DasTage-Buch 1922-2

874
DAS TAGE-BUCH Herausgeber: Stefan Großmann Geleitet von Stefan Groß mann und Leopold Schwarzschild Berlin 1922 3. Jahrgang

description

Stefan Großmann (* 18. Mai 1875 in Wien; † 3. Januar 1935 in Wien) war ein österreichischer Schriftsteller und Journalist. Er war Begründer und Herausgeber der politischen Wochenschrift Das Tage-Buch.Das Tage-Buch war eine unabhängige, überparteiliche Wochenschrift, die von Januar 1920 bis Januar 1933 veröffentlicht wurde. Sie wurde von dem linksliberalen Wiener Publizisten und Theaterkritiker Stefan Großmann unter der Mithilfe des Verlegers Ernst Rowohlt im Jahre 1920 in Berlin gegründet. 1922 stieß der aus Frankfurt am Main stammende Journalist Leopold Schwarzschild zur Redaktion hinzu und wurde Mitherausgeber.

Transcript of DasTage-Buch 1922-2

DAS TAGE-BUCHHerausgeber: Stefan Gromann Geleitet von Stefan Gro mann und Leopold Schwarzschild

Berlin 1922 3. Jahrgang

2. Halbjahr

11 1 1 1 1 1 1

1

1

~

*STEFAN GROSSMANN*

~

~TAGlE~BlJCH~)je

tz,l

DAS

~

:I:

geleitet von tefan Gromann und Leopold Schwarzschild

=N

~

BERLIN . 1. JULI 1922

,tz,l

~

Rathenau-HeftTagebuch der Zeit. . . . . . . . Thomas Wehrlin: Verfall der Mrder . Helene von Bhler: Appell an Hindenburg Moritz Heimann: Zu Rathenaus Tod. . Stefan GromanII: Walther Rathenau . Walther Rathenau: Das Eumenidenopfer , Aus seinen Schriften . Tagebuch der Wirtschaft . . . . . . . Leopold Schwarzschild : Bank-Abschlsse Glossen. . , . . .....

Seite

:I:

St!)

Z z

Z Z

Einzelheft M. 6. -

Vierteljhrlich M. 50.-

~

0 * ERNST ROWOHLT VERLAG *

DAS TAGE-BUCHGELEITET VON

STEf AN

GROSSMANN

UND

LEOPOLD

SCHWARZSCHlLD

IN HALTS-VERZEICHNIS3. Jahrgang / 2. Ha,lbiahr1 922

Politik, Geschichte, Wirtschaft:A,gricola ~ Wir Agrarier 1645 Alain: Mahnung an Frankreich 1150 Bagger, Eugene S.: Die Stehkragen-Einwanderung . . 1210 Basch, Dr. Ant.: Die tschechoslowakisohe ValutapolitIk . 1100 Bhler, Helene von: Appell an 951 Hindenburg - Der Kaiser heiratet. . . 1377 Brinkmeyer, Hermann: Der Kampf ums Erdl. . . . 1258 Caillaux, Joseph: Reparationspolitik . . . . . . . . 1118 Castiglioni; Portrt . . .- . 1547 Fahmbacher, Mathias: Die amer!kanische Bankwelt und wIr 1207 federn, Walther: Vor der }(atastrophe In sterreich 1310 Garett, Garet: Amerika denkt ni,eht an Schuldenerla . . 1720 Gegen die Vielzuvielen in den deutschen Parlamenten 1751,172 (Antworten von Preu, Sdekum, Hellpach, Stresemann, Scheidemal,1n, Brentano und Saemisch.) Oromann, Stefan: Die letzte Zarin . . . . . . . . 1246 Ornberg, Stefan: Moskauer Br,iel . . . . . . . . 1374 - Kreml undSucharewa. . 1566. Haas, Willy: Der antike Friede 1696 Hartmann, Ludo M.: Italien und sterreich . . . . . . 1278 Heinig, Kurt: Wie Kronprinz RupprecM davonlief . . . 1502 Hilbig, Dr. ing.: Der Skaitdal der Eisenpreise . . . . . . 1800.

",iller, Kurt: Brauohen wir eine Reichswehr? . . . 1020, 1054 Italieus: Benito Mussolini. . 1630 KarminsM, Ministerialrat Dr. Friedrich: Die Wiener Messe 1Oj6 Levy, Prof. Dr. Hermann: Nationalkonomische Unzulnglichkeit . . . . . . . . 1069 Maior U.: Bonar Law, Portrt 1725 conomicus: Was 'will Amerika vom Deutschen kaufen? .' 1200 Rathenau, Walther: Das Eume. . . . . . 956 nidenopfer - Aus seinen Schr-iften 959 Seheffaullr, Hermnn George: 1196 Der Katzenjammer Schulz, l:3rnst: Die Dynastie Morgan . . . . . . 1132; 1165 Schtzinger; Hermann : Absohilld von Mnchen . . . . . 1439 Schwarisch,i1d, Leopold: DIe Banka'bschlse . . . . 963 - Die Rettung durch den 988 Druckerstreik - Die Zeitungskrise . . . 1341 - Das ver,goldete Gol,dverbot . . . . . . . 1482, 1548 - Die Vertreibung der Efa aus dem Paradies . . 1612 - Reise' ins ,Ruhrland . . . 1690 - Deflationsgespenster . , 1765 SilberstIlin, Or. Franz: StabiIisillrungSpartei und InflatIonspartei . . . . . . . . 1581 StIlrn, Grustav: Bllnesch. . . 1470 Tagebuch der Wirtschaft 962, ',1001, 1034, 1067, 1097; 1130,1162, 1256, 1321, 1355, 1420, 1451, 1479, 1510, 1541, 1574, 1611, 1643, 1674, 1707, 1734, 1763, 1796

1

Tagebuch der Zeit 947, 981, 1017, 1051, 1083, 1115, 1147. 1191, 1243, 1275, 1307, 1339, 1372, 1401, 1435, 1467, 1499, 1530, 1563, 1595, 1627, 1659, 1687, 1717, 1748, 1780 Tolstoi, L N.: ber den japanischen Krie'g . . . . 1757 Vom Autor der Tragdie Deutschlands: Zur fr'age, der Reichswehr . . . . . . 1087 Weil, Dr. friedr.: Die tschechoslowakischen Banken. . . 1280 Wilson, frederick W.: NorthcUffe und seine Leute . . 1027 *,," Propag,anda begins at home 1194 - Die Washingtoner Kri'egskamarilla . . . 1598

Kunst. Philosophie, Literatur. Wissenschaft :Aus dem unbekannten Goethe 1376, 1378, 14{ Die na~h diesem hoch aufgerichteten Manne zielten, haben sein Gesicht nie gesehen! . .WAL TIiER RATIiENAU

------------------

DAS EUMENIDENOPPER

Der folgende Aufsatz ist fr die Pfingstnummer .der Wiener "Neuen freien Presse" im Frhling 1913 geschrieben worden. Er hat die Geschicke Deutschlands, die inneren wie die ueren, die militrischen wie die politischen, ein Jahr vor dem Kriegsausbruch klar vorausgesagt.

Wird die Vedngerung der Dienstzeit in Prankreich ausnahmsloses Gesetz, so ist der Krieg besiegelt, und zwar als ein Werkzeug in den Hnden Ei1glands, das ihn nicht heute und nicht morgen, doch zu dem Zeitpunkt entfesselt, der ihm gefllt. Die doppelte Spannung, die, gefhrlicher als ausgesprochen, zwischen England und uns, ausgesprochener als gefhrlich zwischen Prankreich und tins bestand, gewinnt jetzt ihre volle Explosionskraft, verschrft durch Rulands Empfindlichkeit, das die Milliardensaat im Festungsgrtel lngs seiner Grenzen aufsprieen sieht. Vielleicht wre es noch nicht zu spt, die wahren Lehren jener groen Erpoche zu befolgen und das Unrecht abzutun. Das reifste Unrecht unserer Zeit aber besteht darin, da das fhigste Wirtschaftsvolk der Erde, das Volk der strksten Gedanken und der gewaltigsten Organisationskraft, nicht zugelassen wird zur Regelung und Verantwortung s.einer Geschicke. Abgespeist mit kommunaler Verwaltung und wirtschaftlicher Gesetzgebung, erblickt es die Staatsgewalt in den Hnden einer kleinen, aber mchtigen Klasse, die zugleich das wichtigste der einzelstaatlichen Parlamente beherrscht; gewhnt es sich zwangsweise .an den Gedanken, da eine Regierung nicht anders als konservativ sein darf. Dieses doppelte bel schwcht Preuen-Deutschland jahraus, jahrein mehr, als Dutzende von Brigaden gutmachen knnen. Denn die enge Auswahl der Iierrenkaste, die dem alten Kleinstaat gengend Verwaltungstalente Jrieferte, kann nicht mehr die Zahl hervorragender Geschftsleute schaffen, die der gewaltigen Konkur-

956

renz fremder _Mi.lIionenaslesestandhltDeshalb -leidet die politi. sehe Gescn\Ut.sfht4ng 'und' yermrndert sich' der Wirksame Nutzeffekt u,llsere,r, Oe~(lll1hriac'lit" derart;:da Wir das tfandicapriicht auf. die Dauer,ir'lgen werden. Zugleich aber drangt der mchtige und eng verkettete 1Denkens, vom Hndler bis zum Heiligen, und es gmt auch viele Zwischenstufen halbhedUger HnJler urud handelnder Heiligen. Holitscher gibt eine erschtt'ernde Galerie von Typen. Er schildert mUeiner Sachlichkeit, die ihm nur in ,Palstina mglich zu sein scheint, di'e alten Nfederlassungen, die ,auf kapitalistischer Basis, bei intensivster' landwirtschaftlicher Kleinarbe.it, 'lind die kommunistischen Siedelungen,die durch Si:ht~engraben gesichert, junge soziailistlsche Tatmenschen und Kmp..: fer beherbergen. Dies alles scheint aufgestapeltes Material :zu einem granid10sen Roman: pie Steine sind aufgeschichtet, der Baufuelster braucht nur zu ordnen. Hier liegt Entwurf zu einem jdisch-nationalen Heldenlied, das Prosagediicht eines unskeptischen Pathetikers. 'R 0 mai n Roll a n d : Das Leb e n T 0 Ist 0 1 s. Herausgegeben von Wilhelm Her zog. bersetzung von O. R. Sylvester. Verlag: Rtten &. Loening, Frankfurt a. M. 1922. - Das ist Rollands schwchstes Buch. Viel matter als der Michelangelo. Das Buch eines wohlwollenden Lehrers der Humanitt ToJstois Figur ersteht in zehn Seiten von Mereschkowski plastischer als in diesem ilangatmigen ErklTUngsversuch. Will man ermessen, wie wenig dichterische Kraft in dieser 200 Seiten starken Abhandlung lebt, so mu man z. B. die Gestalt von Sofie Tolstoi ins Auge fassen. Bei Rolland bleibt sie ein blasser Schemen. Im Leben war sie Tolstois junge Geliebte, die Mutter eines Rudels Kinder, ein schnes junges Mdchen, das sich mit den Jahren in eine breite Gutsfrau mit weier Schrze und einem riesigen Bund Schlssel verwandelte, die Sekretrin des Dichters - sie hat ""Krieg U/lld Frieden" ein paarmal abgeschrie,ben -, die VerwaHerin seines schriftsteHerischen Gutes, die Vertei-digerin des Dichters gegen ihn selbst, der Neigung hatte, &ich Unrecht zu tun. Seine Pflegerin. Die Frau, die wahrscheinlich mehr von ihm wute, als er selbst (deshalb durfte sie ihm gehacktes Fleisch in die v~getai-ischen Speisen schmuggeln), die Hterin, seines schnen HilUses" die Regisseurin seines personenreichen Heims. Zuletzt, als Greisin, eine gr,ausam verlassene Frau. Bei Rolland sind nicht einmal die Umrisse dieser Gestalt angedeutet. Viel schwcher noch als das 'Schwache Buch die ganz unntige, k'hn-banale Vorrede von Wilhelm Herzog, dem Herausgeber. Denn es ,gibt auch bei diesem Roliand Wii6ider einen bersetzer, der die Arbeit getan hat, und ,dazu noch einen Herausgeber.

8AD

NAUHEIM

'Hervorragende Heilerfolk" oe", Herzkrankheiten, heglnnllllder Arterienverkalkung, :Muskel- und efeiJki'heamatlsmus, Glcbt, Rckenmark-, Prauen- und NerveDIeiden. :Smtlichen~uzeitliche 'Kurmittel. - Vielseitige Unterhaltungen: Tennis. Golf Krocket; '.WurftaubensehieS.stand. - Scbner, angenehmer Erh-olungsaufentbalt. ,Man fordere die Auskunfts~chrift D ,19 von der Bad- 'u. Kurverwaltung Bad Naubeim

968

FILM-T AOE-BUCliDAS MONUMENTALFILM-LUSTSPIEL Als Gegner des historischen Monumental - Schablonen - Films mit Staatsaktion, Mord und obligaten Massenszenen htte ich gern Labeildes ber dies mit vielen Posaunen angekndigte Film-Lustspiel "Sie und. die Drei" gesagt. No.ch dazu weil der einfallsreiche, temperamentvolle Dupont, von dem man im Aufbau und Tempo der Bilder schon viel Gutes sah, auch die kleinste EIiisodenrolle mit den besten Spielern 'besetzt hatte (w; das 'in' jenen verschoIIenen' ZeIttin~ als man in'Berlin noch vom knstleriSchen Theater reden konnte, auch auf der nunmehr rettungslos verfaIIenden Schaubhne geschah); Aber. traurig mu man gestehen, da dies,er Versuch eines groen Lustspielfilmsmiglckt ist und da die Vorfhrung der beiden letzten Akte eine schwarze Stunde in der Entwicklung des deutschen Films' bedeutet. Die ersten Akte bieten harmlos abwechse'lungsreiche Szenen, in denen aIIeriei Drolliges eingefdelt wird; man denkt: aha; der Film wiII sich hier selbst parodieren, und lIenny Porten persifliert lIenny Porten (wenn auch milde). Da im Film-Lustspiel viele Einflle, Improvisationen, Episoden ohne Komposition und Folgerichtigkeit durcheinand,erwirbeln, wre kein Einwand gegen diese Gattung des Filmspiels, da sie aber - je weiter dieser Film vorrckt - immer armseliger, abgebrauchter, alberner und geschmackloser werden, das vernichtetWirkunl! und Erfolg. Immer hat man das GefUhl: ein Mann mit starker lIand will zeigen, da auch im leichten Lustspiel mit simplen Geschehnissen viele Millionen verbuttert werden knnen, da, auch. im film-LustsPieL "Manu-

mentalitt mglich ist. Und so wird ein Zweiakter zu Abendlnge gestreckt, wird ein Schmetterling zu einem Kolossalungetm aufgeblasen, whrend die Grazien zum Teufel gejagt sind. Trotz der Lngen und Bldsinnigkeiten bewahrt man zunchst noch gute Laune ber dIe Verhohnepipelung von- allerlei Persnlichkeiten und Bruchen der Filmbranche, ber Freunde und Feinde, lacht man ber spaige Titel (aber der Spa gehrt nicht in die Titel, sondern in die Bilder!) ... wenn jedoch immer wieder das fidele Gefngnis vorgefhrt wird mit dem von der Filrridiva. arrangierten Ball der, Verbrecher und der travestierten ,lIimichtungsszene, - so hat man nicht mehr das Bewutsein ,einer he-iteren Filmparodie, son-. dem es packt ,einen das groe lIeu~ len. benn so scheul~he binge unse~es Planeten, wie das Eingesperrtsein armseliger Kreaturen und Kopfabschiage'n. - nicht inphantasti'sch-urihcitnllcher 'Vision vorberhusche'nd oder ins Groteske anwachsend; sondern mit forcierter Lustigkeit und berzuckertem Realismus behbig als ordinrer Bierulk vorgefhrt, das bedeutet eine geschmacklose Erniedrigung niedriger und widerlicher Menschheitsangelegenheiten. Dies entgleiste, miglckte FilmLustspiel erweist jedoch nicht etwa, da diese Gattung unmglich ist, sondern grade, wie ntig es ist, da sich die Regisseure mit Ernst dieser heitern, vernachlssigten Art des Spielfilms zuwenden. Kur t P i n t h u s.

969

MIA MAY-BUND 6. Das Eintrittsgeld beluft sich auf 2,50 M. In Dessau hat sich, endlich, eine 7. Der Monatsbeitrag betrgt -dem Ernst der Zeit entsprechende 1,50 M. und ist bis zum letzten jeOrganisation gebildet: der Mia den Monats im voraus zu entrichMaY-Bund. Die "Film-Hlle" verten. ffentlicht die Statuten des Bundes. 8. Am Jahrestage des EhrenKein Humorist wre imstande, diese mitgliedes wird demselben eine Wirklichkeit ;o;u erfinden. Man lese diese Bundesstatuten ganz langsam, Widmung berreicht, und am Abend desselben Tages eine Festlichkeit Paragraph fr Paragraph, sie beveranstaltet. Die Kosten der Wid-deuten ein Bild aus dem Geistesleben der kleinen deutschen Stadt. . mung gehen zu Lasten der Bundeska.sse. Protektorin: Frau Mia May. 9. Der Bund macht es sich' zur Aufgabe, durch Ansprachen ber Prsident des Bundes: Herr Disein Ehrenmitglied Frau Mia May, rektor Heinrich Boas vom Metrober deren Gatten Joe May, sowie lJroltheater, Dessau. ihre Tochter Eva May und ber Die Bundesleitung liegt in den Hnden des 1. Vorsitzenden, Herrn deren'Dramen usw. sowie das Interesse fr die Knstler zu erweitern, Walter Reinhardt; 2. Vorsitzender: Ende jeden Monats knnten MusikHerr Werner Schnabel; Kassierer: abende stattfinden, an welchen jedes Herr Arthur Elze; Schriftfhrer: Mitglied sein Knnen der UnterhalHerr Hans Treiber; stellvertretende tung zu widmen hat. Schriftfhrerin: Frulein KtheElze. 10. Ober Bestimmungen oder l. Protektorin unseres Bundes sonstige Angelegenheiten entscheiist die Film-Schauspielerin frau det der Vorstand. Mia May, May-Gesellschaft Berlin. 11. Smtliche Anfragen sind zu 2. Mitglied unseres Bundes richten an: Mia May-Bund, Dessau, kann jedermann, ob Dame oder postlagernd, Postamt 1. 'Herr, werden. 12. Sollten eventuell an einem 3. Abmeldungen mssen schrift- anderen Ort mehrere Mitglieder lich, 4 Wochen vor dem beabsichvorhanden sein (mindestens 6), so tigten Austritt am Monatsersten an kann dort eine Zweigstelle unseres den Bundesvorstand, Herrn Walter Bundes gebildet werden. Reinhardt oder dessen StellvertreDie Leitung wrde dann einer der ter gerichtet werden. Herren bernehmen, welcher dem 4. Anmeldungen sind schrift- Hauptsitze Dessau am Ende jeden lich zu senden an: Mia May-Bund, Monats einen Bericht ber seine Dessau, postlagernd, Postamt l. Ttigkeit erstatten wird, .5. Der Vorstand besteht aus 13. Unseren Mitgliedern wollen folgenden Mitgliedern: 1. Vorsitzenwir Autogramme und Broschren, den,. 2. Vorsitzenden, Kassierer, die das Ehrenmitglied Frau Mia Schriftfhrer, stellv. Schriftfhrer. May behandeln, kostenlos zur Ver-

Spezialarzt Dr. med. Dammanns Heilanst.Potsdamer Strae 1238 fernsprecber Nollendorf 104(9-1Z, 2-7. Sonntags 10-12)

Behandlung auch aller der Zeit nach Anmeldung

fel'llsprecber Ltzow 153

970

f,gung stellen, welche aus der Kasse bestritten" weiden. ' 14. Auch sollen Ende jeden Vierteljahrs Preisrtsel erscheinen, woran sich alle Mitglieder beteiligen sollen. 15. Die Satzungen wurden von der Protektorin In Berlin genehmigt; Die Satzungen sind genehmigt vom Vorstande. Der Prsident: Heinrich Boas. I. Vorsitzender: Walter Reinhardt. 2. Vorsitzender: Werner Schnabel. Kassierer: Artur Elze. Schriftfhrer: Hans Treiber. Stellv. Schriftfhrerln: Kthe Elze. RATHENAULITERATUR Das Beste ber den Schriftsteller Walther Rathenau hat Wichard \'on Moellendorf, der lhm in seiner besten ZeLt nahestand, geschriebeil. Man lese die Aufstze Mllendorffs im zweiten Jahrgang des "TageBuch" nach.

Sehr verdienstlich die Ausgrabung; eines Aufsatzes von. Gustav S c h moll e r ber Rathenau, den der Verlag Duncker &. Humblot (Mnchen) soeben, zusammen mit einem Aufsatz ber Hugo Preu, herausgegeben hat. Schmoller hat mit der i'hm eigenen sachlichen Verstndigkeit den Ethiker und Schwrmer Rathenau begrt und seine staatsmnnische Veranlagung,. vielleicht zu frh, verneint. Unter den' Nachrufen auf Rathenau verdient der Wesen erfassende Aufsatz von Georg Be r nha r d in der "Vossischen Zeitung" vom 18. Juni (Sonntagsausgabe). der Vergnglichkeit des Tages entrissen zu werden. Die wichtigste Rathenaullteratur sind Rathenaus Werke selbst, die in einer schnen fnfbndigen Ausgabe, bei S. fischer erschienen, VOrliegen. Diesem Gesamtwerk sind auch die Arbeiten Rathenaus entnommen, die tlieses Heft bringt.

Huser!Erwerb .und VeruBerung YOD Grundbesitz bedarf der Bearbeitung einer fachfirrna, welche auf dem OrundstO.cksmarkt ebenso erfahren ist, wie ber die einschlgigen Wohnungs- und Steuergesetze.

He!!~~~ Reit~!!t~~[ba. Potsdam. PI. LIltzow 4379 Nollendorf 3162.3163

w9

911

FR DIE DAMENWELT Eil\ v~rstndnisvoller Leser des "Tage-Buches" entdeckte im "Prager Tagblatt" die folgende Annonce: Schne Damen! I n - und Au s I h der i n n e n ! Liederdichter mit gutem Namen will in Krze seine schnsten Lieder, die er von guten Komponisten vertont hat, in einem greren reichsdeutschen Verlage in Druck erscheinen lassen.. Schne Damen, die auf Widmung eines "uedes durch bernahme der Kompositions- u. Druckkosten reflektieren, in welchem Falle ihr Bild auf dem TiteU)]atte des Liedes erscheinen wrde, wollen sich mit Lichtbildwehden unter "Moder~e, grozgige Schnheitsreklame", Prag, Hauptpost restante gegen Schein. Diskretion s~lbst~er stndIich verbrgt. Lichtbild auf jeden F~II retour: Auch Herren;' die Damen durch eine solche Widmung groe Freude machen wollen, mgen sich melden. ANEKDOTE, ANCIEN RJiJG lME Eine' GeschiChte, die mir' in Wien ~rzhlt wurde: Lange Jahre vor dem Kdeg trank tn einem der Kaffeehus~r Tag fr 1'ag ein. junger .Jude seinen Kaffee.

Niemand interessierte sich fr ihn; er zeichnete sich durch abgetragene Kleidung und 'eine wilde Lockenmhne-aus. Sein..Name war Trotzki. In jenen Tagen sprach man berall von einer Revolution in Ruland: Viele frchteten sich davor. Das Wiener Auenministerium wurde fortgesetzt gewarnt, sie stehe vor der Tr. Einer der hohen Beamten aber zeigte allen Gerchten gegenber nur hchste Verachtung. "Welch ein Quatsch", sagte er, "dies Ge~ rede ber eine russische Revolution! . Wer sollte Revolution machen? Ich sehe niemand! Vielleicht" - und hier kam eine Geste superber Geringschtzung, - "vielleicht Herr Trotzki aus dem Cafe Central?" ,E t hel S n 0 w deli. INHALT DES LETZTEN HEfTES (Heft 25): Tagebuch' der' Zeit . L. Schwtu'zs'.child:Kronen-Rettung? ,ernst Wei: . Rousseau ' Siegfr. v. Vegesack: Der Dorlbadcr Willi Haas: :Der Export"StU Hans Reimann: Der Sachse Tagebucll .der' WTrtschaft L. Schwarzs'child: Die Bankabschlsse Gr; .Schacher: Diskontstze Glossen.

Dieser Nummer liegt ein Prospekt des O. C. Recht-VerI. Mnchen: "Gestern und' heute" bei,' auf den wir besonders hirweisen. Redaktion des "Tage-Buch": Berlin W 35. Potsdamer Strae 123 b, Tel.: Ltzow 4931 und Nollendod 3396. Verantwortlich fr den wirtschaftlichen Tell: Leoiloid SchwarzschIld, BerlinW57, Potsdamer Str.73; fr den brigen Inhalt: Stefan Oremann. Berlin W 50, Kurfrstendamm 244. emst Rowohlt Verl~g. Berlin W 35; Potsdamer Str. 123b. Druck:Carl'lIansen. Berlin N 39.

972

Die Werke von Walther RathenauAls letzte Schrift, deren Herausgabe der Reichsminister noch kurz vor seinem Tode vorbereitete, erscheint soeben:

CANNES UND GENUAVier Reden zum ReparationsproblemGeheftet 15 Mark Frll her e rs chi e ne n:

Zur Kritik der Zeit17. Auflage

ZurMechani\{desGeistes11. Auflalte Geh .. 40 M. In Halbleinen 8Q M.

Geheftet 40 M. Gebunden 75 M. Geheftet 40M.

Von kommenden Dingen65. Auflalte

Gebunden 7S eM.

Deutschlands Rohstoffversorgung39. Auflage.

Der Kaiser54. Auflalte

Geheftet 10 M.

Geheftet 10 M. 15.

Probleme der Friedenswirtschaft 25. Auflalt. Geheftet 10 M. StreitschriftvomGlauben14. Auflage. 20. Auflage. 54. Auflage. 25. Allflalte Pilz, - den Pilz, der auf Schweine-suche abgerichtet ist. Sie haben sichauf die Seite der Schweine gestellt!' Sie sind selbst ein Schwein! Es ist: ietzt bewiesen! Frank Furter

BRIEFE AN DAS T Am~-BUCHEIN MONCHENER BUCHHANDLER

Vor einigen Tagen hatte ich in' Mnchen ein Buch zu kaufen. Ich

-Spezialarzt Dr. med. Dammanos Henanst_1Potsdamer Strae 1Z3 B (9-12, 2--7, Sonntags 10-lZ) Behandlung auch auer der Zelt nach Anmeldupgf.m""."'~

N.U..d.rl 10{)anb{ungen 1

cb I U f f r 13 Q b I, mit ber blerr :pteife multip li31rnro~tbfn mUffen, 1ft 3Ut .3rlt 1.58.

TAGEBUCH DER WIRTSCHAFTB e r I in, vierte Novemberwoche . "Die Ha a g Ha r man - Da m f er Z eitungsmeldung: "Reliance" phaben- wegenr i des amerikanischen "Resolute" und Alkoholgesetzes das Stel'nenbanner niedergeholt und fahren in ZuD

kunft unter der Flagge von Panama." Prost! Wenn alle Schmerzen sich so leicht heilen lieen! Wenn der Hapag-Direktor Cuno auch in seiner neuen Stellung so bequeme Auswege aufspren knnte! Not der Diepolitische,deutschen P res se, die zum Himmel schreit und deren wirtschaftliche und kulturelle Gefahr auch von sonst Verstndigen noch immer nicht gengend gewrdigt wird, ist, wie im "T.-B." schon ausfhrlich dargelegt wurde, durchaus nicht nur von den Verhltnissen heraufbeschworen; sie ist groenteils auch Folge der Politik, deren sich einige wenige groe Bltter unterfangen zu knnen glaubten. Diese Bltter versuchen, die Teuerung mglichst wenig auf die Bezugspreise wirken zu lassen; sie versuchen, den Mehrbedarf, abgesehen von schndlicher Unterbezahlung ihrer Angestellten und Autoren, mglichst ausschlielich aus Inseratenpreiserhhungen herauszuwirtschaften; und sie hoffen, die kleineren Organe, deren Bezugspreise natrlich nicht teurer sein knnen als die der groen, denen andererseits aber keine so ergiebige Inseratenplantage zur Verfgung steht, im Laufe der Zeit totquetschen zu knnen. Zur Rechtfertigung dieser unlauteren Politik wird im Zeitungsverlegerverein mit biedermnnischer Besorgnis immer wieder erklrt, das Publikum vertrage einfach keine hheren Preise, es werde abspringen und den Ruin vollenden. Das ist nun eine Behauptung, die der eine oder andere vielleicht ganz gutglubig sich zu eigen gemacht haben mag, die von klgeren Gegenspielern aber leicht widerlegt werden knnte; und zwar unter Bezug auf das Wiener Beispiel. D'ie Wiener Bltter Sind der Geldentwertung seit etwa einem Jahre, namentlich aber in letzter Zeit, viel rascher gefolgt als die deutschen; und siehe da, es ging alles gut, - das Publikum sprang mitnichten ab, und es war nicht ntig, whrend. man ffentlich soziales Recht und hnliche schne Dinge predigte, den Durchschnitt der. hilflosen Redakteure schlechter als die Setzer und den Durchschnitt der noch hilfloseren freien Schriftsteller schlechter als die Laufburschen zu bezahlen! Einer Aufstellung, die uns das "Neue Wien er Tagblatt" auf Ersuchen fre~nd licherweise zur Verfgung steIlt, entnehmen wir folgende Daten ber die Entwicklung seit Jahresanfang, und stellen ihnen die entsprechenden Zahlen des "Berliner Lokalanzeigers", eines ungefhr gleichartigen Blattes, gegenber:16-43

---

----

----

-

- -

- -

-

- -

- -

- -

---

---

Monats'-AbonnementNea Wlener Taablatt I Berlln.r II.Tai.skurs Lokal-lAaz. Krone. lImgerecha. In Mark Mark

EinzelverkauHMorgenbl.. wochentags)Kro ..n Neaes Wlener Tallblatl Berliner Izum Tagesknrs LokalAuelier amierechnet In Mark Mark

1. I. 22

1200.-

41.3200.-

22...UO.-

40.1200.-

15. Xl. 32000.22

Whrend sich der Wiener Abonnementspreis, in Mark umgerechnet, also allein zwischen Januar und November aufs 80fache steigerte, der Einzelvefkaufspreis sogar aufs 90fache (ohne da die Unternehmen dadurch Not gelitten htten, denn immer noch blieb man hinter der im sterreichischen Gesamtpreisniveau allerdings schon ausgiebiger als im deutschen eskomptierten Geldentwertung zurck!) steigerte man in Berlin nur aufs 19-,'bezw. 2lfache. Heute natrlich, nachdem man qie Psychologie des Publikums verwirrt hat, wren die Fehler von frher, die auf die Dauer auch fr ihre Urheber mit Sicherheit ttlich sein werden, auch wenn man es wollte, nicht so rasch wieder gutzumachen. Aber auch heute noch knnte der Not der Presse, wenn bei den groen Verlagen nicht nach wie vor noch die Hoffnung bestnde, das Konkurrenzmanver werde schlielich doch noch .zum Ziele fhren, - auch heute knnte dieser Not noch weitgehend aus eigenen Krften gesteuert werden. Statt d~sen ruft man lieber die ffentliche Mildttigkeit an und zwingt selbst diejenigen, die den Wahnsinn klar durchs.chauen, an der selbstmrderischen Fahrt eines Karrens teilzunehmen, den zwar nur einige benebelte, von allen kaufmnnischen Instinkten verlassene Gewaltskonkurrenten kutschieren, in den aber der ganze Stand rettungslos festgeschnrt ist. DIe A. E. G. hat in ihren Aufsichtsrat den Inhaber der Klner Eis'engrohandlung Otto Wolff und den Generaldirektor der PhnixA.-G. fr Bergbau und Iittenbetrieb, Fahrenhorst, gewhlt. Nach Lage der Dinge ist das als Anzeichen fr die B i I dun gei n e s neuen,' riesigen Montantrustes Otto Wolff-A.E.'O.Phnix - Linke - Iioffmann - Rheinmetall usw. aufgefat worden; und diese Auffassung ist sicher richtig, schon vorher lagen Anhaltspunkte fr sie vor. Die Entstehung solch zweiten Kolosses neben dem Stinnes'schen Kolo Siemens - Rhein - Eibe - Schuckert - Union wre an sich zu begren; der deutschen Montanwirtschaft knnte dadurch zurckgegeben werden, was ihr so lange fehlte: 'der Druck und Ansporn der Konkurrenz, das Ringen um den Markt zwischen gleich starken Konkurrenten. Ginge die Entwicklung diesen Weg, so knnte man vielleicht ein wenig aufatmen; man knnte hoffen, da Skandale, wie eS zum Beispiel die letzte Eisenpreisnormierung

I

1.30

-.7015.~

120.-

]644

war, - drei Tage nach dem hchsten Dollarstand, 9100, wurden die Preise auf eine Basis gestellt, die den Eintags-Entwertungsfaktor von 2200 noch wesentlich berschritt, und seither ist an dieser Normierung trotz weiteren Dollarrckgangs diktatorisch festgehalten worden! ~ man knnte hoffen, da Skandale dieser Art nicht mehr so leichten Iierzens gewagt werden knnteIl. Aber wird der neue Konzern wirklich eine Konkurrenz des Stinnes'schen werden, wird er nicht eher Hand in Iiand mit ihm arbeiten? Schon beim Einbruch Stinnes' in die Handelsgesellschaft ist hier darauf aufmerksam gemacht worden, da diese Bank mit ihren bekannten Beziehungen zur A. E. G. vie11eicht die Brcke zwischen Stinnes einerseits und der A. E. G. und ihren damals schon sichtbaren freundes untern ehmungen andererseits darstellen solle. Nun ist der A. E. G.-Ring fester geschlossen worden, whrend Iierr frstenberg, Leiter derselben Iiandelsgesellschaft, in der Stinnes mit mindestens 35 %. der Anteile sitzt, zum Aufsichtsratprsidellten der A. E. G.' erkoren wurde. Man mte blind sein, um nicht zu erkennen, da die Indizien, die damals dazu veranlaten, die Stinnes'sche Iiandeisgesellschaftstransaktion als ersten Schritt zu einem bergigantischen Vertrustungsversuch im Bereiche deutscher Montanindustrie zu betrachten, ~ da diese Indizien kaum noch widerlegbar vermehrt worden sind. Vor der Tr steht die Zusammenschweiung des Stinries'schen mit dem A. E. G.-Konzern durch das, Bindeglied Berliner Iiandelsgesellschaft. Vor der Tr steht die absolute, einheitliche, vorbildlose Stahl-, Eisen-, Kohlen- und Elektrizittsautokratie in Deutschland! Eine atembeklemmende Perspektive!

AGRICOLA

WIR AGRARIER 1. Es gibt Lumpen in jedem Beruf; warum also nicht auch unter den Agrariern? Aber ebenso unrichtig wre es, zu glauben, da die Agrarier nur aus Lumpen sich zusammensetzen, welchen Eindruck man nachgerade aus den uerungen aller nicht :rechtsgerichteten Presse gewinnt. Und diese stndigen, gewi zum vorwiegenden Teil aus Unkenntnis des Agrariers entsprungenen und daher oft sinnlosen Angriffe tragen nicht gerade dazu bei, die freundschaft. zwischen Land und Stadt zu strken, die doch fr beide Teile von leicht erkennbarem Vorteil wre. Weshalb versucht sei, durch nachfolgende Apologie des Agrariers deren Gegnern ein wenig mehr Verstndnis fr ihre Art zu geben, ohne 'etwa um Liebe werben zu wollen. Ich verstehe unter Agrarier den Grogrundbesitzer. Gegen den Bauer, obschon auch er kein Engel aus dem tausendjhrigen Reich ist, wird weniger agitiert; und auch ihn psychologisch zergliedern, hiee im Rahmen dieser Ausfhrungen allausehr ins Weite schweifen. 1645

"

.

Wie mit seltenen Ausnahmen jeder Mensch, ist auch der Agrarierdas Produkt seiner Erziehung und Umgebung. Er ist es sogar in verstrktem Mae, da er nicht nur in der famiiie, sondern auch im Boden wurzelt. Der Zuwachs der Agrarier aus der Stadt ist sehr %ering. Die Mehrzahl stammt aus Landwirtsfamilien und vererbt sich als Landwirt. Sie verlassen das vterliche Gut meist mit dem zwlften Lebensjahr, um auf das Gymnasium einer Kleinstadt oder frher auch in das Kadettenkorps geschickt zu werden. Einige VOlt ihnen gaben alsdann noch ein kurzes Gastspiel als Offizier. Die meisten aber kehrten, oft schon vor dem Abitur, aufs Land zurck, um wieder in die praktische Landwirtschaft einzutreten. Mitunter vorher ein paar Semester Hochschule. Man sieht also, da das Gros der Agrarier sozusagen unter Ausschlu der ffentlichkeit, fast in Klausur, erzogen wurde und mit der lebendigen Welt kaum in Berhrung trat, deren Prpbleme ihm daher unbekannt und unfalich blieben. So kommt es denn auch, da die Zugehrigkeit zu politischen Parteien fr sie noch immer in erster Linie weniger zu einer berzeugungs- als zu einer rein gesellschaftlichen und Berufsfrage geworden ist. Der Deutsche ist im aJ1gemeinen nicht eben .sehr tolerant gegen anders Denkende. fr den Agrarier gibt es eiRfach nur deutschnationaJ. Alles andere ist ebenso unmglich, wie mit dem Messer essen und fr ihn ebenso mit dem Wort "Schwein" charakterisiert. Dies geht so weit, da ein informatorisches Lesen nur de.s "Berliner Tageblattes" oder gar des "Vorwrts" bereits hchst verdchtig macht. Er selbst liest nur sein Organ und schwrt unbesehen und ohne Kritik auf das, was darinsteht. Alles. andere greift seine Scholle an, und, wenn kein Mensch gern hergibt, was er hat, so gilt dies doppelt fr den Agrarier. Denn die Liebe zur Scholle ist keine Erfindung von familienromanschrerbern, sie ist da als starker und vielleicht sympathischster faktor. Und leicht erklrlieh: Die Landwirtschaft ist 'eben mit keinem anderen Berufe zu vergleichen. ein Warenlager ist mein, gut! Ein Bild, gut! Ein fabrikgebude mit Maschinen, gut! Aber es ist etwas anderes - und man kann es vielleicht dem nicht klar machen, der dieses Gefhl nicht kennt - unter freiem Himmel zu stehen und einen Strich Erde zu sehen: mein, einen Wald wachsen sehen, den der Vater oder man selbst gepflanzt hat, - Gefuhle, die man mit dem Wort "Sentimentalitt" nicht abtun kann. Und es ist ein anderes Gefhl, ob man ein Automobil baut, oder ein Getreidefeld bearbeitet, dngt, best und es reifen sieht, immer, auch wenn man sein Bestes tat, vom Wetter wie von einem Schicksal abhngig. Diese Produktion ist der knstlerischen noch am nchsten vergleichbar, - wie sie in Allem dem Lebendigen, Wachsenden; aus dem Nichts Erschafften verbunden. Dazu kommt, da der Agrarier von Kind auf zum Herren und Grandseigneur erzogen ist. Die Kinder der Hofleute, seine ersten Spielgefhrten schon tun, was er will. Der Lehrer in der Dorfschule bevorzu~t ihn, auch hat er de facto meist bereits 'eine feistige ber1646

legenheit ber seine Mitschler. ndert sich dies im Gymnasium auch, so sprt er auch dort in dem nicht allzufernen Zuhause einen Rckhalt und ist in den Ferien immer wieder daheim. Die ganzen Verhltnisse dort aber sind anders als in der Stadt. Hier macht es Kindern einen groen Spa, einmal Droschke fahren zu drfen. Auf dem Lande haJ man immer Pferd und Wagen, die Kinder oft ihr eigenes Ponny. Nicht aus Verwhnung, sondern um ihnen von frh auf die Behandlung von Pferden beizubringen. Es sind auf dem Lande grere und zahlreichere Wohnrume als in der Stadt: das eigne H.aus, mehr Dienstboten. Das alles mu auch auf einfach erzogene Kinder. wirken. Und es' wirkt. So entsteht dieser selbstherrliche (denn auch Vorgesetzte kennt man nur in der Lehrzeit), stolze, herrische, verschlossene und - beschrnkte Mensch, der aber eisern fleiig, sparsam und in seinem Berufe passioniert ist. Der einen groen Prozentsatz seines Gewinnes immer wieder in sein Gut steckt, nicht nur, um ihn vor der Steuer zu sichern, sondern auch in ehrlicher Freude, sein Eigentum immer zu verbessern. II. Nun ist die Erbitterung wider die Agrarier darum begreiflich, Weil sie die Produzenten der Lebensmittel sind, weil man sich im Jahr nur einmal rgert, wenn man viel Geld fr ein paar Stiefel ausgeben mu, aber tglich, wenn Brot, Fleisch, Kartoffeln usw. teurer werden. Es sei hier keineswegs der trichte Versuch gemacht, 'die Agrarier .so hinzustellen, als brennten sie nur darauf, .ihre Produkte zu verschenken. Aber im Durchschnitt sind sie keineswegs geschftlicher als alle andern Handel- und Gewerbetreibenden und mssen, darum in Schutz genommen werden vor all denen, die so gern fr die anderen altruistisch sind. Man mu sogar zugeben, da in Gegensatz zu vielen Anderen der Agrarier mit einer gewissen Ehrlichkeit gar kein Geheimnis daraus macht, da er gern Geld verdient. Er bestreitet es im allgemeinen auch nicht, da die Landwirtschaft im Augenblick gute Zeiten hat. Sie sind aber fr den Agrarier trotz alledem bei weitem nicht so gut, oder gar besser als fr andere Handels- oder Industriezweige. Die Rentabilitt eines mittleren Gutes mit durchschnittlichem Boden berstieg im Frieden selten 3 %. Diese Verzinsung wird bei Umrechnung der Goldwerte heute nicht erzielt. Im brigen erkennt der Agrarier, da sowohl bei einer pltzlichen Markbesserung als auch bei Erreichung des Weltmarktpreises sehr schwere und krisenreiche Jahre fr ihn folgen werden, und er hat daher das begreifliche Bestreben, fr diese Jahre Reserven zu sparen. Ich fhrte aus, da der Agrarier an sich grandseigneurhafter lebt als der Stdter, aber er lebt trotzdem einfacher. sparsamer und bedrfnisloser. Der Stdter lernt ihn in seinem .unvorteilhaftesten Augenblick kennen, nmlich, wenn er in die Stadt 1647

kommt, - ohne dabei zu bedenken, da das seine ferien sind und da ihn, schon weil er viel primitiver empfindet, Nachtlokale, Bars und NacktbaIIette weit mehr reizen als den von solchen Reizen tglich umgebellen Stdter. Auch wird der Vorwurf, da er seine Produkte zurckhalte, in den meisten fllen zu Unrecht erhobel1. Gewi gibt es Ausnahmen, gewi wird heute, wo die Mark- und Marktlage tglich wechselt, vorsichtiger verkauft. Ein Zurckhalten im groen Stil verbietet sich aber schon dadurch, da der Agrarier nach der Ernte verkaufen mu, um wieder bares Betriebsgeld in die Hnde zu bekommen. Wenn er in Hoffnung auf Preissteigerung z. B. die Kartoffeln einmietet, anstatt s.ie zu verkaufen, so geht er damit ein sehr gefhrliches Risiko ein. Der Schwund in den Mieten ist so erheblich, da eine sehr umfangreiche Peissteigerung eintreten mte, um einen hheren Verdienst zu sichern und die Gefahr, da die Kartoffeln in den Mieten einfrieren, verfaulen oder sonstwie verderben, ist nicht gering. Auch dil: Schiebungen, die dem Agrarier im Kriege whrend der Zwangsbewirtschaftung vorgeworfen worden sind, hat er zumeist nicht begangen. Strikte nach den Kriegsverordnungen hat kein Mensch gehandelt, konnte keiri Mensch handeln. Der Grogrundbesitzer aber stand viel zu sehr unter der Kontrolle seiner Angestellten und Arbeiter, als da er ,grere Hintenherumgeschfte riskieren durfte und mute dieses eintrgliche Geschft den Bauern und den - Landarbeitern berlassen. Auch mu der Agrarier im aIIgemeinen wohl Verstndnis und Liebe fr seine Arbeiter in strkerem Mae bewiesen haben als der Industrielle. Denn mit Ausnahme weniger Gegenden kann von einer wesentlichen Radikalisierung der Landarbeiterschaft nicht gesprochen werden. In meiner Gegend gab es seit Ausbruch der Revolution drei Ta'ge Arbeitsruhe whrend des Kapp-Putsches und im vorigen Jahr einige krzere Teilstreiks. Der Agrarier kennt seine Arbeiter, mit denen er im tglichen, persnlicllen Konnex steht, unterhlt sich mit jedem fast tglich "auerdienstlich" und es ist selten, da-seine frau bei Geburten und Krankheitsfllen in Arbeiterfamilien nicht persnlich helfend eingriffe. Der Landwirt, ob nun Bauer od8r Agrarier, ist sich bewut, da, wenn in der Landwirtschaft auch Krisen eintreten knnen, letzten Endes Brot immer notwendig sein wird und somit auch 'er. Und da -er darum nicht sorgenvoll in 'eine dunkle Zukunft blicken mu, bleibt er kurzsichtig. Das aber ist es, was es so erschwert, ihm grere Zusammenhnge klar zu machen, Zeichnete ich ihn zu, IiebevoIl? Ich glaube nicht. Aber ich hoffte zu zeigen, da er nicht hassenswerter ist als die meisten Menschen. Man mu sich auch mit ihm abfinden und wenn man erst einmal aufhrt, ihn Schuft zu titulieren, wird auch er lernen, diesen Titel selbst sparsamer zu gebrauchen. Es drfte sich auch hier eine Basis finden lassen, auf der man sachlich, wenn auch nicht just freundschaftlich, verkehren kann. 1648

GLOSSENl-'RAGER SCHICKSAL Nach dem Selbstmord der Schauspielerin Olga Wojan klingelte mich das "Prager Tagblatt" an und bat um ein paar Zeilen ber die Arme, deren Schicksal - sie war die Tochtcr des grten tschechischen Sohlauspielers - in Prag besondere Teilnahme weckte. Ich schlte aus dem etwas verwickelten Fall das eigentliche Problem heraus: Da man nmlich als Tschechin nicht deutsch spielen soll; die Sprache, die man als Kind .gelallt, als H'albreifer musikalisch erfat hat, bedeutet ein Schicksal. Olga Wojan ist ihren slaviscth singenden Tonfall rue los)(eworden, und deshalb mute s'ie scheitern. Nach 'Prag zurck woHte sie, mochte sie nicht. Sie sah immer des genialer. Vaters Geschick vor ,i~h. Was war es denn schon, wenn Inan "der tschechische Kainz" war? Man konnte in Prag, Brnn, Pilsen lind Olmtz spielen. Aber die Welt, Jas Reich mit hundert groen Bhnen, war ihr verschlossen. In Jieser willkrliohen Untersohltzung der Sprache, in die man geboren wird, lag der Keim zur deracinierten Existenz der Olga Wojan. Sie kam zu Reinhardt, aber sie spielte nicht; sie spielte, aber es wurde nichts. Und d,ennoch mut~ sie sich, jetzt. erst recht, zur Rechtfertigung vor Prag, in Deutschland beweisen. Aus dieser' inneren Gehetztheit entsprang die Bereitwilligkeit, in Wedeki'nds ,;Franziska" fast nackt aufzutreten. brigens auch ohne mit dieser Darstellung unbedingt zu ressieren. Sie ist zuletzt am "Intimen' Theater" gewesen und !das bedeutet in Berlin eine vorletzte Stufe. (Ich verschwieg das vor Prag.) Ich will von der Umarbeitung zweideutiger franzsisoher Farcen in eindeutige deutsche Gemeinheiten nicht re.den, obwohl ich wei, mit wie roher Hand diese Verplumpung der Franzosen in Berlins "Intimen The'ater" getrieben wird. Aber es werden mir Gagen fr junge Schauspielerinnen im Tempel des Herrn Heppner berichtet, die mich mehr ergreifen als die Gedchtnisrede des Herrn Direktors: Ober eine Liebesgeschichte !der Armen bin ich mit einem Satz hinweggeglitten, '. der keinen Namen und keinen Vorwurf fr die arme Wojan enthielt. Hier ist er: ,,zu diesem unaufhrliohen Berufskampf kam eine leidenschaftliche Neigung zu einem rucht mehr ganz jungen, vielfach okkupierten Schriftsteller, der all den Frauen in seiner Nhe kein Glcksbringer gewesen ist." Ich erzhle diese Tatsache hier kurz, 'weil me.ine pa'ar Worte fr die' "Prager Presse", das von der tschechischen Regierung ausgehaltene Blatt, Anla gewesen sind, 'mich in' der IJnverschmtesten Weise anzu-. greifen. In Deutshlandkennt man die tschechischen Zeitungsverhlt- nisse nicht, und so gilt das von dertschechischen Regierung zur SCh"Idigung und SpaltlUng der Deut5chen geschaffene, vOn ein paar tschechonational tuenden, bis 1914 in der

DAS BUCH DER WOCHEGEORGE GR05Z:ECCE HOMO!'\ALlK-VERLAG I BERLIN _ HALeNSEE

1649'

cletschen Literatur herumschnorrenden Litemten redigIerte Blatt' als ein sauberes. Aber weder die deutschen :Sozlal,istenaller Schattierun,gen, nocb die Demokraten oder Deutschnationalen Bhmens rhren das deutsch geschr1ebene, tschechisch inspirierte Blatt 'auch, nur mit der f'euerzange an. Die "Prager Presse" hat aus dem Reptilienfonds der tschechischen Regierung Millionen -gefressen, die zum Teil ahoongslosen de,utschen Mitarbeitern zugute gekommen sinld'. Ich knnte eine lange Liste deutscher Schrtstel1er nennen, die 'alle ZudringHohlkeiten der pltzlich tschechonational ger-'1734

gleich etwa mit englischer Kohle? Eine entsprechende englische Qualitt (Northumberland unscreened) kostet heute zwischen 21 und 22,6 Schilling. Rechnet man mit einem Durchschnittspreis von 22 Schilling, so ergibt das, bei einem Pfundkurs von rund 39 000, nicht weniger als 46800 Mark. Die deutsche Kohle ist also trotz aller Teuerung noch immer um 45 Prozent billiger als die englische; und wenn gewisse deutsche fabrikate, in denen Kohle eine groe Rolle spielt (nebstdem brigens auch die relativ ebenfalls billigen Lhne, frachten usw.), trotzdem teurergeworden sind, als gleichartige englische, so ist erwi'esen, da die fabrikanten ihr Geschft entweder zu schlecht oder zu gut verstehen, In friedenszeiten wurde das Einkommen des Normalverdieners zwiefach verwertet: 'mit einem Teile wurde der Unterhalt bestritten; ein anderer Teil 'aber wurde zurckgelegt, wurde, ge s par t; ,er diente als Rckhalt fr' das Alter. In der Tat besteQt das Erwerbsproblem ja nicht nur darin, den augenblicklichen Bedarf zu befriedigen, sondern auch darin, darber hinaus noch Sicherung fr eine Zeit zu schaffen, in der die Erwerbsfhigkeit vielleicht geschwunden sein wird. So belief sich in Deutschland Ende 1913 allein der Einlagenbestand bei den Sparkassen auf rund 20 Milliarden Mark, was immerhin eine Isichere, wenn auch nicht ppige Altersversorgung fr 1%-2 Millionen Menschen darstellte; weitere' Summen steckten in Husern, Hypotheken, Staatspapieren und hnlichem. Nun aber, - was ist nach dem Kriege daraus geworden? Juni 1922' waren 'nach den BereChnungen des Generaldirektors. ~eusch ziffernmig iv/ar etwa 2%rnal so groe Einlagen bei den 'Sparkassen vorhanden; aber gem&Ssen an der, Kaufkraft (nicht ein~ mal am Dollar, sondern nur am Grohandelsindex) reprsentierten diese 53 Papiermilliarden nur noch Y. Yorkriesmilliarden, die Ersparnisse waren also nicht mehr grer als 3,8 Prozent ihres friedensbetrages. Entsprechend oder noch grer ist die Entwertung auch der brigen Anlagekategorien; und beim rasenden fortgang der Geldentwertung seit Juni (Grohandelsindex nicht mehr 7000 50nclerll 190 OOOt) kann gesagt werden, da im gegenwrtigen Zeitpunkt die alten Ersparnisse berhaupt weggefegt sind. Doch sind nicht nur keine alten Ersparnisse mehr vorhanden, noch schlimmer ist: es werden auch keine neuen mehr gesammelt! Das alte Gesetz, dal nur ein, Teil des Einkommens dem Verbrauch, ein anderer Teil aber der Alterssicherung dienen oll, ist aufgehoben, - seit Jahren verzehren all jene Bevlkerun~sschichten, die keine andere Quelle als ihre Arbeitskraft besitzen, das Ganze ihrer Einnahmen in direktem Verbrauch. Was ergibt sich daraus? Da mit dem Fortgang deI Jahre immer grere Massen erwerbsunfhig Gewordener ohne jede Versorgung, ohne jeden Rckhalt'-ohne jede Mittel zur Existenzfristung der ffentlichen Wohlttigkeit zur Last fallen werc1 en. -ein Zukunfts problem VOll &r5chreckender Schwere!17,i5.

Wie aber erklrt sich die Mi nd e run g der Ei 11 kom m en , die sich in diesem Zusammenhang sichtbar manifestiert? In dem Streit ber die Schichtung und in der allgemeinen Geldentwertungshysterie scheint alles Verstndnis- dafr verloren gegangelj zu sein, was Einkommen eigentlich bedeutet und wieso es ganz unmglich ist, da der Deut'Sche, im Durchschnitt gesehen, noch heute so viel verdient wie im Frieden. Wie Einkommen entsteht, macht man sich am besten klar, wenn man sich vorsteHt, ein Volk werde vollkommen geld- und besitzlOs auf eine Insel verpflanzt und solle nun beginnen, sich Einkommen zu schaffen. Es ist das offenbar nur - auf zweierlei Wegen mglich. Der erste heit Gtererzeugung, gleichgltig, ob die Gter im Lande bleiben oder exportiert werden. Denn der Bauer, der gengend Lebensmittel erz'eugt, um sich zu ernhren, hat Einkommen, auch wenn er kein -Pfund verkauft. Er kann, wenn es ihm besser geht, Dienstkrfte engagieren und ihnen durch Abgaben von seinem berschu ebenfalls Einkommen gewhren. Aber diese Einkommen sind nur .abgeleitet, - Einkommen aus Diensten im Inland vermehren nicht den Gesamtfonds, der zur Einkommensverteilung zur Verfgung steht. Wohl aber vemnehren diesen Fonds, - und hier ist der zweite Weg - bezahlte Dienstleistungen fr's Ausland. Diese bezahlten Dienstleistungen an's Ausland und die Ertrgnisse der Gterproduktion (ohne Rcksicht darauf, ob sie im Land bleiben oder ausgefhrt werden) bilden also die Quelle, .aus der alle Einkommen der Volksangehrigen sich herleiten mssen. Und nun, wie steht es mit der Ergiebigkeit dieser' Quellen im heutigen Deutschland? Die Dienstleistungen an's Ausland sind geringer als seit Jahrzehnten, - die liandelsflotte wirft wenig mehr ab, die Auslandsfilialen der Banken sind zerstrt, das bichen Fremdenverkehr ersetzt nicht die Einbuen. Die Produktion aber? Statt 10 Millionen Tonnen Roggen im Jahre 1913 (auf heutigem Reichsgebiet) wurden 1921 nur 6,8 Millionen erzeugt, statt 4 'Millionen Tonnen Weizen nur 2,9, statt 44 Millionen Tonnen Kar.toffeln nur 26, statt 186 Millionen Tonnen Kohle nur 136, hnlich ist der Rckgang auf fast allen Gebieten. Es bedrfte nicht erst der Reparationen, um einen Zustand zu schaffen, der eS ganz undenkhar macht, da das deutsche Durchschnittseinkommen heute hher sein knnte als '/0-'/3 des Friedenseinkommens. Es kann nicht hher, es mil genauebenso hochsein, wie der Ertrag seiner beiden einzigen Quellen - wie der Ertrag der Produktion plus Dienste an's Ausland, vermindert um die Reparationen. Und wenn es Schichten gibt, die heute sogar greres Einkommen als in Friedens~ zeiten beziehen, so mssen andere notwendi-gerweise doppelt enthehren. Denn dIe obere Grenze fr die Gesamtheit steht feISt.

1736

G LOS' SEN"RETTET fEll X HOLLNDER"1. Edmund Reillhardt antwortet:

Bhnen in vollem Umfange fr die' ganze Vertragsdauer berlassen .. Dieser fundus wird von tlerrn Hollnder in einer Weise in Anspruch geZu dem Schauspielerbrief in Ihrer nommen, die weit ber die vertragvorigen Nummer erklre ich: . Es ist unwahr, da felix Hollnder liche Vereinbarung hlnausgeht, da er Abend fr Abend ein Drittel seiner Neuanschaffungen fastgarnicht mehr Bruttoeinnahme an Professor Max vornimmt und nur mit dem vorhandenen fundus, zum Teil durch einReinhardt abfhren mu. Es ist ferner unwahr, dafelix tlollnder den schneidende und den fundus entFundus fr seine Auffhrungen nicht wertende Umnderungen, arbeitet. Im April .dieses Jahres ist eine zur Verfgung gestellt bekommt. Und es ist schlielich unwahr, da zweiihr,ige Verlngerung dieses. Felix tlollnder einen frchterlichen Pachtvertrages abgeschlossen worden. fr diese Prolongation habe ich Vertrag mit Reinhardt hat. den Erls aus der Garderobe, wie Richtig ist dagegen, da felix Hollnder bzw. seine Gesellschaft dies an vielen Berliner Bhnen fr das Deutsche Theater und fr schon vor dem Kriege blich' war; das Kammerspielhaus eine feste. fr den Verpchter beansprucht .. Pacht von nur 500 000 M. jhrlioh zu Nur aus besonderem Entgegenkomzahlen hat. Das heit, da Professor men fr' tlerrn tlollnder habe ich Reinhardt .fr die .,tlergabe seiner schlielich darauf verzichtet und beiden Theater fr das ganze. Jahr mich damit begngt, seinen eigenen die 'tllfte der jetzigen Mindestgage Vorschlag zu akzeptieren, wonach erhlt. Davon sind noch die Hypo- er fr die Abntzung des fundus thekenzinsen zu bezahlen und an- und der maschinellen Anlagen und' dere Verpflichtungen zu erfllen. Einrichtungen eine Abgabe von sechs Die Miete fr das Groe Schau- Prozent seiner Einnahmen an den spielhaus betrgt 1,1 Millionen Mark Verpchter zu leisten hat. Diese Ab-gabe ist so gering, da sie in gar fr das ganze Jahr, sodaB eine einzige ausverkaufte Vorstellung in keinem Verhltnis zu der Entwer- diesem tlause die Miete fr volle tung steht. sechs J ahTe deckt. tler:r ,tlollnder erhlt ferner eine:Auerdem gehrt auch der Ertra~ feste Gage und die Hlfte des geaus der Garderobe und den brigen samten Reingewinnes, der sich am, sogenannten Unterpachten aus allen Deutschen Theater, am Kammerdrei tlusern in voller tlhe tlerrn spielhaus und am GroBen SchauHollnder und verbleibt nicht, wie spielhaus ergibt. Dagegen ist tlerrdas sonst an Berliner Bhnen blich tlollnder an einem Verlust mit kei- ist, dem Ver pchter. nem Pfennig beteiligt. tlerrn Hollnder ist ferner der geDem Verfasser der Glosse, der ~ samte fundus fr die. gemieteten wenn meine Vermutung richtig ist .

DAS BUCH DER WOCHEHER.M.ANN WENDEL. AUS DREI KULTURENVERLAG FR SOZIALWISSENSCHAFT G.I'\. 5. H. I BERUN SW 68

L737

seit dem Sommer 1921 nicht mehr am Deutsohen Theater engagiert Ist, drfte bei der Abfassung seines Artikels ein wirkungsvoller film vorgeschwebt haben. Jedenfalls fordere ich .mu auf, Einsicht In die OrigInalvertrge bel mir zu nehmen und erwarte, da er dann, - er ist ein Gentleman, wenn meine' Vermutung richtig ist -, sich aus Eigenem berichtigen wird. Edmund Reinhardt.2.

Felix Hollnder antwortet:

Ein Schauspieler des Deutsohen Theaters richtet im "Tage-Buch" (Nr. 49) bestimmte Fragen an mich, die ich ihm unbedingt beantworten mchte. Er irrt total, wenn er annimmt, ich htte einen "frchterlichen Vertrag" mit Reinhardt. Ich glaube, diese Legende bereHs in der Schlu" verhandlung zwischen der "Genossenschaft" und dem Vfrband Berliner Bhnenieiter zerstrt zu haben. Eine Bemerkung des Prsidenten Rickelt gab mir dazu erwnschten Anla. Es ist eine vllig heie Erfindung, da ich ,,Abend fr Abend ein Drittel der Bruttoeinnahmen" an Edmund Reinhardt abHihren mte. Ich habe bis zum 1. November eine Miete gezahlt, die in Rcksicht auf die heutige Situation lcherlich gering .ist. Erst seit kurzer Zeit, auf Grund einer vollkommen vernderten Lage, erhlt Herr Reinhardt einige wenige Prozente der Bruttoeinnahmen, die noch 'JIicht ein Fnftel dessen, was mein Mitglied vermutet, ausmachen. ber den Fundus kann ich, was das Deutsche Theater anlangt, vllig frei verfgen. Er wird zerschnitten und ver Abenteu['e~i~

~~

* ra/ti .//ton/ex. ... c%llen {7(lcI2ler. Urautr(LI'lrun9,.Donne.p8fa~j8.Dez. 6 (J.8t Uhr1C

Vorverkauf [r

~ll'e ..,.,t?Dremlere----

.Abheufe tdgHch UonnJltogs ".-) Uh,.

an dei" %eatel"'ka(Le

U r%rfi1rflendamm

Das Tage-Buch / Heft 51 Jahrg. 3 / Berlin, 23. Dez. 1923VOR DEM 4. JAHRGANG Mit dem nchsten Heft vollendet das "Tage-Buch" seinen drittert Jahrgang. Gesttzt auf die Treue seiner alten Leser und auf flen stndig wachsenden Kreis neuer freunde, darf es selbst in dieser ungnstigen Zeit auf Erweiterung seiner Aufgaben nicht nur auf Erhaltung bedacht sein. ' Vor allem fhlen wir uns vor einer groen und schwerwiegenden moralischen Aufgabe. Nmlich vor der Aufgabe, unseren Mitarbeitern, deren Qualitt wir gar nicht hoch genug .auswhlen knnen, zu unserem Teil wieder .zu jenen Lebensbedingungen zu verhelfen, die ihnen die brutale Entwicklung der letzten Jahre verweigerte. Das "Tage-Buch" hat ein Programm aufgestellt, das die Mitarbeiterhonorare whrend des bevorstehenden Quartals in raschem Anstieg wieder zu menschenwrdiger Hhe gelangen lassen soll. Es geht nicht lnger an, da ber die Not der geistigen Arbeiter nur gejammert und gezetert wird, es geht nicht lnger an, da in entwrdigender A\'mosenform Untersttzungsfonds zusammengebettelt und brosamenhaft Beihilfen verabreicht werden. Die Zeit ist reif geworden, den Dichtern, den Gelehrten,- den Publizisten ihren minimalen Bedarf - diesen wenigstens! - wieder auf normalem Wege zl1kommen zu lassen; und wir sind sicher, da unser f.reundeskreis. ;lern so mancher Beitrag fr alle mglichen fonds abgefordert wird, uns nicht im Stiche lassen wird, wenn wir das jetzt unternehmen, Zur Durchfhrung dieser Anti-Almosenpolitik, dieser WrdePolitik, dieser Normalisierungspolitik, zur Deckung ferner der seit &er letzten" Preisfixierung horrend gestiegenen sonstigen .Koste. (Papier al1ein 2250facher friedenspreis!) ist es notwendig; den Quar2500 M a r k talspreis auf

festzusetzen, - das ist noch immer nicht mehr als der 50Ofacho friedenspreis! Dieser Preis wird, wenn die Mark nicht eine neue, tolle Entwertung erfhrt. ohne Nachzahlung festgehalten werdeR knnen. Wir .sind nicht in Sorge, da unsere freunde 'durch diese Erhhung - eine Schuhbeshlung kostet mehr! - vom Bezug der Zeitschrift, die ihnen lieb geworden ist und die sich nun, neben ihren sonstigen Aufgaben, auch einer eminenten sozialen, kulturellen und moralischen Pionieraufgabe unterzieht, abgeschreckt werden knnte. Dem' nchsten Heft wird die Zahlkarte beiliegen. Wir vertrauen, ~ie von all unseren alten Lesern und von manchen neuen mglichst rasch, damit die Lieferung keine Unterbrechung erfhrt, ausgefllt 2mrckzuerhal ten. Verlag und Redaktion des "Tage-Buch".17.0f7

TAGEBUCH DER ZEITBe r li n, vierte Dezemberwocbe Wie wurde Mnchen die dmmste Stadt Deutschlands? Die Ant,.. wort ist einfach: Die Miesbacher sind nach dem Rterummel aus dem Husel geraten und M n c h e n ist ein (1 ro - M i e s ba c h geworden. Der .Herr von Kahr, ein Miesbacher Staatsmann, der Polizeiprsident Phner, fler die Fremden inden Schlafzimmern um 6 Uhr frh untersuchen lie, ein Miesbacher Dorftyrann, na und die "Mnchener Neucsten Nachrichten" sind ein schlechterer, weil temperamentsrmerer "Miesbacher Anzeiger". Wie es zurzeit in -Gro-Mies bach aussieht, das beweist ein c M n c h e n e r Wo c h e, die hier nur mit Briefen und aus Nachrichten des GroMiesbacher Anzeigers dargestellt wird: Montag: Henri M art e a u, der groe Beethovenspieler, veranstaltet in Mnchen ein Konzert. So wie er Konzerte in Stockholm, Wien, Prag~ Berlin, London, New-York gehabt hat. Wie das Konzert verlief, lehrt ein Brief Marteaus: "Kaum war ich auf dem Podium erschienen, da fing ein grlicher Lrm im. Der grte Teil des Publikums hatte mich mit Applaus empfangen. Aber etwa 20 oder 30 Jnglinge drngten an das Podium heran, pfiffen und riefen mir Schmhworte zu, deren rgstes ihrer Meinung nach "Saufranzos'" sein soltte.... Es entstand ein wster Lrm, einzelne Gruppen begannen zu raufen, Stinkhombcn wurden geworfen. Die Polizei erschien. Als 15 Personen verhaftet wurden, erklrten die Schreier, "es sei eine Schande, 'ehemalige Offiziere abzufhren". Aus dem Beethovcnkonzert wurde eine Miesbacher Rauferei. Dienstag: Generalversammlung des Fremdenverkehrsvereins. Redner Hotelbesitzer Volkhardt: Whrend norddeutsche Hotels vollbesetzt sind, sind die Mnchener halbleer. Das habe auch politische Bedeutung. Aber in Mnchen sei der irhere Scnatur Wilsons, Mr. Tumulty beinahe ausgewiesen worden. Das schdige auch den Kunsthandel. Vorsitzender tlofrat Pixis teilt Flle mit, in denen Auslnder, die hier in Mnchen um Millionen Bilder gekauft haben, halsberkopf abreisen muten, ohne noch das Einpacken ihrer Bilder berwachen zu knnen. (M. N. N. 790.) Ja, die Gro-Miesbacher Polizei hat an' Enerschi! AuBa mit dem fremden G'sindel. Mittwoch: Schwurgericht gegen den "Miesbacher Anzeiger", Er hatte die Reichsfarben "Schwarzroter tlenadreck" (tlhnerdreck) genannt. Sachverstndige, Rektor Dr. tlempkinger und Redakteur Maier, behaupten, tlenadreck sei keine Beschimpfung und keine Verchtlichmachung. Urteil: Freispruch. Die' Sachverstndigen haben ganz recht. tlenadreck ist ein beliebtes Wort in Miesbach.1148

Da Mnchen ein GroB-Miesbach geworden ist, ist der Henadreck fr die Diskussion und Konversation unentbehrlich geworden. Donnerstag: Die Gro-Miesbacher haben eine Erzie:hungsanstalt. Protektor: Kahr. Am 15. Dezember stand der Direktor dieser Anstalt vor Gericht. Er hat Zglinge nicht blo h'ungern lassen, bis sie ins Krankenhaus gebracht werden muten und tuberkulos wurden, er hat sie auch mit Ochsenfieseln, 15 bis 25 Schlge, peitschen lassen. Ein Junge, der entlaufen, wollte, wurde mit Ohrfeigen zu Boden geworfen, mit der Faust auf den. Kopf gehauen, mit dem Stiefel in den Leib gestoen. Einige Jungen konnten nach der Peitschung drei Tage nioht sitzeIl. Sie muten auf dem Bauch im Bett liegen. Einer' dieser Frsorgezglinge ist im KranKenhaus Schwabing gestorben. Der Angeklagte erzhlt, in der Frsorgeanstalt sei oft das Eis an (Jen Wnden gestanden, die Jungens sind in einer schlecht zu hei, zenden Halle Betonboden untergebracht worden. Einmal htte' ein Aufseher entlassen werden sollen, weil er sich an einem Jungen sexueI1 vergangen habe. Der Vorstand lehnte die Entlassung des Mannes ab, weil er ein vortrefflicher Hosenschneider war. Die Anstalt hatte keinen Arzt. Alle Schuld treffe den Vorstand desJugendfrsorgevereins. Der Leiter dieses Vereins ist der Amtsgerichtsprsident Riest. . . . . Das ist die Humanitt von. Gro-Mieshach. Das ist die Jugendfrsorge in Gro-Miesbach. Das sind die Amtsgerichtsprsidenten Von Gro-Miesbach.

mit

freitag: Kapitn Erhart wird durch die Abgesandten des Reichsgerichts verhaftet. Er lebt unter dem Namen Eigmann in Mnchen. Aus den Protokollen des Landtags wird festgestellt, daH der Polizeiprsident Phner dem steckbrieflich verfolgten Erhart persnlich den falschen, auf den Namen J:igmann ,ausgestellten PaS bergeben hat. Das 'ist die Korrektheit der Polizeibehrde von GroB-Miesbach. Samstag: In der Nacht vom 14. auf den 15. Dezember ging es in den Straen von Mnchen hoch her. (Am Abend vorher hatten Versammlungen des Herrn Hitler stattgefunden.) Darber berichtet der Brief eines Amerikaners an das "T.-B.": Ich ging nach Mitternacht durch die' Georgenstrae. Pltzlich kam mir eine grhlende Menge entgegen. Sie schrien: "Juden her!" Sie umringten mich. Ich sollte beweisen, da ich kein Jude sei. Ich zeigte ihnen meine Papiere. Das gengte nicht. Da ich unbeschnitten sei, sollte ich zeigen. Da die Leute nach dem ersten Juden, den sie totschlagen wollten, brllten, da sie zwanzig gegen einen waren, da sie mir die Hose aufrissen, konnte ich nicht anders, ich mute den gewnschten Beweis antre(im. Darauf zogen sie kichernd und Tod den Juden brllend weiter. Wehe, v;enn ihnen in dieser Nacht ein Jude auf der 'Strae begegnet ist!1749

Der Amerikaner frug, ob' er sich an die bayerische Regierune wenden solle. Dazu konnte man ihm nicht raten. St~tt an die Gro-Miesbacher Herrscher schic~te er seinen Brief an die groe. amerikanischen Bltter. Sonntag: Koburg, das sich im Jahre 1919 freudig an Bayern anfeschlossen hat, sah am 17. Dezember 1922 eine Unterschriftensammlung, eingeleitet zum Zwecke einer Abstimmung ber die Loslsung Koburgs von Bayern. Von 26000 Wahlberechtigten haben sicl! 14000 fr -die Lostrennung von Bayern erklrt . .. Mnchen ist wohl Gro-Miesbach geworden. Aber das Knigreich Miesback .wir-d 'etwas kleiner sein, als die Kahre imd.Knillinge ahnell.

Infr j haben hdie Hr e run d LStudentenaeinen numerusver s iWien antisemitischen c1ausus dis c e ehr e r n den Uni1 t en verlangt. Der' Rektor der Universitt, der Geograph Professor earl Die n er, hat sich zu diesem Problem in einem Aufsab feuert, in dem er sich fr die Kontingentierung der nichisterreichischen Studenten einsetzt, gegen das Eindringen jdischer 'Dozenten sei man machtlos, so lange die bedauerliche Tatsache. bestnde, -da .. '.' "ausschlielich die wissenschaftliche Qualifikatio. fr die Habilitation eines Privatdozenten magebend" sei. Dies Dokument ist erschtternd.

Von Mussolinis kvlle.auf der Londoner Konferenz erzhlt "L'Europe nouvelIe" folgende hbsche Geschichte: ZII Beginn -der Konferenz berreichte Mussolini dem englischen Premier eine Note, der er hchste Booeutun.gbeima. Er hatte darin aUa 8eine Ansichten ber die Philosophie der Geschichte und seine Vor8chlge zur sofortigen Rekonstruktion Europas niedergelegt. Nach IIIreitgiger Diskussion war noch immer kein Wort ber die italie~ 8che Note gesprochen worden. Als man beim Auseinandergehen .as Programm der nchsten Sitzung feststellte, rief Mussolini aus: "Und meine Note, - wann wird man .darber sprechen?" "Wolle. ~ie nicht eine Tasse Tee trinken?" antwortete Bonar Law. Am Abend sprach Mussolini zu fnfzig Journalisten. In napoleon;" ~cher Haltung sagte er: "Un-d betonen Sie wohl, meine Herren a der einzige Plan, der auf der ganzen Konferenz zur Diskussioll !'Jtand, der italienische war!"

1750.

HUGO BREUSS - WILL Y GEGEN DIE VIELZUVIELEN IN .Hf!LLPACH - A. SDEKtJM DEN DEUTSCHEN PARLAMENTEN Der Staatsminister a. D. und Demokrat Dom i nie u s hatte den Vorschlag gemacht, die Zahl der Abgeordneten in allen deut~ sehen Parlamenten auf die Hlfte zu reduzieren. An der preuischen Landesversammlung knnten dann allein etwa 200 Millionen im Jahr gespart werden. Und es kommen noch 14 Einzellandtage mit 1300 Abgeordneten in Betracht. Schlielich wrde auch der Reichstag vielleicht mit 250 Abgeordneten besser als mit 500 arbeiten. Der Vorschlag Dominicus ist leider von der deutschen Presse nicht beachtet worden. Er ist geradezu unter den Tisch gefallen, Wir haben nun an eine Reihe von Politikern die frage gestellt, ob sie die Verringerung der Abgeordnetenstatisterie nicht fr wnschenswert halten? Erstens aus geistigim Grnden .. um die Qualitt der parlamentarischen Diskussion zu hehen. Zweitens aus konomischen Grnden., weil uns diese Maregel nicht erst von einem Spardiktator aufgezwurigen werden soll. Dr. HUGO PREUSS, Reichminister a. D. An die von Ihnen aufgeworfenen Fragen kann man meines Erachtens unmglich von dem leidigen Ditenpunkt her herantreten. Gewi ist der Betrag zahlenmig scheulich hoch und seine Aufwendung zweifellos nicht populr; aber er ist doch nur ein Symptom unserer unsagbaren und unertrglichen PreisverhItnisse berhaupt. Im brigen 1st er verschwindend klein im Vergleich zu dem, was sonst ein ungeeignet zusammengesetztes Parlament dem Volke kosten kann. Die Frage ist daher so zu stellen: ob die grere oder geringere Zahl von Mitgliedern eine grere oder geringere Wahrscheinlichkeit fr die Gte der Arbeitsleistung und die Hhe des geistigen Niveaus eines Parlaments bietet. Leider ist diese Frage theoretisch kaum zu beantworten. Das gefhlsmige Urteil wird sich fr die Wenigen entscheiden wollen, indem es aus dem Wort: "Verstand ist stets bei Wenigen nur gewesen" folgert, da die Wenigen nun auch venmutlich Verstand haben' werden. Dagegen sprechen andere ErWgungen und das Vorbild der Lnder lterer parlamentarischer Kultur fr die grere Zahl. Sie schreiben: "Wrde eine Beseitigung der Vielzuvielen in den Parlamenten nicht die Qualitt der parlamentarischen Diskussion bedeutend heben?" Ganz gewi; aber wer sagt Ihnen, da bei einer Halbierung der Zahl die Vielzuvielen verschwinden werden und nicht die Vielzuwenigen? Die Wahrscheinlh;:hkeit, da von der letzteren Art' etliche ,dl!rcl1schlpfen, ist bei vierhundert immerhin grer als bei zweihundert. In der klassischen Zeit des englischen Parlamentarismus verteidigte man die Existenz der Rotten .boroughs damit, da sie noch am ehesten selbstndige Kpfe in das. Parlament gelangen lieen; und in . der Tat sind einige seiner glnzendsten Zierden so hineingekommen. Eine ganz andere und viel wichtigere Frage als die Zahl der Abgeordneten des einzelnen Parlaments ist. die der berzahl .der Parlamente selbst. An dieser Hypertrophie der Parlamente kraijj{t

der deutsche Parlamentarismus schwer; und sie kostet dem deutschen Volke unendlich viel mehr als alle Diten. Zwei Arten politischer Gemeinwesen und ihrer Vertretungskrper .sind fr ein groBes Volk naturnotwendig: das nationale Gemeinwesen des Reiches und die kommunalen Gemeinwesen der Gemeinden; Art und Zahl der ZWischenglieder ist eine Zweckmigkeitsfrage. Kein Volk der Erde bat nun aber so viele solcher Zwischenglieder mit dem Apparat von Regierungen und Parlamenten wie Deutschland, und in Deutschland wieder Preuen. Whrend die brigen deutschen Landtage nach ihrer tatschlichen Bedeutung etwa mit den preuischen Provinzialtandtagen auf eine Stufe zu stellen wren, ist darber der preuische Landtag tatschlich ein Reichstag zweiter Ordnung. Diese Verhltnisse erzeugen in Wirklichkeit jenes unklare Mibehagen und drngen zu der frage, wie lange noch wir in unserer Lage die Mittel aufbringen knnen und sollen, um solche berorganisation zu erhalten, d~e die staatliche Arbeit nicht frdert und erleichtert, sondern erschwert und hemmt. Indessen dabei handelt es sich freilich W11 ein historisch eingewurzeltes bel deutscher Entwicklung. Und gerade die Versailler Politik hat alles getan und nichts unterlassen, was dfe junge deutsche Republik an der allmhlichen Heilung diese!'> alten bers hindern mute. So lange die franzosen am Rhein stehen, wird im Innern Deutschlands alles beim alten bleiben.Prof. WILLY liELLPACli, (Karlsruhe), Minister d. Kultus u. Unterrichts, ordentJ. ~adischer Bevollmchtigter zum Reichsrat1. Die Tatsache, da die Anregung des Herrn Ministers a. D. Dr. Dominicus zusammenfllt mit einer v!1ig gleichgerichteten de!' badischen Finanzministers Herrn Khler, bezeugt deutlich, da e.~ sich hier um eine Angelegenheit handelt, welche sich dettn Nachdenken im politischen Leben ,stehender lind wirkender Persnlichkeiten aus ihren parlamentarischen erfahrungen und Beohachtun!!;en herans aufdrngt. 2. Auch ich meine .. wie Dominicus und Khler, da eine wesentliche Verminderung der AbgeordneteIlzahl den deutschen Parlamenten zugutekommen w r d e. Es ist wahrscheinlich, da durch kleinere Parlamente die Auslese sich verbessern wrde. Sicherlich wrde durch die VerkleJnerung des Plenums dessen politische Bedeutung wieder wachsen; denn ein zu groes, und damit arbeitsschwerflliges Plenum fhrt mit Notwendigkeit zur Verlegung des ganzen Schwergewichts der politischen Arbeit in die Ausschsse, die hinter verschlossenen Tren tagen, und damit zu einer Sinnentstellung dc~ parlamentarischen Gedankens. Die BelanglOSigkeit der Plenartagungen, deren Redestrme zum Fenster hinaus nur mhselig verhllen, da das Plenum weiter nichts als eine Abstimmungsmaschinerie geworden ist, die hinter. den Kwlissen in Auss'chu- und

175,1

fraktionssitzungen automatisch aufgezogen wird - droht den deutschen Parlamentarismus, kaum da er begonnen hat, zu diskreditit;;ren. Unter diesem Gesichtspunkte darf man die Verringerun~ der Abgeordnetenzahl als ein wichtiges Mittel zur Sanierung unseres kranken Parlamentarismus bezeichnen. 3. Die Zahlverminderung ist gewi 'auch eine Sparmanahme. In einem U!mfassenden Sparbudget wird sie also ein logischer Bestandteil sein. Ohne ein solches Budget aber, isoliert vorgenommen, bedeutet sie nicht viel. Man soUte nicht bersehen, da palliative Sparmanahmen im Volke die bedenkliche Illusion erregen, damit sei es getan. whrendes darauf ankommt, die Einsicht zu erwecken, l1a im grten und unbarmherzigsten Mastabe gespart werden mu. Ich verschweige aber berhaupt nicht. da ich in der Verminderung der Abgeordnetenzahl nur ein Mittel neben andern und wichtigeren auf dem Wege zur politischen Sanierung der deutschen Demokratie erblicke. Alsd'as ungleich wichtigere Mittel betrachte ich (wie ich wei gleich Hunderten ernsthafter Politiker und mit Hundcrttausenden im Volke) die Wiederbeseitigung oder doch grndliche Re f 0 r mi e r.u n g des' Li s t e n w a his y s t e m s, das auf die Dauer zur eigentlich negativen Auslese der. politisch bedeutende. Kpfe und Charaktere fhren mu. Man darf sich nicht verhehlen. Ja diese Reform einen viel hrteren Kampf kosten wird, als ihn ohne Zweifel die Verringerung der Abgeordneten auch schon entfesseln wrde.Dr. ALBERT SDEKUM. Staatsminister a. D.

Die Anregung des frheren preuischen Innenministers Domi.idie Zahl der Mitglieder der deutschen Volksvertretungen herabzusetzen, um dadurch erhebliche Ersparnisse zu erzielen, rhrt nur an eine der Fragen unseres "Parlamentarismus" und nicht einmal an die wichtigste. Viel bedeutungsvoller' ist die notwendige Prfung lind die Entscheidung darber, ob das jetzt bestehende Li s te n w a h Ire eil t geeignet sei, dem gemeinen Wohl zu dienen. oder ob es eine' nderung erfahren msse. Aber: beschrnken wir uns zunchst auf die Teilfrage. nur dehnen wir sie zugleich auf die Ge .. meinderte und die anderen kommunalen Krperschaften, namentlich auch auf die Provinziallandtage aus, Wenn ich recht unterrichtet bin. gedenkt die Preuische Staatsregierung bei der bevorstehenden Berahmg der kommunalen Verfassuagsgesetze im Landtag eine starke Einschrnkung der Zahl der Stadtverordneten usw. zu empfehlen. Nicht sowohl um Ersparnisse zu erzielen, als vielmehr um die Krperschaften leistungsfhiger zu machen. Wenn ?;ieichzeitig die Einrichtung der Verwaltungsdeputationen noch mehr als bisher ausgebaut wird, kann man vom Standpunkt der' Selltsty~rwaltung aus dem Plan nur den besten Erfollt wiinschell.CUS,

Beim Vorschlag des Herrn Dominicus mu man zunchst prfen. ob die etwa um die Hlfte verkleinerten Volksvertretungen noch im Stande wren, die flle der ihnen obliegenden Arbeiten zu erledigen. Ich glaube auf Grund einer zwanzigjhrigen parlamentarischen Ttigkeit diese Frage bejahen zu knnen. Die Hauptarbeit hat scholl. immer auf einer Zahl von Mitgliedern gelastet, die noch recht weit unter der Hlfte der Gsarmtzahl lag. Nicht, weil nur so viel oder so wenig Befhigte vorhanden gewesen wren, sondern weil sachliche Grnde von groer Kraft fr eine Zusammenfass.ung der Geschfte in wenigen Hnden sprechen. Viele von den Abgeordneten, die heute wie frher, als Mauerblmchen ein bescheidenes Dflsein fhren und nie "zum Zuge kommen" knnen, fgen sich seufzend in diese Umstnde und sind ehrlich genug, ihre eigene .,Ttigkeit" sehr skeptiscb 'zu beurteilen; Nicht zu verkennnn ist, da bei einer starken Verminderung der Zahl der Abgeordneten bei gleichzeitiger Mehrung des gesetzlichen Einflusses der Volksvertretungen die Macht des einzelnen Volksvertreters verhltnismig steigen wrde. Ob da nicht durch die demokratische Maregel des "Rckruis" eine Sicherunggeschaffe. werden mte, bedrfte auch noch genauerer Untersuchung. Da~ Pflichtbewutsein und das Verantwortungsgefhl der Whlerschaft wrde sicherlich dadurch wachsen - ein Erfolg der Demokratie, . aufs innigste zu wnschen. Jedenfalls: die deutschen Volksvertretungen tten nach meiner Meinung gut dararl, diese fragen" einmal sorgsam und ohne Bedenklichkeit anzupacken. VOM SINN DER fEINDSCHAfT feindschaft berhaupt hat einen auf Ergnzung abzielende. Sinn. Von aUen Seiten her erweist sie ihre komplementre Artung_ Fe~ndschaft ist in vielen fHen die notgedrungene Art, wie sich das Leben einer bergeordneten Gesamtheit in den untergeordneteR Gliedern uert. Einfaches Beispiel: der innerpolitiscRe Kampf. Prograll1ll11 steht erbittert gegen Programm. Jede Partei behauptet 'die allgemeine und daher alleinige Gltigkeit ihres Programms und betreibt mit" glhendem Eifer das Nichtsein der gegnerischen Programme. Aber im nationalen Krper verhalten sich diese au semanderl'aufenden Strebungen wie verschiedene, zu Einzelzwecken einrerichtete Organ~. Die feindschaft der Parteien erscheint als der gesunde Eifer, fr die Spezialfunktion. Insgeheim setzt jede Partei das Vorhandensein der Gegner voraus. , Hier wie in vielen andern flle'n gilt, da wir vom feind leben. ber Feind ist ntzlich; er ist mit uns zu einem unlsbaren Ganzen zusammengedaeht; er leistet innerhalb des Ganzen das, was wir zu. . Jeistenweder fhig, noch :willens sind, und der Ha ist notwendig.WILHELM MICHEL

damit die funktionen sauber geschieden blei;!: und somit :;:1 ,"i'i::' des Ganzen verlaufen. Andere flle harmonischer cntgegel1~L: 1:~1:1;~ ,;;:Tcrt (;ie Kunst. tllderlin erklrt die Tragdie geradezu als Zw ic [ au:; bergroer [nnigkeit des Grundgefhls. Weil ihr Grundgefll', das innigste und ,!';eschlossenste ist, kann es sich nur durch das scl1~irfste Gegenteil, d.ie Zwietracht der streitenden Elemente, uern. "uerung" berhaupt erfolgt immer durch das feindliche. Gedanke uert sich durch das Wort, Gemeinschaft durch Organisation, Kunstgestalt durch tnende, scheinende, tastbare Materie; ganz allgemein: Geist durch Stoff. Das ist so gesetzmig, da zuverlssi'g aus einer manifesten feindschaft auf eine hhere Harmonie geltchlossen werden kann, die die Gegner unsichtbar bergreift. feindschaft kommt aus einer bergeordneten Harmonie und lielt auf sie hin. Das ist der Grund dafr, da insbesondere alles Bruchstckhafte feindschaft herausfordert; die im Sinne der Vervollstndigung wirkt. feindschaft gibt den Abstand an, der uns aoch von unserer inneren Einigkeit und Vollstndigkeit trennt. Alle unsere feinde sind Projektionen unserer Zwiespl'te und Mngel nach auen. Der dmmste und'-frechste Hohn, der uns ins Gesicht grinst. hat noch einen letzten Rest gttlicher Ermchtigung. Der feind wird zum Organ aller fr uns verbindlichen Ansprche. gegen die wir verstoen haben. Er rcht an uns alle Verletzungen jener zahlreichen Ordnungen, denen wir geistiger oder stofflicher Weise an~ehren.

Insbesondere rufen alle bertretungen unseres eignen Lebensge5etzes, Snden wider unsern Charakter, alle Stilverste mincterer und hchster Art, uere feindschaft auf. Verschlungen sind wir alle in die eine Bestimmung, zu wachen darber, da jedes Leben seinem Gesetz entsprechend sich vollziehe. Durch feindschaft helfen unsere Gegner uns selbst bestimmen, abgrenzen, erfllen. Sie helfen uns leben. Sind wir innerlich unproblematisch. sind wir "vollstndig", so braucht sich kein Gegner um unsere Vervollstndigung zu bemhen. Das fhrt unausweichlich zu zwei folgerungen. Die erste ist die, da ausnahmslos jede feindschaft. der wir be.!';egnen, beachtenswert ist. Keineswegs darf das feige Vorurteil aufkommen, da" jede feindschaft gegen uns "recht habe". Aber sie KlU darauf untersucht werden, ob sie sich speist aus wesentlichen Snden und Versten, die wir 'begingen oder ob 'sie nur jene unserer Verste betrifft, die wir willig als Preis zahlten fr Tat, Werk oder irgendeine andere hhere Rcksicht. Ist sie von der ersten Art, dann -mssen wir die auf der Spitze mordgieriger Speere' dargereichte Mahnung dankbar gren und befolgen. Ist sie von der zweiteIl Art, dann hat die feindschaft keinen Wert fr uns und kann bersehen werden.17;;:;

Die zweite folgerung ist die, da feindschaft vorwiegend auf dem inneren Schlachtfeld bekmpft, d. ,ho entwaffnet. werden mu. Die Waffe des feindes ist genau das, was wir zu sein unterlassen haben. Als Waffe erscheint, was wir nicht gelebt, was wir an Ganzheit, Wahrheit oder Verdichtung unseres Wesens versumt haben. Die Entwaffnung des feindes geschieht, indem wir leben, was er uns entgegenhat. Sich innerlich verdichten und wahrtmachen, das schlgt die Gegner ohne Schwert. SeThst das radikal Bse weicht dem radikal Wirklichen. Warum setzt der Neuplatonismus dem Gttlichen als dem "Seienden" das Bse als das "Nichtseiende" entgegen? Offenbar deshalb, weil gegenber dem radikal Wirklichen. Seienden, Vollstndigen, Einen die Anfeindung des Bsen weder Ort noch Sinn hat. Dem allumfassenden, wirklichsten Sein gegenber gibt es nichts Wider-Seiendes, nur Nicht-Seiendes. So hat es auch jedes Einzelleben in der Hand, den feind ins Nicht-Sein zu drngen. ind,em er' sein 'eignes Sein mehrt und hht. Gegner haben' wir nur so lange, als wir ihrer bedrfen. freilich zahlt jedes Wesen den Preis fr sein Leben durch eine einseiti'ge, beschrnkte und also mit einem letzten Mangel behaftete Existenz. Irgend jemand wird uns immer hhnen oder hassen, weil wir wagen zu leben. Dieser letzte feind ist unvermeidlich. Aber alle brigen knnen wir zum Absterben in den Ringen ihres eignen Harnischs bringen, 'indem wir ihren Ha als, Leben in unser eignes Wesen herbernehmen. Die Mathematik liefert dafr das Bild: was von der einen Seite einer Gleichung auf die andere herbergenommen wird, wechselt Vorzeichen und Wert. Minus wird Plus. Hai wird Leben. Gedanken dieser Art beleben sich auf wunderbare Welse gerade einem Deutschen, dessen Herz von der Gewalt des verborgenen nationalen Genius glht und der von da aus den Ha erblickt, der unserer nationalen Verfestigung vor dem Kriege widerStrmend mu in alle deutschen Herzen die Erkenntnis fuhr. brechen, da diese Verfestigung falsch war. Sie war gegen das Gesetz unseres Wesens. Was sich gegen sie erhob, war ein berechtigter Aufruf zu einer neuen, unserer wahren Gestalt. fllt uns als 'Preis des Krieges nicht einmal diese Erkenntnis zu, dann waren wir nicht wert, ihn zu verlieren. Nicht als ob uns starke Selbstbehaup-' tung verboten sei; aber sie darf nicht erfolgen unter. Verleugnung . unserer Seele. Keiner privaten Zerknirschung rede ich das Wort. Aber wie gern slTen wir das deutsche Volk, g.anz erwacht, auf der Tafel der Geschichte die ihm gestellte frage recht lesen, und VOlt da aus jene Kraft gewinnen, die die Speere des Hasses knickt, wie mrbes Rohr; weil das Mark ihnen entzogen und fr deutsches Leben als Nahrung gewonnen ward. Bleiben wir aber in der Dumpiheit und in der Snde wider uns selbst, dann wird sich nod, mancher gottgewollte feind um unsere Rettunlil: hemhen msseli.17~'

L. N. TOLSTOJ

BER DEN JAPANISCHEN }(Q1P.GVOll

Aus den El'imleruilgen

M. P. Nou:ikOlcg.

Von dem Bauer Michael Petrowitsch Nowikow, dessen Erinnerungen diese in deutscher Spradhe bisher noch nicht $ ffentlichte Unterredung mit TQlstoi entnommen ist, ist "Ih' Tolstois' Tagebuch zu, lesen: "Ein wichtiges Ereignis billdete die Bekanntschaft mit dem Schreiber Nowikow, der infolge der Lektre meiner Bcher seine Lebensweise nderte. Ein leidenschaftlicher Jngling." Wegen seines Abfalles von der griechisch-orthodox'en Kirche zog sich Nowikow g'tausame Verfolgungen durch die Militr- und Gendarmeriebehrden iu. er wurde nach dem Turgaisker tOistr-ikt verbanl1t. An Nowikow wandte sich Tolstoj mit der Bitte um Gewhrung einer Unterkunft, als er sich (1910) dar'auf vorbereitete, Jasnaia Polja,na fr immer zu verlassen.

"Entsetzlich, entsetzlich. Heute und gestern weinte ich ber die unglcklichen Menschen, die das kluge Sprichwort, da ein schlechter Friede besser ist als ein guter Streit, vergessen haben und tagtglich zu Zehntausenden fr eine ihnen unverstndliche Idee dahinsterben. Ich .Iese die Zeitungen nicht; da ich wei, da darin die Schrecknisse des Massenmordes geschildert werden, aber nicht um sie zu verurt~ilen, sondern um sie zu preisen. '" Aber die Hausangehrigen lesen sie mir bisweilen vor, und ich weine. . .. Ich .nu weinen. . . ." So sprach Leo~Nikplajewitsch Tolstoj zu mir im SOlJ1mer c:1es Jahres 1904, als ich ihn, zur Zeit des japanischen Krieges, be'suchte. "Wenn es doch wenigstens einen Sinn htte," ft;hr er tort, "wenn al!ch nur einen eingebildeten, Schutz des Thrones, Glaubens und Vaterlandes, selbst das mangelt diesem Kriege. Und wie kann ein Volk einen Krieg fhren, wenn es nichts dabei verstehen kann? Lesen Sie doch, was ein Soldat schreibt, der bereits im Kriege war lind krankheitshalber zurckgekehrt ist," sprach L. N. und reichte mir einen Brief. der mit groen, verwischten Zgen geschrieben war; darin erzhlte der unbekannte Schreiber, wie gut ihre Stimmung gewesen sei, als sie pie Heimatsstadt verlieen, und wie diese Stimmung immer mehr gewichen sei, je nher sie der Mandschurei kamen. "Wir fuhren einen Tag, einen zweiten, eine Woche, einen Monat," hie es in dem. Briefe, "nur de Felder und Wlder, sieben Tausend Werst legten wir zurck und sahen nicht einmal zehn Drfe~. Steppen auf Steppen. Ja, auf dieser Erde kann man noch zehnmal zu viele Menschen ansiedeln und es wird kein Platzmangel herrschen. Auch das Chinesenland durchfuhren wir lauter Berge und Steine. Und welchen Pfahl bra~chten wir hier, weshalb um solcher Pelsen und Steine halber Bl'Ut vergieen? Als ob das eigene Land nicht gengte. Als wir all das sahen und berlegten, Itamen uns andere Gedanken lind wir verloren 'die Begeisterung."1757

"Die Liberalen," fuhr er fort, "die die furchtbaren Rstungeil und Vorbe'reitungen zum Mord sehen, behaupten, da ein bewaffneter Friede der hoffnungsvollste sei, .denn je furchtbarer die Mordwaffen seien, desto unsinniger sei ein Krieg und umso grere Hoffnung bestehe auf Erweichung und Nachgiebigkeit der streitenden Parteien. Und ich glaube gerade das Gegenteil: Da der Stock in den Hnden des Schwachen diesen weit mehr zum Kampfe mit delil Starken reizt, als den Starken, aber unbewaffneten, seine Kraft. Ich lie mir erzhlen, da blinde Bettler nie miteinander auf dem Jahrmarkt rauien, wenn sie nicht Stcke in Hnden haben." "Ich kann nicht ohne Trnen an diese Schrecken denkeIl," sagte L. N., als wir miteinander dem Waldsaum entlang in der Richtung zur Eisenbahn schritten. - "Sehen Sie sich um, welch ein Segen: Wiesen, Wlder, Felder, tiefblauer Himmel, alles winkt und erzhlt vom Leben, die Menschen aber mssen, all dem zum Trotz, wider das eigene Leben und die eigenen Wnsche, morden gehen. Verstmmelte Menschen, ihre faulenden Leiber in den Grben -- besteht denn auch nur der geringste Zusammenhang zwischen ihnen und dieser Natur? Vor meinen Augen flimmern, einenseits diese Leichen, andererseits die Frau, die sich die Untersttzung holt und der drei Kinder nachlaufen, die furchtsam fragen: Mutter, aci. Mutter, wird denn der Vater nicht wiederkommen? Entsetzlich, entsetzlich." "Haben Sie die Stelle bei Garschin gelesen, erinnern _Sie sich?" fragte L. N. - "Dort blieb ein Soldat nach dem Kampfe im Gestrpp verwundet vier Tage liegen, den Tod inmitten anderer Leichen erwartend. Wie er sich darber qulte, was er nicht verstehen. konnte, was er hier suchte, weshalb er hierher gekommen war, Tausende We!1st von seiner Heimat entfernt, in diese Strucher? Weshalb hatte er Familie. und Heimat verlassen und mute jetzt hier sterben? Ein furchtbarer Zustand! Und wieviele liegen ihrer jetzt ebenso auf den mimdschuriJschen Hgeln, ohne zu verstehen, weshalb sie dort sind, whrend gleichzeitig ihre Kinder, gleich aufsichtslosen jungen Hunden, niedergeschlagen im Dorf herumirren." ."Die Diplomaten und Herrschenden behaupten, da der Streit nicht anders als dUJ;ch Krieg gelst werden knnte, sie selbst aber ziehen nieht in den Krieg, sondern schicken ganz unschuldige Menschen, da sie einander tten, und wenn diese betrogenen Menlichen einander zu lIunderttausenden gemordet und zu Krppeln geschlagen haben, dann kommen eben diese lIerrscher und Diplomaten pltzlich zu Verstand, Weisheit erfllt sie und sie vershneA. sich alle miteinander." (Obertroeen von Pali" FrankMst~i".J

175/3

HANS REIMANNnach

ICH LASSE DICH NICfIT ...

HEDWIG COURTHS-MAHLER

Am Hofe des freiherrn von Sonnenschein herrschte geschftiges Hin und tIer wie in einem besseren Bienenkorbe, sollte doch der heute abend allseits mit lebhafter Spannung erwartete Ball stattfinden, um die Domestikenschar in be.greifliche Aufregung zu versetzen. Noch war hier die letzte Hand anzulegen, noch galt es dort fr die Tafelfreuden einen leckeren Bissen zurecht zu machen und den schumenden Sekt in kbelnden Khlen 'bereit zu halte~ Aber gar bald waren alle Vorbereitungen getroffen und das Fest vermochte seinen pomphaften Verlauf zu nehmen, als auch die ersten Gste nahten, von einem Tro livrierter Lakaien in Empfang genommen, Nicht lange, so warerr die Sle und Prunkgmcher erfllt mit lorgnettierenden Damen und Herren der obersten Aristokratie. welche ein BfId entfalteten, welches in bezug auf seine ihm inne wohnende Toilettepracht die Sinne des Beschauers wie mit magischem Glanz umgaukelte, um dieselben ganz und voll iri ~eiJien Bann zu ziehen. Doch lassen wir das frhliche Wogen und Treiben der I1mdelfnhig. geschnittenen Gsteschar und wenden unsern Blick nach dem lausigen Palmenhaus; welches einen betubend exotischen Duft auf den unstet wandelnden Fremdling, welcher den grnummosten Weiher, in welchem Oonokokken und andere fremd~ lndische Wassertiere zu den zierlichen Kavalkaden der unermdlichen fontaine ihr drolliges Spiel trieben, umwandelte, ergoB. Der junge Graf Bodo von Chammerstein war es, in bIiitendes Sinnen, aus welchem nichts Gutes herauskommen sollte, versunken, hatte er doch mit Ada, der' reizenden Tochter des Hauses, ein holdes. Stelldichein vereinbart und harrte derselben in banger Ungeduld, welche ber courths oder lang den Schauplatz betreten mute. "Sie naht'" strich er pltzlich mit fieberheien Schlfen seinen elastischen Schnurrbart, aus welchem trotz seiner Jugend hie und da verstohlene graue fdchen wie Vorboten druenden Ungemachs herausschimmerten, gleichsam als wollten sie dem Flattersinn des jungen Unbands zurufen: "Haie p-in. 0 Bnrln, auf dem Pfad, welch letzteren du betreten!" Sie war es, sie stand vor ihm in all ihrer jugendlichen Jugeridfrische, die wundervoll gekerbten brnetten Lippen und seltsam kirschroten Augen belebten das wie aus Milch und Kunsthonig geflochtene Gesicht, whrend die bestrickend verbogenen Wimpern; welche ihr nur allzu eigen. waren, dem kleidsam frisierten Haar. welches, zu einem schlichten, gordischen Weichselzopf geordnet, welcher schwer auf dem therblauen Nacken des niedlichen Wildfangs ruhte, von Demanten gleite und karfunkelte, So da der junge Graf berwltigt die Relativittsdrsen schlo, um einen taufrischen Ku auf ihre ambmduftenden Hnde, welchen ein milder Glanz nach1759

DraHes lllusion entstrmte, zu pressen. whrend seine melancholischen Blicke, welche den aufgedrckten Stempel manch durchzechter Nacht nUT msam zu verhehlen suchten, die gertenschlanke Gestalt derselben von jenem berckenc\en Ebenma, welches dOL"h alle Linien der sonst so edlen Figur in plastischer Greifbarkeit hervorquellen lie, lUTIfingen, in deren Adern ein nur mit Aufgebot aller Selbstbezwingung verhaltenes Feuer glomm, um, bis ins innerste Rindennark getroffen, vor Sehnsucht schier zu vergehen Da erklang eine sonore Stimme und Freiherr von Sonnenschein, Adas Papa, stand in eigener Person zwischen dem schnen, aber ungleichen Prchen, welches wie von der Tarantella gebissen, mit vor Verlegenheit gepeinigten Nerven das Weite suchte, um dasselbe geringschtzig zu mustern, dem der auf Seide gearbeitete Frack, welcher sich unter einem batistseidenen Hemd wlbte, direkt ,himmlisch zu Gesicht stand, um dasselbe in seine ihm von der Natur auferlegten Schranken zurckzuweisen; das Meer erglnzte weit hinaus. "Verlassen Sie auf der Stelle meine hochherrschaftliche Villa oder Sie sind ein Kind des Sensenmannes!" nestelte der Freiherr an seiner hinteren Gestasche. "Ich bitte um die Vorhand ihres Frulein Tochter, liebe ich doch dieselbe vollinhaltlich!" brachte Bodo wie zu seiner Entschuldigung kaum ber die in kalten Schwei gebadeten Lungen. Vergebens! Mit schrillem Aufschrei zog der. Freiherr einen Minimax, um denselben auf den wie versteinernden Bodo zu richten, indem er, . von der ha verzerrten Kugel durchlocht, zu Boden sank, ohne weiteren Schaden zu nehmen, war doch das todbringende Gescho mitten in Bodos .Gehini gedrungen, ohne auf edle T'eile verletzend zu wirken. Schluchzend vor Erregung ber den glcklichen Ausgang der nur aHzu prekren Lage, welche unvermutet wie Gewitterwolken am Finnamente hereingebrochen, sank Bodo, welcher heil davongekommen, an Adas schneeig keuchenden Busento, welcher u.ter einem von reichem Stuck vergoldeten Costume von allerletztmodernstem Crepe de Chinin, auf welchem rotsqmmete Psytanderlinien aufgestickt, welche dem Ganzen einen uerst geflligen Ab-' schlu verliehen, wogte. "Ich lasse dich nicht!" kte sie den dem Leben Wiedergerettctell wieder und wieder auf Bodos magere, wie vom Kummer jh abgezehrte Stirn. Ocr Freiherr aber holte sein Scheckbuch aus der hereits erwhnten Gestasche und berreichte dem jungen Sausewind, welcher das Duell so vorzglich bestanden, eine stattliche Mitgift, whrend Ada ihrem Brutil{am. hei pulsend in die Arme sank, uin demselben Treue frs Leben zu schwren fr I111d fr.l.760

Die perlenden Glser stieen hell und. klar aneinander an. Adas Augen strahlten auf. - Und aus Mamsell Sonnenschein ist am folgenden Pfingstfest eine glckstrahlende Grfin Chammerstein geb. Sonnenschein geworden, deren Strahlen alle Herzen, weIche des Glcks teilhaft wurden, in die Nhe derselben zu kommen, mit goldenen Lettern in ihren Bann schlug. 'Und wenn sie nicht gestorben sind, so liegt es lediglich daran, daH sie nie gel'ebt haben. , Amen.

PAUL.MAYER

DIE DUBAR.RY

In der tausendjhrigen Geschichte vom Glanz und Elend der Courtisanen ist das Kapitel von der letzten Geliebten Ludwig XV. eines der amsantesten. Victor von Koczian hat in geschickter Auswa:hl ungefhr hundert Briefe, die von der Dubarry selbst geschrieben oder an sie gerichtet sind, vereinigt und damit eine Lebensgeschichte der viel verleumdeten Marquise und gleichzeitig ein in den farben Bouchers schillerndes Kulturbild aus dem ancien regime gegeben. (Die Briefe der Madame Dubarry. Ernst R.owohlt Verlag, Berlin 1923.) Die Dubatry war die uneheliche Tochter eines Armeelieferanten, der immerhin Gewissen genug hatte, sich um das Mdchen zu kmmern und es in einem geistlichen Institut erziehen zu lassen. Dart hatte es die hbsche J eanette sehr eilig, das R.echt der ersten Nacht zu vergeben, wie aus den folgenden Zeilen des instinktsicheren Backfisches an einen zrtlichen Diener Gottes hervorgeht: Paris, '14. April 1759, Mein Herr Abbe! Als Sie mich zu liehen begannen, lieen Sie es an VersprecilUllgel1'nicht fehlen. Ich war Ihr "Herzchen''', und Sie taten gerade so, als htte ich nur zu sagen, was ich ,mir wnsche, Als ich Sie dann um ein einfaches Taffetkleid bat, verspracllen Sie mir wohl, da Sie es mir schenken wrden, wenn Sie wiederkmen, Aber inzwischen waren Sie schon dreimal hier; ohne auch nur daran zu denken. Das ist sehr hlich von Ihnen, Herr AbM. Sie haben mich hinters Licht gefhrt Htte ich den Wert von dem, was ieh Ihnen' gab, recht ermessen, so wre ich Ihnen' nicht so leicht ins Garn gelaufen.' Wenn Sie mir am nchsten Sonntag mein Kleid nicht schenken, erzhle ich der gndigen frau, was Sie mit mir gemacbt haben. Und ich werde dabei so sehr weinen, da sie mir verzeihen, Ihnen aber gehrig die Meinung