Das Mittelalter – eine „dunkle“ Zeit voll ungebildeter...

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309448 48 Ca. 1150 bis 1350 Städtegründungswelle Ca. 1170 bis ca. 1230 Walter von der Vogelweide: Minnesang 1120 Freiburger Stadtgründungsurkunde Ca. 1098 bis 1179 Hildegard von Bingen: Nonne der Heilmedizin 476 Fall Westrom Ab 11. Jh. n. Chr. Dreifelderwirtschaft 1099 erste Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer 1095 Aufruf Papst Urbans II. zum Kreuzzug 800 n. Chr. Kaiserkrönung Karls des Großen 8. bis 9. Jh. n. Chr. Lehnswesen und Grundherrschaft Ca. 6. Jh. .n. Chr. Benedikt von Nursia verfasst die Benediktinerregel Ca. 500 Geschlecht der Merowinger: Chlodwig Jahr 0 Christi Geburt Das Mittelalter – eine „dunkle“ Zeit voll ungebildeter Menschen, deren Leben unglaublich hart war? oder: die Grundlage unseres heutigen Europas, unserer Gesellschaft und unseres Staatswesens?

Transcript of Das Mittelalter – eine „dunkle“ Zeit voll ungebildeter...

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    Ca.1150bis1350Städtegründungswelle Ca.1170bisca.1230WaltervonderVogelweide:Minnesang 1120FreiburgerStadtgründungsurkunde Ca.1098bis1179HildegardvonBingen:NonnederHeilmedizin 476FallWestrom Ab11.Jh.n.Chr.Dreifelderwirtschaft 1099ersteEinnahmeJerusalemsdurchdieKreuzfahrer 1095AufrufPapstUrbansII.zumKreuzzug 800n.Chr.KaiserkrönungKarlsdesGroßen 8.bis9.Jh.n.Chr.LehnswesenundGrundherrschaft Ca.6.Jh..n.Chr.BenediktvonNursiaverfasstdieBenediktinerregel Ca.500GeschlechtderMerowinger:Chlodwig Jahr0ChristiGeburt

    DasMittelalter–eine„dunkle“ZeitvollungebildeterMenschen,derenLebenunglaublichhartwar?

    oder:dieGrundlageunseresheutigenEuropas,unsererGesellschaft

    undunseresStaatswesens?

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    1.2 Mittelalter

    Weltbild und Lebensgefühl im MittelalterWeltverständnis und Lebensgefühl der Menschen im Mittelalterunterschiedensichtiefgreifendvomheutigen„modernen“Menschen.DieMenschenimMittelaltersahensichineinengöttlichenWelt-undHeilsplaneingeordnet,denniemandgrundsätzlichinfragestellte.VoneinemsolchengöttlichenPlanerhieltensowohlderEinzelne,alsauchdiegesellschaftlichenGruppenAuftragundSelbstsicherheitundzudemdieFähigkeit,dieRisiken,LeidenundNötedesLebenszuertragen,dasfürunsereBegriffemeistunvorstellbararm,hartundkurzwar.

    EbstorferWelt-karte

  • 50 1 In der Vergangenheit geschaffene Bedingungen gegenwärtiger Existenz

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    M 3

    Kurfürsten mit entsprechenden Landeswappen

    M 1

    Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation

    Kampf um Macht und Reich

    0 200km

    Kgr.Frankreich

    Kgr. Polen

    Kgr. Ungarn

    Hzm. Nieder-Lothringen Hzm. Franken

    Hzm.Sachsen

    Kgr. Böhmen

    Österreich

    Hzm.Bayern

    Hzm.Schwaben

    Kgr. Italien

    Mgft. Mähren

    Reich der Almohaden

    Kgr. Sizilien

    Kirchen-staat

    Kgr. Arelat

    Gft.Provence

    Ober-Loth-ringen

    Grenze HeiligesRömisches Reich

    1364G

    ByzantinischesReich

    (um 1180)

    M 2

    Definition Heiliges Römisches Reich deutscher Nation

    1512 erstmals gebrauchte Bezeichnung für das 911/1806 bestehende alte Deutsche Reich; „heilig“ wegen der Schutzherrschaft über die Kirche.

    Quelle: Herders Großes Handlexikon, Bd. 2, Freiburg 1988, S. 373

    Bezeichnung des von Otto dem Großen 962 gegründetem ersten Deutschen Reichs, bestand bis 1806.

    Quelle: Knaurs Lexikon, München 1956, S. 629

    … Gesamtformel für den Herrschaftsbereich des abendländischen römischen Kaisers und der in ihm verbundenen Reichsterritorien vom Mittel-alter bis 1806. Das „Heilige Reich“ gilt in seiner Erweiterung als „Heiliges Römisches Reich“ … als Herrschaftsbereich, der von der „Heiligen Römischen Kirche“ getrennt ist und somit seine eigene Rechts- und Machtsphäre hat. Oberhaupt war der Kaiser, … Die Zusatzformel „deutscher Nation“ bezieht sich demnach einmal auf die Herkunft des Kaisers „deutscher Zunge“, dann auch auf die „deutschen Lande“ eines Römischen Reiches, das sich in zahlreiche einzelstaatliche Gebilde aufgespaltet hatte. …“

    Quelle: Schülerduden Geschichte, Mannheim 1981, S. 187

    Im Deutschen Reich gab es vier Kurfürsten, die den Deutschen Kaiser wählten.

    Zu diesem Reichsfürstenkolle-gium gehörten drei geistliche Fürstbischöfe und vier weltliche Fürsten:

    die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalz-graf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen.

  • 511.2 Mittelalter

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    M 3

    Wichtige deutsche Herrscherlinien (Könige und Kaiser) in Auszügen

    Ab 482 Merowinger 482–511 Chlodwig (497/498 Taufe) Aufteilung des Reiches unter seinen Söhnen Karolingische Hausmeier 679–714 Pippin II. 714–741 Karl Martell (Aufteilung des Reiches unter seinen Söhnen Karlmann und Pippin) 751 Absetzung des letzten merowingischen Schattenkönigs Childerich III.751–911 Karolinger (Fränkisches Herrscherhaus) 751–768 Pippin III. der Jüngere (Sohn des Hausmeiers Karl Martell; 751 zum König erho-

    ben) 768–814 Karl der Große (800 Kaiserkrönung) 814–840 Ludwig der Fromme (Sohn) 843 Teilungsvertrag von Verdun: Karolinger in Lotharingien und im Ostfränkischen

    Reich919–1024 Ottonen (Sächsisches Herrscherhaus)1024–1125 Salier (Fränkisches Herrscherhaus)1138–1254 Staufer (Burg Hohenstaufen, Württemberg) 1138–1152 Konrad III. 1152–1190 Friedrich I. Barbarossa (Kaiserkrönung 1155) 1190–1197 Heinrich VI. (Kaiserkrönung 1191) 1198–1208 Philipp von Schwaben (ermordet 1208) Dazwischen die Welfen: 1198 (1208)–1218 Otto IV. (Kaiserkrönung 1209) 1215–1250 Friedrich II. (Kaiserkrönung 1220) 1220–1235 Heinrich (VII.) 1237–1254 Konrad IV.1254–1273 InterregiumAb 1273 Habsburger (Burg Habsburg, Schweiz) im Wechsel mit den Luxemburgern (1437 ausgestor-

    ben) und den Wittelsbachern (Bayerische und Pfälzische Linie):1356 Goldene Bulle: Entstehung des Wahlkönigtums1438–1806 Deutsches Kaisertum im Hause Habsburg

    Quelle: Morby, John E./Ludwig, Uwe; Handbuch der deutschen Dynastien, Düsseldorf 2006, S. 17–28

    1 Nennen Sie die Unterschiede zwischen den drei Definitionen des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und suchen Sie Gründe dafür. Analysieren Sie die einzelnen Bestandteile des Begriffs: „Heilig“, „Römisch“, „Deutscher Nation“.

    2 Fertigen Sie eine Kopie der Karte M 1 an und listen Sie die heutigen Länder auf, die das Heilige Römische Reich umfasste. Zeichnen Sie zudem die Stammsitze der Geschlechter ein. Beschreiben Sie die Auffälligkeiten. Nennen Sie die Kurfürsten und ordnen Sie sie Ihren Ländern zu.

    3 Berechnen Sie die Regierungszeiten der jeweiligen Geschlechter. Suchen Sie Gründe, wieso die Geschlechter relativ häufig abwechseln.

    4 Notieren Sie, zu welchen Mitteln Menschen heute greifen, um Macht zu erreichen und Macht zu erhalten und vergleichen Sie das mit M 5.

    5 Schlagen Sie fehlende Informationen in einem Lexikon nach, z. B. zu den Schlagwörtern „Goldene Bulle“, „Kurfürsten“, „Investitur“ und „Wormser Konkordat“. Hierzu können Sie ein Kurzreferat erstellen. Suchen Sie die Bedeutung folgender Worte: „Spießrutenlauf“, „Gang nach Canossa“ sowie die Herkunft der Bezeichnungen „RheinlandPfalz“ bzw. „Kurpfalz“. m 224 f.

  • 52 1 In der Vergangenheit geschaffene Bedingungen gegenwärtiger Existenz

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    Macht und Herrschaft im Frankenreich

    M 1

    Lebensbeschreibung von Heinrich IV.

    Geb. Goslar (?) 1050, gest. Lüttich 1106, Sohn Hein-richs III.; bereits 1054 zum dt. König gewählt. Re-gentschaft seiner Mutter, der unsicheren … Agnes von Poitou …, 1062 ließ Erzbischof Anno von Köln auf dem Rhein bei Kaiserswerth den jungen Kg. entführen, der nur durch glückl. Zufall dem Tode durch Ertrinken entging. Unter Annos Führung entwanden die Fürsten Agnes die Reg. Neben Anno gelangte Erzbischof Adalbert von Bremen zu maß-gebendem Einfluss auf die Reichspolitik und auf die Person des Kg. Heinrich. Versuchte seit 1066, selbst zu regieren. Stützte sich … auf die bisher wenig be-deutenden Dienstmannen (Ministerialen). Hielt sich zumeist in Sachsen auf, wo er zur Sicherung seiner … Machtgrundlage … Burgen errichten ließ … 1073 Aufstand der sächs. Fürsten und Bauern. Heinrich musste aus Sachsen fliehen und fand Zuflucht und Unterstützung in Süddeutschland, bes. in der Stadt Worms, die ihren Stadtherrn, den Bischof, vertrieb und Heinrich aufnahm … Papst Gregor VII. warf ihm Simonie (Ämterschacher) vor und drohte mit Absetzung … Gregor verhängte kurz darauf gegen Heinrich den Kirchenbann und löste den Treueeid seiner Untertanen. Fürsten und Bischöfe … drohten

    mit Absetzung, falls Heinrich nicht Aussöhnung mit dem Papst erreiche. Heinrich … erwirkte am 27.1.1077 in Canossa … die Lösung vom Bann. … Die Fürsten wählten jetzt … Rudolf von Rheinfelden … zum Gegenkönig. Im Kampf blieb Heinrich Sieger … ging 1081 … mit seinem Heer nach Italien, ver-trieb … Gregor aus Rom und ließ sich von Klemens (III.) zum Kaiser krönen … Da Heinrich in der In-vestiturfrage keine Zugeständnisse machte, blieb ein Ausgleich mit dem Papst unerreichbar. Der Ab-fall seines Sohnes Heinrich V., der ihn … 1155 zur Abdankung … zwang, brachte das Ende. Heinrich wollte 1106 den Kampf gegen den Sohn aufnehmen, starb aber vorzeitig. Der Kirchenbann wurde erst 1111 gelöst; danach Beisetzung im Dom zu Speyer.

    Quelle: Meyers Lexikon der historischen Persönlichkeiten, Bibliographisches Institut, Mannheim 1968

    M 2

    Straßburger Eide

    Der Erbe des Reiches und Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme (778–840), hatte drei überle-bende Söhne, Lothar (795–855), Ludwig der Deut-sche (806–876) und Karl der Kahle (823–877). Diese waren sich uneins darüber, wer die Macht im Reich erhalten solle. Während Lothar die Kaisergewalt im gesamten Reich beanspruchte, verbündeten sich seine Brüder dagegen, was sie im Jahr 842 in Straß-burg feierlich schwuren.

    So kamen am 14. Februar Ludwig und Karl … zu-sammen und schwuren die unten verzeichneten Eide, Ludwig in romanischer, Karl in deutscher Sprache. Und ehe sie schwuren, redeten sie so das versammelte Volk, der eine in deutscher, der andere in romanischer Sprache an; … , schwur Ludwig als der Älteste, zuerst solches zu tun: „Aus Liebe zu

    Gott und zu des christlichen Volkes und unser bei-der Heil von diesem Tag an in Zukunft, soweit Gott mir Wissen und Macht gibt, will ich diesen meinen Bruder Karl sowohl in Hilfeleistung als auch in an-derer Sache so halten, wie man von Rechtswegen seinen Bruder halten soll, unter der Voraussetzung, dass er mir dasselbe tut;“ …

    Quelle: Nithardi Historiarum libri III. hrsg. v. E.Müller, 1907, S. 35 ff.

  • 531.2 Mittelalter

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    1 Beschreiben Sie anhand der Darstellung zu Heinrich IV. (M 1) die Möglichkeiten, das Frankenreich zu regieren. Analysieren Sie, warum es in Deutschland nicht gelang, eine Zentralgewalt aufzubauen.

    2 Zeichnen Sie einen Stammbaum der im Text genannten Söhne und Enkel Karls des Großen. Ordnen Sie die Söhne nach Alter.

    3 Suchen Sie mögliche Gründe, warum Ludwig und Karl in verschiedenen Sprachen schwuren. Welche Entwicklung deutet sich hier an? Analysieren Sie den Beinamen Ludwigs „der Deutsche“. Was ist überhaupt „deutsch“?

    4 Nennen Sie die Versprechen Ludwigs des Deutschen, in seinem Schwur. Suchen Sie Gründe, warum er sich auf Gott beruft.

    M 4

    „Europa politisch heute“

    M 3

    „Die Entwicklung des Frankenreiches“

    Ein Jahr nach den Straßburger Eiden versöhnten sich Lothar, Lud-wig und Karl und teilten das Reich 843 im Vertrag von Verdun unter sich auf. Nach Lothars Tod, wurde dessen Teil des Reiches zwischen Karl und Ludwig aufgeteilt (Vertrag von Meerssen – bei Maastricht). 880 wurde die Westgrenze von Lothars Reich in einem dritten Vertrag (Vertrag von Ribemont) zur Grenze zwi-schen dem Ost- und dem Westfränkischen Reich. Diese blieb im Wesentlichen während des gesamten Mittelalters die Grenze zwi-schen Frankreich und Deutschland.

    Autorentext

  • 309470

    70 1 In der Vergangenheit geschaffene Bedingungen gegenwärtiger Existenz

    Wissen in Kürze

    MittelalterDer Begriff stammt aus der frühen Neuzeit und bezeichnet die Etappe zwischen dem Ende der Antike und ihrer Wiederentdeckung als mittleres Zeitalter. Es wird auch als „dunkles“ Zeitalter bezeichnet, da es wenig Schriftlichkeit gab. Intoleranz, Unbildung und Aberglauben waren weit verbreitet. Geografisch spricht man vom Mittelalter in Europa und Teilen Asiens sowie Nordafrikas. Zeitlich kann man es noch in Früh- (ca. 5.–10. Jh.), Hoch- (ca. 11.–13. Jh.) und Spätmittelalter (ca. 14.–15. Jh.) unterteilen.

    Gesellschaftliche HierarchieAn der Spitze stand der König bzw. Kaiser, dann folgte der Klerus, dann Adel/Ritter und schließlich Bürger/Bauern. Der König wurde seit Karl dem Großen zum Kaiser gewählt – von sieben Kurfürsten, vier weltlichen (Sachsen, Pfalz, Österreich und Bran-denburg) sowie drei geistlichen (Mainz, Trier, Köln).

    LehnswesenDer König als oberster Lehnsherr vergab Land und Leute an Kronvasallen, d. h. Herzöge und Grafen bzw. Bischöfe und Äbte. Diese versprachen dafür Treue und leis-teten Heer- und Hoffahrt. Sie verliehen Land und Leute weiter an die Untervasallen, z. B. Ritter und Dienstmannen, die ihrerseits Treue schwuren und Dienst in Heer und Verwaltung taten.

    Bei einem schwachen König konnte der Adel weitgehende Selbstständigkeit und Un-abhängigkeit erreichen, da der Vasall nur dem unmittelbaren Lehnsherren Gehorsam und Treue schuldete. Auch der Einzug eines Lehens beim Tode des Vasallen und seine Weitervergabe hingen von der Stärke des Königs ab. Damit schwächte das Lehnswesen an sich die zentrale Herrschaft und begünstigte einen Zerfall der Macht.

    Dreifelderwirtschaft Das Feld lag ein Jahr lang brach, wobei der natürliche Aufwuchs als Weide genutzt wurde. Meist wurde im Herbst gepflügt und ein Wintergetreide ausgesät. Dieses wurde im folgenden Spätsommer geerntet. Nach nochmaligem Pflügen und regelmä-ßiger Bodenbearbeitung zur Unkrautbekämpfung bis zum Frühjahr wurde ein Sommer-getreide ausgesät, das wiederum im Spätsommer geerntet wurde. Bis zum nächsten Herbst wurde die Fläche dann sich selbst überlassen und begrünte sich von allein.

    Bestandteile einer BurgRingmauer, Zugbrücke, Burgtor, Zwinger, Vorburg und Wirtschaftsgebäude, Burg-garten, Burghof und Brunnen, Palas (Herrenhaus), Kemenate (Frauengemach), Berg-fried

    Phasen der Ausbildung zum RitterPage – Knappe – Ritterschlag (Schwertleite)

    w

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    978-3-8045-3094-2-1-l.pdfWissen_in_Kürze_Probeseiten.pdf