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Universität zu Köln Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht Das neue Recht bei Zeitarbeit und Werkverträgen – eine rechtliche Bewertung Professor Dr. Martin Henssler Prorektor für Personal und Planung der Universität zu Köln Geschäftsführender Direktor Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln Kongress der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft am 15. 7. 2016 in Nürnberg

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Institut für Arbeits- und

Wirtschaftsrecht

Das neue Recht bei Zeitarbeit und Werkverträgen

– eine rechtliche Bewertung

Professor Dr. Martin HensslerProrektor für Personal und Planung der Universität zu Köln

Geschäftsführender DirektorInstitut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln

Kongress der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft

am 15. 7. 2016 in Nürnberg

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Übersicht:A. Rechtstatsachen und rechtliche GrundlagenB. Die Regelung in § 611a BGB-EC. Kriterien der RechtsprechungD. Praxisprobleme und Regelungsbedarf E. Reform des AÜG – EckdatenF. Einzelfragen der Reform

I. Die HöchstüberlassungsdauerII. Der GleichstellungsgrundsatzIII. Weitere Neuerungen

G. Gesamtwürdigung

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Entwicklung des Reformvorschlages

� Referentenentwurf I vom 16. 11. 2015� Erster Diskussionsentwurf aus dem BMAS � Ging deutlich über die Koalitionsvereinbarung hinaus� Neuregelung des Arbeitnehmerbegriffs in § 611a BGB-E� Massive Regulierung der Zeitarbeit

� Referentenentwurf II vom 17. 2. 2016� Überarbeitung – Reaktion auf massive Kritik aus Praxis,

Wissenschaft und Politik

� Regierungsentwurf vom 27. 5. 2016� Bereinigung weiterer Schwächen� Verbleibende Defizite

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Regelungsanliegen: Bekämpfung von Missbräuchen bei Werkverträgen

� Keine verlässlichen Zahlen über tatsächlichen Missbrauch von Werkverträgen (so auch Böckler Stiftung)

� Bislang völlig unzureichende Erfassung der Rechtstatsachen� Entgegen pauschalen Behauptungen keine nennenswerte Flucht aus

der Leiharbeit (961.000 ArbN = knapp 3 %) in den Werkvertrag � Bekannte, inzwischen aber gerichtlich unproblematisch geklärte

Missbräuche betreffen wenige Branchen, wie etwa die Fleischindustrie und die Paketzustellung/Logistik

� Hier geht es um unzureichende Durchsetzung der Rechte der häufig ausländischen Arbeitnehmer ohne gewerkschaftliche Vertretung

� Kein einziger Fall, in dem Rechtsprechung de lege lata zu unbefriedigenden Ergebnissen gelangt wäre

§ 611a BGB Referentenentwurf I

„(1) Handelt es sich bei den aufgrund eines Vertrages zugesagten Leistungen um Arbeitsleistungen, liegt ein Arbeitsvertrag vor. Arbeitsleistungen erbringt, wer Dienste erbringt und dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt . Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend.

(2) Für die Feststellung, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages erfüllt sind, ist eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Maßgeblich für diese Gesamtbetrachtung ist insbesondere , ob jemanda. nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu

bestimmen,b. die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,c. zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,d. die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder

beauftragt sind,e. ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,f. keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,g. Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder

eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,h. für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.“

(3) Das Bestehen eines Arbeitsvertrages wird widerleglich vermutet, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch insoweit das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat.“

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§ 611a BGB - Rechtssicherheit für Werkverträge?

„Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichenVertrags im Dienste eines anderen zur Leistungweisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicherAbhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt,Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht imWesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seineArbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichenAbhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligenTätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaftist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen.Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses,dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es aufdie Bezeichnung im Vertrag nicht an.“

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§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG

„Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistungüberlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation desEntleihers eingegliedert sind und seinen Weisungenunterliegen.“

§ 12 Abs. 1 S. 2 AÜG

„Wenn der Vertrag und seine tatsächlicheDurchführung einander widersprechen, ist für dierechtliche Einordnung des Vertrages dietatsächliche Durchführung maßgebend.“

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Schwächen des Referentenentwurfs I - Überblick

§ 611a Abs. 1:• Zentrale Bedeutung der persönlichen Abhängigkeit, die ihren Ausdruck

in der Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung findet, wird nicht deutlich.

• Eingliederung wird entgegen BAG ungenau als gleichberechtigtes Kriterium neben der Weisungsgebundenheit genannt (Aufgabe der Zwei-Komponenten-Lehre betrifft nicht das Individualarbeitsrecht)

§ 611a Abs. 2:• Kriterien von ganz unterschiedlicher Funktion und Bedeutung• Irreführender Perspektivenwechsel innerhalb der Kriterien • Kriterien b) – f) sind lediglich Unterkriterien für die Feststellung der

Eingliederung. • Kriterien g) – h) sind ohne jede rechtliche Relevanz, da es nicht auf

das Vorliegen eines Werkvertrages ankommt, Leistungen aufgrund eines Dienstvertrages vielmehr gleichberechtigt sind.

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Schwächen des Regierungsentwurfs - Überblick

§ 611a Satz 1:• Unbedenklich, siehe BAG-Rechtsprechung Satz 2:• Weisungsrecht hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit?• Das BAG vertritt die Auffassung, dass Gegenstand einer Leistungs-

bestimmung iS § 106 GewO grundsätzlich auch der Umfang einer im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflicht und damit auch die Dauer der Arbeitszeit sein kann.

• Schrifttum: Grundsätzlich ist eine einseitige Änderungsbefugnis des Arbeitgebers im Hinblick auf den Umfang der Arbeitszeit abzulehnen.

Satz 3:• Sprachlich unschön (2 x Arbeitnehmer ist …) und teilweise überflüssigSatz 4: • Unproblematisch, siehe BAG-Rechtsprechung

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Schwächen des Regierungsentwurfs - Einzelheiten

• Regelung ist kein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit • Formale Erfüllung des Koalitionsvertrags ohne Mehrwert

für die Praxis• Kein zukunftsorientierter Problemansatz• Geregelt wird allenfalls das Problem des Scheinsolo-

selbstständigen, nicht das Problem der Werkverträge• Keine Erwähnung von Kriterien, die gegen einen

Arbeitnehmerstatus sprechen• Lieblose und oberflächliche Gesetzesbegründung• Vermisst werden Kriterien für die echte Selbstständigkeit,

bzw. für einen korrekten Werkvertrag

• Keine Synchronisierung mit § 1 AÜG

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Abgrenzungskriterien des BAG: Allgemeine Grundsätze

• Entscheidend ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages, die vertraglichen Absprachen bieten nur erste Anhaltspunkte

• Vorzunehmen ist eine Gesamtschau aller Umstände (typologische Methode). Keine schematischen Lösungen!

• Maßgebliche Kriterien sind die für den Arbeitnehmer-begriff ausschlaggebenden Kriterien der Ausübung des arbeitsbezogenen Weisungsrechts (Personalhoheit) und – subsidiär – der Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers

• Beweisproblemen der Arbeitnehmer wird durch ein abgestuftes System der Beweislast Rechnung getragen

Unter-nehmer

Auftraggeber

Arbeitnehmer

Dienstleistung

Arbeits-vertrag

• Selbstständiger Unternehmer schuldet eine (nicht notwendig erfolgsbezogene) Dienstleistung

• Haftung für mangelhafte Leistung nach Werk- oder Dienstvertragsrecht

• Vergütung für die selbstverantwortete Dienstleistung

Besteller ist gegenüber den AN des Werkunter-nehmersnicht weisungs-befugt

Werk- o. Dienstvertrag Arbeitnehmer-überlassung

• AÜG-Vertrag = Sonderfall eines Dienstverschaffungsvertrags

• Verleiher schuldet Auswahl eines geeigneten Arbeitnehmers und

• Überlassung zur Arbeitsleistung an den Entleiher (= Übertragung des arbeitsver-tragl. Weisungsrechts des Verleihers)

Verleiher Entleiher

Arbeit-nehmer

AÜG-Vertrag

Arbeits-vertrag

Entleiher kann Leih-AN genau-so einsetzen wie Stamm-AN,ohne dessen AG zu sein

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BAG: Konkrete Anforderungen an Dienstleistung

• Vereinbarung einer konkreten Leistung des Auftragnehmers– je unbestimmter die Leistung beschrieben ist, desto eher liegt ANÜ vor (!)

• eigenverantwortliche Organisation und Abwicklung durch externen Dienstleister

– zB eigene Dispositionsbefugnis über das einzusetzende Personal

• keine Eingliederung der Arbeitnehmer in die Arbeitsabläufe und Produktionsprozesse des Auftraggebers (Integrationstiefe)

– arbeitsteiliger Einsatz und Austausch (Vertretung bei Krankheit u. Urlaub; Unterordnung der Arbeitnehmern des Dienstleisters) spricht für ANÜ

• kein auf den Arbeitsablauf und das Arbeitsverhalten bezogenes Weisungsrecht des Auftraggebers

– Ersteinweisung durch Auftraggeber und Einzelweisungen sind unschädlich

• Unternehmerrisiko des Auftragnehmers/Dienstleisters – Vereinbarungen über Haftung, Mängelgewährleistung etc.

• im Hinblick auf die Dienstleistung ergebnisbezogene Vergütung– Übliche Abrechnung nach Zeiteinheiten spricht aber nicht zwingend für ANÜ

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Unbeachtliche Kriterien

• Dauer der Tätigkeit im Einsatzbetrieb (BAG)• Dienstleistung wird oder wurde in gleicher oder

ähnlicher Weise auch von eigenen Arbeitnehmern erbracht (BAG)

• werkbezogene Anweisungen zu Fertigungsmethoden, Anforderungen an die Qualität, Stückzahl etc. (BAG) – Ausdruck des werkvertraglichen Weisungsrechts aus § 645 BGB.

• Gelegentliche Einzelweisungen, die nicht im Fortsetzungs-zusammenhang stehen, sind unbeachtlich (BAG)– Schädlich ist ein fortgesetztes Verhalten des Auftraggebers, bei dem

durch ein System von Weisungen eine Einbindung in die Organisation des Auftraggebers erfolgt. Beweislast hierfür liegt beim Arbeitnehmer.

Diese Kriterien müssten in ausgewogene Kodifizierung der Rspr. mit einfließen!

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Schwächen der geltenden Regelung

• Rechtsprechung hatte keine Probleme, Missbräuche zu erfassen • Rechtliches Arbeitnehmerschutzsystem ist völlig ausreichend• Reines Problem der Rechtsdurchsetzung , da in offenkundigen

Missbrauchsfällen Arbeitnehmer ihre Rechte nicht geltend machen • Zielführend sind Beratungsstellen für Arbeitsmigranten• Ziel der Reformvorschläge: Stärkung der Stammbelegschaften

– Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen und Lohn-differenzierungen zwischen Mittelstand und beratenen Großunternehmen sollen eingeschränkt werden

• Tatsächliche Probleme liegen auf ganz anderer Ebene: – BAG-Kriterien sind nicht auf die Anforderungen der Digitalisierung

und moderner Projektformen (Industrie 4.0) zugeschnitten– Schwierig ist die Subsumtion im Einzelfall und damit die

Prognostizierbarkeit der Gerichtsentscheidungen

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Praxisprobleme

• Eine hochentwickelten Wirtschaft ist auf externe Beratung angewiesen.

• Dabei müssen komplexe Dienstleistungen exakt auf die Bedürfnisse des Einsatzbetriebes zugeschnitten sein.

• Für die optimale Leistungserbringung ist eine enge Einbindung in den Einsatzsatzbetrieb und intensive Kommunikation der Beratungsmitarbeiter unverzichtbar.

• Sie setzt vertiefte Kenntnis des Produktionsprozesses und der Bedarfe des Auftraggebers voraus.

• Sie erfordert außerdem eine laufende Anpassung und Konkretisierung der zunächst nur allgemeinen Vorgaben durch den Auftraggeber.

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Praxisprobleme

• Häufig besteht kein exakt abgrenzbarer und zu Vertrags-beginn konkretisierbarer Vertragsgegenstand

• Inhalt der Leistungsbeschreibung des Werkvertrags ist im Regelfall eine schemenhafte Umschreibung des Produkts sowie ein Aktivitäten- und Fristenplan, kombiniert mit konkreten Mitwirkungspflichten des Auftraggebers

• Beispiele: „Agile Softwareentwicklung“ („Scrum“) bzw. agile Projektorganisation bei IT-Entwicklung

• Grenzziehung zwischen werkbezogenen und arbeits-bezogenen Weisungen ist in Projektteams schwierig

Folge: Kriterien der Rspr. passen nicht. „Repräsentantenmodell“ bzw. „Brückenkopfmodell“ zur Reduzierung des Integrationsgrads (Ausweg der Praxis) bieten keine Lösung

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Verfassungsrechtliche Vorgaben für Reformen

• Unternehmerische Entscheidungsfreiheit ist durch Art. 12, 14 GG geschützt – kein Zwang zur Übernahme von Unternehmerrisiken

• Unternehmer kann frei entscheiden, welche Produkte und Dienst-leistungen er selbst mit eigenen Arbeitnehmern herstellt bzw. erbringt und welche er von externen Anbietern zukauft.

• Freie Entscheidung, mit welcher Arbeitnehmerzahl unternehmerische Ziele verfolgt werden

• Damit freie Entscheidung über Einsatz von Drittpersonal auf der Grundlage von Werk- oder Dienstverträgen

• Reduzierung von Stammbelegschaften durch Abschluss von Dienst-oder Werkverträgen ist damit verfassungsrechtlich abgesichert

• Sachgerechter Schutz der Stammbelegschaften erfolgt durch Kündigungsschutz sowie durch Interessenausgleich und Sozialplan, nicht durch das Verbot von Werkverträgen

• Stärkung der Stammbelegschaft als Aufgabe der Tarifpolitik

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Notwendige Nachbesserungen

• Rechtssicherheit durch nicht kodifizierte bzw. untergesetzliche Klarstellungen

– Positivkatalog in der Gesetzesbegründung

– Rechtsverordnung nach SGB IV

– Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger (Vorbild: Verlautbarung zum Status von geschäftsführenden Gesellschaftern)

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Rechtssicherheit durch Klarstellung in der Gesetzesbegründung

• „Die Neuregelung steht dem sachgerechten Einsatz von Werk- oder Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegen, wie sie z.B. in der Unternehmensberatungs-oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen sind. Optimale Lösungen können erst erarbeitet werden, wenn die spezialisierten und qualifizierten Arbeitnehmer des Auftragnehmers eng in die Betriebsorganisation des Auftraggebers integriert sind und von diesem detaillierte vertragsbezogene Weisungen in Bezug auf das Arbeitsergebnis (z.B. die gewünschte Organisationsentwicklung) erhalten. Arbeitnehmerüberlassung liegt in diesen Fällen nicht vor.“

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Positivkatalog: Diskussionsvorschlag„Keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern ein unbedenklicher Drittpersonaleinsatz auf der Grundlage von Werk- oder Dienst-verträgen liegt insbesondere dann vor, wenn der projekt-gebunden tätige Werkunternehmer/Dienstleister• eine Dienstleistung anbietet, die spezifisches Know-How

erfordert, • als Mitarbeiter qualifiziertes und spezialisiertes Personal einsetzt,• für sein festangestelltes Personal, das unter seiner Personal-

hoheit steht, ein Konzept der Mitarbeiterschulung und Personalentwicklung anbietet,

• für verschiedene Auftraggeber mit ähnlichem oder vergleichbaren Beratungsbedarf tätig ist,

• seinen Mitarbeitern branchenübliche Löhne auf der Grundlage eines eigenständigen Vergütungssystems bezahlt oder selbst tarifgebunden ist.“

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Gesamtwürdigung – Weder Missbrauchs-bekämpfung noch Beitrag zu Rechtssicherheit

• Regelung des Drittpersonaleinsatzes durch Werkverträge ist zur Missbrauchsbekämpfung ungeeignet (so auch die Kritik des DGB).

• Die Schwächen der bisherigen Rechtsprechung bleiben erhalten.

Fazit: Im Bereich der Werkverträge schafft der Entwurf zwar keine neuen Probleme, er löst aber auch kein einziges der derzeitigen Probleme (Manko der 1 : 1 Umsetzung)

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Arbeitnehmerüberlassung- Geltendes Recht, geplante Reformen und

verbleibender Reformbedarf -

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Übergangsrecht Mindestlohn• DDD

• Der zwischen dem BAP (Bundesarbeitgeber-verband der Personaldienstleister) und dem DGB vereinbarte TV sieht im Tarifgebiet West schon seit 1. 4. 2015 in der untersten Lohn-gruppe (E 1) 8,80 Euro/Stunde vor und ab dem 1. 6. 2016 9,00 Euro.

• Im Tarifgebiet Ost ist der Lohn in der untersten Lohngruppe seit dem 1. 4. 2015 8,20 Euro und seit dem 1. 6. 2016 8,50 Euro.

• Das Übergangsrecht spielt damit keine Rolle mehr.

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Fakten zur Zeitarbeit (BA Jan. 2016)• 961.000 Zeitarbeitnehmer (ZA)= knapp 3 %, Tendenz steigend. • Mehr als jeder 2. ZA übt Helfertätigkeit aus (alle Beschäftigte: jeder Fünfte). • Die Mehrzahl der ZA ist männlich und jung. Hoher Anteil von Personen

ohne Berufsabschluss und Ausländern • Hohe Dynamik: 1. HJ 2015 663.000 Neueinstellung und 585.000

Beendigungen. • Jeder 5. neue ZA war mind. ein Jahr arbeitslos oder noch nie beschäftigt. • Fast 50 % der Arbeitsverhältnisse endet nach weniger als drei Monaten. • 15 Prozent der Zugänge in Arbeitslosigkeit aus Beschäftigung am ersten

Arbeitsmarkt und 19 Prozent der Beschäftigungsaufnahmen erfolgen aus bzw. in die Zeitarbeitsbranche.

• Knapp 3/5 der Einstellungen in der Zeitarbeit aus Arbeitslosigkeit heraus sind zwölf Monate später noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt

• Deutlich unterdurchschnittliche Bruttoarbeitsentgelte• Hoher Arbeitskräftebedarf in Zeitarbeitsbranche.

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Gesamtüberblick Reform AÜG

� Generalziel: Bekämpfung des funktionswidrigen Einsatzes

� Ausdrückliches Verbot des Kettenverleihs § 1 I S. 3 AÜG-E� Höchstüberlassungsdauer 18 Monate� Strenger Grundsatz der Gleichstellung – equal treatment� Sonderregelung für equal pay (9 – 15 Monate)� Sperrfristen von 3 Monaten – sinnvolle Stichtagsregelung� Begrenzte Tariföffnung (nur Entleiherbranche)� Keine Vorratserlaubnis (Kennzeichnungspflicht)� Bündel strenger Sanktionen bei geringfügigen Verstößen � Verbot der Streikarbeit

� Begrenzter Ausbau der Mitbestimmung (§§ 80, 92 BetrVG)� Berücksichtigung bei Schwellenwerten nach 6 Monaten

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§ 1 Abs. 1b AÜG - E Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht längerals 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiherüberlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmernicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werdenlassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durchdenselben oder einen anderen Verleiher an denselbenEntleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen denEinsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. In einemTarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranchekann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauerfestgelegt werden. Im Geltungsbereich eines Tarifvertragesnach Satz 3 können abweichende tarifvertraglicheRegelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Entleihersdurch Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommenwerden.

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§ 1 Abs. 1b AÜG - E (Forts.)

In einer auf Grund eines Tarifvertrages vonTarifvertragsparteien der Einsatzbranche getroffenenBetriebs- oder Dienstvereinbarung kann eine von Satz 1abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden.Können auf Grund eines Tarifvertrages nach Satz 5abweichende Regelungen in einer Betriebs- oderDienstvereinbarung getroffen werden, kann auch inBetrieben eines nicht tarifgebundenen Entleihers bis zueiner Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten davonGebrauch gemacht werden, soweit nicht durch diesenTarifvertrag eine von Satz 1 abweichendeÜberlassungshöchstdauer für Betriebs- undDienstvereinbarungen festgelegt ist.

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Eckdaten Höchstüberlassungsdauer

� Höchstüberlassungsdauer 18 Monate� Sperrfrist von 3 Monaten � Öffnung nur für Tarifverträge der Entleiherbranche� Möglichkeit tariflicher Öffnungsklauseln für BV und DV

tarifgebundener Entleiher (ohne Obergrenze)� Tarifungebundene Entleiher

� Gesetzl. Öffnung für Übernahme des TV durch BV und DV� Bei tariflicher Öffnungsklausel (repräsentativer TV) Ver-

längerung durch BV und DV auf bis zu 24 Monate, sofern nicht der TV eine abweichende Obergrenze vorsieht.�Rechtfertigung der Benachteiligung gegenüber tarifgebundenen

Entleihern?�Negative Koalitionsfreiheit?

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Höchstfrist für die Leiharbeit

Weltweit gibt es überwiegend keine Höchstgrenzen (z B Österreich)Höchstfristen (zT sehr lange: 3 - 5 Jahre!) existiere n u.a. in Frankreich, Spanien, Belgien, Portugal, ferner in Un garn, Norwegen, Griechenland, Polen, Tschechien, Luxemburg. � Frankreich kennt Höchstgrenzen, die teils denen für befristete Ver-

träge entsprechen. Verträge mit bestimmter Dauer: 18 o. bis zu 36 Monate; ohne best. Dauer (Vertretung, Saisonarbeit): unbegrenzt

� Auch in Spanien sind die Höchstfristen bei der Leiharbeit und der Befristung gleichgeschaltet

� Das belgische Recht kennt im Gegensatz zur Befristung grundsätzlich Höchstgrenzen, die je nach Sachgrund für die Überlassung unterschiedlich lang sind (Grenze von 6 bis 12 Monaten, bei einem Einsatz zur Vertretung unbegrenzt )

� In Portugal besteht eine eigenständige Höchstfrist nur für befristete Arbeitsverträge mit dem Verleiher von grundsätzlich 2 Jahren

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Bewertung des Vorschlags

• Zutreffende arbeitnehmerbezogene Betrachtung

• Starre Höchstgrenze (18 Monate) passt nicht bei Vertretungsfällen

• Schon bei nur geringen Verstößen werden nun drei Sanktionen angeordnet (Überreaktion!):

– Entzug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung

– Bußgeld von bis zu 30.000 Euro (bei equal pay 500.000 Euro)

– Fiktion eines Arbeitsverhältnisses beim Entleiher ab dem 1. Tag

• Verkürzung der Unterbrechungsfrist (3 Monate) richtig, aber

– flexible Lösung wäre besser (BA: 25 % der vorhergehenden Überlassungsdauer, max. 3 Monate),

– Verzicht auf Tariföffnung – auch bei equal pay – unbefriedigend und verfassungsrechtlich bedenklich.

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Schwächen des Vorschlags� Unzureichende Tariföffnung durch S. 3 - 5

� Keine Klarheit über die sachlich gebotene Einführung variabler Obergrenzen (Verzicht auf Höchstdauer)

� Öffnung nur für Tarifverträge der Einsatzbranche� Klarer Systembruch – keine Regelung der Arbeitsbedingungen

der eigenen Mitglieder

� Widerspruch zur leiharbeitnehmerbezogenen und nicht arbeits-platzbezogenen Betrachtung (also keine Betriebsnorm des Entleihers!, sondern arbeitnehmerbezogene Norm, für die aber die Verleiherbranche zuständig ist)

� Leiharbeitnehmer sind keine Arbeitnehmer der Entleiher� Regelung der Arbeitsbedingungen von nicht repräsentierten

Arbeitnehmern

� Erklärbar nur durch Druck der Metallbranche (IG-Metall und Gesamtmetall)

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Schwächen des Vorschlags (Forts.)

� Verfassungsrechtlich bedenkliche Tarifentmündigung der Zeitarbeitsbranche

�Auch die Überlassungshöchstdauer betrifft unmittelbar die Arbeitsbedingungen der Zeitarbeitnehmer, nicht dagegen diejenigen der Arbeitnehmer des Entleihers

�Folge ist ein Flickenteppich tariflicher Regelungen

�Zumindest die Möglichkeit subsidiärer Regelungen der Zeitarbeitsbranche verfassungsrechtlich zwingend

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Schwächen des Vorschlags (Forts.)

�Öffnungsklauseln im Tarifvertrag ebenfalls nur für Abweichungen in BV oder DV möglich�Tarifgebundene Arbeitgeber ohne Obergrenze

�Tarifungebundene Arbeitgeber nur bis max. 24 Monate, sofern TV keine Obergrenze kennt

�Rechtfertigung der Unterscheidung?

�Unmittelbar staatlicher Eingriff in den Wettbewerb, der nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, sondern ausschließlich das Ziel verfolgt, tarifgebundene Arbeitgeber zu privilegieren.

�Trotz Abschwächung gegenüber RefE weiterhin Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit

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Eingriff in die Tarifautonomie

• BVerfG: Art. 9 Abs. 3 GG liegt die Vorstellung des Verfassungsgebers zugrunde, dass die Tarifpartner die gegenseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien besser zum Ausdruck bringen können als der staatliche Gesetzgeber.

• Die größere Sachnähe der Tarifpartner gilt insbes. für das Arbeitsentgelt und andere materielle Arbeits-bedingungen (Entlohnung Zeitarbeit!).

• Bei Eingriffen in die Tarifautonomie muss Gesetzgeber das Verhältnismäßigkeitsprinzip achten. – Entmündigung der Zeitarbeitsbranche ist

verfassungsrechtlich m.E. nicht haltbar

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Zukunft der ANÜ im Konzern?

• Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG bleibt erhalten.

• Auch die Höchstüberlassungsdauer gilt nicht in diesem Bereich.

• Projektbezogene Überlassung oder langfristige Auslandsentsendungen bleiben also möglich !

• Grenze: ArbN darf nicht „zum Zwecke der Überlassung eingestellt oder beschäftigt werden“ (Keine Personal-gestellungsgesellschaft im Konzern)

• Tariföffnung bei equal pay gilt nicht bei Drehtürstrategie im Konzern – setzt „Ausscheiden“ bei einer Konzern-gesellschaft und Zurückleihe voraus (§ 8 Abs. 3 AÜG-E).

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§ 8 AÜG

Grundsatz der Gleichstellung

(1) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesent-lichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). Erhält der Leiharbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt, wird vermutet, dass der Leiharbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts im Sinne von Satz·1 gleichgestellt ist. Werden im Betrieb des Entleihers Sachbezüge gewährt, kann ein Wertausgleich in Euro erfolgen.

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• (2) Ein TV kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er

nicht die in einer RVO nach § 3a Abs. 2 festgesetzten Mindeststunden-

entgelte unterschreitet. Soweit ein solcher TV vom Gleichstellungs-

grundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach

diesem TV geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Im Geltungs-

bereich eines solchen TV können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und

Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren. Soweit ein

solcher TV die in einer RVO nach § 3a Abs. 2 festgesetzten Mindest-

stundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer

für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleich-

baren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende

Arbeitsentgelt zu gewähren.

• (3) Eine abweichende tarifliche Regelung im Sinne von Abs. 2 gilt nicht

für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der

Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem

oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne

des § 18 des AktG bildet, ausgeschieden sind.

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• (4) Ein Tarifvertrag im Sinne des Absatzes 2 kann hinsichtlich des

Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate

einer Überlassung an einen Entleiher abweichen. Eine längere

Abweichung durch Tarifvertrag ist nur zulässig, wenn

• a) nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher

mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als

gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer

Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und

• b) nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine

stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt.

• Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht

tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der

tariflichen Regelungen vereinbaren. Der Zeitraum vorheriger

Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an

denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den

Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

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Der Gleichstellungsgrundsatz

• Grundsatz: Sofortige Gleichstellung (equal treatment)

– Problem: Weiter Entgeltbegriff (Tantiemen, Aktienoptionen, vwL, Dienstwagen etc.) hoher bürokratischer Aufwand, Vielzahl komplexer Tarifstrukturen (faktische Obergrenze 9 Monate)

– Besser: Gesetzl. Definition des Entgelts = Bruttotarif-stundenlohn und tarifliche Zulagen und Zuschläge

• Sinnhaftigkeit der Vermutung in § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG ?

– Beweislast liegt ohnehin beim Arbeitnehmer

– Sinnvoll wäre allein eine unwiderlegliche Vermutung/ Fiktion

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Der Gleichstellungsgrundsatz

• Tarifliche Abweichungen von equal treatment hinsichtlich Arbeitsentgelt nur in den ersten 9 Monaten und nur, sofern

(1) Mindestlohn gewährt und

(2) kein Drehtüreffekt im Konzern (§ 18 AktG)

- Konzern-ANÜ bleibt aber möglich! („ausgeschieden“)

• Ausnahme: Equal pay erst nach 15 Monaten, wenn

(1) nach Einarbeitungszeit von 6 Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Entgelt durch die bewährten Branchenzuschlagstarifverträge erfolgt und

(2) im Ergebnis ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das nicht nur den Bedingungen des Entleihers, sondern auch dem Tarifentgelt der Entleiherbranche entspricht

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Von Equal Pay zu equal treatment

Deutliche Verbesserungen gegenüber Referentenentwurf I

• Branchenzuschlagstarifverträgen, die Zeitarbeitnehmer in Stufen an Equal Pay heranführen, wird ein um sechs Monate verlängerter Zeitraum konzediert.

• Klare Öffnung für Bezugnahmeklauseln

– Anders als in RefE I kein bloßes Lippenbekenntnis zur Tarifautonomie

– Weitere Verbesserung im Reg.E durch Verkürzung der „Unterbrechungszeiten“ auf drei Monate (Problem häufiger Kurzeinsätze zB in Gastronomie-branche)

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Ungelöste Probleme der Tariföffnung

� Grenzüberschreitende Leiharbeit?� Welche Folgen haben ausländische Tarifverträge für

ausländische Zeitarbeitsunternehmen?� Welche Folgen haben (ausländische) Firmen-

tarifverträge – Erfordernis der Repräsentativität der Gewerkschaft?

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Zukunft der Praxislösung „Vorratserlaubnis“?

• Geltendes Recht: Hat der externe Dienstleister eine Leiharbeitserlaubnis, so kommt auch bei Vereinbarung eines (Schein-) Werkvertrages kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande.

• Bei kollusivem Zusammenwirken von Scheinwerk-unternehmer und –besteller kann Berufung auf die ANÜ-Erlaubnis treuwidrig sein (LAG Baden-Württemberg 3. 12. 2014 – 4 Sa 41/14 – BB 2015, 315).

• Reform: Denominationspflicht und Fiktion eines Arbeits-verhältnisses mit dem Entleiher bei nicht offen doku-mentierter ANÜ (§§ 1 Abs. 1 S. 5, 9 Abs. 1a AÜG-E).

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Kritik• These des Koalitionsvertrages betrifft nur die bewusste

Verschleierungsstrategie• Referentenentwurf missachtet die derzeitige und

künftige Rechtsunsicherheit für Unternehmer– Vorschlag ignoriert die Abgrenzungsschwierigkeiten und zwingt die Beteiligten

zu offener Falschdeklaration von Werkverträgen als ANÜ– Pauschale Gleichstellung von unzulässiger und verdeckter

Arbeitnehmerüberlassung sachlich nicht gerechtfertigt– Spezialisierte Berater wollen häufig nicht als Leiharbeitnehmer tätig sein

• Vorratserlaubnis entspricht Bedürfnis nach Rechtstreue• Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hat außerdem

Kontrollfunktion („Gütesiegel“)Lösung: Echtes Wahlrecht des AN mit verbindlicher

Wirkung bei offen deklarierter Vorratserlaubnis

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Widerspruchsrecht, aber kein Wahlrecht

• Widerspruchsrecht des AN gegen die Begründung eines AV mit dem Entleiher

– bei sog. „verdeckter“ Leiharbeit (Vorratserlaubnis)

– bei Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer.

• Recht setzt schon begründetes AV mit Entleiher voraus (§ 9 Abs. 2 AÜG-E)

• Beschäftigter kann also nicht:

– in Vertretungsfällen vor Ablauf der 18-Monatsfrist erklären, dass er an AV mit Verleiher festhält

– bei unklarer Rechtslage sich frei für Status als Zeitarbeitnehmer oder regulärer AN entscheiden

• Problem: Fristbeginn bei tatsächlicher Ausgestaltung als Zeitarbeit?

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Eingriff in die Kampfparität

• § 11 Abs. 5 AÜG-E: Einsatz von Zeitarbeitnehmern während eines Streiks wird verboten

• Weiterbeschäftigung von Zeitarbeitnehmern bleibt möglich, wenn sie keine Aufgaben von Streikenden übernehmen (Reg.E)

• Konzernprivileg wird nicht beeinträchtigt

• Bislang überwiegend schon tarifliche Regelung

• Trotz Verbesserung weiterhin Eingriff in die Kampfparität

– Keine Rechtfertigung in der Begründung

– Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht

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Erweiterte Rechte des Betriebsrats

• Erweiterung der Informations- und Unterrichtungsrechte in § 80 Abs. 2 BetrVG bei Fremdpersonaleinsatz : „insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen“. „Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der .. (Fremdarbeitnehmer) zugrunde liegen“.

• Unterrichtung über geplanten Fremdpersonaleinsatz in §92 Abs. 1 BetrVG: „.. einschließlich der geplanten Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen …“

• Unproblematische und sachgerechte Präzisierung der teils schon derzeit bestehenden Rechte.

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Gesamtwürdigung Regierungsentwurf

• Klare Verbesserung gegenüber Referentenentwurf I u II

• Ziel „Rechtssicherheit im Recht der Werkverträge“ wird verfehlt

• Problematische Tarifentmündigung der Zeitarbeits-branche bei der Höchstüberlassungsdauer

• Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit bei Öffnungsklauseln

• Schwierigkeiten der Berechnung des weit gefassten Equal-Pay bei fehlendem TV werden ignoriert

• Übermäßige Sanktionen bei geringfügigen Verstößen

Auch beim Reg.E besteht Verbesserungsbedarf