Das Problem der Moral 08.11.2011

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„„Das“ Problem der MoralDas“ Problem der Moral

Das Problem der Moral08.11.2011

Prof. Dr. Sabine A. Döring

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Normative Ethik und Metaethik

Ethik ist Theorie der Moral.

Moralphilosophie

=> Teildisziplin der Philosophie (ebenso wie z.B. Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie oder Handlungstheorie).

Sie ist eine Teildiziplin der praktischen Philosophie (im Unterschied zur theoretischen Philosophie).

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Normative Ethik und Metaethik

Ausgangspunkt sind alltägliche Fragen wie:

„Soll ich meinem Freund das entliehene Buch zurückgeben, obwohl dieser es längst vergessen hat?“

„Soll ich im Bus eine Fahrkarte lösen?“

„Soll ich das Produkt kaufen, obwohl ich weiß, daß es in einem Land der dritten Welt durch Kinderarbeit hergestellt wurde?“

„Soll ich auf einen Teil meines Lebensstandards verzichten, um das Geld statt dessen für humanitäre Zwecke zu spenden?“

„Soll ich die Schwangerschaft abbrechen, weil das Kind voraussichtlich am Down Syndrom leiden wird?“

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Normative Ethik und Metaethik

Allen diesen Fragen liegt eine allgemeine Frage zugrunde:

„Was soll ich tun?“

Dies ist die Grundfrage der Ethik bzw. Moralphilosophie

Das Prädikat „soll“ bringt zum Ausdruck:

Ethik ist keine deskriptive, sondern eine normative Disziplin.

Sie beschreibt nicht (wie die Ethnologie, Anthropologie oder Soziologie), was wir faktisch für richtig halten, sondern schreibt vor, d.h. etabliert ein System von Prinzipien und Normen des richtigen Handelns.

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Normative Ethik und Metaethik

„Philosophers are ordinary folk“ (Michael Smith)

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Normative Ethik und Metaethik

Philosophen setzen bei ganz gewöhnlichen Fragen an wie

„Soll ich meinem Freund das entliehene Buch zurückgeben, obwohl dieser es längst vergessen hat?“

oder

„Soll ich das Produkt kaufen, obwohl ich weiß, daß es in einem Land der dritten Welt durch Kinderarbeit hergestellt wurde?“

oder

„Soll ich die Schwangerschaft abbrechen, weil das Kind voraussichtlich am Down Syndrom leiden wird?“

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Normative Ethik und Metaethik

Wichtig:

Wir gehen im Alltag davon aus, daß es auf solche Fragen Antworten gibt, die

a) rational begründbar (rechtfertigbar),

b) wahr oder falsch und

c) allgemein verbindlich sind.

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Normative Ethik und Metaethik

Zu a) Rationale Begründbarkeit

Wir tragen im Alltag moralische Meinungsverschiedenheiten aus.

Dabei führen wir Gründe für unsere moralischen Urteile an.

Auch wenn diese Gründe normalerweise nicht die technische Form einer utilitaristischen, kantischen oder tugendethischen Rechtfertigung annehmen:

Wir halten unsere moralischen Urteile für rational begründbar (und nicht für reine „Geschmacksäußerungen“).

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Normative Ethik und Metaethik

Zu b) Wahrheitswertfähigkeit

a) setzt voraus, daß unsere moralischen Urteile moralische Überzeugungen ausdrücken.

Indem wir Gründe für unsere moralischen Urteile anführen, unterstellen wir, daß diese Urteile wahr oder falsch sein können.

Dazu müssen diese Urteile

1) Überzeugungen ausdrücken, und das heißt: das Bestehen einer Tatsache behaupten.

Sie dürfen nicht „Wünsche“ (Vorlieben, Neigungen, Interessen, Präferenzen, Empfindungen) ausdrücken.

2) dürfen moralischen Urteile auch nicht das Bestehen bestimmter subjektive Wünsche behaupten.

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Normative Ethik und Metaethik

„Es ist moralisch zulässig, die Schwangerschaft abzubrechen“

darf weder bedeuten

„Schwangerschaftsabbruch – okay!“

noch

„Es ist mein Wunsch, daß die Schwangerschaft abgebrochen wird“.

Ausdruck oder Beschreibung subjektiver Wünsche:

=> keine (genuinen) moralischen Meinungsverschiedenheiten (inkompatibel mit a))!

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Normative Ethik und Metaethik

Zu c) Allgemeine Verbindlichkeit

Moralische Überzeugungen sind „indexlos“, d.h. haben keinen Bezug auf ein bestimmtes Subjekt und seine jeweiligen Zwecke (Wünsche, Interessen, Neigungen).

Wer behauptet, es sei moralisch richtig, das vom Freund entliehene Buch wieder zurückzugeben, sagt damit, daß ceteris paribus jede Person dazu verpflichtet ist, und zwar auch dann, wenn sie das Buch lieber noch behielte.

Ausnahmen können nur damit begründet werden, daß eine konfligierende Vernunftforderung ins Spiel gebracht und höher gewichtet wird – was dann aber gerade nicht mehr ceteris paribus wäre.

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Normative Ethik und Metaethik

Demgegenüber ist beispielsweise die Äußerung eines Fußballtrainers, es sei richtig, den Spieler A gegen den Spieler B einzuwechseln, bedingt durch den Zweck (sein Interesse), die Partie gewinnen zu wollen, auch wenn seine Äußerung diese Bedingung nicht benennt.

Kategorische (unbedingte) vs. hypothetische (zweckbedingte) Gültigkeit.

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Normative Ethik und Metaethik

Die alltäglichen Annahmen a) rationale Begründbarkeit, b) Wahrheitswertfähigkeit und c) allgemeine Verbindlichkeit führen unmittelbar auf metaethische Fragen wie

„Was bedeuten moralische Ausdrücke?“

„Beschreiben moralische Überzeugungen wirklich Tatsachen?“

„Falls ja, welche Art von Tatsachen könnten das sein?“

„Sind es irreduzibel normative Tatsachen oder natürliche Tatsachen?“

„Wie können wir das herausfinden, um so unsere moralischen Urteile zu rechtfertigen?“

„Inwiefern ist moralische Rechtfertigung einfach ein Spezialfall rationaler Rechtfertigung?“

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Normative Ethik und Metaethik

Mit anderen Worten: die in unserer alltäglichen Praxis (implizit) unterstellte Natur moralischer Überzeugungen führt unmittelbar auf Fragen der Metaethik bzw. Theorie der Ethik.

Vorrang der Metaethik gegenüber der normativen Ethik!?

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Normative Ethik und Metaethik

„The direct object of Ethics is knowledge and not practice...“ (G. E. Moore, Principia Ethica, 1903)

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Normative Ethik und Metaethik

Metaethische Fragen sind Fragen „über“ Fragen:

Z. B. „Was bedeutet das „soll“ in „Soll ich die Schwangerschaft abbrechen?“?“

„Sind Urteile etwa bezüglich der Frage „Soll ich die Schwangerschaft abbrechen?“ wahrheitswertfähig oder sind sie Ausdruck subjektiver Einstellungen des Subjekts?“

„Falls sie wahrheitswertfähig und manchmal wahr sind, was für Tatsachen beschreibt dann die wahre Antwort auf „Soll ich die Schwangerschaft abbrechen?“?“

„Inwiefern ist die Rechtfertigung der Antwort auf „Soll ich die Schwangerschaft abbrechen?“ einfach ein Spezialfall rationaler Rechtfertigung?“

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Normative Ethik und Metaethik

Sonderstatus der Metaethik:

1) Gegenstand ist eine weitere philosophische Teildisziplin.

2) Metaethik ist sowohl praktische als auch theoretische Philosophie.

Theoretische Philosophie

Praktische Philosophie

Theorie der Ethik

Logik, Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie u.a.

Ethik, Handlungstheorie u.a.

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Ethik

Metaethik, Ethik, Angewandte Ethik

Medizin TiereWirtschaftRecht Umwelt

angewandt z. B. auf die Bereiche

Metaethik

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Objektivität und Praktizität

Einmal angenommen, moralische Urteile sind, wie im Alltag unterstellt, a) rational begründbar, b) wahrheitswertfähig und c) allgemein verbindlich.

=> setzt voraus, daß moralische Urteile objektive Tatsachen beschreiben (nicht Tatsachen über die subjektiven Einstellungen des Subjekts; s.o.).

Wie läßt sich dieser Anspruch – den Michael Smith die „Objektivität“ moralischer Urteile nennt („objectivity of moral judgment“) – mit ihrer „Praktizität“ („practicality of moral judgment“) verbinden?

Worin besteht ihre „Praktizität“?

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Objektivität und Praktizität

Einmal angenommen, Sie fechten mit einem Freund eine Meinungsverschiedenheit in der Frage, ob es moralisch gerechtfertigt ist, ein Hemd zu kaufen, dessen günstiger Preis sich nicht zuletzt der Tatsache verdankt, daß es in einem Land der dritten Welt durch Kinderarbeit hergestellt wurde.

Es gelingt Ihnen, den Freund zu überzeugen, daß diese Handlung moralisch nicht gerechtfertigt (moralisch falsch) ist und daß er sie dementsprechend unterlassen sollte.

Am nächsten Tag gehen Sie gemeinsam einkaufen.

Was wird der Freund Ihrer Erwartung nach tun?

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Objektivität und Praktizität

Einmal angenommen, er kauft das Hemd.

Sie protestieren lautstark.

Daraufhin erwidert der Freund:

„Moment mal! Ich habe eingesehen, daß ich das Hemd nicht kaufen soll. Aber ich bin nicht davon überzeugt, daß mir das einen Grund gibt, es nicht zu tun.“

Wie reagieren Sie darauf?

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Objektivität und Praktizität

Standardreaktion: äußerste Verwirrung

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Objektivität und Praktizität

Vielleicht meint Ihr Freund, er habe einen schwerer wiegenden Grund das Hemd doch zu kaufen.

Oder vielleicht ist er willensschwach.

Oder vielleicht hat er Ihr Argument in Wahrheit gar nicht verstanden.

Oder vielleicht war er nicht aufrichtig, als er sagte, es halte es für moralisch falsch, das Hemd zu kaufen.

In jedem Fall scheint eine Erklärung vonnöten zu sein.

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Objektivität und Praktizität

Äußerungen wie

„Ich soll die Handlung h wählen“,

„Es ist richtig, h zu wählen“,

„Es ist geboten, h zu wählen“

oder dergleichen scheinen begrifflich zu implizieren, daß es einen Grund gibt, h zu wählen.

Dementsprechend sind Sätze der Form

„Ich soll in dieser Situation diese Handlung wählen; aber ich habe keinen Grund, die Handlung zu wählen“; oder

„Ich soll in dieser Situation diese Handlung nicht wählen; aber ich habe keinen Grund, die Handlung nicht zu wählen“

unsinnig.

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Objektivität und Praktizität

Gegenteilige Auffassungen sind nach Meinung des Kantianers Thomas Nagel inakzeptabel:

„Such views are, it seems to me, unacceptable on their surface, for they permit someone who has acknowledged that he should do something and has seen why it is the case that he should do it to ask whether he has any reason for doing it.” (The Possibility of Altruism, 1970)

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Objektivität und Praktizität

Praktizität moralischer Urteile hat 2 Dimensionen:

1) Moralische Urteile geben notwendigerweise normative Gründe für entsprechende Handlungen (Rechtfertigung).

2) Moralische Urteile motivieren notwendigerweise zum entsprechenden Handeln (Motivation).

1*) „Ich soll in dieser Situation diese Handlung wählen; aber ich habe keinen Grund, sie zu wählen.“

2*) „Ich soll in dieser Situation diese Handlung wählen; aber ich bin dazu nicht im mindesten motiviert.“

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Objektivität und Praktizität

In seinem Buch The Moral Problem (1994) konzentriert Michael Smith sich auf das Problem der moralischen Motivation.

Kernfrage: Wie läßt sich die motivierende Kraft, die moralischen Urteilen offensichtlich innewohnt, mit ihrer Objektivität vereinbaren?

Historischer Ausgangspunkt dieses Problems findet sich in David Humes Treatise of Human Nature (1739/40).

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Die Humesche Theorie der Motivation

„Reason is, and ought only to be the slave of the passions, and can never pretend to any other office than to serve and obey them.”

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Die Humesche Theorie der Motivation

Was heißt das?

Motivationsargument:

P 1 Moralische Urteile sind „intrinsisch“ handlungsmotivierend.

P 2 Alle Motivation geht von den „Affekten“ (passions) der handelnden Person aus.

K Also: Moralische Urteile gehen letztlich von den Affekten der handelnden Person aus.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Argument für P 2 (Alle Motivation geht von den „Affekten“ (passions) der handelnden Person aus.):

Vernunft allein hat keine motivierende Kraft.

Weder ein analytisches noch ein empirisches Vernunfturteil ist für sich genommen hinreichend, um zum Handeln zu motivieren.

Welcher Art auch immer, zieht ein Vernunfturteil keinerlei Handlung nach sich, wenn sein Inhalt seinem Träger gleichgültig ist.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Sollte z. B. eine Person angesichts eines drohenden Wolkenbruchs urteilen, daß es, um zu vermeiden, naß zu werden, das beste wäre, einen Regenschirm mitzunehmen, sei sie deshalb noch nicht dazu motiviert, den Schirm mitzunehmen.

Das fragliche Motiv bestehe vielmehr erst dann, wenn der Person etwas daran gelegen sei, nicht naß zu werden.

Erst dieses Interesse stelle ein Motiv für das Mitnehmen des Regenschirms dar, wohingegen das Urteil der Person lediglich die Mittel dazu benenne, ihr Motiv in die Tat umzusetzen.

In diesem Sinne ist die Vernunft bei Hume nur die Sklavin der Affekte:

im menschlichen Handeln ist ihre Rolle darauf reduziert ist, Mittel zur Realisierung von gegebenen Handlungsmotiven aufzufinden.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Peter möchte vermeiden, naß zu werden („Affekt“).

Peter glaubt, daß er es vermeiden kann, naß zu werden, wenn er einen Regenschirm mitnimmt (Vernunfturteil).

Also: Peter nimmt einen Regenschirm mit.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Hume vertritt nun noch eine weitere, für das Problem der Moral entscheidende These.

1) Vernunfturteile allein haben keine motivierende Kraft, sondern alle motivierende Kraft geht von den Affekten aus.

2) Vernunfturteile und Affekte sind distinkte und einander wechselseitig ausschließende „Existenzen“.

Gemeint sind damit zwei distinkte und einander wechselseitig ausschließende Klassen mentaler Zustände.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Während Vernunfturteile die Überzeugungen der Person über objektiv bestehende Tatsachen ausdrücken, tun Affekte nichts dergleichen.

Sie sind rein phänomenale und damit arationale Zustände, d. h. ihr Inhalt erschöpft sich in dem „Wie-es-ist“, sie zu erleben.

„A passion [...] contains not any representative quality, which renders it a copy of any other existence [...] When I am angry, I am actually possest with the passion, and in that emotion have no more a reference to any other object, than when I am thirsty, or sick, or more than five foot high.“

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Die Humesche Theorie der Motivation

Hume unterscheidet also bloß subjektive arationale Affekte von objektiven rationalen Urteilen, indem er nur letzteren einen repräsentationalen und zugleich propositionalen Inhalt zuschreibt.

Nur Vernunfturteile seien auf etwas von ihnen selbst verschiedenes bezogen und repräsentierten es als der Fall seiend.

Das heißt nicht, daß die Repräsentation tatsächlich korrekt ist, sondern, daß das Urteil kraft seines propositionalen Inhalts allererst fähig ist, Tatsachen korrekt zu repräsentieren.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Indem Hume moralische Urteile kraft des Motivationsarguments auf arationale Gefühle gründet, nimmt er sie von der Klasse der Vernunfturteile aus.

Wenn moralische Urteile Affekten gründen, können sie nur entweder Affekte oder, wie die Affekte selbst, gar nichts repräsentieren (wobei im zweiten Fall zu fragen wäre, inwiefern sie sich dann noch als Urteile qualifizieren).

In keinem Fall sagen sie etwas über die Beschaffenheit der Gegenstände aus, die sie zu bewerten vorgeben.

Daher betrachtet Hume es als gewiß, daß der Inhalt eines moralischen Urteils im Gegensatz zum Inhalt eines Vernunfturteils lediglich die Affekte widerspiegelt, die ein Gegenstand im urteilenden Subjekt aufgrund der jeweiligen Beschaffenheit von dessen Natur auslöst:

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Die Humesche Theorie der Motivation

„Take any action allow’d to be vicious: Wilful murder, for instance. Examine it in all lights, and see if you can find that matter of fact, or real existence, which you call vice. In whichever way you take it, you find only certain passions, motives, volitions and thoughts. […] The vice entirely escapes you, as long as you consider the object. You never find it, till you turn your reflexion into your own breast, and find a sentiment of disapprobation, which arises in you, towards this action.”

Moralische Urteile treten demnach in der Verkleidung objektiver rationaler Urteile auf, so als ob sie moralische Eigenschaften von Gegenständen repräsentierten; aber in Wahrheit beinhalteten sie – sei es deskriptiv (Subjektivismus) oder expressiv (Nonkognitivismus) – ausschließlich Affekte des Subjekts.

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Die Humesche Theorie der Motivation

Abweichend von Hume selbst werden in der gegenwärtigen Moralpsychologie nicht mehr die Affekte, sondern die „Wünsche“ (desires) der handelnden Person für die Motivation verantwortlich gemacht.

Bei allen damit verbundenen Abweichungen bleibt auch die Neo-Humesche Theorie der Motivation dem Grundsatz treu, daß sich alle psychischen Zustände einer von zwei distinkten Kategorien zuordnen lassen, deren eine für das Repräsentieren von Tatsachen zuständig ist, wohingegen die andere motivierende Funktion hat.

Eben hieraus resultiert das Problem der Moral:

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Das Problem der Moral

1) Moralische Urteile drücken die Überzeugungen des Sprechers über objektiv bestehende Tatsachen aus.

2) Moralische Urteile sind intrinsisch handlungsmotivierend.

3) Alle Motivation setzt Wünsche notwendig voraus.

4) Überzeugungen und Wünsche sind zwei distinkte, einander wechselseitig ausschließende Klassen mentaler Zustände.

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Positionen der gegenwärtigen Metaethik

Nonkognitivisten wie Alfred Ayer, Richard Mervyn Hare, Simon Blackburn und Allan Gibbard bestreiten die Aussage (1), um die Praktizität moralischer Urteile auf Kosten ihres Objektivitätsanspruchs zu retten.

Dasselbe Ziel verfolgt die Irrtumstheorie John Leslie Mackies.

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Positionen der gegenwärtigen Metaethik

Umgekehrt geben Realisten wie David Owen Brink, Richard Boyd und Peter Railton den handlungsleitenden Charakter der Moral preis, um ihren Objektivitätsanspruch und mehr noch ihren Realismus- und Naturalismusanspruch zu bewahren. Sie wenden sich also gegen Aussage (2)

Auch die Aussage (3), also die Humesche Theorie der Motivation, hat prominente Gegner. Zu nennen sind hier etwa die Rationalisten Thomas Nagel und John McDowell.

McDowell lehnt zugleich auch (4) ab, gleiches tut etwa Bennett Helm („besires“ und Emotionen).