Das Phantásien-Lexikon Michael Ende · schaftlerin Alicja Baluch Die unendliche Geschichte...

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Michael Ende Die unendliche Geschichte Das Phantásien-Lexikon

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Michael EndeDie unendliche Geschichte

Das Phantásien-Lexikon

Michael Ende

Die unendlicheGeschichte

Das Phantásien-Lexikonvon

Roman und Patrick Hocke

Mit Illustrationen von Claudia Seeger

Thienemann

Man pflanzt nicht nur einen Baum, um Äpfel davon zuhaben, sondern ein Baum ist einfach schön, und es istso wichtig, dass er das ist, nicht nur, weil er zu et wasnütze ist. Und so ist das, was viele Schriftsteller, nichtviele, aber doch einige Schriftsteller und Künstler, ver-suchen, nämlich einfach etwas zu schaffen, was dann da ist und was gemeinsamer Besitz der Menschheit wer-den kann – einfach, weil es gut ist, dass es da ist.

Michael Ende

Vorwort

Die Begegnung zwischen Leser und Buch kann zu einem lebens-entscheidenden Abenteuer werden. Deshalb ist es auch hier un -vermeidlich, einige Worte vorweg zu sagen: Phan tásien – einReich ohne Grenzen. Dieses Lexikon hingegen ist nicht unend-lich. Die Auswahl der Stichwörter musste notgedrungen gewis-sen Grenzen unterliegen. Wer also für das eine oder andere keineigenes Stichwort findet, möge tun, wozu Michael Ende anregenwollte: seine eigene Phantasie gebrauchen. Vielleicht bringt sieeine Assoziation zu einem verwandten Stichwort. Vielleichtbirgt sie auch selbst die Antwort auf die Frage.

Die Bewohner Phan tásiens geben sich hier ein Stelldichein.Aber auch Begriffe, die für das poetische Konzept Michael Endesvon Bedeutung sind, tauchen auf. Bunt gemischt und nur alpha-betisch geordnet – denn für Phan tásien sind sie alle von gleicherBedeutung. Und vielleicht regt diese Mischung ja auch dazu an,noch tiefer in die Gedankenwelt Michael Endes einzutauchen:

»Das heilige Buch der Imagination« hat die polnische Wissen-schaftlerin Alicja Baluch Die unendliche Geschichte genannt. Undin der Tat zeichnet sich dieses wie auch Michael Endes andereBücher durch einen enormen Reichtum an Phantasie aus. Wasdie Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt begeistert, erregtebeim Erscheinen des Buches den Argwohn der Literaturkritik:Man warf dem Autor Eskapismus vor. Das Spiel mit verschiede-

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Phantasie nicht wirklich sei? Aus ihr allein erwachsen künftigeWelten: In dem, was wir erschaffen, sind wir frei.«3

Wie in seinem Konzept vom »magischen Theater« ging es Mi -chael Ende darum, etwas zu erschaffen, das nicht belehrt, son-dern »verzaubert« und in eine andere Welt entrückt.4 Und viel-leicht kann dieses Buch ebenfalls etwas dazu beitragen.

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nen Ebenen, das Eintauchen in die Welt der Phantasie, der Be -deutungsreichtum wurden als mangelnder Realitätsbezug in -terpretiert. In einer Zeit, in der Bücher relevant zu sein hatten,war die Phantasie etwas, mit dem die Kritiker nichts anfangenkonnten. Die Begabung Endes zur malerischen Inspiration, seinSpiel von Spiegelungen, um alle einseitigen und ausschließlichenInterpretationen der Welt zu vermeiden, war den Kritikernebenso unverständlich, wie es die Leser hinriss.

Michael Ende seinerseits sah die Phantasie bedroht durchKräfte der Entzauberung – Kräfte der funktionalen Weltsicht,die Phantasie töten und Reisen nach Phan tásien zu verhindernsuchen. Am deutlichsten nehmen diese Kräfte in den »GrauenHerren« in Momo Gestalt an. In der Unendlichen Geschichte sindsie die unbekannten Auftraggeber des Werwolfs Gmork, diePhan tásien zerstören wollen.

In anderen Kulturen und in früheren Zeiten hingegen wussteman, dass Poesie ein Teil des Ichs ist. Für Michael Ende ist sieLebensgrundlage, wichtiger als Essen und Trinken.

Poesie ist die schöpferische Fähigkeit des Menschen,immer wieder auf neue Weise sich in der Welt und dieWelt in sich zu erfahren und wiederzuerkennen.1

Endes Gedankenwelt schließt sich an die der deutschen Roman-tik an und steht im Kontext eines E.T. A. Hoffmann und Nova-lis: »Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren/sind Schlüssel allerKreaturen/[. . .] und man in Märchen und Gedichten/erkenntdie wahren Weltgeschichten [. . .]«2 In seinem Theaterstück DasGauklermärchen lässt Michael Ende Jojo sagen: »Du meinst, dass

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Phantásien – sich orientieren in einem Reich ohne Grenzen

Phantásien ist das Reich der Mythen und pMärchen, dasReich, aus dem alle pGeschichten kommen, aber auch derDrang, sie zu erzählen und sie anzuhören. Die Reise durch die-ses Reich heißt nicht umsonst Die unendliche Geschichte. Dennwie die menschliche pPhantasie ist Phantásien grenzenlos:

»In dieser Welt gibt es keine messbare äußere Entfer-nung, und so haben die Worte ›nah‹ und ›weit‹ eineandere Bedeutung. Alle diese Dinge hängen ab vomSeelenzustand und vom Willen dessen, der einenbestimmten Weg zurücklegt. Da Phantásien grenzen-los ist, kann sein Mittelpunkt überall sein – oder bes-ser ge sagt, er ist von überallher gleich nah oder fern.Es hängt ganz von demjenigen ab, der zum Mittel-punkt kommen will. Und dieses innerste ZentrumPhantásiens ist eben der Elfenbeinturm.«5

Zwar ist auch in Phantásien bisweilen von Himmelsrichtungendie Rede (Südliches Orakel, pWindriesen), doch ha ben diesekeine absolute Gültigkeit, sondern ändern sich je nachdem, woman gerade steht. Wie auf Grundfesten ruht Phantásien außer-dem auf den vergessenen Träumen der Menschen, die impBergwerk der Bilder abgelagert sind. Doch sollte man auchdiese nicht räumlich verstehen – in einem Reich ohne Grenzenkann es kein »oben« und »unten« geben.

Auch die Zeit ist in Phantásien unendlich: Alles, was ge -schieht, schreibt der pAlte vom Wandernden Berge auf. Doch

geschieht es, weil er es aufschreibt, oder schreibt er es auf, weil esgeschieht? Die Uralte pMorla sagt von der pKindlichen Kai-serin, ihr Dasein bemesse sich nicht nach Dauer, sondern nachpNamen. Sie muss immer wieder von einem Menschenweseneinen neuen Namen erhalten, sonst stirbt sie – die verkörpertePhantasie (vgl. S. 68*). Insofern hat Phantásien auch keine Ge -schichte, die sich chronologisch, fein säuberlich nach Datumund Ort geordnet, erzählen ließe.

Wie soll man sich nun in solch einem Reich zurechtfinden?Wir Menschen leben in beiden Welten: in der äußeren Welt, dieMichael Ende die »Außenwelt« nannte, und in der Welt derTräume und Wünsche, aber auch der Ängste und Albträume:»Phantásien«. Vieles ist dort anders als in der Welt der Menschen.

In Phantásien wird nämlich nicht unterschieden zwischenpGut und Böse: Alle Wesen sind gleich wichtig. Führt mansich Endes poetisches Konzept vor Augen, wird verständlich,warum das so ist: pKunst ist wie ein pTraum. Sie belehrtnicht, sondern stellt dar. Was wäre Shakespeares Othello ohneJago, was Macbeth ohne die böse Lady? Träume kann man nichtmoralisch werten. Die Darstellung des Bösen ist nicht böse, diedes Heiligen nicht heilig.6

Die Bewohner Phantásiens sind also so unterschiedlich undbunt wie die Phantasie, aus der sie stammen. Immer wieder trifftman auch auf Gestalten, die man aus anderen pBüchernkennt. Denn sie tummeln sich gemeinsam mit seinen eigenenErfindungen in pBastians Kopf. Die Verfasser der großenMeisterwerke in Literatur, Kunst und Musik sind zu allen Zei-ten eifrige Phantásienreisende gewesen.

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Aber wie will man eine Welt betreten oder verlassen, die keineGrenzen hat? Für die Reise finden sich immer wieder magischeDurchgänge: versteckte Türen, geheime Korridore oder un -sichtbare Bahngleise . . . Bastian findet den Eingang beim Lesenauf dem Speicher seines Schulhauses. Dieser Eingang liegt abernicht im Speicher selbst, der Teil der Außenwelt ist. Er liegt auchnicht im Buch. Nur durch den Prozess des Lesens selbst gelangtBastian nach Phantásien:

»Michael Ende, der aufmerksame Empfänger schärfster Refle-xionen, begibt sich auf das größte aller Abenteuer, das einesBuchspiegels, in dem die Realitäten sorgfältig aufeinander ange-passt werden: Die Welt des Lesers und die des Buches vereinensich, ohne sich gegenseitig auszulöschen, und so bilden sie einedritte Größe ohne Namen. Es ist diese dritte Größe, die imRoman die wichtigste Rolle spielt, es ist die Geschichte dieserdritten Größe, die das Buch erzählt.«7

Der Prozess des Lesens aber ist eine ungemein persönliche, ja,intime Angelegenheit. Und so sieht Phantásien auch für jedenReisenden anders aus. »Jede wirkliche Geschichte ist eine un -endliche Geschichte [. . .]. Es gibt eine Menge Türen nach Phan -tásien [. . .]« (S. 474).

Der Einzelne zählt, nicht das Kollektiv. Die subjektive Imagi-nation ist der Weg nach Phantásien, es gibt also kein Patent -rezept. Michael Ende hegte Misstrauen gegenüber allen Ideolo-gien. Die Vorstellung, die Gesellschaft erzeuge das Bewusstsein,war ihm zutiefst suspekt. In keinem Punkt war er weiter vonBrecht und der bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhundertsdominierenden literature engagée entfernt als in diesem: Nur einneues Bewusstsein, so Ende, schaffe gesellschaftliche Verände-rungen. Und entsprechend kann auch Bastian nichts anfangenmit Büchern, in denen man »zu irgendwas gekriegt werden

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* Die Seitenzahlen beziehen sich auf: Michael Ende, Die unendliche Geschichte,Thienemann Verlag, Stuttgart 2004.

pNichts, das Phantásien bedroht, jene banale, bedeutungsloseWelt, in der die Phantasie geleugnet oder als Produkt von Spin-nern und Mondkälbern verlacht wird – dieses Nichts hat seinSpiegelbild in der ebenso sinnlosen und banalen Welt der Alte-Kaiser-Stadt, wo diejenigen enden, die nicht mehr aus Phantá -sien herausfinden. Das Nichts und die Alte-Kaiser-Stadt, Bana-lität und Kreativität sind ihr jeweiliges Spiegelbild. Denn ausdem Nichts erwächst zugleich der Wille zum kreativen Schaffen.

Phantásien und die Welt der Menschen sind zwei Seiten einund derselben Medaille, Innen und Außen, die ohne einandernicht existieren können. Das Reich der Kindlichen Kaiserin istkein transzendentes, sondern Teil des Diesseits. Phantasie isteben nicht nur Gefühl, sondern ein Ganzes, das auch den Intel-lekt und die Sinne umfasst. Diese Interaktion beschreibt pKarlKonrad Koreander: »Es gibt Menschen, die können nie nachPhantásien kommen [. . .] und es gibt Menschen, die können es,aber sie bleiben für immer dort. Und dann gibt es noch einige,die gehen nach Phantásien und kehren wieder zurück. So wie du.Und die machen beide Welten gesund« (S. 473).

Nicht nur nach Phantásien hineinzukommen ist eine Aufgabe,sondern auch, es wieder zu verlassen. Denn die eigentliche Be -wegkraft in Phantásien ist der Wille. p»Tu, was du willst« stehtauf der Rückseite von pAuryn. Michael Ende hat dieses Mo -tiv, das von Augustinus über Rabelais bis in die Modernebekannt ist, von Alister Crowley (»Do what thou wilt«) übernom-men, einem Vertreter des modernen Okkultismus, der von 1875bis 1947 lebte. Und nicht nur in der Unendlichen Geschichte ver-wendet Ende dieses Motiv. In der Zauberschule heißt es zum Bei-spiel:»1. Du kannst nur wirklich wünschen, was du für möglich hältst.

sollte« (S. 29). Denn nach Phantásien findet man mit ihnennicht.

Das spricht einen der zentralen Punkte in Michael EndesGedankenwelt an: Alles Wesentliche trage seinen Sinn in sichselbst – so auch die Kunst. Sie erkläre die Welt nicht, sondernstelle dar.8 Deshalb müsse sie sich auch nicht mit einer pBot-schaft rechtfertigen. Ein Künstler betrachtet »Erkenntnis-Ideen(also z. B. eine Botschaft, Anm. d. Verf.) nicht als sein Ziel, son-dern als Teil seines Materials«9. »Gedankenpaläste kann man be -wundern – doch Künstler sind fahrendes Volk: Haben sie eineWeltanschauung ausgeschöpft, ziehen sie weiter.10

Aber was ist Phantásien? Eine Gegenwelt, eine Projektionsflächeder Sehnsucht nach Frieden und heiler Welt? Ein Ort, an demkleine, dicke, dumme Jungen wie Bastian Balthasar Bux plötz-lich schöne, starke, mutige Helden werden? Keineswegs. DasHeldentum Bastians ist keines, das nur von schönen, guten undedlen Entscheidungen bestimmt wird. Er fällt auf die Ränke derZauberin pXayíde herein, erhebt sogar das Zauberschwertgegen seinen Freund pAtréju und entgeht nur knapp derpAlte-Kaiser-Stadt, die bedrückend an ein Irrenhaus erinnert.In Phantásien selbst lauern tödliche Sümpfe, gleichgültige Rie-senschildkröten, gefährliche Monster wie das spinnenähnlicheWesen pYgramul oder der pWerwolf pGmork. Und imGegensatz zur Fantasyliteratur dienen diese Wesen nicht nurdazu, vom Helden besiegt zu werden. Atréju tötet weder Ygra-mul, noch Gmork. Nicht sie sind die Gefahr für Phantásien, esgibt keinen Grund, sie zu beseitigen.

Die Flucht aus der Welt der Menschen in ein besseres Phan -tásien, die ihm im Rahmen der Eskapismus-Debatte immer wie-der vorgeworfen wurde, war nicht Endes Anliegen: Denn das

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Grunde aber von allen verachtet werden – wie übri-gens das meiste, was mit Kindern zu tun hat.12

Dabei seien all die Einteilungen in Kinder- und Erwachsenen -literatur, in realistisch und phantastisch, reiner Unsinn – über-haupt erst entstanden in einer »abgehäuteten, funktionalenWelt«, in der »man alles Geheimnisvolle wegerklärt«13 habe. Seitdem Boom der Naturwissenschaften im 19. und 20. Jahrhun-dert sei scheinbar alles erklärbar geworden. Die Welt: ein Hau-fen Planetenstaub. Die Ideale der Menschen: nichts als bioche-mische Prozesse. Allein pKindern gestehe man heute noch zu,in einer Welt voll Zauber und Sinn zu leben, einer Welt, dieErwachsene und Kinder früher gemeinsam bewohnten. Die gro-ßen Werke der Weltliteratur tragen viel Phantastisches in sich.Würden der Faust oder die Odyssee heute erscheinen, meinteEnde, würde man sie wohl als Kinderliteratur abtun.

Gerade im absichtslosen Spiel eines Kindes sieht Ende aber –im Gefolge von Schiller, aber auch von Nietzsche – das Idealbildvon Kunst verkörpert. Und so kann ein Kinderbuch ebenso einBuch für Erwachsene sein, wie ein Buch für Erwachsene auchvon Kindern verstanden werden kann.

Über die Beweggründe, Geschichten im Phantastischen anzu-siedeln, schrieb Michael Ende:

Was mich dazu bewegt [...], ist nichts anderes als das,was unser aller Unterbewusstsein dazu bewegt, inner-seelische Vorgänge in Traumbildern auszudrücken.Da für mich Poesie und Kunst überhaupt in nichts an -derem besteht, als Außenbilder in Innenbilder und

2. Du kannst nur das für möglich halten, was zu deiner Ge -schichte gehört.3. Nur das gehört zu deiner Geschichte, was du in Wahrheitwünschst.«11

Wer sich nur von oberflächlichen Wünschen und Bedürfnis-sen leiten lässt, der verliert sich, vergisst sein früheres Leben, sei-nen Namen und endet schließlich in der Alte-Kaiser-Stadt.Wenn der bewegende Wille erloschen ist, findet man nicht wie-der aus dem Land ohne Grenzen heraus. Wie die Binsenbooteder pYskalnari, die von der reinen Vorstellungskraft angetrie-ben werden, bewegt sich auch der Phantásienreisende nur durchseinen Willen fort. Der Wille als Bewegkraft in einem Landohne Grenzen, die reale Bedrohung des Ichs im eigenen Innen-leben – hier entfernt sich Michael Ende weit vom Kinder- undJugendbuch. Aber muss man denn überhaupt so streng trennenzwischen Büchern für Kinder und solchen für Erwachsene? Fin-det nicht Bastian selbst Die unendliche Geschichte in einem La -den, in dem es nach Aussage von Karl Konrad Koreander keineBücher für Kinder gibt? Und ist nicht Koreander selbst geradein dieses Buch vertieft, bevor Bastian es stiehlt?

Michael Ende hat sich zeitlebens dagegen verwehrt, Kinder-und Erwachsenenliteratur voneinander zu trennen. Und in derTat war Die unendliche Geschichte bei Kindern und Erwachsenengleichermaßen beliebt. Michael Ende sagte über sich:

Ich bin ein Primitiver und stamme aus einem zentral-europäischen Reservat [. . .]: Kinderliteratur. Es ge -hört zu jenen Reservaten, die von den Bewohnern derZivilisationswüste mit mildem Lächeln geduldet, voneinigen Good-doer-Vereinen sogar gehätschelt, im

A A, dasDer erste Buchstabe des Alphabets, das insgesamt aus26 Buchstaben besteht. Alle pGeschichten dieser

Welt, ob sie nun phantastisch oder realistisch sind, erfundenoder fast wahr, sind aus einer Kombination dieser 26 Buchsta-ben geschrieben. Ist das nicht ein Wunder?

Absichtslosigkeit, dieDas letzte der pDrei Magischen Tore, die in der UnendlichenGeschichte zum Südlichen Orakel führen, ist das Ohne-Schlüs-sel-Tor. Doch nicht nur das Südliche Orakel verbirgt sich dahin-ter: Dieses Tor ist zugleich der Schlüssel zu einem der wichtigs-ten poetischen Konzepte Michael Endes – dem Gedanken derAbsichtslosigkeit.

Das Ohne-Schlüssel-Tor hat weder Schlüssel noch Klinke. Es

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Innenbilder in Außenbilder zu verwandeln (wie es imÜbrigen in allen Kulturen üblich war), liegt dieseForm des Ausdrucks nahe. Nach meiner Ansicht wirddie Welt nur durch diese »Poetisierung« (Novalis) fürden Menschen bewohnbar. Damit will ich sagen, nurwenn der Mensch sich in der ihn umgebenden Weltwiedererkennt, und umgekehrt, wenn er die Bilderder Welt in seiner eigenen Seele wiederfindet, kann ersich auf der Welt heimisch fühlen. Genau darin liegtdas Wesen jeder Kultur.14

ringerer als Friedrich Schiller hatte formuliert: »Der Mensch istnur da [. . .] Mensch, wo er spielt.«17 Im Spiel verarbeitet einpKind seine Eindrücke. Das Spiel wird ernsthaft betrieben,das Kind entwickelt eine eigene pWirklichkeit.

Dennoch wollte Ende mit seinem Kunstkonzept keine Welt-flucht propagieren, wie ihm bisweilen vorgeworfen wurde. ImGegenteil. Ein schönes Kunstwerk ist für ihn bereits eine Verbes-serung der Welt: »Als ich aus einer Van-Gogh-Ausstellung kam,vermochte ich alle Straßen, den Park, die Gesichter der Men-schen, so zu sehen wie er. Diese Fähigkeit hielt lange an, und ichkann sie auch jetzt noch jederzeit erwecken. Was heißt das aber?Van Gogh hatte mir seine Möglichkeit des Schauens mitgeteilt,seine Erfahrung. Ich war fortan um diese wesentliche Erfahrungreicher«18, beschreibt er seine Gefühle.

Kunst interagiert also mit der Realität und schafft eine eigeneWirklichkeit.

In der fernöstlichen Meditation sollen die Heilkräfte im eige-nen Körper mobilisiert werden, indem man sich von Bewusst-sein und Willen befreit. Für Michael Endes Vorstellung vonphantastischer Literatur hatte dieser Gedanke der Absichtslosig-keit ganz besondere Bedeutung: Auch die Kunst soll heilen, abernicht, indem sie ihre Leser »zu etwas kriegen will« (S. 29), son-dern indem sie ihnen einen neuen Blick auf die Realität ermög-licht. Aber gibt es nicht auch absichtsvolle Fiktionen? Sicher.Michael Ende hat sie Lügen genannt: Das sind BewohnerpPhantásiens, die ins pNichts gefallen sind. So weiß esjedenfalls pGmork zu be richten. Eine erfundene pGe-schichte, wie sie etwa in einem Roman erzählt wird, ist eineErfindung, allerdings ist sie nicht absichtsvoll, sie will nieman-den zu etwas bringen – ganz im Ge gensatz zu einer Lüge, diedurch ihren erfundenen Inhalt gerade die Absicht verfolgt, Men-

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besteht aus phantásischem Selén, einer Substanz, die völligundurchdringlich wird, sobald sich jemand von seinem Willenleiten lässt. Nur wer sich vom Wollen löst und jede Absicht ver-gisst, kann hindurchgehen.

Sich vom Wollen lösen – das ist für Michael Ende ein Grund-prinzip des Schreibens. Über die Arbeit an seinem ersten BuchJim Knopf und Lukas der Lokomotivführer sagte er:

Ich ließ mich einfach ganz absichtslos von einem Satzzum anderen, von einem Einfall zum nächsten führen.So entdeckte ich das Schreiben als ein Abenteuer. Undals ich endlich, etwa zehn Monate später, den letztenSatz schrieb, lag ein dickes Manuskript vor mir.15

Im Bild des Seiltänzers sieht Ende das absichtslose und zweck-freie Können verkörpert. »Er will nirgendwohin; was er tut, tuter, weil er es tut. [. . .] Es ist aber das Prinzip aller Kunst auf derWelt, denn Kunst trägt immer ihren Sinn in sich selbst und istzu nichts nütze«16, schrieb er an einen »Welterklärer«.

Dass pKunst zu ihrer eigenen Rechtfertigung sozial enga-giert sein solle, widersprach in Michael Endes Augen dem Wesenvon Kunst. pBastian, der junge Held der Unendlichen Ge -schichte, mag demzufolge auch keine Bücher, die eine pädagogi-sche Absicht verfolgen: »Außerdem hasste er es, wenn er merkte,dass man ihn zu was kriegen wollte. Und in dieser Art vonBüchern sollte man immer, mehr oder weniger deutlich, zu wasgekriegt werden« (S. 29).

Kunst ist für Michael Ende immer auch Spiel. Mit diesemGedanken befand er sich in prominenter Gesellschaft: Kein Ge -

Vaters. Aiuólas pralle, sinnliche und mütterliche Erscheinungkompensiert diesen Verlust: Ihre Früchte stehen für die Für-sorge, die Bastian vermisst. Erst als er sich daran »satt gegessen«hat, kann er den nächsten Schritt auf seiner Reise zurück in dieWirklichkeit antreten. (Vgl. S. 436 f.)

Auch die Rosen um das Änderhaus weisen auf diese Bedeu-tung der Dame Aiuóla hin: Sie sind pSymbole für Kindheitund Mutterliebe.19 Ende hatte aber vielleicht auch die mütter -liche Figur der Rose in Antoine de Saint-Exupérys Der kleinePrinz im Kopf, als er Aiuóla in der Nähe von Rosen leben ließ.

Bei der Beschreibung der fülligen, quasi aus Früchten undBlättern bestehenden Blumenfrau hat sich Michael Ende anArcimboldo orientiert, dem Maler Rudolfs II., dessen Men-schenporträts oft aus Früchten und Gemüse zusammengesetztsind. Michael Ende sagte selbst, er wundere sich, dass niemanddiese Anspielung bemerkt habe.20

Alchimie, dieSie ist viel mehr als nur der Vorläufer der modernen Chemie, sieist ein ganzes, ungemein magisches Weltbild. Michael Ende griffimmer wieder gerne auf den Bilderschatz solcher Weltbilderzurück. Berühmt und literarisch »salonfähig« gemacht wurde dieAlchimie durch einen prominenten Phantásienreisenden: DurchJohann Wolfgang v. Goethe, dessen Faust Ende natürlich gutkannte.

Alte-Kaiser-Stadt, dieDie Alte-Kaiser-Stadt ist ohne Sinn und Vernunft errichtet undvoll krummer und bizarrer Bauwerke. Bevölkert ist sie von Nar-ren. Sie vergnügen sich sinnlos mit Buchstabenspielen, die sieüber Jahrtausende spielen. Immer neue, zufällige Kombinatio-

schen zu manipulieren. Diese Ab sichtslosigkeit verbindet fürMichael Ende die Kunst mit dem Spiel.

Acharai, dieDie Acharai sind die wohl hässlichsten Kreaturen der gesamtengrenzenlosen phantásischen Welt. Ihre Hässlichkeit ist so unfass-bar, dass sie darüber Tausende von Tränen weinen müssen. Des-halb werden sie auch »die Immerweinenden« genannt. Dochliegt in ihren salzigen Tränentropfen ein großes Geheimnis ver-borgen: Mit ihnen können die Acharai das schönste Silber Phan -tásiens aus den Tiefen der Erde waschen und in wunderbarsteFiligranarbeiten verwandeln. Vor langer Zeit schufen die Acha-rai das Material, aus dem die prachtvolle Silberstadt pAmar-gánth erbaut wurde. Aus ihren Tränenströmen entstand der SeepMurhu, in dessen Mitte die Stadt schwimmt. pBastian ver-wandelt sie in pClown-Motten, auch Schlamuffen genannt.

Aiuóla Die Blumendame Aiuóla ist eine Frau, die an einen Apfel erin-nert, so rot und rund, so gesund und appetitlich sieht sie aus.Sie trägt einen breiten Hut, der über und über voller Blumenund Früchte ist, und auch ihr Kleid scheint aus einem farben-prächtigen geblümten Stoff zu bestehen. Erst beim näherenHinsehen fällt dem Betrachter auf, dass es in Wirklichkeit ausBlättern, Blüten und Früchten gefertigt ist. Aiuóla ist die Be -wohnerin des pÄnderhauses. Sie ist das phantasievolle Spie-gelbild von pBastian Balthasar Bux’ verstorbener pMut terund stellt damit seine letzte Verbindung zur Menschenwelt dar.

Aiuóla steht für die mütterliche Liebe, die Bastian sich sosehnlich wünscht. Seine Mutter ist seit nicht allzu langer Zeittot. Bastian vermisst sie und leidet unter der stummen Trauer des

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Alte vom Wandernden Berge, derDas Gesicht dieses Mannes sieht aus wie die Rinde eines uraltenBaumes. Er trägt eine blaue Mönchskutte mit einer Kapuze überdem Kopf. Sein Bart ist weiß und lang und seine Augen liegenso tief in den dunklen Höhlen, dass sie nicht zu sehen sind. DerAlte vom Wandernden Berge spricht nicht, seine Stimme halltim Kopf des Menschen, der ihm gegenübersteht. Seine Heimatist der pWandernde Berg, der die Form eines Eies hat. Wereinmal hineinkommt, dem ist der Weg nach draußen verwehrt:Denn durch den Alten wird alles unveränderlich. Er schreibtnämlich die pGeschichte von pPhantásien in dem Momentauf, in dem sie geschieht. Und sie geschieht in dem Moment, daer sie aufschreibt.

Die unendliche Geschichte, also das pBuch, in dem pBas-tian liest und in dem er später selbst zum Protagonisten wird,wird vom Alten vom Wandernden Berge niedergeschrieben, undzwar exakt in jenem Moment, in dem die einzelnen Schicksalein Phantásien ihren Lauf nehmen.

Und damit lässt er die Geschichten Phantásiens erst entste-hen – und pWirklichkeit werden. Wenn der Alte vom Wan-dernden Berge davon abließe, all die unendlichen Begebenhei-ten niederzuschreiben, würde in ganz Phantásien die pZeitstillstehen. Keine einzige Kreatur in diesem grenzenlosen Reichwürde auch nur noch einen einzigen Atemzug vollbringen kön-nen. Alles wäre wie eingefroren, bis zu dem Augenblick, an demder Greis erneut anfängt, den Lauf der Dinge niederzuschreiben.

Als die pKindliche Kaiserin den Alten aufsucht, tut sie es,weil sie nur so Bastian in Die unendliche Geschichte hineinholenkann. Beim Alten vom Wandernden Berge zeigt sich, dass Dieunendliche Geschichte wirklich unendlich ist: Solange Bastianzögert, in das Geschehen einzugreifen, muss sich alles Bisherige

nen von Buchstaben werden gelegt, bis sich plötzlich ein Wortherauskristallisiert. Betrachtet man dieses Zufallsspiel ge nauer,entwickeln sich zufällig ganze Geschichten aus den sinnlosen,zusammengewürfelten Buchstabenreihen.

All diese närrischen Menschenwesen waren – wie pBas-tian – einmal Kaiser von pPhantásien. Jeder Wunsch, den sieaussprachen, kostete sie eine pErinnerung an ihr Menschen-leben. Als sie ihren letzten Wunsch verbrauchten, haben sie auchihre Existenz in der pWirklichkeit vergessen: Es sind all dieje-nigen, denen es nicht gelungen ist, aus Phantásien zurück in dieWirklichkeit zu finden.

In einem Brief an eine Leserin (26.10.1981) erklärte MichaelEnde, warum die pKindliche Kaiserin dieses Schicksal nichtereilen kann: Sie ist kein Menschenwesen. Deshalb kann sie auchnicht ihre Erinnerungen an die Menschenwelt verschleudern –sie ist sozusagen selbst die pPhantasie.

Steht die Alte-Kaiser-Stadt für die Weltflucht in die Phanta-sie, so hat diese ihr Spiegelbild in der Leugnung von Phantasie.Wenn man die Phantasie als »irrelevant« abwertet, zerstört manPhantásien. Wenn man aber die Menschenwelt abwertet, wirdman zum Narren. Dieser Gedanke liegt der ganzen UnendlichenGeschichte zugrunde: Beide Welten brauchen sich gegenseitig.Wird eine zerstört, stirbt auch die andere.

Das Spiegelbild der sinnlosen Alten-Kaiser-Stadt ist also daspNichts: Menschen, die nie nach Phantásien reisen, werdenkrank. Und Menschen, die nicht mehr aus Phantásien zurück-finden, haben mit den Erinnerungen auch ihre Zukunft verlo-ren. »Oh, es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die nicht inihre Welt zurückgefunden haben«, erklärt das Äffchen pArgaxBastian. »Erst wollten sie nicht mehr, und jetzt – sagen wir mal– können sie nicht mehr.« (S. 406)

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»Vom Horn des Einhorns genommen, bin ich erloschen.Ich halte die Tür verschlossen, bis der mein Licht erweckt,der mich beim Namen nennt.Ihm leuchte ich hundert Jahre langUnd will ihn führen in den dunklen TiefenVon Yors Minroud.Doch spricht er meinen Namen noch ein zweites MalVom Ende zum AnfangVerstrahl’ ich hundert Jahre LeuchtenIn einem Augenblick.« (S. 290)

Bastian nennt den Stein beim Namen und eröffnet so die Biblio-thek von Amargánth.

Wie der arabisch klingende Name andeutet, hat sich MichaelEnde hier wohl an den Geschichten um das »Sesam öffne dich«aus 1001 Nacht inspiriert. Auch die Fantasyliteratur stattet ihreHelden gewöhnlich mit magischen Hilfsmitteln aus. In der Un -endlichen Geschichte allerdings hat die Sache auch einen Haken:Um wieder aus pPhantásien herauszukommen, braucht Bas-tian den Stein. Da er den Fehler macht, dessen Na men zu frühvon hinten auszusprechen (pRihast’la), muss er in der GrubeMinroud ohne Licht auskommen.

AmargánthMitten in dem veilchenblauen Salzsee pMurhu, umgeben vongrünen Hügeln, schwimmt eine Stadt aus silbernen Schiffen.Gigantische Silberpaläste werden von breiten Lastkähnen getra-gen. Jedes Haus und jedes Schiff besteht aus Silber, fein ziseliertund kunstvoll verziert. Die Fenster, Torbögen und Türen dergroßen Paläste, ihre Türmchen und Balkone, sind aus Silberfili-gran so wundervoller Art, dass es in ganz pPhantásien nicht

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immer wieder wiederholen. Und so liest Bastian, wie der Alteseine eigene Geschichte aufschreibt: von seinem Besuch beipKarl Konrad Koreander bis zu dem Moment, da er zögerndund unschlüssig auf dem Dachboden der Schule sitzt und sichnicht nach Phantásien traut: aus Angst vor den Ungeheuerndort, aus Angst, ausgelacht zu werden, wenn ein dicker Jungemit käsigem Gesicht die wunderschöne Kindliche Kaiserin ret-ten will. So lange ist die Geschichte in der Endlosschleife gefan-gen, bis Bastian sich entschließt zu handeln.

In der Kinderfolklore sind solche beklemmenden Endlosversebeliebt, und möglicherweise wurde auch Michael Ende vonihnen inspiriert. Und schließlich ist Die unendliche Geschichteschon dem pNamen nach unendlich21, verkörpert in den bei-den pSchlangen, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen.Kein Wesen Phantásiens, nicht einmal die Kindliche Kaiserin,kann den Kreislauf durchbrechen. Denn dies würde bedeuten,einen neuen Anfang zu schaffen – und das kann nur ein Men-schenkind (vgl. S. 185). Selbst Bastian ist darin gefangen, wenner seine pPhantasie nicht benutzt. Erst als er die KindlicheKaiserin bei ihrem neuen Namen nennt und damit für Phan -tásien einen neuen Anfang schafft, durchbricht er die Endlos-schleife und gelangt nach Phantásien.

Al’Tsahir, der Al’Tsahir ist ein geschliffener Stein aus dem Horn eines pEin-horns. Nennt man ihn beim pNamen, erstrahlt er in gleißen-dem Licht und vermag auch die finsterste und böseste Dunkel-heit taghell zu erleuchten. pBastian bekommt ihn aus derpBibliothek von pAmargánth. Folgende Inschrift steht da -bei, als er noch auf der verschlossenen Tür der Bibliothek befes-tigt ist:

Energie umwandeln. Diese Tatsache haben sich die Bewohnervon Amargánth bewusst gemacht und sich eine geschickte Tech-nik für den Silberfischfang angeeignet: Fischerboote mit silber-nen Sonnensegeln werfen komprimiertes, gebündeltes Sonnen-licht auf die Wasseroberfläche und locken dadurch die Fischedirekt in ihre feinmaschigen, hauchdünnen Silbernetze.

Das Hauptproblem der Bevölkerung besteht jedoch in derWasserversorgung, denn es ist absolut unmöglich, das Wasser desTränensees zu trinken, ohne eine Verätzung an der Speiseröhreund im Verdauungstrakt zu erleiden. Um eine Unabhängigkeitvon den Händlern vom Festland zu garantieren, die ihr Trink-wasser zu immensen Preisen in der Stadt verhökern, hat man voreinigen Jahrzehnten ein kompliziertes System zur Wassergewin-nung entwickelt: Um nicht total dem Willen der Natur ausge-setzt zu sein, wird das Regenwasser in gewaltigen kuppelförmi-gen Silbertanks aufgefangen und gespeichert und durch dieSonne erhitzt, bis daraus kleine Wolken entstehen. Diese klei-nen, künstlich erzeugten Regenwölkchen werden in den Tankswie Haustiere im Käfig gehalten und bei Bedarf mit der warmenLuft aus Blasebalgen so gekitzelt, dass sie nicht mehr anders kön-nen, als loszuregnen.

Als pBastian nach Amargánth kommt, erfährt er vompSilbergreis auch die pGeschichte von pAquil und Mu -qua, den beiden Ahnen von Amargánth.

Natürlich hat sich Michael Ende bei der Beschreibung der Sil-berstadt an einem bekannten Vorbild orientiert: Venedig.

Änderhaus, das Hinter dem Nebelmeer, und nur mit den Binsenbooten derpYskalnari zu erreichen, liegt ein Rosenhain. Eine schnur -gerade Allee aus dicken Bäumen voller roter, praller Äpfel führt

seinesgleichen gibt. Die einzelnen Schiffhäuser und -paläste sinddurch Brücken verbunden, die im Sonnenlicht glitzern und aufdenen der Wanderer schon von Weitem ein wimmelndes Aufund Ab von Menschenmassen erblickt. Eine Unzahl von Silber-bötchen dient als Transportmittel, um Reisende, Handwerker,Händler und ganze Karawanen über den See zur Silberstadt zubefördern. Amargánth ist eine Stadt in ständiger Veränderungund Bewegung. Aufgrund ihrer Beschaffenheit aus Booten, Fäh-ren und Kähnen neigen die Bewohner dazu, das eigentliche Ant-litz der Stadt stets zu verändern. Wenn beispielsweise zwei Fami-lien, die an den entgegengesetzten Rändern der Stadt wohnen,sich befreunden oder miteinander verwandt werden, weil ihrejungen Leute heiraten, dann verlassen sie ihren bisherigen Stand-ort und legen ihre Silberschiffe einfach nebeneinander, wodurchsie Nachbarn werden.

Man kann sich nun bestens vorstellen, dass ein fremder Besu-cher oft Probleme hat, sich in der Stadt zurechtzufinden. Mal istder Bäcker ganz im äußersten Norden der Stadt anzutreffen, amanderen Tag muss man sein Brot im Zentrum, Osten, Westenoder gar im Süden kaufen gehen. Diese Tatsache ist auch derGrund dafür, dass die Bewohner der Silberstadt ein unglaublichkommunikatives Volk sind. Information ist bei ihnen alles, dennman muss jeden Morgen von Neuem seinen Stadtplan im Geisteumformen und neu anordnen, und dies geht natürlich nur,wenn man sehr aufmerksam verfolgt, welche Gebäude wohinverschoben wurden.

Die Bewohner der Silberstadt Amargánth ernähren sich aus-schließlich von den Silberfischen, die in Unmengen den äußerstdunklen Grund des Tränensees Murhu bevölkern. Diese Silber-fische ernähren sich von Sonnenlicht, das sie in ihren Silber-schuppen speichern und in der Dunkelheit am Seegrund in

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denen, die es betreten, harmlose Streiche, indem es plötzlichTüren und ganze Räume verschwinden lässt.

Über die Nahrungsaufnahme des Hauses herrscht eine kon-troverse Diskussion unter den Forschern Phantásiens. Die einePartei geht davon aus, dass das Änderhaus eine Symbiose mit sei-nen Bewohnern eingeht, also eine Wechselwirkung zwischenden Bewohnern und sich selbst benötigt, um zu überleben: Folg-lich scheint es den Forschern als plausibel, dass sich das Änder-haus einfach von der Tatsache, bewohnt zu sein, ernährt. Dafürstellt es großzügig und dankbar den Bewohnern seine giganti-sche Wohnfläche bereit. Die andere Theorie über die Nahrungs-aufnahme geht davon aus, dass sich das Änderhaus durch diebloße Tatsache ernährt, dass es sich verändert. Der berühmtePhantásienforscher pEngywuck bezweifelt diese Theorie je -doch. Die Tatsache, dass in pPhantásien nach Bastians Abreiseeine zweite Gattung von Änderhäusern entdeckt wurde, derenGesinnung böser und heimtückischer Natur ist – und die wohlam ehesten mit einer fleischfressenden Pflanze zu vergleichensind – widerspricht der letztgenannten Theorie vollständig. Die -se »dunklen« Änderhäuser locken Unterschlupf suchende Wan-derer an, gaukeln ihnen einen idyllischen Schlafplatz mit ge -deckten Tischen und frisch bezogenen Betten vor. Doch sobalddie ahnungslosen Reisenden in ihren Betten eingeschlafen sind,verändert sich das Innere des Hauses derart, dass kein Ausgangmehr für die erwachten Wanderer zu finden ist. Sie sind dannauf Lebtag Gefangene des Hauses, und das Haus ernährt sichvon der Tatsache, von den armen gefangenen Seelen »bewohntzu werden«. Berichten von Reisenden zufolge soll es auch schoneinige Symbiosen zwischen »dunklen« Änderhäusern und Hexengegeben haben.

Über geheimnisvolle Häuser, in denen die Grenzen zwischen

geradewegs zum Änderhaus. Es gehört wohl zu den drolligstenGebäuden pPhantásiens. Ein hohes spitzes Dach sitzt wie eineZipfelmütze auf einem Haus, das eher einem Riesenkürbisgleicht: Es ist kugelig und die Wände haben an vielen StellenBeulen und Ausbuchtungen wie dicke Bäuche. Das verleiht demGebäude ein behäbiges und gemütliches Aussehen. In den Wän-den des Hauses sind auch einige Fenster und eine Haustür zusehen, alles jedoch irgendwie schief und krumm, als seien dieseÖffnungen ein wenig ungeschickt in den Kürbis hineingeschnit-ten.

Ein Besucher, der sich dem Haus nähert, wird das Gefühlnicht los, als würde es sich stets ganz langsam verändern. Mit dergleichen Geruhsamkeit, mit der eine Schnecke ihre Fühler vorsich herschiebt, bildet sich hie und da ein kleiner Auswuchs, dersich zu einem Erkerchen, Türmchen oder einem neuen Fenster-chen entwickelt. Intensiven Studien zufolge kommt man zu derErkenntnis, dass es sich bei dem Änderhaus um ein Lebewesenhandelt. Es scheint einen höchst eigenwilligen Charakter zu be -sitzen.

Die wohl merkwürdigste Eigenschaft des Änderhauses beruhtauf der Tatsache, dass es von innen größer ist als von außen. Tat-sächlich findet man – je nach Lust und Laune des Hauses –kleine Kammern, mittelgroße Räume bis hin zu gigantischenSälen, die eigentlich gar nicht in das kleine Haus zu passen schei-nen. Aus diesem Grund muss die Bewohnerin des Änderhauses,die Blumenfrau pAiuóla, jeden Tag bis zu viermal umziehen,da sich das Haus stets verändert. Es versteht sich von selbst, dasses keinen Grundriss des Hauses gibt, da dieser sich in jedemMoment als veraltet herausstellen könnte. Gewöhnlich ist es aus-gesprochen friedfertig. Selbst einen seltsamen Sinn von Humorscheint das Haus zu besitzen, spielt es doch hin und wieder

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Rat zu fragen. Doch das Südliche Orakel war sehr weit entferntund als der Bote zurückkehrte, war er selbst ein Greis. Quanawar lange verstorben, und ihr Sohn Quin hatte bereits schloh-weißes Haar. Der alte Bote verkündete die pBotschaft derUyulála: Quins Frevel könnte nur durch eine einzige Tat getilgtwerden: Wenn Amargánth die schönste Stadt pPhantásienswürde, wäre der Fluch gebrochen. Allerdings könnten die Amar-gánther diesen großen Plan nur mithilfe der pAcharai verwirk-lichen. Das letzte Kinderpaar in ganz Amargánth, Aquil undMuqua, brach also auf, um die Acharai in ihren unterirdischenHöhlen zu besuchen. Es gelang ihnen, die Acharai zu überreden,Amargánth in die schönste Stadt Phantásiens zu verwandeln. Sobauten die Acharai erst einen Silberkahn und darauf einen klei-nen Filigranpalast und stellten ihn auf den Marktplatz der aus-gestorbenen Stadt. Dann leiteten sie ihren Tränenstrom unter-irdisch so, dass er als Quelle in dem Tal zwischen den bewaldetenHügeln ans Tageslicht trat. Das Tal füllte sich mit den bitterenWassern und wurde zum Tränensee Mur hu, auf dem der ersteSilberpalast schwamm. Darin wohnten Aquil und Muqua. DieAcharai hatten aber eine Bedingung an das junge Paar gestellt:Alle ihre Nachkommen sollten sich dem Liedersingen und Ge -schichtenerzählen widmen. Und so lange sie das täten, wolltendie Acharai ihnen helfen, weil auf diese Weise ihre Hässlich-keit zu etwas Schönem beitrüge. So gründeten Aquil und Mu-qua eine pBibliothek – die be rühmte Bibliothek von Amar-gánth –, in der alle pGeschichten versammelt sind. In dieserBibliothek liegt auch der Stein aus dem Horn des Einhorns, dasQuin so frevelhaft getötet hatte. Sein Name: pAl’Tsahir.

Innen- und Außenwelt verschwimmen, hat Michael Ende eineReihe von Erzählungen geschrieben: »Das Haus an der Periphe-rie«, »Max Muto«, »Der Korridor des Borromäus Colmi«. SeineBeschreibung des Änderhauses ist von der Anthroposophie in -spiriert, zu der Ende eine starke, wenn auch nicht immer span-nungsfreie Beziehung hatte. Auch hier sollen pSymmetrie undvor allem rechte Winkel vermieden werden. Außerdem lehnt essich an den Surrealismus an.22 Will man heute in der RealitätHäuser sehen, welche den Änderhäusern gleichen, so kann mandies wohl am ehesten in der modernen pphantastischenKunst, etwa bei Friedensreich Hundertwasser.

Anima, die: pArchetypen, pXayíde

Aquil und MuquaAquil und Muqua sind die mythologischen Ahnen der Silber-stadt pAmargánth. In einer weit in der Vergangenheit liegen-den Zeit existierte der Tränensee pMurhu noch nicht, nochwar Amargánth aus dem besonderen Silber, das den Wassernwidersteht: Es war noch eine ganz gewöhnliche Stadt aus Steinund Holz. Sie lag in einem Tal zwischen bewaldeten Hügeln. Indieser Zeit herrschte die Silbergreisin Quana über die Stadt. Siehatte einen Sohn namens pQuin, der großes Unglück über dieStadt bringen sollte. Als er eines Tages zur Jagd ausritt, erspähteer ein pEinhorn auf einer Lichtung, dessen Horn leuchtete wiedas Sonnenlicht. Er tötete das Tier und nahm das Horn mit nachHause. Durch diesen Frevel brachte er großes Unheil über dieStadt. Die Einwohner Amargánths bekamen immer wenigerKinder. Würde keine Rettung gefunden, dann wäre die Bevölke-rung Amargánths zum Aussterben verurteilt. So schickte maneinen Boten zum Südlichen Orakel, um die pUyulála nach

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Geschichte ist diese Figur durch pXayíde verkörpert. Der Be -gegnung mit der Anima ist gewöhnlich die mit einem weiterenArchetyp, nämlich dem weisen Zauberer, vorangestellt.

Der weise Alte oder Zauberer ist bei Ende in der Person desBlinden Bergmanns pYor dargestellt: der Zauberer, der für dastiefere Wissen um sich selbst und die Inhalte des Unbewusstensteht.26 Dass der Blinde Bergmann Yor im Zusammenhang miteinem Bergwerk genannt wird, liegt darin begründet, dass Berg-werke ein pSymbol des Unterbewussten sind. Außerdemscheinen Berge außerhalb der normalen pWirklichkeit zu lie-gen und nehmen somit eine Funktion als Zwischenwelt ein.27

Zum Beispiel sind in China die Fünf Heiligen Berge Orte desKaiserkults und der Wallfahrt. Vom Berg Taishan glaubte man,die Seelen der Menschen kämen von dort und kehrten dorthinauch wieder zurück. Berge galten im alten China als unheim -liche Wohnorte von Göttern und Geistern. Um sie zu ersteigen,musste man sich mit magischen Amuletten schützen. Eremiten,die sich dorthin zurückzogen, suchten den Kontakt mit denGöttern.28

Auch in anderen Religionen spielen Berge eine bedeutendeRolle: Im Judentum holt Moses die Gesetzestafeln vom BergSinai. Nach muslimischer Überlieferung erhielt Mohammedseine erste Offenbarung auf einem Berg. Der Berg Meru stellt inIndien die Weltenachse dar. Und der griechische Olymp galt alsSitz der Götter.

ArgaxArgax ist ein kleines Äffchen mit einem Doktorhut auf demKopf und verschmitzten Äuglein. Er ist ein Wächter in derpAlten-Kaiser-Stadt, in der alle ehemaligen Kaiser pPhan -tásiens, die ihren letzten Wunsch veräußert haben, als Narren

Archetypen, dieNach dem Tiefenpsychologen C. G. Jung gibt es bestimmteMuster in der menschlichen Psyche, die universal sind: Sie fin-den sich überall auf der Welt bei allen Menschen, unabhängigvon Rasse, Geschlecht oder Zivilisationsgrad. Sie sind Spiegel-bilder der menschlichen Psyche und beeinflussen unser Bewusst-sein. In pMärchen, pTräumen und Visionen erscheinen siesymbolisch in Bildern verkörpert. Diese Muster nennt Jung »Ar -chetypen« (deutsch: Urbilder).

Michael Ende kannte das Werk von C. G. Jung. Viele Bewoh-ner pPhantásiens sind an Jungs Archetypen angelehnt. Des-halb gelten der pKindlichen Kaiserin auch alle Bewohner ihresReiches gleich viel: Alle sind sie Teil der menschlichen pPhan-tasie und deshalb wichtig.23

Für Jung zählt der Held, der sein Volk rettet und – bisweilenmithilfe magischer Mittel – Ungeheuer besiegt, zu den Arche -typen. Für Jung sind darin der Ausdruck eines Bedürfnisses nachAbenteuer und die Fähigkeit, mehr Einfluss auf das eigeneSchicksal nehmen zu können, verkörpert.24 In der UnendlichenGeschichte spielt pAtréju diese Rolle für pBastian. Aber fürden pLeser, der Die unendliche Geschichte liest, ist es natürlichBastian selbst.

Der Drachenkampf, den Held pHynreck gegen den Dra-chen pSmärg kämpfen muss, steht archetypisch für die Über-windung des Bösen in der eigenen Psyche, den Kampf vonBewusstsein gegen Unbewusstsein, von Geist gegen Natur.25

Die Anima steht für das Bild, das ein Mann oder ein Jungevon der Frau an sich hat. Gerne erscheint die Anima als schöne,böse Frau. Sie provoziert nach der Jung’schen Archetypenlehreeine Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich, vermittelt so zwi-schen dem Ich und dem Unterbewusstsein. In der Unendlichen

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seiner Suche erfährt Atréju, was seine wahre Aufgabe war: einepGeschichte in Phantásien zu erleben, die ein Menschenkindderart bewegt, dass dieses in die Geschichte buchstäblich hinein-gezogen wird.

Die gesamte Unendliche Geschichte kann als Spiegelung derLeseerfahrung pBastians angesehen werden. Abenteuerge-schichten wie die der drei Musketiere oder der Helden Karl Mayssind sein tägliches Lesefutter. So erinnert Atréju mit seinem In -dianercharakter und seinem Mut an den Apachenhelden Winne -tou. Er ist eine junge, phantasiereiche Version von Winnetou.Seine Abenteuer muss er bestehen, damit Bastian sich mit ihmderart identifizieren kann, dass er förmlich in das Buch reinge-zogen wird.

Atréju ist also Bastians Identifikationsfigur in Phantásien. Siesind gleich alt und haben viel gemeinsam – z. B. haben beide ihreEltern (bei Bastian ist es nur die pMutter) verloren. Das wirddeutlich, als Atréju die pDrei Magischen Tore durchschreitet.Im zweiten Tor, dem Zauber-Spiegel-Tor, sieht er das, was er inWahrheit ist. Durch Professor pEngywucks entsetzliche Ge -schichten gewarnt, erwartet Atréju, ein fürchterliches Unge-heuer im Spiegel zu sehen. Doch er erblickt – Bastian.

Aufklärung, dieDie geistesgeschichtliche Epoche der Aufklärung ist im 17./18. Jahrhundert angesiedelt. Philosophen wie ImmanuelKant oder Voltaire entdeckten die menschliche Vernunft. Moralund Ethik, so die Aufklärer, sind bisher von der Religion be -stimmt worden. Aber Religionen können auch grausam sein: Sieverfolgen Menschen anderer Religionen, sie verbrennen angeb-liche Hexen und quälen Menschen durch Folter und Inquisi-tion, nur weil sie anders denken. Deshalb muss die Vernunft,

leben. Argax ist pBastians letzte Möglichkeit auf Rettung: Ererklärt ihm, dass nur der letzte verbliebene Wunsch ihn davorbewahren kann, als Narr in der Alten-Kaiser-Stadt zu enden.Nur wenn er sich seine letzten pErinnerungen an die Men-schenwelt bewahrt, kann er dorthin zurückfinden.

ArtaxArtax ist pAtréjus kleines, geflecktes Wildpferd, dessen Beinestämmig und kurz sind und das dennoch eines der schnellstenund ausdauerndsten Renner weit und breit ist. Es ist weder ge -sattelt noch gezäumt. Artax gehört zu der Rasse der sprechendenPferde und ist Atréjus treuester Weggefährte, bevor dieser Fu -chur, den pGlücksdrachen, kennenlernt. Artax begleitet Atré -ju auf seiner pGroßen Suche bis in die pSümpfe der Trau-rigkeit, wo es – von der eigenen Traurigkeit tonnenschwer ge-worden – im sumpfigen Morast versinkt. Atréju kann sich ret-ten, denn er trägt zu diesem Zeitpunkt pAuryn, den Glanz.

AtréjuAtréju ist der Held der Unendlichen Geschichte, ein junger Jägeraus dem Volk der pGrünhäute, das im pGräsernen Meerwohnt. Sein Name bedeutet »der Sohn aller«, denn Atréju ist einWaisenjunge. Er hat blauschwarzes langes Haar und, wie alleGrünhäute, eine olivfarbene Haut.

Als Atréju seine pGroße Suche beginnt, glaubt er, er sei vonder pKindlichen Kaiserin höchstpersönlich ausgewählt wor-den, um pPhantásien zu retten. Dieser Suche wegen verzich-tet er auf die Jagd nach dem Purpurbüffel, durch die er in dieGemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen worden wäre.Nur sein kleines Pferdchen pArtax soll ihn auf dieser langenReise durch das grenzenlose Reich begleiten. Doch erst am Ende

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mehr; wie der Kindlichen Kaiserin selbst müssen ihm pGutund Böse gleich viel gelten.31

Auryn ist auch auf dem »kupferfarbenen« Seideneinband derUnendlichen Geschichte zu sehen (vgl. S. 11). Für Michael Endewar es wichtig, dass Auryn eine Ellipse ist, weil »eine Ellipse zweiZentren hat« (Brief an eine Leserin vom 1.6.1984). Das Amu-lett stellt zwei in sich verschlungene pSchlangen dar: daspSymbol zweier Welten, die ohne einander einzeln nicht exis-tieren können – die Menschenwelt und Phantásien. Die Schlan-gen verweisen aber auch auf die Unendlichkeit, die Grenzenlo-sigkeit der pPhantasie und des Reiches Phantásien. Das Motivder sich selbst gebärenden Schlange bedeutet in vielen Religio-nen Unendlichkeit und ewige Wiederkehr, aber auch Weisheit.

Auch die Gravur auf der Rückseite Auryns verweist darauf,dass Phantásien so unendlich ist wie die Phantasie: p»Tu, wasdu willst«.

Außenwelt, die: p Innenwelt

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nicht die Religion, in Zukunft entscheiden. Immanuel Kantsagte: »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seinerselbstverschuldeten Unmündigkeit.«29

Michael Ende kannte die positiven Aspekte der Aufklärungdurchaus. Hätte es die Aufklärung nicht gegeben, wäre er vonder Inquisition wahrscheinlich als Ketzer verfolgt worden. AberEnde setzte sich auch zeitlebens gegen eine Überbewertung derVernunft zur Wehr, wie er sie in seiner eigenen Zeit am Werk sah.Denn Vernunft darf nicht so weit gehen, den Menschen dasTräumen zu verbieten.

Michael Ende sah sich in der Nachfolge der Romantik undviele pBezüge in seinen Büchern verweisen da rauf: jener Epo-che, die der Aufklärung und der Vernunft das Träumen entge-gensetzte. Bekannt geworden ist sein polemischer Begriff des»Aufklärungsterroristen«: des Menschen, der nur von derpKausallogik bestimmt ist, der alles wegrationalisieren und er -klären will und darüber die pPhantasie vergisst, ja, sie sogarzerstört. Schon 1973 beklagte er den »Funktionalisierungs-wahn« einer seelenlosen »Phalanx der Aufklärungsterroristen«30

in einem Brief an seinen Verleger.

AurynAuryn ist das Zeichen der pKindlichen Kaiserin. Es verleihtseinem Träger eine Macht, die jedes Lebewesen in pPhan tásienrespektiert. Von denen, die seinen pNamen nicht auszuspre-chen wagen, wird es auch »der Glanz« oder »das Pentakel« ge -nannt. Ein Pentakel ist in der Magie ein von einem Kreis um -schlossenes Pentagramm und gilt als Bannzeichen gegen dasBöse. Wie ein Pentakel leitet und schützt auch Auryn denjeni-gen, der es trägt. Doch zugleich muss der Träger auch alles an -nehmen, was ihm begegnet. Seine eigene Meinung zählt nicht

sen Rückseite der Spruch p»Tu, was du willst« steht. Aus sei-nen Wünschen soll Phantásien neu entstehen. Bastian hat vieleWünsche, doch jeder Wunsch, den er durch die ZauberkraftAuryns verwirklichen kann, lässt ihn zugleich eine pErinne-rung an seine alte Welt vergessen. Auf einmal ist er hübsch undmächtig. Alle Wesen begegnen ihm mit Respekt, und seineFähigkeiten werden anerkannt. Er beginnt zu vergessen, dass ereinmal ein dicker blasser Junge ohne Freunde war. Die StadtpAmargánth widmet dem großen Dichter Bastian Baltha-sar Bux sogar eine ganze pBibliothek. pAtréju und derpGlücksdrache Fuchur werden seine engen Freunde. Überallfeiert man ihn als Retter.

Doch Bastian wird hochmütig: Er weigert sich, in die Men-schenwelt zurückzukehren und Auryn wieder herzugeben. Statt-dessen will er Kaiser von Phantásien werden. In seiner Verblen-dung stößt er seine Freunde von sich und verbündet sich mit derbösen Magierin pXayíde. Nur mit knapper Not und der HilfeAtréjus und Fuchurs gelingt ihm die Rückkehr in die Welt derMenschen. Indem er von den pWassern des Lebens trinkt,kann er auch seine eigene Welt gesund machen.

Bastian ist bewiesenermaßen nicht der einzige Phantásienrei-sende, auch wenn es in der Unendlichen Geschichte hauptsächlichum seine Abenteuer und Wünsche geht. Viele Menschen sind inder Vergangenheit dort gewesen und viele waren in ihrer Weltgroße Dichter – wie »Schexpir« (S. 303; d. i. Shakespeare).

Baureo: pWindriesen

Bedeutung, die»Was Kinder in Wahrheit brauchen, um sich die Welt anzueig-nen und einzuverleiben, das ist Poesie. Damit meine ich nicht

B Bastian Balthasar BuxBastian ist ein kleiner, etwas dicklicher Junge. Vor eini-ger Zeit ist seine pMutter gestorben, seither lebt er

allein mit seinem pVater. Er ist unglücklich mit seinem Le-ben, wünscht sich eine Welt voller Abenteuer, die er mit wah-ren Freunden erleben und teilen kann. Bastian hat eine regepPhantasie und ist gerade deshalb genau die richtige Person,um pPhantásien vor dem pNichts zu retten. In der Men-schenwelt wird diese Gabe leider nicht so anerkannt wie inPhantásien: In der Schule wird Bastian als Spinner verspottet.

Als er an jenem regnerischen Tag ins Antiquariat von pKarlKonrad Koreander stürmt und so der pLeser ihm zum erstenMal begegnet, trägt er also eher Züge eines Antihelden. Doch alsBastian nach Phantásien gelangt, verändert er sich von Grundauf: Die pKindliche Kaiserin verleiht ihm pAuryn, auf des-

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nicht allein dessen Abbildung? Wer einen Plan macht,tötet dieses geheimnisvolle Leben, vergewaltigt es undvereitelt seine eigene »Absicht«. Absicht macht sichimmer selbst zunichte.34

Bergwerk der Bilder, dasDas Bergwerk der Bilder, auch die Grube Minroud genannt, be -wahrt, was scheinbar verloren ist: die Träume der Menschen.Denn ein pTraum kann nicht einfach zu nichts werden. Inimmer tieferen Schichten der Erde pPhantásiens lagern sichdie vergessenen Träume ab. Ganz Phantásien steht auf ihnen wieauf Grundfesten. Und Phantásien, das weiß jeder, ist unendlich!

In die Grube Minroud gelangt man über einen hölzernen För-derturm, hinter dem sich eine große weiße Schneefläche ausbrei-tet, in die eingebettet die verschiedensten Bilder liegen, die derBergmann zutage gefördert hat: hauchdünne Tafeln aus einerArt Marienglas, durchsichtig und farbig und in allen Größenund Formen; rechteckige und runde, bruchstückartige und un -versehrte, manche groß wie Kirchenfenster, andere klein wieMiniaturen auf einer Dose. Sie liegen ungefähr nach Größe undForm geordnet, in Reihen, die sich bis zum Horizont der weißenEbene erstrecken.

Jeden Tag fährt pYor ins Bergwerk ein, um die vergessenenTräume zutage zu fördern. Ein zu lautes Wort und sie zersprin-gen, deshalb spricht Yor sehr leise.

Was die Bilder darstellen, ist äußerst rätselhaft. Michael Endehat sich hier von den Kunstwerken großer Maler inspirieren las-sen: Da gibt es vermummte Gestalten, die in einem großenVogelnest dahinzuschweben scheinen (Edgar Ende), oder Esel,

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allein Gedichte und Bücher oder pKunst überhaupt, sondernLebensformen und erfahrbare, erlebbare Welterklärung.«32

Die unendliche Geschichte ist die pGeschichte einer innerenOdyssee. Viele pBezüge auf die Mythologie der Antike, diefernöstliche Philosophie und die Poetik der Romantik sind darinenthalten. Dennoch war Michael Ende der Ansicht, dass es fürein wirkliches Kunstwerk immer mehrere Interpretationen gibt.Wenn eine Interpretation gut ist, ist sie auch richtig:

Ich meine aber, dass, wenn eine Geschichte in sichselbst stimmt, immer zugleich ein Modell entsteht,das auf vielen Ebenen funktioniert. Gerade Die un -endliche Geschichte wurde von Psychoanalytikern, vonPhilosophen, von Mythologen und sogar von Seman-tikern analysiert. Dabei wurde jedes Mal mit Verwun-derung bemerkt, dass sie sowohl so als auch so lesbarwar und in sich stimmte.33

Wirkliche Kunst ist für Michael Ende absichtslos (pAbsichts-losigkeit). Daher stammen auch die verschiedenen Bedeutungs-ebenen, die rein rational gar nicht geplant werden könnten:

Ein Mobile kann man nicht – oder nur sehr vage –planen. Dafür hat es zuletzt die Schönheit eines natür-lichen Dinges, es ist entstanden, nicht geplant. Nie-mand kann sagen, was es eigentlich ist, und doch istes voll Zauber, Grazie und Leben. Soll so nicht alleKunst sein: Offenbarung, Manifestation des Lebens,

Das Innere eines Berges ist in der Romantik, aber auch inanderen Kulturen, ein schicksalsträchtiger Fundort: Aladin undAli Baba finden in Höhlen Wunderlampe und Schatz, undNovalis lässt seinen Heinrich von Ofterdingen zu einem altenEinsiedler und Bergmann gelangen.35

Bezüge, kulturgeschichtlichen, dieIn der Unendlichen Geschichte gibt es viele Bezüge auf verschie-dene Epochen und Kulturen. Denn schließlich ist pPhan -tásien, das grenzenlose Reich der pPhantasie, aus den Vorstel-lungen und Träumen aller Menschen geschaffen. So ist es keinWunder, dass uns der eine oder andere Bewohner dieser Weltdurchaus bekannt vorkommen mag.

Antike: Die antike Sagenwelt stellt verschiedene BewohnerPhantásiens; das Südliche Orakel gibt Ratschläge wie das an tikeOrakel von Delphi. Darauf verweist auch die Allee aus steiner-nen Säulen, die an griechische Architektur erinnern. Der Ein-gang wird von Sphingen bewacht, die ebenfalls aus der antikenMythologie stammen: In der Ödipus-Sage sitzt eine pSphinxan der Straße nach Theben und stellt jedem Passanten ein un -lösbares Rätsel. Nur wer es löst, darf passieren – wem dies nichtgelingt, der wird verschlungen. Ödipus löst das Rätsel undbefreit so die Stadt von der Plage. pAtréju bekommt keineRätsel gestellt, dafür ist die Frage, wen die Sphingen vorbeilas-sen, selbst ein Rätsel. Und nicht umsonst heißt das Sphingen-tor auch das »Große-Rätsel-Tor«.36 Dass der Blick einer Sphinxversteinert, ist zwar von den antiken Sphingen nicht überlie-fert, doch kennt die Antike den versteinernden Blick der Me -dusa.

Auch die Zentauren wie pCaíron und die Sirenen stammenaus der Sagenwelt der Antike, ebenso wie pPegasus, das geflü-

die Richtertalare tragen, Uhren, die wie weicher Käse zerfließen(Salvador Dalí), oder Gliederpuppen, die auf grell beleuchteten,menschenleeren Plätzen stehen (Giorgio de Chirico). Da sindGe sichter und Köpfe, die ganz aus Tieren zusammengesetzt sind(Arcimboldo), und andere, die eine Landschaft bilden. Aber esgibt auch ganz gewöhnliche Bilder: Männer, die ein Kornfeldabmähen, und Frauen, die auf einem Balkon sitzen. Es gibt Ge -birgsdörfer und Meereslandschaften, Kriegszenen und Zirkus-aufführungen, Straßen und Zimmer – und immer wieder Ge -sichter, alte und junge, weise und einfältige, Narren und Könige,finstere und heitere. Da sind grausige Bilder von Hinrichtungenund Totentänzen sowie lustige Bilder von jungen Damen aufeinem Walross oder von einer Nase, die herumspaziert und vonallen Vorübergehenden gegrüßt wird.

Auch pBastians Träume sind im Bergwerk der Bilder ver-schüttet. Einen davon muss er finden, wenn er in seine Weltzurückkehren will. Eigentlich hätte ihm der LeuchtsteinpAl’Tsahir in Minroud leuchten sollen, doch Bastian hat ihnim pSternenkloster Gigam bereits leichtfertig verschleudertund muss deshalb im Dunkeln nach seinen vergessenen Träu-men schürfen. Und tatsächlich findet er ein Bild seines pVa-ters. Der Wunsch, ihn wiederzusehen, kostet Bastian das Letzte,was ihm aus der Menschenwelt noch geblieben ist: seinenpNamen. Auf dem Weg zum pWasser des Lebens wird dasBild von den Schlamuffen zerstört.

Das Bergwerk der Bilder ist ein pSymbol für das Unterbe-wusste. Jede pKunst schöpft aus dem Unterbewussten, desseneindrucksvollste Äußerungen Träume sind: die Schnittstelle zwi-schen Bewusstsein und Unterbewusstsein. Bastians Reise ins Un -terbewusste ist die Voraussetzung für seine Rückkehr in dieMenschenwelt.

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einem Zwinger voller wilder Bestien wiederzuholen. Als derHeld zurückkehrt und sie ihn mit zärtlichen Blicken empfängt,wirft er ihr den Handschuh mit den Worten »Den Dank, Dame,begehr ich nicht!«40 ins Gesicht und verlässt sie.

Atréju wird in der Unendlichen Geschichte als Held nach mit-telalterlichem Vorbild eingeführt: Er ist wegen seiner ganzbesonderen Eigenschaften auserwählt und wird auf eine Suchegeschickt. So formuliert es Caíron, als er zu den pGrünhäutenaufbricht. Für C. G. Jung zählt der Held, der sein Volk rettetund, bisweilen mithilfe magischer Mittel, Ungeheuer besiegt, zuden pArchetypen. Wie viele Helden verfällt auch Bastiankurzfristig dem Hochmut und muss bestraft werden, ehe erzurück aus Phantásien findet.41 Auch der berühmte Phantásien-reisende Tolkien und viele andere haben auf diesen Archetypzurückgegriffen.

Atréju, der Held der großen Queste (das bedeutet: Große Su -che), trägt Züge des mittelalterlichen Perceval (Parzival), undauch im Zauberschwert pSikánda finden wir ein mittelalter -liches Vorbild: Das bekannteste Zauberschwert dürfte wohlKönig Artus’ Excalibur sein. Doch auch andere Heldengestaltendes Mittelalters haben besondere, mit Namen versehene Schwer-ter, wie etwa der Cid aus dem spanischen Heldenlied oder Sieg-fried im Nibelungenlied. Auf Kö nig Artus’ Tafelrunde spielt dieHeld-Hynreck-Episode an. Auch in Tolkiens Der kleine Hobbithaben Waffen, insbesondere Schwerter, Namen.

Romantik: Michael Ende äußerte sich hierzu wie folgt: »Ichbin der Meinung, dass die Romantik die bisher einzig originaldeutsche Kulturleistung war. Alles andere haben wir in Deutsch-land mehr oder weniger aus dem Ausland übernommen. In derRomantik ist zum ersten Mal etwas gelungen, das auch das Aus-land interessiert hat. Deswegen habe ich versucht, dort anzu-

gelte Pferd.37 Das Gnomenpaar pEngywuck und Urgl trägtZüge von Philemon und Baukis, dem alten gastfreundlichenPaar aus der griechischen Sage.

Gern greift Ende auf die Odyssee zurück: Wie Odysseus demZyklopen Polyphem gegenüber seinen wahren pNamen ver-schweigt und sich »Niemand« nennt, sagt auch AtréjupGmork nicht, wer er ist: »Ich bin niemand« (S. 155), antwor-tet Atréju auf Gmorks Frage. Und der Werwolf erwidert: »Dannhat Niemand mich gehört, und Niemand ist zu mir gekommen,und Niemand redet mit mir in meiner letzten Stunde.« Ende hatdiese Bezüge auf die großen Werke der Weltliteratur selbst be -tont.38

Auch der Wettkampf im Bogenschießen in der SilberstadtpAmargánth erinnert an die Odyssee: Als Odysseus nach seinerIrrfahrt nach Hause zurückkehrt und seine Frau von einer Scharheiratswilliger Verehrer erlöst, muss er diese zuerst in einemWettkampf mit dem Bogen überwinden.

pXayíde trägt Züge der Zauberin Kirke aus der Odyssee, undauch pBastians Besuch im pBergwerk der Bilder erinnert anOdysseus’ Fahrt in die Unterwelt, wo er das Bild seiner pMut-ter sieht (Bastian sieht das seines pVaters).39

Phantásien ist also nicht nur aus der pPhantasie eines Ein-zelnen geschaffen. Jeder pTraum, der geträumt wird, lässt einStück Phantásien entstehen.

Mittelalter und Heldendichtung: Das Ritterturnier in Amar-gánth dürfte die offensichtlichste Anspielung auf das Mittelaltersein: Held pHynreck ist ein Ritter wie aus dem Bilderbuch.Seine Liebe zu Prinzessin pOglamár und deren Ende, nach-dem er sie aus der Gewalt des Drachen pSmärg befreit hat,erinnert an Schillers Ballade »Der Handschuh«: Dort gibt dieAngebetete ihrem Verehrer den Auftrag, ihren Handschuh aus

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als bei Hoffmann und Ende lebt Novalis’ Held Heinrich aber ineiner Welt, in der das Reich der Phantasie geachtet und aner-kannt wird. Deshalb stößt er nie auf Unverständnis.

Hoffmann hingegen nimmt bereits die zentrale Aussage derUnendlichen Geschichte voraus: Sowohl ein einseitiges Bestehenauf der bloßen Außenwelt, als auch die Flucht in die Phantasiesind der falsche Weg.

Der weise Alte, bei Ende in der Person des Blinden Berg-manns pYor, erscheint ebenfalls in der Romantik. Er verkör-pert nach Jung’scher Schule den Archetyp des wissenden Zaube-rers, der für das tiefere Wissen um sich selbst und die Inhalte desUnbewussten steht.45 Yor und die Grube Minroud, in der dievergessenen Träume der Menschen die Grundfesten Phantásiensbilden, verweisen auf die pPhantastische Kunst, wie sie auchMichael Endes Vater Edgar verkörperte. Die Bilder, die Bastiandort findet, werden zum Teil nach wirklich existierenden Vorbil-dern beschrieben: Beispielsweise findet Bastian eines, das lauterzerfließende Uhren zeigt wie das berühmte Gemälde von Salva-dor Da lí.

Fernöstliche Philosophie und Religion: Das Ohne-Schlüssel-Torist ein Motiv aus der fernöstlichen Mythologie. Die pAbsichts-losigkeit, jeden Willen von sich zu lassen, ist das Ziel der Medi-tation. Auch die Drachen als Mittler zwischen Himmel undErde haben ein chinesisches Vorbild. Am deutlichsten sind sie inder Figur des Fuchur verkörpert, dem pGlücksdrachen. InAsien gelten Drachen als pSymbol des Glücks und werdendeshalb auch nicht, wie bei europäischen Sagen üblich, von Hel-den erschlagen.

Das wichtigste fernöstliche Motiv in der Unendlichen Ge -schichte ist allerdings das pMandala, das in Form des pLaby-rinths und des pElfenbeinturms auftaucht und in dessen

knüpfen, weil ich mich durchaus als deutscher Autor versteheund weil ich der Überzeugung bin, dass diese Stimme, die ebentypisch deutsch ist, nicht im Konzert der Nationen untergehensollte.«42

Michael Ende sah in der Romantik eine Befreiung des Indivi-duums vom rein pkausallogischen Denken, wie es seit derpAufklärung verbreitet sei. In der Betonung der pInnen-welt, des Phantastischen, wie es in der Romantik geschieht, fander seine eigene Zeitkritik bestätigt. Die Gegenwart kranke an ei -nem Übermaß an kausallogischem und quantifizierendem Den-ken. Nur was nützlich sei, sei auch gut. Aber was bedeutet Nütz-lichkeit vor dem gewaltigen Hintergrund der pGeschichte?Die Odyssee, der Faust, der David von Michelangelo oder diePyramiden sind nicht wirklich nützlich. Aber was wäre dieMenschheit ohne sie? Wie die Romantiker sah er die Anfängedieser Krise im 16. Jahrhundert begründet.43

Das Große-Spiegel-Tor verweist auf die Romantik, in der dasSpiegelmotiv besonders beliebt war (E.T. A. Hoffmanns Prinzes-sin Brambilla). Die blaue Glockenblume, die nahe dem pEl-fenbeinturm wächst und in der der pPhönix nistet, verweistauf die berühmte blaue Blume in Novalis’ Heinrich von Ofterdin-gen.

Die körperlose Stimme der pUyulála wiederum verweistauf die ro mantische Vorstellung von der Naturpoesie: Schonbei Goethe und Herder findet sich der Gedanke, Dichtung seiallen Völkern gleichermaßen gegeben und eine uralte Gabe derMenschheit.44

Sowohl in E.T. A. Hoffmanns Goldenem Topf, als auch inNovalis’ Heinrich von Ofterdingen gibt es ein Phantasiereichnamens Atlantis. Bei Novalis ist Atlantis ein Land, in dem Musikund Dichtung herrschen: ein romantisches Phantásien. Anders

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mehr: Sie ist zugleich ein pSymbol des Unterbewussten so wiedas pBergwerk der Bilder.47

Deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Biblio-thek nur durch die Namensgebung des Leuchtsteins pAl’Tsa-hir öffnen lässt, der Bergwerk und Bibliothek verbindet: Bei vor-sichtiger Pflege leuchtet der Stein seinem Träger auch in die»dunklen Tiefen von Yors Minroud« (S. 290), also in das Berg-werk der Bilder. Da Bastian den Stein aber mutwillig verstrahlenlässt, muss er ohne Licht ins Bergwerk.

Borkentroll, derBorkentrolle bewohnen besonders dunkle, dichte und verwil-derte Wälder pPhantásiens wie den pHaulewald. Sie sindriesenhafte Kerle und Kerlinnen, die selbst wie knorrige Baum-stämme aussehen. Normalerweise verhalten sie sich reglos, so -dass man sie wirklich für Bäume halten und ahnungslos an ihnenvorbeiwandern kann. Nur wenn sie sich bewegen, sieht man,dass sie astartige Arme und krumme, wurzelartige Beine haben.Phantásische Borkentrolle sind zwar ungeheuer stark, aber nichtgefährlich – sie treiben höchstens hin und wieder Schabernackmit verirrten Wanderern. Im Gegensatz zu pIrrlichtern, dieaus reinem Überlebensinstinkt Wanderer vom richtigen Weg ab -bringen müssen, verhält es sich mit den Borkentrollen anders:Sie machen dies aus reinem Vergnügen, sozusagen als Ablenkungvon dem Alltag, der für sie aus der Pflege und Instandhaltungdes natürlichen Gleichgewichts im Wald besteht.

Borkentrolle stehen in enger Verwandtschaft mit echten Bäu-men. Ihre Fortpflanzung benötigt ebenfalls die Bestäubungdurch Bienen und den Transport der Samen durch Vögel. DesNachts verwurzeln die Beine der Borkentrolle im Erdboden, ausdem sie Grundwasser saugen, das sie unter ihren Rinden spei-

Zentrum wie eine fernöstliche Götterfigur die pKindlicheKaiserin sitzt.

Der Gedanke, dass Gegensätze einander bedingen, symboli-siert durch die beiden pSchlangen, die sich in den Schwanzbeißen, ist so alt wie die chinesische Philosophie selbst. Beson-ders für Laotse, den Denker des Taoismus, ist dieser Gedankebedeutsam. In der Vereinigung der Gegensätze, z. B. von männ-lich und weiblich (Yin und Yang), aber auch von pGut undBöse, ist das chinesische Denken anders als das christliche. Des-halb unterscheidet auch die Kindliche Kaiserin nicht zwischenguten und bösen Phantásiern.

Der zyklische Charakter der taoistischen Weltanschauungzeigt sich auch in dem Gegensatzpaar pPerelín und pGoab,deren Leben und Sterben einander bedingen. Dieser Gedankeliegt Phantásien insgesamt zugrunde: Die Kindliche Kaiserinwar ja nicht zum ersten Mal krank. Mit ihr geht Phantásienunter und entsteht wieder neu – deshalb darf auch der pPhö-nix als Bewohner nicht fehlen. Im hinduistischen Kontext heißtdieser Kreislauf samsara.46

Bibliothek, dieDer Silberstadt pAmargánth schenkt pBastian eine Biblio-thek mit den gesammelten Werken von Bastian Balthasar Bux.In Amargánth sind pGeschichten wichtig: Die Bewohner derStadt kennen viele, doch weil Bewohner pPhantásiens keineneuen Geschichten erfinden können, sind sie auf den MenschenBastian angewiesen. Sie selbst, als Geschöpfe der pPhantasie,können nicht schöpferisch tätig sein. Hier erkennt Bastian, dassdas, was ihm in der Menschenwelt als negativ ausgelegt wurde(»Mondkalb«, »Spinner«), in Phantásien eine Gabe ist, für dieman ihn bewundert. Doch die Bibliothek von Amargánth ist

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chern und bei Tag mithilfe des Sonnenlichts in notwendigeEnergie umwandeln.

Borkentrolle gehören zu den wenigen Arten Phantásiens, diedie Sprache der verschiedenen Pflanzen beherrschen. Was fürunsereins wie das Rascheln des Windes in Blättern oder das Knar-zen von Ästen und Stämmen erscheint, ist in Wirklichkeit einehoch entwickelte Form der Verständigung. Für Borken trollebedeutet die »Stille« eines dunklen Waldes vielmehr wie für unsdas ewige Tratschen und Quatschen einer dicht bevölkertenStadt.

Interessant ist, dass Borkentrolle alle feuerbeherrschendenLebewesen Phantásiens verabscheuen, da sie selbst aus brenn -barem Holz bestehen und oft gegen Waldbrände anzukämpfenhaben, die irgendein unachtsamer Reisender verursacht hat.

Botschaft, dieMichael Ende ist immer wieder gefragt worden, was denn dieBotschaft seines Romans sei. In der Regel antwortete er auf dieseFrage ähnlich wie in folgendem Brief an eine Leserin:

Aber Kunst und Poesie erklären ja nicht die Welt, siestellen sie dar. Sie brauchen nichts, was über sie hi -nausweist. Sie sind selbst ein Ziel. Ein gutes Gedichtist nicht dazu da, die Welt zu verbessern – es ist selbstein Stück verbesserte Welt, es braucht daher keineBotschaft. Dieses Hinstarren auf die Botschaft (mora-lisch, religiös, politisch, sozial usw.) ist eine unseligeErfindung der Literaturprofessoren und Essayisten,die sonst nicht wüssten, worüber sie schreiben undschwätzen sollten. Die Stücke Shakespeares, die Odys-

see, Tausendundeine Nacht, der Don Quixote – diegrößten Werke der Literatur haben keine Botschaft.Sie beweisen oder widerlegen nichts. Sie sind etwas,wie ein Berg oder ein Meer oder eine tödliche Wüsteoder ein Apfelbaum.48

Es ist unmöglich, etwas über die Botschaft eines Autors zuschreiben, der sagt, er habe keine. Lassen wir darum MichaelEnde weiter selbst zu Wort kommen:

Man schreibt, weil einem zum Thema etwas einfällt,und nicht, weil man die Absicht oder den Drang ver-spürt, dem Publikum eine wichtige weltanschaulicheLehre zu erteilen. Aber natürlich hängt das, wozueinem etwas einfällt, mit dem Welt- und Anschaubildzusammen, das man sich gebildet hat. Nur ist es mirnie gelungen alles, was in meinem Kopf vorgeht, auchunter einen Hut zu kriegen. Ich habe kein philosophi-sches System, das mir auf jede Frage eine Antwortbereithält, keine Weltanschauung, die fertig ist – ichbin immer unterwegs. Es gibt zwar einige Konstanten,die sozusagen im Zentrum stehen, aber nach den Rän-dern hin ist alles offen und vage. Eigentlich habe ichniemals für irgendein Publikum geschrieben, sondernalles ist ein Gespräch mit Gott, in dem ich ihn nichtum irgendetwas bitte (da ich annehme, er weiß so -wieso, was wir brauchen, und wenn er’s uns nicht gibt,dann aus gutem Grund), sondern um ihm zu erzäh-len, wie es ist, ein unzulänglicher Mensch unter unzu-

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länglichen Menschen zu sein. Ich denke, das könnteihn interessieren, da es eine Erfahrung ist, die er nichtgemacht haben kann.49

BrodelbrühIm Osten des pModer-Moors, einer unwirtlichen LandschaftpPhantásiens, liegt der See Brodelbrüh. Oder besser, dort lagder See Brodelbrüh. Denn eines Tages war der See weg. Nichtausgetrocknet, sondern einfach weg. Als ob man blind wäre,wenn man hinsieht. Das irritiert selbst ein pIrrlicht, und sobeschlossen die Einwohner des Moors, die pKindliche Kaise-rin vom Verschwinden des Sees zu benachrichtigen. Denn derSee war nur der Anfang. Das pNichts breitete sich aus: Die Ur-Unke Umpf, die mit ihrem Volk im See lebte, verschwand mitihm. So beginnt für die Irrlichter Die unendliche Geschichte: Sieschicken einen Boten. Und als pBastian Balthasar Bux daspBuch aufschlägt, wird er Zeuge, wie dieser Bote im finsterenpHaulewald drei merkwürdige Gestalten trifft.

Buch, das»Die unendliche Geschichte entstand folgendermaßen«, so erzähltMichael Ende selbst:

Mein Verleger Hansjörg Weitbrecht weilte für 14 Tagein meinem Landhaus in der römischen Campagna zuBesuch. Eines Abends am Feuer des Kamins und nacheinigen Flaschen guten Weines meinte er streng, es seiendlich an der Zeit, dass ich wieder einmal ein Buchschriebe. Ich solle ihm doch einmal aus meinen vorrä-

tigen Ideen erzählen. Nun habe ich tatsächlich einenZettelkasten, einen alten Schuhkarton, in den ich alleNotizen zu Einfällen stecke, die mir bei irgendeinerGelegenheit gekommen sind. Ich holte also den Kar-ton und las einen Zettel nach dem anderen vor.Schließlich geriet ich zu einem, auf dem stand nur:»Ein Junge gerät beim Lesen eines Buches buchstäb-lich in die Geschichte hinein und findet nur schwerwieder heraus.« Weiß der Teufel, warum und wo ichden geschrieben hatte. Der Verleger horchte auf undmeinte (wenn auch schon mit etwas schwerer Zunge):»Das hört sich gut an. Du solltest die machen.« Ich er -widerte zögernd, dass meiner Ansicht nach in diesemPlot nicht viel drinstecke und dass man daraus höchs-tens eine Hundert-Seiten-Geschichte machen könne.»Um so besser«, meinte Weitbrecht, »dann schreibstdu endlich auch mal ein Buch, das nicht so schreck-lich dick ist.« Meine Bücher waren nämlich nachAnsicht aller meiner Verleger – auch der ausländi-schen – im mer zu dick und schreckten deshalb dieLeser ab. Nun, diese Meinung hat sich ja inzwischengeändert.50

Schnell stellt Michael Ende fest, dass die Geschichte doch etwasmehr Zeit in Anspruch nehmen und länger als gedacht seinwird.

1978 benachrichtigt er seinen Verleger, pBastian weigeresich aufs Entschiedenste, pPhantásien zu verlassen. Es bleibeihm nichts anderes übrig, als ihn auf seiner langen Reise weiterzu begleiten.

die war in der Unendlichen Geschichte. Er, Bastian, kam als Per-son in dem Buch vor, für dessen Leser er sich bis jetzt gehaltenhatte!« (S. 209) Endgültig wird Bastian dies klar, als der pAltevom Wandernden Berge ihn beschreibt.51

Jacques Derrida nannte diese Technik mise en abîme – in denAbgrund (oder auch: die Unendlichkeit) gestellt. Michael Endebetont das Buch-im-Buch-Motiv in der Unendlichen Geschichteimmer wieder: So verrät die Stimme der pUyulála dem jungenHelden Atréju: »Wir sind nur Figuren in einem Buch [. . .]«(S. 123). Und der Alte vom Wandernden Berge erklärt: »Soschreibt sich Die un endliche Geschichte selbst durch meineHand« (S. 206). Er weiß allerdings nicht, was geschehen wird, erschreibt nur auf, was im Moment geschieht.52 Durch die Spiege-lung der Perspektive wird nicht nur Bastian, sondern auch derLeser von Michael Endes Unendlicher Geschichte selbst zumHandelnden in der Welt der pKindlichen Kaiserin.

Nach Michael Ende nahmen viele moderne Literaten das Mo -tiv wieder auf. Ein bekanntes Beispiel ist der philosophischeRoman Sofies Welt von Jostein Gaarder.

Buchstaben, die: pInitialen

Bunte Tod, der: pGraógramán

Buch im Buch, dasDas Motiv vom Buch im Buch ist eines der bedeutendsten in derUnendlichen Geschichte und charakteristisch für Michael Endesgesamtes Schaffen. Denn es verkörpert, wie wichtig ihm daspErzählen war.

In pKarl Konrad Koreanders Laden findet pBastian einin »kupferfarbene« Seide gebundenes Buch mit dem pTitelDie unendliche Geschichte (vgl. S. 11) und liest es. Im Laufe derpGeschichte wird er erkennen, dass er selbst in diesem Buchvorkommt.

Das Motiv, dass die Protagonisten eines Buches selbst lesen,ist ein beliebter Topos: Prominentestes Beispiel dürften Die Lei-den des jungen Werther sein, der von Shakespeares Hamlet begeis-tert ist. Aber auch dass ein Protagonist in einem Buch seineeigene Geschichte liest – wie es Bastian tut –, kommt schon beiCervantes im Don Quijote vor: Sancho Pansa informiert dort sei-nen Herrn, dass seine Geschichte bereits in dem Buch Der scharf-sinnige Edle Don Quijote von La Mancha abgedruckt sei. Auch inder Romantik erfreute sich das Motiv einiger Beliebtheit, dienoch im 20. Jahrhundert zu finden ist. Am deutlichsten ist beider Unendlichen Geschichte der Bezug zu Novalis’ Heinrich vonOfterdingen: Wie Bastian wünscht sich auch Novalis’ Einsiedlernichts mehr, als das Buch vollständig zu besitzen. Denn auch vonBastian heißt es: »Er konnte einfach seine Augen nicht davonabwenden. Es war ihm, als ginge eine Art Magnetkraft davonaus, die ihn unwiderstehlich anzog« (S. 10).

Und wie Novalis’ Einsiedler erkennt Bastian nach und nach,dass die Geschichte von ihm selbst erzählt: Als er seinen eigenenSchrei in der Schlucht widerhallen hört, in der pAtréju aufpYgramul trifft, oder als Atréju durch das Große-Spiegel-Tortritt. »Was da erzählt wurde, war seine eigene Geschichte! Und

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Grünhäuten erscheint, ja nur ein Junge, der noch nie von Auryngehört hat.

Clown-Motten, dieNachdem pBastian auf seiner Reise durch das grenzenloseReich pPhantásiens von dem furchtbaren Schicksal derpAcharai erfährt, hat er Mitleid mit diesen hässlichen Kreatu-ren. Durch die Wunschkraft, die ihm das ma gische AmulettpAuryn verleiht, beschließt er, ihnen zu helfen und sie vonihrer Trübsal zu erlösen. Bastian wünscht sich, sie sollten vonnun an Clown-Motten, auch »Schlamuffen« ge nannt, sein: bun -te, frohsinnige Schmetterlinge, die immer nur Lachen und Fröh-lichkeit verbreiten. Die »immer lachenden« Clown-Motten tra-gen bunte Mottenflügel auf dem Rücken und sind in allerhandkarierten, gestreiften, geringelten oder gepunkteten Plundergekleidet, doch scheint jedes einzelne Kleidungsstück entwederzu eng oder zu weit, zu groß oder zu klein und sozusagen auf gutGlück zusammengenäht. Nichts stimmt, und überall, sogar aufden Flügeln, sind Flicken aufgesetzt. Keine Clown-Motte gleichtder anderen, ihre Gesichter sind bunt wie die eines Clowns,haben runde Nasen oder vollkommen lächerliche Zinken undübertrieben große Münder. Manche haben Zylinderhüte in allenerdenklichen Farben auf dem Kopf, andere spitze Mützen, beianderen stehen nur drei knallrote Haarschöpfe in die Höhe, undein paar tragen spiegelnde Glatzen.

Die Clown-Motten hausen in einem Turm aus Silberfiligran,den sie erbaut hatten, als sie noch die Acharai waren. An diesemTurm klettern, hängen und purzeln sie einfach nur so herum –ohne Sinn und Verstand, einfach nur, um Schabernack zu trei-ben. Die Schlamuffen reden nur unsinniges Kauderwelsch, undeine anständige Unterhaltung ist mit ihnen auf keine Weise

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C Caíron Caíron ist der berühmteste Arzt pPhantásiens. Erist ein Schwarz-Zentaur, jeweils zur Hälfte Mensch

und Pferd. Doch auch er kennt nicht das Heilmittel, das diepKindliche Kaiserin gesund machen kann. Ihm gibt sie jedochden Auftrag, beim Volk der pGrünhäute nach dem jungenHelden pAtréju zu suchen und ihn auf die pGroße Suche zu schicken. Für kurze Zeit trägt Caíron pAuryn, um es Atré-ju zu bringen. Er ist da mit neben Atréju und pBastian (undganz kurz auch einmal Fuchur) der Einzige, der den Glanz tra-gen darf.

In der antiken Mythologie ist der Zentaur Chiron der be -rühmteste Heilkundige, Arzt, Weise und der Erzieher von Hel-den wie Herakles und Achilles. Auch Caíron muss einen Heldenauf seine Aufgabe vorbereiten: Atréju ist, als der Zentaur bei den

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möglich. Sie sind der beste Beweis dafür, dass nach Phantásiengereiste Menschen oft die Macht Auryns und die Maximep»Tu, was du willst« unterschätzen. Wahre Wünsche sind oftnur sehr schwer zu erkennen, und es wäre ratsam, sich vorher gutzu überlegen, was in Erfüllung gegangene Wünsche für Kon-sequenzen nach sich ziehen können. Durch Bastians Wunschwurden aus den traurigen und hässlichen Acharai Schlamuffen,de ren Existenz sich im Nonsens begründet. Das wunderbare Sil-berfiligran wurde ab dem Tag der Verwandlung in Clown-Mot-ten nicht mehr aus der Erde gewaschen. Und auch der Tränen-see pMurhu trocknet fast aus. Denn jeder erfüllte Wunschbedeutet, etwas zu verändern. Und jede noch so kleine Ände-rung kann eine ganze Geschichte verändern.

Nicht zuletzt zerstören die Schlamuffen mit ihrem lauten Un -sinnsgerede das kostbare Bild, das Bastian aus dem pBergwerkder Bilder geholt hat – und verhindern damit beinahe seineRückkehr in die Menschenwelt.

Schlamuffen: Variationen(Aus lauter Lustigkeit drehen einem die Schlamuffenjedes Wort im Mund um. So lange, bis man selbstkaum noch weiß, was man gesagt hat.)Die Kindliche Kaiserin im elfenbeinernen Turm.Die Kindliche Elferin im kaisertürmigen BeinDie Kindliche Beinerin im elfenkaisigen TurmDie Kindliche Türmerin beim elefenen KaiserDie kaisige Kindlerin türmebeinerne ElfDie kaisige Elferin im kindertürmenden BeinDie kaisige Beinerin im elfenkindlichen TrumDie kaisige Türmerin im beinelfigen Kind

Die elfige Kindlerin im turmbeinigen KaiserDie elfige Kaiserin im kinderturmigen BeinDie elfige Beinerin im kaiserkindlichen TurmDie elfige Turmerin im kaiserkindlichen BeinDie beinige Kindlerin im turmkaisigen ElfDie beinige Kaiserin im kindertürmigen ElfDie beinige Elferin im kaiserkindlichen TurmDie beinige Türmerin im elfenkaisrigen KindDie türmende Kindlerin im beinelfigen KaiserDie türmende Kaiser im beinelfigen KindDie türmende Elferin im beinekaisrigen KindDie türmende Beinerin im elfenkaisrigen Kind53