Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung...

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Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 LANDWIRTSCHAFT & KLIMAWANDEL

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Page 1: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

Das Magazin der Heinrich-Boumlll-Stiftung Ausgabe 2 2010

LANDWIRTSCHAFT

amp KLIMAWANDEL

INFORMATIONEN DER HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

DER BESONDERE TIPP

Green New Deal ndash das DossierGreen New Deal ndash das Dossier

Der Green New Deal wird weltweit als Antwort auf

die Doppelkrise von Wirtschaft und Umwelt diskushy

tiert Was verbirgt sich dahinter Erstens geht es

um einen groszligen Sprung in Richtung einer nachhalshy

tigen Oumlkonomie Zweitens um mehr Chancengleichshy

heit und soziale Teilhabe vor allem durch massive

Investitionen in Bildung und berufliche Qualifizieshy

rung Und schlieszliglich geht es darum den globalen

Kapitalismus in ein globales Regelwerk einzubetten

und den Ruumlckfall in Protektionismus und Nationashy

lismus zu verhindern

Manifest Interviews Videos Debatten auf

wwwboellde greennewdeal

Green New Deal ndash die KonferenzGreen New Deal ndash die Konferenz

Die Groszlige Transformation ndash Greening the Economy 28ndash29 Mai 2010 (FrSa)

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Mit John Podesta John Doerr Jerome Ringo

Cem Oumlzdemir Renate Kuumlnast Juumlrgen Trittin Matshy

thias Machnig Michael Sommer Jerome Guillen

Teresa Ribera Rodriguez uvam

Veranstaltet von der Heinrich-Boumlll-Stiftung in

Kooperation mit IDEAS Policy Network Progresshy

sio Foundation Center for American Progress Stifshy

tung Mercator und Taumlllberg Foundation

Programm und Infos unter

wwwboellde greennewdeal

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Green New Deal ndash die TourGreen New Deal ndash die Tour

Am 27 April 2010 startet

die Heinrich-Boumlll-Stiftung

in Koumlln ihre Green New

Deal-Debatten Bis zum

November werden vier

Schluumlsselthemen des Green New Deals

ndash Transformation von Wirtschaft und Industrie

ndash Wohlstand Wachstum und Gemeinguumlter

ndash Soziale Balance Aufstieg

ndash Urbane Revolution ndash die nachhaltige Zukunft der

Region

in verschiedenen Orten der Republik aufgerufen

Von Kiel bis nach Muumlnchen von Koumlln bis Berlin

geht die Tour die die Bundesstiftung mit ihren 16

Landesstiftungen veranstaltet

wwwboellde greennewdeal

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Deutsch-Israelische LiteraturtageDeutsch-Israelische Literaturtage

Heimat im Heute 27ndash30 Mai (DoSo) an verschiedenen Orten in

Berlin und auf der Beletage

Das Goethe-Institut und die Heinrich-Boumlll-Stifshy

tung laden ndash bereits zum dritten Malndash deutsche und

israelische Autorinnen und Autoren der juumlngeren

Generation nach Berlin ein Das diesjaumlhrige Motto

ist laquoHeimat im Heuteraquo Die israelischen Gaumlste sind

in ihrer Heimat viel gelesen und diskutiert bei uns

gilt es sie erst zu entdecken Mit Anat Einhar Jenshy

ny Erpenbeck Detlef Kuhlbrodt Fania Oz-Salzbershy

ger Ayman Sikseck Sibylle Lewitscharoff Tilman

Spengler Shimon Adaf und Nir Baram

wwwboellde literaturtage

Campus-TourCampus-Tour

Wie wollen wir die Hochschulshy

landschaft der Zukunft gestalshy

ten Von Rostock bis Freiburg

organisieren wir Wissenschaftsshy

salons Diskussionen Ausstelshy

lungen und Workshops Eingeshy

laden sind Studierende und Lehrende die Hochshy

schulen nicht als reine Ausbildungsbetriebe

betrachten sondern auch als Arenen der politischen

Debatte Die Campustour laquoWissen was wirktraquo ist

ein Gemeinschaftsprojekt der Heinrich-Boumlll-Stifshy

tung und ihrer Landesstiftungen Unterstuumltzt wird

die Tour von zahlreichen Hochschulgruppen Studieshy

renden Kuumlnstlerinnen Wissenschaftlerinnen und

politischen Gaumlsten aus dem In- und Ausland

wwwboellde campustour

Fuszligball WM 2010Fuszligball WM 2010

WM 2010 ndash Afrika am Ball Suumldafrika richtet die

erste Fuszligball-WM auf dem afrikanischen Kontinent

aus Das offizielle WM-Motto laquoKe Nako (Es ist

Zeit) Afrikas Menschlichkeit zu feiernraquo nimmt die

Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Anlass genauer auf den

Gastgeber und ganz Afrika zu schauen

Daten Fakten und Hintergruumlnde zur WM gibt

es auf wwwboellde wm2010 und in der WM-Speshy

zialausgabe laquoPerspectives ndash Analysen und Kommenshy

tare aus dem suumldlichen Afrikaraquo sowie bei unseren

Veranstaltungen in Berlin Hamburg Leipzig und

Mainz

Neu das Blogportal wwwboellblogorg

Das Blog Klima-der-gerechtigkeitde ist drei Jahre

alt geworden Mit taumlglich rund 1800 Leserinnen

und Leser hat es sich mittlerweile einen Namen geshy

macht Fuumlr Infos sorgen weiterhin Tilman Santarius

und Lili Fuhr in Berlin und ndash neu im festen Bloggershy

team ndash Arne Jungjohann aus Washington

Relativ neu ist das Blog Triple Crisis Global Pershy

spectives on Finance Development and Environshy

ment ndash ein Projekt des Global Development and Enshy

vironment Institute (GDAE) der Economic Reshy

search Foundation und der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Die Stiftung in Sozialen NetzwerkenDie Stiftung in Sozialen Netzwerken

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist in verschiedenen Soshy

zialen Netzwerken aktiv

Werden Sie Freund oder Freundin der Stiftung

auf Facebook unter wwwboellde facebook sehen

Sie Filme und Videos bei YouTube (wwwboell

de youtube) Bilder bei Flickr (wwwflickr

com photos boellstiftung) oder verfolgen Sie die

aktuellen Nachrichten der Stiftung uumlber den Kurzshy

nachrichtendienst Twitter unter wwwtwittercom

boell_stiftung Wie immer bieten diese Netzwerke

einen Ruumlckkanal uumlber den Sie mit uns in Kontakt

treten koumlnnen

ImpressumImpressum

Herausgeberin Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schumannstraszlige 8 10117 Berlin

T 030 ndash 2 85 34 ndash 0

F 030 ndash 2 85 34 ndash 109

E themaboellde

W wwwboellde thema

Redaktion Elisabeth Kiderlen

Redaktionsassistenz Susanne Dittrich

Mitarbeit Barbara Unmuumlszligig

Christine Chemnitz

Ute Straub

Annette Maennel (ViSdP)

Gestaltung blotto design Berlin wwwblottodesignde

Illustrationen Adrian Johnson wwwadrianjohnsoncouk

Druck agit-Druck Berlin

Papier Inhalt Envirotop 100gm2 matt hochweiszlig

Recyclingpapier aus 100 Altpapier

Umschlag Recysatin 200gm2

Bezugsbedingungen zu bestellen bei oben genannter Adresse

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EDITORIAL

LANDWIRTSCHAFT

UND KLIMAWANDEL

Die Landwirtschaft ist eine groszlige Verursacherin des Klimawandels Gleichzeitig reagiert sie in den meisten Regionen der Welt sehr verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Daruumlber hinaus muumlssen immer mehr Menschen ernaumlhrt werden Besonders gravierend sind die klimatischen

Auswirkungen im globalen Suumlden Diese treffen insbesondere die Menschen die schon heute unter schwierigsten Bedingungen leben Kleinbauern Hirten und Landarbeiter Das sind drei Viertel der Hungernden und Armen in den Entwicklungslaumlndern

Vor diesem Hintergrund setzten Weltbank und UNO 2003 einen Forschungsprozess uumlber die Zukunft der Landwirtschaft und Ernaumlhshyrungssicherheit in Gang an dessen Ende der Weltagrarbericht stand Auf diesen Bericht und seine Empfehlungen beziehen sich viele Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe von BoumlllThema

58 Laumlnder haben den Bericht beim Abschlussplenum in Johanshynesburg sofort unterzeichnet drei Laumlnder weigerten sich die USA Kanada und Australien Und Deutschland Die Bundesregierung hat sich weder positiv noch kritisch geaumluszligert und den Bericht bis heute nicht unterschrieben ndash ob das an seiner positiven Betonung der Rolle der Kleinbauern liegt oder seiner Vorsicht gegenuumlber Spitzenshytechnologie und Gentechnik In der offiziellen deutschen Politik ist der Weltagrarbericht sang- und klanglos untergegangen doch die Fragen die er stellt sind weiterhin ungeloumlst

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen die die groszligen Herausshyforderungen des Klimawandels und der Ernaumlhrungssicherung bei einer rapide steigenden Weltbevoumllkerung und sich veraumlndernden Konsumgewohnheiten meistert

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen bei der die Bekaumlmpfung von Hunger und Armut Artenerhalt und die Anpassung an den Klimawandel in Einklang gebracht werden

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen die das Menschenrecht auf Nahrung ernst nimmt

Fuumlr die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist Gerechtigkeit eine Schluumlsselkashytegorie ihrer nationalen und internationalen Arbeit Dabei geht es nicht nur um Gerechtigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsshylaumlndern Es geht uns auch darum den besonders verletzlichen Gruppen innerhalb einer Gesellschaft eine Stimme zu verleihen ndash in ihren jeweiligen Gesellschaften auf internationalen Foren in internationalen Institutionen Das gilt auch fuumlr die nationalen

Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an den Klimawandel Sie muumlssen Hand in Hand gehen mit Hunger- und Armutsbekaumlmpfung und sich nicht einseitig groszligtechnischen Loumlsungen verpflichten Partizipation ist dafuumlr ein Schluumlsselwort

Wir beginnen das Heft mit einem Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller dem stellvertretenden Generaldirektor der UN-Organisation fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft (FAO) Wie viel Produktionssteishygerung in der Landwirtschaft brauchen wir Wo soll diese stattfin-den Wie soll sie mit der Hungerbekaumlmpfung verknuumlpft werden

Benny Haumlrlin von der laquo Zukunftsstiftung Landwirtschaft raquo und Rajeswari Raina vom indischen laquo Nationalinstitut fuumlr Wissenschaft Technik und Entwicklung raquo sprechen sich hier fuumlr eine konsequente Staumlrkung und Entwicklung der kleinraumlumigen Landwirtschaft aus Professor Manfred Niekisch Direktor des Frankfurter Zoos untershystuumltzt diese Position mit dem Verweis auf die benoumltigte Vielfalt von Flora und Fauna und die notwendige genetische Variationsbreite um die Ernaumlhrungssicherheit unter sich klimatisch wandelnden Bedingungen global sicherzustellen

Wo sollen in Zeiten des Klimawandels die Schwerpunkte von Agrarhandel und landwirtschaftlicher Entwicklung liegen Im Streitgespraumlch loten Marita Wiggerthale die Agrarreferentin von Oxfam Deutschland und Klaus-Dieter Schumacher von Toepfer-International einem der drei groszligen Agrarhandelsunternehmen der Welt ihre Differenzen und Gemeinsamkeiten aus

1945 gruumlndeten die Vereinten Nationen mit einem flammenden Appell die FAO Die Menschheit sollte endlich von der Geisel des Hungers befreit werden Heute 65 Jahre spaumlter kuumlndigt sich eine dramatische Verschaumlrfung der weltweiten Ernaumlhrungssituation an Die Weltbevoumllkerung waumlchst die landwirtschaftlichen Ertraumlge sinken wegen des Klimawandels der Fleischkonsum steigt

laquo Weiter wie bisher ist keine Option raquo ndash das ist die eindeutige Botschaft des Weltagrarberichts und des UN-Klimarats Aber wie weiter An der Suche nach Antworten und Strategien zur Hungershybekaumlmpfung sind wir auch mit dieser Ausgabe von BoumlllThema beteiligt ---Barbara Unmuumlszligig Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung

2 INHALT

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

5 Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung Von Christine Chemnitz

7 laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo Ein Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller und Barbara Unmuumlszligig

10 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (1) mdash Warum haumllt der Weltagrarbericht

das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren

fuumlr so groszlig

Von Rajeswari Sarala Raina

12 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (2) mdash Wie muss aus Sicht des

Weltagrarberichts (IAASTD) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo

aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die

Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst

Von Benny Haumlrlin

14 Die Vielfalt bringtrsquos mdash Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt

und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und

naumlchste Schritte

Von Manfred Niekisch

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

16 Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne mdash Das Menschenrecht auf

Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

Von Elisabeth Caesens

18 Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung mdash Von der Gruumlndung

der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

Von Andrea Liese

19 Die Falschen werden subventioniert mdash Die europaumlische

Landwirtschaftsreform von 2003 ihre Erfolge und Schwaumlchen

und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

Von Baumlrbel Houmlhn

20 Das alte Denken mdash Wie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen

Bundestag diskutiert wird

Von Thilo Hoppe

21 Warum einfach wenn es auch kompliziert geht mdash

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel

macht keinen Sinn

Von Tilman Santarius

CHRISTINE CHEMNITZ SEITE 5

Referentin fuumlr Internationale Landwirtshyschaft der Heinrich-Boumlll-Stiftung

ALEXANDER MUumlLLER amp BARBARA UNMUumlSSIG

SEITE 7

Muumlller Seit 2006 stellv Generaldirekshytor der Ernaumlhrungs- und Landwirtshyschaftsorganisation der UNO (FAO) in Rom Unmuumlszligig Im Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Juumlngste Veroumlffentlichung laquoGeld fuumlr den Klimashyschutz ndash wie muss eine neue Klima-Fishynanzarchitektur aussehenraquo wwwboelldeoekologieklimaklimashyenergie-8098html 2009

RAJESWARI SARALA RAINA amp BENNY HAumlRLIN

SEITE 1012

Raina Wissenschaftlerin am National Institute of Science Technology and Deshyvelopment Studies (NISTADS) in Neu-Delhi spezialisiert auf landwirtschaftlishyche Innovationen Juumlngste Veroumlfshyfentlichung laquoA Messy Confrontation in the Politics of Agricultural Scienceraquo in EPW Vol 45(3) 2010 Haumlrlin Leishyter des Berliner Buumlros der Zukunftsstifshytung Landwirtschaft mit Schwerpunkt auf der Zuumlchtung neuer Sorten fuumlr den biologischen Landbau Juumlngste Veroumlffentlichung laquoWege aus der Hunshygerkrise ndash die Erkenntnisse des Weltagshyrarberichts und seine Vorschlaumlge fuumlr eine Landwirtschaft von morgenraquo (2009)

MANFRED NIEKISCH SEITE 14

Seit 2008 Direktor des Frankfurter Zoos seit 1980 im internationalen Nashyturschutz taumltig (WWF OroVerde) Mitshyglied des Sachverstaumlndigenrats fuumlr Umshyweltfragen (SRU) der Bundesregierung

ELISABETH CAESENS SEITE 16

Menschenrechtsanwaumlltin aus Belgien und Fellow an der Columbia Law School Human Rights Clinic Projektshymanagerin am Carter Center der Demoshykratischen Republik Kongo

ANDREA LIESE SEITE 18

Professorin fuumlr internationale Organisashytionen und Politikfelder an der Wirtshyschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultaumlt der Universitaumlt Potsdam

Veroumlffentlichungen laquo Die Nahshyrungsmittelkrise Chance oder Krise der Welternaumlhrungsorganisation raquo in Vershyeinte Nationen 57 Jg Heft 2

BAumlRBEL HOumlHN SEITE 19

Seit Mai 2006 stellv Fraktionsvorsitzenshyde der Gruumlnen zustaumlndig fuumlr die Bereishyche Umwelt Energie Landwirtschaft Tierschutz Bauen Verkehr 2000 ndash 2005 Ministerin fuumlr Umwelt und Naturschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

THILO HOPPE SEITE 20

Seit 2002 MdB fuumlr Buumlndnis 90Die Gruumlshynen stellv Vorsitzender des Ausschusshyses fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Sprecher fuumlr Welternaumlhrung der gruumlnen Fraktion

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TILMAN SANTARIUS SEITE 21

Referent fuumlr internationale Klima- und Energiepolitik der Heinrich-Boumlll-Stiftung

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3 INHALT

KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

22 Der oumlkologische Fuszligabdruck der Tomate Von Christine Chemnitz

( Food ) miles and more mdash Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

Von Jenny Teufel

24 Der oumlkologische Fuszligabdruck von Rindfl eisch Von Ute Straub

laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo mdash Uumlber

tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr

eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

Von Anita Idel

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

26 Macht zu viel Handel Hunger mdash Ein Streitgespraumlch uumlber die

Rolle des Agrarhandels

Mit Klaus-Dieter Schumacher (Toepfer International)

und Marita Wiggerthale (Oxfam)

30 Konsumverhalten ist klimawirksam mdash Was tragen wir durch

unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

Von Michael Krawinkel und Ursula Chavez-Zander

31 Schlechtes Wetter mdash Absicherung gegen wetter- und

klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

Von Leif-Erec Heimfarth und Oliver Muszlighoff

32 Wer soll das bezahlen mdash Oumlkologische Investitionen in die

kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

Von Theo Rauch

34 Afrikas Potenziale mdash Der Kontinent koumlnnte sich selbst

ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

Von Stefan Schmitz

35 Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung Von Ute Straub

CHRISTINE CHEMNITZ amp JENNY TEUFEL

SEITE 22

Teufel Seit 2001 am Oumlko-Institut mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion Fokus auf der Erfassung des CO2- Fuszligabdrucks von Produkten und Dienstleistungen

UTE STRAUB amp ANITA IDEL

SEITE 24

Idel Tieraumlrztin und Projektmanagerin in den Bereichen Oumlkologisierung der Landwirtschaft Agrobiodiversitaumlt sowie Tiergesundheit Von 2005 bis 2008 schrieb sie als Lead-Autorin im IAASTD (Weltagrarbericht)

KLAUS-DIETER SCHUMACHER amp MARITA WIGGERTAHLE

SEITE 26

Schumacher Seit 1985 Leiter der volksshywirtschaftlichen Abteilung beim Agrarshyhandelsunternehmen Toepfer-Internatishyonal Wiggerthale Agrar- und Hanshydelsexpertin bei Oxfam-Deutschland Publikationen laquo Macht Handel Hunshyger raquo In Politik und Zeitgeschichte Febshyruar 2010 laquo Zur Kasse bitte Die neue Konsumfreudigkeit und boomende Maumlrkte in Indien raquo 2009 laquo Endstation Ladentheke Einzelhandel ndash Macht ndash Einkauf raquo 2008

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER

SEITE 30

Krawinkel Kinderarzt Seit 1999 Proshyfessor fuumlr Ernaumlhrung des Menschen mit Schwerpunkt Entwicklungslaumlndern an der Universitaumlt Gieszligen Fokus Mikroshynaumlhrstoffmangel ernaumlhrungsabhaumlngige Krankheiten Ernaumlhrungsmedizin

Chavez-Zander Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Gieszligener Institut fuumlr Ernaumlhrungswissenschaften 200607 Feldforschung in den Aymara-Regionen von Suumld-Peru zu Agrobio diversitaumlt und Ernaumlhrungsstatus

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF

SEITE 31

Heimfarth Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department fuumlr Agrarshyoumlkonomie und Rurale Entwicklung der Universitaumlt Goumlttingen mit Schwerpunkt Entwicklung und Weiterentwicklung fi shynanzmarktorientierter Risikomanageshymentprodukte fuumlr den Einsatz in der LandwirtschaftFokus auf China Muszlighoff Seit 2008 Leiter des Arbeitsshybereichs Landwirtschaftliche Betriebs-lehre an der Universitaumlt Goumlttingen Foshykus auf Farm Management Juumlngste Veroumlffentlichung laquoModernes Agrarmashynagementraquo 2010

THEO RAUCH SEITE 32

Honorarprofessor am Zentrum fuumlr Entshywicklungslaumlnder-Forschung am geograshyphischen Institut der FU Berlin und am Seminar fuumlr Laumlndliche Entwicklung der HU Berlin Juumlngste Veroumlffentlishychung laquoEntwicklungspolitik ndash Theorishyen Strategien Instrumenteraquo 2009

STEFAN SCHMITZ SEITE 34

Leiter des Referats laquoLaumlndliche Entwickshylung und Welternaumlhrungraquo im Bundesmishynisterium fuumlr wirtschaftliche Zusamshymenarbeit und Entwicklung

Juumlngste Veroumlffentlichung laquoManashyging for Results Eine umfassende Denkshyweiseraquo in E+Z Entwicklung und Zushysammenarbeit 51 (2010) Nr 2

UTE STRAUB SEITE 35

Referentin fuumlr Internationalen Agrarshyhandel der Heinrich-Boumlll-Stiftung

4 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE WELTKARTE DER UNTERERNAumlHRUNG (2005 ndash 2007)

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BEVOumlLKERUNGSWACHSTUM (2008)

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VERAumlNDERUNG DER LANDWIRTSCHAF TLICHEN PRODUK TIVITAumlT BIS 2080

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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Emissionen aus der Landwirtschaft (2000)

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Brandrodung

von Waumlldern

und in der Landshy

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mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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Duumlngemittelverbrauch in der Welt

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

ernsmittel

Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

ngig davon oder Ausshy

ahlen sind

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CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

Milch

95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

---

Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

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E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 2: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

INFORMATIONEN DER HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

DER BESONDERE TIPP

Green New Deal ndash das DossierGreen New Deal ndash das Dossier

Der Green New Deal wird weltweit als Antwort auf

die Doppelkrise von Wirtschaft und Umwelt diskushy

tiert Was verbirgt sich dahinter Erstens geht es

um einen groszligen Sprung in Richtung einer nachhalshy

tigen Oumlkonomie Zweitens um mehr Chancengleichshy

heit und soziale Teilhabe vor allem durch massive

Investitionen in Bildung und berufliche Qualifizieshy

rung Und schlieszliglich geht es darum den globalen

Kapitalismus in ein globales Regelwerk einzubetten

und den Ruumlckfall in Protektionismus und Nationashy

lismus zu verhindern

Manifest Interviews Videos Debatten auf

wwwboellde greennewdeal

Green New Deal ndash die KonferenzGreen New Deal ndash die Konferenz

Die Groszlige Transformation ndash Greening the Economy 28ndash29 Mai 2010 (FrSa)

Beletage der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Mit John Podesta John Doerr Jerome Ringo

Cem Oumlzdemir Renate Kuumlnast Juumlrgen Trittin Matshy

thias Machnig Michael Sommer Jerome Guillen

Teresa Ribera Rodriguez uvam

Veranstaltet von der Heinrich-Boumlll-Stiftung in

Kooperation mit IDEAS Policy Network Progresshy

sio Foundation Center for American Progress Stifshy

tung Mercator und Taumlllberg Foundation

Programm und Infos unter

wwwboellde greennewdeal

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Green New Deal ndash die TourGreen New Deal ndash die Tour

Am 27 April 2010 startet

die Heinrich-Boumlll-Stiftung

in Koumlln ihre Green New

Deal-Debatten Bis zum

November werden vier

Schluumlsselthemen des Green New Deals

ndash Transformation von Wirtschaft und Industrie

ndash Wohlstand Wachstum und Gemeinguumlter

ndash Soziale Balance Aufstieg

ndash Urbane Revolution ndash die nachhaltige Zukunft der

Region

in verschiedenen Orten der Republik aufgerufen

Von Kiel bis nach Muumlnchen von Koumlln bis Berlin

geht die Tour die die Bundesstiftung mit ihren 16

Landesstiftungen veranstaltet

wwwboellde greennewdeal

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Deutsch-Israelische LiteraturtageDeutsch-Israelische Literaturtage

Heimat im Heute 27ndash30 Mai (DoSo) an verschiedenen Orten in

Berlin und auf der Beletage

Das Goethe-Institut und die Heinrich-Boumlll-Stifshy

tung laden ndash bereits zum dritten Malndash deutsche und

israelische Autorinnen und Autoren der juumlngeren

Generation nach Berlin ein Das diesjaumlhrige Motto

ist laquoHeimat im Heuteraquo Die israelischen Gaumlste sind

in ihrer Heimat viel gelesen und diskutiert bei uns

gilt es sie erst zu entdecken Mit Anat Einhar Jenshy

ny Erpenbeck Detlef Kuhlbrodt Fania Oz-Salzbershy

ger Ayman Sikseck Sibylle Lewitscharoff Tilman

Spengler Shimon Adaf und Nir Baram

wwwboellde literaturtage

Campus-TourCampus-Tour

Wie wollen wir die Hochschulshy

landschaft der Zukunft gestalshy

ten Von Rostock bis Freiburg

organisieren wir Wissenschaftsshy

salons Diskussionen Ausstelshy

lungen und Workshops Eingeshy

laden sind Studierende und Lehrende die Hochshy

schulen nicht als reine Ausbildungsbetriebe

betrachten sondern auch als Arenen der politischen

Debatte Die Campustour laquoWissen was wirktraquo ist

ein Gemeinschaftsprojekt der Heinrich-Boumlll-Stifshy

tung und ihrer Landesstiftungen Unterstuumltzt wird

die Tour von zahlreichen Hochschulgruppen Studieshy

renden Kuumlnstlerinnen Wissenschaftlerinnen und

politischen Gaumlsten aus dem In- und Ausland

wwwboellde campustour

Fuszligball WM 2010Fuszligball WM 2010

WM 2010 ndash Afrika am Ball Suumldafrika richtet die

erste Fuszligball-WM auf dem afrikanischen Kontinent

aus Das offizielle WM-Motto laquoKe Nako (Es ist

Zeit) Afrikas Menschlichkeit zu feiernraquo nimmt die

Heinrich-Boumlll-Stiftung zum Anlass genauer auf den

Gastgeber und ganz Afrika zu schauen

Daten Fakten und Hintergruumlnde zur WM gibt

es auf wwwboellde wm2010 und in der WM-Speshy

zialausgabe laquoPerspectives ndash Analysen und Kommenshy

tare aus dem suumldlichen Afrikaraquo sowie bei unseren

Veranstaltungen in Berlin Hamburg Leipzig und

Mainz

Neu das Blogportal wwwboellblogorg

Das Blog Klima-der-gerechtigkeitde ist drei Jahre

alt geworden Mit taumlglich rund 1800 Leserinnen

und Leser hat es sich mittlerweile einen Namen geshy

macht Fuumlr Infos sorgen weiterhin Tilman Santarius

und Lili Fuhr in Berlin und ndash neu im festen Bloggershy

team ndash Arne Jungjohann aus Washington

Relativ neu ist das Blog Triple Crisis Global Pershy

spectives on Finance Development and Environshy

ment ndash ein Projekt des Global Development and Enshy

vironment Institute (GDAE) der Economic Reshy

search Foundation und der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Die Stiftung in Sozialen NetzwerkenDie Stiftung in Sozialen Netzwerken

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist in verschiedenen Soshy

zialen Netzwerken aktiv

Werden Sie Freund oder Freundin der Stiftung

auf Facebook unter wwwboellde facebook sehen

Sie Filme und Videos bei YouTube (wwwboell

de youtube) Bilder bei Flickr (wwwflickr

com photos boellstiftung) oder verfolgen Sie die

aktuellen Nachrichten der Stiftung uumlber den Kurzshy

nachrichtendienst Twitter unter wwwtwittercom

boell_stiftung Wie immer bieten diese Netzwerke

einen Ruumlckkanal uumlber den Sie mit uns in Kontakt

treten koumlnnen

ImpressumImpressum

Herausgeberin Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schumannstraszlige 8 10117 Berlin

T 030 ndash 2 85 34 ndash 0

F 030 ndash 2 85 34 ndash 109

E themaboellde

W wwwboellde thema

Redaktion Elisabeth Kiderlen

Redaktionsassistenz Susanne Dittrich

Mitarbeit Barbara Unmuumlszligig

Christine Chemnitz

Ute Straub

Annette Maennel (ViSdP)

Gestaltung blotto design Berlin wwwblottodesignde

Illustrationen Adrian Johnson wwwadrianjohnsoncouk

Druck agit-Druck Berlin

Papier Inhalt Envirotop 100gm2 matt hochweiszlig

Recyclingpapier aus 100 Altpapier

Umschlag Recysatin 200gm2

Bezugsbedingungen zu bestellen bei oben genannter Adresse

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EDITORIAL

LANDWIRTSCHAFT

UND KLIMAWANDEL

Die Landwirtschaft ist eine groszlige Verursacherin des Klimawandels Gleichzeitig reagiert sie in den meisten Regionen der Welt sehr verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Daruumlber hinaus muumlssen immer mehr Menschen ernaumlhrt werden Besonders gravierend sind die klimatischen

Auswirkungen im globalen Suumlden Diese treffen insbesondere die Menschen die schon heute unter schwierigsten Bedingungen leben Kleinbauern Hirten und Landarbeiter Das sind drei Viertel der Hungernden und Armen in den Entwicklungslaumlndern

Vor diesem Hintergrund setzten Weltbank und UNO 2003 einen Forschungsprozess uumlber die Zukunft der Landwirtschaft und Ernaumlhshyrungssicherheit in Gang an dessen Ende der Weltagrarbericht stand Auf diesen Bericht und seine Empfehlungen beziehen sich viele Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe von BoumlllThema

58 Laumlnder haben den Bericht beim Abschlussplenum in Johanshynesburg sofort unterzeichnet drei Laumlnder weigerten sich die USA Kanada und Australien Und Deutschland Die Bundesregierung hat sich weder positiv noch kritisch geaumluszligert und den Bericht bis heute nicht unterschrieben ndash ob das an seiner positiven Betonung der Rolle der Kleinbauern liegt oder seiner Vorsicht gegenuumlber Spitzenshytechnologie und Gentechnik In der offiziellen deutschen Politik ist der Weltagrarbericht sang- und klanglos untergegangen doch die Fragen die er stellt sind weiterhin ungeloumlst

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen die die groszligen Herausshyforderungen des Klimawandels und der Ernaumlhrungssicherung bei einer rapide steigenden Weltbevoumllkerung und sich veraumlndernden Konsumgewohnheiten meistert

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen bei der die Bekaumlmpfung von Hunger und Armut Artenerhalt und die Anpassung an den Klimawandel in Einklang gebracht werden

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen die das Menschenrecht auf Nahrung ernst nimmt

Fuumlr die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist Gerechtigkeit eine Schluumlsselkashytegorie ihrer nationalen und internationalen Arbeit Dabei geht es nicht nur um Gerechtigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsshylaumlndern Es geht uns auch darum den besonders verletzlichen Gruppen innerhalb einer Gesellschaft eine Stimme zu verleihen ndash in ihren jeweiligen Gesellschaften auf internationalen Foren in internationalen Institutionen Das gilt auch fuumlr die nationalen

Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an den Klimawandel Sie muumlssen Hand in Hand gehen mit Hunger- und Armutsbekaumlmpfung und sich nicht einseitig groszligtechnischen Loumlsungen verpflichten Partizipation ist dafuumlr ein Schluumlsselwort

Wir beginnen das Heft mit einem Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller dem stellvertretenden Generaldirektor der UN-Organisation fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft (FAO) Wie viel Produktionssteishygerung in der Landwirtschaft brauchen wir Wo soll diese stattfin-den Wie soll sie mit der Hungerbekaumlmpfung verknuumlpft werden

Benny Haumlrlin von der laquo Zukunftsstiftung Landwirtschaft raquo und Rajeswari Raina vom indischen laquo Nationalinstitut fuumlr Wissenschaft Technik und Entwicklung raquo sprechen sich hier fuumlr eine konsequente Staumlrkung und Entwicklung der kleinraumlumigen Landwirtschaft aus Professor Manfred Niekisch Direktor des Frankfurter Zoos untershystuumltzt diese Position mit dem Verweis auf die benoumltigte Vielfalt von Flora und Fauna und die notwendige genetische Variationsbreite um die Ernaumlhrungssicherheit unter sich klimatisch wandelnden Bedingungen global sicherzustellen

Wo sollen in Zeiten des Klimawandels die Schwerpunkte von Agrarhandel und landwirtschaftlicher Entwicklung liegen Im Streitgespraumlch loten Marita Wiggerthale die Agrarreferentin von Oxfam Deutschland und Klaus-Dieter Schumacher von Toepfer-International einem der drei groszligen Agrarhandelsunternehmen der Welt ihre Differenzen und Gemeinsamkeiten aus

1945 gruumlndeten die Vereinten Nationen mit einem flammenden Appell die FAO Die Menschheit sollte endlich von der Geisel des Hungers befreit werden Heute 65 Jahre spaumlter kuumlndigt sich eine dramatische Verschaumlrfung der weltweiten Ernaumlhrungssituation an Die Weltbevoumllkerung waumlchst die landwirtschaftlichen Ertraumlge sinken wegen des Klimawandels der Fleischkonsum steigt

laquo Weiter wie bisher ist keine Option raquo ndash das ist die eindeutige Botschaft des Weltagrarberichts und des UN-Klimarats Aber wie weiter An der Suche nach Antworten und Strategien zur Hungershybekaumlmpfung sind wir auch mit dieser Ausgabe von BoumlllThema beteiligt ---Barbara Unmuumlszligig Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung

2 INHALT

210

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

5 Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung Von Christine Chemnitz

7 laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo Ein Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller und Barbara Unmuumlszligig

10 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (1) mdash Warum haumllt der Weltagrarbericht

das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren

fuumlr so groszlig

Von Rajeswari Sarala Raina

12 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (2) mdash Wie muss aus Sicht des

Weltagrarberichts (IAASTD) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo

aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die

Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst

Von Benny Haumlrlin

14 Die Vielfalt bringtrsquos mdash Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt

und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und

naumlchste Schritte

Von Manfred Niekisch

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

16 Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne mdash Das Menschenrecht auf

Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

Von Elisabeth Caesens

18 Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung mdash Von der Gruumlndung

der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

Von Andrea Liese

19 Die Falschen werden subventioniert mdash Die europaumlische

Landwirtschaftsreform von 2003 ihre Erfolge und Schwaumlchen

und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

Von Baumlrbel Houmlhn

20 Das alte Denken mdash Wie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen

Bundestag diskutiert wird

Von Thilo Hoppe

21 Warum einfach wenn es auch kompliziert geht mdash

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel

macht keinen Sinn

Von Tilman Santarius

CHRISTINE CHEMNITZ SEITE 5

Referentin fuumlr Internationale Landwirtshyschaft der Heinrich-Boumlll-Stiftung

ALEXANDER MUumlLLER amp BARBARA UNMUumlSSIG

SEITE 7

Muumlller Seit 2006 stellv Generaldirekshytor der Ernaumlhrungs- und Landwirtshyschaftsorganisation der UNO (FAO) in Rom Unmuumlszligig Im Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Juumlngste Veroumlffentlichung laquoGeld fuumlr den Klimashyschutz ndash wie muss eine neue Klima-Fishynanzarchitektur aussehenraquo wwwboelldeoekologieklimaklimashyenergie-8098html 2009

RAJESWARI SARALA RAINA amp BENNY HAumlRLIN

SEITE 1012

Raina Wissenschaftlerin am National Institute of Science Technology and Deshyvelopment Studies (NISTADS) in Neu-Delhi spezialisiert auf landwirtschaftlishyche Innovationen Juumlngste Veroumlfshyfentlichung laquoA Messy Confrontation in the Politics of Agricultural Scienceraquo in EPW Vol 45(3) 2010 Haumlrlin Leishyter des Berliner Buumlros der Zukunftsstifshytung Landwirtschaft mit Schwerpunkt auf der Zuumlchtung neuer Sorten fuumlr den biologischen Landbau Juumlngste Veroumlffentlichung laquoWege aus der Hunshygerkrise ndash die Erkenntnisse des Weltagshyrarberichts und seine Vorschlaumlge fuumlr eine Landwirtschaft von morgenraquo (2009)

MANFRED NIEKISCH SEITE 14

Seit 2008 Direktor des Frankfurter Zoos seit 1980 im internationalen Nashyturschutz taumltig (WWF OroVerde) Mitshyglied des Sachverstaumlndigenrats fuumlr Umshyweltfragen (SRU) der Bundesregierung

ELISABETH CAESENS SEITE 16

Menschenrechtsanwaumlltin aus Belgien und Fellow an der Columbia Law School Human Rights Clinic Projektshymanagerin am Carter Center der Demoshykratischen Republik Kongo

ANDREA LIESE SEITE 18

Professorin fuumlr internationale Organisashytionen und Politikfelder an der Wirtshyschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultaumlt der Universitaumlt Potsdam

Veroumlffentlichungen laquo Die Nahshyrungsmittelkrise Chance oder Krise der Welternaumlhrungsorganisation raquo in Vershyeinte Nationen 57 Jg Heft 2

BAumlRBEL HOumlHN SEITE 19

Seit Mai 2006 stellv Fraktionsvorsitzenshyde der Gruumlnen zustaumlndig fuumlr die Bereishyche Umwelt Energie Landwirtschaft Tierschutz Bauen Verkehr 2000 ndash 2005 Ministerin fuumlr Umwelt und Naturschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

THILO HOPPE SEITE 20

Seit 2002 MdB fuumlr Buumlndnis 90Die Gruumlshynen stellv Vorsitzender des Ausschusshyses fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Sprecher fuumlr Welternaumlhrung der gruumlnen Fraktion

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TILMAN SANTARIUS SEITE 21

Referent fuumlr internationale Klima- und Energiepolitik der Heinrich-Boumlll-Stiftung

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3 INHALT

KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

22 Der oumlkologische Fuszligabdruck der Tomate Von Christine Chemnitz

( Food ) miles and more mdash Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

Von Jenny Teufel

24 Der oumlkologische Fuszligabdruck von Rindfl eisch Von Ute Straub

laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo mdash Uumlber

tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr

eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

Von Anita Idel

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

26 Macht zu viel Handel Hunger mdash Ein Streitgespraumlch uumlber die

Rolle des Agrarhandels

Mit Klaus-Dieter Schumacher (Toepfer International)

und Marita Wiggerthale (Oxfam)

30 Konsumverhalten ist klimawirksam mdash Was tragen wir durch

unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

Von Michael Krawinkel und Ursula Chavez-Zander

31 Schlechtes Wetter mdash Absicherung gegen wetter- und

klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

Von Leif-Erec Heimfarth und Oliver Muszlighoff

32 Wer soll das bezahlen mdash Oumlkologische Investitionen in die

kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

Von Theo Rauch

34 Afrikas Potenziale mdash Der Kontinent koumlnnte sich selbst

ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

Von Stefan Schmitz

35 Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung Von Ute Straub

CHRISTINE CHEMNITZ amp JENNY TEUFEL

SEITE 22

Teufel Seit 2001 am Oumlko-Institut mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion Fokus auf der Erfassung des CO2- Fuszligabdrucks von Produkten und Dienstleistungen

UTE STRAUB amp ANITA IDEL

SEITE 24

Idel Tieraumlrztin und Projektmanagerin in den Bereichen Oumlkologisierung der Landwirtschaft Agrobiodiversitaumlt sowie Tiergesundheit Von 2005 bis 2008 schrieb sie als Lead-Autorin im IAASTD (Weltagrarbericht)

KLAUS-DIETER SCHUMACHER amp MARITA WIGGERTAHLE

SEITE 26

Schumacher Seit 1985 Leiter der volksshywirtschaftlichen Abteilung beim Agrarshyhandelsunternehmen Toepfer-Internatishyonal Wiggerthale Agrar- und Hanshydelsexpertin bei Oxfam-Deutschland Publikationen laquo Macht Handel Hunshyger raquo In Politik und Zeitgeschichte Febshyruar 2010 laquo Zur Kasse bitte Die neue Konsumfreudigkeit und boomende Maumlrkte in Indien raquo 2009 laquo Endstation Ladentheke Einzelhandel ndash Macht ndash Einkauf raquo 2008

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER

SEITE 30

Krawinkel Kinderarzt Seit 1999 Proshyfessor fuumlr Ernaumlhrung des Menschen mit Schwerpunkt Entwicklungslaumlndern an der Universitaumlt Gieszligen Fokus Mikroshynaumlhrstoffmangel ernaumlhrungsabhaumlngige Krankheiten Ernaumlhrungsmedizin

Chavez-Zander Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Gieszligener Institut fuumlr Ernaumlhrungswissenschaften 200607 Feldforschung in den Aymara-Regionen von Suumld-Peru zu Agrobio diversitaumlt und Ernaumlhrungsstatus

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF

SEITE 31

Heimfarth Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department fuumlr Agrarshyoumlkonomie und Rurale Entwicklung der Universitaumlt Goumlttingen mit Schwerpunkt Entwicklung und Weiterentwicklung fi shynanzmarktorientierter Risikomanageshymentprodukte fuumlr den Einsatz in der LandwirtschaftFokus auf China Muszlighoff Seit 2008 Leiter des Arbeitsshybereichs Landwirtschaftliche Betriebs-lehre an der Universitaumlt Goumlttingen Foshykus auf Farm Management Juumlngste Veroumlffentlichung laquoModernes Agrarmashynagementraquo 2010

THEO RAUCH SEITE 32

Honorarprofessor am Zentrum fuumlr Entshywicklungslaumlnder-Forschung am geograshyphischen Institut der FU Berlin und am Seminar fuumlr Laumlndliche Entwicklung der HU Berlin Juumlngste Veroumlffentlishychung laquoEntwicklungspolitik ndash Theorishyen Strategien Instrumenteraquo 2009

STEFAN SCHMITZ SEITE 34

Leiter des Referats laquoLaumlndliche Entwickshylung und Welternaumlhrungraquo im Bundesmishynisterium fuumlr wirtschaftliche Zusamshymenarbeit und Entwicklung

Juumlngste Veroumlffentlichung laquoManashyging for Results Eine umfassende Denkshyweiseraquo in E+Z Entwicklung und Zushysammenarbeit 51 (2010) Nr 2

UTE STRAUB SEITE 35

Referentin fuumlr Internationalen Agrarshyhandel der Heinrich-Boumlll-Stiftung

4 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE WELTKARTE DER UNTERERNAumlHRUNG (2005 ndash 2007)

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BEVOumlLKERUNGSWACHSTUM (2008)

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VERAumlNDERUNG DER LANDWIRTSCHAF TLICHEN PRODUK TIVITAumlT BIS 2080

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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Emissionen aus der Landwirtschaft (2000)

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von Waumlldern

und in der Landshy

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Duumlngemittel

(N2O)

mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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Duumlngemittelverbrauch in der Welt

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

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In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

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95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

---

Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

10

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

---

Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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          • Green New Deal ndash die Tour
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          • Die Stiftung in Sozialen Netzwerken
            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 3: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

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EDITORIAL

LANDWIRTSCHAFT

UND KLIMAWANDEL

Die Landwirtschaft ist eine groszlige Verursacherin des Klimawandels Gleichzeitig reagiert sie in den meisten Regionen der Welt sehr verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Daruumlber hinaus muumlssen immer mehr Menschen ernaumlhrt werden Besonders gravierend sind die klimatischen

Auswirkungen im globalen Suumlden Diese treffen insbesondere die Menschen die schon heute unter schwierigsten Bedingungen leben Kleinbauern Hirten und Landarbeiter Das sind drei Viertel der Hungernden und Armen in den Entwicklungslaumlndern

Vor diesem Hintergrund setzten Weltbank und UNO 2003 einen Forschungsprozess uumlber die Zukunft der Landwirtschaft und Ernaumlhshyrungssicherheit in Gang an dessen Ende der Weltagrarbericht stand Auf diesen Bericht und seine Empfehlungen beziehen sich viele Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe von BoumlllThema

58 Laumlnder haben den Bericht beim Abschlussplenum in Johanshynesburg sofort unterzeichnet drei Laumlnder weigerten sich die USA Kanada und Australien Und Deutschland Die Bundesregierung hat sich weder positiv noch kritisch geaumluszligert und den Bericht bis heute nicht unterschrieben ndash ob das an seiner positiven Betonung der Rolle der Kleinbauern liegt oder seiner Vorsicht gegenuumlber Spitzenshytechnologie und Gentechnik In der offiziellen deutschen Politik ist der Weltagrarbericht sang- und klanglos untergegangen doch die Fragen die er stellt sind weiterhin ungeloumlst

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen die die groszligen Herausshyforderungen des Klimawandels und der Ernaumlhrungssicherung bei einer rapide steigenden Weltbevoumllkerung und sich veraumlndernden Konsumgewohnheiten meistert

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen bei der die Bekaumlmpfung von Hunger und Armut Artenerhalt und die Anpassung an den Klimawandel in Einklang gebracht werden

Wie kann eine Landwirtschaft aussehen die das Menschenrecht auf Nahrung ernst nimmt

Fuumlr die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist Gerechtigkeit eine Schluumlsselkashytegorie ihrer nationalen und internationalen Arbeit Dabei geht es nicht nur um Gerechtigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsshylaumlndern Es geht uns auch darum den besonders verletzlichen Gruppen innerhalb einer Gesellschaft eine Stimme zu verleihen ndash in ihren jeweiligen Gesellschaften auf internationalen Foren in internationalen Institutionen Das gilt auch fuumlr die nationalen

Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an den Klimawandel Sie muumlssen Hand in Hand gehen mit Hunger- und Armutsbekaumlmpfung und sich nicht einseitig groszligtechnischen Loumlsungen verpflichten Partizipation ist dafuumlr ein Schluumlsselwort

Wir beginnen das Heft mit einem Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller dem stellvertretenden Generaldirektor der UN-Organisation fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft (FAO) Wie viel Produktionssteishygerung in der Landwirtschaft brauchen wir Wo soll diese stattfin-den Wie soll sie mit der Hungerbekaumlmpfung verknuumlpft werden

Benny Haumlrlin von der laquo Zukunftsstiftung Landwirtschaft raquo und Rajeswari Raina vom indischen laquo Nationalinstitut fuumlr Wissenschaft Technik und Entwicklung raquo sprechen sich hier fuumlr eine konsequente Staumlrkung und Entwicklung der kleinraumlumigen Landwirtschaft aus Professor Manfred Niekisch Direktor des Frankfurter Zoos untershystuumltzt diese Position mit dem Verweis auf die benoumltigte Vielfalt von Flora und Fauna und die notwendige genetische Variationsbreite um die Ernaumlhrungssicherheit unter sich klimatisch wandelnden Bedingungen global sicherzustellen

Wo sollen in Zeiten des Klimawandels die Schwerpunkte von Agrarhandel und landwirtschaftlicher Entwicklung liegen Im Streitgespraumlch loten Marita Wiggerthale die Agrarreferentin von Oxfam Deutschland und Klaus-Dieter Schumacher von Toepfer-International einem der drei groszligen Agrarhandelsunternehmen der Welt ihre Differenzen und Gemeinsamkeiten aus

1945 gruumlndeten die Vereinten Nationen mit einem flammenden Appell die FAO Die Menschheit sollte endlich von der Geisel des Hungers befreit werden Heute 65 Jahre spaumlter kuumlndigt sich eine dramatische Verschaumlrfung der weltweiten Ernaumlhrungssituation an Die Weltbevoumllkerung waumlchst die landwirtschaftlichen Ertraumlge sinken wegen des Klimawandels der Fleischkonsum steigt

laquo Weiter wie bisher ist keine Option raquo ndash das ist die eindeutige Botschaft des Weltagrarberichts und des UN-Klimarats Aber wie weiter An der Suche nach Antworten und Strategien zur Hungershybekaumlmpfung sind wir auch mit dieser Ausgabe von BoumlllThema beteiligt ---Barbara Unmuumlszligig Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung

2 INHALT

210

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

5 Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung Von Christine Chemnitz

7 laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo Ein Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller und Barbara Unmuumlszligig

10 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (1) mdash Warum haumllt der Weltagrarbericht

das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren

fuumlr so groszlig

Von Rajeswari Sarala Raina

12 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (2) mdash Wie muss aus Sicht des

Weltagrarberichts (IAASTD) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo

aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die

Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst

Von Benny Haumlrlin

14 Die Vielfalt bringtrsquos mdash Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt

und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und

naumlchste Schritte

Von Manfred Niekisch

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

16 Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne mdash Das Menschenrecht auf

Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

Von Elisabeth Caesens

18 Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung mdash Von der Gruumlndung

der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

Von Andrea Liese

19 Die Falschen werden subventioniert mdash Die europaumlische

Landwirtschaftsreform von 2003 ihre Erfolge und Schwaumlchen

und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

Von Baumlrbel Houmlhn

20 Das alte Denken mdash Wie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen

Bundestag diskutiert wird

Von Thilo Hoppe

21 Warum einfach wenn es auch kompliziert geht mdash

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel

macht keinen Sinn

Von Tilman Santarius

CHRISTINE CHEMNITZ SEITE 5

Referentin fuumlr Internationale Landwirtshyschaft der Heinrich-Boumlll-Stiftung

ALEXANDER MUumlLLER amp BARBARA UNMUumlSSIG

SEITE 7

Muumlller Seit 2006 stellv Generaldirekshytor der Ernaumlhrungs- und Landwirtshyschaftsorganisation der UNO (FAO) in Rom Unmuumlszligig Im Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Juumlngste Veroumlffentlichung laquoGeld fuumlr den Klimashyschutz ndash wie muss eine neue Klima-Fishynanzarchitektur aussehenraquo wwwboelldeoekologieklimaklimashyenergie-8098html 2009

RAJESWARI SARALA RAINA amp BENNY HAumlRLIN

SEITE 1012

Raina Wissenschaftlerin am National Institute of Science Technology and Deshyvelopment Studies (NISTADS) in Neu-Delhi spezialisiert auf landwirtschaftlishyche Innovationen Juumlngste Veroumlfshyfentlichung laquoA Messy Confrontation in the Politics of Agricultural Scienceraquo in EPW Vol 45(3) 2010 Haumlrlin Leishyter des Berliner Buumlros der Zukunftsstifshytung Landwirtschaft mit Schwerpunkt auf der Zuumlchtung neuer Sorten fuumlr den biologischen Landbau Juumlngste Veroumlffentlichung laquoWege aus der Hunshygerkrise ndash die Erkenntnisse des Weltagshyrarberichts und seine Vorschlaumlge fuumlr eine Landwirtschaft von morgenraquo (2009)

MANFRED NIEKISCH SEITE 14

Seit 2008 Direktor des Frankfurter Zoos seit 1980 im internationalen Nashyturschutz taumltig (WWF OroVerde) Mitshyglied des Sachverstaumlndigenrats fuumlr Umshyweltfragen (SRU) der Bundesregierung

ELISABETH CAESENS SEITE 16

Menschenrechtsanwaumlltin aus Belgien und Fellow an der Columbia Law School Human Rights Clinic Projektshymanagerin am Carter Center der Demoshykratischen Republik Kongo

ANDREA LIESE SEITE 18

Professorin fuumlr internationale Organisashytionen und Politikfelder an der Wirtshyschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultaumlt der Universitaumlt Potsdam

Veroumlffentlichungen laquo Die Nahshyrungsmittelkrise Chance oder Krise der Welternaumlhrungsorganisation raquo in Vershyeinte Nationen 57 Jg Heft 2

BAumlRBEL HOumlHN SEITE 19

Seit Mai 2006 stellv Fraktionsvorsitzenshyde der Gruumlnen zustaumlndig fuumlr die Bereishyche Umwelt Energie Landwirtschaft Tierschutz Bauen Verkehr 2000 ndash 2005 Ministerin fuumlr Umwelt und Naturschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

THILO HOPPE SEITE 20

Seit 2002 MdB fuumlr Buumlndnis 90Die Gruumlshynen stellv Vorsitzender des Ausschusshyses fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Sprecher fuumlr Welternaumlhrung der gruumlnen Fraktion

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TILMAN SANTARIUS SEITE 21

Referent fuumlr internationale Klima- und Energiepolitik der Heinrich-Boumlll-Stiftung

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3 INHALT

KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

22 Der oumlkologische Fuszligabdruck der Tomate Von Christine Chemnitz

( Food ) miles and more mdash Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

Von Jenny Teufel

24 Der oumlkologische Fuszligabdruck von Rindfl eisch Von Ute Straub

laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo mdash Uumlber

tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr

eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

Von Anita Idel

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

26 Macht zu viel Handel Hunger mdash Ein Streitgespraumlch uumlber die

Rolle des Agrarhandels

Mit Klaus-Dieter Schumacher (Toepfer International)

und Marita Wiggerthale (Oxfam)

30 Konsumverhalten ist klimawirksam mdash Was tragen wir durch

unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

Von Michael Krawinkel und Ursula Chavez-Zander

31 Schlechtes Wetter mdash Absicherung gegen wetter- und

klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

Von Leif-Erec Heimfarth und Oliver Muszlighoff

32 Wer soll das bezahlen mdash Oumlkologische Investitionen in die

kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

Von Theo Rauch

34 Afrikas Potenziale mdash Der Kontinent koumlnnte sich selbst

ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

Von Stefan Schmitz

35 Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung Von Ute Straub

CHRISTINE CHEMNITZ amp JENNY TEUFEL

SEITE 22

Teufel Seit 2001 am Oumlko-Institut mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion Fokus auf der Erfassung des CO2- Fuszligabdrucks von Produkten und Dienstleistungen

UTE STRAUB amp ANITA IDEL

SEITE 24

Idel Tieraumlrztin und Projektmanagerin in den Bereichen Oumlkologisierung der Landwirtschaft Agrobiodiversitaumlt sowie Tiergesundheit Von 2005 bis 2008 schrieb sie als Lead-Autorin im IAASTD (Weltagrarbericht)

KLAUS-DIETER SCHUMACHER amp MARITA WIGGERTAHLE

SEITE 26

Schumacher Seit 1985 Leiter der volksshywirtschaftlichen Abteilung beim Agrarshyhandelsunternehmen Toepfer-Internatishyonal Wiggerthale Agrar- und Hanshydelsexpertin bei Oxfam-Deutschland Publikationen laquo Macht Handel Hunshyger raquo In Politik und Zeitgeschichte Febshyruar 2010 laquo Zur Kasse bitte Die neue Konsumfreudigkeit und boomende Maumlrkte in Indien raquo 2009 laquo Endstation Ladentheke Einzelhandel ndash Macht ndash Einkauf raquo 2008

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER

SEITE 30

Krawinkel Kinderarzt Seit 1999 Proshyfessor fuumlr Ernaumlhrung des Menschen mit Schwerpunkt Entwicklungslaumlndern an der Universitaumlt Gieszligen Fokus Mikroshynaumlhrstoffmangel ernaumlhrungsabhaumlngige Krankheiten Ernaumlhrungsmedizin

Chavez-Zander Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Gieszligener Institut fuumlr Ernaumlhrungswissenschaften 200607 Feldforschung in den Aymara-Regionen von Suumld-Peru zu Agrobio diversitaumlt und Ernaumlhrungsstatus

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF

SEITE 31

Heimfarth Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department fuumlr Agrarshyoumlkonomie und Rurale Entwicklung der Universitaumlt Goumlttingen mit Schwerpunkt Entwicklung und Weiterentwicklung fi shynanzmarktorientierter Risikomanageshymentprodukte fuumlr den Einsatz in der LandwirtschaftFokus auf China Muszlighoff Seit 2008 Leiter des Arbeitsshybereichs Landwirtschaftliche Betriebs-lehre an der Universitaumlt Goumlttingen Foshykus auf Farm Management Juumlngste Veroumlffentlichung laquoModernes Agrarmashynagementraquo 2010

THEO RAUCH SEITE 32

Honorarprofessor am Zentrum fuumlr Entshywicklungslaumlnder-Forschung am geograshyphischen Institut der FU Berlin und am Seminar fuumlr Laumlndliche Entwicklung der HU Berlin Juumlngste Veroumlffentlishychung laquoEntwicklungspolitik ndash Theorishyen Strategien Instrumenteraquo 2009

STEFAN SCHMITZ SEITE 34

Leiter des Referats laquoLaumlndliche Entwickshylung und Welternaumlhrungraquo im Bundesmishynisterium fuumlr wirtschaftliche Zusamshymenarbeit und Entwicklung

Juumlngste Veroumlffentlichung laquoManashyging for Results Eine umfassende Denkshyweiseraquo in E+Z Entwicklung und Zushysammenarbeit 51 (2010) Nr 2

UTE STRAUB SEITE 35

Referentin fuumlr Internationalen Agrarshyhandel der Heinrich-Boumlll-Stiftung

4 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE WELTKARTE DER UNTERERNAumlHRUNG (2005 ndash 2007)

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BEVOumlLKERUNGSWACHSTUM (2008)

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VERAumlNDERUNG DER LANDWIRTSCHAF TLICHEN PRODUK TIVITAumlT BIS 2080

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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Emissionen aus der Landwirtschaft (2000)

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Brandrodung

von Waumlldern

und in der Landshy

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Duumlngemittel

(N2O)

mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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Duumlngemittelverbrauch in der Welt

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

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Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

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CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

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95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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                                                                      3. InfoStart19_show
Page 4: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

2 INHALT

210

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

5 Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung Von Christine Chemnitz

7 laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo Ein Streitgespraumlch mit Alexander Muumlller und Barbara Unmuumlszligig

10 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (1) mdash Warum haumllt der Weltagrarbericht

das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren

fuumlr so groszlig

Von Rajeswari Sarala Raina

12 Wir brauchen mehr Nahrungsmittel fuumlr die wachsende Weltbevoumllkerung (2) mdash Wie muss aus Sicht des

Weltagrarberichts (IAASTD) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo

aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die

Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst

Von Benny Haumlrlin

14 Die Vielfalt bringtrsquos mdash Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt

und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und

naumlchste Schritte

Von Manfred Niekisch

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

16 Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne mdash Das Menschenrecht auf

Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

Von Elisabeth Caesens

18 Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung mdash Von der Gruumlndung

der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

Von Andrea Liese

19 Die Falschen werden subventioniert mdash Die europaumlische

Landwirtschaftsreform von 2003 ihre Erfolge und Schwaumlchen

und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

Von Baumlrbel Houmlhn

20 Das alte Denken mdash Wie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen

Bundestag diskutiert wird

Von Thilo Hoppe

21 Warum einfach wenn es auch kompliziert geht mdash

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel

macht keinen Sinn

Von Tilman Santarius

CHRISTINE CHEMNITZ SEITE 5

Referentin fuumlr Internationale Landwirtshyschaft der Heinrich-Boumlll-Stiftung

ALEXANDER MUumlLLER amp BARBARA UNMUumlSSIG

SEITE 7

Muumlller Seit 2006 stellv Generaldirekshytor der Ernaumlhrungs- und Landwirtshyschaftsorganisation der UNO (FAO) in Rom Unmuumlszligig Im Vorstand der Heinrich-Boumlll-Stiftung Juumlngste Veroumlffentlichung laquoGeld fuumlr den Klimashyschutz ndash wie muss eine neue Klima-Fishynanzarchitektur aussehenraquo wwwboelldeoekologieklimaklimashyenergie-8098html 2009

RAJESWARI SARALA RAINA amp BENNY HAumlRLIN

SEITE 1012

Raina Wissenschaftlerin am National Institute of Science Technology and Deshyvelopment Studies (NISTADS) in Neu-Delhi spezialisiert auf landwirtschaftlishyche Innovationen Juumlngste Veroumlfshyfentlichung laquoA Messy Confrontation in the Politics of Agricultural Scienceraquo in EPW Vol 45(3) 2010 Haumlrlin Leishyter des Berliner Buumlros der Zukunftsstifshytung Landwirtschaft mit Schwerpunkt auf der Zuumlchtung neuer Sorten fuumlr den biologischen Landbau Juumlngste Veroumlffentlichung laquoWege aus der Hunshygerkrise ndash die Erkenntnisse des Weltagshyrarberichts und seine Vorschlaumlge fuumlr eine Landwirtschaft von morgenraquo (2009)

MANFRED NIEKISCH SEITE 14

Seit 2008 Direktor des Frankfurter Zoos seit 1980 im internationalen Nashyturschutz taumltig (WWF OroVerde) Mitshyglied des Sachverstaumlndigenrats fuumlr Umshyweltfragen (SRU) der Bundesregierung

ELISABETH CAESENS SEITE 16

Menschenrechtsanwaumlltin aus Belgien und Fellow an der Columbia Law School Human Rights Clinic Projektshymanagerin am Carter Center der Demoshykratischen Republik Kongo

ANDREA LIESE SEITE 18

Professorin fuumlr internationale Organisashytionen und Politikfelder an der Wirtshyschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultaumlt der Universitaumlt Potsdam

Veroumlffentlichungen laquo Die Nahshyrungsmittelkrise Chance oder Krise der Welternaumlhrungsorganisation raquo in Vershyeinte Nationen 57 Jg Heft 2

BAumlRBEL HOumlHN SEITE 19

Seit Mai 2006 stellv Fraktionsvorsitzenshyde der Gruumlnen zustaumlndig fuumlr die Bereishyche Umwelt Energie Landwirtschaft Tierschutz Bauen Verkehr 2000 ndash 2005 Ministerin fuumlr Umwelt und Naturschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

THILO HOPPE SEITE 20

Seit 2002 MdB fuumlr Buumlndnis 90Die Gruumlshynen stellv Vorsitzender des Ausschusshyses fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Sprecher fuumlr Welternaumlhrung der gruumlnen Fraktion

ut

TILMAN SANTARIUS SEITE 21

Referent fuumlr internationale Klima- und Energiepolitik der Heinrich-Boumlll-Stiftung

A

3 INHALT

KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

22 Der oumlkologische Fuszligabdruck der Tomate Von Christine Chemnitz

( Food ) miles and more mdash Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

Von Jenny Teufel

24 Der oumlkologische Fuszligabdruck von Rindfl eisch Von Ute Straub

laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo mdash Uumlber

tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr

eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

Von Anita Idel

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

26 Macht zu viel Handel Hunger mdash Ein Streitgespraumlch uumlber die

Rolle des Agrarhandels

Mit Klaus-Dieter Schumacher (Toepfer International)

und Marita Wiggerthale (Oxfam)

30 Konsumverhalten ist klimawirksam mdash Was tragen wir durch

unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

Von Michael Krawinkel und Ursula Chavez-Zander

31 Schlechtes Wetter mdash Absicherung gegen wetter- und

klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

Von Leif-Erec Heimfarth und Oliver Muszlighoff

32 Wer soll das bezahlen mdash Oumlkologische Investitionen in die

kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

Von Theo Rauch

34 Afrikas Potenziale mdash Der Kontinent koumlnnte sich selbst

ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

Von Stefan Schmitz

35 Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung Von Ute Straub

CHRISTINE CHEMNITZ amp JENNY TEUFEL

SEITE 22

Teufel Seit 2001 am Oumlko-Institut mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion Fokus auf der Erfassung des CO2- Fuszligabdrucks von Produkten und Dienstleistungen

UTE STRAUB amp ANITA IDEL

SEITE 24

Idel Tieraumlrztin und Projektmanagerin in den Bereichen Oumlkologisierung der Landwirtschaft Agrobiodiversitaumlt sowie Tiergesundheit Von 2005 bis 2008 schrieb sie als Lead-Autorin im IAASTD (Weltagrarbericht)

KLAUS-DIETER SCHUMACHER amp MARITA WIGGERTAHLE

SEITE 26

Schumacher Seit 1985 Leiter der volksshywirtschaftlichen Abteilung beim Agrarshyhandelsunternehmen Toepfer-Internatishyonal Wiggerthale Agrar- und Hanshydelsexpertin bei Oxfam-Deutschland Publikationen laquo Macht Handel Hunshyger raquo In Politik und Zeitgeschichte Febshyruar 2010 laquo Zur Kasse bitte Die neue Konsumfreudigkeit und boomende Maumlrkte in Indien raquo 2009 laquo Endstation Ladentheke Einzelhandel ndash Macht ndash Einkauf raquo 2008

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER

SEITE 30

Krawinkel Kinderarzt Seit 1999 Proshyfessor fuumlr Ernaumlhrung des Menschen mit Schwerpunkt Entwicklungslaumlndern an der Universitaumlt Gieszligen Fokus Mikroshynaumlhrstoffmangel ernaumlhrungsabhaumlngige Krankheiten Ernaumlhrungsmedizin

Chavez-Zander Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Gieszligener Institut fuumlr Ernaumlhrungswissenschaften 200607 Feldforschung in den Aymara-Regionen von Suumld-Peru zu Agrobio diversitaumlt und Ernaumlhrungsstatus

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF

SEITE 31

Heimfarth Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department fuumlr Agrarshyoumlkonomie und Rurale Entwicklung der Universitaumlt Goumlttingen mit Schwerpunkt Entwicklung und Weiterentwicklung fi shynanzmarktorientierter Risikomanageshymentprodukte fuumlr den Einsatz in der LandwirtschaftFokus auf China Muszlighoff Seit 2008 Leiter des Arbeitsshybereichs Landwirtschaftliche Betriebs-lehre an der Universitaumlt Goumlttingen Foshykus auf Farm Management Juumlngste Veroumlffentlichung laquoModernes Agrarmashynagementraquo 2010

THEO RAUCH SEITE 32

Honorarprofessor am Zentrum fuumlr Entshywicklungslaumlnder-Forschung am geograshyphischen Institut der FU Berlin und am Seminar fuumlr Laumlndliche Entwicklung der HU Berlin Juumlngste Veroumlffentlishychung laquoEntwicklungspolitik ndash Theorishyen Strategien Instrumenteraquo 2009

STEFAN SCHMITZ SEITE 34

Leiter des Referats laquoLaumlndliche Entwickshylung und Welternaumlhrungraquo im Bundesmishynisterium fuumlr wirtschaftliche Zusamshymenarbeit und Entwicklung

Juumlngste Veroumlffentlichung laquoManashyging for Results Eine umfassende Denkshyweiseraquo in E+Z Entwicklung und Zushysammenarbeit 51 (2010) Nr 2

UTE STRAUB SEITE 35

Referentin fuumlr Internationalen Agrarshyhandel der Heinrich-Boumlll-Stiftung

4 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE WELTKARTE DER UNTERERNAumlHRUNG (2005 ndash 2007)

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BEVOumlLKERUNGSWACHSTUM (2008)

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VERAumlNDERUNG DER LANDWIRTSCHAF TLICHEN PRODUK TIVITAumlT BIS 2080

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55

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

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In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

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9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
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Page 5: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

3 INHALT

KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

22 Der oumlkologische Fuszligabdruck der Tomate Von Christine Chemnitz

( Food ) miles and more mdash Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

Von Jenny Teufel

24 Der oumlkologische Fuszligabdruck von Rindfl eisch Von Ute Straub

laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo mdash Uumlber

tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr

eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

Von Anita Idel

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

26 Macht zu viel Handel Hunger mdash Ein Streitgespraumlch uumlber die

Rolle des Agrarhandels

Mit Klaus-Dieter Schumacher (Toepfer International)

und Marita Wiggerthale (Oxfam)

30 Konsumverhalten ist klimawirksam mdash Was tragen wir durch

unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

Von Michael Krawinkel und Ursula Chavez-Zander

31 Schlechtes Wetter mdash Absicherung gegen wetter- und

klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

Von Leif-Erec Heimfarth und Oliver Muszlighoff

32 Wer soll das bezahlen mdash Oumlkologische Investitionen in die

kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

Von Theo Rauch

34 Afrikas Potenziale mdash Der Kontinent koumlnnte sich selbst

ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

Von Stefan Schmitz

35 Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung Von Ute Straub

CHRISTINE CHEMNITZ amp JENNY TEUFEL

SEITE 22

Teufel Seit 2001 am Oumlko-Institut mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion Fokus auf der Erfassung des CO2- Fuszligabdrucks von Produkten und Dienstleistungen

UTE STRAUB amp ANITA IDEL

SEITE 24

Idel Tieraumlrztin und Projektmanagerin in den Bereichen Oumlkologisierung der Landwirtschaft Agrobiodiversitaumlt sowie Tiergesundheit Von 2005 bis 2008 schrieb sie als Lead-Autorin im IAASTD (Weltagrarbericht)

KLAUS-DIETER SCHUMACHER amp MARITA WIGGERTAHLE

SEITE 26

Schumacher Seit 1985 Leiter der volksshywirtschaftlichen Abteilung beim Agrarshyhandelsunternehmen Toepfer-Internatishyonal Wiggerthale Agrar- und Hanshydelsexpertin bei Oxfam-Deutschland Publikationen laquo Macht Handel Hunshyger raquo In Politik und Zeitgeschichte Febshyruar 2010 laquo Zur Kasse bitte Die neue Konsumfreudigkeit und boomende Maumlrkte in Indien raquo 2009 laquo Endstation Ladentheke Einzelhandel ndash Macht ndash Einkauf raquo 2008

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER

SEITE 30

Krawinkel Kinderarzt Seit 1999 Proshyfessor fuumlr Ernaumlhrung des Menschen mit Schwerpunkt Entwicklungslaumlndern an der Universitaumlt Gieszligen Fokus Mikroshynaumlhrstoffmangel ernaumlhrungsabhaumlngige Krankheiten Ernaumlhrungsmedizin

Chavez-Zander Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Gieszligener Institut fuumlr Ernaumlhrungswissenschaften 200607 Feldforschung in den Aymara-Regionen von Suumld-Peru zu Agrobio diversitaumlt und Ernaumlhrungsstatus

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF

SEITE 31

Heimfarth Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department fuumlr Agrarshyoumlkonomie und Rurale Entwicklung der Universitaumlt Goumlttingen mit Schwerpunkt Entwicklung und Weiterentwicklung fi shynanzmarktorientierter Risikomanageshymentprodukte fuumlr den Einsatz in der LandwirtschaftFokus auf China Muszlighoff Seit 2008 Leiter des Arbeitsshybereichs Landwirtschaftliche Betriebs-lehre an der Universitaumlt Goumlttingen Foshykus auf Farm Management Juumlngste Veroumlffentlichung laquoModernes Agrarmashynagementraquo 2010

THEO RAUCH SEITE 32

Honorarprofessor am Zentrum fuumlr Entshywicklungslaumlnder-Forschung am geograshyphischen Institut der FU Berlin und am Seminar fuumlr Laumlndliche Entwicklung der HU Berlin Juumlngste Veroumlffentlishychung laquoEntwicklungspolitik ndash Theorishyen Strategien Instrumenteraquo 2009

STEFAN SCHMITZ SEITE 34

Leiter des Referats laquoLaumlndliche Entwickshylung und Welternaumlhrungraquo im Bundesmishynisterium fuumlr wirtschaftliche Zusamshymenarbeit und Entwicklung

Juumlngste Veroumlffentlichung laquoManashyging for Results Eine umfassende Denkshyweiseraquo in E+Z Entwicklung und Zushysammenarbeit 51 (2010) Nr 2

UTE STRAUB SEITE 35

Referentin fuumlr Internationalen Agrarshyhandel der Heinrich-Boumlll-Stiftung

4 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE WELTKARTE DER UNTERERNAumlHRUNG (2005 ndash 2007)

gt 35

20 ndash 34

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BEVOumlLKERUNGSWACHSTUM (2008)

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VERAumlNDERUNG DER LANDWIRTSCHAF TLICHEN PRODUK TIVITAumlT BIS 2080

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55

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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Emissionen aus der Landwirtschaft (2000)

Vieh (CH4)

Guumlllemanagement

(CH4 N2O)

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Brandrodung

von Waumlldern

und in der Landshy

wirtschaft (CO2)

Reis (CH4)

Duumlngemittel

(N2O)

mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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Duumlngemittelverbrauch in der Welt

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

ernsmittel

Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

ngig davon oder Ausshy

ahlen sind

t

CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

Milch

95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

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E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

w

z

d

S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

A

lex M

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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4 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE WELTKARTE DER UNTERERNAumlHRUNG (2005 ndash 2007)

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VERAumlNDERUNG DER LANDWIRTSCHAF TLICHEN PRODUK TIVITAumlT BIS 2080

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

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Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

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In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

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9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

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Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

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Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

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Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

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Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

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Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

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Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

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EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

PDF4web

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 7: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

55

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

KLIMAWANDEL LANDWIRTSCHAF TUND ERNAumlHRUNG

CHRISTINE CHEMNITZ HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Klimawandel wird durch die steigende Konzentration von Treibshyhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) Lachgas (N2O) und Methan (CH4) in der Atmosphaumlre verursacht Der Agrarsektor erzeugt weltweit etwa 14 Prozent dieser klimaschaumldlichen Gase1 Zaumlhlt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsaumlnderungen wie Entwaldung hinzu sind es sogar 32 Prozent

Die direkten Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors treten vor allem in Form von Methan und Lachgas auf ndash wobei die Emissishyon von einer Tonne Methan der von 21 Tonnen CO2 entspricht Eine Tonne Lachgas hat sogar die klimaschaumldliche Wirkung von 320 Tonnen CO2

Die bedeutendsten Emissionsquellen klimarelevanter Gase aus der Landwirtschaft stammen aus dem Einsatz mineralischer Duumlngeshymittel aus der Tierhaltung und der Reisproduktion So entsteht Methan sowohl bei der Verdauung von Wiederkaumluern als auch durch Gaumlrungsprozesse auf uumlberfluteten Reisfeldern waumlhrend die unsachshygemaumlszlige Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsduumlnger und Dung bedeutende Faktoren fuumlr die Lachgasemissionen der Landwirtshyschaft sind

Zwischen 1990 und 2005 sind die Lachgas- und Methanemissioshynen der Landwirtschaft um 17 Prozent gestiegen und bis 2030 werden sie aufgrund einer vermehrten Nachfrage nach Agrarguumltern voraussichtlich um weitere 35 ndash 60 Prozent zunehmen 2

Die Zahlen verdeutlichen dass der Agrarsektor in seiner heutigen Produktionsform massiv zum Klimawandel beitraumlgt Gleichzeitig wird immer deutlicher wie schwerwiegend die Folgen eben dieser Entwicklung fuumlr die landwirtschaftliche Produktion in der Zukunft sein werden Diese reagiert aufgrund der starken Witterungsabhaumlnshygigkeit extrem verletzlich auf klimatische Veraumlnderungen Steigende Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanshyzen und die Leistungsfaumlhigkeit von Nutztieren Aber nicht nur das aufgrund der veraumlnderten Bedingungen wird es auch einen veraumlnshyderten Krankheits- und Schaumldlingsdruck fuumlr Pflanzen und Tiere geben Hinzu kommt dass sich durch den Klimawandel in vielen Teilen der Welt die Niederschlagsmuster veraumlndern Die jaumlhrliche Wasserverfuumlgbarkeit wird voraussichtlich abnehmen waumlhrend extreme Trockenperioden vor allem in Afrika suumldlich der Sahara in Asien und Australien zunehmen 3

Die Prognosen des 2010 von der Weltbank veroumlffentlichten Weltentwicklungsberichts zeigen dass die landwirtschaftlichen Ertraumlge sich in wenigen noumlrdlichen Laumlndern der Welt verbessern werden In den meisten Laumlndern aber genauso wie im weltweiten Durchschnitt werden die landwirtschaftlichen Ertraumlge deutlich zuruumlckgehen (s Karte) Der geschaumltzte Produktivitaumltsruumlckgang bis 2080 liegt weltweit bei bis zu 16 Prozent ndash betrachtet man ausshyschlieszliglich die Entwicklungslaumlnder liegt er sogar bei bis zu 21 Prozent 4

Nach Berechnungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI) ist die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Asien und Afrika besonders negativ von den Folgen des Klimawanshydels betroffen Fuumlr die afrikanische Landwirtschaft wird prognostishyziert dass die durchschnittliche Reisproduktion um 14 Prozent die Weizenproduktion um 22 Prozent und die Maisproduktion um fuumlnf Prozent zuruumlckgehen wird Fuumlr Asien zeigen die Berechnungen dass gemessen am Basisjahr 2000 die durchschnittlichen Ertraumlge fuumlr Weizen um 50 Prozent Reis um 17 Prozent und Mais bis zu sechs Prozent zuruumlckgehen werden

Die Ertraumlge der Landwirtschaft werden also besonders in den Regionen sinken in denen es ein starkes Bevoumllkerungswachstum gibt die Landwirtschaft wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt beitraumlgt groszlige Teile der Bevoumllkerung in der Landwirtschaft beschaumlfshytigt sind die Kaufkraft sehr gering ist und schon heute viele Menshyschen akut unterernaumlhrt sind Das Zusammenspiel dieser Faktoren fuumlhrt dazu dass sich die Ernaumlhrungssituation sowohl in Afrika als auch in Asien dramatisch verschlechtern wird

Die Zahl der Hungernden wurde im letzten Jahr von der Landshywirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf etwa 102 Milliarden Menschen geschaumltzt Etwa die identische Zahl von Menschen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag

Fast 75 Prozent der Hungernden leben auf dem Land etwa die Haumllfte davon in kleinbaumluerlichen Familien5 Weitere 22 Prozent sind Landarbeiter acht Prozent Nomaden Mehr als 60 Prozent der chronisch hungernden Menschen sind Frauen

Es sind genau diese Menschen auf die sich die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft uumlberproportional stark auswirshyken Die Gruumlnde dafuumlr sind vielfaumlltig Kleinbaumluerliche Produzenten

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

Quel

len

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EP

A

20

06

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) IF

A

Emissionen aus der Landwirtschaft (2000)

Vieh (CH4)

Guumlllemanagement

(CH4 N2O)

7

32

37

11

13

Brandrodung

von Waumlldern

und in der Landshy

wirtschaft (CO2)

Reis (CH4)

Duumlngemittel

(N2O)

mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

S

tick

stoff

(M

illionen v

on T

onnen)

Duumlngemittelverbrauch in der Welt

90

80

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60

50

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20

10

0

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93

19

99

20

06

1

2

3

4

5

67

1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

ernsmittel

Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

ngig davon oder Ausshy

ahlen sind

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CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

Milch

95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

---

Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

10

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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Page 8: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

6 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

wirtschaften auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels in prekaumlren Strukturen Sie reagieren aufgrund ihrer relativ geringen Kapitalausstattung und ihres schlechten Zugangs zu Informations-und Wissenssystemen besonders verletzlich auf externe Schocks Hinzu kommt dass traditionelles Wissen aufgrund der sich wanshydelnden Produktionsbedingungen immer mehr an Bedeutung verliert

Kleinbaumluerliche Produzenten sind als Netto-Nahrungsmittelkonshysumenten besonders hart von steigenden Preisen fuumlr Lebensmittel betroffen Auch ohne Klimawandel werden die Preise fuumlr die wichtigsten Grundnahrungsmittel aufgrund von Bevoumllkerungsshywachstum wachsenden Einkommen und einer groumlszligeren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen fuumlr die Energieproduktion voraussichtshylich steigen IFPRI schaumltzte 2009 das von 2000 bis 2050 der Preis von Reis um 62 Prozent Mais um 63 Prozent und Weizen um 39 Prozent klettern wird Berechnet man die Folgen des Klimawandels

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Brandrodung

von Waumlldern

und in der Landshy

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Reis (CH4)

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(N2O)

mit ein so kommt es zu einer zusaumltzlichen Steigerung von 35 ndash 37 Prozent fuumlr Reis 52 ndash 55 Prozent fuumlr Mais und 94 ndash111 Prozent fuumlr Weizen Diese Zahlen verdeutlichen wie dramatisch sich die Ernaumlhrungssituation fuumlr einkommensschwache Menschen die oft mehr als 80 Prozent ihres Einkommens fuumlr Nahrungsmittel ausgeshyben verschlechtern wird

Aber wie koumlnnten neue Wege und nachhaltige Loumlsungen in der Landwirtschaft aussehen Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft als eine Hauptverursacherin des Klimawandels selbst leisten

Zentraler Bestandteil der Anpassungsstrategien welche die groszligen Forschungs- und Geberinstitutionen vorlegen ist die landshywirtschaftliche Produktivitaumlts- und Effi zienzsteigerung Unterlegt mit dem Grundgedanken eines weitreichenden Technologietransfers ist diese Forderung alles andere als neu Im Gegenteil sie erinnert an die Ansaumltze der Gruumlnen Revolution der spaumlten 50er-Jahre Wie damals liegt der Schwerpunkt auf Technologietransfer und Produkshytionssteigerung Darauf konzentriert sich die Agrarforschung allerdings schon seit Jahrzehnten ndash ohne signifikante Fortschritte bei

der Bekaumlmpfung von Hunger und Armut und vor allem ohne jeglichen Beitrag zu einer oumlkologisch nachhaltigen Landwirtschaft

Aber es gibt auch Stimmen die einen grundlegenden Perspektiv- und Strategiewechsel in der Landwirtschaft fordern So brachte der 2008 veroumlffentlichte Bericht des IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) in einem vierjaumlhrigen internationalen Dialogprozess mehr als 400 Wissenshyschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Vertreter und Vertreterinshynen von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen um gemeinsam neue Konzepte fuumlr eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln Er vereinigt Stimmen verschiedener kultureller und professioneller Hintergruumlnde und es ist beeindruckend wie anders die Konzepte einer zukunftsfaumlhigen Landwirtschaft aussehen wenn diese vielfaumllshytigen Erfahrungen ernst genommen werden

Der IAASTD fordert traditionelles Wissen und oumlkologische und soziale Fragen staumlrker in die Agrarforschung einzubeziehen und er

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Duumlngemittelverbrauch in der Welt

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1 Welt 2 Ostasien 3 Suumldasien 4 Nordamerika 5 Osteuropa Zentralasien 6 Zentraleuropa 7 Westeuropa

entwirft ein Konzept fuumlr eine oumlkologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft Die Foumlrderung kleinbaumluerlicher Produzenten lokal angepasste integrierte Produktionsweisen angepasste Forschung und Technologien vielfaumlltige Sortenwahl und gute Beratungssysteshyme sind einige der wichtigsten Komponenten Der IAASTD zeichnet ein multifunktionelles Bild einer Landwirtschaft die nicht nur in ihrer Rolle als Lebensmittelproduzentin ernst genommen wird sondern auch als Lebensgrundlage fuumlr die laumlndliche Bevoumllkerung und fuumlr den Erhalt von Oumlkosystemen und Ressourcen gewertet wird

Dieses umfassende Verstaumlndnis der Landwirtschaft fordert den Mut und den politischen Willen sich von alten Konzepten und Strukturen loszusagen und einen agrarpolitischen Wandel einzuleishyten Ernaumlhrungssicherheit Armutsbekaumlmpfung und Klimaschutz muumlssen intelligent miteinander verknuumlpft werden ndash nur daraus entwickelt sich eine nachhaltige Agrarpolitik mit Zukunft ---1 Stern 2007 2 Greenpeace 3 4 WDR 2010 5 UNEP 2005

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

ernsmittel

Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

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CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

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95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

10

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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Das Notizwerkzeug ist am gebraumluchlichsten Geoumlffnet besteht es aus einem Fenster in das Text geschrieben oder uumlber die Zwischenabla‐ge einkopiert werden kann Solche Notizfens‐ter gehoumlren auch zu fast allen anderen Kom‐mentar‐Werkzeugen hinzu

PDF‐Kommentare koumlnnen mit dem Button bdquoKommentar sendenldquo vom Dokument ge‐trennt per E‐Mail verschickt und vom Emp‐faumlnger in die eigene Fassung der Datei impor‐tiert werden

Wenn Sie einen solchen Kommentar beant‐worten wollen benutzen Sie die Antwortfunk‐tion Mit der rechten Maustaste auf den Kommentar klicken Antworten waumlhlen

Nebenstehend ein Ausschnitt des Werkzeug‐Fenster mit dem man im Menuuml gtWerkzeuge gtWerkzeugleiste anpassen die Kommentarty‐pen fuumlr den eigenen Bedarf auswaumlhlt Die Ha‐ken zeigen eine Werkzeug ‐ Auswahl

Das Hervorhebe‐Werkzeug eignet sich wie auf dem Papier fuumlr das Hervorheben kur‐zer Textstellen

Mit dem Rechteck‐Werkzeug kann man groumlszligere Abschnitte zum Austausch mar‐kieren Bei Acrobat (nicht im Reader) kann man in den Grundeinstellungen festlegen (Strg+K K) dass umrandete oder markierte Texte in das zugehoumlrige Kommentarfeld ko‐piert werden Mit Acrobat kann man so Text‐auszuumlge herstellen (Im Kommentare‐Fenster bei gt Optionen mit der Funktion Kommentare zusammenfassen)

Datei als Kommentar anhaumlngen ermoumlglicht das Einfuumlgen einer extra Datei zBeines gescannten Zeitungsausschnittes zum Thema

Mit dem Stempelwerkzeug und der Auswahl Bild aus der Zwischenablage als Stempel ein‐fuumlgen koumlnnen Bildinhalte eingefuumlgt und an‐schlieszligend mit einem zugehoumlrigen Kommen‐tar versehen werden

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Hervorheben
wie auf dem Papier
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Das ist eine Notiz mit dem Notiz-Werkzeug Mit Strg+B kann fett eingeschaltet werden mit Strg+I wird kursiv ein- und ausgeschaltet 1313Um die Antwort zu sehen muss man auf den Kommentar klicken oder ins Kommentare-Fenster gehen
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Notiz
Acrobat Reader weist in der Installationseinstellung jedem Kommentartyp eine andere Farbe zu 13In den Kommentar-Eigenschaften (Rechte Maus-Taste) kann die Farbe ausgewaumlhlt und in einer Checkbox diese Eigenschaft als Standard festgelegt werden 1313Bei Teams sollten sich die Mitglieder auf eine Farben fuumlr jedes Mitglied einigen1313Falls als Namen im Kopf der Notiz nur ein Rechner-Name eingetragen wird kann in den gtGrundeinstellungen gt Identitaumlt der eigene Namen eingetragen werden (Strg+K I)13
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betroffene
Erna Musterantworterin
Notiz
Wenn Sie einen solchen Kommentar beantworten wollen13benutzen Sie bitte die Antwortfunktion Mit der13rechten Maustaste auf den Kommentar klicken Antworten13waumlhlen13Auch diese Antwort kann beantwortet werden13
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Rechteck
Dieser mit dem Rechteck Werkzeug umrandete Text wurde von Acrobat automatisch in das Kommentarfeld kopiert1313Mit dem Rechteck‐Werkzeug kann man groumlszligere Abschnitte zum Austausch mar‐kieren Bei Acrobat (nicht im Reader) kann man in den Grundeinstellungenfestlegen (Strg+K K) dass umrandete oder markierte Texte in das zugehoumlrige Kommentarfeld ko‐piert werden Mit Acrobat kann man so Text‐auszuumlge herstellen (Im Kommentare‐Fenster bei gt Optionen mit der Funktion Kommentare
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Notiz
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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 9: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

laquoODER BLEIBEN DIE ARMEN

WIEDER AUF DER STRECKEraquo

Die Nahrungsmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden so die FAO Doch wem wird das zugutekommen Und wie soll produziert werden

EIN STREITGESPRAumlCH ZWISCHEN

ALEXANDER MUumlLLER FAO (UN-ORGANISATION FUumlR

LANDWIRTSCHAFT UND ERNAumlHRUNG)

BARBARA UNMUumlSSIG HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

BARBARA UNMUumlSSIG Die Heinrich-Boumlll-Stiftung wird den Zusammenhang von Klimawandel und Landwirtschaft in den naumlchsten Jahren noch weiter ins Zentrum ihrer Arbeit holen Das Thema Ernaumlhrungsshysicherung und Klimawandel ist in vielen Laumlndern in denen wir arbeiten bedeutsam In unserem Gespraumlch hier wollen wir uns auf die Rolle der FAO und insbesondere auf deren Forderung dass weltweit die Nahshyrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden muumlsse konzentrieren ALEXANDER MUumlLLER Wobei das nur ein Teil unserer Strategie ist Die Produktion ist das eine doch die Verteilung und der Zugang zu Lebensmitteln sind wie die soziale Gerechtigkeit mindestens genauso wichtig Warum Heute produzieren wir

noch genug Nahrung trotzdem ist die Zahl der Hungernden gestiegen Also kann der Hunger nicht an der bloszligen Menge der Nahrungsmittel liegen UNMUumlSSIG Bitte skizzieren Sie kurz das Strategiepapier der FAO laquoHow to feed the people till the year 2050raquo Was sind die Annahmen um die es da geht Warum 70 Prozent Steigerung bis 2050 MUumlLLER Die Landwirtschaft weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen durch Bevoumllkerungswachstum Urbanisieshyrung Klimawandel und die sich veraumlndernshyden Konsumgewohnheiten Um die Menschshyheit zu ernaumlhren ndash die Weltbevoumllkerung wird von heute 65 Milliarden Menschen auf uumlber 92 Milliarden bis 2050 wachsen - muss die Produktion um 70 Prozent steigen Das

Bevoumllkerungswachstum wird fast ausshyschlieszliglich in den Entwicklungslaumlndern stattfinden und die zusaumltzlichen rund 25 Milliarden Menschen werden in staumldtischen Ballungszentren leben Darauf muss sich die Landwirtschaft einstellen Deshalb die Forderung Mehr Produktion aber unter den Bedingungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Entwicklung UNMUumlSSIG Unbestritten ist dass wir einen Zuwachs brauchen Auffallend ist jedoch dass sich dieses Strategiepapier fast ausshyschlieszliglich auf die Produktion und damit auf die Angebotsseite konzentriert also Wie werden 70 Prozent mehr Nahrung verfuumlgbar gemacht Und nicht Wie wird Nahrung fuumlr alle zugaumlnglich gemacht Fuumlr wen soll Nahrung zur Verfuumlgung stehen

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

ernsmittel

Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

ngig davon oder Ausshy

ahlen sind

t

CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

Milch

95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

---

Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

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E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

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Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

w

z

d

S

d

1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

A

lex M

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ean

2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

---

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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Page 10: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

8 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

Wie soll produziert werden Diese Fragen kommen kaum zur Sprache Ist das nicht eine Steilvorlage fuumlr alle die auf Spitzenshytechnologien setzen und Gentechnik befuumlrworten Es wird so getan als seien die Konsumgewohnheiten unabaumlnderlich Warum gibt es im Papier keine politischen Empfehlungen wie der hohe Fleischkonsum der globalen Mittelklassen reduziert werden koumlnnte Es gibt auch keine Empfehlungen dazu wie die Konkurrenz zwischen Energie-pflanzen und Nahrungsmittelpflanzen politisch gesteuert werden koumlnnte um eine Milliarde Hungernde zu ernaumlhren MUumlLLER Hinter Ihrer Frage steht ein Missverstaumlndnis Es gibt nicht das Strategieshypapier der FAO zur Welternaumlhrung es gibt viele Strategiepapiere Und laquo How to feed the people till the year 2050 raquo konzentriert sich auf eben dies Auf einem anderen Blatt steht welche politischen Vorgaben bei der Produktionssteigerung gemacht werden muumlssen Unsere Strategie ist klar Der Zuwachs muss in den Entwicklungslaumlndern stattfinden UNMUumlSSIG Maszlignahmen zur Steigerung Ausweitung und Intensivierung der Produkshytivitaumlt sind wichtig Nur ist es ein groszliges Versaumlumnis wenn die FAO in diesem richtungsweisenden Papier nicht differenshyziert Was brauchen die Armen um ihre Ernaumlhrung zu sichern Wenn fuumlr die Steigeshyrung der Nahrungsproduktion viele Millioshynen Hektar Land neu erschlossen werden sollen stellen sich doch wieder die alten Fragen nach den Besitz- und Eigentumsvershyhaumlltnissen Fuumlr mich ist Landwirtschaftspolishytik in hohem Maszlig Verteilungspolitik die Entwicklung von politischen Vorgaben die den Zugang zu Land regeln Auch dazu findet sich nichts im Papier MUumlLLER Erstens Die FAO ist die einzige Organisation die das Menschenrecht auf Nahrung mit Leitlinien versehen hat In einem drei- bis vierjaumlhrigen Prozess hat sie sich mit der Unterstuumltzung aller Mitglieder darauf geeinigt wie die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung gerade fuumlr die Aumlrmsten aussehen muss An diesen Leitlinishyen die von einigen Regierungen sogar zum Verfassungsrecht erklaumlrt wurden orientieren sich u a die Nichtregierungsorganisationen Also diese Strategie gibt es

Zweitens Wir organisieren zurzeit auf allen Kontinenten Konferenzen zur Frage Wie koumlnnen wir den Zugang zu Land verbessern und Landrechte sichern Wie gehen wir kuumlnftig mit den gestiegenen Anforderungen an das Land um Wie koumlnnen wir kommunitaumlre Strukturen weiter aufrechterhalten Unser Ziel ist es bis Ende 2010 Leitlinien fuumlr den sicheren Zugang zu

W v d b s s g g

Land und weiteren natuumlrlichen Ressourcen vorzulegen Was mich dabei stoumlrt ist dass es von den Industrielaumlndern keine klaren Aussagen dazu gibt dass die Konsummuster

auf der noumlrdlichen Erdhaumllfte nicht nachhaltig sind In Europa wird diese Debatte uumlberhaupt nicht gefuumlhrt die muss aber gefuumlhrt werden UNMUumlSSIG Genau aber in dem Strategiepapier laquo How to feed the world hellipraquo fehlt dazu der Anstoszlig w Wir sehen ja jetzt schon dass viele Regierungen des Nordens das FAO-Papier als Steilvorlage benutzen nicht um die Geshysamtstrategie der FAO umzusetzen sondern nur das was dem Norden guumlnstig erscheint keine Aumlnderunshygen in der Konsumfrage Einsatz

von Spitzentechnologie Forcierung von Gentechnologie Spitzentechnologie ist ja nicht die Loumlsung zur Hungerbekaumlmpfung Zugang zu Boden Eigentum Investitionen und Kleinkrediten Beratung Vorratsspeishycherung das sind die relevanten Faktoren wenn Hunger- und Armutsbekaumlmpfung Hand in Hand gehen sollen MUumlLLER Ich will noch einmal feststellen Dieses Papier ist von keiner FAO-Konferenz verabschiedet worden In der verabschiedeshyten Schlusserklaumlrung des Welternaumlhrungsshygipfels 2009 wurden Prinzipien festgelegt wie die Grundursachen des weltweiten Hungers bekaumlmpft werden sollen Und es wundert mich schon dass ein Expertenpashypier jetzt dafuumlr herhalten soll die entwickshylungsfeindliche Subventionspolitik zu rechtfertigen Fuumlr die Produktion von Bioenergie z B werden in der EU Milliarden investiert waumlhrend fuumlr die Implementierung des Menschenrechts auf Nahrung viel geringere Beitraumlge geleistet werden Also es ist letztendlich eine politische Entscheidung die man nicht auf das eine oder andere Strategiepapier reduzieren kann UNMUumlSSIG Natuumlrlich ist es eine Sache der politischen Auseinandersetzung die wir in vielem auch gemeinsam fuumlhren werden MUumlLLER Eine der wesentlichen Aussagen dieses Papiers ist dass die Armen selbst auch mehr produzieren muumlssen Das Bevoumllkerungswachstum wird in den Entshywicklungslaumlndern stattfinden ndash da wo heute der Hunger herrscht Wir befinden uns in einem dramatischen Zirkel Junge unterershynaumlhrte Frauen bekommen Kinder die fehlernaumlhrt sind was sich negativ auf ihre weiteren Lebenschancen auswirken wird In Afrika werden 18 Tonnen Mais im Durchshyschnitt produziert obwohl mit heutiger

ernsmittel

Emissionenhen bis die gen ndash vom r Duumlngung eiterverarshyerung und

ngig davon oder Ausshy

ahlen sind

t

CO2-Bilanz dnachfolgenden Lebe

In der Bilanz sind alle CO2-beruumlcksichtigt die entsteWaren im Geschaumlft auslieDiesel fuumlr die Traktoren debis zur Energie fuumlr die Wbeitung Verpackung LagTransport und das unabhaumlob die Emissionen im In- land angefallen sind Die ZAnnaumlherungswerte

Quelle Oumlko-Institu

Milch

95 0g C O 2 pr o kg

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

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E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

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Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

---

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

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Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

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Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

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ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

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SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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Page 11: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

9 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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Technologie vier bis fuumlnf Tonnen moumlglich waumlren UNMUumlSSIG Die vom Hunger Hauptbetrofshyfenen sind meist Frauen und Kinder Das belegt der Welthungerindex den u a die Deutsche Welthungerhilfe und IFPRI jaumlhrlich vorlegen Man haumltte sich ja wuumlnschen koumlnnen dass die Erkenntnis sich durchsetzt dass es vor allem wichtig ist in die Ausbilshydung von Frauen zu investieren und ihnen Zugang zu Eigentum und Krediten zu verschaffen Das waumlre ebenfalls ein wichtishyger Faktor fuumlr die Steigerung landwirtschaftshylicher Produktivitaumlt das sagen viele Untersuchungen MUumlLLER Der Welternaumlhrungsgipfel hat genau dies beschlossen Der Schwerpunkt muss auf die gefaumlhrdetsten Gruppen der Bevoumllkerung gelegt werden das sind oftmals Frauen und Kinder sowie die Kleinbauern in den aumlrmsten Regionen UNMUumlSSIG Ich sage noch einmal was ich problematisch finde In diesem Strategiepashypier wird von Annahmen ausgegangen die durchgerechnet eine Produktionssteigerung von 70 Prozent noumltig machen Wenn man bei der Rechnung aber die Uumlberwindung der Ungleichheit der Geschlechter auslaumlsst flieszligt in den Text auch nicht ein dass allein uumlber die Abschaffung der Geschlechterunshygleichheit eine 10- bis 20-prozentige Steigerung der landwirtschaftlichen Produkshytion moumlglich waumlre MUumlLLER In anderen Papieren gehen wir von noch staumlrkeren Steigerungsraten aus Wenn der Zugang von Frauen zu natuumlrlichen Ressourcen wie Land und Krediten endlich ernst genommen wird kann in Afrika der Hunger schon heute stark reduziert werden UNMUumlSSIG Ein anderes Thema Was ist die Position der FAO zur Gentechnologie Welche Rolle soll diese bei der Produktionsshysteigerung spielen Was gibt es fuumlr Konfliktlinien MUumlLLER Die FAO hat immer wieder betont dass der heute Hunger auch ohne gentechnisch veraumlnderte Produkte bekaumlmpft werden kann Mit den vorhandenen Technoshylogien und dem verbesserten Zugang zu natuumlrlichen Ressourcen kann genug produshyziert werden Es gibt aber in der FAO keinen Konsens uumlber die kuumlnftige Rolle der Gentechnik UNMUumlSSIG Wo sind die Konfliktlinien MUumlLLER Die gehen querbeet Einige Laumlnder haben ihre Position auch veraumlndert zum Beispiel Brasilien Dort wird ja seit einigen Jahren gentechnisch veraumlndertes Soja angebaut Andere Entwicklungslaumlnder insbesondere afrikanische Laumlnder weigern sich im Rahmen der Nahrungsmittelhilfen gentechnisch veraumlndertes Getreide zu

akzeptieren Auch uumlber die noumltigen Sichershyheitsmaszlignahmen gibt es keine Einigkeit UNMUumlSSIG Ein anderes Thema das uns in der Heinrich-Boumlll-Stiftung zunehmend beschaumlftigen wird ist die Fragmentierung und Zersplitterung der Organisationen die sich mit Landwirtschaft und Hungerbeshykaumlmpfung im globalen Suumlden beschaumlftigen Welche Rolle soll da die FAO in Zukunft spielen MUumlLLER Dazu zwei Aussagen Durch die hohen Lebensmittelpreise in den Jahren 20072008 und die damit verbundenen Hungerunruhen ist das Thema Welternaumlhshyrung wieder ganz oben auf der politischen Agenda aufgetaucht Vorher war das eher ein Thema fuumlr Experten

Wir haben als Reaktion darauf die Zusammenarbeit im Rahmen der high level taskforce von Generalsekretaumlr Ban Ki Moon verstaumlrkt Die FAO ist im Augenblick dabei das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit (CFS) als uumlbergeordnete Einheit die sich mit der gesamten Frage der Regierungsfuumlhrung Regierungsverantwortlichkeit und Koordinashytion bei der Welternaumlhrung beschaumlftigt neu zu etablieren Wenn CFS mit Beteiligung von NGOs eine staumlrker koordinierende Position bekommt ist das ein groszliger Fortschritt und auch ein Ergebnis des Welternaumlhrungsgipfels UNMUumlSSIG Diesem Komitee fuumlr Nahrungsshysicherheit geben Sie also eine groszlige Chanshyce Dass es eine koordinierende Funktion uumlbernehmen darf koumlnnte ja bedeuten dass die Nationalstaaten tatsaumlchlich ein Quaumlntshychen an Souveraumlnitaumlt und Handlungs- und Entscheidungskompetenz an ein solches Komitee abgeben Ist das realistisch MUumlLLER Um es ganz deutlich zu sagen Ohne diese koordinierende Funktion wird es uns nicht gelingen die Millenniums-Deveshylopment-Ziele zu erreichen Bei der Hunger-und Armutsbekaumlmpfung sind wir ja zurzeit auf keinem guten Weg Es wird sich in den naumlchsten ein zwei Jahren herausstellen ob die Lippenbekenntnisse tatsaumlchlich in Aktionen umgesetzt werden ndash inklusive einer Staumlrkung des CFS UNMUumlSSIG Auch Nichtregierungsorganisashytionen und die Gruumlnen legen groszligen Wert auf die Staumlrkung des Komitees Zivilgesellshyschaftliche Organisationen haben ihre Anforderungen an das CFS formuliert Wir werden uns als Stiftung daran beteiligen das Komitee bekannt zu machen und seine Funktion zu staumlrken weil wir auch der Meinung sind dass es ohne Koordination und mehr Kohaumlrenz nicht geht Sonst haumltte es keine Auswirkungen als normative Orientierung fuumlr Organisationen wie die

Weltbank die auch aktiv ist bei der laumlndlishychen Entwicklung und der Agrarfoumlrderung MUumlLLER Wir brauchen dieses Komitee auch um andere internationale Prozesse zu beeinflussen Wir arbeiten sehr intensiv daran Landwirtschaft und Welternaumlhrung staumlrker in die Klimaschutzverhandlungen zu integrieren Das ist uns nur bis zu einem gewissen Maszlig gelungen Auch in der Welthandelsrunde ist die Hungerbekaumlmpshyfung nicht an vorderster Front Da brauchen wir ein starkes Komitee das zusaumltzlich zur Koordinierungsfunktion bei den anderen Verhandlungen die Position der Welternaumlhshyrung und Hungerbekaumlmpfung vertritt Das ist eine politische Herausforderung die auch im Rahmen von G8 und G20 diskutiert werden muss Da darf das Komitee fuumlr Nahrungssicherheit kein Feigenblatt sein UNMUumlSSIG Da haben Sie die Heinrich-Boumlll-Stiftung auf Ihrer Seite Uns treibt die Frage um Nimmt die FAO-Strategie wirklich die 800 Millionen bis eine Milliarde dauerhaft Hunger leidender Menschen in den Blick Oder kommt diese Produktionssteigerung doch wieder ausschlieszliglich dem Norden oder den wachsenden urbanen Mittelklasshysen zugute ndash und die Armen bleiben wieder auf der Strecke MUumlLLER Genau Es waumlre ja politisch naiv diese Fragen nicht zu stellen Wir sind ja in der Situation dass genug produziert wird und trotzdem ist die Zahl der Hungernden in den letzten Jahren nach unseren Schaumltshyzungen auf uumlber eine Milliarde gestiegen Von daher ist die Frage Cui bono Fuumlr wen sehr relevant Ich moumlchte eine zweite Frage hinzufuumlgen Wie wird produziert UNMUumlSSIG Fuumlr wen und wie ndash das sind die groszligen Fragen

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

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E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

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Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

---

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

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beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

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Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

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ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

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SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 12: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

10

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

WARUM HAumlLT DER WELTAGRARBERICHT

DAS POTENZIAL DER KLEINBAUERN DEN HUNGER ZU REDUZIEREN FUumlR SO GROSS

RAJESWARI SARALA RAINA WISSENSCHAFTLERIN AM NATIONAL INSTITUTE OF SCIENCE

TECHNOLOGY AND DEVELOPMENT STUDIES IN NEU-DELHI

Ein altes tamilisches Sprichwort warnt laquo Wenn ein Bauer um Essen bettelt dann sind die Probleme groszlig raquo 2002 sahen die Weltbank und die FAO fuumlr die Zukunft eine Welternaumlhrungskrise voraus Sie begannen zu erforschen ob mit dem traditionellen Wissen der Bauern und der modernen Wissenschaft und Technologie Hunger und Armut bekaumlmpft und Gesundheit und Ernaumlhrung verbessert werden koumlnnen Dieser IAASTD-Prozess (International Assessment of Agricultural Knowledge Science and Technology for Development der UNO) endete 2008 mit der Vorlage des Weltagrarberichts Er lieferte Belege fuumlr die groszlige wirtschaftliche soziale und oumlkologische Not der Kleinbauern 1

Und die Probleme sind groszlig Die gegenwaumlrtige globale Ordnung stellt die Kleinbauern einer industriellen Landwirtschaft gegenuumlber die auf der Basis von Monokulturen eine Massenproduktion foumlrshydert ndash und deren soziale und oumlkologische Folgekosten auf die Gesellschaft abwaumllzt Dieses staatlich gefoumlrderte System bedient sich national wie global einer bemerkenswerten Rhetorik Um die hungernden Menschen zu ernaumlhren muss die Produktion mittels Kapital und Energie immer weiter gesteigert werden Selten werden dabei die Faumlhigkeiten der Kleinbauern beachtet Nahrung zu produzieren und ihre Oumlkosysteme zu bewirtschaften Stattdessen werden ihre Moumlglichkeiten durch eine staatliche Agrarpolitik immer weiter beschnitten Diese Politik beruht auf der Annahme dass nur die Produktion von mehr Nahrung Hunger und Mangelernaumlhshyrung abhelfen kann Drei Erkenntnisse aus den IAASTD-Berichten stellen die Plausibilitaumlt dieser Annahme infrage und belegen dass Kleinbauern durchaus dazu in der Lage waumlren die Welt zu ernaumlhren

1 Kleinbauern tragen signifikant zur regionalen Ernaumlhrungssishycherheit bei Sie produzieren fast 40 Prozent des Getreides weltweit und uumlber 70 Prozent aller Hirse Knollengewaumlchse Fruumlchte und Gemuumlsepflanzen Ohne diesen Beitrag zur Produktion von Nahrung (bei dem weniger als fuumlnf Prozent der Energie verbraucht werden die in der industriellen Landwirtschaft anfaumlllt) wuumlrden wir statt einer Milliarde Hungernder wie von der FAO nach der Ernaumlhrungsshykrise von 2008 geschaumltzt heute mindestens drei Milliarden haben Man muss zur Kenntnis nehmen Trotz der gewaltigen Subventioshynen die die Landwirte aus den OECD-Staaten und die drei Groszligshykonzerne die 96 Prozent des weltweiten Getreidehandels kontrolshylieren fuumlr den Export erhalten kommen nur elf bis zwoumllf Prozent des als Nahrung dienenden Getreides aus dem Handel Kleinbauern die einen Mix aus oumlrtlichen Nahrungsmitteln und Tierprodukten (v a von kleinen Wiederkaumluern und Gefluumlgel) herstellen bilden die Stuumltze der regionalen Ernaumlhrungssicherheit

2 Die Kapazitaumlt der Kleinbauern Nahrung zu produzieren ist verbluumlffend Das natuumlrliche Umfeld und die Methoden mit denen Kleinbauern auskommen muumlssen ndash haumlufig trockene nur von Regen bewaumlsserte Aumlcker Berglagen und kuumlstennahes Schwemmland ndash werden von den groszligen agrotechnischen Forschungs- und Entwickshylungsabteilungen weitgehend ignoriert Entsprechend haben die Kleinbauern kaum subventionierte Duumlnger Chemikalien Neuzuumlchshytungen Landmaschinen Bewaumlsserungssysteme und Stromversorshygung ndash das heiszligt es fehlt an der gesamten Infrastruktur die den modernen groszligflaumlchigen und auf Bewaumlsserung basierenden Monokulturen zur Verfuumlgung stehen Dies ist einer der Gruumlnde dafuumlr dass die herkoumlmmliche Kleinbauernwirtschaft so auszligergewoumlhnlich

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

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ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

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Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

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Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

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Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

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Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

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Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

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Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

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EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

PDF4web

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      3. InfoStart19_show
Page 13: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

11 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

effizient mit Energie umgeht Fuumlr jede Kilokalorie verbrauchter Energie werden hier zwischen 4 und 15 Kilokalorien produziert Wie eine derartige Produktivitaumlt bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen erzielt werden kann wird von der offi ziellen Agrarwisshysenschaft kaum untersucht oder gefoumlrdert Die industrielle Landshywirtschaft die uumlber 50 Prozent aller klimaschaumldigenden Emissionen verursacht und zwischen 10 und 20 Kilokalorien Energie fuumlr jede erzeugte Kilokalorie Nahrung verbraucht erhaumllt fast saumlmtliche Forschungsgelder und hat einen starken Ruumlckhalt in der Politik

3 Kleinbaumluerliche Betriebe sind flexibel anpassungsfaumlhig und verwerten die Vielfalt von Nutz- und Kulturpflanzen Da die Preise fuumlr fossile Energietraumlger steigen (wodurch sich die Betriebskosten erhoumlhen) die Steigerungsraten der Ertraumlge abflachen und sich der Druck erhoumlht Agrarsubventionen zu kuumlrzen sehen die auf Bewaumlsseshyrung basierenden Monokulturen schweren Zeiten entgegen Da Klimavariabilitaumlt und Klimawandel diese Probleme noch verschaumlrshyfen wendet sich die Wissenschaft um Ernteausfaumllle zu minimieren mittlerweile verstaumlrkt dem Wissen der Kleinbauern zu ndash sei es der Anbau von Sorten die gegen Trockenheit oder Schaumldlinge resistent sind das Management landwirtschaftlicher Biodiversitaumlt die Mischung aus Furchen- und Dammkultur herkoumlmmliche chemikalishyenfreie Lagerung usw

Zurzeit werden diese Techniken der Kleinbauern (oft veraumlchtlich als Zauderer Verweigerer Einfaltspinsel oder Amateure geschmaumlht) in den gaumlngigen Klimamodellen noch nicht beruumlcksichtigt Diese prognostizieren eine Hungerkatastrophe ausgehend von eben jenen Technologien und Methoden die den Einsatz praxisnaher Verfahren verhindern Eben jene praxisnahen Verfahren sind es jedoch durch

die kleinbaumluerliche Betriebe produktiv bleiben ndash und das trotz der Ungerechtigkeit der gegenwaumlrtigen Agrar- Vertriebs- und Handelspolitik

An empirischen Belegen dafuumlr wie produktiv kleinbaumluerliche Betriebe je Einheit von Land Wasser und Ressourcen sind fehlt es nicht Selbst kleine Investitionen in eine agrarwissenschaftliche Forschung die die Perspektive von Kleinbauern als Nahrungsprodushyzenten und Betreuer von Oumlkosystemen beruumlcksichtigt wuumlrden fuumlr eine houmlhere und nachhaltigere Produktion von Nahrung sorgen Die IAASTD-Berichte machen deutlich dass die Regierungen stattdesshysen Technologien foumlrdern die Ressourcen vernichten und die Beziehungen zwischen Umwelt und Landwirtschaft durch Rationalishysierung zerstoumlren Und indem sie sozial schaumldliche Subventionen bereitstellen werden die lokale Bevoumllkerung verdraumlngt und das traditionelle Vertriebssystem vernichtet

Als Loumlsungsansaumltze schlagen die IAASTD-Berichte die Foumlrderung von Investitionen und Maszlignahmen vor die die Managementfaumlhigshykeiten und das Wissen der Kleinbauern verbessern Durch eine Anpassung der Produktionsablaumlufe sollen sie befaumlhigt werden auf neue Herausforderungen der Umwelt und der Maumlrkte zu reagieren entsprechend mehr zu verdienen und die lokale Erzeugung von Nahrung widerstandsfaumlhiger und nachhaltiger zu gestalten ---Uumlbersetzung Bernd Herrmann

1 Dieser Artikel bezieht sich uumlber weite Strecken auf die zwoumllf Berichte des IAASTD

Brot 750g CO2 pro kg

12

E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
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                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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E

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

WIE MUSS AUS SICHT DES WELTAGRARBERICHTS (IAASTD) INE NEUE laquoGRUumlNE REVOLUTIONraquo AUSSEHEN DIE NACHHALTIGDEN HUNGER REDUZIERT UND DIE LANDWIRTSCHAFT AN DEN

KLIMAWANDEL ANPASST

WIR BRAUCHEN MEHR NAHRUNGSMITTEL FUumlR DIE WACHSENDE WELTBEVOumlLKERUNG

BENNY HAumlRLIN ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT

Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung mit einer generellen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gleichzusetzen ist das erste Missverstaumlndnis mit dem der Weltagrarbericht aufraumlumt Weniger als die Haumllfte der Weltgetreideproduktion dient heute noch unmittelbar der menschlichen Ernaumlhrung Tierfutter Agrarsprit und andere industrielle Verwertung beanspruchen den Rest der Ernte die heute groumlszliger ist als je zuvor nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch pro Kopf der 68 Milliarden Erdenbuumlrgerinnen und -buumlrger Dennoch hungern mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Gleichzeitig leiden mittlerweile mehr Menschen an Uumlberernaumlhrung als an Unterernaumlhrung noch einmal so viele schlieszliglich an Fehlernaumlhrung Nimmt man die skandaloumlse Vershyschwendung hinzu (gut ein Drittel aller fertigen Nahrungsmittel wird in den Industriestaaten weggeworfen) ergibt sich daraus die wichtigste laquo Revolution raquo derer es in den naumlchsten Jahrzehnten bedarf Unsere Ernaumlhrungseffizienz kann und muss um Groumlszligenordshynungen gesteigert werden

Die zweite Revolution steckt in der einfachen Erkenntnis dass Hunger nur vor Ort zu uumlberwinden ist Dem Elend von rund 102 Milliarden Armen auf dem Lande ist weder durch globale Verteilung noch durch Technologien beizukommen die diese Menschen ohnehin noch nie erreichten Es geht um einfache effektive Maszligshynahmen zur Steigerung des Naumlhrwerts und der Ernaumlhrungssichershyheit auf den Kleinstflaumlchen von deren Ertrag die Mehrheit der Kleinbaumluerinnen und Kleinbauern sich heute oft nur schwer ernaumlhshyren kann

Die Probleme von 85 Prozent aller Bauernhoumlfe dieser Welt die weniger als zwei Hektar bewirtschaften lassen sich nicht uumlber einen

Kamm scheren Dies ernst zu nehmen und deshalb allen Patentloumlshysungen zu misstrauen gehoumlrt zu den muumlhsamen aber unabdingbashyren Zutaten kuumlnftiger Agrarrevolutionen Sehr haumlufig geht es um mehr Vielfalt bessere Boden- und Wasserbewirtschaftung um Zugang zu lokalen Maumlrkten ohne den eine Steigerung der Produkshytion sich nicht lohnt zu lokal angepasstem Wissen und Saatgut zu Kleinkrediten und -versicherungen

Gerade in Afrika und Asien wo die uumlberwaumlltigende Mehrheit dieser Houmlfe liegt und die Mehrheit der Hungernden lebt ist die Revolution um die es dabei jeweils geht weiblich Der Weltagrarbeshyricht spricht von einer laquo Feminisierung der Landwirtschaft raquo Immer mehr Bauernhoumlfe werden von Frauen gefuumlhrt Solange sie nicht einmal das Recht haben Land und Vieh zu besitzen oder gar zu beleihen keine Schule besuchen und landwirtschaftlich nicht ausgebildet werden und nicht selbst bestimmen koumlnnen wann sie wie viele Kinder bekommen koumlnnen sie die eigene Versorgung und die der Kinder und Alten schwer aufrechterhalten Dennoch bleiben sie mit ihnen oft allein zu Hause weil die jungen Maumlnner andernshyorts Arbeit suchen Dabei belegen alle Untersuchungen und eine Vielzahl atemberaubend erfolgreicher Initiativen Frauen wirtschafshyten umsichtiger verlaumlsslicher und mit klarerem Blick fuumlrs Wesentlishyche die Ernaumlhrungssicherheit der eigenen Familie und Gemeinde

Sowohl fuumlr die Ernaumlhrungssicherheit als auch fuumlr die Anpassung an den Klimawandel und dessen Begrenzung fordert der Weltagrarshybericht die Abkehr von zwei Maximen industrieller Landwirtschaft und der laquo Gruumlnen Revolution raquo der letzten fuumlnfzig Jahre Energieshyintensitaumlt und Rationalisierung Wir brauchen eine radikale Redushyzierung der Abhaumlngigkeit unserer Ernaumlhrung von fossiler Energie

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

---

sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

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Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

w

z

d

S

d

1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

---

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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Page 15: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

1313 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

vor allem auch in Form von Kunstduumlnger und Pestiziden und deren Ersatz durch intelligente Arbeit und agraroumlkologische Anbaumethoshyden Und wir muumlssen Abschied nehmen von Monokulturen ihrer miserablen Wasser- Boden- und Energieeffizienz ihrer Vernichtung laumlndlicher Kultur und Beschaumlftigung biologischer Vielfalt und lokalen Wissens nicht zuletzt auch wegen ihrer Anfaumllligkeit fuumlr die oft unwaumlgbaren Auswirkungen des Klimawandels

Fuumlr Forschung und Entwicklung bedeutet dies zunaumlchst den Abschied von einem Selbstverstaumlndnis das die Definition und Loumlsung der Probleme akademischen Eliten uumlberlaumlsst deren Weisheishyten und Technologien dann von Landwirten nur noch umgesetzt werden muumlssen Diesem laquoTechnologie-Transfer-Modellraquo stellt der Weltagrarbericht ein Konzept gleichberechtigter Innovationen aller Beteiligten gegenuumlber das baumluerliches und lokales Wissen einbeshyzieht und in der Lage ist aus gemeinsamen Fehlern zu lernen

Schlieszliglich warnt der Weltagrarbericht vor einer Ausweitung des gegenwaumlrtigen globalen Agrarhandels Dieser fuumlhrt von aller Ungerechtigkeit einmal abgesehen zu einem Nettotransfer landshywirtschaftlicher Produkte aus Regionen in denen existenzieller Nahrungsmangel herrscht in Regionen mit krankmachender Uumlberversorgung Er fordert Ernaumlhrungs-souveraumlnitaumlt sowohl der Staaten als auch der Gemeinden Die Multifunktionalitaumlt der Landwirtschaft ernst zu nehmen sei schlieszliglich kein Luxus sondern eine Frage des Uumlberlebens Die Umwelt- und Sozialdienstleistungen der Landwirtschaft sind fuumlr eine nachhaltige Bewirtschaftung des Planeten und seiner begrenzten Ressourcen ebenso wichtig wie die Lebensmittel die sie produziert Erbracht werden sie nur wenn sie auch bezahlt werden ndash uumlberall auf der Welt

Fuumlr die traditionelle internationale Agrarforschung erst recht aber fuumlr die immer maumlchtigeren globalen Agrarunternehmen ist diese Revolution noch immer inakzeptabel Auf dem Spiel stehen zunaumlchst der Mythos der lebenspendenden laquoGruumlnen Revolutionraquo und dann die ungehemmte globale Ausdehnung des Agrarhandels jenseits der klassischen laquoKolonialwarenraquo auf Agrarrohstoffe fuumlr die Massenproduktion und Fleischindustrie Neuerdings kommt der schwunghafte Handel mit Agrarsprit Duumlnger und Pestiziden hinzu und die Aneignung laquogenetischer Ressourcenraquo als patentiertes Saatgut und laquogeistiges Eigentumraquo durch beispiellos konzentrierte internationale Saatgut- und Agrarchemie-Unternehmen Die Phantasie der Top Ten die uumlber 70 Prozent des Agromarktes kontrollieren wird befluumlgelt von der Vision einer vertikal integriershyten globalisierten Primaumlrindustrie unter dem Label laquowissensbasiershyter Biooumlkonomieraquo Dies ist ein wesentlicher Grund dafuumlr dass die Erkenntnisse des IAASTD in der real existierenden Forschung und Agrarwirtschaft einschlieszliglich der deutschen Agrar- und Entwickshylungspolitik noch immer geflissentlich verschwiegen uumlbersehen oder verunglimpft werden ---Siehe auch wwwweltagrarberichtde

Biobrot 650g CO2 pro kg

14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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14

ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

DIE VIELFALT BRINGTrsquoS Klimawandel Schutz der Biodiversitaumlt und Ernaumlhrungssicherung ndash Zusammenhaumlnge Potenziale und naumlchste Schritte

MANFRED NIEKISCH DIREKTOR DES FRANKFURTER ZOOS

Fruchtbarer Boden wird immer knapper und das nicht trotz sondern ndash so paradox es

klingen mag ndash wegen der Ausweitung der Landwirtschaft denn weltweit uumlbersteigt die

durch Ackerbau und Viehzucht provozierte Erosion die Raten der Bodenbildung Global

gelten bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flaumlchen bereits als degradiert

VIELFALT NICHT MASSE ndash EIN TRADIERTES PRINZIP DER

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Angesichts der negativen Auswirkungen welche die Landwirtschaft bisher auf die Boumlden die biologische Vielfalt und das Klima hat ndash und diese uumlberwiegen in der Summe die zweifelsohne auch vorhandenen positiven vor allem lokalen Effekte bei weitem ndash bedarf es eines voumllligen Umdenshykens um die menschliche Ernaumlhrung nachhaltig zu sichern Einer der zentralen Lehrsaumltze der Oumlkologie schafft hier die wesentliche Einsicht Naumlhrstoffarmut der Boumlden bedingt ndash relativ gesehen ndash eine groszlige Zahl von Arten die dann aber nur in wenigen Individuen vorkommen Umgeshykehrt fuumlhrt Naumlhrstoffreichtum zu einer groszligen Zahl von Individuen aber nur aus wenigen Arten Die Begruumlndung dafuumlr ist einfach Bei niedrigem Naumlhrstoffangebot entwickeln Lebewesen unterschiedlich spezialisierte Strategien um an die wenigen Naumlhrstoffe zu kommen Es bilden sich also viele verschiedene Arten aus allerdings jeweils nur mit kleinen Populationen da das Nahrungsangebot fuumlr den einzelnen Speziashylisten limitiert ist Bei Naumlhrstoffreichtum hingegen koumlnnen wenige Arten mit vielen Individuen alle anderen verdraumlngen Die Spezialisten haben hier keine Chance Schon der Vergleich der Pflanzen an einem heimischen Bahndamm mit einer voumlllig uumlberduumlngten Viehweide zeigt in Mitteleuroshypa die Richtigkeit dieser Erkenntnis Da die Boumlden der Tropen von Natur aus in aller Regel vergleichsweise oder absolut naumlhrshy

stoffarm sind ist die industrielle Landwirtshyschaft im europaumlischen Stil hier vom Ansatz her falsch Diese versucht ja groszlige Mengen aus wenigen Arten zu erzielen waumlhrend es weitaus sinnvoller waumlre hier mit pflanzlishycher (und tierischer) Vielfalt die Ernaumlhrung zu sichern

Vielfalt um die Ernaumlhrung zu sichern ndash das ist kein neues Konzept ganz im Gegenshyteil Warum bauen Bauern in den Anden seit Jahrhunderten eine groszlige Zahl unterschiedshylicher Maissorten nebeneinander an Warum kultivieren die Matsiguenka im Manu-Nationalpark Perus Maniok ihr wichtigstes Nahrungsmittel in 56 Sorten und ergaumlnzen diese Nahrung durch den Anbau weiterer 64 Pfl anzenarten wiederum jeweils in verschiedenen Sorten Zudem sammeln sie Nuumlsse und Fruumlchte von 17 Baumarten nutzen 9 Froscharten 28 Arten von Insektenlarven und fangen etwa 50 Fischarten fuumlr ihre Ernaumlhrung Studien uumlber traditionelle Landwirtschaft zeigen uumlberall auf der Welt besonders aber in den Tropen dass die lokale Bevoumllkerung sich mit einer Vielfalt von Produkten ernaumlhrt nicht uumlber Masse aus wenigen Arten

Die Nutzung einer Bandbreite von Sorten Rassen Variationen entspringt den Notwendigkeiten der Ernaumlhrungssicherung vor allem bei denen die in Subsistenzwirtshyschaft leben also nicht durch Kauf beschafshyfen koumlnnen was gerade an Nahrung fehlt Unterschiedliche Reifezeiten Eignung fuumlr ertragreiche oder marginale Boumlden Lagerfaumlshyhigkeit Verwendungsmoumlglichkeit Anfaumllligshykeit fuumlr oder Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schaumldlinge Toleranz fuumlr

Trockenheit oder andere Wettereinfluumlsse sind nur einige der genetisch festgelegten Merkmale von Saatgut und Ertraumlgen Je groumlszliger die genetische Variationsbreite unter den angebauten Pflanzen ist desto groumlszliger die Wahrscheinlichkeit dass nicht die gesamte Ernte durch Duumlrre Naumlsse Pilzbefall oder andere Plagen ausfaumlllt ndash umso groumlszliger also die Versorgungssicherheit Dass dies im Vergleich zu Hochertragssorten unter Umstaumlnden zu Lasten der Erntemenge geht kann hingenommen werden und ist weitaus weniger problematisch als der moumlgliche Verlust der gesamten (weil einfoumlrmigen) Ernte Bewahrung und Kultivierung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit offenbaren sich deutlich als uumlberlebenssichernde Strategien und echte Risikovorsorge Nur am Rande sei angemerkt dass das Konzept der laquo biologischen Diversitaumlt raquo im Deutschen mit laquo Vielfalt raquo nicht ganz korrekt uumlbersetzt ist Es geht hier mehr um die Unterschiedshylichkeit als um die Menge (laquo Viel-falt raquo) der biologischen Merkmale

Bedeutsam ist also nicht nur die Vielfalt der Arten sondern auch der genetische Reichtum der einzelnen Art Dieser manifesshytiert sich nicht immer in klar erkennbaren laquo Sorten raquo zumindest aber in einer breiten Variation von Merkmalen Schon ein Blick in das mit Oca den Wurzelknollen des Sauershyklees gefuumlllte Tragetuch eines Aymara-Indishyaners zeigt in Farbe Form und Groumlszlige sehr unterschiedliche Knollen Ohne diese im Welthandel so gut wie unbekannte Pflanze ist die Ernaumlhrung der Menschen in den Hochanden kaum vorstellbar und die zuumlchterische Selektion fuumlhrte hier wie bei manch anderer alten Kulturpfl anze mit gutem Grund zu groszliger Verschiedenheit und Vielfalt statt zu der laquo Standardisierung raquo und Einfoumlrmigkeit der industriellen Landwirtschaft

Die genetische Variationsbreite ist die Grundlage fuumlr die evolutive Anpassung an

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

---

sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

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Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

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S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 17: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

15 ERNAumlHRUNGSSICHERHEIT ndash EIN PROBLEMAUFRISS

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sich veraumlndernde Umweltbedingungen Je staumlrker beziehungsweise schneller sich die Verhaumlltnisse der Umwelt aumlndern umso betraumlchtlicher ist bei groszliger genetischer Bandbreite der Individuen die Chance dass einige sich anpassen und aufgrund selektishyver Vorteile vermehren koumlnnen Umgekehrt ist bei hochgezuumlchteten genetisch uniforshymen Pflanzenpopulationen wie es Monokulshyturen sind die Moumlglichkeit der Anpassung an unguumlnstige Bedingungen eingeschraumlnkt oder laumlsst sich nur mittels Pflanzen-laquoSchutz raquomitteln Duumlnger massiver Bodenbeshyarbeitung und anderen Hilfsmitteln uumlbershybruumlcken Die daraus resultierenden Umweltschaumlden beduumlrfen hier keiner naumlheren Erlaumluterung und die aus solchen Anfaumllligkeiten oder dem Drang nach Ershytragssteigerung abgeleiteten laquo Notwendigshykeiten raquo der genetischen Manipulation bei Hochleistungspflanzen sollen hier als Problem nur erwaumlhnt werden

LAND ODER WASSER ndash DIE PRINZIPIEN SIND GLEICH

Der Grundsatz dass die nachhaltige und ausreichende Produktion von Lebensmitteln ohne Vielfalt nicht zu erreichen ist gilt bei

weitem nicht nur in der Landwirtschaft sie gilt auch in der Fischerei Die als Monokulshyturen angelegten Zuchtbetriebe etwa fuumlr Lachs und Shrimps an den Meereskuumlsten aber auch die Fischzuchtfabriken im Landesshyinneren produzieren die Eiweiszligquelle Fisch nur fuumlr Menschen die sich solche Produkte leisten koumlnnen Weltweit und besonders in armen Regionen haumlngt die Bevoumllkerung der Kuumlsten aber zu einem erheblichen Teil vom eigenen Fischfang ab Eine aktuelle Fallstushydie aus dem Mekongdelta Vietnams belegt dass es der ungeheure Artenreichtum an Fischen Muscheln Schnecken Krabben ist welcher das Jahr uumlber die Ernaumlhrung der Bevoumllkerung und das Funktionieren der dem Fang nachgeschalteten Wirtschaftskreise (Verarbeitung Aufzucht Handel Gastronoshymie) sichert Die Zusammensetzung der Fauna an den Kuumlsten variiert abhaumlngig von Stroumlmungen Wasserstaumlnden Temperatur Salz- und Suumlszligwassereinfluss erheblich Auch hier liegt die Voraussetzung fuumlr ganzjaumlhrige Fangerfolge in der Vielfalt und Verschiedenshyheit der Arten Uumlber weite Strecken sind die Kuumlstenzonen in denen sich viele Meerestieshyre vermehren jedoch durch Aquakulturen massiv geschaumldigt Das gilt auch fuumlr die Mangrovenwaumllder und die Korallenriffe

Monokulturen fuumlr lebende Tiere erforshydern analog der Intensivlandwirtschaft einen hohen Einsatz von Stoffen und Praktiken welche die natuumlrlichen Systeme ihre Funktionsfaumlhigkeit und biologische Produktivitaumlt beeintraumlchtigen Hinzu kommt die Uumlbernutzung der Bestaumlnde durch den industriellen Fischfang Die sozialen Folgen der Ressourcenverknappung gipfeln darin dass einstige Kuumlstenfischer in Somalia aus Mangel an Fisch dazu uumlbergehen Schiffe zu kapern

DREI ZENTRALE PROBLEME UND WEGE ZU IHRER LOumlSUNG

Die drei wichtigsten globalen Herausfordeshyrungen der naumlchsten Jahrzehnte sind die Bekaumlmpfung des Hungers die Erhaltung der Biodiversitaumlt und der Schutz des Klimas Die raumlumliche Ausweitung industrieller Groszligshyprojekte zur Nahrungsmittelproduktion erfolgt meist zu Lasten von Waumlldern und ist keine Loumlsung da sie den beiden letztgeshynannten Zielen diametral entgegensteht Groszligflaumlchige Intensivkulturen koumlnnen das Hungerproblem nicht loumlsen weil sie das Armutsproblem nicht loumlsen Im Gegenteil verknappen sie den Raum fuumlr Kleinbauern und lokale Fischer und produzieren vor allem fuumlr Bevoumllkerungskreise die sich den Kauf von Lebensmitteln leisten koumlnnen oft sogar ausschlieszliglich fuumlr den Export

Die gemeinsame Loumlsung fuumlr die Erhalshytung der Biodiversitaumlt den Schutz des Klimas und die Sicherung der menschlichen Ernaumlhrung gibt es Ihre Durchsetzung ist angesichts der gegenwaumlrtigen Verteilung von Wirtschaftsinteressen politischen Machtverhaumlltnissen und Landbesitz nicht einfach aber letztlich ohne Alternative wenn wir die Umwelt in welche die Evolutishyon den Menschen gestellt hat nicht aufs Spiel setzen wollen Unverzuumlglich muumlssen die noch vorhandenen natuumlrlichen Waumllder Moorgebiete und Graslaumlnder vor Umwandshylung geschuumltzt werden Des Weiteren muumlssen alle noch vorhandenen Potenziale der nachhaltigen Ertragssteigerung ausgeshyschoumlpft werden welche nicht Klima und Biodiversitaumlt beeintraumlchtigen und die keine neuen natuumlrlichen Flaumlchen beanspruchen Vor allem aber bedarf es einer grundlegenshyden Oumlkologisierung der Land- Forst- und Wasserwirtschaft und einer Verbesserung und Staumlrkung der kleinbaumluerlichen Landshywirtschaft Im Namen der Bekaumlmpfung des Hungers mit neuen agro-industriellen Groszligprojekten die klimatischen und biologishyschen Grundlagen menschlichen Wirkens weiter in das Risiko hineinzutreiben waumlre der voumlllig falsche Weg

Gemuumlse 150 g CO2 pro kg

Tiefkuumlhlgemuumlse 400 g CO2 pro kg

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

---

Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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d

S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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wie auf dem Papier
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betroffene
Erna Musterantworterin
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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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                                                                      3. InfoStart19_show
Page 18: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

16 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

EIN

NEUER

AK TEUR

BETRIT T

DIE

BUumlHNE

Das Menschenrecht auf Nahrung als Leitfaden fuumlr Klimaverhandlungen

ELISABETH CAESENS

Beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen betraten neue Akteure die Buumlhne ndash die Menschenrechtsaktivisten Ihre Teilnahme war lange uumlberfaumlllig und sie wird immer wichtiger Uumlberfaumlllig war sie da es noch immer am Bewusstsein mangelt dass Menschen zu den Hauptopfern des Klimawandels gehoumlren Notwendig war sie da Menschenrechte als Leitfaden dafuumlr dienen koumlnnen unsere Verantshywortung und unsere Beduumlrfnisse zum Kern der Klimapolitik zu machen

Es uumlberrascht dass Menschenrechte erst jetzt eine Rolle zu spielen beginnen Klimaforscher und Umweltschuumltzer haben sehr erfolgreich klargemacht wie dringend notwendig es ist oumlkologisch umzusteuern Erst in letzter Zeit aber hat sich die Aufmerksamkeit verschoben weg von abschmelzenden Gletschern und gefaumlhrdeten Eisbaumlren und hin zu uumlberschwemmten Feldern und bedrohten Existenzgrundlagen ndash das heiszligt zu den Folgen die der Klimawandel fuumlr die menschliche Population der Erde hat Endlich wird immer mehr Menschen klar dass die Ernten derjenigen vernichtet und dass diejenigen am meisten leiden werden deren Ernaumlhrung bereits heute alles andere als sicher ist

Schaumlden fuumlr Menschen koumlnnen durch Entscheidungen von Menschen abgewendet werden Verantwortungstraumlger koumlnnen Faktoren die zum Klimawandel beitragen entschaumlrfen und Menshyschen dabei helfen mit den unabwendbaren Folgen umzugehen Das Problem dabei ist dass diejenigen die es am haumlrtesten trifft am wenigsten dazu in der Lage sind Widerstand zu mobilisieren und Druck auszuuumlben Kleinbauern und andere auf dem Land arbeitende Menschen verursachen kaum Treibhausgase und koumlnnen auszliger durch nachhaltige Forst- und Landwirtschaft kaum etwas dazu beitragen den Klimawandel zu bremsen Sie koumlnnen nur darauf hoffen dass Andere die richtigen Entscheidungen treffen Die Gefaumlhrdung solcher Gruppen und die Gefahr dass sie vergessen werden zeigen dass wir einen ethischen Leitfaden fuumlr angewandte Klimapolitik benoumltigen

Hilfsorganisationen haben zuletzt nachdruumlcklich auf die Kluft zwischen den fuumlr den Klimawandel Verantwortlichen und seinen Opfern hingewiesen ndash und fuumlr Letztere mehr Unterstuumltzung eingeshyfordert Unter Fuumlhrung von Kofi Annan hat 2009 das Global Hushymanitarian Forum humanitaumlre Schritte gefordert Finanzielle Mittel und technische Unterstuumltzung werden fuumlr die Opfer des Klimawanshydels immer wichtiger denn anders wird es ihnen nicht moumlglich sein auf Veraumlnderungen zu reagieren und zumindest einen Teil des ihnen zugefuumlgten Schadens zu reparieren

Die Sicht der Hilfsorganisationen traumlgt jedoch nur wenig dazu bei durchzudeklinieren wie die Verantwortung und die Beduumlrfnisse der Menschen fester Bestandteil jeden Schritts in der Klimapolitik werden koumlnnen Eben hier kommen die Menschenrechtsaktivisten ins Spiel Bei Klimaverhandlungen koumlnnen sie die Delegierten daran erinnern dass Menschenrechte nicht beschnitten werden duumlrfen ndash und auch das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht Weiter koumlnnen sie sich dafuumlr einsetzen dass klimapolitische Maszlignahmen so gestaltet werden dass sich das Angebot an Nahrung erhoumlht ndash beshysonders fuumlr die die sich jetzt schon am Rande des Existenzminishymums bewegen

Das Klima kann nur dann stabilisiert werden wenn Faktoren die zum Klimawandel beitragen reduziert und Emissionen zuruumlckgeshyfahren werden Die Menschenrechte erinnern in diesem Zusammenshyhang daran dass dergleichen nicht verhandelbar sondern bereits Teil staatlicher Verpflichtungen ist Keinen Schaden zu verursachen bedeutet auch Maszlignahmen fuumlr den Klimaschutz oder die Anpasshysung an den Klimawandel so zu gestalten dass sich die Anliegen der Menschen vor Ort darin wiederfinden Wenn Schaden fuumlr die

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

---

Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

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20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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Mit dem Rechteck‐Werkzeug kann man groumlszligere Abschnitte zum Austausch mar‐kieren Bei Acrobat (nicht im Reader) kann man in den Grundeinstellungen festlegen (Strg+K K) dass umrandete oder markierte Texte in das zugehoumlrige Kommentarfeld ko‐piert werden Mit Acrobat kann man so Text‐auszuumlge herstellen (Im Kommentare‐Fenster bei gt Optionen mit der Funktion Kommentare zusammenfassen)

Datei als Kommentar anhaumlngen ermoumlglicht das Einfuumlgen einer extra Datei zBeines gescannten Zeitungsausschnittes zum Thema

Mit dem Stempelwerkzeug und der Auswahl Bild aus der Zwischenablage als Stempel ein‐fuumlgen koumlnnen Bildinhalte eingefuumlgt und an‐schlieszligend mit einem zugehoumlrigen Kommen‐tar versehen werden

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wie auf dem Papier
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Das ist eine Notiz mit dem Notiz-Werkzeug Mit Strg+B kann fett eingeschaltet werden mit Strg+I wird kursiv ein- und ausgeschaltet 1313Um die Antwort zu sehen muss man auf den Kommentar klicken oder ins Kommentare-Fenster gehen
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Dieser mit dem Rechteck Werkzeug umrandete Text wurde von Acrobat automatisch in das Kommentarfeld kopiert1313Mit dem Rechteck‐Werkzeug kann man groumlszligere Abschnitte zum Austausch mar‐kieren Bei Acrobat (nicht im Reader) kann man in den Grundeinstellungenfestlegen (Strg+K K) dass umrandete oder markierte Texte in das zugehoumlrige Kommentarfeld ko‐piert werden Mit Acrobat kann man so Text‐auszuumlge herstellen (Im Kommentare‐Fenster bei gt Optionen mit der Funktion Kommentare
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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      1. InfoStart
                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 19: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

17 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

Zukunft abgewendet wird darf das nicht auf Kosten der heute lebenden Menschen geschehen

Dafuumlr wie sie ihre Emissionsziele erreichen haben die jeweiligen Staaten erheblichen Handlungsspielraum Schaumldliche Nebenwirkunshygen werden dabei aktuell kaum beruumlcksichtigt Im Kyoto-Protokoll werden beispielsweise finanzielle Anreize und die Senkung von Emissionen miteinander verbunden ndash ohne dass dabei auf die widerspruumlchlichen Folgen geachtet wuumlrde In einigen Faumlllen hat dergleichen dazu gefuumlhrt dass diejenigen die aktuell Menschenshyrechte verletzen dafuumlr bezahlt werden dies zu unterlassen Ein internationaler Menschengerichtshof hat festgestellt dass das Abfackeln von Gas in Nigeria das Recht der Anwohner auf Nahrung und Gesundheit verletzt ndash und ihnen Entschaumldigung zugesprochen Der Mechanismus fuumlr umweltvertraumlgliche Entwicklung (CDM) hat in aumlhnlichen Faumlllen Firmen finanzielle Zuschuumlsse zugestanden damit sie kein Gas mehr abfackeln Wenn Menschenrechte Teil der Klimapolitik waumlren wuumlrde es solche Widerspruumlche nicht geben

Staaten und die internationale Gemeinschaft sollten schaumldliche Maszlignahmen nicht nur abstellen sie sollten das Recht auf Nahrung einloumlsen Staaten sollten sich daruumlber Gedanken machen wie Klimaschutz gleichzeitig den Zugang zu die Verfuumlgbarkeit von und die Eignung von Nahrung sichern kann Die Massenproduktion von Biotreibstoffen die zu einem weltweiten Anstieg der Preise fuumlr Nahrungsmittel fuumlhrte ist ein Beispiel dafuumlr was passieren kann wenn dies nicht geschieht Die Produktion von Biotreibstoffen in Brasilien hat gezeigt dass sich Klimaschutz und das Recht auf Nahrung miteinander verbinden lassen Ein noch besseres Beispiel ist die Initiative zur Wiederbegruumlnung der Sahelzone Der aus den Gemeinschaften vor Ort kommende Ansatz Baumlume auf landwirtshyschaftlich genutzten Flaumlchen zu erhalten hat nicht nur zur Absorpshytion groszliger Mengen von Treibhausgas gefuumlhrt sondern auch die Menge der produzierten Nahrung und den Lebensstandard der Bauern erhoumlht

Klimaschutz und Menschenrecht lassen sich also nicht nur miteinander vereinbaren sie koumlnnen sich gegenseitig voranbringen Das Ziel ist das gleiche ndash den Wohlstand fuumlr heutige und zukuumlnftige Generationen mehren Mit Unterstuumltzung der Heinrich-Boumlll-Stiftung hat die Columbia Law School im Dezember 2009 eine Studie daruumlber veroumlffentlicht wie Klima- und Menschenrechtsexperten von einer Zusammenarbeit wechselseitig profitieren koumlnnen Bringt man beides zusammen wuumlrde sowohl dem Klimawandel als auch Menschenrechtsverletzungen besser Einhalt geboten

Diese und andere aktuelle Veroumlffentlichungen zum Verhaumlltnis von Klimawandel und Menschenrechten haben einen Dialog eroumlffnet Bislang waren die Ziele der interdisziplinaumlren Experten noch recht bescheiden In Kopenhagen ging es vor allem darum symbolische Anerkennung fuumlr den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten zu bekommen Symbole sind wichtig Seine wahre Wirkung wird ein solches Symbol aber erst dann entfalten wenn die Politik damit beginnt Menschenrechte zum Teil des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel zu machen

---

Die erwaumlhnte Studie laquo Klimawandel und das Recht auf Nahrung raquo (auf Englisch) fi ndet

sich unter wwwboelldewirtschaftsozialeswelthandelwelthandelndash7985html

Biogemuumlse lt150g CO2 pro kg

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
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              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 20: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

18 KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

KLEINE GESCHICHTE DER HUNGERBEKAumlMPFUNG

Von der Gruumlndung der FAO bis zum Welternaumlhrungsgipfel 2009

ANDREA LIESE UNIVERSITAumlT POTSDAM

1945 Gruumlndung der Ernaumlhrungs- und Landwirtschaftsorganisation der

Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom Seit 1965 ist die

FAO beauftragt die Menschheit von Hunger zu befreien

1948 Art 25 der Allgemeinen Erklaumlrung der Menschenrechte benennt

das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard welches das

Recht auf ausreichende Ernaumlhrung einschlieszligt

1960 Beginn der von der FAO initiierten Freedom from Hunger

Campaign

1963 World Food Congress und Gruumlndung des World Food Proshy

gramme (WFP)

1966 Verabschiedung des Internationalen Pakts uumlber wirtschaftliche

soziale und kulturelle Rechte (laquo Sozialpakt raquo) der 1976 in Kraft

tritt und bislang von 160 Staaten ratifiziert wurde Gemaumlszlig Artishy

kel 11 (1) erkennen die Vertragsstaaten laquo das Recht eines jeden

auf angemessenen Lebensstandard fuumlr sich und seine Familie

an einschlieszliglich ausreichender Ernaumlhrung raquo Gemaumlszlig Artikel

11 (2) akzeptieren sie dass dringliche Maszlignahmen erforderlich

sein koumlnnten um laquo das grundlegende Recht raquo eines jeden zu geshy

waumlhrleisten laquo vor Hunger raquo und Mangelernaumlhrung laquo geschuumltzt zu

sein raquo

1974 Als Antwort auf die weltweite Ernaumlhrungskrise (1972 ndash 74) beshy

auftragt die unter der Schirmherrschaft der UNO stattfi ndende

Welternaumlhrungskonferenz zwei neue Institutionen mit Aufgaben

der Ernaumlhrungssicherung den 1975 einberufenen Welternaumlhshy

rungsrat (der 17 Jahre spaumlter wieder aufgeloumlst wird) und den

Internationalen Fonds fuumlr landwirtschaftliche Entwicklung

(eine Sonderorganisation mit Sitz in Genf zur Bekaumlmpfung

von Armut in laumlndlichen Gebieten) Im Anschluss an die Weltshy

ernaumlhrungskonferenz richtet die FAO ein weltweites Informashy

tions- und Fruumlhwarnsystem fuumlr Ernaumlhrung und Landwirtschaft

ein das Gebiete mit bevorstehender Nahrungsmittelknappheit

identifi ziert

1993 Die Weltbank beruft eine Weltkonferenz zur Uumlberwindung des

weltweiten Hungers ein

1994 Die FAO gruumlndet das Special Programme for Food Seshy

curity zur Ankurbelung der Nahrungsmittelproduktion in

Entwicklungslaumlndern

1996 Auf dem Welternaumlhrungsgipfel in Rom verpflichten sich die

Mitgliedsstaaten auf die Halbierung des weltweiten Hungers bis

2015 (2000 bekraumlftigt als das erste Millenniumentwicklungsshy

ziel) In der Erklaumlrung von Rom zur Welternaumlhrungssicherheit

1996 bekraumlftigten die Staats- und Regierungschefs laquo das Recht

jedes Menschen auf Zugang zu gesundheitlich unbedenklichen

und naumlhrstoffreichen Nahrungsmitteln im Einklang mit dem

Recht auf Nahrung und dem grundlegenden Recht eines jeden

Menschen frei von Hunger zu sein raquo Der Aktionsplan zum Weltshy

ernaumlhrungsgipfel in Rom fordert zudem laquo die inhaltliche Bedeushy

tung raquo des Rechts auf Nahrung und des Schutzes vor Hunger laquo zu

klaumlren raquo und der Umsetzung dieses Rechts laquo besondere Aufmerkshy

samkeit zu widmen raquo

1999 Der Ausschuss fuumlr wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

veroumlffentlicht als Reaktion auf die Aufforderung des Welternaumlhshy

rungsgipfels den Allgemeinen Kommentar Nr 12 zum Recht

auf angemessene Nahrung (Art 11) der als Grundlage fuumlr die

Interpretation des Rechts und der sich daraus ableitenden Staashy

tenpfl ichten gilt

2000 Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen richtet

das Amt eines Sonderberichterstatters fuumlr das Recht auf Nahshy

rung ein

2002 Auf der Nachfolgekonferenz zum Welternaumlhrungsgipfel wird

eine Arbeitsgruppe eingerichtet die 2004 die Freiwilligen Leitshy

linien zur Unterstuumltzung der schrittweisen Verwirklichung des

Rechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen

Ernaumlhrungssicherheit vorlegt Der Rat der FAO verabschiedet

die Leitlinien im November 2004

2004 Einrichtung des aus uumlber 400 Wissenschaftlern bestehenden

Weltagrarrats auf Initiative von FAO und Weltbank

2007 Die FAO ruft die Initiative on Soaring Food Prices ins Leben

die kurzfristige Hilfen (Saatgut Duumlnger Futter Arbeitsgeraumlt)

zur Verfuumlgung stellen Regierungsstellen beraten und zudem

langfristige Strategien zur Steigerung landwirtschaftlicher Proshy

duktion unterstuumltzen soll Das im Fruumlhjahr 2008 angelaufene

Programm wird in 95 Laumlndern durchgefuumlhrt

2008 UN-Generalsekretaumlr Ban Ki-Moon richtet die Hochrangige Arshy

beitsgruppe fuumlr die weltweite Nahrungsmittelkrise ein Ziel der

Arbeitsgruppe ist es kohaumlrente und wirksame Maszlignahmen zur

Bewaumlltigung der Krise zu identifizieren und der Nahrungsmittelshy

unsicherheit zu begegnen

2009 Welternaumlhrungsgipfel in Rom

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

---

21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

---

Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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Page 21: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

19

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

DIE FALSCHEN

WERDEN SUBVENTIONIERT

Die europaumlische Landwirtschaftsreform von 2003 ndash ihre Erfolge und Schwaumlchen und die Ansaumltze fuumlr ihre Weiterentwicklung

BAumlRBEL HOumlHN MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS FUumlR BUumlNDNIS 90 DIE GRUumlNEN

Welternaumlhrung Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt ndash diese drei groszligen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht nur untrennbar miteinander sondern auch mit der Landwirtschaft verbunden Um sie zu meistern braucht es einen grundlegenshyden Wandel der Agrarwirtschaft Das belegt nicht zuletzt der Weltagrarbericht

Die industrielle Landwirtschaft hat die Produktion in den letzten Jahrzehnten weltweit zwar gesteigert den Preis dafuumlr zahlen aber (Klein)Bauern Klima und Umwelt Nur eine nachhaltige Landnutzung in baumluerlichen Strukturen ist in der Lage auf Dauer ausreichend Lebensmittel fuumlr alle zu produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenerhalt zu leisten

Ziel der Agrarreform 2003 war es teuren Fehlentwicklungen wie Butterberge und Milchseen entgegenzuwirken und gleichzeishytig eine gesunde Ernaumlhrung zu sichern die Umwelt zu erhalten und die laumlndlichen Raumlume zu bewahren Die Agrarzahlungen wurden von der Produktion entkoppelt und an Mindeststandards gebunden um Uumlbershymengen abzubauen und Vielfalt in der Fruchtfolge zu foumlrdern Mit den Geldern aus der sogenannten zweiten Saumlule sollten besonders nachhaltige Bewirtschaftungsforshymen honoriert werden

Heute muss man konstatieren dass die zunehmende Intensivierung der europaumlishyschen Landwirtschaft mit der Agrarreform 2003 nicht gestoppt wurde Ursachen sind die unzureichende Mittelausstattung der zweiten Saumlule aber auch die klare Ausrichshytung von Konservativen und Liberalen in der Europaumlischen Union dem Bund und den Laumlndern auf den Weltmarkt Hinzu kommt dass die Europaumlische Agrarpolitik zunehshymend den Widerstand gegen den Anbau von

gentechnisch veraumlnderten Pfl anzen aufgibt und damit eine weitere Abhaumlngigkeit der Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft bestaumlrkt

FEHLENTWICKLUNGEN DER EU-AGRARPOLITIK

Die heutige Agrarpolitik foumlrdert die Falschen 85 Prozent der Direktbeihilfen flieszligen in nur 20 Prozent der Betriebe Beguumlnstigt werden einseitig die Betriebe die ihre Wettbewerbsshyfaumlhigkeit in der Kostenfuumlhrerschaft suchen und dafuumlr auf Industrialisierung chemische und gentechnische Intensivierung setzen Die Schaumlden durch diese fehlgeleiteten Subventionen muumlssen letztendlich von der Gesellschaft teuer bezahlt werden

Unter dem Vorwand Europa als ertragshyreicher Agrarstandort muumlsse die Welt ernaumlhren wird die Massentierhaltung ausgebaut Doch schon heute importiert Deutschland 50 Prozent der benoumltigten Eiweiszligfuttermittel ndash einen Groszligteil davon aus Schwellen- und Entwicklungslaumlndern die die Flaumlchen zur Versorgung der eigenen Bevoumllkerung dringend benoumltigen Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen fuumlr Klima und Biodiversitaumlt die die Abholzung der Regenwaumllder fuumlr den Sojaanbau oder die ausufernden Weideflaumlchen fuumlr die Fleischexporte mit sich bringt

Wenn die Milchbauern in Europa protesshytieren weil der Milchpreis zu stark sinkt werden EU-Exportsubventionen eingefuumlhrt die den europaumlischen Milchbauern zwar auch nicht helfen aber die regionalen Maumlrkte in den Entwicklungslaumlndern zerstoumlshyren So geschehen vor einem Jahr als die Exportsubventionen fuumlr Milch die Milchpulshyverpreise in Uganda um zwei Drittel sinken lieszligen und den Milchmarkt ruinierten

KLIMA- UMWELT- NATUR- UND TIERSCHUTZ SOLLTEN HONORIERT

WERDEN

In Europa brauchen wir eine Agrarpolitik die die Verbrauchersicht einbezieht und die Foumlrderbedingungen fuumlr eine nachhaltige baumluerliche Landwirtschaft verbessert Dieser Weg muss bei der anstehenden Agrarreform konsequent fortgesetzt werden

Agrarpolitik muss oumlkologische und soziale Lenkungswirkung entfalten und Rahmenbedingungen fuumlr faire Preise schaffen Dazu muumlssen alle verfuumlgbaren politischen Instrumente genutzt werden das Ordnungsrecht ebenso wie wirksame Marktregeln Bessere Kennzeichnungen sind ebenso notwendig wie die gezielte Foumlrdeshyrung gesellschaftlicher Leistungen

laquo Oumlffentliches Geld fuumlr oumlffentliche Guumlter raquo muss zum Prinzip werden Betriebe die bei Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz oder bei der Schaffung von Arbeitsplaumltzen uumlber die gesetzlichen Standards hinausgehen sollen dafuumlr honoriert werden Die oumlkologishysche Landwirtschaft als Inbegriff einer nachhaltigen Landbewirtschaftung muss weiter ausgebaut werden Wir Gruumlne haben in unserer Regierungszeit gezeigt dass das geht und wie es geht

Die Europaumlische Union muss ihre Probleshyme im Agrarbereich selbst loumlsen Sie darf die Maumlrkte in Entwicklungslaumlndern nicht laumlnger zerstoumlren sondern muss das globale Recht auf Ernaumlhrungssouveraumlnitaumlt anerkennen und fuumlr mehr Fairness im internationalen Agrarhandel eintreten Exportsubventionen muumlssen endguumlltig abgeschafft werden

All dies sind Wege zur Sicherung einer nachhaltigen baumluerlichen Landwirtschaft zum Klimaschutz und zum Erhalt der Arten

---

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

---

Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

w

z

d

S

d

1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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Page 22: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

20

D

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

AS ALTE DENKENWie die Welternaumlhrungskrise im Deutschen Bundestag diskutiert wird

EIN KOMMENTAR VON THILO HOPPE STELLV VORSITZENDER DES BUNDESTAGSAUSSCHUSSES

FUumlR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

Die hautnahe Konfrontation mit dem Elend des Hungers die ich als Reisekorrespondent fuumlr den Rundfunk in den 80er-Jahren erlebte hat zu meiner intensiven Beschaumlftishygung mit Fragen der Welternaumlhrung und meinem politischen Engagement gefuumlhrt Im Deutschen Bundestag habe ich dann von Anfang an den Kampf gegen den Hunger zu meinem Schwerpunktthema gemacht Mich hat uumlberrascht dass ich im Parlament nur wenige Mitstreiter fand ndash abgesehen von einigen Kolleginnen und Kollegen in meiner Fraktion Dies ist verwunderlich da die Zahl der Hungernden steigt Die strukturelle und sich dramatisch verschaumlrfende Welternaumlhshyrungskrise muumlsste eigentlich als eine der groumlszligten Herausforderungen der Menschheit verstanden werden

In der 16 Wahlperiode konnte ich als Vorsitzender des Ausschusses fuumlr wirtschaftshyliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) das Thema voranbringen ndash unter anderem durch Anhoumlrungen zur laumlndlichen Entwicklung in den Entwicklungslaumlndern zum Recht auf Nahrung zu den Auswirkunshygen des Agrosprit-Booms auf die Ernaumlhshyrungssicherheit und zum neuen und virulenshyten Thema das Landgrabbing Sowohl der alte als auch der neue Sonderberichterstatshyter der Vereinten Nationen fuumlr das Recht auf Nahrung Jean Ziegler und Olivier de Schutter waren dabei Gaumlste

Doch aus der entwicklungspolitischen Nische kam das Thema erst als 2008 die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder liefen und weltweit Hungeraufstaumlnde losbrachen Jetzt wurde zum ersten und bisher einzigen Mal im Plenum des Bundestags auch in der Kernzeit uumlber das Thema Hunger diskutiert ndash und nicht nur im Rahmen entwicklungspolishytischer Fachdebatten

Auffaumlllig ist wie ganz anders uumlber Welternaumlhrung und Hunger in der Welt im Entwicklungsausschuss diskutiert wird als im Ausschuss fuumlr Ernaumlhrung Landwirtschaft und Verbraucherschutz in dem die Agrarshylobby stark vertreten ist Waumlhrend im Agrarausschuss mehrheitlich immer noch vertreten wird dass das Hungerproblem nur durch Produktionssteigerung zu loumlsen sei und dazu die Errungenschaften der industrishyellen Landwirtschaft und des Agrobusiness voll genutzt werden sollten hat sich im Entwicklungsausschuss die Erkenntnis durchgesetzt dass es in erster Linie darauf ankomme in den von Hunger betroffenen Laumlndern eine nachhaltige angepasste Landwirtschaft zu foumlrdern Besonders Kleinbauern sollten durch den Zugang zu Land Kleinkrediten und Agrarberatung in

die Lage versetzt werden Lebensmittel fuumlr lokale und regionale Maumlrkte anzubieten

So stoszligen die Empfehlungen des Weltagshyrarberichts (IAASTD) der im April 2008 veroumlffentlicht wurde im Entwicklungsausshyschuss auf Resonanz von der Mehrheit der Agrarpolitiker werden sie jedoch mit Kopfschuumltteln quittiert Gerade von aumllteren Agrarpolitikern ist oft zu houmlren dass erst durch den Einsatz von Kunstduumlnger Spritz-mitteln und Landmaschinen der Hunger in Europa ausgerottet worden sei

Wie sehr der sich bereits vollziehende Klimawandel das Hungerproblem verstaumlrkt und noch dramatisch vergroumlszligern wird ist mir wie einigen Kolleginnen und Kollegen bei Reisen in die Sahelzone und nach Bangladesch bewusst geworden Aber ich wage die These dass Ausmaszlig und Dramatik der Wechselwirkung von Klimawandel und Hunger der Mehrheit der Parlamentarier nicht klar ist Zu viele sind noch dem alten Denken verhaftet und belaumlcheln die Fordeshyrung nach einer umweltvertraumlglichen und klimaschonenden Agrarstrategie als laquo Luxusshythema raquo der laquo Oumlkos raquo das man sich angesichts uumlber einer Milliarde Hungernder nicht leisten koumlnne Sie lassen sich von Wachsshytumsstrategen und Agrarlobbyisten wie Jeffrey Sachs begeistern die die Welt mit Kunstduumlnger und Gensaatgut uumlberziehen und so den Hunger besiegen wollen

Es ist noch viel Uumlberzeugungsarbeit notwendig damit einer Mehrheit im Bundestag klar wird dass nur eine wirklich gruumlne ndash also oumlkologische ndash Agrar- und Entwicklungsstrategie zukunftsfaumlhig ist eine Sicht- und Herangehensweise die sowohl dem wichtigsten Millenniumsziel der UNO als auch der Herausforderung durch den Klimawandel gerecht wird

Butter 23 800 g CO2 pro kg

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21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

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Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

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1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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Page 23: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

21

KLIMAPOLITIK UND AGRARPOLITIK

WARUM EINFACH WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT

Die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel macht keinen Sinn

TILMAN SANTARIUS

---

Weltweit muumlssen 60 bis 80 Prozent der Emissionen vermieden werden um die Auswirkungen der globalen Erwaumlrmung in Grenzen zu halten Es ist klar Alle Sektoren muumlssen ihren Beitrag leisten ndash von der Industrie uumlber die Haushalte bis hin zur Land- und Forstshywirtschaft Die Landwirtschaft traumlgt weltweit 13 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei berechnete die GTZ 2008 Rechnet man die Landnutzungsaumlnderungen mit ein kommen weitere 18 Prozent hinzu Der Emissionshandel gilt weithin als eines der potentesten Instrumente zur Minderung von Treibhausgasen Ist die Einbindung der Landwirtschaft in den Emissionshandel also wuumlnshyschenswert und ist sie machbar

Zunaumlchst muss klargestellt werden Die Landwirtschaft ist laumlngst in den Emissionshandel integriert und zwar in den internationalen Emissionshandel des Kyoto-Protokolls Dieser Handel fi ndet nur zwischen Regierungen statt Die spannende Frage ist also Sollte die Landwirtschaft auch auf nationaler Ebene in den Emissionshandel zwischen Unternehmen integriert werden etwa in das EU-Emissishyonshandelssystem Dann koumlnnten Aluminiumhuumltten und Energieshykonzerne ihre Zertifikate auch mit Bauern handeln

Befuumlrworter nennen vor allem das hohe und teilweise guumlnstige Vermeidungspotenzial in der Landwirtschaft als Pro-Argument Auch wenn dieses Argument global eine Berechtigung haben mag so haumllt sich das Vermeidungspozential innerhalb der EU in Grenzen 2020 koumlnnten in der europaumlischen Landwirtschaft schaumltzungsweise 2 bis 35 Megatonnen (Mt) Kohlendioxid-Aumlquivalente zu Nullkosten bzw mit betriebswirtschaftlichem Gewinn vermieden werden sowie weitere 30 bis 40 Mt zu einem Preis von rund 15 Euro und weitere 40 bis 50 Mt zu einem Preis von 35 Euro pro Tonne1 Gemessen am Zertifikatspreis der letzten Jahre der zwischen 7 bis 15 Euro pro Tonne lag und den rund 2000 Mt CO2 die durch den EU-Emissionsshyhandel derzeit abgedeckt werden ist das eher bescheiden

Hinzu kommt dass die Messung von Emissionen aus der Landshywirtschaft mit groszligen Unsicherheiten behaftet ist Emissionen aus Haushalten Industrie und Verkehr koumlnnen anhand des Kohlenstoffshygehalts der verwendeten Energietraumlger Kohle Oumll und Gas ziemlich exakt berechnet werden Emissionen aus der Landwirtschaft hingeshygen werden meist geschaumltzt bzw mit komplizierten Methoden berechnet die nicht nur administrativ aufwendig sondern auch fehleranfaumlllig sind Wie stichhaltig kann im Zeitraum eines Jahres berechnet werden wie viel Gramm Treibhausgase aus einem Feld emittiert wurden Die Gesamtemissionen der Landwirtschaft eines Landes moumlgen noch halbwegs plausibel pauschaliert werden Eine solide Emissionsberechnung und -messung fuumlr einzelne Bauernhoumlfe oder Betriebe vorzunehmen bedeutete aber einen auszligerordentlishychen Aufwand Der muumlsste allerdings sichergestellt sein Denn auf dem Emissionshandelsmarkt waumlren Zertifikate aus der Landwirtshyschaft mit denen aus der Industrie vollstaumlndig kompatibel

Anders als in der Industrie bestehen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU nur zu einem geringen Teil aus Kohlendioxid Der uumlberwiegende Teil hingegen stammt zu je gleichen Teilen aus Lachgas (N2O) das vorrangig durch den Einsatz von Duumlngemitteln entsteht und Methan (CH4) welches vor allem aus der Tierhaltung stammt Tatsaumlchlich wuumlrden eine verbesserte Nutzung und Lagerung von Duumlngemitteln und weniger intensive Formen der Tierhaltung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten Ebenso koumlnnten alternative Ackerbaumethoden wie redushyziertes Pfluumlgen extensive Gruumlnlandbewirtschaftung oder intellishygente Mischkulturen zur Speicherung von CO2 in Boumlden beitragen

Allerdings duumlrften die Vollzugskontrolle und das Management des Emissionshandels voumlllig aus dem Ruder laufen wenn Millionen baumluerlicher Betriebe in den Emissionshandel integriert wuumlrden Um die administrativen Kosten in einem angemessenen Rahmen zu halten sollten wenn uumlberhaupt nur landwirtschaftliche Groszligbeshytriebe in den Emissionshandel eingebunden werden schlieszliglich nehmen am EU-Emissionshandel auch nur die groszligen Industrieshyunternehmen bzw die rund 12 000 Verbrennungsanlagen ab einer bestimmten Groumlszlige teil Doch sollen ausgerechnet Tierfabriken und landwirtschaftliche Groszligbetriebe durch den Emissionshandel Flexibilitaumlt bei der Vermeidung eingeraumlumt bekommen obwohl dies die beiden Formen landwirtschaftlicher Produktion sind die die groumlszligten Probleme fuumlr Klimaschutz und Artenvielfalt darstellen

Schlieszliglich wuumlrde die Einfuumlhrung und Erhoumlhung von Steuern etwa auf den Einsatz von Duumlngemitteln oder ordnungsrechtliche Vorgaben fuumlr Pflugbearbeitung und die Aufbereitung von Guumllle mit geringeren Kosten zu besseren Ergebnissen fuumlhren Und sie koumlnnten sowohl fuumlr kleinere wie fuumlr groszlige Betriebe Anwendung fi nden so dass die kleineren nicht benachteiligt wuumlrden Eine politisch wie administrativ aufwendige Einbindung von Groszligbetrieben in die laquo Wunderwaffe Emissionshandel raquo hingegen duumlrfte Gefahr laufen von Steuern und ordnungsrechtlichen Vorgaben als den weit besseren Maszlignahmen abzulenken

Uumlbrigens Die Bauern sollten nicht alleine in der Pfl icht stehen Fuumlr den Klimaschutz waumlre es genauso wichtig Maszlignahmen zur Treibhausgasreduktion in vor- und nachgelagerten Sektoren wie der Erzeugung von Duumlngemitteln und Pestiziden und der Lagerung Verarbeitung und dem Transport von Lebensmitteln ins Werk zu setzen

1 Quelle Bodirsky Benjamin et al (2009) How can each sector contribute to 2degC

wwwpik-potsdamdemembersludererrecipe-1wp-sectors

(PDF-Datei laquoRECIPE_BP_Sectorspdfraquo)

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

Foto

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Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

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d

S

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1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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                                                                      1. InfoStart
                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 24: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

22 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

(FOOD)MILES AND MORE

Aspekte klimafreundlicher Ernaumlhrung

JENNY TEUFEL OumlKO-INSTITUT FREIBURG

Foto

W

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Com

mons

Die oumlffentliche Diskussion um den globalen Klimawandel thematisiert mittlerweile auch die Klimabilanz der Ernaumlhrung Insgesamt traumlgt die Ernaumlhrung in Deutschland mit jaumlhrlich rund 44 Tonnen klimarelevanter Emissionen pro Durchschnittshaushalt ndash dies sind 16 Prozent ndash zu den Treibhausgasshyemissionen bei die durch privaten Konsum verursacht werden

Um die von Menschen verursachte Erderwaumlrmung auf 2deg C zu begrenzen stellt sich die Frage welche Akteure an welchen Stellen der Wertschoumlpfungskette von Lebensmitteln Emissionen reduzieren koumlnnen und welche Maszlignahmen effizient sind Die Zusammenhaumlnge der Lebensmitshytelproduktion sind komplex so dass allgeshy

meine Empfehlungen nur schwer abzuleiten sind

Generell kann aus Klimaschutzgruumlnden der Kauf von saisonal produziertem regionashylen Obst und Gemuumlse befuumlrwortet werden Selbst der Energieverbrauch fuumlr die gekuumlhlshyte Lagerung von regionalen Produkten ist geringer als der Energiebedarf fuumlr den Transport aus Uumlbersee wie beispielsweise im Fruumlhjahr die Aumlpfel aus Neuseeland Waumlchst die regionale Ware allerdings wie bei Salat gaumlngig in beheizten Gewaumlchshaumlushysern so schneiden im Freiland produzierte uumlberregionale Produkte aus Klimaschutz-gruumlnden besser ab solange sie nicht mit dem Flugzeug transportiert werden Spielen nachfolgende Verarbeitungsprozesse des

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

DER

TOMATE CHRISTINE CHEMNITZ

Tomaten sind in Europa das meist

konsumierte Gemuumlse Der Vershy

brauch pro Kopf und Jahr variiert

zwischen 7 kg in den Niederlanden

und 30 kg in Italien Durchschnittshy

lich 22 kg Tomaten isst jeder Deutshy

sche Weltweit wurden 2008 fast 130

Mio t Tomaten auf ca 5 Mio ha Flaumlshy

che produziert 68 Mio t davon sind

weltweit gehandelt worden Spanien

die Niederlande und Marokko sind die

groumlszligten Produzenten frischer Tomashy

ten fuumlr den europaumlischen Markt

Der Ertrag von Tomaten haumlngt

kaum noch vom regionalen Klima

ab sondern vor allem vom Technisieshy

rungsgrad Sonnige Laumlnder wie Mashy

rokko oder Spanien haben nicht unbeshy

dingt houmlhere Ertraumlge als Kanada oder

die Niederlande Entscheidend ist

nicht wo die Tomate angebaut wird

sondern ob das Gewaumlchshaus beheizt

ist wie viel Wasser und Naumlhrstoffe

zur Verfuumlgung stehen und ob die Toshy

mate auf Steinwolle oder normalem

Boden angebaut wird

3 DUumlNGUNG

Den Pflanzen werden mit der Troumlpfshy

chenbewaumlsserung die Naumlhrstoffe zushy

gefuumlhrt Im spanischen Almeriacutea wershy

den im Durchschnitt 750 kg Stickshy

stoff ha und Jahr verwendet 149

kg Phosphor Hektar pro Jahr und

1173 kg Kalium ha pro Jahr

4 WASSERVERBRAUCH

In Deutschland benoumltigt die Produkton

von 1 kg Tomaten 186 l Wasser hinter

den 22 kg Durchschnittsverzehr steshy

cken also rd 4000 l Jedoch werden nur

6 Prozent der in Deutschland vermarkshy

teten Tomaten auch hier produziert

Der durchschnittliche Wasservershy

brauch fuumlr 1 kg Tomaten aus Almeriacutea

betraumlgt 265 l pro kga ndash fuumlr Freilandshy

tomaten aus Israel 60 lkg pro Jahr

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

w

z

d

S

d

1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

A

lex M

acL

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2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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Mit dem Kommentarwerkzeug kann in PDF‐Dateien aumlhnlich wie auf einer gedruckten Pa‐piervorlage markiert redigiert und kommen‐tiert werden Bei umfangreichen Dokumenten entsteht nebenbei im Kommentare‐Fenster eine persoumlnliche Navigation im Kommentare‐Fenster

Das Notizwerkzeug ist am gebraumluchlichsten Geoumlffnet besteht es aus einem Fenster in das Text geschrieben oder uumlber die Zwischenabla‐ge einkopiert werden kann Solche Notizfens‐ter gehoumlren auch zu fast allen anderen Kom‐mentar‐Werkzeugen hinzu

PDF‐Kommentare koumlnnen mit dem Button bdquoKommentar sendenldquo vom Dokument ge‐trennt per E‐Mail verschickt und vom Emp‐faumlnger in die eigene Fassung der Datei impor‐tiert werden

Wenn Sie einen solchen Kommentar beant‐worten wollen benutzen Sie die Antwortfunk‐tion Mit der rechten Maustaste auf den Kommentar klicken Antworten waumlhlen

Nebenstehend ein Ausschnitt des Werkzeug‐Fenster mit dem man im Menuuml gtWerkzeuge gtWerkzeugleiste anpassen die Kommentarty‐pen fuumlr den eigenen Bedarf auswaumlhlt Die Ha‐ken zeigen eine Werkzeug ‐ Auswahl

Das Hervorhebe‐Werkzeug eignet sich wie auf dem Papier fuumlr das Hervorheben kur‐zer Textstellen

Mit dem Rechteck‐Werkzeug kann man groumlszligere Abschnitte zum Austausch mar‐kieren Bei Acrobat (nicht im Reader) kann man in den Grundeinstellungen festlegen (Strg+K K) dass umrandete oder markierte Texte in das zugehoumlrige Kommentarfeld ko‐piert werden Mit Acrobat kann man so Text‐auszuumlge herstellen (Im Kommentare‐Fenster bei gt Optionen mit der Funktion Kommentare zusammenfassen)

Datei als Kommentar anhaumlngen ermoumlglicht das Einfuumlgen einer extra Datei zBeines gescannten Zeitungsausschnittes zum Thema

Mit dem Stempelwerkzeug und der Auswahl Bild aus der Zwischenablage als Stempel ein‐fuumlgen koumlnnen Bildinhalte eingefuumlgt und an‐schlieszligend mit einem zugehoumlrigen Kommen‐tar versehen werden

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wie auf dem Papier
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Das ist eine Notiz mit dem Notiz-Werkzeug Mit Strg+B kann fett eingeschaltet werden mit Strg+I wird kursiv ein- und ausgeschaltet 1313Um die Antwort zu sehen muss man auf den Kommentar klicken oder ins Kommentare-Fenster gehen
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Notiz
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betroffene
Erna Musterantworterin
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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 25: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

23 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

---

Produktes eine Rolle etwa durch Backen von Brot oder die Herstellung von Nudeln so schneidet die regionale Produktion in kleinen Produktionsstaumltten trotz geringerer Distributionsentfernungen unter Klimashyschutzaspekten haumlufig schlechter ab als die industrielle Produktion da die Herstellungsshyprozesse in groumlszligeren Unternehmen in der Regel energieeffi zienter sind

Bei Fleisch wird der Sachverhalt noch komplexer Hier spielen die Haltung die Fuumltterung der Anbau von Futtermitteln und die Produktion von Koppelprodukten wie Milch sowie die Landnutzungsaumlnderungen eine groszlige Rolle so dass bislang ndash bis auf eine Reduktion des Fleischkonsums ndash keine generellen Empfehlungen ausgesprochen werden koumlnnen Mehrere Studien zeigen jedoch dass Guumltertransporte in der Regel einen relativ geringen Anteil an den Geshysamttreibhausgasemissionen eines Produkshytes haben Entsprechend einer typisierenden Betrachtung der Produktzyklen von Lebensshymitteln die in einem durchschnittlichen Haushalt 2000 verzehrt werden ist der Transport fuumlr rund drei Prozent dieser Emissionen verantwortlich Selbst bei Lebensmitteln die aus Uumlbersee nach Deutschland importiert werden macht ihr

Transport sofern er per Schiff LKW und oder Guumlterzug erfolgt nur einen geringen Anteil aus Transporte mit dem Flugzeug sind weit weniger umweltfreundlich Bislang unveroumlffentlichte Berechnungen des Oumlko-Institutes haben ergeben dass zum Beispiel der per Luftfracht transportierte frische Fisch das Vierfache der Treibhausgasshyemissionen nach sich zieht wie der per Schiff transportierte gefrorene Fisch

2006 hat der Transport von Lebensmitshyteln per Luftfracht nach Deutschland Treibhausgase in Houmlhe von 12 Millionen Tonnen CO2-Aumlquivalenten produziert Und die Tendenz zur Luftfracht ist steigend Vergleicht man diese Zahl mit der Import-menge so zeigt sich dass die Luftfracht zwar lediglich 07 Prozent der Verkehrsleisshytung der Lebensmittelbranche stellt gleichshyzeitig verursacht sie aber rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen Der Verzicht auf Flugware kann daher generell als Empfehlung fuumlr ein klimafreundliches Konsumverhalten ausgesprochen werden

Bei einer Betrachtung des gesamten Beduumlrfnisfeldes laquo Ernaumlhrung raquo ndash von der landwirtschaftlichen Produktion uumlber die Verarbeitung Distribution Lagerung und den Handel bis hin zur Aufbewahrung

Zubereitung und Entsorgung im Haushalt ndash kann festgehalten werden dass Maszlignahshymen die auf eine Reduktion der Guumltertransshyporte (abgesehen von Flugtransporten) setzen nur einen sehr geringen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasbilanz leisten koumlnnen Deutlich groumlszligere Effekte sind von Maszlignahmen zu erwarten die die Effizienz von Produktions- und Lagerungsprozessen steigern

Fuumlr die Verbraucher bedeutet das dass sie durch eine Ausstattung des eigenen Haushaltes mit effi zienten Haushaltsgeraumlten einen nicht geringen Beitrag zum Klimashyschutz leisten koumlnnen Auch das eigene Verhalten ist von Bedeutung Die Einkaufs-fahrt mit dem Auto zum acht Kilometer entfernten Bauernhof fuumlr zwei Kilo Aumlpfel macht die guumlnstige Klimabilanz des regional produzierten Produktes schnell zunichte

Die Zahlen und Statistiken im Text haben wir Wiegmann

et al (2005) Reinhardt et al (2009) und Havers (2008)

entnommen

M

w

z

d

S

d

1 MATERIALVERBRAUCH BEI DER PRODUKTION

Mit zunehmendem Einsatz von Steinshy

wolle wachsen die Abfallberge Inshy

zwischen fallen allein in den Nieshy

derlanden jaumlhrlich etwa 200 000m3

Steinwollreste an die entsorgt wershy

den muumlssen

Die Gewaumlchshaumluser bestehen aus

unterschiedlichen Materialien Mashy

rokkanische Tomaten werden meist

unter Folien angebaut Diese wird

durchschnittlich alle 2 Jahre erneushy

ert Hinzu kommen die Fliegengitshy

ter die auch aus Plastik gemacht sind

und die Holz oder Stahltraumlger die die

Gewaumlchshaumluser stabilisieren

2 DEKONTAMINIERUNG

Eine Steinwollmatte wird in der Reshy

gel jedes Jahr ausgetauscht um die

Uumlbertragung von Krankheitserreshy

gern und Schaumldlingen in die naumlchste

Kultur zu vermeiden

In Agadir wird einmal im Jahr der

Boden mit Methylbromid behandelt

um moumlgliche Erreger fuumlr die naumlchste

Generation Tomaten abzutoumlten

5 WEITERVERARBEITUNG UND TRANSPORT

In den Weiterverarbeitungsstationen

werden die Tomaten gewaschen sorshy

tiert gewogen und verpackt Hier beshy

ginnt die Kuumlhlkette ndash Tomaten muumlsshy

sen zwischen 8ndash12deg C gelagert wershy

den Auch waumlhrend des Transports

werden sie gekuumlhlt

Von Agadir nach Berlin legen die

Tomaten einen Transportweg von ca

3900km im Kuumlhllaster zuruumlck

s

1

S

Tomaten aus Agadir fuumlr den frishy

chen Verzehr duumlrfen nicht laumlnger als

4 Tage gelagert werden bis sie im

upermarkt zum Verkauf ausliegen

DIE CO2-BILANZ

Die CO2-Bilanz von Tomaten haumlngt

maszliggeblich von der Produktionsweishy

se ab Regionale Tomaten haben mit

rund 100 g CO2 pro kg den geringsten

oumlkologischen Fuszligabdruck

Tomaten aus beheizten Gewaumlchsshy

haumlusern verursachen mit 11 ndash 14 kg

CO2 pro kg Tomaten mehr als zehnmal

so hohe Emissionen

Die Zahlen wurden uumlbernommen von wwwfruittodacom Michaela C Theurl 2008 und wwwfaoorg

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

A

lex M

acL

ean

2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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Mit dem Kommentarwerkzeug kann in PDF‐Dateien aumlhnlich wie auf einer gedruckten Pa‐piervorlage markiert redigiert und kommen‐tiert werden Bei umfangreichen Dokumenten entsteht nebenbei im Kommentare‐Fenster eine persoumlnliche Navigation im Kommentare‐Fenster

Das Notizwerkzeug ist am gebraumluchlichsten Geoumlffnet besteht es aus einem Fenster in das Text geschrieben oder uumlber die Zwischenabla‐ge einkopiert werden kann Solche Notizfens‐ter gehoumlren auch zu fast allen anderen Kom‐mentar‐Werkzeugen hinzu

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Das Hervorhebe‐Werkzeug eignet sich wie auf dem Papier fuumlr das Hervorheben kur‐zer Textstellen

Mit dem Rechteck‐Werkzeug kann man groumlszligere Abschnitte zum Austausch mar‐kieren Bei Acrobat (nicht im Reader) kann man in den Grundeinstellungen festlegen (Strg+K K) dass umrandete oder markierte Texte in das zugehoumlrige Kommentarfeld ko‐piert werden Mit Acrobat kann man so Text‐auszuumlge herstellen (Im Kommentare‐Fenster bei gt Optionen mit der Funktion Kommentare zusammenfassen)

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wie auf dem Papier
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Notiz
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Durchstreichen
betroffene
Erna Musterantworterin
Notiz
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Notiz
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Rechteck
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          • Green New Deal ndash die Tour
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          • Die Stiftung in Sozialen Netzwerken
            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      1. InfoStart
                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 26: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

24 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

DER

OumlKOLOGISCHE FUSSABDRUCK

VON

RINDFLEISCH

UTE STRAUB

Weltweit liegt der durchschnittliche

Pro-Kopf-Fleischkonsum pro Jahr bei

41 Kilogramm In den USA wird uumlber

120 kg konsumiert in Bangladesh

und Burundi unter 4 kg Jeder Deutshy

sche verspeist durchschnittlich 60 kg

Fleisch im Jahr 38kg vom Schwein

86 kg vom Rind

2009 wurden weltweit knapp

60 Mio t Rindfleisch produziert Mit

122 Mio t sind die USA groumlszligter Proshy

duzent gefolgt vom groumlszligten Exporshy

teur Brasilien (93 Mio t) und der EU

(82 Mio t) Gleichzeitig importiert

die EU Fleisch vor allem aus Neuseeshy

land Argentinien und Brasilien

In Deutschland werden von der

landwirtschaftlich genutzten Flaumlche

fast 40 Prozent (66 Mio ha) fuumlr Rinshy

derhaltung (inkl Anbau von Futtershy

mitteln) in Anspruch genommen Ein

Groszligteil der Futtermittel wird imporshy

tiert ca 32 Prozent aus Brasilien

Viehhaltung ist laut USEPA fuumlr

knapp 32 Prozent des Treibhausgasshy

ausstoszliges der Landwirtschaft vershy

antwortlich Das von Rindern ausshy

gestoszligene Methan ist dabei rund

25-mal so klimaschaumldigend wie Kohshy

lenstoffdioxid Nicht zu vergessen

ist auch das 300-mal so schaumldliche

Lachgas dass durch Uumlberduumlngung

ua auch beim Futtermittelanbau

freigesetzt wird Wie viel CO2-Aumlquishy

valente fuumlr die Produktion von eishy

nem Kilo Rindfl eisch berechnet wershy

den kann je nach Haltungsform und

ob das Tier gleichzeitig der Milchproshy

duktion dient variieren

Foto

A

lex M

acL

ean

2 WEIDEHALTUNG ARGENTINIEN

In Argentinien werden Rinder in der

Regel auf Weideland gehalten Ledigshy

lich in den letzten 2 bis 3 Lebensmoshy

naten werden sie teilweise im Stall

mit Futtermitteln wie Mais oder Soja

gemaumlstet Klimarelevant wird dieshy

se fl aumlchenintensive Haltungsmethode

wenn (Savannen) Waumllder fuumlr zusaumltzlishy

ches Weideland abgeholzt werden

3 FUTTERMITTELshyPRODUKTION

Der Anbau von Futtermitteln wie

Soja spielt eine bedeutende Rolle bei

der Zerstoumlrung des brasilianischen

Regenwaldes Da mit dem Anbau

von Soja houmlhere Gewinne erzielt wershy

den koumlnnen als mit Weideland wershy

den Rinderzuumlchter von ihren Flaumlchen

vertrieben Diese brandroden darshy

aufhin unberuumlhrte Regenwaldgebieshy

te und wandeln sie in Weideland um

welches wiederum nach einiger Zeit

von Soja-Farmern uumlbernommen wird

Jaumlhrlich werden dadurch 14 Mio ha

des Amazonasgebietes fuumlr Weidefl aumlshy

chen zerstoumlrt Der Anbau von Futshy

termitteln in Deutschland wird beshy

sonders klimarelevant wenn dafuumlr

Moorflaumlchen in Ackerboden umgeshy

wandelt werden

laquo WIR ZAHLEN BEREITS ndash OHNE ES ZU BEMERKEN raquo

Uumlber tatsaumlchliche Kosten wahre Preise und die Bedingungen fuumlr eine konkurrenzfaumlhige nachhaltige Landwirtschaft

ANITA IDEL

Milch Kaumlse Huumlhnerbrust und Schweineshykotelett ndash wir leben uumlber unsere Verhaumlltnisse merken es aber meist nicht Denn die tierischen Produkte im Discounter sind nur scheinbar billig ndash durch Mehrfachsubventioshynierung und durch Verlagerung der Kosten in die Zukunft und oft auch in die Entwickshylungslaumlnder Zu diesen verdeckten (im Fachjargon externalisierten) Kosten gehoumlrt die Verschmutzung von Boumlden Gewaumlssern und Grundwasser mit Antibiotikaruumlckshystaumlnden aus der Massentierhaltung und mit Pestiziden fuumlr den Futteranbau in Monokulshytur Doch diese Schaumlden schlagen sich in den Produktpreisen heute ebensowenig nieder wie die Klimafolgen durch (Uumlber)Duumlngung mit synthetischen Stickstoffverbindungen

Fuumlr die Reinigung des Brauchwassers von Ruumlckstaumlnden zahlt jeder Buumlrger Geld direkt an die Wasserwerke Doch eigentlich muumlssten diese Kosten auf die Preise von Putenkeulen Schweineschnitzeln Huumlhnershyschenkeln aufgeschlagen bzw deren Produshyzenten abverlangt werden die das Wasser verdrecken und vergiften

Fuumlr die industrielle Produktion unserer Lebensmittel beanspruchen wir immer mehr Bodenflaumlche im auszligereuropaumlischen Ausland Denn damit Huumlhner in 32 Tagen und Schweine in weniger als sechs Monaten schlachtreif sind muumlssen sie extrem intensiv gefuumlttert werden Der Eiweiszliganteil ndash meist aus Soja ndash stammt uumlberwiegend aus Schwelshylen- und Entwicklungslaumlndern

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      1. InfoStart
                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 27: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

25 KONSUMMUSTER UND ERNAumlHRUNG

1 STALLHALTUNG DEUTSCHLAND

In der Regel dauert es 3 Jahre bis

ein deutsches Rind aus Stallhaltung

schlachtreif ist und etwa 200 kg

Fleisch liefert In diesem Zeitraum

hat jedes Tier fast 1300 kg Getreishy

de und 7200kg Raufutter wie Heu

oder Silage gefressen Hinzu komshy

men etwa 24 m3 Trinkwasser und

weitere 7 m3 Wasser unter anderem

fuumlr die Reinigung der Staumllle In jedem

Kilo Rindfleisch stecken also 65 kg

Quellen FAO 2009 WWF 2009 Foodwatch 2008 IFEU 2009 Oumlko-Institut 2007

Getreide 36kg Raufutter und 155 l

Wasser plus der 15 300 l Wasser die

bereits fuumlr die Produktion der Futshy

termengen benoumltigt wurden

---

4 VERPACKUNG

Wenn Rindfleisch nicht nur in Foshy

lie verpackt wird sondern in Polishy

styrolschalen wie man sie im Einshy

zelhandel oft in Kuumlhlregalen fi ndet

erhoumlhen sich die energetischen Vershy

packungsaufwendungen um mehr als

das 6-Fache

5 TRANSPORT

Rindfleisch aus Argentinien muss

rund 12000km in einem Kuumlhlschiff

zuruumlcklegen bevor es in deutschen

Supermaumlrkten landet Dennoch spieshy

len Transport und Kuumlhlaufwendunshy

gen in der Oumlkobilanz des Rindfl eischs

im Vergleich zu den hohen Aufwenshy

dungen fuumlr die Aufzucht der Tiere

und deren Methanausstoszlig nur eine

untergeordnete Rolle

DIE CO2-BILANZ

Um 1 Kilo frisches Rindfl eisch zu ershy

zeugen werden laut Berechnung des

Oumlko-Instituts 13 300 g CO2 freigeshy

setzt Nicht in Rechnung gestellt ist

hierbei die Abholzung der Waumllder fuumlr

die Produktion von Soja

Wir ndash die Laumlnder der Europaumlischen Union ndash verbrauchen also weit mehr Resshysourcen als wir selbst haben Dafuumlr werden in anderen Weltregionen (Regen)Waumllder abgeholzt Die Landbevoumllkerung der betrofshyfenen Regionen leidet unter der oumlkologishyschen und sozialen Erosion und muss die direkten Auswirkungen des Klimawandels fuumlrchten

Doch indirekt zahlen auch wir bereits und treiben damit die desastroumlse Entwickshylung weiter an ndash mit unseren Steuergeldern Denn die Industrielaumlnder foumlrdern die intensive Tierhaltung durch direkte und indirekte Subventionen So werden die Importe beguumlnstigt die unsere inlaumlndische Uumlberproduktion uumlberhaupt erst ermoumlglichen

Vor dem Hintergrund dieser Zusammenshyhaumlnge und Tendenzen zieht der Weltagrarrat das zwingende Fazit laquo Wir koumlnnen nicht so weitermachen wie bisher raquo Damit nachhaltishyge Landwirtschaft auf Dauer eine Chance hat muumlssen zwei Bedingungen erfuumlllt werden

ndash Nach dem Verursacherprinzip muumlssen die Verantwortlichen fuumlr oumlkologische und soziale Schaumlden haften so dass sich die tatsaumlchlichen Kosten in den wahren Preisen niederschlagen Man spricht

dabei von einer Internalisierung der Kosten

ndash Wo die Hersteller landwirtschaftlicher Guumlter Entwicklungen foumlrdern die dem Tier- Natur- und Verbraucherschutz und letztlich dem Gemeinwohl zugutekomshymen muumlssen sie dafuumlr bezahlt werden

Ist es nicht absurd dass wir heute fuumlr Milch und Fleisch von artgerecht gehaltenen Rindern mehr bezahlen muumlssen als wenn sie dauerhaft in Staumlllen leben und ein Teil des Futters aus Uumlbersee stammt Nicht die Weidenutzung sondern ressourcen- und energieverbrauchende Haltungssysteme Graslandumbruch und die Abholzung von Regenwald schaumldigen das Klima Zudem macht erst die Sojafuumltterung Rinder zu Nahrungskonkurrenten der Menschen

Mangelnde Wahrnehmung und Ignoranz entwerten zunehmend die Leistungen der Oumlkosysteme fuumlr die Qualitaumlt der Boumlden der Gewaumlsser der Luft und der biologischen Vielfalt

Haumlufig ersetzt intensiver Maisanbau Grasland welches das Potenzial hat mehr Kohlenstoff ndash und somit den lebensnotwenshydigen Humus ndash im Boden zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Bewirtschaftung

Multifunktionalitaumlt ist das Stichwort unter welchem die vielen Funktionen der Landwirtschaft wie etwa der Erhalt landshyschaftlicher Schoumlnheit die Bereitstellung von Erholungsmoumlglichkeiten und die Foumlrderung von Gesundheit zusammengeshyfasst werden Entgegen der in Europa verbreiteten Einschaumltzung ist die Honorieshyrung dieser sogenannten Oumlkosystemdienstshyleistungen kein Luxus sondern eine Vorausshysetzung fuumlr unser Uumlberleben

Buchtipp laquoDas Ende der Landschaftraquo

Der Fotograf Alex MacLean hat die USA von

oben aufgenommen ndash die Ebenen Wuumlsten

Vorstaumldte Straszligennetze Und man sieht

Diese Landschaft ist im Wuumlrgegriff des Nutshy

zens Jeder Meter vermessen in Quadrate

zerteilt ihrer Schoumlnheit und Wildheit

beraubt

Alex MacLean laquoOver Der American Way of

Life oder Das Ende der Landschaftraquo Verlag

SchirmerMosel 2008

26

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

MACHT ZU VIEL HANDEL HUNGER Streitgespraumlch uumlber Welternaumlhrung und die Rolle des Agrarhandels bei der Bekaumlmpfung des Hungers zwischen

Marita Wiggerthale (Oxfam-Deutschland) und Klaus-Dieter Schumacher (Handelsunternehmen Toepfer-International)

MODERATION CHRISTINE CHEMNITZ

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CHRISTINE CHEMNITZ Wie wichtig ist der Agrarhandel fuumlr die Ernaumlhrung der Welt KLAUS-DIETER SCHUMACHER Die UN-Organisation Landwirtschaft und Ernaumlhrung (FAO) hat im Oktober 2009 eine Schaumltzung vorgelegt dass die Lebensmittelshyproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen muss Aus unserer Sicht scheint die Groumlszligenshyordnung realistisch Das heiszligt dass wir bereits bis 2020 enorme Anstrengungen unternehmen muumlssen um der steigenden Nachfrage durch Bevoumllkerungswachstum Einkommenssteigerung Veraumlnderung der Essgewohnheiten und Urbanisierung Rechnung zu tragen Wir koumlnnen diese Steigerung schaffen auch in nachhaltiger Weise Doch um den Hunger zu verringern ist die Produktion von Lebensmitteln nicht der einzige Gradmesser es kommt auch auf die Verteilung an

CHEMNITZ Wie bewerten Sie die Rolle der groszligen Agrarhandelsunternehmen bei der Ernaumlhrungssicherheit der Welt SCHUMACHER Das ist nicht eindeutig zu beantworten Exporte aus der EU Argentishynien oder Nordamerika etwa nach Nordafrishyka leisten selbstverstaumlndlich einen Beitrag zur Ernaumlhrungssicherheit weil dort sonst weniger Nahrungsmittel auf die Maumlrkte gelangten Allerdings sollten die Industrieshylaumlnder nicht wie in der Vergangenheit den Export mit direkten Subventionen unterstuumltshyzen Solch eine Politik hat in vielen Gebieten die heimische Produktion nachhaltig geschaumldigt MARITA WIGGERTHALE Handel ist ja nicht per se problematisch es gibt natuumlrlich Laumlnder die ihre Nachfrage nicht komplett mit einheimischer Produktion bedienen koumlnnen Doch Zu viel Handel macht

Hunger Der Freihandel wird von den Handelsunternehmen der Ernaumlhrungsinshydustrie und den groszligen Konzernen forciert Gerade im Getreidehandel haben wir eine hohe Konzentration fuumlnf Haumlndler kontrolshylieren rund 70 Prozent weltweit Die Kontrolle der Konzerne uumlber Ressourcen wie Land und Wasser nimmt zu und sie verdraumlnshygen die einheimische Produktion durch ihre Importe SCHUMACHER Zu viel Handel macht Hunger Nein im Gegenteil Der Reismarkt in der ersten Jahreshaumllfte 2008 war ein Paradebeispiel dafuumlr wie zu wenig Handel Hunger verursacht Nehmen Sie die Exshyportembargos die Laumlnder wie China Brasilien teilweise auch Indien damals fuumlr Reis beschlossen hatten So wurde das Angebot auf dem Weltmarkt kuumlnstlich verknappt obwohl die Nachfrage da war

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 29: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

27 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Die egoistische Innenpolitik dieser Laumlnder die Preise bei sich moumlglichst niedrig zu halten hat die anderen Entwicklungslaumlnder viel staumlrker getroffen als es die Angebotsshyengpaumlsse auf dem Weltmarkt konnten Zur Marktmacht generell und zur Liberalishysierung Sie uumlberschaumltzen den Einfl uss der Handelsunternehmen auf die Preisbildung Es gibt zumindest bei pfl anzlichen Produkshyten kein Unternehmen das einseitig in der Lage waumlre die Preise von heute auf morgen substanziell zu bewegen Dagegen spricht die groszlige Transparenz auf diesen Maumlrkten WIGGERTHALE Wenn Sie eine Liberalisieshyrung in Bereichen forcieren in denen einheimische Produkte mit den Importen nicht konkurrieren koumlnnen wird die einheimische Produktion verdraumlngt und den Bauern gehen Einnahmen verloren Das meine ich mit laquo zu viel Handel raquo Also ein Handel bei dem die Zoumllle nicht so ausgestalshytet sind dass sie die kleinbaumluerlichen Produzenten effektiv schuumltzten

Zur Reiskrise Da kommen laumlngerfristige Faktoren ins Spiel weil die Regierungen entweder selbst oder gezwungen durch IWF und Weltbank eine Liberalisierung der Maumlrkte durchgesetzt hatten Nehmen Sie Haiti Vor 20 Jahren war das Land Selbstvershysorger 1995 wurden durch Strukturanpasshysungsprogramme die Reiszoumllle von 50 auf drei Prozent gesenkt Inzwischen werden 80 Prozent importiert und es gibt groszligen Hunger in den Anbaugebieten Oder Hondushyras Dort wurden nach dem Hurrikan Ende der 1990er-Jahre die Reiszoumllle gesenkt da die Nachfrage da war Letztendlich haben die Importe aber dazu gefuumlhrt dass die eigene Produktion um 86 Prozent zuruumlckgeshygangen ist Der Sektor ist praktisch kollabiert

2008 ist es in der Tat so gewesen dass es Exportbeschraumlnkungen u a von Indien gab Dies war aus nationaler Perspektive nachshyvollziehbar weil es einen Infl ationsdruck in Indien gab und die Regierung die Exportbeshyschraumlnkungen als Mittel betrachtete die Inflation niedrig und die einheimischen

Preise stabil zu halten Dadurch entstand eine Angst vor Verknappung es kam zu Panikkaumlufen auf den Philippinen Spekulanshyten kamen Es entstand eine Teuerungswelle Die Schlussfolgerung ist aber fuumlr mich nicht Exportbeschraumlnkungen sind per se probleshymatisch und deswegen brauchen wir mehr Freihandel Was wir brauchen ist mehr Koordination SCHUMACHER Es wird zu einem Wachsshytum der Nachfrage kommen und weil es in vielen Laumlndern Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage vor Ort geben wird brauchen wir Handel Wie wir ihn gestalten ist eine zweite Frage Es sollte nur nicht zu einem Bashing des Handels als Ursache aller Probleme kommen Es ist zu einseitig mit dem Finger allein auf die westlichen Industrielaumlnder zu zeigen die fuumlr eine weitere Liberalisierung sind Das ist nur ein Teil des Problems Der andere Teil sind die Rahmenbedingungen wie es sie in vielen Entwicklungslaumlndern gibt Wie

werden Importbestimmungen fuumlr Getreide gehandhabt Wer verdient daran im Inland Wie wird die Verteilung vorgenommen Wie hoch ist die Korruption Dahinein spielen Themen wie Lagerhaltung Logistik Distrishybution ndash ein Riesenfass das es aufzumachen gilt WIGGERTHALE Ich sehe Ihre Unterscheishydung zwischen Handel und Freihandel Trotzdem Wie hat sich denn die Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie nach der Nahrungsmitshytelkrise positioniert Wir von Oxfam haben dazu eine Studie in Auftrag gegeben Deutlich wurde dass die Industrie an zwei Enden Druck macht Sie will die Handelsbeshyschraumlnkungen aufheben und die Gunst der Stunde nutzen Gentechnik als Mittel gegen den Hunger voranzutreiben

In der Tat besteht auch bei den nationashylen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf Schutz durch Zoumllle Staumlrkung der lokalen Maumlrkte Unterstuumltzung der kleinbaumluerlichen Produktion Bereitstellung von Beratungsshydienstleistungen Minimierung von Ernteshyverlusten Verbesserung von Infrastruktur Anschluss der Kleinbauern an die lokalen Maumlrkte hellip SCHUMACHER Bei der Verbesserung von Infrastruktur Logistik Anbindung an lokale und regionale Maumlrkte koumlnnen und werden die groszligen Handelsunternehmen aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle spielen Wir koumlnnen helfen diese Maumlrkte zu entwishyckeln etwa durch Einfuumlhrung von Marktinshyformationssystemen Das muss nicht Aufgabe einer Regierung sein das kann ndash vielleicht sogar effizienter ndash im Rahmen von Public Private Partnership (PPP) passieren Voraussetzung fuumlr Handels- wie Verarbeishytungsunternehmen bleibt natuumlrlich die Parallelitaumlt die Entwicklung lokaler und regionaler Maumlrkte und deren Annaumlherung an die Weltmaumlrkte Dabei muss die lokale Entwicklung Prioritaumlt haben WIGGERTHALE PPP ndash da sind wir skepshytisch Das hat mit der starken Position der Unternehmen zu tun Wenn Sie von Infrashystruktur reden frage ich Nutzt es den

Marita Wiggerthale

hat Politik und Wirtschaft studiert Sie ist

seit 2005 bei der Hilfsorganisation Oxfam als

Agrar- und Handelsexpertin taumltig Mit der

2006 gegruumlndeten Transparenzinitiative

setzte Oxfam die Veroumlffentlichung der Empshy

faumlnger von Agrarsubventionen durch Aktuell

setzt sich Oxfam im Rahmen der Supermarktshy

initiative dafuumlr ein dass Supermarktketten

beim Einkauf soziale und oumlkologische Minshy

deststandards einhalten

Klaus-Dieter Schumacher

ist Diplom-Agraringenieur Er arbeitet seit

25 Jahren beim Handelsunternehmen

Toepfer-International und leitet dort die

volkswirtschaftliche Abteilung Das Hamburshy

ger Unternehmen ist eines der groumlszligten Agrarshy

handelsunternehmen der Welt und hat weltshy

weit mehr als 40 Niederlassungen 2009 hat

das Unternehmen 40 Mio t Getreide pfl anzlishy

che Oumlle Oumllsaaten und Futter- und Duumlngemitshy

tel gehandelt

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

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Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

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ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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Page 30: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

28 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

Kleinbauern wirklich an Maumlrkte angeschlosshysen zu werden Oder geht es nur um die groszligen Routen die zum Hafen fuumlhren also um Infrastruktur fuumlr den Export Eine Anbindung der Bauern an die lokalen Maumlrkte kann hilfreich sein aber es gibt bei PPP auch Befuumlrchtungenhellip Wenn etwa eine Supermarktkette die Fortbildung von Kleinbauern organisiert ist das fuumlr sich genommen positiv Wenn sich aber herausshystellt dass durch solche Vertraumlge den Bauern die Preise diktiert werden Unsere Sorge ist dass es sich bei PPP nur um Leuchtturmprojekte handelt und sich an der Unternehmenspolitik im Sinne gleichrangishyger Verfolgung von sozialen oumlkologischen und wirtschaftlichen Zielen nichts oder nur wenig aumlndert SCHUMACHER Ich habe nichts gegen Leuchtturmprojekte und ich wuumlrde mir wuumlnschen dass Sie weniger negativ an diese Projekte herangehen Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren dass es eine Konkurrenz zwischen NGOs und Unternehmen gibt Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte fuumlr Partnerschaften gegen Versorgungsdefizite Zum Beispiel haben wir suumldlich der Sahara in der Kette vom Landshywirt bis zur Verarbeitung zehn bis 25 Prozent Verluste ndash das Getreide wird nicht vernuumlnftig gelagert es gibt keinen guten Vorratsschutz etc CHEMNITZ Wie wollen Sie die Produktion steigern SCHUMACHER Uumlber Preisanreize Die Reaktion der Landwirte auf die hohen Preise 2007 2008 haben gezeigt Wenn Preisanreishyze da sind wird mehr produziert Es gibt ja Gruumlnde dafuumlr warum wir 2008 und 2009 die houmlchsten Getreideernten in der Welt einbrachten Natuumlrlich hing das auch mit dem Wetter zusammen aber es wurde in vielen Regionen der Welt auch mehr angeshybaut Das wird in diesem Jahr schwieriger so wie das Preisniveau jetzt ist Wir muumlssen differenzieren laquoMoumlglichst billigraquo ist nicht unsere Philosophie laquoMoumlglichst billigraquo ist die Philosophie vieler Verbraucher und Supershymarktketten in den Industrielaumlndern Um es ganz deutlich zu sagen Houmlheres Preisniveau bedeutet auch fuumlr ein Handelsunternehmen eine bessere Marge WIGGERTHALE Wobei die Bauern uumlber keine Verhandlungsmacht verfuumlgen und die Preise hinnehmen muumlssen Und es ist ja auch nicht per se in Ihrem Interesse die Bauern hoch zu bezahlen SCHUMACHER Die entscheidende Frage ist Wieweit sind die Preise die die Bauern erwarten beim Verbraucher bzw Lebensmitshyteleinzelhandel durchzusetzen Da beginnt die Geschichte Was will der Verbraucher

bezahlen Ich bin nicht in jeder Beziehung mit dem Deutschen Bauernverband einvershystanden aber eine Sache finde ich wichtig Lebensmittel sind mehr wert Diese Diskusshysion muumlssen wir fuumlhren Ich komme selber vom Bauernhof und weiszlig wie schwierig es ist mit den Abnehmern von Agrarprodukten zu verhandeln Ich weiszlig aber auch dass der Druck auch auf die anderen Glieder der Kette groszlig ist Wo kommt dieser Druck her Warum haben wir diese Konzentration in

der Agrar- und Ernaumlhrungsindustrie Alle Marktteilnehmer stehen unter dem Druck immer guumlnstigere Nahrungsmittelpreise zu ermoumlglichen Das ist die Crux WIGGERTHALE In einem liberalisierten Kontext kommen die Marktkraumlfte in der Wertschoumlpfungskette voll zum Tragen und wer die staumlrkste Marktmacht hat wird seine Konditionen durchsetzen Die Bauern sind es auf jeden Fall nicht auch nicht die Arbeiter sondern die Haumlndler die verarbeishytende Industrie und der Einzelhandel Und Toepfer-International ist ein starker Akteur

Ich sage es mal plakativ Hohe Weltmarktshypreise werden an die Verbraucher weitergeshygeben niedrige Weltmarktpreise an die Erzeuger SCHUMACHER So stimmt das nicht WIGGERTHALE Die EU hat das fuumlr die Milch analysiert Da stimmt es Mit dem Vorwurf laquo Moumlglichst-Billig raquo schieben Sie die Verantwortung auf den Verbraucher was natuumlrlich immer am leichtesten ist Aber der Verbraucher kann auch nur das einkaufen was es im Supermarkt gibt SCHUMACHER In Deutschland haben wir eine besondere Situation durch die ausgeshypraumlgte Konkurrenz im Lebensmitteleinzelshyhandel Vergessen Sie nicht Wir koumlnnen nur dann im Geschaumlft sein und wir sind es seit 90 Jahren wenn wir wettbewerbsfaumlhig sind Und unsere Wettbewerbsfaumlhigkeit wird von unseren Abnehmern diktiert vom Lebensshymitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie nicht vom Landwirt Es gibt gewisse Moumlglichkeiten dem Unterbietungsshywettbewerb gegenzusteuern etwa uumlber contract farming Das tun wir und das geht auch Das hat zur Folge dass es in einigen Bereichen der Ernaumlhrungsindustrie ein Umdenken gibt was wir begruumlszligen WIGGERTHALE Wenn Sie von Wettbeshywerbsfaumlhigkeit reden kommt automatisch das Argument der Sachzwang Wir koumlnnen nicht anders weil hellip Das macht aber nur deutlich wie problematisch das Modell ist das dem Ganzen zugrunde liegt Wenn ich das akzeptiere bestimmen die Marktprinzishypien mein Handeln Das aber fuumlhrt struktushyrell dazu dass die oumlkologischen und soziashylen Folgekosten ausgeklammert bleiben weil sie nicht Teil dieses Geschaumlftsmodells sind Wenn es eine Gleichrangigkeit von Umwelt- Sozial- und Wirtschaftsaspekten gaumlbe wuumlrde die Argumentation mit dem Sachzwang anders ausfallen Dann haumltten wir eine Entwicklung die gut fuumlr die Umwelt waumlre mehr Arbeitsplaumltze schaffen und Armut bekaumlmpfen wuumlrde So folgen wir nur der Logik immer billiger einkaufen um international wettbewerbsfaumlhig zu sein SCHUMACHER Das kann nicht so stehen bleiben Wir haben wissenschaftliche Studien die klar zeigen dass die Einbinshydung der Entwicklungs- und Schwellenlaumlnshyder gerade auch der kleineren Bauern ndash ich spreche nicht von Subsistenzbauern ndash in die internationale Arbeitsteilung ihnen erheblishyche Vorteile gebracht hat Zweitens Bei den sozialen und oumlkologischen Kosten muss es ein Umdenken geben und da sind wir bereits auf dem Weg Aber auch hier muss es eine Akzeptanz der Verbraucher geben Sie muumlssen bereit sein das mitzutragen und zu zahlen Es wird nicht gehen die Kosten nur

Biokartoffeln 150g CO2 pro kg

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

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Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

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gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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29 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

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den anderen Partnern der Kette aufzubuumlrshyden Das muss zu einer gesamtgesellschaftlishychen und gesamtwirtschaftlichen Leistung werden WIGGERTHALE Wer sich nur auf den Verbraucher verlaumlsst ist verlassen Wir brauchen politische Rahmenbedingungen die das sicherstellen CHEMNITZ Wie muss der Handel gestaltet sein dass er zur Minderung des Hungers beitraumlgt WIGGERTHALE In einem fairen Welthanshydelssystem darf kein Land einem anderen schaden sei es durch milliardenschwere Subventionen Dumping oder durch die Forcierung einer Marktoumlffnung die nicht im Interesse des Importlandes ist Es muss Spielraumlume gegeben so dass jedes Land ndash ich spreche fuumlr die Entwicklungslaumlnder ndash die eigene Ernaumlhrungspolitik bestimmen kann Auch aus demokratischem Interesse ist es wichtig dass ein politischer Meinungsbilshydungsprozess stattfindet an dem alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind SCHUMACHER Da sind wir nicht weit auseinander Das Recht jedes Landes seine Agrar- und Ernaumlhrungspolitik selbst zu bestimmen steht auszliger Frage Mir geht es darum Vielfalt zuzulassen und nicht von vornherein Blockaden einzufuumlhren Schutzshymoumlglichkeiten muss es geben das gilt auch heute noch fuumlr einen Teil der Agrarproduktishyon in Deutschland und der EU Aber das darf nicht dahin fuumlhren dass es keine auslaumlndischen Direktinvestitionen in die Landwirtschaft mehr geben darf und eine Fast-Autarkie-Politik betrieben wird Ich plaumldiere fuumlr die Vielfalt der Moumlglichkeiten CHEMNITZ Die Lage aumlndert sich gerade wir kommen in eine Zeit der hohen Lebens-mittelpreise und zwar durch die Konkurshyrenz von Futtermitteln Energiepfl anzen und Nahrungsmitteln ndash das wird eine der Zukunftsdebatten sein Was ist noumltig um bei den perspektivisch hohen Agrarpreisen Nahrungsmittelsicherheit zu gewaumlhrleisten WIGGERTHALE Auch wenn der Zugang zu den Maumlrkten der Industrielaumlnder verbessert werden sollte bleibt unser Fokus Wie koumlnnen wir die Abhaumlngigkeit vom Weltshymarkt reduzieren Welchen Schutz braushychen wir um die einheimische Nahrungsshymittelproduktion zu foumlrdern Wichtig ist die Regulierung der Investitionen Das betrifft die zunehmende Kontrolle der Konzerne uumlber Land und Wasser die Debatten um Landnahme die Rolle von Supermarktketshyten Natuumlrlich brauchen Entwicklungslaumlnder auslaumlndische Direktinvestitionen weil diese zur Armuts- und Hungerbekaumlmpfung und zur Entwicklung beitragen aber Investitioshynen die Arbeitsplaumltze schaffen ohne die

Umwelt zu schaumldigen Wir brauchen Vorabinformationen uumlber Vertraumlge Transpashyrenz die Beteiligung der Zivilgesellschaft Wir brauchen eine Ausstiegsklausel damit in einer Hungerkrise die Versorgung vor Ort Prioritaumlt hat vor dem Export von Futtermitshyteln und Agrartreibstoffen Es muss Regeln geben die verhindern dass Umweltregulieshyrungen als entgangene Gewinne vor dem Gerichtshof eingeklagt werden koumlnnen Die soziale und oumlkologische Regulierung muss

als Beitrag zur Entwicklung international abgesichert werden Nicht allein die Rechte der Investoren auch ihre Pfl ichten muumlssen benannt werden CHEMNITZ Was waumlre besser Internationashyle Regulierung oder Rechte und Pfl ichten bei den jeweiligen Regierungen WIGGERTHALE Die Pflicht liegt bei den Regierungen immer im Sinne ihrer Bevoumllkeshyrung zu handeln Aber gerade im Agrarbeshyreich gibt es einen starken Bedarf nach internationalen Regeln die uumlber freiwillige Selbstverpfl ichtungen hinausgehen

SCHUMACHER Notwendig sind beide Ebenen Nur brauchen internationale Rahmenabkommen viel Zeit Entscheidenshyder ist Wir haben groszligen Bedarf bei den Investitionen in die Landwirtschaft Wir brauchen auch hierfuumlr ein gewisses Geruumlst an Regeln fuumlr die Wirtschaft insgesamt Den Konflikt uumlber die Energiepfl anzen muumlssen wir genau angucken Wenn viele Staaten Beimischungsverpflichtungen fuumlr Biotreibshystoffe implementieren wird eine vollkomshymen unelastische Nachfrage geschaffen Es wird das produziert und beigemischt was das Gesetz vorschreibt Das ist sicherlich der falsche Weg im Sinn von Ernaumlhrungssichershyheit Trotzdem glaube ich dass man auch den Biosprit-Bereich erhalten und ausreishychend Nahrungsmittel produzieren kann WIGGERTHALE Wenn die Hungerbekaumlmpshyfung in den naumlchsten Jahrzehnten vor wesentlich staumlrkeren Herausforderungen steht und es von der Kaufkraft abhaumlngt ob die Menschen sich Lebensmittel kaufen koumlnnen muss der Staat eine viel staumlrkere Rolle spielen Er muss fuumlr die oumlkologischen und sozialen Probleme Rahmenbedingunshygen setzen Und dann stellt sich die Frage Ist die Beduumlrfnisbefriedigung der Armen und Hungernden wichtiger als die Fleischshybefriedigung einer aufstrebenden Mittel-und Oberschicht SCHUMACHER Kein Dissens WIGGERTHALE Fuumlr mich ist die Gretchenshyfrage Wie koumlnnen Konsum- und Produktishyonsmuster den Herausforderungen gerecht werden vor die uns Klimawandel biologishysche Vielfalt Armut und Hunger stellen Ich fuumlrchte dass die sozialen Ungleichheiten zunehmen und wir die Grenzen der oumlkologishyschen Tragfaumlhigkeit der Natur uumlberschreiten mit negativen Folgen fuumlr alle SCHUMACHER Kein groszliger Widerspruch Was aus meiner Sicht leider zu kurz kommt ist dass Unternehmen sich natuumlrlich auch Gedanken machen weil sie auf Dauer am Markt bleiben wollen Das Problembewusstshysein ist gar nicht so anders Es nuumltzt nichts wenn man auf die Unternehmen einhaut sondern man muss gucken Wo sind die Kooperationsmoumlglichkeiten Wo die Uumlberschneidungen WIGGERTHALE Als NGOs sehen wir uns natuumlrlich als diejenigen die sowohl die Unternehmen als auch die Politik in die Pflicht nehmen die Weichen zu stellen um die kuumlnftigen Herausforderungen zu bewaumlltigen

30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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30

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KONSUMVERHALTEN IST

KLIMAWIRKSAM

Was tragen wir durch unsere Essgewohnheiten zum Klimawandel bei

MICHAEL KRAWINKEL amp URSULA CHAVEZ-ZANDER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITAumlT GIESSEN

---

Der Wunsch nach immer mehr Komfort und Bequemlichkeit unsere Nahrungspraumlferenzen und unser Konsumverhalten zeitigen gravieshyrende Folgen fuumlr die Umwelt Bevoumllkerungswachstum und Ernaumlhshyrung sind Haupteinflussfaktoren Verstaumldterung und Verschiebung des Altersspektrums sind wohl von geringerem Einfluss Die Fortshyschritte in der globalen Nahrungsversorgung haben sowohl positive als auch negative Aspekte

Zur laquo guten raquo Seite zaumlhlen die erweiterte Produktionskapazitaumlt fuumlr Nahrungsmittel die verbesserte Ernaumlhrung von Mutter und Kind in den Industrielaumlndern und die Steigerung der Lebenserwartung Erstmals in der Menschheitsgeschichte ist der Zugang zu frischen verderblichen Nahrungsmitteln durch Kuumlhlschraumlnke Verbesserunshygen im Transport und offene Maumlrkte fuumlr viele jederzeit moumlglich

Auf der laquo schlechten raquo Seite stehen Verluste der biologischen Vielfalt Absatzfoumlrderung von stark verarbeiteten Lebens- und Genussmitteln reich an Fett Zucker und Salz kalorische Uumlberernaumlhshyrung und Ausbreitung ernaumlhrungsbedingter Erkrankungen (z B Zuckerkrankheit und Herz- und Kreislauferkrankungen) sowie die hohe CO2-Produktion durch Nutzung fossiler Brennstoffe in der Nahrungsmittelproduktion diverse Aspekte von Ackerbau und Tierhaltung tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei

Die Produktivitaumlt der Landwirtschaft ist in den letzten drei Jahrhunderten stark gestiegen durch Saatgutaustausch Privatisieshyrung von Laumlndereien Herstellung von Duumlngemitteln Mechanisieshyrung der Landwirtschaft Intensivierung der Tierhaltung ndash kurzum durch die zweite Revolution der Landwirtschaft die stark von fossilen Ressourcen als Energiequelle abhaumlngig war und ist Die globale Nahrungsproduktion ist zurzeit in der Lage rund 85 Prozent der Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren allerdings sind nach Schaumltzungen der FAO ca 102 Mrd Menschen weltweit ohne ausreichende Nahrung die meisten in Entwicklungslaumlndern

Energieproduktion Industrie Abfall Landnutzung Forstwirtshyschaft und Landwirtschaft setzen am meisten Treibhausgase frei die Tierhaltung macht davon 18 Prozent aus Der Anteil der Tierhaltung an Landwirtschaft und Forst betraumlgt 50 Prozent und die Tendenz ist steigend Waumlhrend die Getreideproduktion pro Person ruumlcklaumlufi g ist stieg die Fleischproduktion in den letzten vier Jahrzehnten auf 60 Prozent sie betrug global 229 Mio t im Zeitraum 19992001 und wir sind auf dem Weg zu einer Verdoppelung auf 465 Mio t bis 2050 Aktuell wird der Fleischkonsum mit 224 g pro Kopf und Tag fuumlr die Industrielaumlnder angegeben (gegenuumlber 31 g in Afrika 112 g in Suumld- und Ostasien sowie 147 g in Lateinamerika)

Bestrebungen fuumlr eine weniger klimaschaumldliche Ernaumlhrung zielen auf die Verringerung des Fleischkonsums und des Verbrauchs hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie die Reduzierung des Energieaufshywandes in der Fleischproduktion Daneben sind sowohl Lebensmitshytelverarbeitung als auch Herstellung und Entsorgung von Verpashyckungsmaterialien Sektoren in denen klimawirksame Emissionen entstehen Insofern hat auch die Vermeidung aufwaumlndiger Verarbeishytung und Verpackungen ein Potenzial zur Verminderung der Klimashyschaumldlichkeit von Ernaumlhrung

Wodurch entstehen Treibhausgasemissionen bei der Tierproduktion

36 Andere

12

Landwirtschaftlicher

Energieverbrauch

34

354

305

25

Abholzung amp Kuumlnstlicher

Wuumlstenbildung Duumlnger

Darmgasbildung

v Wiederkaumluern Naturduumlngung

Dietz et al laquoDriving the human ecological footprintraquo Front Ecol Environ 2007 McMishy

chael et al laquoFood livestock production energy climate change and healthraquo The Lancet

2007 Krawinkel MB et al laquoWelternaumlhrung im 21 Jahrhundert ndash eine umfassende

Herausforderungraquo BIUZ 2008 Butler CD laquoInequality global change and the sustaishy

nability of civilisationraquo Global Change amp Human Health 2000

31 F

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

---

32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
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Page 33: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

SCHLECHTES WET TER

Absicherung gegen wetter- und klimabedingte Ertragsausfaumllle fuumlr Kleinbauern

LEIF-EREC HEIMFARTH amp OLIVER MUSSHOFF DEPARTMENT FUumlR AGRAROumlKONOMIE UND RURALE ENTWICKLUNG

GEORG-AUGUST-UNIVERSITAumlT GOumlTTINGEN

Wetter- und klimabezogene Ereignisse bergen ein hohes Risikopotenzial fuumlr die Landwirtschaft Extremwetterereignisse wie Hagel heftiger Regen etc aber auch mehr oder weniger regelmaumlszligig auftretende Wetterschwankungen wie etwa Trockenheit gefaumlhrden nicht nur die wirtschaftliche Existenz landwirtschaftlicher Betriebe Bei laquo schlechtem Wetter raquo steht insbesondere fuumlr Menschen in weniger entwickelten Volksshywirtschaften weit mehr auf dem Spiel Es droht eine Gefaumlhrdung von Gesundheit und Leben wenn etwa Grundnahrungsmittel vernichtet werden Dieses Risiko steigt durch den globalen Klimawandel und damit auch der Bedarf an Absicherungsmaszlignahshymen fuumlr die Landwirtschaft

Aber wie kann zum Beispiel ein durchshyschnittlich nur 05 Hektar groszliger Betrieb in China angemessen auf Wetterschwankunshygen reagieren Hinsichtlich eines innerbeshytrieblichen Risikomanagements bieten 05 Hektar Betriebsflaumlche kaum die Moumlglichkeit das Anbauprogramm breit zu faumlchern um die Abhaumlngigkeit von einzelnen Fruumlchten zu mindern Fuumlr Investitionen etwa in eine Beregnungsanlage fehlen meist Kapitalruumlckshylagen und fuumlr eine Fremdfi nanzierung die Sicherheiten Wenn auch noch die Moumlglichshykeit zur Erschlieszligung nichtlandwirtschaftlishycher Einkommensquellen fehlt bleiben nur auszligerbetriebliche Maszlignahmen wie Versishy

cherungen zur Minderung des Wetterrisikos Das Hauptproblem in China aber auch in anderen Schwellen- und Entwicklungslaumlnshydern ist jedoch dass Versicherungen wenn uumlberhaupt verfuumlgbar meist unzureichend auf die Beduumlrfnisse von Kleinbauern zugeshyschnitten sind

Die in vielen Industrielaumlndern weit verbreiteten Wetterkatastrophenversicheshyrungen (z B gegen Hagelschlag) und Ertragsversicherungen (gegen diverse Wetterrisiken) sind mit hohen Transaktions-kosten verbunden Schaumlden muumlssen beshytriebsindividuell bewertet werden um die Versicherungsleistung zu bestimmen Auszligerdem sind insbesondere Ertragsversishycherungen mit einem Verhaltensrisiko behaftet d h ein Landwirt kann nach Abschluss einer Versicherung versuchen auf die Schadenshoumlhe Einfluss zu nehmen Fuumlr Landwirte mit einer Ertragsversicherung wird es in vielen Faumlllen oumlkonomisch zushynaumlchst gar nicht sinnvoll sein beispielsweise starken Auswinterungsschaumlden durch Neubestellung entgegenzusteuern da sie ja ohnehin versichert sind und sich somit die zusaumltzlichen Betriebsmittelausgaben nicht rentieren wuumlrden Damit ist die Umsetzung solcher Risikomanagement-Instrumente in Entwicklungslaumlndern nur wahrscheinlich wenn sie stark subventioniert werden

INDEXBASIERTE VERSICHERUNGEN ALS ABSICHERUNG FUumlR KLEINBAUERN

Theoretische Uumlberlegungen und erste praktische Erfahrungen zeigen jedoch dass neue Konzepte wie indexbasierte Versicheshyrungen gegenuumlber klassischen Loumlsungen durchaus eine attraktive Moumlglichkeit darstellen das Absicherungsspektrum gegen laquo schlechtes Wetter raquo zu erweitern Bei Regionsindexversicherungen wird die Versicherungsleistung z B an einen objektiv gemessenen regionalen Durchschnittsertrag im Maisanbau oder eine durchschnittliche Tiersterberate gekoppelt Bei Wetterindexshyversicherungen (sog Wetterderivaten) haumlngt die Versicherungsleistung von einem objektiv zu beobachtenden Wetterindex wie der Niederschlagssumme innerhalb der Wachstumsperiode ab Damit entfallen bei Indexversicherungen die Kosten fuumlr eine Schadensfeststellung vor Ort Auszligerdem kann der Index nicht vom Landwirt beeinshyflusst werden d h es gibt kein Verhaltensrisiko

Indexversicherungen koumlnnen damit deutlich guumlnstiger angeboten werden als klassische Versicherungen Allerdings ist zu beachten dass sich betriebliche Ertraumlge in der Regel zwar aumlhnlich verhalten wie ein objektiv gemessener Regions- oder Wetterinshydex aber eben nicht genau gleich Deshalb kann es in einzelnen Jahren durchaus zu einem betrieblichen Schaden kommen ohne dass eine Ausgleichszahlung erfolgt (und vice versa) Indexversicherungen haben also den Nachteil dass ein Restrisiko beim Landwirt verbleibt

Vorstellbar waumlre dass eine Provinzregieshyrung Wetterderivate die fuumlr einen Durchshyschnittsbetrieb ausgelegt wurden kauft Anschlieszligend koumlnnten die Ruumlckfl uumlsse aus dem Derivat an Bauern in der Region verteilt werden die nie selbst ein Derivat gekauft haumltten So koumlnnte auch ein Kleinshybauer von Auszahlungen aus einem Derivat profitieren und sich gegen wetterbedingte Ertragsschwankungen absichern

Pilotprojekte in Entwicklungslaumlndern zur Anwendung von Indexversicherungen in der Landwirtschaft gibt es bisher u a in Malawi Indien Marokko und Aumlthiopien Allerdings koumlnnen die Ergebnisse dieser Projekte nicht einfach auf andere Regionen uumlbertragen werden da das Restrisiko in Abhaumlngigkeit von der Heterogenitaumlt der Betriebe bzw des Wetters fuumlr den einzelnen Landwirt sehr verschieden sein kann Es besteht weiterer Forschungsbedarf dahingehend ob und wenn ja in welcher Form sich Wetterderivate in der Landwirtschaft durchsetzen werden

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ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
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Page 34: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

32

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

WER SOLL DAS BEZAHLEN

Oumlkologische Investitionen in die kleinbaumluerliche Landwirtschaft des Suumldens

THEO RAUCH ZENTRUM FUumlR ENTWICKLUNGSLAumlNDER-FORSCHUNG FU BERLIN

Bauer M lebt in der Sahelzone in Burkina Faso Seit rund drei Jahrzehnten spielt die Regenzeit verruumlckt Mal kommt der Regen zu fruumlh mal zu spaumlt mal gar nicht mal kommt er sintflutartig und schwemmt den guten Boden weg Erhoumlhte Niederschlagsvashyriabilitaumlt nennen das die Fachleute Bauer M weiszlig was zu tun waumlre Anderswo in der Region haben sie kleine Steinwaumllle quer zum Hang angelegt einen Teil der Felder in Streifen mit Futterpflanzen Straumluchern und Baumlumen bepflanzt und das anfallende Gruumlnzeug in den Boden eingearbeitet So wird der Boden stabilisiert und die Feuchtigshykeit laumlnger in der Erde gespeichert Zusaumltzshylich koumlnnte man am steilen Hang den Gemeindewald wiederherstellen und ein kleines Wasserstaubecken anlegen Das wuumlrde aber nur Sinn machen wenn alle im Dorf mitwirkten und alternative Weideflaumlshychen fuumlr die Ziegen bereitgestellt wuumlrden

Dort wo all das gemacht wurde sank das Ernteausfallrisiko um uumlber 50 Prozent Doch das hat seinen Preis 20 Prozent der ohnehin nur 12 ha groszligen Ackerflaumlche gehen verloren Das entspricht 80 Kiloshygramm Getreide und 40 Dollar weniger in der Kasse Die mit der Umstellung verbunshydenen Arbeiten nehmen zwei Trockenzeitpeshyrioden in Anspruch waumlhrend derer man nicht zum Geldverdienen an die Kuumlste fahren kann ein Einnahmeausfall von 500 Dollar Fuumlr den Transport der Steine muumlsste man einen LKW mieten Kosten 100 Dollar pro Feld Der Zeitaufwand fuumlr die endlosen Versammlungen bis alle im Dorf sich geeinigt haben ist dabei nicht mitgerechnet Alles in allem wuumlrde es mindestens fuumlnf Jahre dauern bis sich all diese Kosten in Form stabilisierter Ertraumlge amortisiert haumltten

Baumluerin S lebt im Himalaya-Vorgebirge in Nepal Sie bewirtschaftet ein Bewaumlsserungsshyfeld von 04 Hektar Da damit nur 50

Prozent der Nahrungsmittel fuumlr die siebenshykoumlpfige Familie erwirtschaftet werden arbeitet ihr Mann ganzjaumlhrig in Indien Der aumllteste Sohn verdingt sich als Lastentraumlger oder saisonal als Waldarbeiter fuumlr ein illegales Saumlgewerk Mit Hilfe dieser Zusatz-einkommen kann die Familie die noumltigen Nahrungsmittel kaufen

Erdrutsche nicht nur in den Bergregionen und Hochwasser auch im Einzugsgebiet der groszligen Stroumlme im Tiefland haben zugenomshymen Der ehedem von der Zentralregierung organisierte Schutz der Bergwaumllder hat versagt Jetzt wurde per Gesetz die Verantshywortung fuumlr den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Gemeindewaumllder den Dorfgeshymeinschaften uumlbertragen Zusammen mit anderen Baumluerinnen soll Frau S nun in einem doumlrflichen Waldnutzerkomitee dafuumlr sorgen dass im Wald weder Ziegen weiden noch Baumlume gefaumlllt werden Das bedarf der Kontrolle und beansprucht wertvolle Arbeitszeit Und mit dem Verzicht auf die Waldarbeit entfaumlllt eine wichtige Einkomshymensquelle der Familie Fuumlr die Ziegen muumlssen jetzt Staumllle gebaut und Futter gesammelt werden Als fi nanziellen Ausshygleich wird von Regierungsberatern auf die Moumlglichkeit des Sammelns von Heilkraumlutern und Gewuumlrzpflanzen verwiesen Dafuumlr muss ein Absatzmarkt allerdings noch gefunden werden

Rinderhalter A betreibt im nordoumlstlichen Aumlthiopien Viehwirtschaft Waumlhrend der Trockenzeit bestehen die Weiden fuumlr seine sechzig Rinder aus abgeernteten Getreideshyfeldern in der Naumlhe eines Flusses der ganzjaumlhrig Wasser fuumlhrt Waumlhrend der Regenzeit nutzt er entlegenere Weideflaumlshychen Durch die haumlufi ger auftretenden Duumlrreperioden und die verschaumlrfte Konkurshyrenz der Herden um knapper werdende Weiden wird die lebenswichtige Mobilitaumlt immer weiter eingeschraumlnkt Verluste

haumlufen sich A zieht in Erwaumlgung dem Vorbild einiger sesshaft gewordener Hirten zu folgen und zur Rindermast uumlberzugehen Hierfuumlr aber muumlsste er ein Stuumlck Land am Fluss fuumlr die Futterproduktion erwerben und einen Stall bauen Fachleute propagieshyren diese Art der Produktion auch weil sie den Ausstoszlig von Treibhausgas reduziert Die Umstellungskosten sind aber fuumlr A unerschwinglich und die Risiken eines oumlkonomischen Fehlschlags der Rindermast schwer einzuschaumltzen

Der Baumluerin E im Westen Sambias wird von einer NGO organischer Anbau empfohshylen Mischfruchtsysteme organischer statt chemischer Duumlnger biologischer Pflanzenshyschutz Durch die ganzjaumlhrige Bodenbedeshyckung kann der Treibhausgasausstoszlig halbiert und das klimatisch bedingte Ertragsausfallrisiko deutlich reduziert werden E versucht den Empfehlungen der NGO zu entsprechen und stellt fest dass sie fuumlr die Feldarbeit jetzt die doppelte Zeit benoumltigt Das ist fuumlr sie einfach nicht machbar

Bauer T im Nachbarbezirk ist fuumlr neue Landnutzungstechniken aufgeschlossen Er versucht auf eigene Faust bestimmte Praktiken nachhaltiger Landwirtschaft die sich dem Klimawandel anpassen zu uumlbershynehmen Doch auf den Boumlden die er bewirtschaftet funktioniert das nicht Er braumluchte Unterstuumltzung durch die Agrarforshyschung um Techniken zu entwickeln die seinen spezifi schen Standortbedingungen gerecht werden Doch eine NGO die angepasste Agrarforschung und -beratung betreibt wie jene im Nachbarbezirk gibt es hier nicht

Bei all diesen ndash hier vereinfacht skizziershyten ndash Beispielen handelt es sich um Uumlbershygaumlnge zu Formen nachhaltiger Landnutzung Jede der genannten Praktiken traumlgt zur Reduzierung des Ausstoszliges von Treibhausshy

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

---

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 35: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

33 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

gasen bei und koumlnnte ndash von Millionen Kleinbauern und -baumluerinnen praktiziert ndash einen signifikanten Beitrag zur Eindaumlmshymung des Klimawandels leisten Gleichzeitig wuumlrden sie den Bauern dabei helfen negatishyve Folgen des Klimawandels zu bewaumlltigen Mitigation und Adaption in einem

In all diesen Faumlllen sind Investitionen erforderlich ndash Investitionen als Arbeitsleisshytung als unterlassene Nutzung verbunden mit Einkommensausfall als Kosten fuumlr Materialien und Forschungs- und Beratungsshykapazitaumlten Doch wer all seine Zeit und sein begrenztes Land dafuumlr benoumltigt sich und die Familie mit dem Allernoumltigsten zu versorgen kann sich den Konsumverzicht der mit solchen Investitionen kurzfristig verbunden ist nicht leisten und das auch dann nicht wenn nach einigen Jahren der Ertrag verbessert oder zumindest stabilisiert wuumlrde

Selbst wohlhabendere Bauern und Baumluerinnen zoumlgern weil der Nutzen sich oft nur dann einstellt wenn alle mitmachen Auch zweifeln viele ob die Investitionen sich langfristig bezahlt machen Andere wollen die Kosten nicht alleine tragen da doch auch andere davon profi tieren Sie fordern verbindliche Regeln und eine faire Aufteilung von Kosten und Nutzen der Umwelterhaltung Das erklaumlrt warum viele lokale Entwicklungsprojekte nachhaltiger Landnutzung stolz auf ihre Erfolge verweishysen koumlnnen aber gleichzeitig klagen dass diese Praktiken sich so selten unter den nicht direkt gefoumlrderten Landnutzern verbreiten Die Einfuumlhrung nachhaltiger Nutzungsformen bedarf einer externen Bezuschussung Diese ist aus drei Gruumlnden gerechtfertigt

Solche Investitionen erzeugen positive externe Effekte sprich laquo Umweltdienstleisshytungen raquo fuumlr Dritte ndash etwa Hochwasservershymeidung fuumlr Bewohner am Flussunterlauf

von denen die Bauern am Oberlauf keinen oder nur einen schwer vermarktbaren Nutzen haben

Die Investitionen helfen von anderen verursachte Umweltschaumlden (Klimawandel) zu bewaumlltigen Sie rechtfertigen also eine Kompensation nach dem Verursacherprinzip

Die Investitionen waumlren ohne eine Bezuschussung fuumlr die betroffenen Bauern und Hirten nicht zu leisten oder nicht interessant

Nun sind im Rahmen von internationalen Klimavereinbarungen Finanzierungsmechashynismen fuumlr Mitigations- und Anpassungsshymaszlignahmen in den Laumlndern des Suumldens vorgesehen Wie bereits die Erfahrungen mit dem Clean Development Mechanismus (CDM) gezeigt haben stehen den zu erwartenden Finanzmitteln aber bislang keine hinreichenden institutionellen Absorpshytionskapazitaumlten im Bereich der kleinbaumluershylichen Ressourcennutzung gegenuumlber Insbesondere ist es hier schwierig die geforderten Nachweise uumlber den Umfang der Emissionsreduktionen zu erbringen Uumlber welche Kanaumlle koumlnnen also diese Gelder so verteilt werden dass sie zweckgeshybunden als Zuschuss fuumlr nachhaltige Investitionen fuumlr Kleinbauern verfuumlgbar werden

Eine Finanzierung uumlber staatliche Budgets ist ungeeignet weil dann die Zweckbindung der Mittelverwendung kaum durchsetzbar ist Eine eng an Marktmechashynismen angelehnte Finanzierung in Art des Emissionshandels ist ungeeignet weil die quantitative Erfassung der Emissionen bei kleinbaumluerlichen Nutzungspraktiken zu aufwaumlndig waumlre Am geeignetsten erscheishynen deshalb Fondsmodelle In den Laumlndern des Suumldens sollten Ko-Finanzierungsfonds fuumlr die Foumlrderung nachhaltiger kleinbaumluerlishycher Ressourcennutzung eingerichtet werden

Diese Fonds koumlnnten sowohl aus Mitigashytions- als auch aus Adaptionsmitteln geshyspeist werden Zuschuumlsse aus dem Fonds sollten alle staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen erhalten die Programme zur Foumlrderung nachhaltiger Landnutzung durchfuumlhren und einen plausiblen Beitrag zur Eindaumlmmung des Klimawandels und zur Anpassung nachweisen koumlnnen Die Zushyschuumlsse koumlnnten sowohl fuumlr die Finanzieshyrung einschlaumlgiger oumlffentlicher Dienstleisshytungen (z B Forschung) als auch fuumlr die (Teil-)Finanzierung baumluerlicher Investitioshynen dienen

Das hier vorgeschlagene Finanzierungsshymodell entspricht der Logik eines Payment for Environmental Services (PES) Anders als das oft eng marktwirtschaftlich interpreshytierte PES-Konzept eignet es sich aber auch fuumlr Faumllle in denen es keine individuell abgrenzbaren und zahlungswilligen Nutzershygruppen fuumlr Umweltdienstleistungen gibt sowie fuumlr eine Unterstuumltzung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptationsfonds) Entscheidend dabei ist es vorhandenes Wissen uumlber nachhaltige kleinbaumluerliche Landnutzungspraktiken mit den Finanzmitteln aus den globalen Klimashyvereinbarungen zu verknuumlpfen

Kartoffeln 200g CO2 pro kg

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34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
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              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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Page 36: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

34 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

AFRIKAS POTENZIALE

Der Kontinent koumlnnte sich selbst ernaumlhren ndash wie kommt er dahin

STEFAN SCHMITZ LEITER DES REFERATS

laquo LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG UND WELTERNAumlHRUNG raquo Bundesministerium fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach neuesten Zahlen der FAO fuumlr das Jahr 2009 leiden in Subsahara-Afrika 265 Millionen Menschen an Hunger und Unterernaumlhshy

rung Dies sind rund 35 Prozent der dortigen Gesamtbevoumllkerung von denen etwa drei Viertel auf dem Land leben In keiner

Weltregion ist der Anteil hungernder Menschen annaumlhernd so hoch Waumlhrend in allen anderen Teilen der Welt die landwirtschaftlishy

che Produktion in den letzten Jahrzehnten kraumlftig gewachsen ist blieb sie suumldlich der Sahara nahezu unveraumlndert Miserable

Infrastruktur Kriege Buumlrgerkriege schwache Staatsorganisationen sind nur einige der groszligen Hemmnisse Auch Naturkatastroshy

phen plagen den Kontinent der vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird

TECHNIK ALLEIN REICHT NICHT

Verbessertes Saatgut Chemieeinsatz Mechanisierung Bewaumlsseshyrungstechnik ndash all dies waren und sind in den meisten Regionen der Welt treibende Kraumlfte einer beachtlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung Ohne sie waumlre es in den letzten Jahrzehnten unmoumlglich gewesen eine schnell wachsende Weltbevoumllkerung zu ernaumlhren Die Errungenschaften der laquo Gruumlnen Revolution raquo die vor allem in Asien wirksam wurden befluumlgeln daher die Phantasien der Helfer aus den Industriestaaten Aber vor uumlbertriebenen Hoffnunshygen die Ernaumlhrungsprobleme Afrikas mit unrefl ektiertem Einsatz von Technik dauerhaft zu loumlsen kann nicht eindringlich genug gewarnt werden Technik ist eine notwendige aber lange keine hinreichende Bedingung fuumlr eine landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas

Agrarwirtschaftliche Technik bedarf damit sie dauerhaft Fruumlchte traumlgt eines gedeihlichen Umfeldes Erforderlich sind ein fundiertes Wissen wie diese Techniken nutzbringend anzuwenden sind ein politisches und rechtlich stabiles Umfeld das Sicherheit schafft so dass sich Investitionen lohnen und Risiken kalkulierbar sind sowie eine leistungsfaumlhige Infrastruktur ohne die eine Erschlieszligung von Maumlrkten und eine Bildung von Wertschoumlpfungsketten undenkbar sind Bei richtiger Weichenstellung wird die Nachfrage nach Agrarshytechnik dann wie von alleine folgen Und wenn der Einsatz dieser

Techniken den lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten angepasst und im Wissen um agraroumlkologische Systemzusammen-haumlnge erfolgt koumlnnte Afrika das Schicksal vieler anderer Regionen der Welt erspart bleiben in denen die laquo Gruumlne Revolution raquo eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nur um den Preis verschaumlrfter sozialer und oumlkologischer Probleme bewirkt hat

Der Mangel an verfuumlgbaren Nahrungsmitteln ist vielerorts nicht der einzige oder der entscheidende Grund fuumlr den Hunger Wer diesen dauerhaft bekaumlmpfen will muss im Wesentlichen drei Ziele verfolgen Armutsbekaumlmpfung und soziale Sicherung vor allem im laumlndlichen Raum Ertragssteigerung in der Landwirtschaft Schutz der Umwelt und damit auch den Erhalt der natuumlrlichen Ertragsgrundlagen

POLITISCHER WILLE UND DEMOKRATISCHE EIGENVERANTWORTUNG

Diese drei Ziele zu erreichen erfordert Zeit und Geduld Doch es ist moumlglich Afrika kann sich selbst ernaumlhren Die besondere Betroffenshyheit des Kontinents durch HIVAIDS und seine Anfaumllligkeit gegenshyuumlber externen Einfluumlssen wie Naturkatastrophen Klimawandel unguumlnstige Austauschverhaumlltnisse zwischen exportierten und importierten Guumltern sowie weitere Asymmetrien im globalen Wirtschaftssystem sollen nicht geleugnet werden Und trotzdem

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
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Page 37: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

35

Die entscheidenden Weichen um der Hungerfalle zu entkommen koumlnnen und muumlssen die afrikanischen Staaten in eigener Souveraumlnishytaumlt mit eigenem politischen Willen und in eigener Verantwortung stellen Und in den letzten Jahren gab es durchaus erfreuliche politische Entwicklungen und Anlass zur Hoffnung

LAumlNDLICHE ENTWICKLUNG ALS ZENTRALER SCHLUumlSSEL ZUR HUNGERBEKAumlMPFUNG

Armutsbekaumlmpfung Ertragssteigerung und Ressourcenschutz erfordern den politischen Willen zur Durchsetzung einer Vielzahl von Maszlignahmen die je nach Problemlage vor Ort sehr unterschiedshylich sind Ein zentraler Schluumlssel ist jedoch in fast allen betroffenen Laumlndern eine umfassende Entwicklung des laumlndlichen Raumes

Die laumlndlichen Raumlume wurden in den letzten Jahrzehnten straumlflich vernachlaumlssigt Viele politische Fuumlhrer Afrikas wurden in ihrer Ignoranz der laumlndlichen Entwicklung gegenuumlber durch eine internationale Gebergemeinschaft unterstuumltzt die ihre Hilfeleistunshygen fuumlr die Landwirtschaft drastisch reduzierte und sich von der Unterstuumltzung anderer Sektoren groumlszligere Entwicklungsimpulse versprach Private Agrarinvestitionen flossen in wenige exportorienshytierte Bereiche auf die sich haumlufig auch die spaumlrlichen nationalen und internationalen Foumlrderprogramme konzentrierten

Nun kommt es darauf an den laumlndlichen Raum als Kategorie fuumlr Entwicklung wiederzuentdecken und laquo politikfaumlhig raquo zu machen Es gilt anzuerkennen dass hier trotz der Ballung von Armut Hunger und Elend enorme Entwicklungspotenziale und Chancen liegen

ERFORDERLICHE REFORMPROZESSE

Der Hunger muss vor allem auf dem Land uumlberwunden werden Damit laumlndliche Raumlume zu einem Entwicklungsmotor Afrikas werden und einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Ernaumlhrungssishycherheit leisten muumlssen Reformprozesse in Gang gesetzt werden die man wie folgt zusammenfassen kann

ndash Dezentralisierung Staumlrkung der Zivilgesellschaft Verhinderung von Marginalisierung und Gleichberechtigung der Geschlechter

ndash Aufbau von Dienstleistungen in Infrastrukturen im laumlndlichen Raum

ndash Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors

Guumlnstige Voraussetzungen fuumlr Armuts- und Hungerbekaumlmpfung sowie den Erhalt der natuumlrlichen Ressourcen sind besonders dort gegeben wo Macht Geld und Umsetzungsbefugnisse von oben nach unten d h von der Hauptstadt in die Provinzen und Doumlrfer abgeshygeben werden Politische fiskalische und administrative Dezentralishy

ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

KEINE ERNAumlHRUNGSSICHERHEITOHNE GLEICHBERECHTIGUNG

UTE STRAUB HEINRICH-BOumlLL-STIFTUNG

Weltweit produzieren Frauen die Haumllfte aller Nahshy

rungsmittel sowie zwischen 60 und 80 Prozent

der lokal konsumierten Lebensmittel in den Entshy

wicklungslaumlndern Neben der landwirtschaftlichen

Produktion verrichten Frauen zusaumltzlich eine Vielshy

zahl an Aufgaben fuumlr die Familie Sie holen Wasshy

ser und sammeln Brennholz sind verantwortlich

fuumlr die Kindererziehung und Pflege kranker und

alter Familienmitglieder All das macht sie zum

Ruumlckgrat der Ernaumlhrungssicherheit und wirtshy

schaftlichen Entwicklung im laumlndlichen Raum

Gleichzeitig ist in vielen traditionellen Gesellshy

schaften die soziale Stellung der Frau schwach

Der Zugang zu wesentlichen Produktionsmitteln

wie Land Duumlnger und Kredite ist extrem schwierig

fuumlr sie und bleibt ihnen oft ganz verwehrt Ihre

Mitgliedschaft in Interessensvertretungen und

Produktionsgemeinschaften wie Bauernorganisashy

tionen oder Kooperativen sind oft nicht erwuumlnscht

oder ihr Mitspracherecht gering Landwirtschaftshy

liche Inputs und neue Technologien wie etwa vershy

bessertes Saatgut Fortbildungen oder Beratungsshy

dienstleistungen erhalten sie nur schwerlich

All dies hindert Frauen daran ihr Potenzial

das weit uumlber die Versorgung der eigenen Familie

hinausgehen kann auszuschoumlpfen und macht sie

gegenuumlber Auswirkungen des Klimawandels Ernshy

teausfaumlllen und steigenden Lebensmittelpreisen

verletzlicher

In der Vergangenheit wurde oft uumlbersehen

dass Frauen zwar haumlufiger von Armut betroffen

gleichzeitig aber treibende Kraft bei der Hungershy

bekaumlmpfung sind Auch heute beinhalten nur 10

Prozent der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)

die in den Landwirtschaftssektor flieszligt eine geshy

schlechtersensible Perspektive Offensichtlich

werden in gaumlngigen Entwicklungsstrategien Fraushy

en nach wie vor nicht als eigenstaumlndige Produzenshy

tinnen wahrgenommen sondern vielmehr als

Selbstversorgerinnen und unterstuumltzende Kraft

des traditionellen (maumlnnlichen) Familienoberhaupshy

tes Die Programme die sich speziell an Frauen

richten konzentrieren sich meist auf weiblich geshy

fuumlhrte Haushalte Doch um das produktive Potenshy

zial von Frauen im Kampf gegen den Hunger voll

auszuschoumlpfen muss auch die groszlige Mehrheit der

Frauen die in gemeinsam gefuumlhrten Haushalten

leben unterstuumltzt und gestaumlrkt werden

Gebraucht werden Maszlignahmen die auf die

speziellen Beduumlrfnisse der Frauen zugeschnitten

sind So koumlnnen auf lokaler Ebene ein erleichterter

Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsstationen

Kinderbetreuung und Bildungsangebote vieles

bewegen Wir brauchen Rahmenbedingungen die

ihre finanzielle Sicherheit und ihren Zugang zu

Produktionsressourcen dauerhaft absichern sowie

ermoumlglichen dass sie die Kontrolle uumlber die ihnen

gewaumlhrten Kredite und erwirtschafteten Gewinne

behalten Dies alles kann nur erreicht werden

wenn Frauen gleichzeitig ein verbessertes Mitsprashy

cherecht in lokalen nationalen und internationalen

Interessensvertretungen erhalten und an weichenshy

stellenden Entscheidungen staumlrker beteiligt wershy

den Ohne die Beseitigung von Ungleichheit und

Ungerechtigkeit im Verhaumlltnis der Geschlechter

kann Ernaumlhrungssicherheit auf Dauer nicht ershy

reicht werden

36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

ISBN 978-3-86581-198-1

Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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36 ERNAumlHRUNGSKRISE UND KLIMAWANDEL

sierung unterstuumltzt die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Betroffenen und bildet gemeinhin einen guumlnstigen Rahmen fuumlr eine weitergehende Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitaumlten und gemeinschaftlichen Wohlstands Dezentralisierung Staumlrkung zivilgesellschaftlicher Kraumlfte und die Integration marginalisierter Bevoumllkerungsgruppen stehen in einem engen Zusammenhang und wirken alle in die gleiche Richtung Sie geben Betroffenen eine Stimme sichern gesellschaftliche Teilhabe und gewaumlhrleisten dass lokal verfuumlgbares Wissen moumlglichst gut genutzt wird Mindestens ebenso groszlige Bedeutung hat die Staumlrkung der Frauen Es ist empishyrisch belegt dass das Risiko Hunger zu leiden auch vom Status der Frauen abhaumlngt Die Angleichung des Status von Frauen und Maumlnnern hat oft eine deutliche Verbesserung der Ernaumlhrungssituatishyon und eine signifikante Steigerung landwirtschaftlicher Produktivishytaumlt zur Folge

KLEINB ERLICHE LANDWIRTSCHAFT NICHT ALS BUumlRDE SONDERN ALS CHANCE BEGREIFEN

Die laumlndlichen Raumlume Afrikas leiden an ihrer Perspektivlosigkeit Vor allem juumlngere Menschen kehren ihnen den Ruumlcken zu sobald die Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in der Stadt oder im Ausland lockt Laumlndliche Raumlume muumlssen Voraussetzungen fuumlr auskoumlmmliche Betaumltigung bieten Hierfuumlr ist es unerlaumlsslich dass Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitgestellt werden Entshyscheidend ist da manchmal schon der Anschluss an ein Stromnetz und eine Straszlige zur naumlchsten Landgemeinde wenn hierdurch eine Gesundheitsstation eine Schule und ein Markt zum Verkauf der angebauten Produkte erreichbar werden Zu den laquo klassischen raquo Elementen der Daseinsvorsorge ndash Trinkwasser- und Sanitaumlrversorshygung Gesundheits- und Bildungseinrichtungen Elektrizitaumltsversorshygung und Verkehrsanbindung ndash treten neuerdings Mobilfunk- und Internetzugang deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschaumltzt werden kann Weitere Angebote wie landwirtschaftliche Beratung sowie laumlndliche Finanz- und Versicherungsdienstleistungen bilden entscheidende Voraussetzungen fuumlr die Entfaltung privatwirtschaftshylicher Initiativen

In keiner anderen Weltregion ist ein so groszliger Anteil der Bevoumllshykerung von der Landwirtschaft abhaumlngig Wenigen Groszligfarmen stehen Abermillionen Klein- und Subsistenzbauern mit minimalen Anbauflaumlchen sowie Hirten und Fischer gegenuumlber die vorwiegend mit archaischen Methoden den groumlszligten Teil der Lebensmittel produzieren Man kann zwar davon ausgehen dass auf laumlngere Sicht auch Afrika einen Strukturwandel erleben wird an dessen Ende eine merklich geringere Zahl von Kleinbauern steht Jedoch werden auf absehbare Zeit kleinbaumluerliche Strukturen ein bestimshymendes Merkmal afrikanischer Landwirtschaft bleiben Diese kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte man nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen Der Weltagrarbericht stellt sie sogar als wichtigsten Garanten und groumlszligte Hoffnung einer sozial wirtschaftshylich und oumlkologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung heraus

Die kleinbaumluerliche Landwirtschaft sollte allerdings nicht romanshytisch verklaumlrt werden In der derzeitigen Praxis bietet sie keine nachhaltigen Perspektiven Sie ist zu unproduktiv und ineffizient ihre Methoden sind oft gesundheits- und umweltschaumldlich ihnen mangelt es an traditionellem wie an modernem Wissen

Ziel sollte es sein das vorhandene Agrarsystem behutsam weiterzuentwickeln Vor allem die Subsistenzbauern sollten darin unterstuumltzt werden ihre Ertraumlge so weit zu steigern dass sie Uumlberschuumlsse fuumlr den Markt produzieren Dies waumlre ein entscheidenshyder Schritt aus der Massenarmut

EA U

Das erzielte Einkommen wuumlrde der eigenen Existenzsicherung dienen und in die Entwicklung der regionalen Oumlkonomie flieszligen Wo Kleinbauern genuumlgend Land Wasser Geld und Handwerkszeug haben und sich auf Rechtssicherheit laumlndliche Dienstleistungen und eine ihren Beduumlrfnissen angepasste Infrastruktur stuumltzen koumlnnen produzieren sie einen deutlich houmlheren Naumlhrwert pro Hektar als die industrielle Landwirtschaft und das in der Regel mit erheblich niedrigerem externen Input und geringeren Umweltschaumlden Sie koumlnnen sich flexibler den sich veraumlndernden Erfordernissen ihrer Standorte anpassen und mehr Existenzen auf dem Lande sichern weil sie arbeitsintensiver sind Daruumlber hinaus stellen sie die zusaumltzlich produzierten Lebensmittel dort zur Verfuumlgung wo sie tatsaumlchlich gebraucht werden

UND WAS BLEIBT FUumlR DIE GEBER ZU TUN

Wichtig ist dass die Geber die Verantwortung der Partnerlaumlnder fuumlr ihre eigenen Strategien der Hungerbekaumlmpfung anerkennen diese gegebenenfalls aber auch einfordern Sie muumlssen der Versuchung widerstehen eigene Blaupausen zu entwickeln und diese den Partnerlaumlndern aufzuzwingen Sie sollten sich darauf beschraumlnken als Unterstuumltzer der Politikentwuumlrfe Strategien und Maszlignahmen afrikanischer Laumlnder und ihrer zivilgesellschaftlichen Organisatioshynen in Erscheinung zu treten Wenn afrikanische Staaten einen ernsten Willen zur Hungerbekaumlmpfung zeigen und Geber zu ihren finanziellen Zusagen stehen koumlnnen beide Seiten in einen Dialog eintreten der sich durch laquo Partnerschaft auf Augenhoumlhe raquo und gegenseitige Rechenschaftspflicht auszeichnet ndash immer mit dem Ziel die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu optimieren

Geberunterstuumltzung sollte Hilfe zur Selbsthilfe sein Damit die Selbsthilfekraumlfte auch wirklich zur Entfaltung kommen bedarf es neben der politischen Fuumlhrung ausreichender institutioneller technischer und personeller Kapazitaumlten zur Durchfuumlhrung der Reformprozesse Der Aufbau dieser Kapazitaumlten zur Entwicklung des laumlndlichen Raumes bietet vielfaumlltige Betaumltigungsfelder fuumlr Geber ndash sofern eine solche Unterstuumltzung von den Partnerlaumlndern gewuumlnscht und nachgefragt wird

Und nicht zuletzt Geber muumlssen ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie sind gut beraten die Vielzahl ihrer eigenen Politiken auf den Pruumlfstein zu stellen und hinsichtlich ihrer Kohaumlrenz mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu hinterfragen So koumlnnen Handelspolitik Direktinvestitionen Auszligenwirtschaftsfoumlrderung Agrarforschungspolitik oder der Umgang mit geistigen Eigentums-rechten Hilfeleistungen konterkarieren ndash sie koumlnnen bei entspreshychender Ausgestaltung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolishytik dienen die sich der Bekaumlmpfung von Armut und Hunger verschreibt ---Zahlen FAO 2009 Weltagrarbericht 2008

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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

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Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

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SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
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                                                              • Info zum Kommentieren
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Bisher sind unter anderem erschienenBisher sind unter anderem erschienen

1 10 Going Green ndash Die Zukunft hat begonnen

2 09 Klimawandel und Gerechtigkeit

1 1 09 09Green New Deal

PublikationenPublikationen

Mythen der Atomkraft Wie uns die Energielobby hinters Licht fuumlhrt

Von Gerd Rosenkranz Hrsg von der Heinrich-Boumlll-

Stiftung im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 112 Seiten 895 Euro

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Zur Lage der Welt 2010 Einfach besser leben Nachhaltigkeit als

neuer Lebensstil

Hrsg vom Worldwatch Institute in Zusammenarshy

beit mit der Heinrich-Boumlll-Stiftung und Germanshy

watch Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 300 Seiten 1990 Euro

ISBN 978-3-86581-202-5

Wem gehoumlrt die Welt Zur Wiederentdeckung der Gemeinguumlter

Hrsg von Silke Helfrich und Heinrich-Boumlll-Stiftung

Erschienen im oekom Verlag

Muumlnchen 2010 288 Seiten 2490 Euro

ISBN 978-3-86581-133-2

ReihentitelReihentitel

Kommunale Partnerschaften und Netzwerke Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der

Nachhaltigkeit

Von Albert Statz und Charlotte Wohlfarth

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung Schriften zur

Demokratie Band 20

Berlin Maumlrz 2010 128 Seiten

ISBN 978-3-86928-028-8

Nachhaltig aus der Krise Oumlkologische Finanzreform als Beitrag zur Gegenfinanzierung des Krisendefizits Von Damian Ludewig Bettina Meyer und Kai

Schlegelmilch Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Schriften zur Oumlkologie Band 9

Berlin Maumlrz 2010 64 Seiten

ISBN 978-3-86928-026-4

Climate Change and the Right to Food A comprehensive study by the Human Rights

Institute of Columbia Law School and Olivier De

Schutter Edited by the Heinrich Boumlll Foundation

Publication series on ecology Volume 8

Berlin November 2009 160 pages

ISBN 978-3-86928-018-9

Download der Reihentitel wwwboellde

SonderformatSonderformat

Gemeinguumlter ndash Wohlstand durch Teilen Ein Report Von Silke Helfrich Rainer Kuhlen

Wolfgang Sachs und Christian Siefkes

Hrsg von der Heinrich-Boumlll-Stiftung

Berlin 2010 48 Seiten ISBN 978-3-86928-020-2

DossiersDossiers

EcoFair rules Die neue Rolle des internationalen

Agrarhandels im Spannungsfeld der Klima- Ernaumlhshy

rungs- und Wirtschaftskrise wwwecofair-tradeorg

Zuletzt in der Reihe der Discussion Papers erschieshy

nen laquoForeign Direct Investment in the Agricultural

Sector in Ethiopiaraquo October 2009 37 pages

Europaumlische Energiepolitik Energiesicherheit Klishymaschutz Innovation Energiepolitik ist Zukunftsshy

politik Technisch ist der Abschied von Kohle Oumll

Gas und Atomkraft machbar Jetzt muss der Uumlbershy

gang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien polishy

tisch vorangetrieben werden Es geht um Investitishy

onsanreize und Zukunftsmaumlrkte um Energiesichershy

heit und Machtfragen um technische Innovationen

und gesellschaftliches Umdenken Das Dossier bieshy

tet ua Audio-Mitschnitte der gleichnamigen Konfeshy

renz der Heinrich-Boumlll-Stiftung vom Maumlrz 2010

BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

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              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
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                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
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                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
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BoumlllThema 210 Landwirtschaft und Klimawandel

laquoSolange wie wir den Hunger nur halb besiegt haben solange

wie Zweidrittel aller Nationen zu wenig Nahrung haben ndash soshy

lange kann kein Buumlrger kann keine Nation es sich leisten

zufrieden zu sein Wir als Angehoumlrige der Menschheit sind

dazu faumlhig wir haben die Mittel und die Macht den Hunger fuumlr

immer vom Angesicht der Erde zu tilgen Wir muumlssen es nur

wollenraquo

Praumlsident John F Kennedy auf dem World Food Congress

Washington DC 1963

laquoDie Millenniums-Erklaumlrung von 2000 hatte das Ziel bis 2015

den Anteil der Weltbevoumllkerung der an Armut oder Unterershy

naumlhrung leidet zu halbieren Den beunruhigenden Zahlen der

zustaumlndigen internationalen Organisationen zufolge ist die

Welt sehr weit von diesem Ziel entfernt Wir wiederholen unshy

sere Entschlossenheit den Hunger zu besiegen und kommenden

Generationen den Zugang zu sicheren ausreichenden und nahrshy

haften Lebensmitteln zu garantierenraquo

Erklaumlrung des G8-Gipfels der Landwirtschaftsminister

Cison di Valmarino April 2009

Die Heinrich-Boumlll-Stiftung ist

eine Agentur fuumlr gruumlne Ideen und

Projekte eine reformpolitische

Zukunftswerkstatt und ein

internationales Netzwerk mit

weit uumlber hundert Partnerprojekshy

ten in rund sechzig Laumlndern

Demokratie und Menschenrechte

durchsetzen gegen die Zerstoumlshy

rung unseres globalen Oumlkosysshy

tems angehen patriarchale

Herr schaftsstrukturen uumlberwinshy

den in Krisenzonen praumlventiv den

Frieden sichern die Freiheit des

Individuums gegen staatliche und

wirtschaft liche Uumlbermacht

verteidigen ndash das sind die Ziele

die Denken und Han deln der

Heinrich-Boumlll-Stiftung bestimshy

men Sie ist damit Teil der

laquogruumlnenraquo politischen Grundstroumlshy

mung die sich weit uumlber die

Bundesrepublik hinaus in Auseinshy

andersetzung mit den traditionelshy

len politischen Richtungen des

Sozialismus des Liberalismus

und des Konservatismus herausshy

gebildet hat

Organisatorisch ist die Heinrichshy

Boumlll-Stiftung unabhaumlngig und

steht fuumlr geistige Offenheit Mit

28 Auslandsbuumlros verfuumlgt sie

uumlber eine weltweit vernetzte

Struktur Sie kooperiert mit 16

Landesstiftungen in allen Bundesshy

laumlndern und foumlrdert begabte

gesellschaftspolitisch engagierte

Studierende und Graduierte im

In- und Ausland Heinrich Boumllls

Ermunterung zur zivilgesellshy

schaftlichen Einmischung in die

Politik folgt sie gern und moumlchte

andere anstiften mitzutun

wwwboellde

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            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
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                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
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      • Boumlll THEMA 2-2010
        • Der besondere Tipp
          • Green New Deal ndash das Dossier
          • Green New Deal ndash die Tour
          • Deutsch-Israelische Literaturtage
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          • Fuszligball WM 2010
          • Die Stiftung in Sozialen Netzwerken
            • Impressum
            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
              • gt Anzeige Einzelseite
              • Weltkarten der Unterernaumlhrung des Bevoumllkerungswachstum der landwirtschaftlichen Produktivitaumlt
              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
                      • gt Anzeige Einzelseite
                      • Ein neuer Akteur betritt die Buumlhne
                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
                            • Konsummuster und Ernaumlhrung
                              • gt Anzeige Einzelseite
                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
                                        • Ernaumlhrungskrise und Klimawandel
                                          • gt Anzeige Einzelseite
                                          • Macht zu viel Handel Hunger
                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
                                                        • Bisher sind unter anderem erschienen
                                                          • Publikationen
                                                          • Reihentitel
                                                          • Dossiers
                                                            • Ruumlcktitel Boumlll Thema 210 Landwirtschaft und Klima
                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                • Download fuumlr deutsche Sprachausgabe
                                                                      1. InfoStart
                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show
Page 42: Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010...Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Ausgabe 2, 2010 T L Manifest, Interviews, Videos, Debatten auf Programm und Infos

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          • Deutsch-Israelische Literaturtage
          • Campus-Tour
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            • Editorial Landwirtschaft und Klimawandel
            • Inhalt
            • Ernaumlhrungssicherheit ndash ein Problemaufriss
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              • Klimawandel Landwirtschaft und Ernaumlhrung
              • laquoOder bleiben die Armen wieder auf der Streckeraquo
              • Warum haumllt der Weltagrarbericht das Potenzial der Kleinbauern den Hunger zu reduzieren fuumlr so gross
              • Wie muss aus Sicht des Weltagrarberichts (iaastd) eine neue laquoGruumlne Revolutionraquo aussehen die nachhaltig den Hunger reduziert und die Landwirtschaft an den Klimawandel anpasst
              • Die Vielfalt bringtrsquos
                • Vielfalt nicht Masse ndash ein tradiertes Prinzip der Versorgungssicherheit
                • Land oder Wasser ndash die Prinzipien sind gleich
                • Drei zentrale Probleme und Wege zu ihrer Loumlsung
                    • Klimapolitik und Agrarpolitik
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                      • Kleine Geschichte der Hungerbekaumlmpfung
                      • Die Falschen werden subventioniert
                        • Fehlentwicklungen der Eu-Agrarpolitik
                        • Klima- Umwelt- Natur- und Tierschutz sollten honoriert werden
                          • Das alte Denken
                          • Warum einfach wenn es auch kompliziert geht
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                              • Der oumlkologische Fussabdruck der Tomate
                                • 1 Materialverbrauch bei der Produktion
                                • 2 Dekontaminierung
                                • 3 Duumlngung
                                • 4 Wasserverbrauch
                                • 5 Weiterverarbeitung und Transport
                                • Die CO2-Bilanz
                                  • (Food)miles and more
                                  • Der oumlkologische Fussabdruck von Rindfleisch
                                    • 1 Stallhaltung Deutschland
                                    • 2 Weidehaltung Argentinien
                                    • 3 FuttermittelshyProduktion
                                    • 4 Verpackung
                                    • 5 Transport
                                    • Die CO2-Bilanz
                                      • laquo Wir zahlen bereits ndash ohne es zu bemerken raquo
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                                            • Marita Wiggerthale
                                            • Klaus-Dieter Schumacher
                                              • Konsumverhalten ist klimawirksam
                                              • Schlechtes Wetter
                                                • Indexbasierte Versicherungen als Absicherung fuumlr Kleinbauern
                                                  • Wer soll das bezahlen
                                                  • Afrikas Potenziale
                                                    • Technik allein reicht nicht
                                                    • Politischer Wille und demokratische Eigenverantwortung
                                                    • Laumlndliche Entwicklung als zentraler Schluumlssel zur Hungerbekaumlmpfung
                                                    • Erforderliche Reformprozesse
                                                    • Kleinbauerliche Landwirtschaft nicht als Buumlrde sondern als Chance begreifen
                                                    • Und was bleibt fuumlr die Geber zu tun
                                                      • Keine Ernaumlhrungssicherheit ohne Gleichberechtigung
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                                                              • Info zum Kommentieren
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                                                                      2. InfoStart19
                                                                      3. InfoStart19_show