Das Psychische Funktionieren des Menschen

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Das Funktionieren des Menschen Denken – Fühlen – Handeln Das psychische Funktionieren des Menschen Denken – Fühlen – Handeln Copyright © Lorin Evi Oehri 9493 Mauren, Liechtenstein, 11. August 2010

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Das Funktionieren des Menschen

Denken – Fühlen – Handeln Das psychische Funktionieren des Menschen

Denken – Fühlen – Handeln

Copyright © Lorin Evi Oehri 9493 Mauren, Liechtenstein, 11. August 2010

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Inhalt 1. Informationsverarbeitung 2. Das psychische Geschehen 3. Entwickeln einer psychischen Störung 4. Veränderungen durch Psychotherapie 5. DVD* *Die Filme der DVD können ebenfalls im Internet angesehen werden, wenn Sie dieses Büchlein in digitaler Form lesen. Sie erhalten den Link von Ihrem Therapeuten. Die Filme dienen der Vertiefung der Lektüre und sollen das Verständnis des Lesers für das psychische Geschehen fördern. Deshalb sollten sie nach dem Lesen des Büchleins angesehen werden. Sie zeigen anhand dreier psychischer Probleme, wie diese funktionieren können. Da es sich dabei lediglich um Beispiele handelt, müssen sie nicht in dieser Form auf den Leser zutreffen.

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1. Informationsverarbeitung

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Die Informationen, die uns unsere Umgebung ständig liefert, werden in unserem Gehirn verteilt verarbeitet. Das heisst, dass verschiedene Teile der Information an verschiedene Verarbeitungsknoten gelangen. Wie in einem Netz sind die Verarbeitungsknoten mit-einander verbunden. So können die verschiedenen Verarbeitungsknoten, die alle einen an-deren Teil der Information verarbeiten, miteinander kommunizieren und die Teilinforma-tionen am Schluss so zusammenfügen, dass wir ein ganzes Objekt wahrnehmen. Je nachdem, welche Verarbeitungsknoten aktiviert sind, wird gesamthaft eine andere Information ver-arbeitet. Das folgende Schaubild zeigt die Netzwerke auf, anhand welcher ein Tisch, ein Hund und eine Katze verarbeitet und als solche schliesslich erkannt werden. Dabei können manche Verarbeitungsknoten bei allen drei Objekten gebraucht werden und andere spezifisch nur für ein einzelnes Objekt. Die unterschiedlichen Verarbeitungsmuster, die dadurch entstehen, bestimmen, welches Objekt genau verarbeitet wird und was wir am Schluss wahrnehmen.

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Vier Beine

Schwanz

Fell

Schnauze Flaches Gesicht

Schleichend

Kleine, stehende Ohren

Flache Oberfläche

Rennend Hängende Ohren

Holz

Starr Tisch Hund Katze

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Solche Netzwerke können aufgrund von Erfahrungen gebildet werden. Sie können dadurch auch Gefühle (z.B. Angst, Freude, Wut, Ärger, Ekel), Gedanken (z.B. „Ich liebe dieses Lied“), körperliche Zustände (z.B. Herzklopfen, Schwitzen, Erstarren) und Erinnerungen (z.B. „Als Kind habe ich auf einem Bauernhof gewohnt“) beinhalten. So sind sie von Mensch zu Mensch verschieden. Wenn diese Komponenten, beziehungsweise Verarbeitungsknoten, stark miteinander zusammenhängen, können durch die Aktivierung einer Komponente auto-matisch auch die anderen Komponenten, also das ganze Netz, aktiviert werden. Dies er-möglicht unserem Gehirn, Informationen bis hin zu komplexen Situationen ohne grossen Aufwand zu verarbeiten. Das folgende Schaubild zeigt die unterschiedlichen Netzwerke von Person A, die einmal von einem Hund gebissen wurde und von Person B, die mit einem Hund aufgewachsen ist für die Verarbeitung des Objektes „Hund.“

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Ohren

Vier Beine

Fell

Schwanz

Schnauze

Erinnerung Biss

Angst

Gefährlich

HerzrasenErstarren vor Schreck

Ohren Fell

Vier BeineSchwanz

SchnauzeFreude

LiebVerspielt

SpassSpielen

Person A Person B

„Er sieht mich“

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Beim Anblick eines Hundes werden bei Person A und Person B also andere Netzwerke akti-viert, die ebenfalls verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen. Person A erlebt Angst, während sich Person B in der Situation wohl fühlt. Da Angst ein unangenehmer Zustand ist, wird Person A eine Strategie entwickeln, um der Situation zu entkommen. Sie hat vielleicht bereits gelernt, Hunde besser zu vermeiden und weiss genau, welche Nachbarn einen Hund besitzen und wählt ihren Abendspaziergang so aus, dass sie nicht an ihren Gärten vorbei gehen zu muss. Wenn sie einen Hund auf der Strasse sieht, macht sie einen grossen Bogen um ihn. Person A kann durch ihr Vermeidungsverhalten die Angst reduzieren. Dennoch wird klar, dass diese Methode zur Angstreduktion nicht die optimale Lösung darstellt. Person A wird durch diese Methode nämlich in manchen Bereichen, wie beim Abendspaziergang, eingeschränkt. Das ist für sie momentan aber nicht störend, da sie es für viel wichtiger er-achtet, den unangenehmen Zustand der Angst nicht zu erleben. Dieses Verhalten kann jedoch zu einem Problem werden, wenn ihr Verhalten in Konflikt mit einer neuen Situation gerät. Person A lernt auf der Arbeit einen netten Kollegen kennen, der ebenfalls Hundehalter ist. Zwei Netzwerke, das für das Objekt Hund und das für den guten Freund, stehen nun in Konflikt miteinander. Es können nicht beide Bedürfnisse, nämlich Hunde zu vermeiden und die Freundschaft zu pflegen, gleichzeitig erfüllt werden. Dies zeigt das nächste Schaubild.

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Netzwerk „Hund“ Netzwerk „Arbeitskollege“

Ohren

Vermeiden

Fell

Schwanz

Schnauze

Erinnerung Biss

Angst

Gefährlich

HerzrasenErstarren vor Schreck

Nett

Männlich

Lustig

Hundehalter

Vier Beine Ausweichen

Auf Arbeitsstelle

Angenehmer Kontakt

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Dies bedeutet, dass Person A den Kontakt zu ihrem neuen Freund gerne pflegen möchte, dies aufgrund ihrer Angst vor Hunden jedoch nicht in dem Umfang tun kann, wie es ihr lieb wäre. Person A kann sich beispielsweise entscheiden, nur auf dem Arbeitsplatz Kontakt zu ihrem Kollegen zu haben. Oder sie kann ihn bitten, ihn bei sich zu Hause zu besuchen und den Hund daheim zu lassen. Da ihr diese Situation vielleicht unangenehm ist, kann sie ihrem Kollegen vorlügen, eine Hundeallergie zu haben. All diese Lösungsversuche zeigen, dass Person A auf-grund ihrer Angst vor Hunden im Sinne dieses Netzwerkes handelt, aber keine zufrieden-stellende Lösung findet, um den Kontakt zu ihrem Arbeitskollegen auszubauen. Auch wenn sie damit ihre Angst gering halten kann, führen ihre Lösungswege zu neuem Leiden, wie beispielsweise Schamgefühlen. Die optimale Lösung würde darin liegen, ihre grundlegende Angst vor Hunden zu beheben. So wären andere Netzwerke nicht mehr durch das Netzwerk, das sich aufgrund ihrer Erfahrung mit Hunden gebildet hat, bedroht und somit von Leid begleitet. Dazu müsste das Netzwerk „Hund“ erneuert werden. Durch positive Erfahrungen mit Hunden könnte sie beispielsweise lernen, dass nicht alle Hunde bissig sind. Da sich Person A ihrer Grundangst bisher noch nicht gestellt hat, sondern sie durch Ausweich-verhalten vermieden hat, wird es ihr vorerst schwer fallen, diese neuen Erfahrungen zu sam-meln. Dazu braucht sie viel Mut und Durchhaltevermögen. Manchmal wird sie sich viel-leicht wünschen, gleich wie früher mit ihrer Angst umzugehen, da dies für den Moment ein-facher war. Wenn sie die Hürde aber überwunden hat, wird sie feststellen, dass sich ihre Le-bensqualität verbessert hat und sie sich unbeschwerter auf der Strasse bewegen kann und zu-dem auch Kontakte zu Hundehaltern ohne Probleme pflegen kann.

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Dieses Beispiel gilt für jegliches Handeln, Denken oder Fühlen von Menschen. Es kann sein, dass sich aufgrund von Erfahrungen Netzwerke gebildet haben, die in sich logisch sind, da das darin enthaltene Denken, Fühlen und Handeln gut zusammen passen. Deshalb werden wir auch neue Informationen über diese Netzwerke verarbeiten und in Übereinstimmung mit diesen Netzwerken denken, handeln und fühlen. Dennoch kann es sein, dass diese Art von Denk- oder Handlungsmuster nicht optimal sind. Dies spüren wir dann, wenn wir uns eingeschränkt fühlen und leiden. Es ist Teil der Psychotherapie, jenes Netzwerk ausfindig zu machen, welches bestimmte Objekte oder Situationen nicht optimal verarbeitet und uns ver-anlasst, in einer gewissen Weise zu denken, handeln und zu fühlen. Es ist ebenfalls zentral, herauszufinden, welche Gegebenheiten dazu geführt haben, dass dieses Netzwerk aufgebaut wurde. Anschliessend wird in der Psychotherapie durch Herbeiführung neuer Erfahrungen angestrebt, das alte Netzwerk zu schwächen und so die Gefahr zu verringern, dass dieses sei-nen negativen Einfluss walten lassen kann. Es kann ein neues, angenehmeres Netzwerk ge-bildet werden, das nicht nur in sich stimmig ist, sondern sich auch mit anderen Netzwerken besser vereinen lässt. Das erlebte Leid kann dadurch verringert werden.

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2. Das psychische Geschehen

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Menschen können sich in verschiedenen Zuständen befinden. So auch Person A, die beim Anblick eines Hundes Angst verspürt, ansonsten aber frei von Ängsten lebt. Auch wir können beispielsweise bei der Arbeit pflichtbewusst, gut gekleidet und gestresst sein, während wir es uns am Feierabend zu Hause gemütlich machen und uns in der Freizeit aktiv verhalten und dabei Freude verspüren. Der Wechsel zwischen diesen Zuständen läuft meist unbewusst ab und wird durch die Situation bestimmt, in der wir uns befinden. Denn jede Situation aktiviert ein Netzwerk (samt Gefühlen, Gedanken, körperlichen Zuständen und Verhalten). Die be-teiligten Prozesse, also welche Information über welche Netzwerke verarbeitet werden, sind für uns aber nicht oder nur teilweise bewusst. Was wir im Endeffekt bewusst wahrnehmen, sind einfache Sinneswahrnehmungen (z.B. Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen von Objekten), aber auch die aus dieser Verarbeitung entstehenden Gefühle, Gedanken und körperlichen Zustände und das Verhalten, das wir dadurch an den Tag legen. Auf dem Titel-bild dieses Kapitels sehen wir entweder zwei Gesichter oder eine Vase. Wir können zwischen der Wahrnehmung dieser beiden Objekte wechseln, aber wir können sie nur schwer gemeinsam wahrnehmen. Dies liegt daran, dass für die Vase und die Gesichter jeweils ein anderes Netzwerk aktiviert wird und die beiden Netzwerke nach dem Entweder-Oder-Prinzip funktionieren. Wie diese Aktivierung abläuft und wie sich die Netzwerke abwechseln, spüren wir nicht. Wir nehmen lediglich das Endprodukt dieser Verarbeitung wahr: nämlich die Gesichter oder die Vase.

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Je nachdem, wie gefestigt ein Netzwerk ist, sind auch die daraus entstehenden Gefühle, Gedanken, körperlichen Zustände sowie das Verhalten fest miteinander verbunden. Da die Verarbeitungsstufen dann sehr stark miteinander verbunden sind, wird bei der Verarbeitung einer Information oder Teilinformation auf einem Verarbeitungsknoten automatisch das ganze Netzwerk aktiviert. Durch neue Erfahrungen können sich Netzwerke aber auch ver-ändern und neu entstehen. Bei der Organisation dieser Netzwerke achtet unser Gehirn darauf, dass die enthaltenen Komponenten (Gefühle, Gedanken etc.) gut zusammen passen: bei Person A ist der bissige Hund mit Angst verknüpft, bei Person B ist der liebens-werte Hund mit Freude verknüpft. Man kann dabei von Mustern sprechen. Durch logisch zusammenhängende Muster kann nämlich die Energie, die bei der Informationsver-arbeitung benötigt wird, gering gehalten werden. Wenn wir viel Energie aufwenden müssen, weil gewisse Dinge nicht zusammen passen, erleben wir dies als unangenehme Spannung. So geht es auch Person A, die versucht, das Netzwerk über den netten Arbeits-kollegen mit jenem über Hunde zu verknüpfen. Oder wir erleben dies dann, wenn wir uns in einer Weise verhalten müssen, wie sie nicht unseren Idealen entspricht oder wenn wir gleich-zeitig zwei gegensätzliche Meinungen über einen Sachverhalt haben.

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Man kann sich die verschiedenen menschlichen Zustände, die aufgrund von gut organisierten Mustern entstehen, als die Täler in einer Hügellandschaft vorstellen. In den Tälern können wir uns erholen, weil die Verarbeitung von Informationen gemäss den Mustern beziehungs-weise Netzwerken statt findet. Es muss also keine zusätzliche Energie für die Informations-verarbeitung aufgebracht werden, wodurch sie automatisch und reibungslos ablaufen kann. Deshalb verarbeitet unser Gehirn gerne gemäss diesen Mustern. Somit kommen diese Muster oder Zustände in unserem Leben häufig vor, wie beispielsweise die routinierten Handlungs-abläufe bei der Arbeit oder die Entspannung zu Hause auf dem Sofa. Vielleicht können auch Sie sich auf die nächste Therapiesitzung überlegen, in welchen Zuständen Sie sich des Öfte-ren befinden.

z.B. Arbeit z.B. Freizeit

Anstrengung

Anstrengung

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Autofahren kann beispielsweise als sehr gefestigtes Muster angesehen werden. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass wir die erforderlichen Abläufe ausüben können, ohne grossartig drüber nachzudenken. Konzentration ist erst dann erforderlich, wenn wir auf der Strasse in eine brenzlige Situation geraten. Dass ebenfalls die Hügel, die das für Autofahren verant-wortliche Tal umgeben, hoch sind, wird dadurch deutlich, dass es schwierig ist, nicht gemäss dem Muster für das Autofahren zu handeln. Versuchen Sie einmal, sofern Sie keinen Auto-maten fahren, zu bremsen, ohne dabei auf die Kupplung zu drücken. Es entsteht ein sehr ungewohntes Gefühl, das man gerne durch richtiges Verhalten reduzieren möchte. Die beiden Verarbeitungsknoten, die für das Bremsen und die Kupplung verantwortlich sind, hängen sehr stark zusammen und treten deshalb immer gemeinsam in Kraft. Einen Knoten zu unter-drücken, während der andere aktiv ist, erfordert mehr Energie für die Informationsver-arbeitung und erhöht die Spannung im Muster.

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3. Entwickeln einer psychischen Störung

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Auch psychische Störungen können als in sich stimmige Muster angesehen werden, die Informationen verarbeiten und dabei wenig Energie verbrauchen. Wie auch andere Muster wird das Netzwerk einer psychischen Störung aufgrund von Erlebnissen gebildet. Und die einzelnen Komponenten werden von unserem Gehirn so zusammengefügt, dass sie gut zu-sammen passen. Zwar erlaubt dieses Muster bei der Informationsverarbeitung ebenfalls einen geringen Energieverbrauch, ist aber längst noch keine optimale Lösung. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass psychische Störungen von einem Leid begleitet werden. Das folgende Schaubild zeigt das in sich stimmige Netzwerk einer Depression, das beispielsweise durch den Verlust einer geliebten Person gebildet wurde. Durch die schmerzvolle Erfahrung hat sich ein so dominantes Netzwerk entwickelt, das über den Trauerprozess hinweg bestehen blieb und sich auch auf andere Zustände ausgebreitet hat.

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Gemäss diesem Netzwerk werden auch die Informationen aus der Umwelt verarbeitet: Nichts macht mehr Spass, schöne Dinge können nicht wahrgenommen werden, alles erscheint grau in grau, Situationen werden negativ interpretiert und man kann sich nur noch an negative Erlebnisse erinnern. Deshalb möchte Charlie Brown in einer depressiven Stimmung seinen Kopf nicht anheben. Eine aufrechte Haltung passt nicht in sein Muster und würde dadurch mehr Energie benötigen. Es würde Informationen aufeinander treffen, die nicht zusammen passen und er könnte in seinem Zustand, in seinem Tal, nicht mehr „ausruhen.“

Antriebslos

Motivationslos Niedergeschlagen

Negative Gedanken

Traurig

Schuldgefühle

Verlangsamte Reaktionen

Gebückte Haltung

Suizidgedanken

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Das stimmige Netzwerk einer psychischen Störung führt zu einer unangemessenen In-formationsverarbeitung und somit auch zu Leid. Die in sich stimmige Organisation des Netz-werks kann ebenfalls als Ausruhen in einem Tal angesehen werden. Das folgende Schaubild zeigt, wo eine solche Störung in der Hügellandschaft angesiedelt werden kann.

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Obwohl das Gehirn in diesem Beispiel ein Muster geschaffen hat, das in sich stimmig ist und somit wenig Energie benötigt, um die Informationen aus unserer Umwelt zu verarbeiten, gäbe es einen Zustand, der weniger von Leid begleitet wäre. Dieser Zustand würde sich ganz unten im Tal befinden, wo die Spannung am niedrigsten ist. Das Schaubild zeigt, dass wir uns im Zustand der Depression ausruhen können. Es besteht jedoch ein hohes Mass an Spannung darin, welches als Leid empfunden wird. So ist es auch mit anderen psychischen Krankheiten. Es handelt sich um Netzwerke, deren Einheiten gut zusammen passen und sich so gut eingependelt haben, dass wenig Energie be-nötigt wird, wenn sie durch die Informationen aus der Umwelt aktiviert werden. Trifft eine passende Information ein, wird ohne grossen Aufwand das ganze Netzwerk aktiviert. Deshalb können wir uns auch kaum gegen die entstehenden Muster wehren, weil sie automatisch ak-tiviert werden. Dennoch ist diese Art der Informationsverarbeitung, wenn sie eine Störung zur Folge hat, nicht ideal, da sie Leid mit sich bringt oder dazu führt, dass wir den Alltag nicht mehr meistern können. Hierbei gibt es Störungen, die sich auf einen bestimmten Zustand beschränken, wie die Angst vor dem Hund, die dann entsteht, wenn sich ein Hund in der Nähe befindet. Es gibt aber auch Störungen, wie die vorhin beschriebene Depression, deren unan-genehmen Aspekte sich auf alle Lebensbereiche beziehungsweise Zustände ausgeweitet haben. Das bedeutet, dass unserer Gehirn Verbindungen zwischen dem Depressions-Netzwerk und den anderen Netzwerken geschaffen hat. Oder es kann auch sein, dass durch eine psychische Störung weitere entstehen, da das Vorhandensein einer Störung die Entstehung einer weiteren bedingt und fördert.

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4. Veränderungen durch Psychotherapie

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Ziel der Psychotherapie ist es, den Menschen in einen spannungsärmeren und somit angenehmeren Zustand zu bringen, welcher nicht mehr von soviel Leid begleitet wird. Das bedeutet, dass die dominanten Muster, welche die Informationen verarbeiten, verändert werden beziehungsweise neue geschaffen werden müssen. Übertragen auf die Hügel-landschaft heisst das, dass man, um vom einen Tal in das andere zu gelangen, zuerst über einen Hügel muss, was vorerst Anstrengung erfordert. Ein logisches Netzwerk, dessen Aktivierung nicht viel Energie benötigt, muss aufgelockert oder hinterfragt werden, was kurzfristig zu einer grösseren Spannung führt. Man kann sich vorstellen, wie eine Kugel aus dem Tal über den Berg ins nächste Tal gerollt werden soll. Dies erfordert Energie. Im vor-angegangenen Kapitel wurde bereits angesprochen, dass die Spannung dann erhöht wird, wenn gewisse Informationen nicht zu unserem Netzwerk passen. Um diese unpassenden In-formationen zu verarbeiten, braucht es mehr Energie. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein depressiver Patient darauf aufmerksam gemacht wird, wie schön doch die Frühlingsblumen sind oder er gebeten wird, doch bitte die Füsse beim Gehen anzuheben. Die gegebenen Informationen passen nicht zum Netzwerk. Normalerweise werden diese Infor-mationen nach dem Auftreten der anfänglich ausgelösten Spannung wieder überhört, wodurch das Ausruhen im bestehenden Muster wieder ermöglicht wird. Spannung kann auch dann erhöht werden, wenn die gelieferte Information nicht mehr auf alle Verarbeitungsknoten zutrifft und sie dadurch nicht wie üblich aktiviert werden. Das kann passieren, wenn das soziale Umfeld eines depressiven Patienten plötzlich nicht mehr soviel Fürsorge schenkt oder ihn nicht mehr schont. Es ist Ziel der Psychotherapie, den Hügel um ein Tal herum erfolgreich zu überwinden und nicht wieder zurück in das ungünstige Tal zu fallen. Bestenfalls werden gute Täler zusammengefügt, indem grosse, integrierte Muster gebildet werden. Alternativ können Hügel auch überwunden werden, indem Tunnels in die Hügel gegraben werden. Das würde konkret heisse, dass Hindernisse aus dem Leben abgebaut oder Probleme gelöst werden.

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In diesem Sinne schafft Psychotherapie sowohl die Bedingungen, die für die Auflockerung von Mustern notwendig sind und fördert mittels gezielter Methoden das Bilden neuer Netzwerke. Es wird geschaut, unter welchen Bedingungen das Störungsmuster aufgebaut wurde und weshalb es sich nicht von alleine durch die gelieferten Informationen der Umwelt in ein tiefer gelegenes Tal begeben konnte. Die einzelnen Verarbeitungsknoten des Netz-werkes werden ausfindig gemacht und es wird untersucht, inwiefern sich jene auf einen Zu-stand beschränken oder sich auf andere ausgebreitet haben. An jenen Aspekten setzt die Psy-chotherapie an, um die bestehenden Muster optimal zu flexibilisieren und umzumodellieren. Dabei muss einem bewusst sein, dass diese Prozesse die vorhin beschriebene Spannung erzeugen, die für die Patienten oftmals nicht angenehm ist oder ihnen das Gefühl vermitteln, dass das, was unter therapeutischer Anleitung gemacht wird, nicht richtig ist. Dies kann bei-spielsweise der Fall sein, wenn in der Psychotherapie Gefühle ausgelöst werden, die das Netz-werk bisher aussen vor gelassen hat und dem Patienten somit unangenehm sind. Oder es kann auch passieren, dass der Therapeut gemeinsam mit dem Patienten eine Situation auf-sucht, welche bisher vermieden wurde, um das Netzwerk, welches Angst auslöst, nicht zu aktivie-ren. Wenn der Patient vom Therapeuten aber unterstützt wird, diese unangenehme Situation durchzuhalten, macht der Patient im Endeffekt eine neue Erfahrung. Er lernt, dass er fähig ist, diese Situation durchzustehen, wodurch das alte Netzwerk diese neue Erfahrung in sich aufnehmen kann und dieselbe Situation in Zukunft nicht mehr als so bedrohend eingeschätzt wird.