Das Netz 2012 - Jahresrückblick Netzpolitik

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kino.to Das Ende der Grauzone? ........................................ 7 Megaupload Aber bitte mit Drama ........................................... 9 Jahresrückblick: Januar 2012.................................... 12 Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter „Es herrscht kalter Krieg“ ....................................... 15 Datenschützer Peter Schaar „Wir müssen wachsam sein“ .................................... 18 Die Urheberrechtsdebatte Einer geht noch................................................. 22 Jahresrückblick: Februar 2012 .................................. 28 Der Big Bang der Netzpolitik ACTA ........................................................... 30 Frauen, Gender, Netzpolitik Wo stehen wir 2012?............................................ 34 Jahresrückblick: März 2012 ..................................... 36 Netzgemüse Schluss mit lustig ............................................... 38 Jahresrückblick: April 2012. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Vorratsdatenspeicherung Was war, was wird .............................................. 44 Archivierung digitaler Medien Mind the gap ................................................... 46 Wikimedia-Vorstand Pavel Richter „Den Kontrollverlust als etwas Positives begreifen“ ............. 50 Jahresrückblick: Mai 2012....................................... 54 Beteiligung über Twitter hinaus Internet-Enquete ............................................... 56 Was Facebook weiß ............................................ 60 Inhalt 4 iRIGHTS DAS NETZ 2012

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Jahresrückblick Netzpolitik von iRights.info, dem Portal für Urheberrecht in der digitalen Welt.

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kino.to Das Ende der Grauzone? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Megaupload Aber bitte mit Drama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Jahresrückblick: Januar 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter „Es herrscht kalter Krieg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Datenschützer Peter Schaar „Wir müssen wachsam sein“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Die Urheberrechtsdebatte

Einer geht noch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Jahresrückblick: Februar 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Der Big Bang der Netzpolitik

ACTA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Frauen, Gender, Netzpolitik Wo stehen wir 2012? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Jahresrückblick: März 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Netzgemüse Schluss mit lustig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Jahresrückblick: April 2012. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Vorratsdaten speicherung Was war, was wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Archivierung digitaler Medien

Mind the gap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Wikimedia-Vorstand Pavel Richter „Den Kontrollverlust als etwas Positives begreifen“ . . . . . . . . . . . . . 50

Jahresrückblick: Mai 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Beteiligung über Twitter hinaus

Internet- Enquete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Was Face book weiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Inhalt

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Datenschutz und Facebook „Wir sind über den Punkt hinaus, wo wir Kontrolle über unsere Daten ausüben können.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Reporter ohne Grenzen

Pressefreiheit & Überwachungssoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Jahresrückblick: Juni 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Google Anpassung an die Rechte inhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

GEMA nach Hause

Verloren zwischen Club und Youtube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Jahresrückblick: Juli 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Deutsche Presse verlage und das Internet

Das Recht auf Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Jahresrückblick: August 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Show- statt Transparenzeffekt

Open Data . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Jahresrückblick: September 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Leistungsschutzrechte an Tonaufnahmen Der vergessene Skandal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Netzaktivist Markus Beckedahl „Den Kaffeekranz unserer Eltern überwacht auch niemand“ . . . .100

Die Piratenpartei Spaß und Protest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104

Jahresrückblick: Oktober 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106

Ein Urheberrecht für das 21. Jahrhundert Ideen für eine zukünftige Regulierung kreativer Güter . . . . . . . . . .109

Kontrolle im Netz

„Eine gefährliche Illusion“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Jahresrückblick: November 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Digitale Ökosysteme Die Politik der Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Ministerin in bleierner Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Netzpolitische Rede des Jahres Urheberrecht, Internet, Eisenbahn und Buchdruck . . . . . . . . . . . . . 127

Netzpolitik 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Was ist iRights? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Impressum, Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

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Foto: Mario Sixtus

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kino.to

Das Ende der Grauzone?

von Valie Djordjevic

Websites, die Streams von aktuellen Filmen und Fernsehserien sammeln und zugänglich machen, gehören für Jugend-liche und junge Erwachsene zum Alltag. Sie kommen aus der Schule und schauen zur Entspannung erst einmal die neue Folge „How I met your mother“ oder „Two and a half men“ – nicht vorm Fernseher sondern am Computer. Als im Juni 2011 die Polizei eine Razzia gegen kino.to durchführte und die Website sperrte, schimpften viele Nutzer in den Foren: „Anscheinend ist die rechtliche Grauzone nun doch ein No-Go,“ meinte einer.Doch schon Tage danach waren die selbst-ernannten Nachfolger kinox.to und movie2k.to und dutzende andere Seiten online. Auch vorher war kino.to nie die einzige Seite, die Streams zu Filmen ver-sammelte – sie war nur eine Weile lang, von 2008 bis 2011, die beliebteste. Das Geschäftsmodell von kino.to und den anderen Streamingseiten beruht darauf, dass um die eingebetteten Vi-deos und Links zu den Filmen herum

Werbung geschaltet wird. Dazu bauten die Macher ein weitverzweigtes Netz-werk auf. Die Werbung war nicht immer harmlos. Auf der Seite lauerten zwielich-tige Porno-Angebote, Abofallen, Viren und Trojaner.Die Dateien zu den Filmen, zu denen das Portal verlinkte, lagen bei sogenannten Filehostern (Dienste wie Rapidshare, Uploaded.to oder – und hier schließt sich der Kreis – Megaupload, der ande-ren spektakulären Verhaftungsgeschichte dieses Jahres). kino.to war zwar nur eine Linkssammlung; aber sein Ökosystem schloss eigene und fremde Filehoster ein, auf die bezahlte Helfer aktiv Filme und Serien hochluden. Der Chefprogrammie-rer Bastian P. sagte vor Gericht aus, er sei davon ausgegangen, das Portal ope-riere in einer rechtlichen Grauzone, weil dort nur die Links zu den Raubkopien verzeichnet waren. Dass er damit aber die illegalen Filmkopien zugänglich und sich damit strafbar machte, sei ihm in der Konsequenz nicht klar gewesen.

Darf man illegale Film-Streams anschauen?

Die Nutzer von kino.to stellten sich al-lerdings eine andere Frage. Die Antwort darauf führt tatsächlich in die rechtli-che Grauzone: Darf man illegale Film-Streams anschauen oder nicht? Beim Streaming wird immer eine flüch-tige Kopie im Arbeitsspeicher angelegt. Das Urheberrechtsgesetz erlaubt solche vorübergehenden Kopien explizit. Sie sind die technische Voraussetzung, um überhaupt irgendeine Webseite im Inter-net anzugucken. Im Fall legaler Quellen wie der ARD-Mediathek, in der man

Millionen von Nutzern sahen auf kino.to jahrelang kostenlos aktuelle Filme und Serien. 2011 wurden die Betreiber festge-nommen und die Plattform geschlossen. Die Rechtslage bleibt schwierig.

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sich etwa den Tatort anschaut, macht diese flüchtige Kopie keine rechtlichen Probleme. Doch was passiert rechtlich bei Angebo-ten wie kino.to, die gar keine Rechte an den Filmen besitzen? Da wird es schwie-rig. Eindeutig verboten ist es, Dateien herunterzuladen, wenn sie von Angebo-ten stammen, die offensichtlich als un-rechtmäßig erkennbar sind. Das wurde in der letzten Urheberrechtsreform 2008 festschrieben. Wertet man das Anschau-en eines Films auf kino.to also wie ei-nen Download-Vorgang, ist die Sache einfach. Der Nutzer konnte sich an drei Fingern abzählen: Diese Quelle ist ille-gal. Kurz nach Kinostart war hier fast jeder Blockbuster gratis zu sehen – auf einem Portal, das wohl kaum zufällig uf der Südseeinsel Tonga gemeldet ist.

Ob allerdings das Anschauen eines Streams gleichzusetzen ist mit dem Her-unterladen einer Datei, ist angesichts der oben genannten Problematik der flüch-tigen Kopie nicht eindeutig geklärt. Es könnte auch wie der reine Werkgenuss gewertet werden, wie das Lesen eines Buches. Dieser Werkgenuss aber ist ur-heberrechtlich nicht relevant. Er kann auch dann nicht verfolgt werden, wenn die Quelle rechtswidrig ist. Auch das Lesen eines Raubdrucks, eines illegal ko-pierten Buches, ist nicht verboten. Ob legal oder illegal – normalen Nut-zern drohen, soweit es sich absehen lässt, im Augenblick keine Konsequen-zen. Wie auch? Sie haben ihre Daten zwar auf den Servern der illegalen An-bieter hinterlassen, aber diese mit den realen Namen und Adressen zusammen-zubringen, ist schwer möglich, da die Log-Dateien regelmäßig gelöscht wer-den. Um normale Nutzer zu verfolgen, müsste ihr komplettes Verhalten im Netz

überwacht werden. Das ist außerhalb totalitärer Regimes bisher noch keine Option – jedenfalls nicht außerhalb von Hardliner-Kreisen der Rechteindustrie. Anders könnte es den Premiumnutzern gehen, die für schnellere Streaming-raten auf Portalen wie kino.to Geld bezahlt haben. Über ihre hinterlegten Zahlungs daten sind sie identifizierbar. Die Staatsan waltschaft kündigte im Feb-ruar Ermittlungen gegen Premiumnutzer von kino.to an. Von Anklagen ist bisher allerdings nichts bekannt. Bisher nehmen die Behörden (und pri-vate Rechte-Detekteien wie die Gesell-schaft zur Verfolgung für Urheberrechts-verletzungen GVU, die im Vorfeld an der Schließung beteiligt war) vor allem die Betreiber ins Visier, nicht die Nutzer. Doch auch das gestaltet sich schwierig,

da viele der Betreiber ihre Identität ver-schleiern oder im Ausland sitzen – meis-tens beides. Im Fall kino.to gelang der GVU nach jahrelangen Ermittlungen der Durchbruch erst, als einer der Uploader ihr Insider-Informationen verkaufte. Indes ließen sich Jugendliche wohl am ehesten mit guten legalen Film- und Vi-deoangeboten überzeugen, die Finger von den illegalen Nachfolgern zu lassen. Doch bis heute gibt es immer noch keine legale Möglichkeit, sich im Netz Filme anzuschauen, die mit den illegalen An-geboten in Bezug auf Einfachheit der Bedienung und Verfügbarkeit konkur-rieren könnte. Auch das ist leider ein Grund, weshalb Nutzer im Jahr 2012 immer noch lieber auf Seiten gehen, auf denen sie sich Viren einfangen oder in einer Abo-Fallen landen, als vergeblich auf iTunes nach ihrer Lieblingsserie zu suchen. Das Paradebeispiel ist hier die Fantasy-Serie „Game of Thrones“, die man auf dem Höhepunkt ihrer Popu-

larität bei den großen Anbietern nicht kaufen konnte. Die zeitversetzte Aus-wertung von Kino, DVD, TV hat in den Zeiten des Netzes ausgedient. Zumindest für Betreiber von kino.to ist das Streaming-Abenteuer vorbei. Mit Filmen, für deren Rechte sie keinen Cent bezahlt hatten, machten sie Werbeein-nahmen in Millionenhöhe. Im April wurde Chefprogrammierer Bastian P., 29, zu 3 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt. Sein Chef Dirk B. bekam im Juni 4 Jahre und 6 Monate.

Valie Djordjevic ist Redakteurin und Autorin bei iRights.info. Sie beschäftigt sich mit den Themen Netzkultur, Feminismus, Literatur und Urheberrecht. Sie!ist seit 1996 aktiv in der Netzkunstszene und arbeitet außerdem als Übersetzerin und Trainerin.

Ob legal oder illegal – normalen Nutzern drohen, soweit es sich absehen lässt, im Augenblick keine Konsequenzen.

KINO.TO

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von Torsten Kleinz

Eine Geschichte, wie für Boulevardme-dien gemacht: Auf der einen Seite der überlebensgroße Deutsche, der eine lange Medien karriere als vermeintlicher Super-hacker und mehrere Verurteilungen hinter sich hat. Auf der anderen Seite die Copy-right-Supermacht USA, die Schmitz in einer Blitzaktion mit Sondereinsatzkommenado festnehmen ließ. Mit immer neuen juristischen Schachzü-gen, Manövern und Publicity-Stunts ver-sucht der Deutsche mit finnischem Pass seither die Auslieferung in die USA zu verhindern. Dabei versucht er sich als le-galer Geschäftsmann zu präsentieren: Ein Unterseekabel will er verlegen lassen und den Neuseeländern freien Internetzugang verschaffen. Einen neuen, voll verschlüssel-ten Filehoster aufbauen, der über die gan-ze Welt verteilt sein soll. Schon vorher hat er den Aufbau eines neuen Musikdienstes „Megabox“ verkündet, der Künstlern Geld in die Kassen spülen soll. Dass keiner sei-ner Pläne wirklich viel Sinn ergibt oder be-sonders realistisch erscheint, stört wenig – die Presse schreibt trotzdem drüber.

Kim Dotcom, der Großartige,Kim Dotcom, der Märtyrer

Sogar vor peinlichen Musikvideos schreckt Schmitz nicht zurück, um sich in der Pres-se zu halten. Dabei vergleicht er sich zum Beispiel mit US-Bürgerrechtler Martin Lu-ther King. Kim Dotcom, der Großartige. Kim Dotcom, der Märtyrer. Das Getö-se wurde so groß, dass eine unbekannte Gruppe die Homepage des neuen Super-Projekts hackte. „Kim Dotcom ist nicht besser als Universal. Er ist selbst ein Teil der Industrie, er ist nur da um zu stören“, teilten die vermeintlichen Angreifer dem Online-Magazin Torrentfreak mit.In der Tat. Tritt man einen Schritt zurück und betrachtet man den Fall ohne Kim Schmitz im Bild, ist der Fall Megaupload ein interessanter. Denn Filehoster wie Megaupload sind in den letzten Jahren immer mehr zum Problem gerade für die Filmindustrie geworden. Denn heute muss sich niemand mehr mit einer Filesharing-Software aktuelle Folgen von „Game Of Thrones“ oder „Breaking Bad“ auf den Computer laden, um sie lange vor dem deutschen Erscheinungstermin zu sehen. Zahlreiche Linkseiten verweisen auf Fi-lehoster, die die entsprechenden Inhalte nicht mehr nur zum Download, sondern gleich zum Streamen anbieten. Zwar ist umstritten, ob das Ansehen solcher Streams legal ist, doch in der Praxis ist es bis heute recht gefahrlos: Abmahnungen gegen nicht-zahlende Kunden solcher Ser-vices sind nicht bekannt. Filehoster und Linkseiten im Verbund he-beln das Regime des Digital Millennium Copyright Act aus. Denn das viel kritisier-te Gesetz ist eigentlich ein Segen für die Serverbetreiber. Sie müssen keine Inhalte

Megaupload

Aber bitte mit Drama

Es war eines der ersten großen Internet- Dramen des Jahres: Am!19.!Januar 2012 wurde Kim Schmitz, der sich nun Kim Dotcom nennt, zusammen mit seinen Geschäftspartnern in Neuseeland festgenommen.

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selbst prüfen, nur auf die offiziellen Be-schwerden der Rechteinhaber reagieren. Von beiden Seiten wird der Bogen aber überspannt. Die Rechteinhaber versen-den mittler weile Zigtausende von au-tomatisierten DMCA-Anfragen, die oft genug die Falschen treffen. Gleichzeitig haben spezialisierte Hoster einen Weg gefunden, Löschaufforderungen auszu-manövrieren: Ein Link wird gelöscht, die gleiche Datei auf dem gleichen Server wird aber flugs unter einer anderen URL ange boten.

Juristische Niederlagen

Anbieter wie Youtube oder Rapidshare stehen unter enormen Druck, zusätzli-che Maßnahmen zu ergreifen: So wurde Rapidshare unter anderem vom Bun-desgerichtshof aufgetragen, aktiv nach verlinkten Inhalten zu suchen, die mög-licherweise illegal sind. Im Fall kino.to konnten deutsche Behörden in diesem Jahr nachweisen, dass die Betreiber von Hosting-Services und Linkseiten unter einer Decke steckten. Sie wurden 2012 zu teilweise langjährigen Haftstrafen verur teilt. Ähnlich sind die Vorwürfe gegen Megaupload. Die US-Ankläger wollen der Unternehmensführung nach-weisen, in vollem Bewusstsein illegale Kopien vertrieben zu haben. Abgefange-ne E-Mails sollen dies beweisen. Auf der einen Seite war der Zugriff auf Schmitz und seine Geschäftspartner be-merkenswert erfolgreich. Von einem Tag auf den anderen war Megaupload weg vom Fenster – mehrere andere Dienste stellten ihre Tätigkeit ein. Doch mittel-fristig kassieren die US-Behörden eine juristische Niederlage nach der anderen.

Schmitz hat seine Bewegungsfreiheit wieder und kann auf reichlich Geld zu-greifen, auch wenn viele Konten einge-froren bleiben. Aus der angestrebten schnellen Auslieferung ist ein juristisches Scharmützel in Neuseeland geworden, das immer mehr Politskandale nach sich zieht.

Streit um Server und Daten

So war Schmitz von neuseeländischen Behörden illegal abgehört worden, Pre-mierminister John Key entschuldigte sich im September sogar offiziell da-für. Und der Streit um die in den USA befindliche Server-Infrastruktur, die Megaupload bei einem dort ansässigen Provider angemietet hatte, zieht sich über Monate hin. Sollen die Daten ge-löscht werden oder dürfen die Megaup-load-Kunden auf ihre Daten zugreifen? Auch die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation engagieren sich in dem Fall – wohlweislich aber nicht auf der Seite von Megaupload, son-dern der Kunden, deren Daten verloren sind, wenn die Server einmal überspielt wurden. Auch im Jahr 2013 wird der Fall noch reichlich Popcorn-Potenzial bieten – egal wer sich in der Sache blamiert, die Häme wird hierzulande groß sein. Doch sollte man vor lauter Getöse und Medi-en auch das Kleingedruckte nicht über-sehen. So kündigte Schmitz an, einen Musikdienst über Werbung zu finan-zieren, die die Client-Software auf frem-den Webseiten anzeigt. Eindeutiger kann man gegen die Netzneutralität nicht ver-stoßen. Und auch die Prozessdokumente in den USA sollte man sehr genau le-

sen – enthüllen sie doch, wie die US-Regierung auch ohne ACTA ihre Lesart des Urheberrechts und die Macht ihrer Unterhaltungskonzerne ausspielt. Das nächste Jahr wird sicher spannend, nicht nur für Kim Schmitz. Wer ihn aber mit einem Freiheitskämpfer für das Netz verwechselt, der verwechselt das Netz mit AOL und Pro Sieben mit einem Nachrichtensender. Wofür er taugt: Ein Exempel.

Torsten Kleinz ist freier Journalist und schreibt seit über zehn Jahren darüber, was das Netz und die Welt zusammenhält.

Wer Kim Schmitz mit einem Freiheitskämpfer für das Netz verwechselt, der verwechselt das Netz mit AOL und Pro Sieben mit einem Nachrichtensender.

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Was war los im Netz?

JANUAR 2012

Foto: Tiger Stangl

(02.01.) Der Bundesvorsit-zende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, sieht seine Partei nach der Wahl 2013 im Bundestag und träumt von einer Koalition mit Grü-nen und FDP, weil es in „der Bürgerrechtspolitik große Nähe“ gebe.

(02.01.) Das Bundeskrimi-nalamt (BKA) lässt wieder Besucher auf seine Website, die Anonymisierungsdiensten nutzen. Die waren vorher ausgesperrt worden. Die Be-hörde reagiert damit auf eine Beschwerde des Bundesdaten-schutzbeauftragten.

(02.01.) Der IT-Branchenverband Bitkom stellt sich hin-ter eine Initiative des Bundesjustizministeriums gegen überzogene Abmahnungen im Internet. „Leider entsteht der Eindruck, dass Abmahnungen von manchen Anwälten und deren Auftraggebern als Einnahmequelle missbraucht werden“, so Bitkom-Präsident Dieter Kempf.

(16.01.) Der Gesetzesvor-schlag für den „Stop Online Piracy Act“ (SOPA) wird im US-Repräsentantenhaus auf Eis gelegt.

(17.01.) Facebook und Google legen beim High Court Delhi Beschwerde dagegen ein, „anstößige Inhalte“ aus ihren Angeboten zu filtern. Die Haftungspflichten für Online-Anbieter waren 2011 durch ein neues Ge-setz stark ausgeweitet worden.

(18.01.) Verschiedene Websites, darunter die eng-lischsprachige Wikipedia, protestieren für 24 Stunden gegen die US-Gesetzesent-würfe SOPA und PIPA, die Maßnahmen gegen Online-Piraterie einführen sollen. Während dieser Zeit sind die Seiten geschwärzt.

(04.01.) Der EU-Rat veröffentlicht einen Richtlinienentwurf, nach dem es erleich-tert werden soll, Telefonate abzuhö-ren und in Echtzeit auf E-Mails, Verbin-dungs- und Stand-ortdaten in anderen Mitgliedsstaaten zuzugreifen.

(04.01.) Es wird bekannt, dass die EU-Kommission das Projekt „Clean IT“ fördert. Später decken Netzexperten auf, dass darin der Vorschlag ent-halten ist, dass europäi-sche Internet-Anbieter alle Internet-Verbindungen überwachen und bestimm-te Inhalte herausfiltern sollen.

(05.01.) Das Marktforschungs-unternehmen Nielsen gibt be-kannt, dass 2011 in den USA erstmals mehr Musik in rein digitaler Form verkauft wurde als auf physischen Tonträgern. 50,3 Prozent der Alben und Singles wurden nicht auf CD oder Schallplatte verkauft.

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(19.01.) Kim Schmitz und drei Mitarbeiter des Filehosters Megaupload werden in Neuseeland festgenommen; gegen sie und vier andere erhebt das US-Justiz-ministerium Anklage. Die Website ist abge-schaltet. In der Folge schließen Betreiber wie Uploaded.to, Filesonic und FileServe ihre Ser-ver oder schränken das Angebot stark ein.

(21.01.) Die Polizei in Hannover stoppt die Fahndung nach Straftätern per Facebook-Seite. Bis auf weiteres sollen keine personen-bezogenen Fahndungsaufrufe auf sozialen Netzwerken mehr veröffentlicht werden.

(24.01.) Die Industrie- und Handels-kammer (IHK) Schleswig-Holstein legt beim Verwaltungsgericht Schles-wig Klage gegen das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) ein, das im Herbst mehr als ein Dutzend öffentliche und private Betreiber aufgefordert hatte, ihre Auftritte bei dem sozialen Netzwerk Facebook abzuschalten.

(26.01.) 22 EU-Mitglieds-staaten und die Europäische Union unterzeichnen ACTA. Erwartet wird, dass die rest-lichen fünf Staaten, darunter Deutschland, folgen werden.

(27.01.) Eine vom Bun-desjustizministerium beim Max-Planck-Institut für Strafrecht in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass die Vor-ratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote bei Straftaten nicht ver-bessere.

(27.01.) Der Berliner In-nensenator Frank Henkel (CDU) bestätigt, dass das Land Berlin bei der Software-Firma Syborg eine Überwachungssoft-ware für 280.000 Euro in Auftrag gegeben hat, mit der PCs von Verdächtigen überwacht werden sollen.

(30.01.) Die Website des CDU-Bundes-tagsabgeordneten Ansgar Heveling wird gehackt, nachdem der Politiker im Handels-blatt die Gegner der US-Gesetzesvorschlä-ge SOPA und PIPA „digitale Maoisten“ genannt hat.

(28.01.) DerBundestag beschließt eine „Digitalisie-rungsoffensive“ für das kulturelle Erbe. Deutlich ambitioniertere Anträge der Opposition waren von der Regierungskoalition abgelehnt worden.

(31.01.) Die Musik-industrie unterliegt vor dem Bundes-verfassungsgericht dem Heise-Verlag. Heise Online darf somit im Rahmen der Berichterstattung auf einen Software-Hersteller verlinken, der ein Programm zur Umgehung des DVD-Kopierschutzes anbietet.

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