de novo - BIOPKU · Bei der de novo Synthese der Purin-Nukleotide wird der heterozyklische Ring an...

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Kapitel: Nucleotide 40 Einleitung Nucleinsäuren werden in allen Geweben ständig auf- und abgebaut. In Hirn, Skelettmuskel und Knorpel teilen sich Zellen nur selten, sodass wenig Deoxyribonukleotide synthetisiert werden müssen, im Gegensatz zu Darm-Mucosa, Haut und Knochenmark, welche sich ständig erneuern. Beide Typen von Geweben synthetisieren hingegen Ribonucleotide als Bausteine von RNA, die zur Proteinsynthese gebraucht werden. Purin- und Pyrimidin-Nucleotide können entweder de novo gebildet werden oder aus Purin- und Pyrimidin-Basen, die aus dem Nucleotidabbau stammen (sog. Wiederverwertungsweg). Bei der de novo Synthese der Purin-Nukleotide wird der heterozyklische Ring an 5- Phosphoribose synthetisiert, während bei den Pyrimidin-Nucleotiden zuerst der Pyrimidinring gebildet wird vor der Koppelung mit 5-Phosphoribose. Der erste Schritt in der de novo Synthese der Nukleotide wird durch die Endprodukte (AMP + GMP bzw. UTP) stark gehemmt ("negative Feedback Hemmung"). Das N1 der Purine stammt von der Aminogruppe des Aspartats; C2 und C8 haben ihren Ursprung in Formiat; N3 und , N9 werden von der Amidgruppe des Glutamins geliefert; C4, C5 und N7 werden von Glycin beigesteuert (was darauf hindeutet, dass dieses Molekül als Ganzes in den Purinring eingebaut wird) und C6 stammt aus HCO3. Dieser Syntheseweg existiert vollständig nur in der Leber.

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Kapitel: Nucleotide

40

Einleitung Nucleinsäuren werden in allen Geweben ständig auf- und abgebaut. In Hirn, Skelettmuskel

und Knorpel teilen sich Zellen nur selten, sodass wenig Deoxyribonukleotide synthetisiert

werden müssen, im Gegensatz zu Darm-Mucosa, Haut und Knochenmark, welche

sich ständig erneuern. Beide Typen von Geweben synthetisieren hingegen

Ribonucleotide als Bausteine von RNA, die zur Proteinsynthese gebraucht werden.

Purin- und Pyrimidin-Nucleotide können entweder de novo gebildet werden oder aus Purin-

und Pyrimidin-Basen, die aus dem Nucleotidabbau stammen (sog. Wiederverwertungsweg).

Bei der de novo Synthese der Purin-Nukleotide wird der heterozyklische Ring an 5-

Phosphoribose synthetisiert, während bei den Pyrimidin-Nucleotiden zuerst der

Pyrimidinring gebildet wird vor der Koppelung mit 5-Phosphoribose. Der erste Schritt in der

de novo Synthese der Nukleotide wird durch die Endprodukte (AMP + GMP bzw. UTP) stark

gehemmt ("negative Feedback Hemmung").

Das N1 der Purine stammt von der Aminogruppe des Aspartats; C2 und C8 haben ihren

Ursprung in Formiat; N3 und , N9 werden von der Amidgruppe des Glutamins geliefert; C4,

C5 und N7 werden von Glycin beigesteuert (was darauf hindeutet, dass dieses Molekül als

Ganzes in den Purinring eingebaut wird) und C6 stammt aus HCO3. Dieser Syntheseweg

existiert vollständig nur in der Leber.

Kapitel: Nucleotide

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Stoffwechselweg zur de novo Synthese von IMP

Kapitel: Nucleotide

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Synthese von Inosinmonophosphat (IMP) Alle Purine gehen auf Inosinmonophosphat (IMP) zurück, das Nucleotid der Base

Hypoxanthin. IMP ist sowohl die Vorstufe von AMP als auch von GMP.

IMP wird über einen Weg, der aus 11 Reaktionsstufen besteht, synthetisiert (siehe Seite

41).

1. Aktivierung von Ribose-5-phosphat Im ersten Schritt der Purinbiosynthese aktiviert die Ribosephosphat-Pyrophosphokinase die Ribose, indem sie diese mit ATP zu 5-Phosphoribosyl-α-pyrophosphat (PRPP) umsetzt.

2. Einbau des Purinatoms N9 In der ersten Reaktion, die ausschliesslich der Purinbiosynthese dient, katalysiert Amidphosphoribosyl-Transferase die Substitution der PPi-Gruppe von PRPP durch das Stickstoffatom der Amidgruppe von Glutamin.

3. Einbau der Purinatome C4, C5 und N7 Die Carboxylgruppe des Glycins bildet mit der Aminogruppe von Phospho-ribosylamin ein Amid, das Glycinamidribotid (GAR).

4. Einbau des Purinatoms C8 Die freie α-Aminogruppe von GAR wird formyliert. Dies führt zu Formyl-glycinarnidribotid (FGAR).

5. Einbau des Purinatoms N3 Die Amidgruppe eines zweiten Glutamins wird auf den wachsenden Purin-ring übertragen und es entsteht Formylglycinamidinribotid (FGAM).

6. Bildung des Purin-Imidazolrings Der Purin-Imidazolring wird in einer ATP-verbrauchenden intramolekularen Kondensation geschlossen, die zu 5-Amidoimidazolribotid (AIR) führt.

7. Einbau von C6 Das Purin-C6-Atom wird durch HCO3 eingeführt. Die Carboxylierungs-reaktion wird durch AIR-Carboxylase katalysiert und führt zu Carboxy-aminoimidazolribotid (CAIR).

8. Einbau von N1 Das Purinatom N1 wird von Aspartat in einer amidbildenden Kondensationsreaktion zu 5-Aminoimidazol-4-(N-succinylocarboxamid)-ribotid (SACAIR) beigesteuert.

9. Eliminierung von Fumarat SACAIR wird unter Freisetzung von Fumarat gespalten. Dabei wird 5-Aminoimidazol-4-carboxamidribotid (AICAR) gebildet.

10. Einbau von C2 Das letzte Atom für den Einbau in den Purinring liefert die Formylierung durch N10-Formyltetrahydrofolat zu 5-Formaminoimidazol-4-carboxamid-ribotid (FAICAR).

11. Cyclisierung zu IMP Die letzte Reaktion dieses Wegs, der Ringschluss zu IMP, erfolgt durch Eli-minierung von Wasser.

Kapitel: Nucleotide

43

Synthese von Adenosin- und Guanosinribonucleotiden Synthese von AMP und GMP aus IMP

IMP wird innerhalb der Zelle nicht

akkumuliert, sondern rasch zu AMP und

GMP umgewandelt. AMP, das sich von

IMP nur durch den Austausch der

Ketogruppe durch eine Aminogruppe

unterscheidet, wird über einen

zweistufigen Reaktionsweg

synthetisiert. In der ersten Reaktion -

getrieben durch die Hydrolyse von GTP zu

GDP und Pi - wird die Aminogruppe von

Aspartat mit IMP zu Adenylosuccinat verknüpft. In der zweiten Reaktion

eliminiert Adenylosuccinat-Lyase Fumarat und bildet so AMP.

GMP wird ebenfalls in zwei Stufen

aus IMP synthetisiert. In der ersten

Reaktion wird IMP durch eine NAD+-

abhängige Reduktion zu

Xanthosinmonophosphat (XMP)

dehydriert. XMP wird dann durch den Transfer eines Glutamin-Amidstickstoffs zu

GMP umgewandelt.

Synthese von Di- und Triphosphaten In der ersten Reaktion werden Nucleosiddiphosphale durch basenspezifische

Nucleosidmonophosphat-Kinasen aus den jeweiligen Nucleosidmonophosphaten

synthetisiert.

XMP + ATP XDP + ADP (z.B. durch Adenylatkinase: AMP + ATP 2ADP)

Diese Nucleosidmonophosphat-Kinasen unterscheiden nicht zwischen Ribose- und

Desoxyribose enthaltenden Substraten. Nucleosiddiphosphate werden durch

Nucleosiddiphosphat-Kinasen in die jeweiligen Nucleosidtriphosphate überführt:

XDP + YTP XTP + YDP

Kapitel: Nucleotide

44

Widerverwertung der Purine In den meisten Zellen wird beim Umsatz von Nucleinsäuren (besonders von einigen RNA

Spezies) Adenin, Guanin und Hypoxanthin freigesetzt. Diese freien Purine werden über

Rückgewinnungswege (salvage pathways) wieder zu den entsprechenden Nucleotiden

umgesetzt.

Im Gegensatz zu den Reaktionen der de novo-Synthese von Purinnucleotiden, die praktisch

in allen Zellen identisch abläuft, unterscheiden sich die Recycling-Wege hinsichtlich der

Mechanismen und des Vorkommens von Organismus zu Organismus. In Säugern werden

Purine zum grössten Teil durch zwei Enzyme wiederverwertet:

Adenin-Phosphoribosyl-Transferase (APRT) Adenin + PRPP AMP + PPi Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase (HGPRT) Hypoxanthin + PRPP IMP + PPi Guanin + PRPP GMP + PPi In extrahepatischen Geweben ist der Wiederverwertungsweg ungleich wichtiger als die

de novo-Synthese (z.B. Nervensystem). Deshalb hat ein Ausfall der HGPRT

scherwiegende Folgen und beeinträchtigt die Gehirnentwicklung (siehe Seite 56).

Synthese von Pyrimidinnucleotiden CMP, UMP, dCTP, dTTP (de novo)

Die Biosynthese von Pyrimidinen ist weniger

komplex als die von Purinen. Isotopenexperimente

haben gezeigt, dass die Atome NI, C4, C5 und C6

des Pyrimidinrings alle aus Asparaginsäure

stammen und dass C2 von HCO3 und N3 von

Glatamin geliefert werden.

Synthese von UMP UMP, das auch eine Vorstufe von CMP ist, wird über einen sechsstufigen Reaktionsweg

synthetisiert. Im Gegensatz zur Purinnucleotidsynthese wird der Pyrimidinring nach der

Ringsynthese an die Ribose-5-phosphateinheit geknüpft.

CN

C

CC

N

12

34

5

6

Glutaminamid Aspartat

HCO3-

Kapitel: Nucleotide

45

De novo-Synthese von UMP

Kapitel: Nucleotide

46

De novo-Synthese von UMP 1. Synthese von Carbamoylphosphat

Die erste Reaktion der Pyrimidinbiosynthese ist die Synthese von Carbamoylphosphat aus

HCO3- und dem Amidstickstoff von Glutamin durch das Enzym Carbamoylphosphat-

Synthetase II im Cytosol (siehe Harnstoffzyklus).

2. Synthese von Carbamoylaspartat

Die Kondensation von Carbamoylphosphat mit Aspartat zu Carbamoylaspartat wird durch

Aspartat-Transcarbamoylase (ATCase) katalysiert.

3. Ringschluss zu Dihydroorotat

Der dritte Reaktionsschritt ist eine durch Dihydroorotase katalysierte, intramolekulare

Kondensation und liefert Dihydroorotat.

4. Oxidation von Dihydroorotat

Dihydroorotat wird durch Dihydroorotat-Dehydrogenase irreversibel zu Orotat oxidiert.

5. Verknüpfung mit dem Ribosephosphatrest

Orotat reagiert mit PRPP, katalysiert durch die Orotat-Phosphoribosyl-Transferase, zu

Orotidin-5'-monophosphat (OMP).

6. Decarboxylierung unter UMP-Bildung

Die letzte Reaktion des Stoffwechselwegs ist die Decarboxylierung von OMP durch die OMP-

Decarboxylase unter Bildung von UMP.

Kapitel: Nucleotide

47

Synthese von UTP und CTP

Synthes von CTP aus UMP

Die Synthese von UTP aus UMP verläuft

analog der Synthese der Purinnucleosid-

triphosphate. Sie erfolgt durch die

aufeinander folgende Katalyse von

Nucleosidmonophosphat-Kinase und

Nucleosiddiphosphat-Kinase:

UMP + ATP UDP + ADP UTP + ATP UTP + ADP

CTP wird durch die Aminierung von UTP durch

CTP-Synthetase gebildet. Bei Tieren stammt

die Aminogruppe von Glutamin, bei Bakterien

direkt von Ammoniak .

Regulation der Nucleotidsynthese Die zu Purin- und Pyrimidinnucleotiden führenden Synthesewege unterliegen einer strengen

Regulation.

Purine

Die Regulation des IMP-Wegs greift an den ersten beiden Reaktionen ein.

Ribosephosphat-Pyrophosphokinase, das Enzym für die erste Reaktion des IMP-Wegs,

wird durch ADP und GDP gehemmt. Amidophosphoribosyl-Transferase, die zweite

Reaktion katalysiert, unterliegt ebenso einer Rückkopplungshemmung und zwar einerseits

durch ATP, ADP und AMP sowie GTP, GDP und GMP.

Kapitel: Nucleotide

48

Eine zweite Regulationsstelle liegt unmittetbar hinter dem Verzweigungspunkt von IMP zu

AMP oder GMP. AMP und GMP wirken als kompetitive Inhibitoren von IMP auf ihrem

jeweiligen Syntheseweg. Zusätzlich werden die Syntheseraten der Adenosin- und

Guanosinnucleotide koordiniert. GTP treibt die Synthese von AMP aus IMP, während ATP

diejenige von GMP aus IMP treibt. Die kreuzweise Abhängigkeit sichert die Synthese von

AMP und von GTP aufeinander ab (allosterische Aktivierung).

Ribose- 5- phosphat

PRPP

5-Phosphoribosylamin

IMP

Adenylosuccinat

AMP

ADP

ATP

XMP

GMP

GDP

GTP

Regulation der Purinbiosynthes

Kapitel: Nucleotide

49

Pyrimidine

Bei Eukaryoten wird die Pyrimidinbiosynthese über die Aktivität der Carbamoylphosphat-

Synthetase II reguliert, die durch UDP und UTP gehemmt sowie durch ATP und PRPP

aktiviert wird.

Synthese von Desoxyribonucleotiden Desoxyribonucleotide (dNDP) werden aus den entsprechenden Ribonucleotiden (NDP)

durch Reduktion der C2'-Position hergestellt und nicht durch de novo-Synthese aus

desoxyribosehaltigen Vorstufen.

CPS

OMP-

Regulation der Pyrimidinbiosynthese

HCO 3 - + Glutamin + ATP

Carbamoylphosphat

Carbamoylaspartat

Dihydroorotat

Orota

OMP

UMP

UDP

UTP

CTP

PRPP

Kapitel: Nucleotide

50

Enzyme, welche die Bildung von Desoxyribonucleoti den durch Reduktion der

entsprechenden Ribonueleotide katalysieren, bezeichnet man als Ribonucleotid-

Reduktasen.

Der letzte Schritt im katalytischen Zyklus der Ribonucleotid-Reduktase ist die Reduktion

der neu gebildeten Disulfidbindung des Enzyms zum ursprünglichen, redoxaktiven

Sulfhydrylpaar. Eines der physiologischen Reduktionsmittel des Enzyms ist Thioredoxin, ein ubiquitires monomeres Protein aus 108 Aminosäuren, das ein Paar benachbarte

Cys-Reste enthält. Thioredoxin reduziert oxidierte Ribonucleotid-Reduktase über einen

Disulfidbrückenaustausch.

Reduktion von Pyrimidin- und Purinnucleosiddiphosphaten

NADP Thioredoxin

NADPH2 Thioredoxin

SH

SH

S

S

NDP

dNDP

Thioredoxin-Reduktase

NDP-Reduktase

Oxidiertes Thioredoxin wird umgekehrt in einer Reaktion reduziert, die von Thioredoxin-

Reduktase katalysiert wird, die redoxaktive Thiolgruppen sowie FAD als prosthetische

Gruppe trägt.

Die Ribonucleotid-Reduktase ist ein grosses allosterisch reguliertes Enzym. Wichtigster

allosterischer Inhibitor (Feedback Inhibitor) ist dATP, wobei auch die anderen dNTPs als

Inhibitoren und Aktivatoren wirken, um die Balance der Konzentration der verschiedenen

dNTPs zu halten. Somit ist der Nucleotid-Stoffwechsel ausserordentlich gut ausbalanciert.

Kapitel: Nucleotide

51

Biosynthese von dTMP

Thymidin = 5-Methyldesoxyuridin

Das dTMP der DNA wird durch Methylierung von dUMP synthetisiert. dUMP entsteht

durch die Hydrolyse von dUTP durch dUTP-Diphosphohydrolase (dUTPase):

dUTP + H2O dUMP + PPi

Thymidylat (dTMP) wird durch Thymidylat-Synthase aus dUMP synthetisiert, wobei

N5,N10-Methylentetrahydrofolat als Methyldonor fungiert.

Synthese von dTMP und Redoxzyklus von Tetrahydrofolsäure

Thymidylat-Synthase

DHFR

Kapitel: Nucleotide

52

Hemmstoffe der Thymidysynthese Die Hemmung von DHFR blockiert die dTMP-Synthese sowie alle anderen THF-abhängigen

biologischen Reaktionen, weil das THF (FH4), das durch die Thymidylat-Synthase zu DHF

(FH2) umgewandelt wird, nicht wieder regeneriert werden kann. Dadurch wird die DNA-

Synthese (durch Substratmangel) gehemmt und damit die Zellvermehrung (Verwendung als

Cytostatica und Bacteriostatica). Eine solche Wirkung kann durch sog. Folsäure-Antagonisten

(=“Antivitamine“; Antifolate), die als kompetitive Inhibitoren an die DHFR binden, erreicht

werden.

Beispiele (Cytostatika): Amethopterin (Methotrexat, MTX), Aminopterin, Trimethoprim

Diese Antifolate sind wirksame Mittel gegen Krebs, besonders gegen Leukämie im

Kindesalter. In der Tat besteht eine erfolgversprechende Krebstherapie darin, dass man

Patienten mit einer letalen Dosis Methotrexat behandelt, der einige Stunden später die

Gabe hoher Dosen 5-Formyl-THF (Leucovorin) folgt um so den Patienten zu retten.

Die dTMP-Synthese ist ein entscheidender Prozess für schnell proliferierende Zellen, wie

Krebszellen, die einen ständigen dTMP-Nachschub für ihre DNA-Synthese benötigen.

Die Unterbrechung der dTMP-Synthese , z.B. durch 5-Fluorodesoxyuridylat (FdUMP),

kann deshalb diese Zellen abtöten.

Wiederverwertung von Pyrimidinnucleosiden Im Unterschied zu den Purinen kann ein Wiederaufbau von Pyrimidinnucleotiden ausgehend

von den beim Abbau freiwerdenden Pyrimidinbasen nicht erfolgen.

Hingegen werden die im Abbau anfallenden Pyrimidinnucleoside wieder verwertet:

Kapitel: Nucleotide

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Abbau von Nucleinsäuren und Nucleotiden

Die meisten Nahrungsmittel, die zellularen Ursprungs sind, enthalten Nucleinsäuren. Die

Nucleinsäuren der Nahrung werden nicht im säuren Milieu des Magens, sondern

hauptsächlich im Zwölffingerdarm durch pankreatische Nucleasen und intestinale

Phosphodiesterasen in ihre Nucleotidbausteine zerlegt. Die dabei entstehenden

ionischen Nucleotide, welche die Zellmembran nicht passieren können, werden von einer

Vielzahl gruppenspezifischer Nucleotidasen und unspezifischer Phosphatasen zu

Nucleosiden hydrolysiert. Nucleoside können direkt von der Darmschleimhaut absorbiert

werden oder durch Einwirkung von Nucleosidasen und Nucleosid-Phosphorylasen einen weiteren Abbau zu freien Basen und Ribose oder Ribose-1-phosphat

unterliegen.

Abbau der Pyrimidine

Die Endprodukte des Pyrimidinkatabolismus ,

β-Alanin und β-Aminobuttersäure, sind

Aminosäuren und werden als solche

metabolisiert. Das während des Abbaus entstandene NH3 wird als Harnstoff eliminiert.

β-Alanin β-Aminoisobuttersäure

RNA

Oligonucleotid

Mononucleotid

Nucleosid

Pyrimidin Purin

im Katabolismuzur Verwertba( H2O, 2,

im Katabolismunich Verwertba

Wiederverwertung von Purinbase

Wiederverwertung von Pyrimidinnucleoside

Nucleosi -Phosphorylase

Phosphomonoesterase( Nucleotidase , Phosphatasen

Phosphodiesterase(RNas , DNas )

H2O

H2O

H2O

Pi

Pi

Ribos - 1-Pi

AT

AD

P i

PRPHGPR

Prinzip des Abbaus von Nucleins ä uren und Nucleotiden

Kapitel: Nucleotide

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Abbau der Purine

Die Reaktionswege des Purinnicleotidkatabolismus, die bei Menschen in der Leber

stattfinden, führen alle zur Harnsäure, auch wenn sie in anderen Organismen ein wenig

unterschiedlich ablaufen (bei meisten Säugern wird Harnsäure weiter oxidiert und

decarboxyliert zum besser wasserlöslichen Allantoin). Zwischenprodukte dieser Reaktionen

können wiederum dem Aufbau von Purinnucleotiden dienen. Ausserdem ist Ribose-1-P, ein

Produkt der von Purinnucleosid-Phosphorylase (PNP) katalysierten Reaktion, ein Vorläufer

von PRPP.

Hauptwege des Purinkatabolismus

Beteiligte Enzyme: 1) 5’-Nucleotidase; 2) Adenosin-Deaminase; 3) Nucleosid-

Phosphorylase; 4) Guanin-Deaminase; 5) Xanthin-Dexydrogenase (Xanthin-Oxidase)

Kapitel: Nucleotide

55

Bei Menschen und anderen Primaten wird die Harnsäure im Urin ausgeschieden (ca. 60%

der täglichen Produktion von ~1 g).

Störungen des Pyrimidin- und Purinabbaus Mehr als 15 (Abbildung unten; 21.1-21.15) Enzymdefekte sind bis heute in Pyrimidin- und

Purinkatabolismus beschrieben. Die meisten davon werden autosomal-rezessiv vererbt,

einige sind X-chromosomal.

Ein genetisch bedingter Mangel an Adenosin-Deaminase (ADA) verursacht eine Störung im

Purinnucleosidstoffwechsel und führt dadurch zum Absterben von Lymphozyten. Da

Lymphozyten einen Grossteil der Immunantwort darstellen, führt dies zum so genannten

Schweren Kombinierten Immundefekt, der ohne Prophylaxe bereits im Kindesalter wegen

schweren Infektionen unweigerlich zum Tode führt.

Andere Defekte des Immunsystems rühren von einem Mangel an Purinnucleotid-

Phoshorylase (PNP) her. Dieser Enzymdefekt tötet die T-Lymphozyten, nicht jedoch die B-

Lymphozyten, und verursacht deshalb einen weniger schwerwiegenden Defekt des

Immunsystems.

Angeborene Enzymdefekte des Pyrimidin- und Purinabbaus

Pyrimidinabbau Purinabbau

Hyperurikämie (erhöhte Konzentration der Harnsäure)

Harnsäure ist in Wasser nur wenig löslich, do dass sie praktisch kristallin mit sehr geringem

Wassergehalt ausgeschieden wird. Die Plasmakonzentrationen bei gesunden Menschen

liegen nahe an der Löslichkeitsgrenze (♀: 150-350 μmol/l; ♂: 210-420 μmol/l).

Kapitel: Nucleotide

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Die Gicht ist eine Erkrankung, die sich durch erhöhte Harnsäurespiegel in den Kör-

perflüssigkeiten auszeichnet. Ihr häufigstes Symptom ist eine entzündliche Arthrose, die von

einem plötzlichen starken Schmerz im betroffenen Gelenk (oft der grosse Zeh) begleitet ist.

Ausgelöst wird diese durch die Ablagerung unlöslicher Natriumuratkristalle. Natriumurat oder

Harnsäure können sich darüber hinaus in Nieren und Harnleitern als Steine ablagern, was zu

Nierenschaden und Störungen im Harntrakt führt. Gicht ist eine der häufigsten

Stoffwechselkrankheiten (tritt bei ca. 3 von 1000 Personen auf) und manifestiert sich

zunächst durch eine Hyperurikämie (Harnsäure > 420 μmol/l) begleitet von Schmerzattacken

und Bildung von Harnsteinen. Später treten chronische Schäden in Gelenken wie z.B.

chronische Arthritis (Ablagerung von Uratkristallen in Knorpel – Gichtknoten) und irreversible

Nierenschäden auf.

Ursachen

Primäre Hyperurikämien:

• Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase (HGPRT)-Mangel (Lesch-Nyhan-Syndrom)

• Gestörte Ausscheidung von Harnsäure (bei 70%) – wird filtriert, sezeniert und

resorbiert

Sekundäre Hyperurikämien:

• Bei erhöhtem Zellumsatz, d.h. erhöhtem Umsatz an Nucleinsäuren (Leukämien, hämolytische Anämie)

• Niereninsuffizienz, Acidose (durch Stoffwechselstörung bedingte)

• Nahrungsbedingt durch Einnahme von zellreichen parenchymatösem Gewebe (Leber, Niere, Milken)

Die Gicht gilt als Wohlstandskrankheit und ist oft mit Diabetes Typ II oder Fettsucht

vergesellschaftet. Auch Alkoholgenuss kann einen Gichtanfall auslösen:

Ethanol Acetaldehyd Acetat + NADH-Überschuss in der Leber (Cytosol)

Als Folge wird Pyruvat vermehr zu Laktat abgebaut und Laktat kompetiert mit Harnsäure-

Sekretion in der Niere. Die Harnsäure-Konzentrationen steigen, was zur Gicht führen

kann.

Kapitel: Nucleotide

57

Therapie

• Purinarme Diät

• Uricosurica (Sulfinpyrazon) hemmt die Harnsäure-Resorption in der Niere und (Brenzbroman) fördert die Harnsäuresekretion.

• Allopurinol hemmt die Xanthin-Dihydrogenase (Xanthinoxidase) – Hypoxanthin und Xanthin sind besser wasserlöslich

Lesch-Nyhan-Syndrom Das Lesch-Nyhan-Syndrom, das auch als Hyperurikämiesyndrom bezeichnet wird, ist eine

X-Chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung. Das bedeutet, dass die Ursache für diese

Erkrankung auf dem X-Chromosom, also einem der beiden Geschlechtschromosomen liegt.

Da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, müssen vom Prinzip her beide Chromosomen

betroffen sein, damit die Erkrankung ausbricht. Männer besitzen nur ein X-Chromosom, das

andere ist das Y-Chromosom, deswegen bricht die Erkrankung aus, sofern dieses

Chromosom verändert ist. Das in diesem Fall betroffene Gen codiert für die Hypoxanthin-

Guanin-Phosphoribosyl-Transferase (HGPRT).

Eine verminderte oder fehlende Aktivität der HGPRT hat zur Folge eine gestörte

Wiederverwertung von Purinen (mangelnde Resynthese von IMP), mangelnde

Feedbackhemmung der de novo-Synthese von Purinen (v.a. in der Leber) und somit eine

Aktivierung der Purinsynthese (vermehrte Produktion von Harnsäure).

Bei der Geburt zeigen die Betroffenen keinerlei klinische Symptome. Auffallend könnten

allenfalls die durch die erhöhte Harnsäureausscheidung zu beobachtenden gelblichen

Urinrückstände in den Windeln sein. Sechs bis acht Wochen nach der Geburt beobachtet

man dann eine erhöhte Brechneigung, aber auch das ist als Symptom noch nicht unbedingt

auffällig. Erst nach ca. zehn Monaten zeigt sich ein klinisch charakteristischer Phänotyp: die

Kinder zeigen auffällige Beinstellungen und einen stark eingeschränkten Bewegungsdrang.

Außerdem werden Entwicklungsrückstände deutlich.

• In der leichtesten Form findet man nicht mehr als eine erhöhte Harnsäureausschüttung. Dies kann in späteren Jahren zu einer Gichtanfälligkeit führen.

• Bei der nächstschwereren Form findet man neben der erhöhten Harnsäureausschüttung bereits eine leichte klinische Symptomatik.

• Eine weitere Steigerung stellt eine Patientengruppe dar, bei der neben den biochemischen Abweichungen, bereits erste Anzeichen von Selbstverstümmelungen an Unterlippen und Fingern beobachtet werden. Auch in dieser Gruppe finden sich keine Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung.

• Bei der schwersten Form der Erkrankung beobachtet man, neben den vorher erwähnten Symptomen, starke Ausprägungen der für diese Krankheit typischen

Kapitel: Nucleotide

58

Neigung zur Selbstverstümmelung (Selbstkannibalismus). Hinzu kommt jetzt jedoch eine starke geistige Beeinträchtigung (Retardierung).

Die Kinder beissen sich stark in die Unterlippe und in die Fingerspitzen. Die Aggressionen

der Kinder sind allerdings nicht nur gegen sich selbst gerichtet, sondern oft auch gegen die

sie betreuenden Menschen. Auffällig und bisher nicht erklärbar ist die Tatsache, dass die

Kinder sich nur in eine Hand beissen.

Trotz dieses Verhaltens sind diese Kinder oft besonders beliebt, da sie über einen

ausgeprägten Humor verfügen und sich nach Aggressionsattacken besonders freundlich

verhalten.

Ribose-5-Phosphat

PRPP

5-Phosphoribosylamin

IMP

Xanthin

Harnsäure (Blut)

Harnsäure (Blaseurin)

AMP GMP

Hypoxanthin Guanin

PRPP-Synthase

PRPP-Amidotransferase

Xanthin-DH

Xanthin-DH

Allopurinol-Ribose-P(allosterischeHemmung

RNA, DNA

Allopurinol

HGPRT

Sulfinpyrazon(Rückresoption-hemmer)

Brenzbromoran(fördert Harn-säuresekretion)

Adenin(Nahrung) Guanin

(Nahrung)

Metabolische Ursachen der Hyperurikämie (Gicht) und Therapeutische Beeinflussung durch Pharmaka