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Das politische System Polens Politik und Gesellschaft www.poleninderschule.de Seite 1 von 16 Das politische System Polens Kurzbeschreibung des Moduls Der politische Umbruch 1989 in Polen erforderte auch die Neugestaltung des politischen Systems, wobei sich der institutionelle Rahmen des Demokratieaufbaus eng an den politischen Systemen im Westen Europas sowie an eigenen Traditionen orientierte. Im Jahr 1997 trat eine neue Verfassung in Kraft, die den institutionellen Aufbau der 1990 gegründeten Dritten Polnischen Republik abschloss. Neben den politischen Institutionen musste sich auch die Parteienlandschaft in Polen neu konsolidieren und hat sich in den letzten 25 Jahren immer wieder stark verändert. Bei den Parlamentsneuwahlen im Herbst 2015 hat sie sich wieder einmal neu formiert. Die national-konservative PiS („Prawo i Sprawiedliwość“ {prawo i sprawijedliwoschtsch}, dt. Recht und Gerechtigkeit) regiert seitdem mit absoluter Mehrheit, während die bisherige Regierungspartei, die liberal-konservative PO („Platforma Obywatelska“, dt. Bürgerplattform) an Bedeutung verlor. Die linken Parteien schafften im Gegensatz zur Bauernpartei PSL den Einzug ins Parlament nicht mehr. Mit der rechts-populistischen Bewegung „Kukiz‘15“ des gleichnamigen Rockmusikers Kukiz und der wirtschaftsliberalen Partei „Nowoczesna“ ({nowotschäsna}, dt. Moderne) gelangten zwei neue Parteien ins Parlament. Mit diesem Modul lassen sich am Beispiel des in Polen eingeführten parlamentarisch- präsidentiellen Systems grundlegende Einsichten in die verschiedenartige Ausgestaltung von Regierungssystemen vermitteln und die unterschiedlichen Gewichtungen einzelner Verfassungsorgane in Deutschland und in Polen (z.B. Präsident, Regierung, Parlament) gegenüberstellen. Die aktuelle politische Situation in Polen wird mit Hilfe verschiedener Materialien aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Aktuelle Links und Literaturhinweise erleichtern es, auf dem Laufenden zu bleiben. Das Modul enthält eine didaktische Einführung zum Thema Hinweise zu Referatsthemen, weiterführender Literatur sowie Links einen Einführungstext Arbeitsblatt 1: Das politische System Polens Arbeitsblatt 2: Vergleich der politischen Systeme in Deutschland und Polen Arbeitsblatt 3: Umstrittene Reformen von Medien und Verfassungsgericht Arbeitsblatt 4: Der Schriftsteller Adam Zagajewski über die aktuelle Situation in Polen Arbeitsblatt 5: Karikaturen als Ausdruck von Kritik

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Das politische System Polens

Kurzbeschreibung des Moduls

Der politische Umbruch 1989 in Polen erforderte auch die Neugestaltung des politischen Systems, wobei sich der institutionelle Rahmen des Demokratieaufbaus eng an den politischen Systemen im Westen Europas sowie an eigenen Traditionen orientierte. Im Jahr 1997 trat eine neue Verfassung in Kraft, die den institutionellen Aufbau der 1990 gegründeten Dritten Polnischen Republik abschloss. Neben den politischen Institutionen musste sich auch die Parteienlandschaft in Polen neu konsolidieren und hat sich in den letzten 25 Jahren immer wieder stark verändert. Bei den Parlamentsneuwahlen im Herbst 2015 hat sie sich wieder einmal neu formiert.

Die national-konservative PiS („Prawo i Sprawiedliwość“ {prawo i sprawijedliwoschtsch}, dt. Recht und Gerechtigkeit) regiert seitdem mit absoluter Mehrheit, während die bisherige Regierungspartei, die liberal-konservative PO („Platforma Obywatelska“, dt. Bürgerplattform) an Bedeutung verlor. Die linken Parteien schafften im Gegensatz zur Bauernpartei PSL den Einzug ins Parlament nicht mehr. Mit der rechts-populistischen Bewegung „Kukiz‘15“ des gleichnamigen Rockmusikers Kukiz und der wirtschaftsliberalen Partei „Nowoczesna“ ({nowotschäsna}, dt. Moderne) gelangten zwei neue Parteien ins Parlament.

Mit diesem Modul lassen sich am Beispiel des in Polen eingeführten parlamentarisch-präsidentiellen Systems grundlegende Einsichten in die verschiedenartige Ausgestaltung von Regierungssystemen vermitteln und die unterschiedlichen Gewichtungen einzelner Verfassungsorgane in Deutschland und in Polen (z.B. Präsident, Regierung, Parlament) gegenüberstellen. Die aktuelle politische Situation in Polen wird mit Hilfe verschiedener Materialien aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Aktuelle Links und Literaturhinweise erleichtern es, auf dem Laufenden zu bleiben.

Das Modul enthält

– eine didaktische Einführung zum Thema

– Hinweise zu Referatsthemen, weiterführender Literatur sowie Links

– einen Einführungstext

– Arbeitsblatt 1: Das politische System Polens

– Arbeitsblatt 2: Vergleich der politischen Systeme in Deutschland und Polen

– Arbeitsblatt 3: Umstrittene Reformen von Medien und Verfassungsgericht

– Arbeitsblatt 4: Der Schriftsteller Adam Zagajewski über die aktuelle Situation in Polen

– Arbeitsblatt 5: Karikaturen als Ausdruck von Kritik

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Didaktische Einführung zum Thema

Das politische System Polens

Hinweise zum Einsatz im Unterricht

Das Thema „Das politische System Polens“ lässt sich behandeln

- aus aktuellem Anlass (2016: 25-jähriges Jubiläum des Abschlusses des deutsch-

polnischen Nachbarschaftsvertrag),

- im Kontext der Unterrichtseinheiten „Vergleich politischer Systeme“,

- bei der Vermittlung grundlegender Landeskundekenntnisse im Vorfeld einer

Klassenfahrt oder eines Schüleraustauschprogramms mit Polen

Film

Das politische System Deutschlands (7.02 Min.)

http://www.youtube.com/watch?v=jvJS8IyZvUc

Grundlegende Einführung in das politische System Deutschlands

Sehr schülernah, die erste Minute kann man überspringen.

Rechtspopulismus in Europa – Gemeinsamkeiten / Unterschiede (3.48 Min.)

https://www.rbb-online.de/kowalskiundschmidt/archiv/kowalski-schmidt-17012016/rechtspopulismus-in-europa.html

Interview mit dem Journalisten Olaf Sundermeyer zur Situation in Deutschland und Polen.

Interview mit Journalisten der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza (3.18 Min.)

http://www.zeit.de/politik/ausland/polen-jaroslaw-kaczynski-regierung-blog

Medien in Polen unter Staatskontrolle (1.31 Min.)

https://www.youtube.com/watch?v=4psePvsp_So

Widerstand gegen Rechtsruck in Polen (6.14 Min.)

https://www.rbb-online.de/kowalskiundschmidt/archiv/kowalski-schmidt-17012016/widerstand-gegen-rechtsruck-in-polen.html

Gesetzesänderungen in Polen (5.11 Min.)

http://www.rbb-online.de/warschauernotizen/archiv/warschauer-notizen-vom-06-02-2016.html

Audio

Polens neue Regierung. "Wir sind Europa" (18.21 Min.)

http://www.deutschlandfunk.de/polens-neue-regierung-wir-sind-europa.724.de.html?dram:article_id=342659

Deutschlandfunk am 16.01.2016 von Florian Kellermann.

„Polen – Eisiger Wind im Osten“ (53.53 Min.)

http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/bayern2/mp3-download-podcast-dossier-politik.shtml

Bayern 2 Studio-Gespräch mit Prof. Dr. Dieter Bingen vom 13.01.2016.

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Einführungstext

Der Einführungstext vermittelt einen Überblick über die Neuordnung des politischen System Polens nach 1989. Er stellt die wichtigsten Verfassungsorgane und ihre Aufgaben vor, ebenso die Entwicklung des polnischen Parteiensystems.

Themen der Arbeitsblätter

– Arbeitsblatt 1: Das politische System Polens

– Arbeitsblatt 2: Vergleich der politischen Systeme in Deutschland und Polen

– Arbeitsblatt 3: Umstrittene Reformen der Medien und des Verfassungsgerichts

– Arbeitsblatt 4: Der Schriftsteller Adam Zagajewski über die aktuelle Situation in Polen

– Arbeitsblatt 5: Karikaturen als Ausdruck von Kritik

Themen, Links und Literatur

Themen für Referate und Hausarbeiten

Die Themenvorschläge für Referate oder Hausarbeiten sollen LehrerInnen Möglichkeiten aufzeigen, das Thema mit den SchülerInnen zu bearbeiten. Entsprechende Hinweise zur Sekundärliteratur erleichtern die Recherche und geben erste Anhaltspunkte für den Arbeitseinstieg.

Die polnische und die deutsche Verfassung. Ein Vergleich.

Die politischen Systeme Deutschlands und Polens. Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Vergleichen Sie die Präambel des Grundgesetzes mit der Präambel der polnischen Verfassung. Welche Aufgabe kommt den Präambeln zu? Welche rechtliche Bindung haben die dortigen Formulierungen? Versuchen Sie, die jeweils angedeuteten Verweise auf die Geschichte mit Beispielen zu konkretisieren.

„Selbst- und Fremdwahrnehmung – Die Perspektive des Nachbarn“ Lesen Sie den Artikel des Historikers Felix Ackermann aus der ZEIT vom 20.01.2016 (http://www.zeit.de/kultur/2016-01/polen-deutschland-krise-vergleich, Zugriff: 19.02.2016) und arbeiten Sie die beiden unterschiedlichen Perspektiven heraus: wie nehmen die Polen Deutschland und wie die Deutschen Polen wahr? Welche Gründe gibt es für die Entstehung dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen? Entsprechen Sie ganz, in Teilen oder gar nicht der Realität? Diskutieren Sie!

Zivilgesellschaftlicher Protest in Deutschland und Polen Schauen Sie den folgenden Film und bereiten Sie eine Diskussion in Ihrer Klasse vor. Diskutieren Sie über Gründe und mögliche Formen des zivilgesellschaftlichen Protests. Welche Protestformen kennen Sie aus Ihrem Umfeld in Deutschland? Wann würden Sie selbst protestieren und wogegen/wofür?

„Widerstand gegen Rechtsruck in Polen“, Kowalski & Schmidt, 17.01.2016: https://www.rbb-online.de/kowalskiundschmidt/archiv/kowalski-schmidt-17012016/widerstand-gegen-rechtsruck-in-polen.html (Zugriff: 19.02.2016).

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Das Thema im Internet

Polen-Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung mit mehreren Beiträgen von Klaus Ziemer zum politischen System Polens.

http://www.bpb.de/themen/3PJIYL,0,0,Politik.html

Polen-Analysen. Am 1. und 3. Dienstag eines jeden Monats erscheinende Online-Zeitschrift (hrsg. vom Deutschen Polen-Institut u. a.) mit aktuellen Analysen, Tabellen und einer Chronik zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen in Polen.

http://www.laender-analysen.de/polen/

Seite der Deutschen Botschaft in Warschau mit grundlegenden Informationen über Polen, seine Regionen und sein politisches System; zusätzlich nützliche Linksammlung zu Polen.

http://www.warschau.diplo.de/Vertretung/warschau/de/Startseite.html

Blog zur politischen Situation auf ZEIT online, Journalisten der liberalen polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza bloggen auf Deutsch

http://www.zeit.de/politik/ausland/polen-jaroslaw-kaczynski-regierung-blog

Artikel der taz-Korrespondentin Gabriele Lesser zu verschiedenen Themen

http://www.taz.de/!a158/

Artikel des Welt-Korrespondenten Gerhard Gnauck zu verschiedenen Themen

http://www.welt.de/autor/gerhard-gnauck/

Artikel des FAZ-Korrespondenten Konrad Schuller zu verschiedenen Themen:

http://www.faz.net/redaktion/konrad-schuller-11104286.html

Weiterführende Literatur

Bader, Katarina/Zapart, Tomasz (2011): Die Bürgerplattform: Von der Bürgerbewegung zur Mitgliederpartei. In: OSTEUROPA, 61. Jg., 5–6/2011, S. 259–278.

Baczyński, Rafał (2015): Aufnahme und Intergration von Flüchtlingen in Polen. In: Polen-Analysen, 179, S. 2–7. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen170.pdf

Bingen, Dieter; Ruchniewicz, Krzysztof (Hrsg.) (2009): Länderbericht Polen. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Bonn: bpb.

Druciarek, Małgorzata/Niżyńska, Aleksandra (2015): Ist die Politik auch weiblich? Die Parlamentswahlen 2015 in Polen aus der Geschlechterperspektive. In: Polen-Analysen, 172, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen172.pdf

Flis, Jarosław (2016): Republik, Rebellion, Revanche. In: Polen-Analysen, 174, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen174.pdf

Gałązka, Marta (2016): Nowoczesna als wichtigste Oppositionspartei? In: Polen-Analysen, 176, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen176.pdf

Garsztecki, Stefan (2010): Demokratie in Polen – auf dem Weg zu Good Governance? In: Polen-Analysen, 68, S. 2–7. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen68.pdf

Majcherek, Janusz A. (2015): Polen nach den Präsidentenwahlen 2015. In: Polen-Analysen, 164, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen164.pdf

Sapper, Manfred/Weichsel, Volker (Hrsg.): Gegen die Wand. Konservative Revolution in Polen, BWV: Berlin 2016 [Osteuropa 1-2/2016]. http://www.zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2016/1-2/

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Sulowski, Stanisław (Hrsg.) (2009): Polen heute. Geschichte, Politik, Gesellschaft. Warszawa: Institut für Politikwissenschaft. Universität Warschau.

Szlendak, Tomasz (2015): Die jungen Polen und die Politik. In: Polen-Analysen, 166, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen166.pdf

Vetter, Reinhold (2015): Von Kaczyńskis Gnaden. Die neue nationalkonservative Regierung. In: Polen-Analysen, 173, S. 2–7. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen173.pdf

Vetter, Reinhold (2015): Flüchtlingskrise und Wahlkampf. Tiefe Gräben in Gesellschaft, Politik und Kirche. In: Polen-Analysen, 169, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen169.pdf

Wittmann, Florian/Zapart, Tomasz (2015): Ein gescheitertes Referendum ohne Gewinner? Wahlrecht und Parteienfinanzierung im polnischen Parteiensystem auf dem direktdemokratischen Prüfstand. In: Polen-Analysen, 168, S. 2–6. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen168.pdf

Ziemer, Claus/Matthes, Claudia-Yvette (2010): Das politische System Polens. In: Ismayr, Wolfgang (Hrsg.) (2010): Die politischen Systeme Osteuropas. 3., akt. und erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag, S. 207–273.

Ziemer, Klaus (2011): Ausgestaltung der Demokratie. In: Informationen zur politischen Bildung. Polen, 311, S. 18–25.

Ziemer, Klaus (2013): Das politische System Polens. Eine Einführung. Wiesbaden: Axel Springer Verlag.

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Einführung 1. Das politische System Polens und seine Geschichte

Mit dem Durchbruch zur Demokratie im Sommer 1989 knüpfte Polen an alte republikanisch-demokratische Traditionen aus der Zeit vor dem Staatssozialismus an. Bereits vor den Teilungen Polens Ende des 18. Jahrhunderts hatten im Rahmen einer Adelsrepublik Formen des Parlamentarismus sowie ein Zweikammersystem mit Sejm und Senat existiert. Am 3. Mai 1791 wurde in Polen zudem die erste schriftliche Verfassung Europas angenommen. Durch die lange Zeit der Teilungen nach 1795, die erst mit dem Wiedererstehen des polnischen Staates 1918 beendet wurde, die deutsche und sowjetische Besatzung während des Zweiten Weltkrieges und durch die Zeit des Staatssozialismus von 1945 bis 1989, die von der Mehrheit der Bevölkerung ebenfalls als Fremdherrschaft empfunden wurde, hat allerdings das Verhältnis der Polen zum Staat gelitten. Lange Zeit wurde der Staat als etwas Fremdes, der Gesellschaft Entgegengesetztes verstanden. Demokratie lebt aber von Beteiligung, von der Akzeptanz des Staates, seiner Institutionen und Eliten, und hieran mangelt es in Polen noch immer. Das politische System Polens wurde ab 1989 zunächst über Veränderungen der alten sozialistischen Verfassung von 1952 demokratisiert. So wurden u. a. Meinungspluralismus und Parteienwettbewerb zugelassen sowie das Amt eines Staatspräsidenten geschaffen und mit dem Senat eine zweite Parlamentskammer institutionalisiert, die bürgerlichen Grund-rechte etabliert, und Polen so als Republik neu begründet. Trotz dieser Verfassungsänderungen wurde in den folgenden Jahren eine völlig neue Verfassung entworfen, die im Jahr 1997 in einem Referendum angenommen wurde. In ihrer Präambel wird auch die Bezeichnung der Dritten Polnischen Republik verwendet und an eigene Traditionen der Ersten Republik bis zu den Teilungen Polens Ende des 18. Jahrhunderts und der Zweiten Republik der Zwischenkriegszeit angeknüpft. Die Volksrepublik Polen wird hier nicht erwähnt. Ungeachtet dessen ist in den letzten 20 Jahren sehr intensiv über den Charakter, über Fehler und Verbrechen, aber auch über Leistungen der Volksrepublik Polen gestritten worden.

2. Das politische System heute

Mit dem Akt der Verfassungsgebung war der institutionelle Aufbau weitgehend abgeschlossen und ein politisches System mit zwei Parlamentskammern etabliert: dem Sejm, der ersten Parlaments-kammer, dessen 460 Abgeordnete nach dem Verhältniswahlrecht auf vier Jahre gewählt werden, und dem Senat, bestehend aus 100 ebenfalls auf vier Jahre gewählten Senatoren. Anders aber als der Bundesrat in Deutschland, ist der Senat in Polen keine Vertretung der Länder, sondern lediglich ein zusätzliches parlamentarisches Prüforgan mit Gesetzesinitiativrecht. Der Vorsitzende des Sejm, der Sejmmarschall, ist zweithöchster Vertreter des polnischen Staates und übernimmt im Fall des Todes des Präsidenten, seines Rücktritts oder dessen dauerhafter Amtsunfähigkeit die Aufgaben des Präsidenten. Dies war zum Beispiel im Jahr 2010 nach dem tödlichen Flugzeugabsturz des damaligen Staatspräsidenten Lech Kaczyński der Fall. Die Regierung geht direkt aus der Parlamentsmehrheit hervor und das Parlament verfügt auch über das Recht, den Ministerpräsidenten durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen. Zu den wichtigen politischen und institutionellen Veränderungen nach 1989 zählte auch die Rückkehr zur kommunalen Selbstverwaltung im Jahr 1990 und die 1999 in Kraft getretene große Dezentralisierungsreform, die wichtige Staatsaufgaben an die Regionen

Ende 18. Jhd. Adelsrepublik mit Zweikammersystem

3. Mai 1791

erste schriftliche Verfassung Europas in Polen

Ab 1989

Demokratisierung (III. Republik)

1795

dritte Teilung Polens (Ende der I. Republik)

1918

Wiedererstehen Polens

(II. Republik)

während des 2. WK

deutsche und sowjetische Besatzung

1945 – 1989

Staatssozialismus

(Volksrepublik)

1997

neue Verfassung

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(Woiwodschaften) überwies und den Zentralismus der sozialistischen Zeit beendete. Die seit 1. Januar 1999 bestehenden 16 Woiwodschaften (zuvor 49) sind von ihrer Größe her mit kleineren deutschen Bundesländern vergleichbar, ohne allerdings deren Kompetenzen zu besitzen. Laut Verfassung ist Polen ein unitarischer Staat, der dennoch Bürgerbeteiligung auf lokaler und regionaler Ebene, also in den Gemeinden, Kreisen und Woiwodschaften vorsieht. Als Vertretung der Bürger existiert auf Woiwodschaftsebene der Sejmik, eine Art Landtag, der den Woiwodschaftsmarschall als seinen Vorsitzenden der regionalen Selbstverwaltung wählt. Zugleich gibt es in den Woiwodschaften mit dem Woiwoden einen von der Regierung in Warschau eingesetzten Vertreter, sodass die Woiwodschaften in einem komplizierten Abstimmungsprozess zwischen zentraler Regierung und regionaler Vertretung verwaltet werden. Dem deutschen Föderalismus vergleichbare Landesregierungen bestehen in Polen nicht. Dennoch erfreuen sich die Vertreter der lokalen und regionalen Ebene eines größeren Vertrauens seitens der Bürger als die Politiker der zentralstaatlichen Ebene.

Zu den Besonderheiten des polnischen parlamentarisch-präsidentiellen Systems nach 1989 gehört die Rolle des Staatspräsidenten. Laut Verfassung ist der Staatspräsident, der für fünf Jahre direkt vom Volk gewählt wird, nicht nur für formale Akte wie die Unterzeichnung von Gesetzen, internationalen Verträgen oder die Ausschreibung von Wahlen zu Sejm und Senat zuständig. Er wacht darüber hinaus auch über die Einhaltung der Verfassung und hat neue Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls an das Verfassungs-gericht zur Prüfung zu überstellen. Er verfügt über ein Vetorecht gegenüber Gesetzen, wobei das Parlament dieses Veto mit 60 % der Stimmen zurückweisen kann. Der Staatspräsident beauftragt nach Parlamentswahlen einen Vertreter des Parlaments mit der Regierungsbildung (in der Regel den Vorsitzenden der stärksten Partei), er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und er ist laut Verfassung gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister für die Außenpolitik der Polnischen Republik verantwortlich. Gerade hinsichtlich des letzten Kompetenzbereiches hat es immer wieder innenpolitische Auseinandersetzungen gegeben, insbesondere wenn Präsident und Ministerpräsident unterschiedlichen politischen Lagern (sog. Cohabitation) angehörten, was in der Vergangenheit häufiger der Fall gewesen ist. Vorschläge für eine Änderung der Verfassung greifen daher auch immer wieder eine klarere Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Regierung und Staatspräsident auf.

3. Das polnische Parteiensystem

Vor dem Hintergrund des institutionellen Aufbaus der Dritten Polnischen Republik und der Eingliederung Polens in europäisch-nordatlantische Organisationen, hier insbesondere in die Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft (NATO) im Jahr 1999 und in die Europäische Union (EU) im Jahr 2004, hat sich auch das polnische Parteiensystem entwickelt und allmählich konsolidiert. Während noch zu Beginn der 1990er-Jahre als Ergebnis der ersten freien Parlamentswahlen von 1991 29 politische Gruppierungen im Sejm vertreten waren, sind es aufgrund der danach eingeführten Fünf-Prozent-Klausel für Parteien bzw. der Acht-Prozent-Klausel für Parteienbündnisse seitdem deutlich weniger. Seit den Parlamentswahlen im Oktober 2015 sind nur noch fünf Parteien und ein Vertreter der Deutschen Minderheit (letztere ist von der Fünf-Prozent-Klausel ausgenommen) im Parlament vertreten.

Seit den Neuwahlen im Herbst 2015 hat sich die Parteienlandschaft im polnischen Parlament grundlegend verändert. Keine linke oder linksliberale Partei hat den Einzug ins Parlament geschafft. Dagegen hat die 2001 gegründete national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit PiS (Prawo i Sprawiedliwość, {prawo i sprawiädliwoschtsch}) mit 37,58 % der Wählerstimmen die absolute Mehrheit der Parlamentssitze erhalten, weil mehrere Parteien an der 5%-Hürde scheiterten. Sie stellt sowohl die Ministerpräsidentin Beata Szydło {schüdwo} als auch den im Jahr 2015 gewählten Staatspräsidenten Andrzej Duda {andschäi duda}, der nach seiner Amtsübernahme allerdings aus der Partei ausgetreten ist, um als „Präsident aller Polen“ sein Amt ausüben zu können. In die Opposition musste mit 24,09 % Stimmenanteil die ebenfalls 2001 gegründete, als liberal-konservativ geltende bisherige Regierungspartei Bürgerplattform PO (Platforma Obywatelska). Der den Wahlen vorausgegangene Wechsel ihres Parteichefs und ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk ins Präsidentenamt des Europäischen Rates sowie das schlechte Wahlergebnis bei den Parlamentswahlen 2015 führten zu einer schweren Krise in der Partei. Drittstärkste Partei wurde mit 8,81 % die vor allem von jungen WählerInnen gewählte rechts-populistische Bewegung Kukiz´15 des ehemaligen Rockmusikers Paweł

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Kukiz. Außerdem schafften es die wirtschaftsliberale Partei Moderne (Nowoczesna {nowotschäsna}), mit 7,6 % und die Polnische Bauernpartei PSL (Polskie Stronnictwo Ludowe) mit 5,13 % der Stimmen ins Parlament. Von den 460 Sitzen im Parlament entfallen somit 235 auf die PiS, 138 auf die PO, 42 auf Kukiz´15, 28 auf Nowoczesna, 16 auf die PSL und 1 Sitz auf die deutsche Minderheit.

Das Wahlergebnis, vor allem der Gewinn der absoluten Mehrheit durch die PiS, führten zu einem massiven Rechtsruck in der polnischen Politik. Die schwerwiegenden, unmittelbar auf die Wahl folgenden politischen Umgestaltungen durch die PiS-Partei – so beispielsweise die faktische Entmachtung des Verfassungsgerichts und die Unterwerfung der öffentlichen Medien unter die Parteiführung – führten in Polen zur einer vertieften Spaltung der Gesellschaft und zu gesellschaftlichen Protesten.

4. Politik und Gesellschaft

Auffallend ist im aktuellen Sejm das Scheitern der linken Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde. Die bisher stärkste polnische Linkspartei Bündnis der Demokratischen Linken SLD (Sojusz Lewicy Demokratycznej, {sojusch lewitzä demokratütschnäi}) war angesichts schlechter Umfragewerte zusammen mit anderen Parteien des linken Spektrums wie der linksliberalen Partei Deine Bewegung (Twój Ruch {twui ruch}) in einem Wahlbündnis Vereinigte Linke (Zjednoczona Lewica, {zjädnotschona lewitza}) angetreten, scheiterte aber an der für Parteienbündnisse geltenden Acht-Prozent-Hürde. Andere Parteien, so z. B. die Grünen (Zieloni, {schiäloni}), die neu gegründete Linkspartei Gemeinsam (Razem) oder die EU-ablehnende, libertär und paläo-konservativ ausgerichtete Partei KorWiN (nach dem Parteigründer Korwin-Mikke benannt) konnten sich bisher nicht auf der parlamentarischen Ebene durchsetzen. Hatte man bei der Wahl 2011 die damalige Wiederwahl der regierenden Koalition aus PO und PSL noch als einen deutlichen Beleg für die Konsolidierung der Parteienlandschaft und des politischen Systems der Republik Polen gewertet, zeigte die Wahl 2015 erneut, dass sich die politische Meinungsbildung in Polen noch nicht in stabilen Parteienverhältnissen widerspiegelt.

Die wichtigsten innenpolitischen Auseinandersetzungen drehten sich in den letzten Jahren um das Verhältnis zur Europäischen Union und den damit verbundenen Verzicht auf Souveränitätsrechte, die man erst 1989 erkämpft hatte. Während die Mitgliedschaft in der EU heute von allen Parlamentsparteien akzeptiert und lediglich die Umsetzung europäischer Politik und die Tiefe der Integration diskutiert werden, lassen historische Debatten nach wie vor tiefe politische Gräben erkennen. Insbesondere die unterschiedliche Bewertung der Volksrepublik Polen, das Verhältnis zu den großen Nachbarn Deutschland und Russland und der Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg sind Hinweise auf Trennlinien (sog. Cleavages) in der politischen Landschaft. Auch das Thema „Flüchtlingspolitik“ hat in den vergangenen Monaten zu scharfen Debatten und Diskussionen geführt, die nicht zuletzt auch Einfluss auf den Wahlausgang hatten.

Dabei stehen sich ein offenes, europäisches Geschichtsverständnis, welches den Dialog mit den Nachbarn sucht, und ein unkritisch positives Bild der polnischen Geschichte bisweilen unversöhnlich gegenüber. Schließlich werden auch die Errungenschaften der Dritten Polnischen Republik (seit 1989) sehr kontrovers diskutiert. Seit dem Amtsantritt der PiS rücken verengte, nationale Sichtweisen und Interpretationen der polnischen Geschichte noch stärker in den Vordergrund.

Die in diesen Diskussionen zutage tretende Schärfe der politischen Auseinandersetzung, die Unversöhnlichkeit und das Bemühen, den politischen Gegner mit Diskreditierung zu bekämpfen, d. h. den Konflikt über den Kompromiss zu stellen, sind ein wesentliches Merkmal der politischen Kultur des Landes in den vergangenen Jahren. Dieser Politikstil und einige politische Korruptionsaffären der letzten Jahre haben dazu beigetragen, dass das Vertrauen in die Politik bei der Bevölkerung eher gering ist. Dies zeigt sich in einer geringen Wahlbeteiligung, die bei den Parlamentswahlen zwischen 40,57 % (2005), 53,88 % (2007), 48,87 % (2011) und 51,6 % (2015) schwankte und einer bei den letzten Wahlen zunehmenden Zahl von Protestwählern. Der politischen Elite und den Verfassungsinstitutionen wie Sejm und Senat wird nur wenig Vertrauen geschenkt. Im Gegensatz dazu schneiden die lokalen und regionalen politischen Eliten und Vertretungen besser ab und insbesondere der EU wird von

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großen Teilen der Bevölkerung Vertrauen entgegengebracht, auch wenn mit der PiS 2015 eine Partei an die Macht gekommen ist, deren Politik als EU-kritisch bezeichnet werden kann. Um die Glaubwürdigkeit der Politik zu stärken, wird es in den nächsten Jahren entscheidend sein, Nepotismus durch transparente Verfahren zu bekämpfen, den konfrontativen Politikstil zu verändern und die Bereitschaft der Menschen zur Partizipation zu erhöhen, insbesondere auf lokaler Ebene.

5. Aktuelles

Nach ihrem Wahlsieg im Oktober 2015 begann die neue PiS-Regierung, den polnischen Staat in wichtigen Bereichen grundlegend umzubauen. Nach der Regierungsübernahme wurde das Verfassungsgericht de facto der Sejm-Mehrheit unterstellt und auch die öffentlichen Medien mit parteinahen Führungspersönlichkeiten besetzt. Das radikale Vorgehen der PiS hat sowohl in der EU als auch in Polen selbst massive Kritik hervorgerufen. Die EU strebte sogar erstmals ein Verfahren zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit eines Mitgliedsstaates an. In Polen selbst gingen schon bald Zehntausende Gegner der Regierung auf die Straße und demonstrierten für die Demokratie. Die polnische Gesellschaft ist in ihrer Haltung zur neuen Regierung tief gespalten. Ein Kompromiss über die Konfrontationslinien hinweg ist nicht absehbar.

Aus: Garsztecki, Stefan: Das politische System Polens. In: Polnische Gesellschaft. Hrsg. von Matthias Kneip und Manfred Mack. Berlin: Cornelsen 2012. S. 5–9 (bearbeitet und aktualisiert).

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Arbeitsblatt 1: Das politische System Polens

1. Wahr oder falsch? Kreuzen Sie mit Hilfe des Einführungstextes an, ob die Aussage über den polnischen Präsidenten richtig (R) oder falsch (F) ist.

1 Der polnische Präsident wird für 4 Jahre gewählt. R F

2 Der Präsident prüft die Gesetze und kann das Verfassungsgericht zur Prüfung

der Gesetze mit einbeziehen.

R F

3 Das Veto des Präsidenten kann nicht überstimmt werden. R F

4 Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ist alleine für die

polnische Außenpolitik verantwortlich.

R F

5 Der Präsident wird vom Parlament im Auftrag des Volkes gewählt. R F

6 Der Präsident ist für die Unterzeichnung von Gesetzen, internationalen

Verträgen und die Ausschreibung von Wahlen zum Sejm und Senat zuständig.

R F

2. Tragen Sie mit Hilfe des Einführungstextes die richtigen Begriffe in die Lückenfelder ein. Untenstehend finden Sie mehr Begriffe als richtige Lösungen.

Im Gegensatz zu Deutschland, das ein föderativer Bundesstaat ist, handelt es sich bei

Polen um einen ___________________ Staat. In Polen gibt es eine mit den deutschen

Bundesländern vergleichbare Aufteilung in Verwaltungseinheiten, die _______________

heißen. Davon gibt es ______. Sie sind von der Größe vergleichbar mit den Bundesländern,

besitzen jedoch deutlich weniger ____________________________.

Die Bürgervertretung der Woiwodschaft ist der ______________________________.

Gleichzeitig wird für jede Woiwodschaft von der polnischen Regierung in Warschau ein

__________________ eingesetzt.

föderalen Woiwodschaften 16 Kompetenzen Sejmik Woiwode

13 unitarischen Personen Bundesländer

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3. Verbinden Sie die Abkürzungen der polnischen Parteien mit ihren ausgeschriebenen Namen (in deutscher Übersetzung).

Kukiz´15 Moderne

PSL Bürgerplattform

PO Polnische Bauernpartei

PiS Kukiz´15

Nowoczesna Recht und Gerechtigkeit

4. Diskutieren Sie die Ergebnisse der polnischen Parlamentswahlen im Oktober 2015. Welche Folgen hat es, wenn eine Partei im Parlament die absolute Mehrheit erringt? Vergleichen Sie die politischen Machtverhältnisse in Polen mit der aktuellen Situation in Deutschland.

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Arbeitsblatt 2: Vergleich der politischen Systeme in Deutschland und Polen

Lösen Sie folgende Aufgaben mit Hilfe des Einführungstextes.

1. Vergleich des politischen Systems – Ermitteln Sie die genauen Bezeichnungen.

Deutschland Polen

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Staatsoberhaupt

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Regierungschef

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Parlament

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Höchste Verwaltungsebene unter der Staatsebene

2. Benennen Sie fünf grundlegende Unterschiede der beiden Regierungssysteme.

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b. ______________________________

c. ______________________________

d. ______________________________

e. ______________________________

(Aus:

Klaus Ziemer, Die politische Ordnung. In: Bingen, Dieter/Ruchniewicz, Krzysztof (Hrsg.): Länderbericht Polen. Bonn: bpb 2009, S. 148.

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Arbeitsblatt 3: Umstrittene Reformen von Medien und Verfassungsgericht

Quelle 1: Kritik an Polen

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, hat die politische Entwicklung in Polen kritisiert. Die Regierung stelle "zentrale europäische Prinzipien und Werte zur Debatte", sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es sei "höchst problematisch", die Rechte des Verfassungsgerichts einzuschränken oder in die Unabhängigkeit der Medien einzugreifen. Diese Entscheidungen der Regierung in Warschau bereiteten Sorge. Die europäischen Institutionen würden die Handlungen der polnischen Regierung genau beobachten, sagte Weber. Kritikern zufolge höhlt der Umbau des Verfassungsgerichts die Gewaltenteilung aus und droht, das Gericht zu lähmen. So wird für dessen Entscheidungen eine Zweidrittel-Mehrheit statt einer einfachen Mehrheit verlangt. Außerdem beschloss die Regierung, die öffentlich-rechtlichen Medien an die kurze Leine zu legen. Die Senderchefs werden künftig direkt durch die Regierung ernannt und abberufen. Die PiS hatte im Oktober die absolute Mehrheit im Parlament gewonnen und baut seither das politische System Polens um.“ Aus: https://www.tagesschau.de/ausland/evp-polen-103.html (Zugriff: 19.02.2016).

Quelle 2: Rechtfertigung für die politischen Maßnahmen der neuen polnischen Regierung

Aus einem Interview der Badischen Zeitung vom 11.01.2016 mit dem Soziologen und Kaczyński-Berater Zdzisław Krasnodębski über die Kritik in der EU an Polen.

BZ: Wenn Sie die Vorgängerregierung derart scharf kritisieren, müsste die PiS dann nicht erst recht die Unabhängigkeit der Justiz und der staatlichen Medien stärken, statt sie an die Kandare zu legen?

Krasnodębski: Sie hätten Recht, wenn man in Polen vom Modell einer idealen Demokratie ausgehen könnte. Wenn alles gut geht, können wir uns diesem Modell in ein paar Jahren vielleicht annähern. Aktuell geht es aber darum, demokratische und vor allem politische Defekte unseres Staatswesens zu reparieren, für die unsere Vorgänger verantwortlich sind, genau genommen alle Regierungen seit 1989. Die Justiz und die Medien standen bei uns seitdem immer unter starkem politischem Einfluss. Man kann das bedauern, aber es ist so.

BZ: Die PiS hat aber in einem Eilgesetz die öffentlich-rechtlichen TV- und Rundfunksender unter Aufsicht der Regierung gestellt. Von Unabhängigkeit staatlicher Medien kann bald keine Rede mehr sein.

Krasnodębski: Ich nehme Ihre Kritik durchaus an. Ich fürchte allerdings, dass Sie, wie viele westliche Journalisten und Politiker, maßlos unterschätzen, was sich in den vergangenen acht Jahren in der polnischen Politik und Gesellschaft abgespielt hat. Die Regierungszeit von Donald Tusk und seinem wichtigsten Parteifreund, dem Präsidenten Bronisław Komorowski, war eine Zeit der absoluten Konzentration der Macht in den Händen eines politisch-ökonomischen Komplexes. Die Opposition wurde faktisch mundtot gemacht, insbesondere in den Medien. Man hat viele Redaktionen, auch mit Hilfe aus der kapitalstarken Wirtschaft, von kritischen Journalisten gesäubert. Im Westen ist all das nicht zur Kenntnis genommen worden, wahrscheinlich weil Tusk außenpolitisch pflegeleicht war. Die jüngsten Eilgesetze der PiS-Regierung haben allein das Ziel, die Pluralität und Ausgewogenheit in den Medien und auch im Verfassungsgericht wiederherzustellen. Aus: http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/kaczynski-berater-haelt-kritik-an-polen-fuer-ueberzogen--116022956.html (Zugriff: 19.02.2016).

Aufgaben

1. Stellen Sie Kritik und Rechtfertigung der Vorgehensweise aus beiden Texten gegenüber. Diskutieren Sie darüber in der Klasse!

2. Warum bezeichnet der EU-Abgeordnete Weber es als „‘höchstproblematisch‘, die Rechte des Verfassungsgerichts einzuschränken oder in die Unabhängigkeit der Medien einzugreifen“?

3. Welche Position in den beiden Quellen finden Sie überzeugender und warum?

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Arbeitsblatt 4: Der Schriftsteller Adam Zagajewski über die aktuelle Situation in Polen

Die Übersetzerin Renate Schmidgall (RS) sprach mit dem bekannten polnischen Dichter und Schriftsteller Adam Zagajewski (AZ) über die Situation in Polen nach dem Wahlsieg der PiS im Oktober 2015. Die national-konservative PiS hat seitdem die absolute Mehrheit im polnischen Parlament und spaltet die Gesellschaft mit radikalen Reformen. Viele Kritiker sehen den Rechtsstaat in Gefahr.

RS: Die neue polnische Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird derzeit stark kritisiert wegen der Aushöhlung des Rechtsstaats. Wie konnte es zum massiven Wahlsieg der PiS kommen? War es eine Protestwahl der vom Kapitalismus Enttäuschten?

Darauf gibt es keine einfache Antwort. Da gibt es so viele Antworten wie Kommentatoren. Die einen machen die ärmere Bevölkerung verantwortlich, die vom Erfolg eines Teils der Gesellschaft irritiert ist, andere sprechen vom Gefühl der Gemeinschaft, das die PiS verspricht, im Gegensatz zu der für ein liberales System typischen Atomisierung. Dabei spielt auch ein sehr alter Konflikt eine Rolle, den unsere Historiker als den Kampf zwischen dem Eigenen und dem Fremden bezeichnen. Der polnische „Szlachcic“ {schlachtzitz}, der Landadlige, zog lange Zeit den von der türkischen Mode inspirierten „Kontusz“ {kontusch}, den Sarmatenrock, den in Paris oder London getragenen Kleidern vor, lehnte sich gegen „das Französische“ auf. Heute geht es nicht mehr um den Schnitt des Mantels, niemand will sich in Polen türkisch kleiden (am wenigsten die Frauen), aber manche Polen befürchten, die Substanz des „Polentums“, das heißt, um es verkürzt zu sagen, die Kombination des traditionellen polnischen, volkstümlichen Katholizismus mit Piroggen und Barszcz {barschtsch}, könnte durch eine intensive Modernisierung des Landes bedroht sein.

Sie haben im Januar in der Tageszeitung Gazeta Wyborcza ein satirisches Gedicht auf die neue Regierung veröffentlicht, das einen scharfen Ton anschlägt. Darin heißt es etwa: „Sie [die Regierung] müsste des Nachts einige Regisseure erschießen“ oder „Wir brauchen Isolierungslager, aber dezente, um die Uno nicht zu reizen“. Das ist seit vielen Jahrzehnten das erste politische Gedicht, und es spricht aus ihm ein großer Zorn. Woher kommt dieser Zorn?

Zorn und Verzweiflung. Ich habe, wie auch viele meiner Freunde, das Gefühl, man habe uns unser Land gestohlen – einen Raum der Freiheit, in dem verschiedene Stimmen zu Wort kamen, verschiedene Temperamente. Die vorhergehende Regierung war nicht vollkommen, aber sie versuchte nicht, einen ideologischen Schleier über die Wirklichkeit zu werfen. Sie versuchte, mit unterschiedlichem Erfolg, konkrete Probleme zu lösen. Die Luft, in der wir lebten, war rein, durchsichtig (es sei denn, es gab Smog). Die neue Regierung erinnert in gewisser Weise an das kommunistische Regime, denn sie gibt sich nicht mit technischen, operativen, ökonomischen Lösungen zufrieden, sondern versucht, einen riesigen ideologischen Schleier auszubreiten: Nation, Kirche, Familie, Patriotismus, Tradition. Das französische Vichy-Regime unterstützte Arbeit, Familie, Vaterland. So ähnlich soll es jetzt bei uns werden. Unsere Regierung sagt: Wir werden nur patriotische Filme finanzieren, nur patriotische Theaterstücke. Kurzum: Es lebe der Kitsch. Wir sind nicht mehr an Ideologie gewöhnt, aber leider ist sie zurück.

Aus: http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/zorn-und-verzweiflung-1.18695709 (Zugriff: 19.02.2016).

Aufgaben

1. Adam Zagajewski spricht vom „Kampf zwischen dem Eigenen und dem Fremden“ in Polen und greift auf ein Bild aus der polnischen Geschichte zurück. Welche Konfrontation der Werte und Kulturen meint er aus heutiger Sicht in Polen? Suchen Sie – auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Deutschland – nach konkreten Beispielen, die gemeint sein könnten.

2. Wie unterscheidet sich laut Zagajewski die alte Regierung von der neuen?

3. Welche Art des Regierens würden Sie der deutschen Regierung zuordnen? Nehmen Sie einen „ideologischen Schleier“ in Deutschland wahr? Diskutieren Sie!

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Arbeitsblatt 5: Karikaturen als Ausdruck von Kritik

M1 © Marian Kamensky

M2 © Marian Kamensky

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M3 © Marian Kamensky

Aufgaben

1. Beschreiben Sie die Karikaturen und interpretieren Sie sie.

2. Recherchieren Sie weitere Karikaturen zur aktuellen Situation in Polen und vergleichen Sie die Darstellungen. Welche typischen Attribute wiederholen sich? Was wird besonders kritisiert und auf welche Weise? Einen erläuternden Text sowie weitere Karikaturen finden Sie zum Beispiel hier: https://historischdenken.hypotheses.org/3122 (Zugriff: 19.02.2016).

3. Welche Aufgabe haben Karikaturen Ihrer Meinung nach grundsätzlich? Gibt es Grenzen des guten Geschmacks? Berücksichtigen Sie bei der Diskussion auch den Artikel über den polnischen Karikaturisten Andrzej Milewski in der Welt vom 11.01.2016 http://www.welt.de/politik/ausland/article150855237/Minderheiten-zu-kritisieren-ist-doch-keine-Kunst.html (Zugriff: 19.02.2016).