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1 spielbox EDITORIAL S ollte ich mich eines schwerwiegen- den Verstoßes gegen mein Ehe- gelübde schuldig machen, blüht mir mehr als nur das übliche Ungemach. Meine Frau, so ließ sie durchblicken, wür- de dann die Pappcounter aller meiner Cosims auf einen Haufen schütten. Das wären wohl hunderttausende. Wollte ich sie wieder sortieren, bliebe keine Zeit mehr für irgendwelche Eskapaden. Mein Leben lang. Daran, dass dies kürzer sein kann als erwartet und wie die Zeit ver- geht, erinnerten uns bedauerlicherweise zwei spielbox-Kollegen, die binnen einer Woche zu Grabe getragen werden muss- ten (s. S. 62 u. 63). Mögen wir am Spieltisch noch immer die Kindsköpfe sein, die wir mal waren, besteht das spielbox-Team von wenigen Ausnahmen abgesehen doch aus einer Riege älterer Herren. Und selbstverständ- lich prägt der Jahrgang die Sicht auf die Dinge unseres Hobbys. Dass wir unseren Lesern im Durchschnitt nur zehn Jahre voraus sind, ist normalerweise kein Grund zum Jubeln, hat aber auch etwas Positi- ves, weil anzunehmen ist, dass diese un- sere Vorlieben und Abneigungen teilen. Früher ein Jäger und Sammler reagiere ich zunehmend ablehnend auf unnützen Materialaufwand. Wenn sich unsere Serie Spielelemente der Neuzeit (s. S. 34) dies- mal mit verborgenen Spielerfarben be- schäftigt, führt sie am Beispiel von Heim- lich & Co ganz nebenbei vor Augen, wie wenig Material vor ein paar Jahrzehnten für preisgekrönte Spiele nötig war – und nein, früher war keineswegs alles besser. Zugegebenermaßen könnte Heimlich & Co heute wohl keinen Blumentopf mehr gewinnen. Adel verpflichtet hingegen schon, obwohl es neben dem Spielplan nur aus fünf Figuren und 95 Karten be- steht. Verglichen mit diesem Teuber-Werk war sein Drunter & drüber mit 60 Pappplättchen neben 38 Karten und vier Halmakegeln schon fast eine Ausstat- tungsorgie. Wirklich in diese Kategorie fielen das astronomisch teure 1829 oder Big Boss, für dessen Ausgabe im Akten- koffer man das Taschengeld eines ganzen Jahres hätte hinblättern müssen. Die fünf genannten und alle anderen Spiele dieser Zeit hatten ge- mein, dass sich jedes einzelne Stück Material auf dem kalkula- torischen Prüfstand beweisen musste. Heutzutage scheint ein großer Fußabdruck für Qualität zu stehen. Und offensichtlich haben sich die Her- stellungs- und Wettbewerbsbedingungen derart verändert, dass mancher Verlag lie- ber einen Stanzbogen zu viel als zu wenig beipackt, damit das Produkt bloß wertig genug aussieht. Bis vor kurzem ließ auch ich mich von Säcken voller Gemüsemee- ple beeindrucken, und die Plättchensta- pel konnten nach dem Auspöppeln nicht hoch genug sein. Inzwischen nervt mich das viele Zeug eher – und das nicht etwa, weil alles auf einem riesigen Haufen zu landen droht. Vielmehr weil vieles davon überflüssig ist. Braucht es bei Potion Ex- plosion (s. S. 40) wirklich 64 Pappfläsch- chen, wo doch nur acht in der Wirkung verschiedene Tränke existieren? Wäre es bei Simurgh (s. S. 42) nicht mit der Hälfte der 72 Papptafeln getan, und hätten die- se Tafeln nicht Spielkarten sein können, wodurch obendrein das Mischen leichter fiele? Immer häufiger wird durch randvol- le Schachteln Vielfalt vorgegaukelt, die spielerisch kaum Niederschlag findet. Kickstarter mag nicht die Ursache für die zunehmenden Materialschlachten sein, doch durch die dort unvermeidlichen Stretch-Goals verdirbt Kickstarter den Charakter. Wurden die nötigen Euro für die nächste Stufe gezeichnet? Gut, dann hier: noch ein Drachen (Simurgh: Call of the Dragonlord), noch ein Kunst- werk (The Gallerist) oder auch noch die Wasserflaschen der Abenteurer als Plas- tikminiatur (Outlive). Blöd für all jene, die mehr vom Spielmaterial erwarten als Schachtelgewicht. Blöd vor allem aber für herkömmlich produzierende Verlage, die unweigerlich an Kickstartermaßstäben gemessen werden und sich schwertun, diesen zu genügen. Die Kickstarter zugrundeliegende Idee ist, Projekte ans Laufen zu bringen, die sich anders nicht hätten realisieren las- sen. Doch im Spielebereich dient diese Plattform immer mehr dazu, Ideen aufzu- blasen, bis sie aussehen wie Liberace in Las Vegas. Matthias Hardel Bei Gravity Maze rollt eine Metallkugel durch Türme aus durchsichtigem Kunst- stoff ins Ziel - allerdings muss bei allen 60 Aufgaben vorher die Bahn ausgetüftelt werden! Die unterschiedlich großen Türme haben in ihrem Inneren Löcher und gebogene Wände und bilden nur richtig kombiniert einen Weg durch das Labyrinth. E in magnetischer Turm, bestehend aus zwei Hälften, steht vor jedem Spieler. Im Inneren verbirgt sich ein geheimer Code aus einer Zahl und einer Farbe. Nun versucht ihr, die geheimen Kombinationen eurer Mitspieler zu erraten. Aber Vorsicht: Bei einem Falschen Verdacht, fliegt ihr selber aus dem Spiel. Wer am Ende durch gutes Erinne- rungsvermögen und viel Scharfsinn alle Codes kennt, wird König von Merkurya! Das spannende Merkspiel für helle Köpfe Jetzt auf www.hcm-kinzel.eu bestellen HCM Kinzel GmbH | Felix-Wankel-Str. 9/1 74374 Zaberfeld | DE | Tel +49 70 46 982-0 Fax +49 70 46 982-16 | [email protected] www.hcm-kinzel.eu das erste Denk- und Logikspiel mit magnetischen Türmen kurze Vorbereitungszeit schlanke, viersprachige Spielanleitung, dadurch schnell erklärt mehrere Spielvarianten möglich, zum Beispiel schnelles oder einfaches Spiel Liberace in Las Vegas

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EDITORIAL

Sollte ich mich eines schwerwiegen-

den Verstoßes gegen mein Ehe-

gelübde schuldig machen, blüht

mir mehr als nur das übliche Ungemach.

Meine Frau, so ließ sie durchblicken, wür-

de dann die Pappcounter aller meiner

Cosims auf einen Haufen schütten. Das

wären wohl hunderttausende. Wollte

ich sie wieder sortieren, bliebe keine Zeit

mehr für irgendwelche Eskapaden. Mein

Leben lang. Daran, dass dies kürzer sein

kann als erwartet und wie die Zeit ver-

geht, erinnerten uns bedauerlicherweise

zwei spielbox-Kollegen, die binnen einer

Woche zu Grabe getragen werden muss-

ten (s. S. 62 u. 63).

Mögen wir am Spieltisch noch immer

die Kindsköpfe sein, die wir mal waren,

besteht das spielbox-Team von wenigen

Ausnahmen abgesehen doch aus einer

Riege älterer Herren. Und selbstverständ-

lich prägt der Jahrgang die Sicht auf die

Dinge unseres Hobbys. Dass wir unseren

Lesern im Durchschnitt nur zehn Jahre

voraus sind, ist normalerweise kein Grund

zum Jubeln, hat aber auch etwas Positi-

ves, weil anzunehmen ist, dass diese un-

sere Vorlieben und Abneigungen teilen.

Früher ein Jäger und Sammler reagiere

ich zunehmend ablehnend auf unnützen

Materialaufwand. Wenn sich unsere Serie

Spielelemente der Neuzeit (s. S. 34) dies-

mal mit verborgenen Spielerfarben be-

schäftigt, führt sie am Beispiel von Heim-

lich & Co ganz nebenbei vor Augen, wie

wenig Material vor ein paar Jahrzehnten

für preisgekrönte Spiele nötig war – und

nein, früher war keineswegs alles besser.

Zugegebenermaßen könnte Heimlich &

Co heute wohl keinen Blumentopf mehr

gewinnen. Adel verpflichtet hingegen

schon, obwohl es neben dem Spielplan

nur aus fünf Figuren und 95 Karten be-

steht. Verglichen mit diesem Teuber-Werk

war sein Drunter & drüber mit 60

Pappplättchen neben 38 Karten und vier

Halmakegeln schon fast eine Ausstat-

tungsorgie. Wirklich in diese Kategorie

fielen das astronomisch teure 1829 oder

Big Boss, für dessen Ausgabe im Akten-

koffer man das Taschengeld eines ganzen

Jahres hätte hinblättern müssen. Die fünf

genannten und alle anderen Spiele dieser

Zeit hatten ge-

mein, dass sich

jedes einzelne

Stück Material

auf dem kalkula-

torischen Prüfstand

beweisen musste.

Heutzutage scheint

ein großer Fußabdruck

für Qualität zu stehen.

Und offensichtlich haben sich die Her-

stellungs- und Wettbewerbsbedingungen

derart verändert, dass mancher Verlag lie-

ber einen Stanzbogen zu viel als zu wenig

beipackt, damit das Produkt bloß wertig

genug aussieht. Bis vor kurzem ließ auch

ich mich von Säcken voller Gemüsemee-

ple beeindrucken, und die Plättchensta-

pel konnten nach dem Auspöppeln nicht

hoch genug sein. Inzwischen nervt mich

das viele Zeug eher – und das nicht etwa,

weil alles auf einem riesigen Haufen zu

landen droht. Vielmehr weil vieles davon

überflüssig ist. Braucht es bei Potion Ex-

plosion (s. S. 40) wirklich 64 Pappfläsch-

chen, wo doch nur acht in der Wirkung

verschiedene Tränke existieren? Wäre es

bei Simurgh (s. S. 42) nicht mit der Hälfte

der 72 Papptafeln getan, und hätten die-

se Tafeln nicht Spielkarten sein können,

wodurch obendrein das Mischen leichter

fiele?

Immer häufiger wird durch randvol-

le Schachteln Vielfalt vorgegaukelt, die

spielerisch kaum Niederschlag findet.

Kickstarter mag nicht die Ursache für die

zunehmenden Materialschlachten sein,

doch durch die dort unvermeidlichen

Stretch-Goals verdirbt Kickstarter den

Charakter. Wurden die nötigen Euro für

die nächste Stufe gezeichnet? Gut, dann

hier: noch ein Drachen (Simurgh: Call

of the Dragonlord), noch ein Kunst-

werk (The Gallerist) oder auch noch die

Wasserflaschen der Abenteurer als Plas-

tikminiatur (Outlive). Blöd für all jene,

die mehr vom Spielmaterial erwarten als

Schachtelgewicht. Blöd vor allem aber für

herkömmlich produzierende Verlage, die

unweigerlich an Kickstartermaßstäben

gemessen werden und sich schwertun,

diesen zu genügen.

Die Kickstarter zugrundeliegende Idee

ist, Projekte ans Laufen zu bringen, die

sich anders nicht hätten realisieren las-

sen. Doch im Spielebereich dient diese

Plattform immer mehr dazu, Ideen aufzu-

blasen, bis sie aussehen wie Liberace in

Las Vegas. Matthias Hardel

Bei Gravity Maze rollt eine Metallkugel

durch Türme aus durchsichtigem Kunst-

stoff ins Ziel - allerdings muss bei allen

60 Aufgaben vorher die Bahn ausgetüftelt

werden!

Die unterschiedlich großen Türme haben

in ihrem Inneren Löcher und gebogene

Wände und bilden nur richtig kombiniert

einen Weg durch das Labyrinth.

Ein magnetischer Turm, bestehend aus zwei Hälften, steht vor jedem Spieler. Im

Inneren verbirgt sich ein geheimer Code aus einer Zahl und einer Farbe.

Nun versucht ihr, die geheimen Kombinationen eurer Mitspieler zu erraten. Aber Vorsicht: Bei einem Falschen Verdacht, fliegt ihr selber aus dem Spiel. Wer am Ende durch gutes Erinne-rungsvermögen und viel Scharfsinn alle Codes kennt, wird König von Merkurya!

Das spannende Merkspiel für helle Köpfe

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w w w. h c m - k i n z e l . e u

das erste Denk- und Logikspiel mit magnetischen Türmen kurze Vorbereitungszeit schlanke, viersprachige Spielanleitung, dadurch schnell erklärt mehrere Spielvarianten möglich, zum Beispiel schnelles oder einfaches Spiel

Liberace in Las Vegas

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I INTERVIEW04 I 1,7 Millionen – und kein Ende abzusehen

20 Jahre Wizard

I SERIE09 I Marschbefehl

Oldie: Elefantenparade

34 I Pöppel InkognitoSpielelemente der Neuzeit

I REPORTAGE14 I Gestaltung als brotlose Kunst?

Einkommenssituation von Spieledesignern

27 I Ungebrochener ForscherdrangBoard Game Studies in Nürnberg

I ERWEITERUNGEN17 I German Railroads

37 I Ticket to Ride: United Kingdom

I PORTRÄT22 I Die Furcht vor dem Paketboten

Kirsten Hiese

I EVERGREEN53 I Ein Kind seiner Zeit

The Last Spike

I KRITIK06 I Mama, ich will ein Kind von dir!

Dynasties

10 I (Pi)raten, was kommtSkull King - Das Würfelspiel

12 I Elefant terribleKerala

18 I Willkommen zurück im ClubLegends

20 I Viel Lärm um LichtShakespeare

24 I Gemeinsam geht die Welt zugrunde

Pandemic Legacy

30 I Der Kapitän geht als Letzter von Bord

Celestia

32 I Wahnsinn mit variabler DauerAlte Dunkle Dinge

38 I Mehr als 12.000 Unterstützer wollten dabeisein

Winziges Weltall

40 I Explosionen ohne KnalleffektPotion Explosion

42 I Jede Menge DrachenSimurgh

44 I Ein höchst vergänglicher SpaßNitro Glyxerol

46 I Kreuz und quer durch die Staaten

Switching Tracks

48 I Durchhalten bis ein anderer platzt

Ponzi Scheme

50 I MangamurmeltierTragedy Looper

INHALTsp

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I KINDERSPIELE54 I Burg Flatterstein

54 I Das kleine Gespenst - Wettlauf zur Burg Eulenstein

55 I Die Helden von Kaskaria

56 I Ausgefuchst!

56 I Dschungel Bande

I SPIELWIESE57 I Raid & Trade

58 I Game of Trains

59 I Crossing

60 I Pingvasion

I RUBRIKEN26 I Appropos

59 I Impressum

61 I In Kürze

64 I Besser spielen

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3 I 2016

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spielbox: Wie kam Wizard ins Programm

von Amigo?

Uwe Mölter: Ich bin sozusagen der Ent-

decker des Spiels. Das muss 1995 gewe-

sen sein. Für Amigo war es eine gewisse

Umbruch-Zeit, weil Uno, Rage und andere

Spiele gerade aus dem Programm gegan-

gen waren. Es musste also ein neues Kar-

tenspiel-Programm aufgebaut werden.

Mein ehemaliger Kollege Joe Nikisch hat

damals damit begonnen. Für Rage habe

ich einen Nachfolger gesucht. Und in ei-

nem Katalog von U. S. Games habe ich

Wizard gefunden, das dort 1994 erschie-

nen war.

Amigo stand zu U. S. Games wegen Ta-

rot-Karten in Kontakt, die Amigo damals

vertrieben hat. So ist eines Tages der Ka-

talog auf meinem Schreibtisch gelandet,

wir haben das Spiel besorgt, gespielt und

gesehen: Jo! Das macht Spaß! Nach mei-

nem persönlichen Geschmack sogar noch

ein bisschen mehr als Rage. Rage ist un-

berechenbarer, Wizard richtet sich mehr

an Taktiker. Schnell war klar: Das machen

wir!

sb: Und jetzt ist Wizard eine der großen

Säulen im Programm von Amigo. War die-

ser Erfolg zu erahnen?

UM: Wenn wir ein Spiel veröffentlichen,

haben wir natürlich immer die Erwartung

oder zumindest die Hoffnung, dass es er-

folgreich ist. Nicht jedes Mal erfüllt sich

das.

Wizard hatte ich auf jeden Fall das

Potenzial zugetraut, länger im Programm

zu bleiben. Schließlich gab es die Vorer-

fahrung mit dem ähnlichen und sehr er-

folgreichen Rage. Mir war klar, Wizard ist

eines dieser Spiele, bei denen man etwas

Besonderes machen muss.

sb: Damit ist sicher die Grafik gemeint.

Während die amerikanische Ausgabe von

U. S. Games Systems bis heute schlicht ge-

halten ist und nur aus einem Pokerblatt

mit den Sonderkarten Narr und Zauberer

besteht, hat sich Franz Vohwinkel in der

Amigo-Ausgabe so richtig ausleben dür-

fen.

UM: Weil ich einen Fantasy-Look wollte,

habe ich Franz Vohwinkel mit der Grafik

beauftragt. Das Design entstand im stän-

digen Austausch zwischen uns beiden,

das war wie beim Ping-Pong-Spiel. Von

Franz Vohwinkel kam die Idee, jedem

Kartenwert einen Beruf zuzuweisen, hie-

rarchisch aufsteigend vom Dieb über den

Händler bis hin zur Königin. Jede Karte

bekam so ihre eige-

ne Gestaltung. Schließlich kam noch die

Idee dazu, die Völker als Panorama zu ge-

stalten. Nebeneinander gelegt ergeben

alle Werte einer Farbe ein Gesamtbild.

Wenn Magic - The Gathering damals

nicht im Vertrieb von Amigo gewesen

wäre, hätte Wizard wohl nicht diese Fan-

tasy-Grafik bekommen. Wir wollten uns

von der damals gängigen Kartenspiel-

gestaltung absetzen. Viele Kartenspiele

waren abstrakt gestaltet – oder lustig.

Dies entsprach aber nicht dem Charakter

von Wizard. Dem wollten wir Rechnung

tragen.

sb: Die Grafik kann man sicher als einen

der wesentlichen Erfolgsfaktoren anse-

hen?

UM: Zweifellos. Eine derart aufwändige

Grafik für ein reines Kartenspiel war vor

20 Jahren sehr ungewöhnlich. Ich hätte

allerdings nicht erwartet, dass die Fanta-

sy-Grafik auch so sehr Familien anspricht.

Als ich vor neun Jahren mit meiner Fami-

lie im Kroatien-Urlaub war, habe ich im

Hotel beobachtet, dass zwei andere Fa-

milien an zwei Tischen unabhängig von-

einander Wizard spielten. Spätestens da

wusste ich: Es hat sich auf ganzer Linie

durchgesetzt!

sb: Stich-Vorhersagespiele kann man

auch leicht mit einem normalen Po-

ker-Blatt spielen. Hat die Grafik auch den

Zweck, von dieser Tatsache abzulenken,

damit das Spiel trotzdem verkauft wird?

UM: Es ist richtig: Man kann auch mit ei-

nem Normalblatt spielen, und die ameri-

kanische Ausgabe ist ja auch so gestaltet,

und wir sind bewusst davon abgewichen.

Andererseits ist es aber schon ein großer

Unterschied. Mau Mau kann man auch

mit normalen Karten spielen. Trotzdem

ist Uno extrem erfolgreich. Es sind eben

speziell die Sonderkarten, die einen er-

heblichen Zusatzreiz ausmachen. Und vor

allem möchte man als Spieler Atmosphä-

re haben, man möchte sich einfangen las-

sen. Um diese Atmosphäre

Daran erkennt man die treue Fan-Basis: Zum neunten Mal wird in diesem Jahr

die Deutsche Wizard-Meisterschaft ausgetragen, eine vierstellige Zahl von Spie-

lern nimmt an den Vorrunden-Turnieren teil. Wizard, wie wir es kennen, also in

der Amigo-Optik, gibt es in 14 Sprachen und Ländern, allein in Deutschland

wurden über 1,7 Millionen Exemplare verkauft. Woher stammt dieser Erfolg?

Verdanken wir das Stichvorhersagespiel tatsächlich dem Wirken des Archäolo-

gen Dr. Hensch Stone, der laut Spielanleitung selbige unter den Steinplatten

von Stonehenge entdeckt haben soll? Da es nicht möglich war, mit Dr. Stone

persönlich zu sprechen, fragten wir Amigo-Redakteur Uwe Mölter.

1,7 Millionen – und kein Ende abzusehen

20 Jahre Wizard

INTERVIEW

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zu schaffen und um ins Flair einzuführen,

habe ich damals diese Phantasiege-

schichte an den Anfang der Regeln

geschrieben. Vor 20 Jahren gab es

so etwas sonst nicht.

sb: Neben Grafik und Fanta-

sy-Thema: Was sind weitere

Erfolgsfaktoren von Wi-

zard?

UM: In Deutschland

gibt es eine lange Tradi-

tion der Stichspiele. Wenn

man Stichspiele mag, ist die Vor-

hersage, wie viele Stiche ich mache, eine

Herausforderung, die viele Menschen an-

spricht. Autor Ken Fisher hat als Sonder-

karten Narr und Zauberer hinzugefügt,

mit denen nicht bedient werden muss.

Damit hat er einen Kniff geschaffen,

der Wizard locker und taktisch zugleich

macht.

sb: Die aktuelle Jubiläums-Ausgabe zum

20. Geburtstag enthält nun gleich sechs

neue Sonderkarten. Inwieweit war Ken

Fisher bei deren Entwicklung beteiligt?

UM: Mehrere Fans hatten Ideen bei uns

eingereicht. Diese Ideen haben wir mit

Ken Fisher diskutiert, der auch bereits

eigene Sonderkarten entwickelt hat-

te. Er war den neuen Ideen gegenüber

sehr aufgeschlossen und hat sie intensiv

mitgetestet. Ohne seine Hilfe wären die

Karten nicht so geworden, wie sie sind.

Ken Fisher legt großen Wert darauf, dass

das Gleichgewicht des Spiels gewahrt

wird.

sb: Sicher eine schwierige Gratwande-

rung. Denn als Verlag muss man ja auch

immer wieder neue Impulse setzen, um

ein Erfolgsspiel aufzufrischen?

UM: Als Wizard zehn Jahre alt war, ha-

ben wir es in einer Metallschachtel ver-

packt. Das war damals noch etwas Be-

sonderes. Der Ausgabe zum 15-Jährigen

haben wir Metallmünzen zur Anzeige

der angesagten Stiche beigelegt. Für den

Handel machen wir immer wieder beson-

dere Aktionen, außerdem veranstalten

wir regelmäßig Turniere, Deutsche Meis-

terschaften und auch Weltmeisterschaf-

ten an wechselnden Orten.

Im Jahr 2010 haben wir angefangen,

Wizard zur Spielefamilie auszubauen. Zu-

nächst mit Wizard Extreme und Wizard

Junior, später kam

als Schwester noch

Witches hinzu, das Ken

Fisher aus Hearts adaptiert

hat. Alle Spiele sind grafisch ein-

heitlich angelegt. Die Wizard-Fans

kennen es und fühlen sich sofort zu Hau-

se.

sb: Wizard Extreme hieß früher Die sie-

ben Siegel und war schon immer ein tolles

Spiel. Ironischerweise ist es erst als Wi-

zard Extreme eingeschlagen.

UM: Ich bin ein besonderer Fan von Die

sieben Siegel und war immer traurig, weil

es am Markt nicht so richtig funktioniert

hat. Wir hatten es erst in einer größeren

Schachtel, dann haben wir es mit einer

kleinen Schachtel probiert. Beides nur mit

mäßigem Erfolg. Als wir es dann aber in

die Wizard-Familie aufgenommen haben,

hat es sich aus dem Stand so gut verkauft

wie all die Jahre zuvor zusammengenom-

men.

Ganz wichtig ist dabei aber, dass es ein

gutes Spiel ist. Man kann nicht einfach ir-

gendwas unter der Marke Wizard verkau-

fen. Dann funktioniert es nicht.

sb: Wie wichtig ist Wizard für Amigo?

UM: Jeder Verlag lechzt danach, einen

Longseller zu kreieren. Spiele wie Wizard,

Halli Galli, 6 nimmt, Bohnanza und im

Ausland auch ganz stark Saboteur ga-

rantieren Umsatz, weil sie bekannt

sind und immer wieder geordert

werden. Wizard wurde allein

in Deutschland über 1,7

Millionen Mal verkauft.

Wenn sich ein Spiel

durchgesetzt hat,

kann man mit diesen

Zahlen rechnen.

Die Nachproduk-

tion eines Spiels

kostet weniger

Geld als eine

komplette Neu-

entwicklung. Das

heißt, mit Longsel-

lern spart man

Geld, das man wieder

in Neuheiten stecken

kann. Außerdem be-

deutet eine Marke

wie Wizard Renom-

mee. Weil Händler

und Kunden gute

Erfahrungen ge-

macht haben, entwickeln

sie Vertrauen zum Verlag.

sb: Vor zwei Jahren erschien bei Schmidt

Skull King, das Wizard sehr ähnlich ist.

Hat Sie das geärgert?

UM: Geärgert nicht, gefreut aber auch

nicht. Ich habe großes Vertrauen zu

Thorsten Gimmler, dem Produktmanager

von Schmidt. Er hat mich auch im Vor-

feld informiert, und damit ist die Sache

für mich gegessen. Skull King macht

ja nichts anderes, als das bestehende

Grundkonzept in eine andere Richtung

weiterzuentwickeln. Das ist völlig legitim.

sb: Wie geht es mit Wizard weiter?

UM: Wir werden unsere Wizard-Familie

auch in Zukunft weiter pflegen und aus-

bauen, sei es mit Sondereditionen, Son-

derkarten, neuen Spielen. Wer weiß, was

uns in den nächsten 20 Jahren sonst noch

so alles einfällt – aber da sind dann Ken

Fisher, Franz Vohwinkel und ich längst in

Rente.

Das Interview führte

Udo Bartsch

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Damit ist das Thema vorgegeben.

Wir Spieler verkörpern Fürsten-

häuser, und wie im rich-

tigen Leben der Vergangenheit

versuchen wir, unseren Einfluss

in den Ländern Europas zu meh-

ren, indem wir die Mitglieder

unseres Adelsgeschlechts in

fremde Städte entsenden und

dort verheiraten. Das

kostet natür-

lich, darum müssen

wir Handel treiben,

um die Ausgaben

bezahlen zu kön-

nen.

Anfangs ist

es von Vorteil,

unverheiratet zu

bleiben und das

ungebundene Le-

ben zu genießen.

Irgendwann al-

lerdings schlägt

das Gefühl in

Einsamkeit um, und die ledigen Familien-

mitglieder ziehen sich in ein Kloster zu-

rück. Wer dagegen einen

Partner findet, teilt mit

ihm die Mitgift und setzt

vielleicht sogar Nach-

wuchs in die Welt. Am

Ende wird in jedem Land

Bilanz gezogen, welches

Fürstenhaus dort den

größten Einfluss genießt.

Angetrieben wird Dynasties durch Akti-

onskarten, von denen jeder anfangs – je

nach Größe der Runde – vier, fünf oder

sechs auf der Hand hat. Sind alle ausge-

spielt, folgt eine Wertung. Dieses Proze-

dere wiederholt sich zweimal, dann ist

auch schon Schluss. Doch ganz so kurz,

wie sich das jetzt anhören mag, sind die

Partien dann doch nicht.

I Viele bunte KlötzchenWer am Zug ist, spielt eine Karte aus

und führt eine von meist drei möglichen

Aktionen durch. Beispielsweise kön-

nen wir einen Fürst oder eine

Fürstin in die Welt schi-

cken. Ob Mann oder

Frau ist vorgegeben,

das Ziel können wir

uns aussuchen. Der Spielplan – ein Aus-

schnitt der Landkarte Europas – zeigt 20

Städte und nennt die Kosten für den

Einsatz einer Figur. Gezahlt wird mit

Warenklötzchen; für die Fürstin müs-

sen dies weiße sein, für den Fürsten

schwarze. Mal ist der männliche,

mal der weibliche Part kostspieli-

ger. Fürs Platzieren gibt es in jeder

Stadt eine kleine Belohnung, die

sich teils sofort, teils erst am

Schluss auswirkt.

Neben Weiß und

Schwarz gibt es

noch drei weitere

Warensorten. Jede

wird für einen be-

stimmten Zweck

gebraucht. Einen kleinen Grundstock be-

kommen wir zu Beginn, weitere müssen

durch Handel erworben werden – auch

das ist eine Aktion, die die Karten ermög-

lichen. Die Waren stammen aus einer

Ecke des Plans, wo drei Schiffe im Hafen

liegen, die mit Klötzchen – blind aus ei-

nem Beutel gezogen – beladen wurden.

Mit einer Spielfigur signalisieren wir die

Bereitschaft zum Handeln. Zu-

stande kommt das Geschäft al-

lerdings erst, wenn eine zweite

Figur das Schiff betritt. Dazu teilt

der später an Bord gekommene

Händler die Waren in zwei Grup-

pen auf und überlässt dem ersten

die Wahl, welche Gruppe er be-

vorzugt; der zweite nimmt dann

den Rest – die berühmte Kuchenregel.

Die Kuchenregel wird auch bei einer

Hochzeit angewandt, wenn sich zu einem

Fürsten in einer Stadt eine Fürstin gesellt.

Oder umgekehrt. Bei der Vermählung

kommen die Mitgiftwürfel zum Ein-

satz. Ein Ehepartner würfelt und

teilt die drei Würfel in zwei

Gruppen, der ande-

re entscheidet

dann,

ob er das Ergebnis des

einen oder der anderen beiden Würfel

nutzen möchte. Zu gewinnen gibt es

immer etwas: mal mehr, mal weniger

Siegpunkte, Waren, Wappen, und manch-

mal kommt sogar ein Kind zur Welt.

Eine andere Möglichkeit, einen Adli-

gen auf den Spielplan zu bringen, ist als

Sonderaktion auf den Karten definiert.

In diesen Fällen ist die Stadt

vorgegeben, in der die Fi-

gur angesiedelt werden

muss; dafür können wir

uns diesmal aussuchen,

ob wir Fürst oder Fürstin

platzieren. Auch kostet der

Einsatz in diesem Fall keine

„Heirate und herrsche!“ So lautete der Ratschlag, den der Vater seinem Sohn mit

auf den Weg ins Leben gab. Oder war es die Mutter, die dies ihrer Tochter riet?

Wir wissen es nicht. Tatsächlich blickte in der ersten Version des Schachtelcovers

ein junger Mann vom Balkon auf eine Trauungsszene. In der endgültigen Fas-

sung wurde daraus eine junge Frau, in deren Augen eine Träne glänzt, während

Rosenblüten auf das junge Paar herunterregnen.

Mama, ich will ein Kind von dir!

KRITIK

Dynasties

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