Das Psychedelische Poster und seine Wurzeln

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Hausarbeit Designgeschichte WS 2011/12

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  • 3DASPSYCHEDELISCHE POSTER

    UND SEINE WURZELN

    J O N A S B O R N H O R S T

    W I N T E R S E M E S T E R 2 0 1 1 / 2 0 1 2

    H O C H S C H U L E F R K N S T E B R E M E N

    V O R L E S U N G D E S I G N G E S C H I C H T E

    P R O F . D R . A N N E T T E G E I G E R

  • 5I. EINLEITUNG

    II. HAUPTTEIL

    1. DIE PSYCHEDELISCHE RA (1965-1971) 1.1. GESCHICHTLICHER BERBLICK 1.2. WICHTIGE PSYCHEDELISCHE GRAFIKDESIGNER

    2. EINFLSSE AUF DAS PSYCHEDELISCHE POSTERDESIGN 2.1. JUGENDSTIL 2.2. SONSTIGE EINFSSE

    3. PSYCHEDELISCHES DESIGN HEUTE 3.1. STONER-ROCK 3.2. GOATRANCE

    III. FAZIT

    IV. BIBLIOGRAPHIE

    V. ERKLRUNG

    I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

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    7

    7 7 8

    141415

    181919

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  • 6I. EINLEITUNG

    Whrend einer Vorlesung zum Thema Design im Jugendstil fiel mir auf, dass ich viele der aus dem

    Jugendstil stammenden Plakate der Prsentation sofort mit psychedelischen Postern der 1960er Jahre

    assoziierte. Diese hnlichkeiten warfen bei mir die Frage auf, ob Plakate aus dem Jugendstil den

    Psychedelikern als Vorbild oder Inspiration dienten und welche anderen Einflsse es mglicherweise

    gab.

    Im Folgenden werde ich mich deshalb mit den Einflssen auf das psychedelische Posterdesign, ins-besondere aus dem Jugendstil, beschftigen.

    Das erste Kapitel soll einen berblick ber Geschichte und Entwicklung, sowie Bedeutung des

    Posters in der Psychedelischen ra geben. Ich werde auerdem auf einige wichtige psychedelische

    Knstler eingehen. Ein berblick ber die Psychedelische ra ist sinnvoll, um bei der eigentlichen

    Fragestellung den historischen Kontext nachvollziehen zu knnen.

    Im zweiten Kapitel werde ich dann zunchst anhand einer Gegenberstellung von Bildbeispielen die

    Parallelen zwischen dem Plakat im Jugendstil und dem Psychedelischen Poster aufzeigen, um dann

    klren zu knnen, ob der Jugendstil die Psychedeliker beeinflusst hat. Auerdem werde ich nach wei-teren Einflssen auf psychedelisches Posterdesign suchen.

    Im dritten Kapitel werde ich untersuchen, ob und wo heute Nachwirkungen des psychedelischen

    Designs vorhanden sind. Insbesondere werde ich Subkulturen wie Stonerrock und Psytrance, die

    musikalisch ihre Wurzeln im Psychedelic Rock haben, nher betrachten, da auch das psychedelische

    Posterdesign der 60er Jahre stark mit der Psychedelic-Rockszene verbunden war.

  • 7II. Hauptteil1. Die Psychedelische ra (1965-1971)

    1.1. Geschichtlicher berblick

    Der Begriff psychedelisch ist zusammengesetzt aus den griechischen Worten psych fr Seele

    und dlon, offenbaren1 und bezeichnet einen durch den Konsum bestimmter Drogen, Meditati-on oder Trancetanz erreichbaren Zustand der Bewusstseinserweiterung.

    Das psychedelische Poster steht in enger Verbindung zur US-amerikanischen Hippie-Kultur,2 die im den 1960er Jahren in San Francisco als Gegenkultur zur kapitalistischen Konsumgesellschaft ent-stand und sich gegen den Vietnamkrieg, Rassismus, Zwnge und die brgerliche Prderie richtete.

    Im Studentenviertel Haight-Ashbury veranstalteten die frhen Hippies, die oft aus der Folk- oder Beatnikszene stammten, seit Anfang der 60er Jahre Tanzveranstaltungen mit Bands aus den Berei-chen Folk und Psychedelic Rock und Lightshows, bei denen Drogen wie Marihuana, LSD, Meskalin

    oder halluzinogene Pilze konsumiert wurden. Erste Plakate fr diese Veranstaltungen hnelten aber

    eher noch Postern von Folk- oder Rock `n Roll-Konzerten der spten 50er Jahre. Erst ab 1965, als die

    Hippie-Szene wuchs und die Tanzveranstaltungen erfolgreicher wurden, bildete sich auch im Poster-design ein eigenstndiger Stil heraus. Als erstes psychedelisches Poster gilt das Poster The Seed,

    das 1965 von George Hunter und Michael Ferguson, Mitgliedern der Band The Charlatans, gestaltet

    wurde (Abb.1). Das handgezeichnete Plakat warb fr ein Konzert der Band im Red Dog Saloon und

    setzte durch die Kombination von viktorianisch wirkenden, floralen Formen mit funkiger Typo- graphie und comichaften Karikaturen der Bandmitglieder neue Mastbe.3

    Dieser Stil wurde von anderen Grafikdesignern weitergefhrt (siehe Kap. 1.2.). Als Veranstalter wie

    Bill Graham oder die 1966 gegrndete Agentur The Family Dog immer mehr Konzerte vor allem in

    den Szenelokalitten Avalon Ballroom, Fillmore Auditorium und Matrix Club veranstalteten, entwi-ckelt sich der typische Stil des Psychedelischen Plakat: Florale Elemente oder Paisley-Muster; grelle,

    kontrastreiche Farbgestaltung; hufige Verwendung von Motiven wie amerikanischen Ureinwohnern,

    unbekleideten Frauenfiguren, Pflanzen oder Tieren; verzerrte, geschwungene, ornamental verzierte,

    funkige Typographien; optischen Tuschungen; Verwendung der Siebdrucktechnik.

    Die Hippieszene wuchs auch auerhalb San Franciscos und es wurden auch erstmals mehrtgige

    Musikfestivals wie das dreitgige Trips Festival im Januar 1966 in San Francisco (Abb. 2) oder das

    Monterey Pop Festival 1967 (Abb. 3) veranstaltet. Bei Letzterem traten neben kalifornischen Bands

    wie Jefferson Airplane und Janis Joplin von Big Brother and the Holding Company auch The Who

    1 http://www.duden.de/rechtschreibung/psychedelisch2 Lutz Hieber: Music is my only friend, Hannover, 2007, S. 363 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 66 ff.

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  • 8und The Jimi Hendrix Experience aus England auf.4 1969 fand das berhmt geworderne Woodstock

    Music and Art Festival in Bethel, im US-Bundesstaat New York, statt, zu dem ber 400.000 Besucher

    erschienen.

    Der enorme Erfolg der Rockmusik und die daraus resultierende Vermarktung der kommerzialisierten

    Version des Psychedelic Rock als Flower Power sorgten Ende der 60er bis Anfang der 70er fr das

    langsame Ende der psychedelischen ra. Konzertveranstalter Bill Graham kommentierte die Schlie-ung seiner Fillmore Konzerthallen 1971 folgendermaen: Als wir 1965 anfingen, hatten wir es mit

    Musikern zu tun und verpflichteten Bands. Heute sind es Direktoren und Aktionre riesiger Konzerne,

    die sich von General-Motors- und Coca-Cola-Bossen nur dadurch unterscheiden, dass sie lange Haa-re tragen und Gitarre spielen. [] Wenn Musiker und Manager in finaziellen Kategorien denken,

    dann ist es okay; wenn sie aber die knstlerischen Probleme ber dem Geldmachen vernachlssigen,

    ist das der Anfang vom Ende.5

    Grahams Entscheidung, das Fillmore zu schlieen und keine Konzerte mehr zu veranstalten, be-endete eine Serie von fast 300 Postern, gestaltet von vielen bedeutenden psychedelischen Grafik- designern. Auch andere Konzertveranstalter wie The Family Dog beendeten ihre Veranstaltungen.

    Das psychedelische Plakat wurde durch einen glatten, kommerziellen Professionalismus im Grafik-design des Mainstream-Rock abgelst.6

    1.2. Wichtige Psychedelische Grafikdesigner

    Wes Wilson

    Wes Wilson studierte am San Francisco State College Religion und Philosophie, brach sein Studium

    allerdings ab und entschied sich, Knstler zu werden. Deshalb fing er an, autodidaktisch seinen

    Zeichenstil zu verbessern und begann, fr Contract Printing, eine kleine Druckerei, zu arbeiten. Dort

    lernte er grundlegende Druckverfahren und entwarf per Hand Werbeflyer fr Lebensmittelgeschfte.

    Bevor er die Konzertplakate fr Bill Graham und The Family Dog machte, erhielt er kleinere Auf-trge aus der Hippie-Szene, wie Flyer fr Family Dog Grnder Chet Helms und seine Open Theatre

    Events oder die Flyer und Programmhefte fr das Trips Festival (Abb. 2).

    Doch sowohl Chet Helms als auch Bill Graham gefiel Wilsons Stil und so arbeitete er ab 1966 sowohl

    fr Graham als auch fr The Family Dog und entwarf 1966 und 1967 die meisten Konzertposter fr

    beide Veranstalter, sowie das Logo der Family Dog Agentur (Abb.6).

    Laut Plakatsammler Jeff Berger entwickelte Wes Wilson dabei zwei Stile: In seiner Zusammenarbeit

    4 Walter Medeiros: Summer of Love, Liverpool, 2005, S. 3265 Andreas Urban: Music is my only friend, Hannover, 2007, S. 136 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 314 ff.

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    G E O R G E H U N T E R & M I C H E A L

    F E R G U S O N , T H E S E E D , 1 9 6 5

    A B B . 2

    W E S W I L S O N : T R I P S F E S T I V A L ,

    F L Y E R , 1 9 6 6

    A B B . 3

    T O M W I L K E S : M O N T E R E Y P O P

    F E S T I V A L , 1 9 6 7

    D I E P S Y C H E D E L I S C H E R A

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    mit Chet Helms entstanden eher konzeptionelle Plakate (z.B. Abb. 5), whrend er sich bei Postern

    fr Graham eher auf interessante Schriftanordnungen konzentrierte, die in Verbindung mit starken

    Farbkontrasten zur Entzifferung herausforderten (z.B. Abb. 4). Doch gerade das sorgte immer wieder

    fr Auseinandersetzungen zwischen ihm und Graham. Whrend Wilson knstlerische Freiheit fr

    seine Plakate beanspruchte, war Graham der Meinung, sie wrden ihren Zweck, Informationen zu

    vermitteln, verfehlen.

    Aufgrund ihrer Differenzen beendete Wes Wilson im Mai 1967 die Zusammenarbeit mit Graham,

    widmete sich neben seinen psychedelischen Posterarbeiten nun mehr der Glasmalerei und anderen

    Kunstformen und zog schlielich mit seiner Familie von San Francisco nach Missouris Ozarks.7

    Alton Kelley und Stanley Mouse

    Alton Kelley verbrachte seine Jugend in Conneticut, wo er eine Lehre zum Schweier abschloss. Anfang der 60er zog er nach San Francisco, schloss sich der jungen Hippie-Bewegung an und hatte

    dort unter anderem Kontakt zu spteren Family Dog-Mitgliedern. Im Szeneviertel Haight Ashbury

    traf er 1965 auch den aus Detroit stammenden Stanley Mouse, der Hot Rod-Autos und T-Shirts mit

    Airbrush verzierte und sie in seinem kleinen Versandhandel namens Mouse Studios verkaufte.8

    Als Wes Wilson aufhrte die Avalon-Poster fr Chet Helms zu machen, begannen Mouse und Kelley

    in Zusammenarbeit unter dem Namen Mouse Studios Plakate fr die Family Dog Konzerte entwerfen.

    Spter arbeiteten die beiden auch fr Bill Graham und fr andere Veranstalter.

    Bei ihrer Kooperation war meist Kelley fr die Ideen und Inspirationen sowie fr das Layout zu-stndig, whrend Mouse die meisten Zeichnungen machte.9 Groe Berhmtheit in der Hippie-Szene

    erlangten Skull and Roses, ein Poster fr ein Grateful Dead-Konzert (Abb.20), sowie das Zig Zag

    Man-Poster fr Big Brother and the Holding Company und Quicksilver Messenger Service, auf dem

    das Logo der Zigarettenpapiermarke Zig Zag verwendet wurde (Abb.7).

    Neben Plakaten entwarfen die beiden auch Plattencover fr verschiedene Rockbands, das Logo von

    Grateful Dead (Abb.8) und spter auch wieder Artworks fr Hot Rods.10

    Victor Moscoso

    Der gebrtige Spanier Victor Moscoso war der Einzige der bedeutenden psychedelischen Grafik-designer, der eine akademische Grafikausbildung absolviert hatte. Er studierte am Cooper Union in

    7 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 70 ff.8 Walter Medeiros: Summer of Love, Liverpool, 2005, S. 3309 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 75 f.10 http://www.mousestudios.com/about/

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    New York und spter in Yale und kam 1959 nach San Francisco, wo er am San Francisco Art Institute

    unterrichtete. 11

    Als Moscoso spter die Veranstaltungen der Hippie-Szene besuchte und die Veranstaltungsplakate

    sah, wurde er dazu inspiriert, selbst psychedelische Plakate zu gestalten. So produzierte er Poster fr

    das Avalon und seine berhmte Neon Rose- Plakatserie fr das Matrix (z.B. Abb. 9-11).

    Er adaptierte geschickt bewhrte Typographien und andere Elemente, wie dekorative Muster und

    kombinierte sie mit seinen eigenen gestalterischen Konzepten. Seine Poster wurden vor allem durch

    eine vollkommen neue Farbintensitt berhmt: Die Farben auf den Bildern schienen zu vibrieren,

    pulsieren oder zu flackern12 und es wurde dem Betrachter noch schwieriger gemacht, die Texte zu

    entziffern. Moscoso wurde in Yale von Joseph Albers, einem Farbspezialisten vom Bauhaus, in Far-bharmonie unterrichtet. Fr seine psychedelischen Plakate nutzte Moscoso jedoch die Umkehrung die-ser Regeln, um seine optischen Effekte zu erwirken. Auch experimentierte er mit dem berdrucken

    verschiedener Farben, sodass die Bilder nur bei bestimmtem Licht zu sehen waren. Dadurch entstand

    whrend psychedelischer Lightshows eine Art Animationseffekt.13

    Ab 1968 widmete sich Victor Moscoso neben den Postern seinen sogenannten Underground Comix und gestaltete spter Plattencover und Merchandise fr Musiker wie Jerry Garcia und Herbie Hancock.14

    Rick Griffin

    Rick Griffin wuchs in Palos Verdes im Sden Kaliforniens auf, wo er seinen Vater, der als Amateu-rarchologe arbeitete, oft bei Ausgrabungen begleitete. Dabei entwickelte er eine Leidenschaft fr

    Geisterstdte und alte indianische Artefakte, die seine spteren Arbeiten noch beeinflussen sollten.

    Auch kam Griffin schon frh mit der Surfer-Szene in Kontakt, lernte selbst surfen und begann Comics zu zeichnen. Von 1961 bis 1964 arbeitete er als Comiczeichner beim Surfer-Magazin, fr das

    er seine berhmte Comicfigur Murphy entwickelte.

    Nachdem er ab 1965 viele Tanzveranstaltungen in Height Ashbury besucht hatte, zog Griffin im

    Herbst 1966 mit der Musiker- und Knstlergruppe Jook Savage von Los Angeles nach San Francis-co und fing dort an, psychedelische Poster zu produzieren. Chet Helms war begeistert von Griffins Arbeiten und so machte Griffin ab 1967 viele Plakate fr The Family Dog und setzte neue Standards

    im psychedelischen Grafikdesign.

    11 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 7912 Lutz Hieber: Music is my only friend, Hannover, 2007, S. 3913 Walter Medeiros: Summer of Love, Liverpool, 2005, S. 33014 http://www.victormoscoso.com/about.htm

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    W E S W I L S O N : P O S T E R F R

    B I L L G R A H A M , A P R I L 1 9 6 6

    A B B . 5

    W E S W I L S O N : P O S T E R F R

    T H E F A M I L Y D O G , A P R I L 1 9 6 6

    A B B . 6

    W E S W I L S O N :

    T H E F A M I L Y D O G - L O G O , 1 9 6 6

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    D I E P S Y C H E D E L I S C H E R A

    A B B . 7

    A L T O N K E L L E Y & S T A N L E Y

    M O U S E : P O S T E R F R T H E

    F A M I L Y D O G , 1 9 6 6

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    A L T O N K E L L E Y & S T A N L E Y

    M O U S E , 1 9 6 7 I N S A N F R A N C I S C O

    A B B . 9

    A L T O N K E L L E Y & S T A N L E Y

    M O U S E : T H E G R A T E F U L

    D E A D - L O G O , 1 9 6 7

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    Seine Plakatarbeiten zeichneten sich durch ihr oft achsensymmetrisches Layout15 aus und waren

    durch die Kultur der amerikanischen Ureinwohner, die kalifornische Surf-Szene und natrlich die

    aufkeimende Hippie-Bewegung beeinflusst. Er integrierte Motive wie Kfer, Schdel, geflgelte Augpfel, leuchtende Farben und wilde Typographien mit einem charakteristischen, flssig wirken-den Buchstabenstil.16

    1969 kehrte Griffin nach Sdkalifornien zurck, wo er sich schlielich in San Clemente niederlie

    und 1970 zum Christentum konvertierte. Er produzierte weiterhin Poster, wie fr den Film Pacific

    Vibrations, Comics und Plattencover fr das christliche Record Label Maranatha!.17

    2. Einflsse auf das psychedelische Posterdesign

    2.1. JugendstilDieses Kapitel soll anhand von Bildvergleichen die Gemeinsamkeiten des Posterdesigns der psyche-delischen ra und des Jugendstils untersuchen, und klren inwiefern eine Beeinflussung statt-

    gefunden hat.

    Auch wenn der Jugendstil keineswegs geschlossene, sondern vielmehr eine heterogene Bewegung

    war, die viele unterschiedliche Strmungen hervorbrachte, gab es im Grafikdesign doch einige grund-legende Stilmerkmale: Eine Abkehr vom Historismus und seiner Symbolik hin zum sthetisch auto-nomen Design, Homogenitt von Text und Bild18, beginnende grafische Abstraktion, auerdem Orna-mente mit geschwungenen Linien und stilisierten floralen Elementen.19

    Viele der Errungenschaften im Plakatdesign des Jugendstils, ermglichten erst die Entstehung des

    modernen Plakats und setzten somit das Fundament fr die Poster der 1960er Jahre. Bei genauerer

    Betrachtung psychedelischer Poster kann man auch in Typographien, Motiven und Ornamenten oft-mals stilistische Elemente des Jugendstil-Grafikdesigns erkennen, die von den Psychedelikern offen-bar aufgegriffen und teilweise weiterentwickelt wurden.

    Ein Beispiel hierfr ist die Verschmelzung von Bild und Text im Jugendstilplakat. Der Text wurde di-rekt im Motiv integriert und war in seine Bewegung einbezogen. Diese Dynamik des Textes wurde im

    Psychedelischen Grafikdesign radikalisiert: Die Schrift wurde oft bis zur Verzerrung an Formen und

    Motive angepasst, um ein Maximum an Bewegung zu erhalten. Auch die psychedelische Typografie

    selbst ist oft vom Jugendstil beeinflusst. Zum Beispiel verwendete Wes Wilson einen von Alfred Roller,

    einem Knstler der Wiener Sezession, entwickelten typografischen Ansatz (Abb. 16 a/b), nachdem er

    15 Walter Medeiros: Summer of Love, Liverpool, 2005, S. 33216 http://www.clubofthewaves.com/surf-artist/rick-griffin.php17 http://www.myraltis.co.uk/rickgriffin/bio.htm18 Lothar-Gnter Buchheim: Jugendstilplakate, Feldafing , 1969, S. 1519 http://www.jugendstil.net/

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    1965 in Berkeley eine Ausstellung mit Jugendstil-Plakaten besucht hatte. Diese von Roller adaptierte

    und durch Wilson weiterentwickelte Schrift wurde zu einer der charakteristischen Typografien des

    psychedelischen Grafikdesign.20

    Auch andere Psychedeliker wie Alton Kelley und Stanley Mouse waren von Plakaten aus dem Jugendstil beeindruckt und lieen sich in ihren gemeinsamen Arbeiten hufig von Typografien oder

    Motive verschiedener Jugendstil-Knstler inspirieren. Eines der bekanntesten Mouse Studios-Plakate

    Skull & Roses (Abb. 20), aus dem spter auch das Logo der Band Grateful Dead (Abb. 9) ent-stand (Abb. 9), wurde zum Beispiel einer Illustration des britischen Buchillustrators Edmund Joseph Sullivan fr das Buch The Rubaiyat of Omar Khayyam entlehnt (Abb.19)21 und auch das Poster Girl

    with Green Hair (Abb. 18) hatten Mouse und Kelley nach Vorlage eines Werbeplakates fr die Zi-garettenpapiermarke Job des tschechischen Jugenstilknstlers Alphonse Mucha (Abb.17) hergestellt.

    Fr das Poster Light/Sound/Dimension verwendeten sie das Bild Der Kuss von Peter Behrens

    von 1898, das zwei androgyn wirkende Menschen zeigt, die whrend eines Kusses zu verschmelzen

    scheinen. In allen drei Fllen verwendeten Mouse und Kelley die Vorlagen als Hauptmotiv in einem

    Siebdruck, in krftigen Farben coloriert und durch Ornamente und Schrift ergnzt. ber ihre Inspi-rationssuche sagte Alton Kelley in einem Interview: We went to Libraries looking for everything.

    And there was so much wonderful stuff! So we just started doing it on our own, trying to make each

    poster different.22

    Auch viele fr den Jugendstil typische, stilisierte florale Muster und Ornamente aus abstrakten geschwungenen Linien, wie sie zum Beispiel Otto Eckmann verwendete, wurden von den Psychede-lischen Grafikern aufgegriffen und durch starke Farbkontraste gesteigert.

    Insgesamt kann man erkennen, dass der Jugendstil den psychedelischen Grafikdesignern der 60er

    Jahre in vielerlei Hinsicht als Vorlage und Inspirationsquelle diente, deren Elemente in ihrer Wirkung

    zum Teil weiterentwickelt wurden.

    2.2. Sonstige Einflsse

    Neben dem Jugendstil gab es viele weitere Einflsse auf das Psychedelische Grafikdesign.

    Dazu zhlt unter anderem die Pop-Art, die sich einige Jahre zuvor in den Vereinten Staaten entwickelte.

    Pop-Art-Knstler wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein verarbeiteten in ihren Werken erstmals All-tagsmotive wie Zeitungsausschnitte, Comicstrips oder Werbeanzeigen, was von den Psychedelikern

    teilweise weitergefhrt wurde. Auch die Verwendung von grellen Farben und starken Kontrasten ist

    eine Parallele zwischen Pop-Art und psychedelischem Posterdesign. Andy Warhol entwickelte sich

    20 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 21621 http://www.bpib.com/illustrat/sullivan.htm22 Paul Grushkin: The art of rock, New York 1987 S. 76

    E I N F L S S E A U F D A S P S Y C H E D E L I S C H E P O S T E R D E S I G N

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    A B B . 1 0 - 1 2

    V I C T O R M O S C O S O : N E W R O S E S E R I E , 1 9 6 7

    A B B . 1 3

    R I C K G R I F F I N : M U R P H Y A U F D E R T I T E L S E I T E

    D E S S U R F E R - M A G A Z I N S , 1 9 6 2

    A B B . 1 4

    R I C K G R I F F I N : A O X O M O X O A , F R F A M I L Y D O G ,

    1 9 6 9

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    R I C K G R I F F I N : F R D A S

    H O N O L U L U I N T . C E N T E R , 1 9 6 9

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    E I N F L S S E A U F D A S P S Y C H E D E L I S C H E P O S T E R D E S I G N

    A B B . 1 6 A )

    A L F R E D R O L L E R : P O S T E R F R A U S S T E L L U N G

    D E R W I E N E R S E Z E S S I O N , 1 9 0 2

    A B B . 1 6 B )

    D E T A I L A N S I C H T D E R T Y P O G R A F I E

    A B B . 1 7

    A L P H O N S E M U C H A : J O B W E R B E P L A K A T , 1 8 9 8

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    M O U S E & K E L L E Y : G I R L W I T H G R E E N H A I R , 1 9 6 6

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    M O U S E & K E L L E Y : S K U L L & R O S E S 1 9 6 6

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    zum Spezialisten in der Siebdrucktechnik, whrend Roy Lichtenstein einen abstrakten Comicstil ver-wendete, der sich besonders durch Punktrasterung auszeichnete.23 Sowohl der Siebdruck als auch das

    Punktraster wurden spter auch von den Psychedelikern angewendet.

    Auch die Op-Art, die in den frhen 60er Jahren aus experimentellen Traditionen des Bauhauses und

    des russischen Konstruktivismus hervorging und sich mit Wahrnehmung und optischen Tuschungen

    beschftigte, schien auf das Psychedelische Grafikdesign in gewissem Mae eingewirkt zu haben.

    Pulsierende oder hypnotisch wirkende Form- und Farbkombinationen, die die Wahrnehmung zum

    Beispiel hinsichtlich Raumwirkung oder Dynamik tuschen sollten, wurden auch von Psychedelikern

    wie Victor Moscoso in ihren Postern verwendet.

    Ebenso prgte der damalige Comicstil, sowie die Mitte der 60er populr gewordenen Underground

    Comix, die durch ihre politische und sexuelle Anstigkeit Aufsehen erregten, einige psychedeli-sche Grafikdesigner sehr. So waren z.B. Rick Griffin oder Stanley Mouse vor ihren Plakatarbeiten

    selbst als Comiczeichner aktiv gewesen, was besonders bei Griffin auch stark in den Postern zutage

    tritt. Andererseits wurden Underground Comix-Zeichner wie Robert Crumb auch stark von der Hip-pie-Kultur, LSD-Erfahrungen und auch dem psychedelischen Posterstil beeinflusst.24 Zustzlich lieen sich die psychedelischen Grafiker hufig von fremden Kulturen wie der Amerikani-schen Ureinwohner oder der fernstlicher Lnder wie Indien inspirieren.

    Neben diesen wichtigsten Einflssen auf das psychedelische Grafikdesign wird es sicherlich noch

    viele andere, persnlich variierende Einwirkungen auf das Schaffen der Psychedeliker gegeben haben,

    welche aber sich aber nur in geringem Mae auf einzelne Grafiker auswirkten und deshalb nicht als

    stilprgend gelten knnen.

    3. Psychedelisches Design heute

    Obwohl das psychedelische Poster die Grundlage fr das heutige Konzertposter bildete, verlor der

    Stil selbst mit dem langsamen Ende der Hippie-ra an Bedeutung und wurde in den 70er Jahren

    durch den Punk als vorherrschenden Stil der Counterculture abgelt.

    In diesem Kapitel versuche ich herauszufinden, ob heutige Musikrichtungen, die sich aus dem Psy-chedelic Rock entwickelt haben, auch hinsichtlich des Grafikdesigns Parallelen zu den Psychdelikern

    aufweisen.

    3.1. Stoner-Rock

    Stoner-Rock (stoner engl. fr Kiffer) oder auch Desert-Rock ist eine Ende der 80er Jahre in Palm

    Desert, in der kalifornischen Wste entstandene Stilrichtung der Rockmusik, die sich vor allem durch 23 http://gds.parkland.edu/gds/!lectures/history/1960/psychedelia.html24 http://gds.parkland.edu/gds/!lectures/history/1960/psychedelia.html

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    einen sehr basslastigen Sound, groovige Drums und effektbeladene Gitarrenwnde auszeichnet und

    durch die Psychedelic- und Hardrockbands der 60er und 70er Jahre inspiriert ist. Stoner hatte seine

    Bltezeit in den 90er Jahren, doch auch heute noch gibt es eine groe, internationale Stoner-Szene

    Die wichtigsten Stoner-Bands sind Kyuss, Queens of the Stone Age und Monster Magnet. Die be-kanntesten Bands der deutschen Stoner-Szene sind Color Haze und Rotor.25 Wenn man das Grafikdesign der Stoner-Szene betrachtet, wird man viele Poster entdecken, die dem

    psychedelischen Posterstil der 60er Jahre sehr stark hneln: Sowohl Typografien als auch die charak-teristischen Form-und Farbkombinationen und optischen Tuschungen des psychedelischen Posters

    wurden bernommen. Nur inhaltlich haben vor allem die amerikanischen Grafikdesigner des Stoner

    eher eine Vorliebe fr Wstenmotive, Autos oder leicht bekleidete Frauen und auch auf jugendstil- typische, florale Ornamentik wird weitgehend verzichtet. Grafikdesigner in der deutschen Szene z.B.

    Johannes Walenta, hingegen sind dem psychedelischen Poster der 60er hinsichtlich Motivwahl und

    Ornamentik noch nher.

    3.2. Goatrance

    Goatrance oder spter auch Psytrance ist eine Form der elektronischen Musik und ein Subgenre des

    Trance, das in den spten 1980er Jahren im Indischen Budesstaat Goa unter Einflussnahme ausge-wanderter Alt-Hippies entstand und sich in den 90ern auch in Europa verbreitete und weiterent- wickelte. Das wichtigste Merkmal des Goatrance sind synthetisch generierte, Klangflchen in Verbindung mit Ethno-Sounds, die der Musik einen hypnotischen Klang-Charakter verleihen. Go-atrance wurde teilweise auch von dem aus dem Psychedelic Rock hervorgegangenen Space Rock

    beeinflusst.

    Ein wichtiger Bestandteil der Goa-Szene sind die Goa-Partys, die von der Atmosphre den Hip-pie- Events der 60er Jahre nachempfunden sind und meist unter freiem Himmel stattfinden. Auf den

    Goa-Partys lebt die psychedelische Kultur, die lebensbejahende Weltsicht, die Naturverbundenheit

    und auch der Drogenkonsum der 60er Jahre weiter.26Deshalb liegt es nahe dass sich Veranstalter von

    Goa-Partys oder Festivals auch hinsichtlich der Postergestaltung an dem psychedelischen Grafik-design orientiert haben. Bei genauerer Betrachtung von Postern fr Goatrance-Partys erkennt man

    zwar einige Elemente des psychedelischen Posters wie florale Ornamente, Anordnung von Schrift in

    geometrischen Formen und typisch psychedelische Motive wie halluzinogene Pilze oder Fabelwesen

    wieder, allerdings berwiegt meist der Einfluss des futuristisch wirkenden Trance-Grafikstils.

    25 http://www.indiepedia.de/index.php?title=Stonerrock26 http://de.wikipedia.org/wiki/Goa-Trance

    P S Y C H E D E L I S C H E S D E S I G N H E U T E

  • 2 0

    A B B . 2 1

    A D A M P O B I A K & M I C H A E L C O W E L L : K Y U S S L I V E S ! 2 0 1 1 I N N O T T I N G H A M

    A B B . 2 2

    S T A I N B O Y : Q U E E N S O F T H E S T O N E A G E , 2 0 0 7 I N O R L A N D O

    A B B . 2 3

    J O H A N N E S W A L E N T A : T H E F L Y I N G E Y E S , O R A N G E B L O S S O M T O U R 2 0 1 2

    A B B . 2 4

    X A V I : P O S T E R F R G O A - P A R T Y 1 9 9 9

    A B B . 2 5

    E A R T H D A C E 2 0 0 9

    A B B . 2 6

    W O N D E R L A N D - F E S T I V A L 2 0 1 1

  • 2 1

    III. Fazit

    Ich habe mich in dieser Arbeit intensiv mit dem psychedelischen Posterdesign der 1960er Jahre be-schftigt, dazu sowohl seine Geschichte als auch die wichtigsten Psychedeliker nher betrachtet, um

    mir einen berblick zu verschaffen, und mich dann mit den verschiedenen Einflssen auf das psyche-delische Poster, vor allem durch den Jugendstil auseinandergesetzt.

    Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass der Jugendstil in vielerlei Hinsicht eine magebliche

    Wirkung auf wichtige psychedelische Grafikdesigner hatte und so auf ihre Arbeiten abfrbte. Auch

    versuchte ich sonstige Einflsse auf das psychedelische Poster zu ermitteln und stellte fest, dass ber-dies Pop-Art, Op-Art, die Underground Comix der 60er Jahre, sowie Indianische und fernstliche

    Kultur Einfluss auf den psychedelischen Stil hatten.

    Weiterhin untersuchte ich den heutigen Stellenwert von Psychedelischem Grafikdesign anhand von

    Postern aus den aus dem Psychedelic Rock hervorgegangenen Musikgenres Stonerrock und Goa- trance und machte vor allem im Grafikdesign des Stonerrock enorme psychedelische Einflsse aus.

    Ansonsten ist jedoch der psychedelische Grafikstil heute kaum noch von Bedeutung, auer, wenn es

    darum geht eine Retro-Atmophre zu schaffen.

    Ich selbst bin heute dennoch fasziniert von der optischen Ausdruckskraft psychedelischer Poster, die

    fr mich, als angehenden Designer, eine erhebliche Inspiration darstellen.

    P S Y C H E D E L I S C H E S D E S I G N H E U T E

  • 2 2

    IV. Bibliographie

    Verwendete Literatur:

    Buchheim, Lothar-Gnter: Jugendstilplakate, Feldafing , 1969

    Grushkin, Paul: The Art of Rock, New York 1987

    Hieber, Lutz & Theising, Giesela: Music is my only friend, Hannover, 2007

    Masters, Robert E. L. & Houston, Jean: Psychedelische Kunst, Mnchen/Zrich, 1969

    Medeiros, Walter: Summer of Love, Liverpool, 2005

    Meggs, Phillip B.: A History of Graphic Design, New York; 1991

    Internetquellen:

    http://gds.parkland.edu/gds/!lectures/history/1960/psychedelia.html

    http://de.wikipedia.org/wiki/Psychedelic_Rock#

    http://de.wikipedia.org/wiki/Goa-Trance

    http://www.mousestudios.com/about/

    http://www.victormoscoso.com/about.htm

    http://en.wikipedia.org/wiki/Rick_Griffin

    http://www.bpib.com/illustrat/sullivan.htm

    http://www.jugendstil.net/

    http://www.clubofthewaves.com/surf-artist/rick-griffin.php

  • 2 3

    http://www.myraltis.co.uk/rickgriffin/bio.htm

    http://www.duden.de/rechtschreibung/psychedelisch

    Verwendete Bilder:

    Paul Grushkin: The Art of Rock, New York 1987

    http://recollectionbooks.com/bleed/images/BB/logo3.gif

    http://www.palzoo.net/file/pic/user/Grateful-Dead.jpg

    http://farm5.staticflickr.com/4114/4790115166_46fbddf908_z.jpg

    http://www.artinthepicture.com/artists/Alphonse_Mucha/job.jpeg

    http://29.media.tumblr.com/tumblr_l2xrw2rK9v1qztk1wo1_500.jpg

    http://cache0.bigcartel.com/product_images/45978857/300.jpg

    http://posterscene.com/images/items/full/qotsa_stain.jpg

    http://kopfuber.com/02_bilder/02.jpg

    http://dreamrevolution.org/emmaworks/photos/images/xavi/14.x_tryptophun2.jpg

    http://www.zackdarling.com/wp-content/uploads/2009/05/picture-2.png

    B I B L I O G R A P H I E

  • 2 4

    V. ERKLRUNG

    Hiermit erklre ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbststndig verfasst und keine anderen als

    die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

    Bremen, den 13. April 2012

    Jonas Bornhorst

  • 2 5