesentlichen Teil der Verteilung der Wertschöpfung (Bruttoinlandprodukt),

die in einem Land erwirtschaftet wird. Die gesamte Verteilung der Wert-

schöpfung wird durch das Volkseinkommen abgedeckt, das zusätzlich zum

Haushaltseinkommen unverteilte Unternehmungsgewinne, direkte Steuern

der Kapitalgesellschaften sowie Vermögens- und Erwerbseinkommen des

Staates und der Sozialversicherungen umfasst.

Auf nationaler Ebene macht das Haushaltseinkommen rund 87 Prozent

des Volkseinkommens aus. In Kantonen wie beispielsweise Obwalden oder

Appenzell Ausserrhoden ist der Anteil sogar noch wesentlich höher. In Kan-

tonen wie Basel-Stadt, Zug oder Zürich hingegen machen die unverteilten

Gewinne und direkten Steuern der Kapitalgesellschaften einen relativ hohen

Anteil am Volkseinkommen aus.

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gen dazu, dass der Rückgang des Ein-kommenssubstrats weniger ausgeprägtsein wird als jener der Bevölkerung.

Um den mittelfristigen Wachstums-trend der kantonalen Haushaltseinkom-men zu prognostizieren, untersucht dieStudie die Entwicklungsmuster des Ein-kommenssubstrats, die Standortattrakti-vität sowie die allgemeine Konjunkturlage.Um die Standortattraktivität zu messen,hat die Credit Suisse eigens einen Indi-kator entwickelt. Dieser berücksichtigt dieSteuerbelastung der natürlichen Perso-nen, die Steuerbelastung der juristischenPersonen, den Ausbildungsstand der Be-völkerung sowie die Qualität der Verkehrs-verbindungen. Die Ergebnisse werden inder Grafik auf Seite 45 für alle Kantonezusammengefasst. Relativ tiefe Wachs-tumsraten sind in den Kantonen Bern, Uri,Appenzell Ausserrhoden, Graubünden,Neuenburg und Jura zu befürchten. Struk-tur und Entwicklung der Bevölkerung, aberauch die unterdurchschnittliche Standort-qualität dämpfen die Zunahme des Haus-haltseinkommens. In diese Gruppe gehörenauch Basel-Stadt trotz einer Standort-qualität im guten Schweizer Mittel und dasWallis trotz einer relativ guten Bevölke-rungsentwicklung.

Die unterschiedliche Entwicklung in derWirtschaftskraft der Kantone, auf welchedie prognostizierten Wachstumstendenzender Haushaltseinkommen einige Hinweiseliefern, stellt das föderalistische Systemder Schweiz mit seinem ausgeprägtenSteuerwettbewerb auf die Probe. Zwarkönnen diesem durchaus positive Eigen-schaften zugesprochen werden. Die diver-gierenden Entwicklungsperspektiven derKantone führen jedoch zu ungleichen Vor-aussetzungen für diesen Wettbewerb. Derneue Finanzausgleich sollte in Zukunfteinen Beitrag zur Lösung dieser Problema-tik liefern.

Regionale Wirtschaftsräume analysiert

Um Struktur und Perspektiven der regio-nalen Wirtschaftsräume zu beleuchten,erarbeitet die Credit Suisse Regionalstu-dien. Jene über das Tessin wurde im Bul-

letin 3/2001 vorgestellt. 2001 sind mit Genf,Basel, Aargau, Thun/Berner Oberland,Biel/Seeland sowie Solothurn/Oberaargauweitere Regionen analysiert worden. DieStudien sind erhältlich bei Credit SuisseEconomic Research & Consulting, Postfach100, 8070 Zürich, oder im Internet, www.credit-suisse.ch/de/economicresearch.Hier ist auch die Publikation EconomicBriefing Nr. 27 «Bevölkerung und Ein-

kommen – ein Vergleich der SchweizerKantone» zu beziehen.

Sara Carnazzi Weber, Telefon 01 333 58 82

[email protected]

47Bulletin 1| 02Credit Suisse

ECONOMICS & FINANCE

Der Kanton Zug wächst dynamischer als UriWie gross ist, für die Jahre 1999 bis 2004, der Beitrag der einzelnen Bevölkerungs-gruppen ans Wachstum in den Kantonen Zug, Uri und in der Schweiz? Der KantonZug weist in allen Bevölkerungsgruppen eine gesündere Entwicklung auf als derKanton Uri. Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research & Consulting

Grosse Unterschiede beim EinkommenssubstratWie viel steuern die verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit ihrem Einkommens-substrat in den Kantonen Zug, Uri und in der Schweiz ans Wachstum der Jahre 1999bis 2004 bei? Der negative Beitrag der 30- bis 39-Jährigen fällt im Kanton Uri beson-ders ins Gewicht. Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research & Consulting

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SchweizZug Uri

Bulletin Online liefert Interviews und weitere

Hintergrundinformationen zu diesem Thema.

www.credit-suisse.ch/bulletin

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Das weltwirtschaftliche Klima ist nach den Ereignissen des 11. September rauergeworden. Dies bekommen nicht zuletztdie Schwellen- und Entwicklungsländer zuspüren. Nach den Finanzkrisen der Neun-zigerjahre und wegen der schlechten Wirt-schaftslage – vor allem in Lateinamerika –fällt es diesen Staaten schwer, die zurBewältigung der Entwicklungsproblemebenötigten finanziellen Mittel aufzubringen.Dies gilt umso mehr, als die in diese Länderfliessende öffentliche Entwicklungshilfe

48 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Entwicklungsfinanzierung am Scheideweg

Im März 2002 findet in Mexiko die UNO-Konferenz «Financing for Development» statt. Politiker, Wirtschaftsvertreter und Nichtregierungsorganisationen werden gemeinsam nach Erfolg versprechenden Lösungen für die Entwicklungsfinanzierung suchen. Von Manuel Rybach und Christian Rütschi, Economic Research & Consulting

«Die Bekämpfung der weltweiten

Armut kann nur dann Erfolg

haben, wenn sich die

Industriestaaten im Handel mit

den Entwicklungsländern weiter

öffnen», sagen Manuel Rybach

und Christian Rütschi (rechts).

rückläufig ist. Deshalb müssen vermehrtauch nichtstaatliche Finanzierungsquellenmobilisiert werden.

Private Kapitalflüsse haben sich in denletzten Jahren als wichtiges Element derEntwicklungsfinanzierung etabliert. Vorallem ausländische Direktinvestitionen(Foreign Direct Investment, FDI) werdenzur immer bedeutenderen Finanzierungs-form, insbesondere für aufstrebende Volks-wirtschaften (Emerging Markets, sieheGrafik Seite 49). Allerdings entfielen von

den 1271 Milliarden Dollar der im Jahre2000 weltweit getätigten FDI lediglich 20Prozent auf Nichtindustriestaaten. 1997hatten die Entwicklungsländer noch bei-nahe 40 Prozent aller FDI auf sich vereint.

Tendenziell sind die Schwellen- undEntwicklungsländer aufgrund schwacherinländischer Finanzsektoren sowie tieferSparquoten auf ausländische Direktin-vestitionen angewiesen. Diese schaffenArbeitsplätze, verstärken den Wettbewerbund gehen meist mit dem Transfer von

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ECONOMICS & FINANCEFo

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So finanzieren sich Emerging Markets In der Finanzierung von aufstrebenden Volkswirtschaften übertreffen die privatenKapitalzuflüsse diejenigen aus öffentlichen Quellen bei weitem.

Ausländische Direktinvestitionen liegen vorn Bei den privaten Kapitalzuflüssen dominieren die ausländischen Direktinvestitionen mit über120 Milliarden Dollar eindeutig. Damit übertreffen sie die Portfolioinvestitionen um mehr alsdas Dreissigfache.

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Nettoflüsse in Mrd. USD

Nettoflüsse in Mrd. USD

Quelle: Institute of International Finance

Direktinvestitionen

Portfolioinvestitionen

Private Gläubiger

Kapitalflüsse aus öffentlichen Quellen

Total private Kapitalflüsse

2001 (Schätzung)

1998

Know-how und Technologie einher. FDIsind deshalb für die Empfängerstaatenvolkswirtschaftlich besonders wertvoll,zumal sie weniger volatil sind als Port-folioinvestitionen, was die Gefahr von Fi-nanzkrisen verringert. Um ihre Attraktivitätfür ausländisches Kapital durch verbes-serte Rahmenbedingungen zu steigern,setzen zahlreiche ärmere Länder zuneh-mend auch Entwicklungshilfegelder ein.

Konferenz bereitet Aktionsplan vor

Die komplementäre Beziehung zwischenprivaten und öffentlichen Mitteln wird auchim Rahmen einer grossangelegten UNO-Konferenz zum Thema Entwicklungsfinan-zierung erörtert werden. Hochrangige Ver-treter von Regierungen, internationalenOrganisationen, des Privatsektors sowieNichtregierungsorganisationen (NGOs)treffen sich im März 2002 in Monterrey,Mexiko, um einen umfassenden Aktions-plan zur Finanzierung von Entwicklung zuverabschieden. Es soll darüber diskutiertwerden, wie die Finanzierung des interna-tionalen Entwicklungsziels, die weltweiteArmut bis 2015 zu halbieren, sichergestelltwerden kann. Neu ist an dieser unter demNamen «Financing for Development» be-kannten Grossveranstaltung die aktiveTeilnahme von Weltbank und Internatio-nalem Währungsfonds (IMF) sowie derWelthandelsorganisation (WTO) an einemvon der UNO geleiteten Prozess.

Die Konferenz wird sich vor allem mitFragen beschäftigen, die im Bericht einerExpertengruppe unter der Leitung desehemaligen mexikanischen PräsidentenErnesto Zedillo aufgeworfen wurden. Essollen sechs Themen behandelt werden:■ Mobilisierung einheimischer finanzieller

Ressourcen ■ Mobilisierung ausländischer privater

finanzieller Ressourcen■ Internationaler Handel als Wachstums-

und Entwicklungsmotor■ Erhöhung der Aufwendungen für inter-

nationale Entwicklungszusammenarbeit■ Verschuldungsproblematik■ Aspekte des internationalen Finanz-

systems.

Die generelle Tragweite entwicklungs-politischer Fragen allein macht die Konfe-renz zu einer wichtigen Veranstaltung. InMexiko geht es allerdings auch um Vor-schläge, welche für das Funktionieren derFinanzmärkte problematisch sind. So wirdetwa nach «innovativen» Quellen der Ent-wicklungsfinanzierung gesucht, worunternicht zuletzt die Einführung neuer inter-nationaler Steuern verstanden wird. Sodürfte in Monterrey insbesondere der«Ladenhüter» Tobin Tax, der sich in jüngs-ter Zeit in Kreisen der NGOs wieder grös-serer Beliebtheit erfreut, erörtert werden.Wegen ihrer Stossrichtung, welche dieEffizienz der Devisenmärkte gefährdet und

aufgrund ihrer beschränkten Praktikabi-lität ist die Tobin-Steuer jedoch kein taug-liches Mittel für entwicklungspolitischeZwecke (siehe Box Seite 50).

Schon im Vorfeld der Konferenz zeichnetsich ab, dass zahlreiche NGOs auf dieSchaffung einer neuen internationalen Organisation für Steuerfragen drängenwerden. Eine solche « International Tax Organization» oder ähnliche neue Forenhätten für einheitliche Mindeststandardsund weitergehenden Informationsaus-tausch in Steuersachen zu sorgen. Damitsoll die Steuerflucht aus Schwellen- undEntwicklungsländern eingedämmt wer-den. Angesichts der Misswirtschaft und

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50 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Manuel Rybach, Telefon 01 334 39 40

[email protected]

DIE TOBIN TAX – EIN UNGEEIGNETES INSTRUMENT

Erstmals wurde die Besteuerung «spekulativer» Devisentransaktionen1972

vom späteren Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin vorgeschlagen, der

damit Wechselkursschwankungen eindämmen wollte. Die Idee blieb lange

Zeit ohne grosses Echo, bis sie in den Neunzigerjahren namentlich von

entwicklungspolitischen sowie globalisierungskritischen Organisationen zu

neuem Leben erweckt wurde. Im Herbst 2001 hat Frankreichs Premier Lionel

Jospin den Gedanken aufgegriffen und in die Gremien der EU getragen, wo

der Vorschlag allerdings auf wenig Begeisterung gestossen ist.

Das Konzept der Tobin-Steuer ist denkbar einfach: Durch eine höhere

Belastung kurzfristiger Devisentransaktionen – die Vorschläge reichen von

0,01 bis 0,5 Prozent – gegenüber langfristigen Geschäften sollen kurz-

fristige Anlagen in fremden Währungsräumen weniger attraktiv gemacht

und dadurch internationale Währungskrisen verhindert werden. Dass ein

hoher Steuersatz die Effizienz des Devisenmarktes bedrohen würde,

scheint die Befürworter der Tobin Tax wenig zu stören. Ein weiterer Grund

für die erneute Popularität der Idee dürften die erwarteten Einnahmen sein.

Bis heute hat kein einziges Land die Tobin Tax eingeführt. Der daraus resul-

tierende Wettbewerbsnachteil würde zu schwer wiegen: Da Devisen überall

auf der Welt gehandelt werden können, bestehen steuergünstigere Aus-

weichmöglichkeiten, unter anderem über zahlreiche Offshorezentren.

Folglich müsste die Steuer, um erfolgreich zu sein, in möglichst vielen

Ländern gleichzeitig und zu gleichen Bedingungen eingeführt werden.

Dass sich alle wichtigen Industrienationen auf ein solches Vorgehen einigen

werden, ist jedoch äusserst unwahrscheinlich.

Am meisten spricht allerdings gegen die Steuer, dass sie ihr Hauptziel wohl

verfehlen würde und nicht in der Lage wäre, Währungskrisen – wie etwa

jene in Asien 1997/98 – zu verhindern. Die Aussichten auf Abwertungs-

gewinne sind in Krisensituationen so gross, dass eine abzuliefernde Steuer

im vorgesehenen Umfang kaum ins Gewicht fällt. Dies bedeutet, dass nur

der zweite Teil der angestrebten doppelten Dividende (Stabilisierung der

Devisenmärkte sowie höhere Staatseinnahmen) sicher erreicht würde.

Tobin selbst hat hinsichtlich des Verwendungszwecks der Mittel vor-

geschlagen, diese den Bretton-Woods-Institutionen (Weltbank, IMF)

zukommen zu lassen. Er hat wiederholt deutlich gemacht, dass er nichts

von den Globalisierungsgegnern hält, welche «mit den Einnahmen der

Steuer Projekte zur Weltverbesserung finanzieren wollen». Tobins Vorschlag

dürfte bei den heutigen Advokaten der Steuer auf wenig Begeisterung

stossen. Die in dieser Frage besonders engagierte Organisation ATTAC

(Association pour une Taxation des Transactions financières pour l’Aide aux

Citoyens) plädiert nämlich ihrerseits für eine internationale oder regionale

Behörde, welche – unter Einschluss von Gewerkschaften und NGOs – über

die Mittelverwendung entscheiden sollte.

der inadäquaten Steuerpolitik in zahlrei-chen dieser Staaten ist es allerdings frag-lich, ob die Verursachung dieses Problemseinzig denjenigen Offshorezentren undFinanzplätzen angelastet werden kann,welche ausländisches Steuersubstrat anziehen.

Industriestaaten sind gefordert

Die Bekämpfung der weltweiten Armutund Unterentwicklung kann nur dann Erfolg haben, wenn mit vereinten Kräftendarauf hingearbeitet wird. Nicht nur Mass-nahmen, die Entwicklungsländer zu treffenhaben, sind dringlich. Auch die Industrie-staaten sind gefordert. Von ihnen ist in erster Linie ein umfassender Abbau derSchranken im Handel mit den Entwick-lungsländen zu fordern – vor allem in denBereichen Agrarwirtschaft und Textilin-dustrie. So entsprechen die 300 MilliardenDollar, welche die OECD-Staaten zurzeitpro Jahr für die Subventionierung ihrerLandwirtschaft aufwenden, ziemlich genaudem Bruttoinlandprodukt (BIP) sämtlicherafrikanischer Länder. Zudem sollten mehrStaaten in den Genuss der bevorzugtenBehandlung im Rahmen des «Heavily Indebted Poor Countries»-Programmskommen, das ihnen die Tilgung der Aus-landschulden erleichtern soll. Schliesslichwürde es den Industrienationen gut an-stehen, ihr Versprechen einzulösen und dieEntwicklungshilfe von gegenwärtig knappüber 0,2 auf 0,7 Prozent ihres BIP aufzu-stocken. Heute verfügen 80 Prozent derWeltbevölkerung über nur 20 Prozent des weltweiten Einkommens. Es wird ge-schätzt, dass 1,3 Milliarden Menschen mitweniger als einem Dollar pro Tag auskom-men müssen. Ein derart dramatischesWohlstandsgefälle birgt die Gefahr poli-tischer Instabilität in sich. Es sollte daher inunserem Interesse liegen, dass die ärmstenLänder dieser Welt nicht weiter margi-nalisiert und von der wirtschaftlichen Ent-wicklung und dem Wachstum der übrigenStaaten abgekoppelt werden.

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51Bulletin 1| 02Credit Suisse

ECONOMICS & FINANCE

Unsere Prognosen zur Konjunktur

SCHWEIZER KONJUNKTURDATEN:

Konsum stützt die WirtschaftIm dritten Quartal 2001 verlangsamte sich das Wirtschaftswachstumdeutlich und nahm gegenüber dem Vorquartal nur um 0,1 Prozent(annualisiert) zu. Der private Verbrauch bleibt weiterhin die wichtigsteWachstumsstütze in der Schweiz. Im November erhöhten sich dieDetailhandelsumsätze trotz steigender Arbeitslosigkeit real um 4,6 Pro-zent gegenüber November 2000. Höhere reale Einkommen und die tiefeTeuerungsrate stützen den Konsum. Obwohl der Purchasing Managers’Index (PMI) im Dezember leicht angestiegen ist (plus 3,6 Prozent), dürftedie erwartete Konjunkturerholung nicht vor Mitte 2002 eintreten.

BIP-WACHSTUM:

Globale Konjunktur hat Tiefpunkt erreichtDie massiven Zinssenkungen aller wichtigen Zentralbanken, die fiskalpolitischen Im-pulse und die tieferen Erdölpreise sind ein gutes Fundament für eine Erholung derWeltwirtschaft, die von den USA ausgeht. In Europa dürfte einer schnellen Konjunk-turerholung die mangelnde Dynamik des privaten Konsums entgegenstehen. Denjüngst veröffentlichten BIP-Wachstumszahlen zufolge ist die deutsche Wirtschaft2001 real nur um 0,6 Prozent gewachsen. Damit realisierte Deutschland das tiefsteWachstum seit 1993 und war einmal mehr das Schlusslicht innerhalb der EU.

INFLATION:

Abwärtstrend der Jahresteuerung intaktDie Konjunkturschwäche, die tieferen Erdölpreise sowie positive Basiseffekte sor-gen dafür, dass die Jahresteuerung in den USA und in der Eurozone in den nächstenMonaten weiter rückläufig sein wird. Darauf deutet auch der markante Rückgang derProduzentenpreise hin, die eine gewisse Vorlauffunktion ausüben. Mit dem Nach-lassen der Basiseffekte und der fortschreitenden Konjunkturerholung dürfte dieInflation gegen Ende Jahr wieder leicht anziehen. In diesem erfreulichenInflationsumfeld werden auch die Leitzinsen vorderhand auf tiefem Niveau bleiben.

ARBEITSLOSENQUOTE:

Weiterer Anstieg der Arbeitslosenquoten erwartetDer im Vergleich zu Europa deutlich stärkere Anstieg der Arbeitslosenquote in denUSA widerspiegelt den massiven Wachstumsrückgang und den aggressiven Stellen-abbau. Da es sich bei der Arbeitslosigkeit um einen Indikator handelt, welcher derKonjunkturentwicklung hinterherhinkt, wird sich die Verschlechterung am Arbeits-markt fortsetzen. Dies dürfte eine rasche Erholung des privaten Konsums verhin-dern. In Japan werden die Rezession und die notwendigen Reformen ebenfalls zueinem weiteren Anstieg der Arbeitslosenquote führen.

DER AKTUELLE CHART:

Zinssenkungen beleben WachstumSeit einigen Wochen mehren sich die Anzeichen einer Erholung derWeltwirtschaft. 2001 hat das Fed die Zinsen um insgesamt 475 Basis-punkte gesenkt. Die Schweizerische und die Europäische Zentralbankfolgten diesem Beispiel und kurbelten die Liquiditätszufuhr der Wirt-schaft an. Erfahrungsgemäss erreichen die Wachstumsraten der globalenIndustrieproduktion zirka ein Jahr nach dem Höhepunkt der Kurz-fristzinsen ihren Tiefpunkt. Diesmal verzögerte sich die Erholung durchdie Terroranschläge im September. In den USA hat sich die Stimmungder Produzenten seither deutlich aufgehellt. Auch die Konsumenten-stimmung ist trotz steigender Arbeitslosigkeit besser geworden. Jedochdürfte der Endnachfrage im ersten Quartal die Dynamik fehlen, um inden USA einen kraftvollen konjunkturellen Aufschwung zu initiieren.

8.01 09.01 10.01 11.01 12.01Inflation 1.1 0.7 0.6 0.3 0.3Waren –0.4 –1.3 –1.3 –1.5 –1.5Dienstleistungen 2.2 2.2 2.2 1.7 1.7Inland 1.9 1.9 2 1.6 1.8Ausland –1.3 –2.9 –3.3 –3.5 –3.8Detailhandelsumsätze (real) 3.6 1.7 4.8 4.6Handelsbilanzsaldo (Mrd. CHF) –0.28 0.43 0.41 0.98Güterexporte (Mrd. CHF) 9.5 10.3 12.1 11.47Güterimporte (Mrd. CHF) 9.8 9.9 11.7 10.48Arbeitslosenquote 1.7 1.7 1.9 2.1 2.4Deutschschweiz 1.3 1.4 1.5 1.8 2Romandie und Tessin 2.6 2.7 2.9 3.1 3.5

Durchschnitt Prognosen1990/1999 2000 2001 2002

Schweiz 0.9 3.0 1.6 1.4Deutschland 3.0 2.9 0.6 0.7Frankreich 1.7 3.3 2.1 1.5Italien 1.3 2.9 1.8 1.2Grossbritannien 1.9 3.0 1.9 2.1USA 3.1 4.1 1.0 1.2Japan 1.7 1.7 –0.8 –0.2

Durchschnitt Prognosen1990/1999 2000 2001 2002

Schweiz 2.3 1.6 1.0 1.1Deutschland 2.5 2.0 2.4 1.4Frankreich 1.9 1.6 1.8 1.4Italien 4.0 2.6 2.7 1.8Grossbritannien 3.9 2.1 2.2 2.3USA 3.0 3.4 2.8 2.1Japan 1.2 –0.6 –0.6 –0.5

Durchschnitt Prognosen1990/1999 2000 2001 2002

Schweiz 3.4 2.0 1.9 2.4Deutschland 9.5 7.7 7.9 8.3Frankreich 11.2 9.7 8.8 9.2Italien 10.9 10.6 9.6 9.6Grossbritannien 7.0 3.6 3.2 3.5USA 5.7 4.0 4.8 6.0Japan 3.1 4.7 5.5 5.8

Tiefe Zinsen stimulieren Industrieproduktion

1999 2000 2001 2002 2003

in %7

5

3

1

–1

–3

–5199819971996199519941993

Basispunkte250

150

50

–50

–150

–250

–350

G7 Industrieproduktion(Jahreswachstumsrate)

G7 3M-Zinssatz (Jahresveränderung,1-Jahr-Vorlauf, rechte Skala)

Quelle aller Charts: Credit Suisse Economic Research & Consulting

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52 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Lateinamerika bewältigt die Tango-Krise

Argentinien liegt wirtschaftlich und politisch am Boden. Die Nachbarländerkonnten sich aber den Auswirkungen des Wirtschaftsdebakels bis jetztentziehen. Die Aktienmärkte Lateinamerikas schnitten 2001 sogar besserab als die amerikanischen Börsen. Walter Mitchell, Economic Research & Consulting

«Ohne wirtschaftliche

Stabilität ist in Lateinamerika

auch keine politische

Stabilität möglich», sagt

Walter Mitchell, Economic

Research & Consulting.

solches Übergreifen, auch «Ansteckung»genannt, führt auf ausländischen Aktien-und Obligationenmärkten jeweils zu ausser-gewöhnlichen Verkäufen. Die 1998 durchdie Russland-Krise ausgelösten Massen-verkäufe auf den Emerging Markets sindvielen Investoren noch in bester Erinne-rung. Trotz dieser Bedenken hatte dasDebakel in Argentinien keine Auswirkun-gen auf die lateinamerikanischen Titel, imGegenteil: Die Aktienmärkte Lateiname-rikas schnitten letztes Jahr gar besser ab als die amerikanischen Börsen. MitAusnahme von Argentinien zählten die

die Krise politische Dimensionen an. Un-ruhen und Plünderungen über die Weih-nachtstage zwangen die Regierung vonPräsident Fernando De la Rúa zum Rück-tritt. Daraufhin kündigte die neue Regie-rung umgehend an, dass sie den Schul-dendienst auf die 141 Milliarden US-DollarAuslandschulden einstellen und den Pesoabwerten werde.

2001 wurde auf den Märkten allgemeinbefürchtet, dass eine Zahlungsunfähigkeitoder Abwertung in Argentinien die übrigenlateinamerikanischen Finanzmärkte wieeine Druckwelle erschüttern würde. Ein

Im Sommer 2001 bezeichnete ein Fonds-manager eines Emerging-Market-Fondsdie sich in Argentinien abzeichnende Kriseals die « langsamste Entgleisung derGeschichte». Bedenken hinsichtlich derZahlungsfähigkeit der argentinischen Re-gierung wurden erstmals 1999 geäussert.Im März 2001 führte die untragbare Schul-denlast des Landes zu einem Ansturm auf die Sparguthaben bei den Banken.Während des Sommers bis in den Herbsthinein verschlimmerte sich die Bankenkri-se weiter. Als die Regierung im Dezemberdie Bankkonten teilweise blockierte, nahm

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53Bulletin 1| 02Credit Suisse

ECONOMICS & FINANCEFo

to: P

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lateinamerikanischen Eurobonds 2001 zuden renditestärksten Titeln auf den Obli-gationenmärkten in Emerging Markets.

Finanzmärkte stehen unter Druck

Brasilien ist der wichtigste HandelspartnerArgentiniens. Weil allgemein befürchtetwurde, die Krise im Nachbarland könnteauch Brasilien in Mitleidenschaft ziehen,standen die lokalen Finanzmärkte mehr-heitlich während des ganzen Jahres unterDruck. Der brasilianische Real büsste bisim Oktober 40 Prozent seines Werts ein.Auch die Kurse brasilianischer Eurobondsgaben jeweils meist nach, sobald sich beiden argentinischen Anleihen die Verkäufeintensivierten. Nach einer dramatischenAbkoppelungsaktion Mitte Oktober legtensowohl die brasilianische Währung wieauch die Obligationenmärkte 15 bezie-hungsweise 20 Prozent zu.

Während die Finanzmärkte von derZahlungsunfähigkeit Argentiniens unddem daraus resultierenden politischenChaos verschont blieben, sind die politi-schen Auswirkungen dieser Krise auf dengesamten Wirtschaftsraum schwierigerabzuschätzen. Die in Brasilien im nächstenHerbst bevorstehenden Wahlen könntenso zu einem Knackpunkt für Lateiname-rika werden. Das Rennen um die Präsi-dentschaft scheint offener denn je, ver-schiedene Populisten sind als Kandidatenim Rennen. Ein politischer Kurswechseleiner neuen Regierung, das heisst eineAbkehr von Fernando Henrique Cardososorthodoxer Wirtschaftspolitik, könnte sichauf ganz Lateinamerika auswirken.

Zweiklassengesellschaft entsteht

In gewisser Hinsicht hat sich Lateinamerikazu einer Zweiklassengesellschaft entwi-ckelt. Die Oberschicht, an vorderster FrontMexiko, Chile und etwas dahinter auch Kolumbien, hat in den letzten Jahren exzel-lente Wirtschaftsdaten produziert. DieseGruppe scheint eine höhere wirtschaftlicheStabilität zu geniessen als andere Länder inLateinamerika. Alle drei Staaten wuchsen2001 schneller als die USA oder die EU.Gemäss Einschätzungen der Credit Suisse

First Boston wird das Wachstum des Brut-toinlandprodukts (BIP) dieser Länder 2002bis 2003 real erneut höher ausfallen als inden USA und der EU.

Argentinien, Brasilien, Ecuador, Peruund Venezuela haben weiterhin Schwierig-keiten, wirtschaftliche und politische Stabi-lität zu erlangen. Diese Volkswirtschaftenhaben mit starken Konjunkturschwankun-gen zu kämpfen – jüngstes Beispiel dafürist Argentinien. Solange die wirtschaft-liche Stabilität nicht gewährleistet ist,kann die politische Stabilität nur schwer-

lich verbessert werden. Eine Wirtschafts-krise kann eine Regierung aus dem Sattel heben – wiederum ist Argentinien der besteBeweis dafür. Trotzdem konnten sich dieübrigen Länder bislang den Auswirkungender Tango-Krise entziehen.

Die Finanzmärkte in Lateinamerika ent-wickelten sich auch während der schlechterwerdenden Situation in Argentinien sehrgut. Die Grafik ganz unten zeigt einen Ver-gleich zwischen dem Aktienindex MSCIEMF Lateinamerika, dem Dow Jones unddem Standard & Poors (S&P). Für die

Argentinien hat AussenseiterstatusIm Gegensatz zu Argentinien erzielten die Anleihen in US-Dollar der meisten LänderLateinamerikas 2001 erstaunlich gute Renditen.Quelle: Bloomberg

Lateinamerika schneidet gesamthaft gut ab Die Aktienmärkte Lateinamerikas blieben 2001 von Argentiniens Wirtschaftskrise verschont.Quelle: Bloomberg

–30%

–20%

–10%

0%

10%

20%

MSCI Latin America

J F M A M J J A S O N D

Dow Jones

S&P 500

–75 –50 –25 0 25 50

–67.84ArgentinienBrasilienChileKolumbienEcuadorMexikoPanamaPeruVenezuelaUS Treasury IndexBund Index

Rendite total (in %)

8.85

11.72

30.20

37.83

14.57

16.95

28.82

4.68

6.55

5.14

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54 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Walter Mitchell, Telefon 01 334 56 67

[email protected]

In einem Video-Interview mit Bulletin Online

liefert der Lateinamerika-Spezialist Walter

Mitchell weitere Informationen zum Thema.

www.credit-suisse.ch/bulletin

Aktienmärkte in Lateinamerika betrug dieRendite auf Dollarbasis –4,31 Prozent,verglichen mit –7,10 Prozent für den DowJones und –13,04 Prozent für den S&P.Die Bolsa, Mexikos wichtigster Aktien-index, wies eine Rendite von 18,46 Pro-zent auf Dollarbasis aus und lag damit aufder Liste der besten Börsenergebnisseletztes Jahr auf Platz sieben.

Eurobonds in Lateinamerika (Argen-tinien ausgenommen) schnitten noch besser ab als Aktien. Einige US-Dollar-Anleihen der öffentlichen Hand in Latein-amerika gehörten zu den besten Titeln derEmerging Markets. Die meisten Länderwiesen zweistellige Renditen aus. Erstaun-licherweise wurden die Obligationäre da-für belohnt, dass sie sich während desgrössten Falls von Zahlungsunfähigkeit inder Geschichte der Obligationenmärkte in Emerging Markets nicht von den latein-amerikanischen Titeln trennten.

Selbst die Kurse brasilianischer Obli-gationen, welche noch am ehesten vonder Entwicklung in Argentinien hättenangesteckt werden können, legten zumJahresende kräftig zu. Im vierten Quartaldes vergangenen Jahres erzielten brasilia-nische US-Dollar-Bonds eine Rendite von16,9 Prozent für das Quartal und 87 Pro-zent auf Jahresbasis. Insgesamt schnitten

die Obligationenmärkte in den EmergingMarkets (mit Ausnahme von Argentinien)letztes Jahr sehr gut ab. Der Markt profi-tierte von den Zinssenkungen der ameri-kanischen Zentralbank, von grosszügigenIWF-Krediten für Brasilien und die Türkeisowie von hohen Erdölpreisen, welcheden Energie-Exporteuren einen kräftigenErtragszuwachs bescherten. Zusätzlichzur weltweiten Marktentwicklung wirktesich eine kluge Wirtschaftspolitik in ver-schiedenen Ländern zweifellos positiv aufdie jeweiligen Staatspapiere aus. Mit einemsolchen Ansatz erlangen Anleger wiedermehr Vertrauen in die Zahlungsfähigkeiteines Landes, selbst in Krisenzeiten.

Fixe Wechselkurse werden abgelöst

Ein Land nach dem anderen musste in La-teinamerika von fixen zu flexiblen Wech-selkursen übergehen. Die Tequila-Krise1994/95 zwang Mexiko, seine Währungabzuwerten und den Peso freizugeben. InMexiko liegt das BIP-Wachstum seit 1995mit einem Jahresmittel von 4,7 Prozentdeutlich über dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum weltweit. Brasilienmusste den Real 1999 abwerten, die bra-silianische Wirtschaft wuchs 2000 real um4,5 Prozent. Der argentinische Peso wirdgegenwärtig wieder freigegeben, nach-dem die Währung für fast elf Jahre mit einer Parität von 1:1 an den US-Dollar ge-koppelt war. Eine Fixierung der Wechsel-kurse erfolgt normalerweise zur Be-kämpfung der Inflation. Dadurch erhöhtsich jedoch die Gefahr von Problemen mitder Zahlungsbilanz. Durch flexible Wech-

selkurse können die Zentralbanken auchwährend einer Rezession oder einer ande-ren Krise ihre Fremdwährungsreservenhalten.

Auch in der Fiskalpolitik haben einigeRegierungen in Lateinamerika die Schraubeangezogen. Dementsprechend konnten in verschiedenen Ländern die Haushalts-defizite in den letzten Jahren verringertwerden, insbesondere in Brasilien, Chile,Kolumbien, Mexiko und Peru.

Mit einem tieferen Haushaltsdefizitmuss sich ein Staat weniger verschulden,Zinsen können gesenkt und der Kapi-talfluss zum privaten Sektor gesteigert werden. Die Leistungsbilanzdefizite gehenebenfalls zurück. Viele Länder weisen einebessere Handelsbilanz aus, weil die Re-gierungen die Exportbranchen fördern unddie abgewerteten Währungen die Wettbe-werbsfähigkeit erhöhen.

Politische Stabilität hat ihren Preis

Eine marktfreundliche Politik ist für nach-haltiges Wirtschaftswachstum unabding-bar – Wirtschaftswachstum wiederum fördert die politische Stabilität. Allerdingshaben wirtschaftliche Massnahmen wiestrikte Steuer- oder Geldpolitik ihren Preis.Die Regierungen müssen jedoch bereitsein, diesen Preis zu bezahlen, soll mittel-fristig eine Stabilität erreicht werden. InVenezuela führte im Dezember ein Gene-ralstreik gegen eine Reihe von Gesetzen,die der Präsident Hugo Chávez erlassenhatte, zu einer Zunahme der Spannungen.Auch droht der Bürgerkrieg in Kolumbienzu eskalieren. Wenn sich die politischenSpannungen in einigen Ländern verstär-ken und ein populistischer Präsident inBrasilien die gegenwärtige Wirtschafts-politik nicht weiterführt, besteht die Gefahrfür weitere Entgleisungen. Andere politischeKrisen oder Fälle von Zahlungsunfähigkeitkönnten den für die wirtschaftliche Zukunftdes Wirtschaftsraums Lateinamerika sowichtigen Kapitalfluss gefährden.

DIE VORTEILE VON FLEXIBLEN WECHSELKURSEN

Die Wirtschaftskraft eines Landes ändert sich ständig. Diesen Veränderungen

kann durch flexible Wechselkurse umgehend Rechnung getragen werden.

Ändern sich bei festen Wechselkursen die Rahmenbedingungen derart, dass

ein tieferer Wechselkurs gerechtfertigt wäre (wenn eine Rezession eintritt

oder die Arbeitslosigkeit markant ansteigt), beginnen die Devisenmärkte

auf eine Abwertung zu spekulieren und die Währung zu verkaufen. Halten

diese Verkäufe an, werden die Fremdwährungsreserven eines Landes

erschöpft, was zu Zahlungsbilanzschwierigkeiten führt. So auch im Fall

Argentinien: Als das Land den Anschluss an die internationalen Kapital-

märkte verlor, setzte die Spekulation auf die Abwertung des Pesos ein.

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55Bulletin 1| 02Credit Suisse

DANIEL HUBER Hand aufs Herz, was hätte man

im vergangenen Jahr anders machen sollen?

BURKHARD VARNHOLT Man hätte sicherfrüher eine deutlichere Umlagerung vonAktien in Obligationen empfehlen sollen.Aber rückblickend ist man immer schlauer.

D.H. Lassen sich aus der Krise der vergange-

nen Monate Lehren für die Zukunft ziehen?

B.V. Es hat sich vor allem gezeigt, dassdie Zyklen immer kürzer werden. In denAchtziger- und Neunzigerjahren lohnte essich zuzuwarten. Zwei Trends sprachendafür: stetig wachsende Unternehmens-gewinne und sinkende Leitzinsen. In die-sem Umfeld genügte eine weniger aktiveBewirtschaftung der Anlagen.

D.H. Diese Zeiten sind wohl endgültig vorbei.

B.V. Jedenfalls dürfen wir nicht mehr soschnell mit einem für uns so vorteilhaftenTrend rechnen. Viel weiter können die Zin-sen gar nicht mehr sinken, und dass sichdie konjunkturellen Boomjahre nächstenswiederholen, ist auch wenig wahrschein-lich. Wir werden mit kurzlebigen Finanz-marktzyklen leben müssen, die es aktiv zubewirtschaften gilt.

D.H. Was bedeutet das konkret für die mo-

mentane Situation an den Märkten?

B.V. Im vierten Quartal 2001 erlebten wirsowohl an den Aktienmärkten als auch anden Bondmärkten ein beachtliches Hoch.Dabei sind die Zinsen viel zu stark gestie-gen. So kräftig war die Konjunktur bislangnun auch wieder nicht. Entsprechend galtes, lediglich kurzfristig von diesem Hochzu profitieren.

D.H. In einem Satz: Das Anlagegeschäft ist

kurzlebiger, hektischer und arbeitsintensi-

ver geworden. Müssen die Banken ihr Geld

härter verdienen als früher?

B.V. Ja, das ist sicher so. Denn früherging alles rauf, und man konnte die Zeitfür sich arbeiten lassen. Dagegen bewe-gen sich die Märkte heute wie in den Sieb-zigerjahren vor allem seitwärts.

D.H. Und was heisst das für den privaten

Kleinanleger? Ist er mit dieser Kurzlebigkeit

nicht überfordert?

B.V. Tatsächlich ist es für den Laienschwierig, die Übersicht zu wahren. Ausdiesem Grund haben wir unter anderemdas «Global Investor Program» lanciert. Es bietet eine Möglichkeit, mit Profi-Know-how und Flexibilität aus dieserKurzlebigkeit Profit zu schlagen.

D.H. Wie funktioniert das «Global Investor

Program»?

B.V. Wir legen als Bank die Anlage-strategie fest. Die aktive Bewirtschaftungder Investitionen erfolgt dann durch spe-zialisierte Manager, die von uns kleinereManaged Accounts, sozusagen Subport-folios, bekommen.

D.H. Wie hoch ist die Einstandssumme?

B.V. Die Units können für 10 000 Fran-ken, Euro oder Dollar gekauft werden.Man kann somit mit einem relativ geringenEinsatz von den Vorzügen einer institutio-nellen Vermögensverwaltung profitieren.

D.H. In Argentinien ist die Wirtschaft nun

vollends zusammengebrochen. Wo erwarten

Sie die nächste Krise?

B.V. Für mich ist Japan sehr gefährdet.Vieles deutet darauf hin, dass dort dernächste Kollaps erfolgt.

D.H. Kurbelt der fallende Yen nicht den

Export und damit die Wirtschaft an?

B.V. Das reicht nicht. Dass der Yen run-tergeht, ist nur eine Folgeerscheinung.

Die dringend notwendige Strukturreformhat noch nicht stattgefunden. Ich war kürz-lich an einem Essen mit japanischen Öko-nomen. Da wurde einer von ihnen gefragt,was der Unterschied zwischen Japan undArgentinien sei. Worauf dieser antwortete:zwei Jahre.

D.H. Warum haben die Aktienmärkte nicht

auf die sich abzeichnende Krise reagiert?

B.V. Weil es noch immer und überallewige Optimisten gibt. Anderseits wirdauch ein Grossteil der japanischen Staats-anleihen anders als zum Beispiel in Argen-tinien von Japanern selbst gehalten. Siebehalten ihr Vertrauen bis zum bitterenEnde. Jetzt hat Moody’s zum dritten Malinnerhalb von zwei Monaten die Bonitätder japanischen Staatsanleihen zurück-gestuft. Und an den Bondmärkten istnichts passiert. Die privaten, japanischenAnleger können sich das einfach nichtvorstellen.

D.H. Gibt es zurzeit auch noch zukunfts-

trächtige Märkte?

B.V. Im Augenblick sind die so genann-ten Emerging Markets die attraktivsten.Sie verfügen über bessere, restrukturierteUnternehmen als vor drei Jahren und sind damit transparenter und profitabler.Gleichzeitig werden sie von den Märktennoch nicht so wahrgenommen. Sie werdenzudem immer noch zu Discount-Ansätzengehandelt. Fo

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Interview mit Burkhard Varnholt, Head of Financial Products

ECONOMICS & FINANCE

«Vieles deutet auf einen Kollaps in Japan hin»

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Die Erholung der Technologiewerte zumJahresende 2001 wirft Fragen auf. Handeltes sich um eine Kursbewegung, die einzigdie grosse Liquidität als Ursache hat oderwird von einer guten Performance derAktien ausgegangen? Widerspiegelt sichdarin gar die Erwartung einer Erholung derIndustrie? Der Aufschwung basiert wohlauf einer Kombination aller genannten Ein-flussfaktoren.

Die Investoren zeigen sich mittlerweilerelativ resistent gegenüber schlechtenNachrichten und argumentieren mit demNachholbedarf des Sektors. Auch wenn –insbesondere nach den Ereignissen vom

11. September 2001 – die Anhänger einerrein psychologischen Betrachtungsweiseder Aktienkursentwicklungen wieder einewachsende Gefolgschaft hinter sich scha-ren, haben sich die Kurse langfristig nochimmer an der Gewinnentwicklung derUnternehmen orientiert. Insbesondere dieBranche Technologie/Medien/Telekom-munikation (TMT) hat diese Tatsache in denletzten zwei Jahren schmerzhaft erfahren.

Wer einen nachhaltigen Kursaufschwungder TMT-Aktien im Jahr 2002 erwartet,darf sich also nicht allein auf das Argu-ment der übergrossen Liquidität verlas-sen. Bei Anlageentscheiden gilt es viel-

mehr die wirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen und die branchenspezifischenEntwicklungen zu beachten.

Nach den Terroranschlägen in den USAsteuern die wirtschaftspolitischen Kräfteder G7-Länder stärker als je zuvor in einegemeinsame Richtung. Dem Investitions-und Konsumverhalten sollen neue Anreizegegeben werden. Die vorherrschendeMeinung der Ökonomen besagt, dass dieKonjunktur bis in das erste Quartal 2002hinein weiter nachgeben wird. Im Gegen-zug könnte sie angesichts der erfolgtenZinssenkungen und der fiskalpolitischen«Rettungsmassnahmen» spätestens im

56 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Sprunghafte Technologieaktien

Der deutliche Kursaufschwung von Technologie-Aktien Ende 2001 hatErwartungen geweckt. Wie realistisch sind sie? Von Uwe Neumann, Equities Europe

«Die Investoren

zeigen sich mittlerweile

relativ resistent

gegenüber schlechten

Nachrichten», ist

Uwe Neumann, Equities

Europe, überzeugt.

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zweiten Halbjahr stärker als erwartetanziehen. Die Kursrallye der Technologie-aktien im vierten Quartal 2001 setztebereits auf eine starke konjunkturelleErholung. Die Rezessionsrisiken bliebenausser Acht. Der etwas zögerliche Start indas Jahr 2002 ist daher nur verständlich.

Die in der Vergangenheit an den Börsenbeobachteten Mechanismen sprechenaber für ein «Aktienjahr». Die Rahmen-bedingungen für Unternehmen, Gewinnezu erzielen, verbessern sich. Die fest-verzinsliche Anlage als Alternative wirdaufgrund der gesunkenen Zinsen unattrak-tiver. Technologieaktien sind in den welt-weiten Aktienindizes mit einer Gewichtungvon gut 30 Prozent vertreten. Sie spielendaher eine gewichtige Rolle. Für die Aus-wahl der Sektoren hilft ein branchen-spezifischer Ausblick aufs Jahr 2002.

Telekom hat Boden gefunden

Eine zentrale Rolle für die Entwicklung derTMT-Branche spielen die Telekom-Dienst-leister. Der Sektor besitzt relativ konjunk-turunabhängige Wachstumsaussichten.Seit Mitte des vergangenen Jahres steigtdie Profitabilität im Festnetz- und Mobil-funkgeschäft wieder an. Für dieses Jahrist insbesondere bei den europäischenUnternehmen mit einer Ertragserholung zurechnen. Das Thema Verschuldung hatsich angesichts der unpopulären, aberwirksamen Kapitalerhöhungen der Sor-genkinder British Telecom, KPN oder Sonera etwas entschärft. Der Anlegersollte im kommenden Jahr sein Augen-merk auf die Ex-Monopolisten wie Telefo-nica oder Deutsche Telekom richten. Auchdie reinen Mobilfunkgesellschaften wieVodafone, Orange oder MMO2 haben gute Perspektiven.

Geht es den Telekom-Dienstleisternbesser, so sollten auch die Telekom-Aus-rüster profitieren. Diese Folgerung trifftaber nur zum Teil zu, denn die Entwicklungim Endgerätegeschäft läuft nicht parallelmit der im Netzwerkgeschäft. Währenddie Telekom-Dienstleister deutlich rück-läufige Investitionen bei ihren Festnetzenbudgetieren, erhöhen sich die Ausgaben

für die Infrastruktur im Mobilfunk. Das Ge-schäft mit Mobiltelefonen hingegen leidetgenerell unter einer stark gestiegenenMarktdurchdringung und muss gegen denTrend kämpfen, der die Produkte zum reinen Gebrauchs- und Verbrauchsartikelmacht. Die Unternehmen haben auf dasgeänderte Umfeld reagiert. Angesichts derRestrukturierungen und Kostensenkungs-massnahmen sind positive Effekte bezüg-lich der Gewinnentwicklung zu erwarten.Die organischen Wachstumsraten liegenaber nicht mehr auf dem Niveau der ver-gangenen Jahre. Die Bewertungen sindgemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnisvergleichsweise hoch. Das Risiko fürKursrückschläge im Jahr 2002 ist in die-sem Sektor wohl am höchsten. Zukunfts-trächtige Favoriten innerhalb der Branchesind Motorola, Nokia und Ericsson.

Am stärksten erholt haben sich Halb-leiteraktien. Trotzdem sind die Aussichtender Halbleiterindustrie verhalten. DieNachfrage wird sich – wenn überhaupt –nur moderat erholen. Auf der Angebots-seite wurde das Problem der Überkapazi-täten durch selbst auferlegte Produktions-beschränkungen nur temporär gelöst.Erfolge in der Lagerreduktion müssen unter dem saisonalen Einfluss betrachtetwerden. Die jüngsten Indikatoren deutenzwar eine Stabilisierung der Industrie an –mehr allerdings (noch) nicht. In diesemUmfeld empfiehlt es sich, auf Marktführerzu setzen, die, wie Samsung Electronicsoder TSMC, einen längeren Preiskampfdurchstehen können und sich mit ihremProduktemix und der Qualität ihrer Kundenvon der Konkurrenz abheben.

Der Einfluss einer konjunkturellen Er-holung ist im Hardware-Elektronik-Sektor

am stärksten. Wenn die «Mengen» anzie-hen, steigen in der Regel die Gewinne.Sondertrends sind die steigende Nach-frage nach Digitalkameras und Spiel-konsolen.

Die IT-Dienstleister beziehen rund 40Prozent ihres Auftragsvolumens von Finanz-und Telekommunikationsanbietern. DieBudgets für IT-Ausgaben dürften bei die-ser Kundengruppe im Jahr 2002 magerausfallen. Insgesamt kann der Sektor alsspätzyklisch eingestuft werden. Die bishererfolgten Gewinnkorrekturen sind allerVoraussicht nach nicht ausreichend. Unter-nehmen wie SAP und Microsoft werdenaber in dieser schwierigen Situation ihreKundenbasis vermutlich dennoch stärkenund langfristig zweistellige Wachstums-raten ausweisen können.

Qualität ist ausschlaggebend

Fazit : Die Technologiebranche war imvergangenen Jahr einem massiven An-passungsprozess ausgesetzt. DrastischeKostensenkungs- und Restrukturierungs-massnahmen wurden fast überall notwen-dig. Daraus resultieren positive Basis-effekte für die Unternehmensgewinne imJahr 2002.

Technologieaktien gehören in jedesausgewogene Aktienportefeuille. In einemUmfeld, das zwischen Rezessionsrisikenund Erholungserwartungen liegt, kommtes aber mehr denn je auf die richtigeDosierung und die Qualität der Anlagenan. Das Jahr 2002 ist das «chinesischeJahr des Pferdes»: Es könnte sprunghaftwerden.

Uwe Neumann, Telefon 01 334 56 45

[email protected]

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ECONOMICS & FINANCE

Uwe Neumann, Equities Europe

«Technologieaktien gehören in jedesausgewogene Portefeuille. Doch kommt es auf die Qualität an.»

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58 Bulletin 1| 02Credit Suisse

ECONOMICS & FINANCE

Unsere Prognosen zu den Finanzmärkten

DER AKTUELLE DEVISEN-CHART:

Schweden und Dänen diskutieren EuroDie Euro-Bargeldeinführung Anfang Jahr wurde auch in Schweden undDänemark verfolgt. Es scheint, dass auf Grund der hohen Akzeptanz desEuro in der EWU auch die Zustimmung der Bevölkerung in den nordi-schen Ländern für die Einheitswährung gestiegen ist. Die schwedischeKrone schwächte sich im letzten Jahr gegenüber dem Euro kontinuier-lich ab. Die Portfolioabflüsse aus dem schwedischen Aktienmarkt sowiedie Möglichkeit der Pensionskassen, inskünftig auch im Ausland Anla-gen zu tätigen, waren ein Grund für die Kronenschwäche. Seit Jahres-beginn stützt das mögliche Referendum über die Euro-Einführung inSchweden im Frühjahr 2003 die Krone. Angesichts des unsicherenZeitpunkts der Volksbefragung sowie des ungewissen Ausgangs wirdmit einer grösseren Volatilität zu rechnen sein. Im Gegensatz dazuerweist sich die dänische Krone als äusserst stabil.

GELDMARKT:

Zinswende am Geldmarkt Die wichtigsten Notenbanken der Welt haben ihre Leitsätze zur Abfederung des wirt-schaftlichen Abschwungs im vergangenen Jahr deutlich gesenkt – mit unterschied-licher Intensität. Während das Fed die Zinsen um fast fünf Prozentpunkte ermäs-sigte, senkte die EZB ihre Leitsätze um nur 1,5 Prozentpunkte. Ähnlich aggressivdürfte das Fed auch reagieren, wenn es wirtschaftlich wieder bergauf geht.

OBLIGATIONENMARKT:

Kurzfristige VerschnaufpauseDie konjunkturelle Aufwärtsbewegung des Jahres 2002 wurde im Spätherbst 2001von den internationalen Finanzmärkten bereits vorweggenommen. Im Januar dürftedem schnellen und deutlichen Renditeauftrieb zunächst Einhalt geboten werden.Dabei weicht die mittlerweile fast uneingeschränkt optimistische Konjunktur-einschätzung einer eher nüchternen Beurteilung der Wirtschaftslage.

WECHSELKURSE:

Schweizer Franken bleibt weiterhin starkDer Schweizer Franken wertete sich im September gegenüber dem Euro deutlichauf. Trotz einer Abschwächung gerät er immer wieder unter Aufwertungsdruck. Derstarke Franken belastet vor allem die Export-Branchen und den Tourismus. Dierückläufigen Teuerungsraten in Euroland und die steigenden Inflationsraten in derSchweiz sollten jedoch den realen Zinsvorteil für die Schweiz verringern.

DER AKTUELLE ZINS-CHART:

Geldmarktzinsen sind auf RekordtiefDie Schweizerische Nationalbank (SNB) sah sich angesichts der sichabschwächenden Konjunkturdynamik und der ausserordentlich tiefenInflationsraten von 0,3 Prozent zum Jahresende veranlasst, ihren geld-politischen Leitzinssatz zum vierten Mal in Folge auf 1,75 Prozentzurückzunehmen. Darauf kamen auch die Kapitalmarktrenditen wiederleicht unter Druck. Anfang 2002 notierte die Rendite zehnjähriger Anleihen der Eidgenossenschaft bei gut 31⁄4 Prozent. Im ersten Quartaldes laufenden Jahres ist mit einem Ende des Teuerungsrückgangs zurechnen, während die Arbeitslosenquote noch ansteigen dürfte. Daherist eine Seitwärtsbewegung der Geldmarktzinsen bis zum zweiten Quartal wahrscheinlich.

Tiefe Teuerung drückt Geldmarktzinsen

Jun.01

in %3.5

3

2.5

2

1.5

1

0.5

0

3-Monats-Libor-Zinssatz

Teuerung gegenüber Vorjahr

Jul.01 Aug.01 Sept.01 Okt.01 Nov.01 Dez.01

01/01

Blickpunkt Euroeinführung

10.0

9.8

9.6

9.4

9.2

9.0

8.804/01 07/01 10/02 01/02

SEK/EUR DKR/EUR7.48

7.47

7.46

7.45

7.44

7.43

7.42

Quelle aller Charts: Credit Suisse Economic Research & Consulting

PrognosenEnde 01 28.1.02 3 Mte. 12 Mte.

Schweiz 1.84 1.72 1.8–1.9 2.5–2.8USA 1.88 1.87 1.8–2.1 2.5–2.8EU-12 3.30 3.38 3.1–3.3 3.7–4.0Grossbritannien 4.11 4.04 4.0–4.1 4.8–5.1Japan 0.10 0.09 0.1–0.1 0.1–0.1

PrognosenEnde 01 28.1.02 3 Mte. 12 Mte.

Schweiz 3.47 3.57 3.2–3.4 3.3–3.6USA 5.05 5.07 5.0–5.2 5.5–5.8Deutschland 5.00 4.97 4.8–5.1 5.0–5.3Grossbritannien 5.05 5.01 4.9–5.2 5.1–5.4Japan 1.37 1.45 1.4–1.5 1.5–1.6

PrognosenEnde 01 28.1.02 3 Mte. 12 Mte.

CHF/USD 1.66 1.71 1.64–1.66 1.69–1.71CHF/EUR 1.48 1.47 1.46–1.48 1.47–1.49CHF/GBP 2.42 2.41 2.36–2.39 2.35–2.42CHF/JPY 1.26 1.28 1.26–1.28 1.23–1.25

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meiner American Express Karte.

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Internet checken, wie viel ich

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Und das zweite Problem... Na ja,

daran muss ich noch arbeiten.

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LUST UND LASTER

Bulletin 1| 02Credit Suisse

Wer den Tango Argentino einmal gefühlt hat, den lässt er nicht mehr los. In den Sechziger- und Siebzigerjahren in Argentinien bereits totgesagt, erlebter heute weltweit eine sinnliche Renaissance. Daniel Huber, Redaktion Bulletin

Tango – ein Leidensweg

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zur Leidenschaft

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LUST UND LASTER

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«Wäre das Leben einfach, dann gäbe eskeinen Tango», stimmt der Bassist des argentinischen Trios pathetisch das ersteStück des Abends an. Und schon setztmelancholisch klagend das Bandoneonein. Immer wieder erhebt es seufzend seine Stimme, erzählt von einem fernenLand, von Liebe, Eifersucht und Leid. Der Tangoclub «Silbando» im Zürcher Industrie- und Arbeiterquartier ist an die-sem Samstagabend bis auf den letztenPlatz gefüllt. Eine halbe Stunde nachTüröffnung kommt nur noch rein, wer reserviert hat.

Tango fasziniert. Für den argentini-schen Dichter Jorge Luis Borges ist eraber kein kultiviertes Ereignis: «Der Tangoist paradox, Sentimentalität und Bosheitzugleich; böse Sanftheit und sentimentaleHärte.» Die elegant gekleideten Tanzpaareim «Silbando» sind erfüllt von diesemWiderspruch. Die einen gehen etwas aufAbstand, die andern sind eng umschlun-gen. Nur fortgeschrittene Tangueras undTangueros schaffen es, in dieser Enge denRhythmus zu halten und darüber hinausnoch ab und zu eine der unzählig vielenFiguren des Tango Argentino virtuos ein-fliessen zu lassen.

Solche Tanzabende – aber auch dieTangolokale selbst – werden Milongasgenannt. Egal ob in Buenos Aires, NewYork, Rom, Tokio oder St. Gallen, mittler-weile gibt es Milongas auf der ganzenWelt. Wer immer dort erscheint, fühlt sichsofort aufgenommen. Herkunft oder Standinteressieren nicht. Was zählt, ist einzig diegemeinsame Leidenschaft für den Tango.

«Getanzte Hoffnungslosigkeit»

An der Milonga im «Silbando» rückt lang-sam der grosse Augenblick näher. Nebender Live-Musik macht an diesem Abendauch Gustavo Naveira seine Aufwartung.Der Argentinier bleibt seinem Ruf alseinem der zurzeit besten Tangotänzer der Welt nichts schuldig. Er und seinePartnerin lassen auf dem Parkett ein wahres Feuerwerk an perfekt abgestimm-ten Schrittkombinationen los. Mit demgrotesk zackigen englischen Tango, wie er

an internationalen Standard-Wettkämpfengetanzt wird, hat das höchstens denGrundrhythmus gemein. Trotz aller Akro-batik fliesst hier alles weich und mit sinn-licher Leidenschaft ineinander – Harmonietotal. Dabei verfallen die Tanzenden ineinen tranceähnlichen Zustand. Erst beimüberschwänglichen Applaus erscheint aufdem Gesicht von Naveira der Hauch einesLächelns. Auf die Frage einer Schülerin,woher er nach so vielen Jahren noch immerdie Kraft nehme, so zu tanzen, antwortetNaveira: «Weil man beim Tango dieHoffnungslosigkeit tanzt.» Nicht minderpathetisch ist der bekannte Ausspruch des Musikers Enrique Santos Discépolo:«Tango ist ein trauriger Gedanke, den mantanzen kann.»

Für die meisten ist der Tango aberzuerst einmal ein mühsamer Leidensweg.«Von dieser oft zitierten Leidenschaft istbei den ersten tapsigen Versuchen desGrundschritts noch nichts zu spüren», sagtDaniel Ferro, der zusammen mit seiner argentinischen Frau Lorena an der Tango-schule Zürich unterrichtet und auch Show-auftritte macht. Als Geschäftsführer derStiftung ift-Tango betreibt das Paar auchden Club «Silbando».

Seine ersten Kontakte mit dem TangoArgentino machte Ferro vor 13 Jahren, alsihn sein Lehrer für Standardtänze, RolfSchneider, zu einem Kurs überredete.Schneider gehört zu den Pionieren derSchweizer Tango-Bewegung. Er wurde1983 vom Akademischen Sportverband inZürich angefragt, ob er nicht einmal einenKurs in Tango Argentino abhalten könne.Schneiders Interesse und Ehrgeiz warengeweckt. «Daraufhin bin ich ein Jahr langquer durch Europa den argentinischenTango-Tänzern nachgereist, um bei ihnenzu lernen», erzählt er. Ein Jahr später führteer den ersten Kurs durch.

Mittlerweile ist Zürich zu einer eigent-lichen Hochburg des Tangos mit einem halben Dutzend verschiedener Clubsgewachsen. Wer will, kann siebenmal dieWoche seiner Leidenschaft frönen. Dochauch in anderen Schweizer Städten wieBasel, Bern, St. Gallen, Lausanne, Genf

oder Locarno gibt es etablierte Tangoclubs(siehe www.tango.ch oder www.tango-tanzen.ch).

Zu kompliziert, um trendig zu sein

Von einem Boom will Daniel Ferro abernicht sprechen. «Ein Boom wäre auchschlecht», erklärt er. «Der geht immer steilnach oben und danach ebenso steil wie-der nach unten. Bei uns geht es aber seitbald 15 Jahren immer leicht aufwärts.» So habe auch der mehrwöchige Gross-anlass «Tango Zürich» im Sommer 1999 fürdie Tangoschule Zürich wenig gebracht.«Anders als zum Beispiel Salsa ist derTango zu kompliziert, um einfach einbisschen mitzutanzen, wenn es gerade inist», erklärt Ferro. Auch von Buenos Aireszeichnet der Tango-Profi ein ernüchterndesBild: «Ebenso wenig wie alle Schweizerjodeln können, gibt es nur ganz wenigeArgentinier, die Tango tanzen. In BuenosAires tanzen vielleicht 1000 bis 1500 Leuteregelmässig Tango. Im Verhältnis zurGesamtbevölkerung sind das weniger alsin Zürich.» So seien auch die Milongasmehrheitlich fest in der Hand von Pensio-nären und Touristen.

In den Sechziger- und Siebzigerjahrenwurde in Argentinien nur noch Tangogehört und praktisch nicht mehr getanzt.Es gab auch keine Lehrer mehr. ErstAnfang der Achtzigerjahre erwachte er zuneuem Leben. Nicht zuletzt durch dieeuropäischen Touristen, die den Tango inseiner unmittelbarsten Form erleben woll-ten. «Es waren die Grossväter, die uns denTango wieder gelehrt haben», sagt LorenaFerro. «Unsere Eltern beherrschten ihnnicht mehr.» Die Argentinierin begann1989 als 15-Jährige mit dem Tango. SechsJahre später traf sie an einem Praktikumvon Gustavo Naveira ihren späterenLebenspartner. «Sie war die erste Frau,mit der ich in Argentinien getanzt habe»,erinnert sich Ferro. Seither sind sie aufund neben dem Tanzparkett ein Paar.

Was für ihn die anhaltende Faszinationam Tango ausmacht, kann Daniel Ferronicht genau sagen. «Es ist eine Summevon verschiedenen Punkten, die mich

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Leben für den Tango:

Daniel und Lorena

Ferro sind seit sieben

Jahren auf und neben

der Bühne ein Paar.

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Tango-Schnupperkurs

Bulletin bietet interessierten

Lesern die Möglichkeit, in einem

zweistündigen Schnupperkurs

erste Gehversuche im Tango zu

machen. Siehe Talon.

LUST UND LASTER

64 Bulletin 1| 02Credit Suisse

persönlich ansprechen. Dazu gehören dieStimmung, das Ambiente oder auch derkreative Charakter des Tanzes.» Interes-sant ist eine Gemeinsamkeit, die er imVerlaufe der Jahre unter den Tango-begeisterten ausgemacht hat. Ferro: «Diemeisten haben in ihrem Lebenslauf irgend etwas Undefinierbares, Entwurzeltes. Seies, dass ein Elternteil ausländisch ist oder dass sie als Kind lange im Auslandgelebt haben.»

Zum Tango gehört eine Portion Leid

Für Verena Vaucher, die schon neun Jahretanzt und unter anderem in St. Gallen dieSchule «Tango del Alma» gegründet hat,gehört auch eine Portion erfahrenes Leidoder zumindest eine gewisse Lebens-erfahrung dazu. «Bei ganz jungen Schülernsprüht es zwar manchmal geradezu vorTanzfreude und Talent. Doch das gewisseEtwas fehlt.» So sind auch die meistenTänzerinnen und Tänzer auf dem Parkettdes «Silbando» deutlich über 30 Jahre alt.

Erstaunlich ist, wie der Tango Argentinoviele europäische Frauen anzusprechenscheint, die sich selbst als engagiertemanzipiert bezeichnen würden. Schliess-lich gilt der Tango als der Macho-Tanzschlechthin. Der Mann gibt die Führungpraktisch nie aus den Armen. Nur wennsich die Tänzerin absolut unterordnet,kann eine Harmonie der Bewegungenentstehen. «Der Tango ist wie eine Insel,wo die Frau in einem geschützten Rahmendie alten geschlechterspezifischen Rollenausleben kann», sieht Verena Vaucher eine mögliche Erklärung. Gleichzeitig hatsie auch schon die Erfahrung gemacht,dass europäische Tangueros mit ihrerFührungsrolle Mühe haben und der Part-nerin Freiheiten zugestehen, die für jedenArgentinier absolut unvorstellbar wären.

Bulletin 1| 02Credit Suisse

WIE DAS BANDONEON ZUM TANGO FAND

Kaum eine Musik ist so geprägt vom Klang

eines Instrumentes wie der Tango vom Ban-

doneon. Das Bandoneon gehört zum Tango

wie die Gitarre zum Flamenco. Gleichzeitig ist der Tango fest verknüpft mit

Buenos Aires. Er erzählt wehmütige Geschichten aus einer längst ver-

gangenen Zeit in einem fremden Land. Und doch sind uns Europäern die

Wurzeln des Bandoneons näher als jedem Argentinier. Kein Bandoneon,

das bis heute am Rio de la Plata einen Tango gespielt hat, wurde in Argen-

tinien gebaut. Alle stammen sie aus Deutschland – die meisten aus Carls-

feld im Erzgebirge.

Es war denn auch der deutsche Musiklehrer und Instrumentenverkäufer

Heinrich Band, der dem Bandoneon seinen Namen gab. Er selbst erhob aber

nie den Anspruch, das Instrument erfunden zu haben. Diese Ehre gebührt

vermutlich Carl Friedrich Zimmermann, der Mitte des 18. Jahrhunderts im

sächsischen Carlsfeld eine Röhreninstrumenten-Fabrik gegründet hatte.

Beim Bandoneon werden die Töne beidseitig mit Knöpfen angestimmt.

Dabei konnte die Zusammenstellung und Anordnung der Töne je nach

Auftraggeber variieren. Ein System regte Heinrich Band an. Entsprechend

erhielt diese Version in einer Wortsynthese von Band und damals noch

Akkordion den Namen Bandonion.

Nicht zuletzt wegen der Geschäftstüchtigkeit von Heinrich Band hat sich

diese Bezeichnung schliesslich für alle Versionen durchgesetzt. Band

verkaufte nicht nur seine gut sichtbar beschrifteten Bandonions, sondern

lieferte auch Noten dazu. Zudem bot er Unterrichtsstunden an.

Die Knopftastatur ermöglichte es auch einfachen Leuten ohne Noten-

kenntnisse, das Bandonion zu spielen. Dadurch wurde es Ende des 19. Jahr-

hunderts als Klavier des kleinen Mannes immer beliebter. Statt mit Noten

wurden die Melodien vielfach mit Systemen aus Symbolen und Zahlen, so

genannten «Wäscheleinen», festgehalten. Den Höhepunkt erlebte das

Bandonion in den Zwanziger- und Dreissigerjahren. Damals gab es in

Deutschland über 800 Bandonionvereine.

Ebenso verklärt und von Mythen umrankt wie die Tangolieder ist die

Geschichte, wie das erste Bandoneon um 1870 nach Buenos Aires kam.

Nach einer durchzechten Nacht sollen es deutsche Matrosen in einer

Hafenkneipe versetzt haben. Noch am selben Abend habe sich ein Gitar-

rist auf dem neuen Instrument versucht. Für die Geschichte spricht, dass

die Argentinier das Bandoneon von Anfang an anders als die Deutschen

benutzten. Fast schon anarchisch drangen sie in die Tonwelten des fremden

Instruments vor und bezogen es in die Musik der neuen Welt mit ein. Dabei

entwickelt das Bandoneon eine eigenständige Klangwelt, in der selbst die

technisch bedingten Nachteile des Instruments wie das Fauchen des Luft-

stroms oder das Klappern der Holzteile eine tragende Rolle bekamen.

Bis in die Fünfzigerjahre besingt der Tango vor allem schmalzige Liebes-

geschichten oder spielt zum Tanz. Zu einem eigenständigen Konzertereignis

wurde er erst mit dem Bandoneonisten Astor Piazzolla. Mit seinem «Tango

Nuevo», den er fürs Ohr, und nicht zum Tanzen, spielte, entwickelte er die

Musik weiter, vereinte sie mit Elementen des Jazz und der klassischen

Musik. Viele Argentinier nahmen Piazzolla den «Tango Nuevo» übel. Sie

sahen sich ihrer Jugend beraubt. Und doch brauchte es die Musik von

Piazzolla, um den Tango am Leben zu erhalten. Foto

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Page 65: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

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Page 66: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

Die Expo.02 rückt heran. Noch gerade drei

Monate bleiben Bauleiterin Christine Elbe,

bis das virtuelle Schwimmbad Cyberhelvetia

auf der Bieler Arteplage stehen soll.

Page 67: Das Magazin der Credit Suisse Financial Services · 2019. 1. 29. · Harfenisten Andreas Vollenweider – «einer der Weltmusiker der ersten Stunde» – und dem Jazzpianisten Abdullah

Der eisige Wind unterstreichtden Eindruck von Leere. Mitten auf der Arteplage vonBiel, wo schon in wenigenMonaten die Besuchermassendurch die Expo-Wunderweltströmen werden, klafft an die-sem nebligen Januartag nocheine Baulücke. Hier, auf einerFläche von 20 mal 40 Metern,soll Cyberhelvetia entstehen,der Pavillon der Credit Suisse.Überall auf dem Holzbodensind vereiste Pfützen, ein Ver-messungsgerät steht einsamin der Mitte. Fünf Bauarbeiterentladen mit einem Kran dieerste Lieferung Holzplattenvon einem Lastwagen. Faser-

pelzpulli, Handschuhe und Zigarettenqualm schützen sievor Nebel und Frost.

«Zur Panik besteht keinGrund. Wenn hier der ersteBesucher erscheint, wird allesstehen.» Christine Elbe, Bau-leiterin und Mitverantwortlichefürs Konzept, lächelt geradeso viel, wie es die Minustempe-raturen zulassen. Den Kopfhat sie gut verpackt in einesüdamerikanische Strickmütze,welche bis über die Ohrenreicht, darüber trägt sie einenweissen Helm. Wie man mitengen Terminen umgeht, hatdie junge Architektin schon an der Expo2000 in Hannover

kennen gelernt, wo sie eben-falls ein Ausstellungsprojektbetreute. «Dort waren dieBauzeiten noch viel knapper.»Die Leere des Geländesscheint die Bauleiterin erstrecht herauszufordern. In gerade zehn Minuten lässt siedie Vision von Cyberhelvetiaaus der Arteplage empor-steigen, zwar nur in Worten, doch höchst anschaulich undmit Berliner Akzent.

«Mit dem Namen Cyberhel-vetia schaffen wir natürlichriesige Erwartungen. Und wassieht der Besucher zuerst? Einen Pavillon in der Form einerBadeanstalt, ganz aus weiss

gestrichenem Holz. Wir wähl-ten die Form eines geschlos-senen Seebads, wie man es nur in der Schweiz antrifft.Der Besucher ist also etwasirritiert, wenn er das Gebäudebetritt – der erste Akt imWechselbad der Gefühle. Ersteigt eine kleine Treppe hochund gelangt in einen langen,schmalen Gang, der mit hellemLicht durchflutet ist. Erst dann dringt er ins Innere derAusstellung: ein grosserRaum mit bläulichem Licht,gedämpften Tönen. Vieleserinnert auch hier noch an einSchwimmbad: Es gibt einenPool, darauf schwimmen

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Auf Surftour im GlaspoolAm Anfang waren die Bytes. Die vor einem Jahr gegründete Internet-Stadt Cy hatweder Kanalisation noch Krankenhaus, dafür bereits über 10 000 Bewohner. Auf der Arteplage in Biel tritt das Expo-Projekt Cyberhelvetia nun in die reale Welt –als Badeanstalt aus Holz, Glas, Licht und Ton. Andreas Thomann, Redaktion Bulletin Online

In Cyberhelvetia treffen

sich die Menschen

am Glaspool. Indem

sie miteinander

kommunizieren,

erzeugen sie Klänge,

Lichtspiele

oder elektronische

Luftblasen.

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Leute auf Luftmatratzen, aufdem Kopf tragen sie Sonnen-brillen, und um den Pool kannman auf Sesseln relaxen. Dochder Pool ist aus Glas, durch-zogen mit farbigen Lichtstrahlen,die Sonnenbrillen sind kleineBildschirme, die den Badendenin eine andere Welt entführen,und die Luftmatratzen sindvollbepackt mit Elektronik undwerden von den Leuten amPoolrand ferngesteuert.»

Ein Umzug ohne Strapazen

Die Arteplage von Biel istnicht der einzige Standort von Cyberhelvetia. Die virtuelleSchweiz lagert schon seit übereinem Jahr in einem gesicher-ten Server-Raum der CreditSuisse. Und natürlich auf den

Bildschirmen der über 10 000Bürger, InCyder genannt, welche in die Internet-StadtCy mittlerweile eingezogensind. Seit gut einem Monat istauch «periodista» ein InCyder,das virtuelle Abbild des Ver-fassers. Aus der neuen Welthat er durchaus Gutes zu berichten. Anders als im realenLeben gibt es bei einem Ein-zug in Cy weder Papierkriegnoch Möbelschleppen. DieProbleme sind eher intellek-tueller und metaphysischer Art.Es beginnt beim Namen. Solles die Lieblingsstadt sein?Das Lieblingsmenü? Oder einschräges Internet-Kürzel? DieWahl fällt auf das nicht beson-ders originelle «periodista»,die spanische Version von

Journalist, weil das ja auchdem selbst erteilten Auftragentspricht: Durch die neueWelt zu schweben und heraus-zufinden, warum sich Wesen in einer Stadt aus Softwareniederlassen und wie sie mit-einander leben und streiten.

Bis zur vollständigen Ein-bürgerung fehlen jedoch nochlebenswichtige Klicks, die jeweils die ganze Entschei-dungskraft erfordern. Zum Bei-spiel aus einem Katalog von rund 100 Modellen einenAvatar auswählen und mit einem persönlichen Motto ver-sehen – dieses Elektromons-terchen bildet fortan die äussere Hülle des InCyders.Dann die Behausung. Perio-dista wurde von einer unsicht-

baren Hand automatisch in einem Haus mit 35 Nachbarneinquartiert. Doch periodistamöchte seinen Wohnort selbstbestimmen. Also scrollt ersich durch die Cyglos, bunteLandschaften aus rechteckigenRastern, deformierten Krei-sen, schiefen Kartenhäusern,schrägen Stützen. Mal ver-dichten sich die Strukturen und vermitteln ein Bild einerbizarren Stadt, um sich als-bald wieder aufzulösen, sodassnur noch eine Fläche übrigbleibt. Wo periodista auchhinkommt, erblickt er Gebilde,die wie zusammengeschraubte,durchlöcherte Trichteraussehen – die Condos, eineimmaterielle Variante derMietskasernen.

68 Bulletin 1| 02Credit Suisse

Zweimal eintauchen: Seit einem Jahr können Cybernauten sich in die virtuelle Stadt Cy hinabgleiten

lassen und mit andern InCydern wohnen, plaudern und feiern (oben). Ab dem 15. Mai ist

Cyberhelvetia auch für real existierende Besucher der Expo.02 offen (rechts). Der Pavillon hat

die äussere Form einer Badeanstalt – drinnen schwimmen jedoch Träume und Gedanken.

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Erschöpft von der Reise nistetsich der Neuankömmling im Condo namens «Sorgen-freiLounge» ein. Nachbarnwie «Jazzsound» (Motto: «OhneMusik wäre das Leben ein Irrtum») bürgen für Niveauund kultivierten Umgang.Jetzt noch ein Privé beziehen,die Wand mit Bildern tape-zieren und sich einen Murph –eine Art Butler – zulegen, der ebenfalls mit einemSpruch gefüttert werden will.Geschafft. Und jetzt? «Bling!»,in der Instant Message Boxwartet schon die erste Nach-richt. «Viele orch.ideengrüssen aus dem Wunderland und bye bye belle», lautet dieetwas verschrobene Gruss-botschaft des InCyders«Bellevue». Es gibt also doch Leben auf diesem Planeten!Wenig später gehen weitereBotschaften ein. Kaum hier,und schon fünf Freundegewonnen. Darunter hat es solche mit geradezu existen-zialistischen Vorlieben. «Es gibt hier so eine Sekte»,schreibt «tramp», «die glaubendoch tatsächlich an ein Lebenausserhalb von Cy.» Wo doch jeder wisse, dass dieGeschichte von einem Wesenhinter der Tastatur ins Reichder Ammenmärchen gehöre.

Die Felchen aus dem Bie-lersee sind definitiv echt undschmecken vorzüglich. Gran-dios – wenn auch schon fastwieder unwirklich – ist auchder Blick auf die Arteplage, dersich dem Gast im RestaurantBeaurivage bietet. Mittlerweilehat sich die Sonne durch denNebel gekämpft und scheintherab auf diesen überdimen-sionierten Steg und die dreisilbern glitzernden Türme, die

mit ihren tollkühnen Formendie Gesetze der Statik auszu-hebeln scheinen. Der erhabeneAnblick hat die Euphorie desGegenübers noch gesteigert.Christine Elbe erläutert Detailum Detail das komplizierte Innenleben der Badeanstalt,und wenn die Worte nicht aus-reichen, kritzelt sie mit demKugelschreiber ihre Ideen aufein Stück Papier. Die Rede istvon elektronischen Luftblasen,erzeugt von Menschen-stimmen, die übers Glas glei-ten, von krabbelnden Tierchenaus dem See, die per Licht-strahl auf eine Hand projiziertwerden, von Massagemons-tern, die über eine Glasflächefahren und durch BerührungMassagewellen auf einer Luft-matratze auslösen.

Mehr als eine graue Kiste

Am 15. April, exakt einen Monat vor Beginn der Expo,soll alles installiert, verkabeltund programmiert sein. «Dannnutzen wir die Zeit, um die Installation intensiv zu testen»,sagt Christine Elbe. Um imnächsten Satz darauf hinzu-weisen, dass der eigentlicheTest erst dann beginnt, wenndie ersten Besucher herein-strömen. «Cyberhelvetia istkeine Zukunftswelt, keineHightech-Show. Sie lebtdurch die Menschen. Dennder Kontakt zur virtuellen Weltwird immer durch die Menschenbestimmt. Sie stehen im Zen-trum. Sie sollen erleben, dassdie virtuelle Welt mehr ist, alseine doofe graue Kiste abzubil-den vermag. Zum Beispiel klei-ne Geschichten, die ich einem irrealen Gegenüber erzählenkann, wunderschöne Farben,die ich erzeuge, eine mecha-

nische Bewegung, die ich mit einer leichten Berührungauslöse.»

Nörgler landen auf Blacklist

Die eigene Traumwelt gestal-ten: Dieses Leitmotiv regiertauch in der Internet-Stadt Cy.InCyder, die sich im Cyber-space verloren haben, könnensich zwar an eine Handvollprofessioneller Care Takerwenden. Doch deren Auftrittist so unscheinbar wie möglich.Es gibt nur wenige Regeln, an die man sich in Cy zu haltenhat. Wem ein Mitbürger den-noch auf den Wecker geht,der kann ihn auf seine persön-liche schwarze Liste setzen.Die Chats sind nicht moderiert.In der CyPress, der offiziellenInternet-Zeitung, kann jedernach seinem Gusto einen Bei-trag veröffentlichen. So liegtes an den InCydern, was sieaus ihrer neuen Welt machen.Oder wie es der InCyder «postoplastic» in seinem Auf-ruf zur Lage der Nationausdrückt: «Die InCyder sind verantwortlich, dass hier einespannende Communityentsteht, und deshalb auch, dass eine gute Stimmungherrscht.»

Dass die Community lebt,beweisen die weit über 10 000InCyder, die sich bereitsregistrieren liessen. Davonsind zwar viele in einenelektronischen Winterschlafverfallen. Doch hat sich ein harter Kern gebildet unddie Staatsgeschäfte in die

Hand genommen. DieseGruppe publiziert Artikel in der CyPress – meist mit einergehörigen Portion Sprach-witz –, organisiert spezielleLunch-Chats oder lanciert eine Besiedlungskampagne,um möglichst viele Wesen aus der realen Welt nach Cyzu locken.

Doch was hält sie eigent-lich in dieser Stadt ohne Kabelfernsehen, Kanalisationund Krankenhäuser? In vielenForumsbeiträgen finden sichAntworten auf diese Daseins-frage: «Die Leute auf Cy sindsehr verschieden, wie im echten Leben. Vom kurzange-bundenen Zyniker bis zum unverbesserlichen Optimisten.Vom sabbernden Sexmonsterbis zur gemässigten Pazifistin»,schreibt «schlappohr». «Hierkann eben noch jeder so sein,wie er gern sein möchte, frei von gesellschaftlichenZwängen», meint «siipo». Und«piesoplastic» bringt es aufden Nenner: «Cy kann Spassmachen! Cy kann ärgern!Sexy sein, langweilig, wie daspralle Leben halt…»

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IMPRESSUM

Herausgeber Credit Suisse Financial Services, Postfach 2, 8070 Zürich, Telefon 01 33311 11, Fax 01 3325555 Redaktion Daniel Huber (dhu) (Leitung), Ruth Hafen (rh), Jacqueline Perregaux (jp), Andreas Schiendorfer (schi) Bulletin Online: Andreas Thomann (ath), Martina Bosshard (mb), Michèle Luderer (ml),René Maier (rm), Michael Schmid (ms), Najad Erdmann (ne) (Volontärin) Redaktionssekretariat: Sandra Haeberli, Telefon 01 3337394, Fax 01 3336404, E-Mail-Adresse: [email protected], Internet: www.bulletin.credit-suisse.ch Gestaltung www.arnolddesign.ch: Urs Arnold, Adrian Goepel, Karin Bolliger, AliceKälin, Andrea Brüschweiler, Benno Delvai, James Drew, Annegret Jucker, Muriel Lässer, Isabel Welti, Bea Freihofer-Neresheimer (Assistenz) Inserate YvonnePhilipp, Strasshus, 8820 Wädenswil, Telefon 01 683 15 90, Fax 01 683 15 91, E-Mail [email protected] Litho/Druck NZZ Fretz AG/Zollikofer AGRedaktionskommission Othmar Cueni (Head Affluent Clients Credit Suisse Basel) Andreas Hildenbrand (Head Corporate Communications Credit Suisse FinancialServices), Peter Kern (Head Marketing Credit Suisse Private Banking Switzerland), Eva-Maria Jonen (Customer Relation Services, Marketing Winterthur Life &Pensions), Christian Pfister (Head External Communications Credit Suisse Financial Services), Fritz Stahel (Credit Suisse Economic Research & Consulting),Burkhard Varnholt (Head Financial Products), Christian Vonesch (Head Private Clients Credit Suisse Banking Zurich), Roland Schmid (Head Private Clients Offers,e-Solutions) Erscheint im 108. Jahrgang (6× pro Jahr in deutscher, französischer und italienischer Sprache). Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus demBulletin der Credit Suisse Financial Services». Adressänderungen bitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts an Ihre Credit Suisse-Geschäfts-stelle oder an: Credit Suisse, KISF 14, Postfach 600, 8070 Zürich

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Agenda 2/02Aus dem Kultur- und Sport-engagement der Credit SuisseFinancial ServicesIMOLA14.4. GP San Marino, F1INTERLAKEN1.–3.3. Para Event 2002,BehindertensportKUALA LUMPUR17.3. GP Malaysia, F1MELBOURNE3.3. GP Australien, F1SÃO PAULO31.3. GP Brasilien, F1SISSACH6.4. Nacht-OL-Schweizer-meisterschaftZÜRICH1.2.–26.5. William Turner, Kunsthaus22.2. Weltmusikwelt: Wopso!Moods im Schiffbau7.3. Weltmusikwelt: Tammorra,Moods im Schiffbau9.3. Dianne Reeves Quintet & ZKO, Tonhalle10.3. Weltmusikwelt: Lila Downs,Moods im Schiffbau24.3. Weltmusikwelt: YulduzUsmanova, Moods im Schiffbau5.4. Weltmusikwelt: Aziza MustafaZadeh, Moods im Schiffbau7.4. Weltmusikwelt: Bonga, Moods im Schiffbau13.4. Abbey Lincoln Quartet,Tonhalle13.4. Dino Saluzzi Group, Kleine Tonhalle

Hochalpiner HärtetestFür alle Langlauf-Fans steht fest: Die Woche zwischen dem 3. unddem 10. März ist reserviert für den Langlauf und den EngadinSkimarathon. Bereits zum dritten Mal findet am 3. März derFrauenlauf über 17 Kilometer von Samedan nach S-chanf statt.Zwischen dem 6. und 8. März veranstaltet die Credit Suisse inSt. Moritz-Bad Workshops zur Vorbereitung auf den Engadiner.Langlauf-Cracks wie Tor Arne Hetland, Bjørn Daehlie oderJohann Mühlegg stehen für Fachfragen Red und Antwort. Auchdas restliche Rahmenprogramm hats in sich: Vom 6. bis zum 9. März können sich Langläuferinnen und Langläufer im CreditSuisse Village mit der neusten Ausrüstung eindecken und sichüber neue Trends informieren. Am 8. März findet der «Mungga-Lauf» statt, wo Prominente für die Engadiner Skijugend laufen.Der Startschuss zum 34. Engadin Skimarathon fällt am 10. Märzum 8.40 Uhr in Maloja. (rh)Frauenlauf 3. 3., Samedan; Mungga-Lauf 8. 3., Sils; 34. Engadin Skimarathon 10.3., Maloja. Weitere Infos auf www.engadin-skimarathon.ch oder unter 081 850 55 55.

Happy End in JerusalemAm 24. März 2002 findet im Luzerner Theater die Premiere vonGeorg Friedrich Händels Oper «Rinaldo» unter der musikalischenLeitung von Sebastian Rouland statt. Das dreiaktige Werk wardie erste Oper im italienischen Stil, die Händel nach seiner Über-siedlung nach England 1710 komponierte. Frei nach TorquatoTassos Epos «La Gerusalemme liberata» wird die abenteuerlicheSuche des jungen Ritters Rinaldo nach seiner Geliebten Almirena,der Tochter des Kreuzritters Gottfried von Bouillon, erzählt. Demjungen Glück stehen die böse Zauberin Armida und Argante,König von Jerusalem und Geliebter Armidas, im Weg. TrotzKriegswirren kommt es zum Happy End: Die Liebenden findenzueinander, die heidnischen Sarazenen werden zum «rechten»Glauben bekehrt. Neben viel Theaterdonner bietet die Oper her-ausragende Arien, darunter Rinaldos Lamento «Cara sposa» undAlmirenas «Lascia ch’io pianga». (rh)«Rinaldo», Oper in drei Akten von Georg Friedrich Händel. Luzerner Theater. Premiere am 24.3.02. Weitere Infos auf www.luzernertheater.ch

Reduktion auf das Wesentliche«Weniger ist mehr» könnte dasMotto der internationalen Grup-penausstellung in der Kunst-halle Bern lauten, die unter demTitel «Basics» vom 23. März biszum 28. April 2002 stattfindet.Sie vereint Werke von Künstle-rinnen und Künstlern, die inden letzten Jahren in derKunsthalle ausgestellt haben.Die Reduktion wird als Stil-mittel gegen die Überwältigungder Sinne und die Gleichgültig-keit eingesetzt. Reduktion bisan die Schmerzgrenze, freinach Marcel Duchamps, demfranzösischen Maler und Dich-ter? Es werden Werke zu sehensein, deren Bescheidenheitnicht zu raschem Konsum anregen will, sondern den Be-sucher zur Auseinandersetzungmit der Kunst und sich selbstanimieren soll. (rh)

«Basics», Kunsthalle Bern, 23.3. bis 28.4.2002. Weitere Infos auf www.kunsthallebern.ch

«Eisenplatte mit Gummistiefeln», 1995; Roman Signer

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Abt Martin nutzt viele Kanäle,

um mit seinen Mitmenschen

ins Gespräch zu kommen.

Als «mönch» besucht er regel-

mässig einen Chatroom.

«Wir müssen neueFormen der Begegnungmit der Kirche schaffen»

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JACQUELINE PERREGAUX Abt Martin, seit ziem-

lich genau zwei Monaten stehen Sie dem

Kloster Einsiedeln als Abt vor. Wie haben

Sie diese Zeit erlebt?

ABT MARTIN Es war eine sehr intensive Zeit,denn in diesen ersten beiden Monatenstanden viele Entscheide in der Personal-politik an. Ich habe meinen Stellvertreter,den Subprior und andere Verantwortlicheernannt sowie Räte neu gebildet, die mir inbestimmten Fragen zur Seite stehen.

J.P. Nach der Wahl zogen Sie sich ein paar

Tage in die Stille zurück, um sich auf Ihre

neue Aufgabe vorzubereiten. Wozu möch-

ten Sie Ihre zwölf Jahre als Abt nutzen?

A.M. Ich habe das in meinem Wahl-spruch, «Höre, und du wirst ankommen»,zum Ausdruck gebracht. Hören heisst fürmich aber nicht, immer das zu tun, was andere wollen, sondern genau zuhören,sodass sich ein möglichst breites Feld vonAnsichten ergibt.

J.P. Wem wollen Sie besonders gut zuhören?

A.M. Letztlich geht es um das Hören aufGott. Das tue ich beim Gebet, beim Lesenin der Heiligen Schrift, beim Gespräch mitden Mitmenschen, denen ich begegne,gerade jetzt auch beim Lesen vieler Briefe, die ich erhalte. Ich versuche,hörend zu sein, herauszufinden, was Gottvon mir will.

J.P. Der zweite Teil Ihres Wahlspruches be-

zieht sich aufs Ankommen. Wissen Sie

schon, wo Sie ankommen wollen?

A.M. Dieser Wahlspruch ist ein Zitat ausder Benediktsregel, nämlich das erste undletzte Wort daraus. Für Benedikt ist ganzklar, dass dieses Ankommen ein An-kommen bei Gott ist, mit anderen Worten,die volle Gemeinschaft mit Gott. In demMass, in dem ein Mensch auf Gott hört, ister schon in dieser Gemeinschaft.

J.P. Worauf freuen Sie sich in Ihrer Rolle als

Führungspersönlichkeit?

A.M. Ich freue mich im Moment sehr da-rauf, Herausforderungen anzugehen, auchsolche, bei denen noch nicht absehbar ist,wie sie sich entwickeln. Was mich geradein den letzten zwei Monaten gefreut hat, istdas riesige Interesse, das die Menschen inder ganzen Schweiz und sogar darüberhinaus an Einsiedeln zeigen.

J.P. Politiker stellen nach ihrer Wahl jeweils

ein Regierungsprogramm zusammen, Mana-

ger erarbeiten Businesspläne. Was macht

der neue Abt von Einsiedeln?

A.M. Für mich hat die Stärkung derGemeinschaft in den nächsten JahrenPriorität. Sie soll an Ausstrahlung ge-winnen können, und sie soll auf die grossen Erwartungen und das Interesse,das Einsiedeln entgegengebracht wird, eine Antwort geben können. Vielleichtmüssen wir dazu traditionelle Wege, etwabei der Pilgerseelsorge, verlassen unddafür Neues wagen.

J.P. Heisst das, Sie möchten breitere Gruppen

ansprechen, gerade auch solche, denen die

traditionelle Seelsorge nicht zusagt?

A.M. Ich möchte das mit einem Bilderklären, das Jesus selber braucht: Wennder Hirte ein Schaf verliert, lässt er dieganze übrige Herde stehen und sucht dieses eine Schaf. Dieser Gedankenansatzist der Kirche in letzter Zeit leider stark verloren gegangen. Wir sind vor allem fürdiejenigen da, die sowieso in die Kirchekommen, auf die anderen machen wir aberkaum einen Schritt zu. Die zahlreichenBriefe, die ich nach meiner Wahl erhaltenhabe, zeigen aber deutlich, dass auch diese Menschen von der Kirche und vonEinsiedeln im Speziellen sehr viel erwartenund sich nach Antworten sehnen. Deshalbbin ich der Ansicht, dass wir in diesem Be-reich unbedingt neue Wege gehen sollten.

J.P. Ist diese Sehnsucht ein zeitgenössisches

Phänomen? Wenden sich die Menschen

wieder vermehrt dem Spirituellen zu?

A.M. Ich glaube nicht, dass die Er-eignisse des letzten Herbstes für dasInteresse am Spirituellen entscheidendwaren. Schon seit ungefähr zehn Jahrenist das Suchen nach Spiritualität offen-sichtlich. Die Esoterik-Bewegung ist einZeichen dafür. Allerdings sind viele vondieser Art der Spiritualität enttäuscht, weilsie merken, dass sie nicht tief genugreicht. Hier können wir einen Erfahrungs-schatz weitergeben, der seit 1500 Jahrenträgt und in dem vieles enthalten ist, wasdie Menschen heute suchen.

J.P. Die Wahl zum Abt verändert Ihren Aufga-

benbereich wesentlich. Zwingt Sie dies ver-

mehrt zu einem «Managerdasein»?

A.M. Für mich ist es ganz wichtig, dass ichnicht zum Manager werde. Das ist keineAbwertung der Managertätigkeit, aber alsAbt ist es meine primäre Aufgabe, Seel-sorger zu sein für die Gemeinschaft und fürdie Menschen, die uns anvertraut sind.

J.P. Sie wehren sich gegen den Ausdruck

«Blitzkarriere» im Zusammenhang mit Ihrer

Wahl zum Abt. In welchem Licht sehen Sie

Ihre Zeit seit dem Eintritt ins Kloster?

A.M. Ich trat ins Kloster ein, um Mönch zuwerden. In all den Jahren hatte ich vieleverschiedene Aufgaben, vom Studentenüber den Novizenmeister bis zum Inter-natsleiter. Alle diese Aufgaben nahm ichals Mönch wahr. Und ich sehe mich auchweiterhin als Mönch, nur erfülle ich jetzt dieAufgabe des Abts.

J.P. Bleibt bei den vielen Aufgaben im Kloster

neben dem «labora» auch noch genügend

Ruhe fürs «ora»?

A.M. Ich habe Mühe mit dem Spruch «oraet labora» (bete und arbeite), denn er fasstdas benediktinische Leben sehr schlechtzusammen. Für Benedikt ist das gesamteLeben Gebet und damit ein Leben inGemeinschaft mit Gott. Ob ich in derKirche bin, einen Brief schreibe oder einMitarbeitergespräch führe, alles soll in Ge-

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LEADERSFo

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Mitte Dezember 2001 wurde Martin Werlen zum neuen Abt des Klosters Einsiedeln geweiht. Sein Wahlspruch «Höre, und du wirst ankommen» steht im Zentrum seines Denkens und Handelns. Interview: Jacqueline Perregaux, Redaktion Bulletin

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meinschaft mit Gott geschehen. Auf einergrafischen Darstellung sollte also das«ora» über allem stehen, « labora» wäredann einfach ein Unteraspekt davon,gleichberechtigt mit Lesung, Meditationoder Gesprächen. Die Devise «ora etlabora» für das benediktinische Lebenwurde übrigens erst Ende des 19. Jahr-hunderts aufgestellt und ist typisch für dieZeit der Industrialisierung, in der die Arbeitan sich enorm an Bedeutung gewann.

J.P. Abt zu sein ist kein «nine-to-five»-Job.

Wo holen Sie sich Ihre Impulse?

A.M. Die Impulse kommen, wie Bene-dikt schon sagt, aus dem Zuhören, derHeiligen Schrift, der Stille, dem Gebet,aus Begegnungen mit Mitbrüdern undMitschwestern, Gästen und Kritikern. Fürmich ist entscheidend, dass ich mir Zeitreserviere, um bewusst in mich hineinzu-hören. Es muss ja nicht viel sein, fünfMinuten pro Tag, in denen ich ganz be-wusst zur Ruhe komme, damit ich wie-der hören kann.

J.P. Das Klosterleben hat viele Berüh-

rungspunkte mit dem Leben ausserhalb

der Klostermauern. Wo können die zwei

Lebensformen voneinander lernen?

A.M. Ich denke schon, dass das Klostereinen Impuls nach aussen geben kann.Allein durch unseren Lebensstil, ohnepredigen zu müssen, sind wir ein Zeichendafür, wie wichtig es ist, zuzuhören, sichZeit zu nehmen für die Stille und dasHören auf Gott. Die Grundhaltung, dieBenedikt für den Mönch vorsieht,ist auch eine Grundhaltung für jedenChristen, nämlich in der Gegenwart Got-

tes zu leben und alles aus dieser Hal-tung heraus zu tun versuchen.

J.P. Als Abt sind Sie auch Mitglied der

Schweizerischen Bischofskonferenz. Wo

sehen Sie die dringendsten «Leader»-Auf-

gaben dieses Gremiums?

A.M. Für mich sind es dieselben, die ichauch für das Kloster als Hauptaufgabensehe: Zuhören, die Situation und ihre Probleme erkennen und entsprechendeEntscheide treffen. Ein Beispiel: In denletzten 30 Jahren sind wir der Proble-matik um Kirchenaustritte oder schlecht besuchte Gottesdienste mit einer Macher-mentalität begegnet. Wir boten mehr undattraktivere Gottesdienste an. Das hat aberdas Problem nicht behoben. Jetzt mussdie Erkenntnis folgen, dass wir diesemPhänomen mit einer ganz anderen Haltungbegegnen müssen. Das Bedürfnis derMenschen nach Stille und die Sehnsuchtnach religiöser Erfahrung ist vorhanden;bloss haben wir sie zum Teil einfachübersehen. Wir stehen da und wundernuns, dass unsere Angebote nicht ange-nommen werden, aber wir sind überhauptnicht da, wo die Menschen ihre Sehnsüch-te haben. Die Kirche in der Schweiz solltevom Machen wegkommen und stattdessenBedingungen schaffen, um die Menschenmit ihren Sehnsüchten hören zu können.

J.P. Ist es nicht schwierig, diese Leute zu er-

reichen?

A.M. Nein, das glaube ich nicht. DerBischof von Limburg hat schon vor mehrals zehn Jahren etwas gesagt, was michsehr beeindruckt: Wir beklagen uns, dassdie Leute nicht in die Kirche kommen.

Wenn man aber an einem Sonntagnach-mittag in den Dom von Limburg geht, ister voller Leute, nur wir sind nicht da. Wirkönnen doch nicht erwarten, dass dieLeute in die Kirche kommen, wenn wir dasind, sondern umgekehrt: Wir müssen indie Kirche gehen, wenn die Leute dortsind. Das erfordert natürlich ein Umden-ken; neue Formen der Begegnung mit der Kirche sind gefragt. Wir haben einTonband, das die Klosterkirche Einsiedelnerklärt. Interessant ist, dass sich die Leu-te hinsetzen und sich Zeit nehmen, umsich das Band anzuhören. Sie sind ganzoffensichtlich bereit, etwas zu empfangen.

J.P. Das Internet bietet sich für die Kirche als

neue Form der Begegnung an. Sie sind ein

regelmässiger User. Gehört das zu Ihrer

seelsorgerischen «Kundenfreundlichkeit»?

A.M. Als «mönch» gehe ich etwa zweimalwöchentlich in einen Chatroom. Ich emp-finde es als schöne Erfahrung, auch hiermit Menschen ins Gespräch zu kommen.Oft sind es sehr religiöse Gespräche. Ichstelle dabei immer wieder fest, dass jungeMenschen gegenüber Religion überhauptnicht verschlossen sind, sondern reges Interesse daran zeigen. Der Papst hatkürzlich dazu aufgerufen, das Internet inder Kirche vermehrt einzubeziehen. Ich se-he das genau so: Wir sollten die Mittel, dieuns zur Verfügung stehen, ausschöpfen.

J.P. Wie sehen Sie angesichts dieser vielen

Herausforderungen die Zukunft des Klos-

ters Einsiedeln?

A.M. Ich wünsche mir, dass die Gemein-schaft gestärkt wird, dass wir an Ausstrah-lung gewinnen und so jungen Menschen,die auf der Suche sind, einen überzeu-genden Lebensstil zeigen können. Ichhoffe und bin auch zuversichtlich, dass wirin den nächsten Jahren einen neuenSchritt wagen, um auf den Menschen vonheute zuzugehen und ihn an Orte, wie Einsiedeln einer ist, einladen zu können.

LEADERS

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Abt Martin, Kloster Einsiedeln

«Die Kirche in der Schweiz sollte Bedingungen schaffen, um die Menschenmit ihren Sehnsüchten hören zu können.»

EIN WALLISER BENEDIKTINER WIRD ABT VON EINSIEDELN

Mit 39 Jahren wurde Pater Martin Werlen am 10. November 2001 zum neuen Abt

von Einsiedeln gewählt. Die Abtsweihe erfolgte am 16.Dezember. Er ist der

erste Walliser im Amt des Abtes und gleichzeitig einer der jüngsten der bisher

58 Vorsteher der Klostergemeinschaft. Sein Amt ist auf zwölf Jahre beschränkt.

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zeit für gefühle