Das Schwert des Volkes - ReadingSample · >scaccia e tira < der Fall ist; pariert einer einen...

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Das Schwert des Volkes Geschichte, Kultur und Methodik des traditionellen, italienischen Messerkampfes Bearbeitet von Roberto Laura 1. Auflage 2015. Buch. 672 S. Hardcover ISBN 978 3 7323 5244 9 Format (B x L): 17 x 22 cm Gewicht: 1314 g Weitere Fachgebiete > Geschichte > Kultur- und Ideengeschichte schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Das Schwert des Volkes

Geschichte, Kultur und Methodik des traditionellen, italienischen Messerkampfes

Bearbeitet vonRoberto Laura

1. Auflage 2015. Buch. 672 S. HardcoverISBN 978 3 7323 5244 9

Format (B x L): 17 x 22 cmGewicht: 1314 g

Weitere Fachgebiete > Geschichte > Kultur- und Ideengeschichte

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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Das Schwert des Volkes

Geschichte, Kultur und Methodik des

traditionellen, italienischen Messerkampfes

von Roberto Laura

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung 22

Kapitel 1 36

Traditional Italian Knife Fighting

Eine Einführung

1.1 Einleitung 37

1.2 Der Versuch einer Definition 38

1.3 Ein Ausflug in die Vergangenheit 42

1.3.1 Die ersten Schritte 42

1.3.2 Genua, Ligurien 43

1.3.3 Manfredonia, Apulien 44

1.3.4 Sizilien und die A.S.A.M.I.R. 46

1.3.5 Canosa, Apulien 47

1.4 Die Pfeiler des Gebäudes 48

1.4.1 Ein freier Geist im Dienste des Fortschritts 52

1.4.2 Der eine folgenschwere Fehler 56

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Einleitung

>>Bei diesem Vorhaben ist anzumerken, dass im ganzen Süden Italiens,

beginnend beim Landleben vor Rom, das Messer nicht als verräterische Waffe,

sondern als >Schwert des Volkes< betrachtet wurde.<<

Corrado Tommasi-Crudeli,

La Sicilia nel 1871,

Florenz, 1871

Dieses Buch dient dazu, dem Leser den Weg der traditionellen

italienischen Fechtschulen mit Messer und Stock näher zu bringen und

dadurch ein Stück zu deren Erhalt beizutragen. Es erhebt nicht den

Anspruch auf Vollständigkeit. Aber wie soll man die Geschichte des

süditalienischen Messers erzählen? Bis noch vor wenigen Jahren lagen

diese alten Künste für Unbeteiligte im Verborgenen. Es ist eine Ge-

schichte der Verschwiegenheit, der omertà. Schwüre und Bünde sowie die

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Aber an dieser Stelle möchte ich besonders maestro Salvatore D‘Ascanio

erwähnen, der hinsichtlich dieser Tradition technisch den wichtigsten

Einfluss auf meine Entwicklung hatte. Er war es, der mir die Feinheiten

dieser alten Schule aus Manfredonia letztendlich und gänzlich auf-

geschlüsselt hat (siehe Kapitel 6), auch wenn dieser Zweig von den vor-

herigen technisch, didaktisch und auch terminologisch etwas abweicht.

Maestro D‘Ascanio verbesserte meine Dynamik. Er lehrte mich bezüglich

dieser Schule Wichtiges von Unwichtigem noch besser zu unterscheiden.

Zudem erhielt ich durch ihn eine verfeinerte und lebendigere Form der

Didaktik.

(2) Maestro Salvatore D‘Ascanio

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2.3.1 Kunst und Literatur

Rinascimento ist ein italienischer Be-

griff, den der Künstlerbiograph

Giorgio Vasari erstmals im Jahr

1550 verwendet hatte. Der Ur-

sprung der Renaissance6 liegt

vermutlich im späten 14. Jahrh-

undert in Siena, im Norden Ita-

liens. Siena musste die Vorherr-

schaft jedoch nach einer verheer-

enden Pestepidemie an Florenz

abgeben. Die Florentiner ließen

die Renaissance erblühen, bis sich

der Schwerpunkt letztendlich nach

Rom verlagerte, der Ewigen Stadt. Das 15. und 16. Jahrhundert gelten

als die Hauptphasen dieser Epoche.

Als Ende der Renaissance gilt weitgehend der Anfang des 17. Jahr-

hunderts. Ab diesem Zeitraum spricht man von der Epoche des Ba-

rocks. Kinder der Renaissance waren zum Beispiel eine ganze Gene-

ration Maler und Bildhauer, wie zum Beispiel Donatello (1386–1466),

Da Vinci (1452–1519), Raffael (da Urbino; 1483–1520), Tizian (14[?]–

6 Wir einigen uns der Einfachheit wegen auf die heute verwendete Begrifflichkeit.

(3) Michelangelo, ein Portrait von Baccio

Bandinelli

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2.5.6 Ferdinando Alfieri

Ferdinando Alfieri war ein

italienischer Fechtmeister des

Frühbarocks20 aus der Stadt

Padua, den ich wegen lite-

rarisch und wissenschaftlicher

Gründe erwähnen möchte.

Alfieri ist für die erste fechter-

ische Zäsur in Italien ver-

antwortlich. Sein Werk aus

dem Jahr 1640, La Scherma di

Francesco Alfieri, zeigte die Fechter, im Gegensatz zu seinen Vorgängern

(Agrippa, Giganti, Fabris und Capo Ferro), nicht mehr klassisch nackt.

Er stellt sie im Sinne Marozzos wieder in der Garderobe ihrer Zeit dar.

Alfieri war es, der sich als erster durch Zitate und Stellungnahmen

namentlich auf vorangegangene Fechtmeister bezog. Er schätze z. B.

Fabris fechterisch sehr, während er Marozzo und Capo Ferro in vielen

Punkten heftig widersprach. So wurde Alfieri zum ersten doku-

mentierten Exponenten der Traditionskritik, zumindest in Italien. Vor

Alfieri wagte nämlich der deutsche Heinrich von Gutenrrodt eine offene

und beißende Kritik an den deutschen Fechtgilden.

20 Auch das Barock war eine ursprünglich italienische Entwicklung, die sich aus der Spätrenaissance

und dem Manierismus hervortat. Vom Frühbarock spricht man circa bis zum Jahr 1650.

Architektonisch prägt das Barock noch heute ganze Landstriche Westeuropas.

Alfieri – Konterstich in Sekund

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3.2 Kulturelle Einflüsse vor Ort, Legenden und erste Hinweise

auf Duelle

3.2.1 Das ritterliche Puppentheater

Die süditalienischen Schulen des Messers

und des Stockes beflügelten durch ihre

undurchsichtige Art und durch ihren Mysti-

zismus die Fantasie vieler Praktikanten. Es

waren die Legenden und Mythen um Ritter

oder auch um Söldner, die Geheim-

organisationen, die okkulten Bräuche, die

Schwüre und das stets wiederkehrende

Mantra über Ehre, Demut und Stolz, die das

Interesse weckten. Vor allem waren es die

Mythen, die teilweise heute noch dem

Suchenden suggerieren, es gäbe etwas Eli-

täres hinter der Fassade des alltäglichen Lebens, eine geheime Welt

hinter der Welt. Eine Kaste, die angeblich noch das verkörpert, was sich

viele in ihrer Jugend als erstrebenswert vorstellten: wahre Freundschaft

und Loyalität, Ehrenhaftigkeit, Würde, Respekt, Gerechtigkeit, ver-

borgenes Wissen, Ritterlichkeit. Teilweise waren diese Werte vielleicht

vorhanden, meistens aber nicht. Und so bestaunten die kleinen Jungen

und Mädchen bereits von Kindesbeinen an die Opera dei pupi, das

traditionelle Puppentheater aus Sizilien, das aber auch in den anderen

(6) Ein pupo siciliano

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Sfregi – die Schandmale

Verräter wurden durch einen soge-

nannten Schnitt der Schande, dem

sfregio, >>gezeichnet<<. Man nannte

diesen teilweise auch tagliata ‘e faccia

oder auch ‘ntaccata ‘e ‘mpigna (Usi e

Costumi dei Camorristi, De Blasio,

1897). Die sogenannten sfregiatori,

Kriminelle sehr niederen Ranges,

die von den camorristi nicht als

gleichwertig betrachtet wurden,

verwendeten für die Schandmale

ein Rasiermesser mit feststehendem

Griff. Auf den (Gefängnis)Inseln,

wo keine wahren Waffen zur Ver-

fügung standen, verwendete man

zum Anbringen des Schandmals das liebste Mittel der sizilianischen

mafiosi: eine zwei Cent Münze mit einem extrem scharfen Rand. Sofern

das Schandmal besonders schlimm sein sollte, brachte man zusätzlich

Kerben in den Rand der Münze an. De Blasio beschreibt zudem ver-

schiedenen Arten des Schandmals: a scipo, a sbarzo und a caca-faccia. Bei

der ersten Methode wird dem Opfer entweder mit scharfen Rasier-

messern (taglienti) oder auch mit Glasscherben das Gesicht zerschnitten.

(18) Schandmale (sfregi), Anonym, 1906

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Vier farbige Tücher, der

Reihe nach weiß, gelb, grün

und rot, kennzeichnen den

Stand der Mitglieder, tech-

nisch wie auch gesellschaft-

lich (diese Kennzeichnung

entspricht zumindest dem,

was mir einst ein Meister

eines Zweiges dieser Tra-

dition vermittelt hatte). Während das weiße Tuch den Novizen kenn-

zeichnet, steht das rote Tuch für einen Mann, der Blut vergossen hat, der

mit dem Messer z. B. seine Ehre oder die Ehre Schutz-bedürftiger

verteidigt hat. Innerhalb der kriminellen Clans ersetzen die Tücher auch

die für eine Taufe benötigten fehlenden Männer. Ränge und Titel gab es

zu Hauf: giovane d‘onore (Jüngling von Ehren), camorrista bzw. cavaliere

d‘onore (Ritter der Ehre), cavalieruomo di umiltà (Ritter und Mann der

Demut) oder den cavaliere di seta (Ritter aus Seide), die höchste technische

Stufe einiger Zweige, die sich dieser Titel bemächtigten. Das rote Tuch

steht stellvertretend für diesen Titel. Die Titel picciotto di sgarro (Kleiner

des >>Schutzgeldes<< bzw. der Tantieme) und cavaliere bzw. camorrista di

sangue (Ritter des Blutes) werden heute zumeist nicht öffentlich benannt,

da sie zu offensichtlich einen Bezug zu den >>Ehrenwerten Gesell-

schaften<< aufweisen.

Die vier Tücher, die den Rang der camorristi und

Fechter darstellen

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5. Bei de Blasio finden wir auf Seite 116 in einer Fußnote den Verweis

auf einen Artikel der Zeitung Pungolo parlamentare vom 18. Januar 1897:

>>[…] Aber, schlagartig, hat sich einer der beiden (Kontrahenten), um die

Menge zu beobachten, eine Blöße gegeben. Und der andere, schnell wie der Blitz, hat

ihm im Gesicht verletzt. Er hat sich (sogleich) tapfer gefühlt; der Verletzte hat (statt-

dessen) vor Wut und Schmerz(en) geschrien. Und dann, allen Vorgaben des sizilia-

nischen (Messer)Fechtens zum Trotz, ist er losgestürmt (Anm.: man darf auf Sizi-

lien, wie erwähnt, im Duell nicht zum Gesicht angreifen). Mit einem Sprung hat er es

geschafft seinerseits den Gegner zu verletzen, um daraufhin, wie ein perfekter Fechter,

wieder in Deckung zu fallen.<<

6. Auch muss man hier die Duelle und die regellosen Straßenstechereien

der römischen bulli erwähnen, die Riccardo Mariani, wie in Kapitel 3

schon angedeutet, 1958 in mehreren Artikeln für die Zeitung Tempo ver-

fasste. Zudem schrieb er um 1970 das Buch >Roma in bianco e nero< und

wurde somit zum Erzähler dieser >>Heldentaten<<, die mit den

verschiedensten Waffen durchgeführt wurden (Mariani berichtet unter

anderem von Duellen mit Äxten).

Seine Berichte basieren auf den Erzählungen des ehemaligen bullo

Augusto Negri, genannte ‘er Manciola. Anbei einige Zeilen über diese

Meister des römischen Messers, sei es für das Duell wie auch für die

regellose Auseinandersetzung (questione). Im Text wird beides zwar unter-

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Libera oder parata chiusa – die Freie bzw. die geschlossene

Parade

Diese frontal ausgerichtete

Pose kann eine Fechtstellung

wie ebenfalls eine Vertei-

digung bzw. auch ein Angriff

sein, je nach Intention. Mit

dem Messer verschließt man

der gegnerischen Waffen den

Weg zu den verwundbaren

Stellen. Man sagt dazu parata

chiusa, die >>geschlossenen<<

Parade. Der waffenlose Arm

sichert zudem den Bereich

hinter der eigenen Klinge,

sollte der Gegner es schaffen,

diese zu passieren. Man er-

innere sich aber auch an die

übertragene Bedeutung eines

anderen Zweiges aus Manfredonia: libera, die Freie, im Sinne von edel

und anständig aber auch frei und eigenständig. Ein Mensch also, der für

die eigenen Handlungen verantwortlich, sprich souverän ist.

Parata chiusa

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6.3.4.2 Eine freie Erzählung

Folgend noch Auszüge aus einer freien Erzählung des Meisters Donadei,

die im Rahmen dieser interessanten Dokumentation samt Interview

ebenfalls festgehalten wurde. Auch diese Erzählung ist Bestandteil des

erwähnten Buches von Davide Monaco:

>>Beginnt man, um es vorsichtig auszudrücken, zu musizieren, zum Klang der

Musik zu tanzen, beginnt man damit auch zu fechten (pazziare). So nennt man das:

>Pazziare< heißt Fechten. Und so stellen sich die zwei gegenüber auf, die dieses

Gefecht ausfechten müssen. Dann folgen also Bewegungen mit den Beinen und den

Fingern (Anm.: Innerhalb dieser Schule findet der Unterricht wie auch das spie-

lerische Fechten auch ohne Waffe statt. Stattdessen symbolisieren Zeige- und

Mittelfinger das Messer). Man gibt Zeichen, im fechterischen Sinne. Und dann hat

man noch die >chiamate< (Rufe, Einladungen; siehe namensgleich die >chiamata<

innerhalb der Tradition aus Manfredonia). Ruft sozusagen ein Fechter den anderen,

muss dieser den Schlag hereinbringen, damit der andere in >verjagen< kann (Anm.:

>scacciare< steht hier entfernt und sinnbildlich für parieren). Erfolgt diese Reihenfolge

nicht, schlagen halt beide zu, wie dies im >scaccia e tira< der Fall ist; pariert einer

einen Angriff, startet er sogleich einen anderen und umgekehrt, um es kurz zu

machen.

So versuchen also beide die lebenswichtigen Bereiche des anderen zu treffen oder,

um es besser auszudrücken: Sie versuchen dort zu treffen, wo der Fechtpartner offen

ist. Es ist ein Kampf, jeder versucht viel mehr Figuren zu vollführen als die anderen,

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kombination dazu, den Gegner zu treiben und dabei gezielt zu steuern.

Primär liegt der Nutzen des colpo d‘attacco aber darin, Lücken in der Dek-

kung des Gegners zu erzielen. Es sind aber auch Einladungen enthalten.

Colpi d‘assalto (sizil. coppi d‘assattu) – die Überfallschläge bzw.

die Anstürme

Die >>Anstürme<< bestehen aus

einer einfachen Stichfinte mit an-

schließendem Ausfall und einem

Stich zur Brust. Es gibt jedoch

noch weitere Variationen, auch

solche für den Kampf auf der

Straße. Im Gegensatz zu den

vorherigen und folgenden Lek-

tionen besteht diese aus zwei Ab-

läufen: Nachdem man die >>Über-

fälle<< oder auch die >>An-

stürme<< dreimal vorwärts aus-

geführt hat, begeht man den Rük-

kweg mit einer Einladung samt

seitlichen Rückschritten. Die colpi d‘assalto werden in der Schule einfach

ausgeführt. In Wirk-lichkeit kombiniert man sie mit einer Reihe

Einladungen und Positions-verschiebungen.

Die freie Hand begleitet den Stich

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Peso morto – totes Gewicht: Dieses Prinzip schult, wie man mit dem

eigenen Körpergewicht das Gleichgewicht des Gegners bricht. Eine

Darstellung ist nur schwer möglich.

Far sedere il monaco – den Mönch zum Sitzen bringen: Eine

Bindung, die lehrt, den Gegner >>in die Knie<< zu zwingen. Hier gilt,

die gegnerische Waffe derart Richtung dessen Körper und nach unten zu

bringen, dass dieser seine Position nicht mehr aufrecht halten kann, dass

er quasi kollabiert. Es gibt diverse Variationen dieser Bindung, tiefe aber

auch eingesprungene. Der Name soll daher stammen, dass die Kinder

der Stadt aus Jux und Tollerei einst den Priestern in die Kniekehlen tra-

ten, um diese zu Fall zu bringen.

Eine eher offene Variante der incrociata

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Auch waren die genuesischen See-

fahrer dieser Zeit als aggressive und

kampfstarke Zeitgenossen bekannt.

Englische Schiffe hissten deshalb

beim Erscheinen von Piraten ab 1190

n. Chr. die genuesische Flagge, das

Georgskreuz (die Genuesen hatten

dieses Symbol aus den Kreuzzügen

kurzerhand zu ihrer Flagge gekürt).

Und somit standen sie unter dem

Schutz der genuesischen Republik,

wofür sie den geschäftstüchtigen

Mittelmeerbewohnern jährlich Tribut zahlen mussten. Ab dem 13. Jahr-

hundert wurde Sankt Georg zum Schutzheiligen Englands.

9.3 Der antike beidhändige Stock aus Genua

Die Geschichte des genuesischen Stockes basiert zum einen auf das

schnörkellose Wesen der Praktikanten, zum anderen angeblich auf Pera,

dem genuesischen Stadtteil von Konstantinopel. Denn als Dank für ihre

Unterstützung bei der Rückeroberung von Konstantinopel wurde der

Republik Genua im Jahr 1273 n. Chr. dieser Stadtteil überlassen. In

welchem Zeitraum der genuesische Stock dort entwickelt worden sein

soll bzw. ob er tatsächlich aus Pera stammt, ist bloße Vermutung, rein

(43) Andrea Doria als Neptun von

Angelo Bronzino, circa 1440–1450

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Hier sehen Sie ein sehr

schönes rasolino aus Si-

zilien, ein >>Rasiermes-

ser<< aus der Mitte des

19. Jahrhunderts: Das

rasolino wurde für das

Zufügen von Schand-

malen (sfregi) verwendet.

In der Regel wurden

Kerben in die Schneide eingeprägt, um die Wunde hässlicher zu

gestalten. Wollte man aber einen >>Ehrenmann<< schänden, musste der

Schnitt fein sein. Das rasolino verfügte über ähnliche Eigenschaften wie

ein reguläres Rasiermesser, es war jedoch wesentlich stabiler. Es besaß

eine einfache Feder, und geöffnet war es 20–24 cm lang. Das rasolino ist

jedoch neapolitanischen Ursprungs.

Ein eingeklapptes rasolino

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