Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf ·...

19
Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Transcript of Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf ·...

Page 1: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Dirk Ziesing

Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Page 2: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

agenda

Page 3: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Dirk Ziesing

Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische

Landwehr-Infanterie-Regiment

(3. Westfälisches)

in den Befreiungskriegen 1813 – 1815

agenda Verlag Münster

2017

Page 4: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Gedruckt mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe

Umschlagbild: Preußische Landwehr

Kupferstich, Frankreich, um 1840

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 agenda Verlag GmbH & Co. KG

Drubbel 4, D-48143 Münster Tel.: +49(0)251-799610, Fax: +49(0)251-799519

www.agenda.de, [email protected]

Druck & Bindung: TOTEM, Inowroclaw, Polen

ISBN 978-3-89688-592-0

Page 5: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Inhalt

Einleitung .................................................................................................................................... 9

Vorgeschichte ......................................................................................................................... 11

Ostfriesland ......................................................................................................................... 11

Jeverland .............................................................................................................................. 12

Lingen .................................................................................................................................... 12

Tecklenburg ........................................................................................................................ 13

Das Großherzogtum Berg ............................................................................................. 13

Die Napoleonischen Feldzüge in Spanien und Russland ................................. 14

Napoleons Ehrengarde................................................................................................... 19

Das Jahr 1813.......................................................................................................................... 22

Widerstand gegen die Franzosen .............................................................................. 23

Die Völkerschlacht bei Leipzig .................................................................................... 24

Das 3. Westfälische Landwehr-Infanterie-Regiment ............................................. 26

Die Belagerung Delfzijls ..................................................................................................... 29

Das Jahr 1814.......................................................................................................................... 31

Das Jahr 1815.......................................................................................................................... 32

Die Schlacht bei Ligny ..................................................................................................... 34

Die Schlacht bei Belle-Alliance (Waterloo) ........................................................... 38

Der weitere Kriegsverlauf ............................................................................................ 40

Der Rückmarsch ................................................................................................................ 42

Der Grund für die Auflösung des Regiments ............................................................. 44

Die Situation der Verwundeten und Kranken .......................................................... 45

Frauenvereine .................................................................................................................... 47

Das Eiserne Kreuz ................................................................................................................. 52

Einzelschicksale ..................................................................................................................... 53

Kommandeure ................................................................................................................... 53

Offizierskorps ..................................................................................................................... 59

Unteroffiziere ...................................................................................................................114

Landwehrmänner ...........................................................................................................141

Spielleute............................................................................................................................238

Page 6: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

6

Ärzte .....................................................................................................................................240

Freiwillige Jäger zu Fuß ...............................................................................................245

Landwehr-Kavallerie ....................................................................................................311

Freiwillige Jäger zu Pferd ............................................................................................326

Landsturm .........................................................................................................................337

Artillerie .............................................................................................................................337

Train .....................................................................................................................................339

Pioniere ...............................................................................................................................340

Angehörige anderer Einheiten ......................................................................................341

Das Ersatz-Bataillon ......................................................................................................341

3. Ostpreußisches Infanterie-Regiment ................................................................343

16. Preußisches Infanterie-Regiment ....................................................................344

26. Preußisches Infanterie-Regiment ....................................................................345

30. Preußisches Infanterie-Regiment ....................................................................346

5. Preußisches Husaren-Regiment ..........................................................................346

2. Elb-Landwehr-Infanterie-Regiment ..................................................................349

Elb-National-Husaren-Regiment .............................................................................349

Hannover............................................................................................................................350

Bremen ................................................................................................................................352

Lützowsches Freikorps ................................................................................................354

Gendarmerie .....................................................................................................................354

Nicht identifizierte Einheiten ....................................................................................355

Deserteure .........................................................................................................................361

Gedenktafeln, Erinnerungsstücke und Denkmäler...............................................362

Carolinensiel .....................................................................................................................363

Dornum ...............................................................................................................................367

Esens ....................................................................................................................................368

Leer .......................................................................................................................................370

Norden ................................................................................................................................372

Wittmund ...........................................................................................................................377

Ibbenbüren ........................................................................................................................382

Ladbergen ..........................................................................................................................383

Page 7: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

7

Lengerich ...........................................................................................................................384

Münster ...............................................................................................................................385

Der Ehrenpokal des Leutnants Sasse .....................................................................386

Das Nationaldenkmal am Upstalsboom ................................................................388

Quellen .....................................................................................................................................389

Anhang .....................................................................................................................................393

Liste der Opfer .................................................................................................................393

Empfänger des Eisernen Kreuzes 2. Klasse.........................................................396

Stammliste des im Jahr 1815 formierten Ostfriesisch-Tecklenburg-Lingenschen freiwilligen Jäger-Corps ....................................................................397

Personenregister .................................................................................................................400

Page 8: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment
Page 9: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Einleitung

m Hinblick auf vorliegende Dokumentationen kommt dem 3. Westfäli-schen Landwehr-Infanterie-Regiment eine besondere Bedeutung zu. So-

fern es für die anderen westfälischen Landwehreinheiten Regimentsge-schichten oder vergleichbare Aufzeichnungen gegeben hat, sind diese ver-schwunden. Für das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Regiment exis-tieren jedoch neben den Aufzeichnungen des Regimentskommandeurs zwei Bücher, aus den Jahren 1846 beziehungsweise 18561, in denen sowohl die Geschichte des Regiments als auch viele der handelnden Personen be-schrieben werden. Hinzu addiert sich ein 1913 erschienenes Werk über Ostfriesland in der Zeit der Befreiungskriege. In diesen Publikationen findet man allerdings einige – verzeihliche – Schreibfehler bei Namen und Orten. Ferner sind die zum Teil recht interes-santen Einzelschicksale und weiteren Lebenswege nicht in der gebühren-den Tiefe behandelt worden. Diese Lücke soll mit dem vorliegenden Werk geschlossen werden. Eine besondere Herausforderung ergab sich aus der in Ostfriesland prakti-zierten patronymischen Namensgebung. Zunächst verwendete man anstelle eines Familiennamens den mit einer entsprechenden Endung versehenen Vornamen des Vaters. So entstand Hinrichs aus Hinrich und Janssen aus Jan. Ferner wurde, getreu dem Prinzip, dass kein Vorname verloren gehen darf, der erste Sohn nach dem Großvater väterlicherseits, der zweite nach dem mütterlicherseits benannt. Bei Töchtern verfuhr man ähnlich. Allerdings gab es zahlreiche Ausnahmen von diesen Regeln. Gemäß einer Verordnung des französischen Kaisers vom 18. August 1811 mussten sich alle Untertanen feste Familiennamen zulegen. Dies trieb zum Teil seltsame Blüten und führte in vielen Fällen dazu, dass der Name des Vaters fortan als Mittelname geführt wurde. Nach dem Abzug der Franzo-sen kehrte man wieder zu dem alten Brauch zurück. Zwei weitere Dekrete aus Hannover in den Jahren 1826 und 1855 waren ebenfalls zum Scheitern verurteilt, und erst mit der Einführung der Standesämter 1874 im Deut-schen Reich wurden verbindliche Familiennamen festgeschrieben. Für genealogische Forschungen in früheren Zeiten bilden Kirchenbücher eine wesentliche Informationsquelle. Die darin enthaltenen Informationen wurden bereits an sehr vielen Stellen in Ostfriesland in Form von Ortsfami-lienbüchern aufbereitet. Bei den Recherchen für das vorliegende Werk konnten auch einige Dokumente in Landes- und Stadtarchiven ausgewertet werden, speziell Listen der Wehrpflichtigen und militärische Anordnungen.

1 Das 1856 veröffentlichte Werk des ehemaligen Landwehr-Offiziers von Garrelts wird im Folgenden mehrfach als Referenz verwendet.

I

Page 10: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

10

Eine besondere Bedeutung kommt den Hinterlassenschaften einiger Zeit-zeugen und Kriegsteilnehmer zu, die ihre Erlebnisse zu Papier brachten, in Form von Briefen, Tagebüchern und auch umfassenden Veröffentlichungen. Darüber hinaus findet man in den Hof- und Staats-Handbüchern für das Königreich Hannover zahlreiche Veteranen der Befreiungskriege, die in der preußischen Armee das Eiserne Kreuz verliehen bekamen oder zumindest eine Kriegs-Denkmünze. Das vorliegende Buch wendet sich nicht in erster Linie an professionelle Historiker sondern an interessierte Laien, die etwas über die Geschichte und vielleicht ihre eigenen Ahnen erfahren wollen. Insofern beschränken sich die vorhandenen Fußnoten auf sachdienliche Erläuterungen und Er-gänzungen. Die verwendeten Quellen sind zum überwiegenden Teil in ei-nem separaten Verzeichnis zusammengefasst worden. Dabei wurde be-wusst eine chronologische Abfolge gewählt, um den Umgang mit dem hier behandelten Thema im Laufe der Jahrhunderte zu veranschaulichen. Bei der Vielzahl der überlieferten Namen kann kein Anspruch auf Vollstän-digkeit übernommen werden. Es ist auch festzustellen, dass sich bei einigen Namen, die in offiziellen Dokumenten auftauchen, trotz intensiver Recher-chen keine Personen zuordnen ließen. Zudem werden Vorfahren und Nach-kommen einzelner Personen nur in besonders interessanten Fällen behan-delt.

Landwehrkreuz mit dem Motto

„Mit Gott für König und Vaterland 1813“

Der Autor bedankt sich auf diesem Wege bei den zahlreichen Informations-gebern in öffentlichen Einrichtungen und den engagierten Privatpersonen, ohne deren Unterstützung dieses Werk nicht zustande gekommen wäre. Ein besonderer Dank gilt der Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung.

Page 11: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Vorgeschichte

um besseren Verständnis der geografischen, historischen und politi-schen Verhältnisse soll zunächst kurz die Vorgeschichte der betroffenen

Regionen umrissen werden.

Ostfriesland

ach dem Tod des letzten lokalen Fürsten ohne männlichen Erben wur-de Ostfriesland1 1744 von Preußen in Besitz genommen. In den folgen-

den Jahrzehnten entstanden neue Kanäle und Straßen, Deiche wurden ver-stärkt. Im Besonderen profitierte Emden in den Jahren, in denen es der einzige neutrale Hafen an der Nordsee war. Durch die Niederlage der preußischen Armee in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt im Jahr 1806 änderte sich die Situation. Nun hatte Na-poleon Bonaparte (1769 – 1821), seit 1804 Kaiser der Franzosen, das Sa-gen. Zu den Gebieten, die Preußen abtreten musste, gehörte auch Ostfries-land. Es wurde Teil des Königreichs Holland, regiert von Napoleons Bruder Louis Bonaparte (1778 – 1846). Der erste Landdrost, der 1808 zur Verwal-tung Ostfrieslands eingesetzt wurde, war der aus Utrecht stammende Go-dert Alexander Gerard Philip van der Capellen (1778 – 1848). Er bekam Anfang 1809 den Posten des holländischen Innenministers und wurde als Landdrost abgelöst durch Willem Queysen (1754 – 1817) aus Zwolle, zuvor seit November 1807 Generaldirektor des Postwesens. Steuern und Zölle stiegen an, und die bereits 1806 verhängte Kontinental-sperre sollte den Handel mit England zum Erliegen bringen. Als Folge blüh-te jedoch der Schmuggel an der Nordseeküste, und in letzter Konsequenz löste Napoleon im Juli 1810 gegen den Widerstand seines Bruders das Kö-nigreich Holland auf und schuf daraus französische Provinzen. So wurde Ostfriesland per kaiserlichem Dekret vom 26. Dezember 1810 Teil des Départements „Ems Oriental“ (Ost-Ems) mit dem Hauptort Aurich. Zum Präfekten, als Nachfolger des Landdrosten, ernannte man Sébastien Louis Joseph Jannesson (1779 – 1864)2. Bei einer Volkszählung erfasste man 128.200 Seelen, wobei auf Emden als größte Stadt 11.251 entfielen. Die weitere Untergliederung umfasste die Arrondissements Aurich (mit den Kantonen Aurich, Timmel, Norden, Berum und den Inseln Baltrum, Juist und Norderney), Emden (mit den Kantonen Emden, Pewsum, Oldersum, Leer, Stickhausen und der Insel Borkum) sowie Jever (mit den Kantonen

1 Das Land am Rande (Fries) des Meeres. 2 Der aus Saarbrücken stammende Jannesson kam als französischer Beamter über Col-mar und Zweibrücken 1811 nach Aurich. Im November 1813 nahmen ihn Kosaken ge-fangen, und man schickte ihn über Bremen nach Frankreich. Später lebte er mit seiner Familie in Straßburg. Aus seiner Ehe mit Marguerite Mouton gingen in Aurich zwei Söh-ne hervor, wobei der jüngere noch im Juni 1813 zur Welt kam.

Z

N

Page 12: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

12

Esens, Wittmund, Jever, Hooksiel, Rüstringen und den Inseln Langeoog, Wangerooge und Spiekeroog). Westlich des namensgebenden Flusses lag „Ems Occidental“, mit Groningen als Verwaltungssitz. Im Inland entstand „Ems Supérieur“ (Ober-Ems) mit Sitz der Präfektur in Osnabrück. Nach Osten schloss sich das Département „Bouches du Weser“ (Weser-Mündung, Hauptort: Bremen) an. Drei Monate später kam südlich noch das Département der Lippe mit dem Hauptsitz in Münster hinzu.

Jeverland

egen den Widerstand Ostfrieslands wurde die Herrschaft Jever im aus-gehenden 16. Jahrhundert mit der Grafschaft Oldenburg verbunden.

1667 kam Jever als Erbschaft zum Fürstentum Anhalt-Zerbst. Dessen Nach-folger wurde das russische Zarenreich, als 1793 der regierende Fürst Fried-rich August, geboren 1734, ohne Erben verstarb, und das Land dessen Schwester zufiel. Es handelte sich um Sophie Auguste Friederike von An-halt-Zerbst (1729 – 1796), die 1762 als Katharina II. Zarin geworden war. Deren Enkel Zar Alexander I. Pawlowitsch Romanow (1777 - 1825) trat 1807 die Herrschaft Jever an das neu entstandene Königreich Holland ab. Gemeinsam mit dem bis dahin eigenständigen Herzogtum Oldenburg3 wur-de Jever 1811 ebenfalls Teil des französischen Kaiserreichs. Zum Präsi-denten des Arrondissementsrats ernannte man den späteren Jeveraner Bürgermeister Hermann Anton Bernhard Garlichs (1770 – 1818).

Lingen

ach mehreren Jahrhunderten wechselvoller Geschichte kam die Graf-schaft Lingen 1702 durch Erbschaft zum Königreich Preußen. Die vor-

malige Zugehörigkeit zum niederländischen Haus Oranien wirkte allerdings noch geraume Zeit nach, und in den reformierten Gemeinden wurde wei-terhin in holländischer Sprache gepredigt. Nach kurzer Zugehörigkeit zum Großherzogtum Berg erfolgte 1811 der Anschluss an Frankreich als Teil des Départements Ober-Ems. 1812 zählte man im Arrondissement Lingen 84.573 Einwohner. Kantonsorte waren neben Lingen Bevergern, Freren, Fürstenau, Haselünne, Ibbenbüren, Mep-pen, Papenburg und Sögel. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass im Gebiet der Graf-schaft Lingen die Bereitwilligkeit zum Kriegsdienst in der preußischen Ar-mee deutlich gegenüber den anderen Fraktionen zurückblieb. Das Gouver-nement in Münster sah sich am 6. April 1814 sogar zu der folgenden Be-

3 Der vertriebene Herzog von Oldenburg, Peter Friedrich Ludwig (1755 – 1829), lehnte das Fürstentum Erfurt als Ersatz ab, ging nach Russland ins Exil und bewirkte dort 1812 die Aufstellung der Russisch-Deutschen Legion, die sich aus Überläufern und Gefange-nen rekrutierte.

G

N

Page 13: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

13

kanntmachung veranlasst: „Wir können nicht umhin, die Provinzen Ost-friesland, Mark, Cleve, Tecklenburg, Minden und Ravensberg als diejenigen öffentlich zu beloben, welche durch treue Anhänglichkeit an König und Va-terland sich ausgezeichnet haben, die Soldaten der Provinz Lingen aber als diejenigen zu bemerken, welche ihren Eid am häufigsten schändlich gebro-chen und sich unwürdig bewiesen haben, wieder Deutsche und Preußen geworden zu sein.“ Ähnlich sahen es 1815 die Angehörigen des Jägerkorps, die am 2. Mai aus Empörung über das „undeutsche Betragen“ einiger Gemeinden in der Graf-schaft Lingen ein Gesuch an das Militär-Gouvernement in Münster richte-ten, um fortan nur noch als „Ostfriesisch-Tecklenburgisches Jägerkorps“ bezeichnet zu werden. Zuvor war bekannt geworden, dass sich im Emsland die wehrpflichtigen jungen Männer zu Hunderten nach Holland abgesetzt hatten. Der Antrag wurde allerdings abgelehnt.

Tecklenburg

ie im 12. Jahrhundert entstandene Grafschaft Tecklenburg kam 1557 an die Familie Bentheim-Tecklenburg, obwohl das Haus Solms-Braun-

fels Erbansprüche geltend machte. Erst 1696 konnten diese Ansprüche vor dem Reichskammergericht durchgesetzt werden. Aber schon 1707 verkauf-ten die neuen Herrscher das Gebiet an Preußen. Die endgültige Abtretung zog sich allerdings bis 1729 hin, da zunächst noch Ansprüche des Hauses Bentheim-Tecklenburg bestanden. Gemeinsam mit der Grafschaft Lingen entstand nun eine neue preußische Provinz, die 1806 dem Großherzogtum Berg zugeschlagen wurde und schließlich ab 1811 zum Kaiserreich Frank-reich gehörte. Der Kanton Tecklenburg, mit 9.586 Einwohnern, war nun Teil des Arrondissements Osnabrück, mit Mairien in der Stadt Tecklenburg, in Ledde, Leeden, Lotte, Wersen und Westerkappeln.

Das Großherzogtum Berg

as Großherzogtum Berg mit seiner Hauptstadt Düsseldorf entstand 1806 als napoleonischer Modell- beziehungsweise Vasallenstaat. Erster

Herrscher wurde Joachim Murat (1767 – 1815), ein Schwager Napoleons. 1808 wurde Murat Herrscher des Königreichs Neapel, und der Kaiser über-nahm selbst die direkte Herrschaft in Berg. Bei dieser Gelegenheit teilte man das Gebiet in die Départements Rhein (Präfektursitz Düsseldorf), Sieg (Dillenburg), Ruhr (Dortmund) und Ems (Münster) auf. Das 1811 wieder abgetrennte Département Ems untergliederte sich in die Arrondissements Münster, Coesfeld und Lingen. Letzteres umfasste die Kantone Lingen, Nordhorn, Emlingkamp4, Freren, Ibbenbüren und Tecklenburg.

4 Der Kanton Emlingkamp umfasste in der Grafschaft Bentheim das Kirchdorf Emlich-heim mit 11 Bauerschaften sowie 19 weitere des Gerichts Wilsum.

D

D

Page 14: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Die Napoleonischen Feldzüge in Spanien und Russland

it der Gründung des Königreichs Holland und des Großherzogtums Berg entstand die Verpflichtung, der französischen Armee Hilfstrup-

pen zu stellen. Dies setzte sich fort, als nach der Angliederung der genann-ten Gebiete an das Kaiserreich auch Rekruten für französische Linien-Re-gimenter eingezogen wurden. In der Folge verloren viele junge Männer ihr Leben, zunächst in Spanien und anschließend in Russland. Der Feldzug auf der Iberischen Halbinsel begann 1807 und dauerte sieben Jahre. Legendär war die Entstehung der Guerilla-Taktik, die den Franzosen und ihren Verbündeten hohe Verluste zufügte und im Gegenzug grausame Vergeltungsakte gegen die Zivilbevölkerung hervorrief. Bereits 1808 lande-ten auch erste britische Truppen in Portugal, die 1814 bis Südfrankreich vorgedrungen waren. Der Russlandfeldzug begann im Juni 1812, entwickelte sich zur Katastrophe und endete formell im Dezember des gleichen Jahres. Die „Grande Armée“ umfasste mehr als eine halbe Million Soldaten, von denen nur ein Bruchteil zurückkehrte. Bezeichnend sind Napoleons Worte, er hätte 300.000 Mann verloren, von denen nicht einmal 30.000 Franzosen waren. Stattdessen hätte er Deutsche und Polen geopfert. Gerhard Dullmann wurde 1787 in Aschendorf im Kirchspiel Großwolde als Sohn von Jan Dullmann und Margaretha Gründers geboren. Er trat 1812 als Stellvertreter für den späteren Justizrat Steltzer in das 33. Französische Linien-Regiment ein und kehrte nicht aus Russland zurück. Geerd Jans de Vries, geboren 1787 in Neermoor als Sohn des Tagelöhners Jan Hauen, der 1769 Antje Jacobs geheiratet hatte, bot sich als Stellvertreter für den Emder Kaufmann Peter Roostee an und blieb ebenfalls in Russland. Dirk van Borssum, geboren 1788 in Emden als Sohn von Egbert van Bors-sum und Auwina van Hoorn, kam 1811 als Konskribierter zur französischen Armee und starb im Januar 1812 in einem Hospital in Stettin an Fieber, als Jäger im 33. Regiment der leichten Infanterie. Ein Opfer des Russlandfeldzugs wurde auch Lübbert Hinderks Spekker aus Stapelmoor. 1790 kam er als Sohn des Paares Hinderk Montjes Spekker und Elske Sanders zur Welt. Im August 1812 erhielt man eine letzte Nachricht von ihm aus Königsberg. Jan Focken aus Grimersum, ein Sohn der Eheleute Focke Klaassen und Etje Janssen, starb am 13. Juli 1812 im Alter von 22 Jahren in einem Hospital in Boulogne-sur-Mer an Faulfieber. Er gehörte zur 2. Kompanie der 12. Flot-tillen-Equipage1.

1 Die Flottillen-Equipages entstanden 1805 als Landungstruppen mit leichten Schiffen vor dem Hintergrund der geplanten Invasion Englands, die jedoch nicht stattfand. Auf direkte Anweisung des Kaisers wurde die 12. Flottillen-Equipage 1812 von Boulogne nach Cherbourg verlegt, da in dem größeren Hafen bessere Übungsbedingungen bestan-den.

M

Page 15: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

15

Adrianus Schlevoigt war von 1768 bis zu seinem Tod im Jahr 1797 Pfarrer der reformierten Gemeinde in Emden. Sein 1792 geborener Sohn Adrianus Petrus Schlevoigt starb im Dezember 1813 in einem Hospital in Mainz als Angehöriger des 122. Linien-Regiments. Als Todesursache wurde gleichfalls Fieber notiert. Abraham Ehrlenholtz (1762 – 1842) stammte aus Straßburg im Elsass. Der Sohn eines Sattlers heiratete 1786 in Leer Trientje Meyer (1765 – 1809), die Tochter eines Lohgerbers und Schusters. Er gründete in Leer eine Le-derfabrik und war dort von 1814 bis 1842 Bürgermeister. Sein 1790 gebo-rener Sohn Fokke Friedrich Ehrlenholtz wurde Voltigeur im Regiment Bel-le-Ile2, und das letzte Lebenszeichen, dass man von ihm erhalten hatte, stammte aus Stettin im Oktober 1812. Zwei Jahre später war er verschollen. Es ist anzunehmen, dass er den Russlandfeldzug nicht überlebte. Mehr Glück hatte der aus Veenhusen stammende Jan Harms Schilder (Schil-ler) (1793 – 1872). Der Sohn des Landgebräuchers Harm Otten (um 1744 – 1829) und der Gepke Janssen Penning (um 1751 – 1830) gehörte ebenfalls als Soldat dem Regiment Belle-Ile an, kehrte aber 1814 in die Heimat zu-rück und lebte fortan als Arbeiter in Moorhusen. Aus seiner 1831 geschlos-senen Ehe mit Frouwke Geerds Buss (1806 – 1871) gingen fünf Kinder her-vor. Schilder starb 1872 an einer Lungenentzündung. Zu denen, die überlebten, gehörte auch Geerd Klaassen (1787 – 1857) aus Emden. 1807 heiratete er Anna Hinrica Pörtner (1782 – 1818) und war bereits Vater von drei Kindern, als man ihn 1813 einzog. Noch 1814 stand er in französischen Diensten. Nach dem Ableben seiner Ehefrau ging er 1819 eine weitere Ehe mit Anna Catharina Janssen Müller (1789 – 1858) ein. Bei seinem Tod wurde als Beruf Torfträger notiert. Jan Tönjes Schnitjer wurde 1790 in Leer als Sohn des Fuhrmanns und Land-gebräuchers Tönjes Hajen Schnitjer (1749 – 1823) geboren. Er zog eben-falls mit der „Grande Armée“ nach Russland und sandte im September 1812 sein letztes Lebenszeichen aus Wilna (Vilnius) in Litauen. Hinricus Martinus Pryshoff wurde 1789 in dem niederländischen Ort Molk-werum geboren. Sein Vater, der Kaufmannssohn Nicolaus (Claas) Pryshoff (Prijshoff) (1763 – 1837), war 1789 als Prediger aus Leer dorthin gekom-men, ging 1793 nach Eenigenburg, 1795 nach Oudkarspel und kehrte 1813 mit seiner Familie nach Leer zurück. Der Sohn musste unterdessen als Gre-nadier des 126. Französischen Linien-Regiments gen Osten ziehen und schickte im Juni 1813 aus Stettin eine letzte Nachricht. Die geschlagene Armee des Kaisers war bereits vor Monaten aus Russland zurückgekehrt, aber viele erlagen noch den Strapazen oder eingeschleppten Krankheiten.

2 Das Regiment Belle-Ile war 1811 aufgestellt worden und wurde 1812 zum 36. Leichten Infanterie-Regiment. Es war eine Strafeinheit, in die speziell Wehrdienstverweigerer eingegliedert wurden, und machte als Teil der 32. Infanterie-Division den Russlandfeld-zug mit.

Page 16: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

16

Zu den Opfern zählte auch Folkert Janssen Goldsweer, geboren 1789 in Heisfelde als Sohn des Landwirts Jacob Bernhard Goldsweer (1745 – 1805). Er starb als Soldat der 87. Kohorte3 im August 1813. Marten Wilhelm Cöler aus Nüttermoor kam im Sommer 1813 als Soldat des 129. Infanterie-Regiments4 nach Würzburg. Im Oktober 1814 galt er als verschollen. Wahrscheinlich handelte es sich um Marten Cöler, der 1789 im Umfeld des Klosters Thedinga5 geboren wurde. Dessen Eltern waren Jan Wilhelm Cöler, Bäcker, und Tette Martens. Der 1791 geborene Jodocus Wischmann stammte aus Leer. Dort hatte 1780 die Trauung seiner Eltern, Heye Wischmann (1756 – 1821), zuletzt Ge-richtsdiener, und Aaltje Harms (1750 – 1826) stattgefunden. Wischmann verschlug es mit der französischen Armee nach Wittenberg6. Von dort kam im August 1813 eine letzte Nachricht. Eilert Freudenberg, geboren 1790 in Leer als Sohn von Claas Freudenberg und Jantje Eilers, wurde 1814 als tot vermerkt. Er war zuletzt als Soldat im 3. Bataillon des 33. Französischen Leichten Infanterie-Regiments7 in Ham-burg. Anton Obendiek (um 1788 – 1835) aus Leer musste als Matrose auf dem französischen Kriegsschiff „Le Conquérant“8 antreten. Er konnte jedoch 1814 zurückkehren, wurde Töpfer in Weener und heiratete dort 1818 die Schiffertochter Peterke Harms de Vries (1796 – 1870), die nach dem frühen Tod ihres ersten Gatten 1836 eine weitere Ehe einging. Samuel Gottfried Felix (um 1759 – 1823) stammte aus Breslau und war als Arbeiter nach Leer gekommen. Sein 1788 geborener Sohn bekam die glei-chen Vornamen. Als Soldat der französischen Armee landete er 1813 in einem Hospital in Bensberg bei Bergisch Gladbach im Rheinland. 1814 kehrte er nach Leer zurück und heiratete dort 1817 Jacobine Louise Hen-riette Groen.

3 Als Ergänzung zur regulären Armee stellte man 1812 im französischen Kaiserreich eine Nationalgarde, bestehend aus 88 Kohorten, auf. Die 87. Kohorte wurde im Februar 1813 in Münster als 4. Bataillon in das 147. Linien-Regiment integriert und nahm im Vorfeld der Völkerschlacht an Gefechten in Schlesien und in Sachsen teil. 4 Das 129. Französische Linien-Regiment wurde 1811 aus Teilen der Oldenburger und der königlich westphälischen Armee formiert. Nach dem Russlandfeldzug erfolgte 1813 die Auflösung und Verteilung der Überreste auf das 127. und 128. Regiment. 5 Die Gründung des Benediktiner-Klosters Thedinga bei Nüttermoor geht auf das 13. Jahrhundert zurück. 6 Die zum Königreich Sachsen gehörige Festungsstadt Wittenberg wurde von Ende 1813 bis Mitte Januar 1814 belagert und dann von den Preußen eingenommen. 7 Nach der Auflösung des Königreichs Holland im Jahr 1810 wurde die leichte holländi-sche Infanterie als 33. Regiment der leichten französischen Infanterie zugeschlagen und in Hamburg stationiert. Die Belagerung Hamburgs durch die Alliierten dauerte von Dezember 1813 bis Mai 1814 an. 8 Das mit 80 Kanonen bestückte Linienschiff lief 1812 in Antwerpen vom Stapel, wurde 1814 in Brest stationiert und war bis 1831 im Einsatz.

Page 17: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

17

Bemerkenswert ist auch das Schicksal Jan Willems Honsteins (1796 – 1860), der in dem niederländischen Ort Sneek zur Welt kam. Sein Vater, ein Zimmermann, zog mit der Familie nach Leer. Von dort kam der Sohn als „Pupil“ (Schüler) zur Kaisergarde und kehrte im Sommer 1814 zurück. Spä-ter ging er nach Hannover und arbeitete dort als Lohndiener. Als „Bedien-ter“ des Oberstleutnants von Müller9 gründete Honstein 1825 mit Sophia Dorothea Carolina Rosina Lükke eine Familie. Aus dem Amt Berum kehrten zwölf junge Männer nicht zurück. Darunter befanden sich Enne Willms Ennen, der 1789 geborene Sohn eines Drechs-lermeisters aus Hage und Jacob Janssen Meints, geboren 1791 in Berum. Aus Halbemond stammten Eggerke Willms Jansen, geboren 1792 als Sohn eines Arbeiters, Jann Behrends Everts, geboren 1789 ebenfalls als Arbeiter-sohn, Albert Menken Albers, geboren 1793 als Sohn des Landgebräuchers Albert Janssen, und Evert Hinrichs, ein Sohn von Hinrich Fooken Oldmann. Des Weiteren hatte man in Blandorf Opfer zu beklagen: Die Brüder Roolf und Claas Weyerts Lüders waren Söhne des Arbeiters Weyert Roolfs Lü-ders, die 1778 beziehungsweise 1791 zur Welt kamen. Außerdem starben Wessel Gerds Weeken, geboren 1793 als Sohn des Hausmanns10 Gerd Wes-sels, und Wiechert Siebels, der 1789 geborene Sohn des Hausmanns Siebelt Wiechers aus Berumbur. Das Amt Jever veröffentlichte 1816 die Namen derer, die zwischen Januar 1803 und November 1815 in französischen Kriegsdiensten standen und nicht zurückgekehrt waren. Darunter befand sich Johann Hinrich Roppel, ein Sohn des Jeveraner Kammerboten Johann Heinrich Roppel. Auch Eibe Haschenburger aus Tettens, der 1790 geborene Sohn des Hausmanns Harm Haschenburger, war verschollen. Johann Conrad Abrahams aus Sillenstede kam als Jäger zum 33. Französischen Infanterie-Regiment und schickte 1812 einen letzten Brief aus der Ardennenfestung Givet, danach war er verschollen. Johann Diedrich Anton Lambers wurde 1787 in Lingen geboren und musste 1808 als Konskribierter in die Armee eintreten. Er starb als Soldat der 1. Kompanie des 1. Bataillons des 1. Regiments der Infanterie-Brigade am 7. November 1809 in einem Spital, vermutlich in dem Ort Sigean, auf dem Weg nach Spanien. Aus Lingen stammte auch Herman Albert Bernhard Müter. Der 1783 Gebo-rene wurde ebenfalls 1808 eingezogen und gehörte zur Jäger-Kompanie des 2. Bataillons, ebenfalls im 1. Regiment der Infanterie-Brigade. Er starb am 27. Oktober 1809 in Moissac in Südfrankreich an Fieber.

9 Georg von Müller, Oberstleutnant seit 1815, war Chef des Hannoveraner Landdrago-nerkorps (Land-Gendarmerie). Er starb 1844 in Loccum im Landkreis Nienburg an der Weser. 10 Bisweilen bezeichnete man in früheren Zeiten den Besitzer eines Bauernhofes als Hausmann.

Page 18: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

18

Johann Heinrich Scheele wurde in Calbe an der Saale geboren und kam mit seinen Eltern, Johann Friedrich Scheele und Maria Rosina Radehausen, nach Lingen, als der Vater dort eine Stelle als Stadtpolizeidiener annahm. Scheele musste mit dem 128. Französischen Linien-Regiment gen Russland ziehen und starb in einem Lazarett in Grodno in Weißrussland. Johann Bernhard Lehmberg, ein Sohn des Schulhalters Georg Heinrich Lehmberg aus der Bauerschaft Kattenvenne bei Lienen, starb am 17. De-zember 1809 im Alter von 20 Jahren in einem Militärhospital in Mainz. Er war Füsilier im 2. Regiment des Großherzoglich Bergischen Armeekorps‘. Für fünf junge Männer aus Lotte wurden 1811 über Düsseldorf die Sterbe-nachrichten in die Heimat übermittelt. Einer davon war der 1787 geborene Heinrich Wilhelm Spellmeyer. Er starb am 6. November 1809 an Fieber in einem französischen Lazarett gleichfalls als Soldat des 2. Regiments der In-fanterie-Brigade. Diesem Regiment gehörten auch die aus Wersen stammenden Heinrich Adam Spelbrinck, Jahrgang 1788, und Johann Heinrich Schweigmann, Jahr-gang 1787, an. Ihr Leben endete im Juli beziehungsweise August 1809 in Perpignan in Südfrankreich, ebenfalls durch Fieber. Aus Wersen kam eben-so der 1789 geborene Johann Henrich Lehmkühler, der dem 3. Regiment angehörte und 1810 in Paris verstarb. Im gleichen Jahr starb auch Johann Heinrich Mutert aus Lotte, Jahrgang 1787, in einem Spital in Valladolid in Spanien an einer Durchfallerkrankung. Er gehörte zum Artillerie-Train. Gerhard Henrich Hülsemeier, geboren 1781 in Recke bei Ibbenbüren, hatte sich als „Remplaçant“ (Ersatzmann) für Bernhard Henrich Lage aus Bawin-kel bei Lingen verpflichten lassen und war in das Bergische Artillerie-Korps eingetreten. Er starb am 22. September 1810 in einem Spital in Narbonne am Fieber. Aus Brochterbeck starben zwei Angehörige des 128. Infanterie-Regiments während des Russlandfeldzugs: Johann Friedrich Dasmann, Jahrgang 1790, in einem Lazarett in Charkow in der Ukraine und Johann Gerhard Klöpper, Jahrgang 1788, in Uglitsch an der Wolga. Johann Everd Grothmann, geboren 1791 in Ledde, verschied in einem Hos-pital in Owrutsch in der Ukraine, zugehörig zum 11. Regiment der berit-tenen Jäger. Anton Beyer (1791 – 1865) aus Bevergern überstand den Russlandfeldzug. Im Winter 1812/13 traf ihn ein Bekannter in Berlin und berichtete, er wäre in Lumpen gekleidet gewesen und hätte völlig verstört gewirkt. Nach der Rückkehr in seinen Heimatort fand Beyer nur schwer in das normale Leben zurück und wurde lange Zeit „der wilde Mann“ genannt. Bis zu seinem Le-bensende erzählte er davon, dass er die brennende Stadt Moskau und den großen Kaiser an der Beresina gesehen hatte. Beyer arbeitete als Strumpf-weber, heiratete 1815 Anna Catharina Jürgens und setzte neun Kinder in die Welt.

Page 19: Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr ...agenda.de/wp-content/uploads/Ziesing-3.pdf · Dirk Ziesing Das Ostfriesisch-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment

Napoleons Ehrengarde

uch die kaiserliche Garde hatte während des Russlandfeldzugs massiv gelitten. So kam es im April 1813 zu dem Erlass, eine Ehrengarde im

Umfang von 10.000 Mann aufzustellen, die sich aus wohlhabenden Familien im nunmehr 130 Départements umfassenden Kaiserreich freiwillig melden sollten. In den deutschen Provinzen hielt sich die Begeisterung dafür in Grenzen, unter dem Druck der Verwaltung bewarben sich in Ostfriesland jedoch 24 Söhne von Kaufleuten und Beamten um eine Aufnahme in die Ehrengarde. Einige Namen dieser „Freiwilligen“ sind überliefert.

Angehöriger der Ehrengarde (Garde d’Honneur) 1814

Stich von Joseph Louis Hippolyte Bellangé (1800 – 1866)

Cornelius Franz Xaver Anton Joseph Marchés kam 1795 in Emden zur Welt. Er war ein Sohn des Kaufmanns Johann Bernhard Marchés, der 1788 die Kaufmannstochter Catharina Noest geheiratet hatte. Die Familie Marchés stammte ursprünglich aus der französischen Stadt Angers. Pierre Marchés kam als preußischer Soldat nach Emden und eröffnete dort 1693 ein Wirts-haus.

A