Delir oder Demenz: Was liegt vor und wie wird behandelt? · Antipsychotika und Demenz Erhöhte...
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Delir oder Demenz:
Was liegt vor und wie wird behandelt?
Thomas Duning
Klinik für Allgemeine Neurologie
Department für Neurologie
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Störung des Bewusstseins und der
Aufmerksamkeit
Änderung der Kognition (Gedächtnis,
Orientierung, Sprache, Auffassung)
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Zugrundeliegende organische Ursache
Definition des Delirs
Nach ICD 10 und DSM IV
Definition des Delirs
Störung des Bewusstseins und der
Aufmerksamkeit
Änderung der Kognition (Gedächtnis,
Orientierung, Sprache, Auffassung)
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Zugrundeliegende organische Ursache
Nach ICD 10 und DSM IV Hirnorganisches
Psychosyndrom
Durchgangs-
syndrom Akute
Verwirrtheit
Akuter exogener
Reaktionstyp Multifaktorielle
Enzephalopathie
Postoperative
kognitive
Dysfunktion
Delir vs. vorbestehende kognitive Defizite/Demenz
Demenz Delir
Klinisches Bild Nicht zu unterscheiden
Entstehung Monate/Jahre Stunden, fluktuierende
Symptome
Verlauf Chronisch progredient Reversibel
Pathophysiologie Chronischer
Neurotransmittelmangel
Akute Neurotransmitter-
disbalance
Charakter Erst zuverlässige
Diagnostik, dann
Therapie
Notfall,
Sofortmaßnahmen
Therapie und Diagnostik
1. Demenz:
Therapie nicht-kognitiver Defizite
2. Delir:
Therapie und Diagnostik
Therapie und Diagnostik
1. Demenz:
Therapie nicht-kognitiver Defizite
2. Delir:
Therapie und Diagnostik
Verhaltensauffälligkeiten
Zunächst: Erheben eines psychopathologischen
Befundes
Identifizieren von umgebungsbezogenen
Bedingungsfaktoren (medizinisch, personell,…)
Versuch der psychosozialen Intervention
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Antipsychotika und Demenz Erhöhte Mortalität (1,5-fach) und erhöhtes Risiko kardiovaskulärer
Ereignisse (1,5 – 2-fach) (Schneider et al. J Am Geriatr Soc 2006; Douglas et al. BMJ 2008; Wooltorton et al. CMAJ 2004)
DART-AD-Studie:
- Pat. mit mittelschwerer/schwerer AD, die bereits mit
Antipsychotika behandelt waren
- Absetzen/Weiterführen der antipsychotischen Therapie
36-Monats Überlebensrate: 30% (mit Antipsychotika) vs.
59% (ohne Antipsychotika)
Notwendigkeit der Behandlung und Behandlungsindikation engmaschig
kontrollieren!
(Ballard et al. Lancet Neurol 2010)
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Antipsychotika und Demenz Erhöhte Mortalität (1,5-fach) und erhöhtes Risiko kardiovaskulärer
Ereignisse (1,5 – 2-fach) (Schneider et al. J Am Geriatr Soc 2006; Douglas et al. BMJ 2008; Wooltorton et al. CMAJ 2004)
- Erhebliche anticholinerge Wirkung:
+++ Clozapin und andere trizyklische Neuroleptika (Neurocil,
Taxilan, Promazin, …)
++ Haloperidol, Olanzapin
- Wenig oder kaum antipsychotische Wirkung bei Demenzpatienten (Ballard et al. Lancet Neurol 2010)
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Benzodiazepine und Demenz Bezodiazepine sind grundsätzlich bei der Behandlung von
Demenzpatienten nicht geeignet!
In 30% paradoxe Wirkung
Neg. Effekt auf die Kognition/Grunderkrankung
Sturzgefahr verdoppelt
Abhängigkeitspotential
Prokonvulsiv
Insbesondere nicht zur Behandlung von Verwirrtheitszuständen und als
schlafanstoßendes Mittel!
Alternativen (in Bezug auf die anxiolytische Wirkung):
V.a. Opipramol, weniger auch Melperon, Pimpamperon
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Pragmatisches Vorgehen Verhaltensauffälligkeiten mit Hyperaktivität/Aggressivität
Bei M. Alzheimer, Lewy-Körperchen-Erkrankung, Mischdemenz und
Demenz bei M. Parkinson können zunächst ACholEsterase-Hemmer
geprüft werden
Falls Neuroleptika notwendig: Risperidon 0,5-2mg/Tag, alternativ
Aripiprazol 2,5-15mg/Tag (Quetiapin (bis 100mg/Tag))
Nicht empfohlen: Haloperidol
Keine Daten zu anderen atypischen Neuroleptika
Antikonvulsiva haben keinen (VPA) oder kaum einen (CBZ) Einfluss
SSRI kann wirksam sein, ein Versuch ist gerechtfertigt
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Pragmatisches Vorgehen Verhaltensauffälligkeiten mit Hyperaktivität/Aggressivität
Cave!
Nicht-medikamentöse Interventionen prüfen!
Keine Benzodiazepine!
Keine Neuroleptika bei Parkinsondemenz oder Lewy-Körper-
Erkrankung!
Anticholinerge Medikamente wenn mögl. absetzen (Trizyklika,
Detrusitol, Antihistaminika, COPD-Behandlung,…)!
Bei fehlender Wirkung keine weitere Dosissteigerung (Quetiapin
>100mg, Risperdidon >2mg, …)
Keine Dauertherapie mit Clozapin bei Parkinson-Demenz!
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Pragmatisches Vorgehen Verhaltensauffälligkeiten und Hyperaktivität/Aggressivität
Cave!
Die chronische Einnahme von Neuroleptika oder
Benzodiazepinen zählt zu den wichtigsten Ursachen
symptomatischer Demenzformen!
Notwendigkeit der Behandlung engmaschig kontrollieren,
Medikation zeitlich begrenzen!
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Keine spezifischen Empfehlungen zu:
Depression, Angst, Hyperaktivität, Disinhibition, Schlafstörungen,
Esstörungen, Apathie, bei Demenz
Pragmatisches Vorgehen bei Tag/Nacht-Umkehr, Sundowning,
Einschlafstörungen:
mit inhaltl. Denkstörungenstörungen: Quetiapin z.N.
mit Angst: Opipramol, (Melperon,
Pimpamperon)
milde Form: Mirtazapin, (Trazodon)
Und: Schlafhygiene!
Therapie nicht-kognitiver Defizite
Therapie und Diagnostik
1. Demenz:
Therapie nicht-kognitiver Defizite
2. Delir:
Therapie und Diagnostik
Therapie und Diagnostik
1. Demenz:
Therapie nicht-kognitiver Defizite
2. Delir:
Therapie und Diagnostik
Therapie des Delirs
Tatsächlich Delir vorhanden?
Akuter Beginn und fluktuierende Symptome?
V.a. Aufmerksamkeitsstörung?
Organische Ursache?
Prüfung der Aufmerksamkeit
einzeln folgende Buchstaben vorlesen: ANANASBAUM
Fehler: Pat. drückt beim A nicht die Hand bzw.
drückt bei einem anderen Buchstaben
>2 Fehler→ gestörte Aufmerksamkeit
Therapie des Delirs
1. Delir bei vorbekannter Demenz?
2. Delir ohne vorbekannte Demenz?
3. Delir bei Alkoholentzug?
4. Zusätzliches Parkinsonsyndrom?
Therapie des Delirs
1. Delir bei vorbekannter Demenz?
2. Delir ohne vorbekannte Demenz?
3. Delir bei Alkoholentzug?
- Festes Schema Benzodiazepine + Haloperidol
- Clomethiazol
4. Zusätzliches Parkinsonsyndrom?
- Neuroleptika begrenzt auf Clozapin und Quetiapin
Therapie des Delirs
1. Delir bei vorbekannter Demenz?
2. Delir ohne vorbekannte Demenz?
3. Delir bei Alkoholentzug?
- Festes Schema Benzodiazepine + Haloperidol
- Clomethiazol
4. Zusätzliches Parkinsonsyndrom?
- Neuroleptika begrenzt auf Clozapin und Quetiapin
Therapie des Delirs
- Behandlung der inhaltlichen Denkstörungen
- Behandlung der psychomotorischen Unruhe
Therapie des Delirs
- Behandlung der inhaltlichen Denkstörungen
Delir ohne Demenz Delir mit Demenz
Monitoring des Delir
CAM (Confusion Assessment Method)
1. Akuter Beginn, Fluktuation?
Ändert sich Verhalten im Tagesverlauf?
2. Aufmerksamkeitsstörung?
Sie lesen dem Pat. folgende Buchstabenreihe vor:
A N A N A S B A U M
Pat. drückt bei A nicht die Hand
Pat. drückt bei anderem Buchstaben die Hand
3. Unorganisiertes Denken
„Schwimmt ein Stein auf dem Wasser?“
„Wiegt ein Kilo mehr als zwei?“
„Gibt es Fische im Meer?“
„Kann man mit einem Hammer einen Nagel i.d. Wand schlagen?“
„Halten Sie so viele Finger hoch“ (zeigen)
„Nun dasselbe mit der anderen Hand“
4. Bewusstseinsstörung
Hyperaktiv, somnolent, soporös, körperl. aggressiv
Nein Kein Delir
< 3 Fehler Kein Delir
< 2 Fehler nicht werten
Falls normal nicht werten
+
Therapie des Delirs
- Behandlung der psychomotorischen Unruhe
Hochpotente Neuroleptika ohne/kaum sedierenden Effekt!
Wenn psychomotorisch unruhig zusatzlich:
- Melperon (besser steuerbar, HWZ 6h), initial 25mg-0-50mg p.o.
- Pipamperon (HWZ 20h), initial 20mg-0-40mg p.o.
NUR wenn orale Applikation nicht mo glich:
- Benzodiazepine, z.B. Lorazepam i.v. in 2mg Schritten
- alternativ Diazepam i.v. in 5mg Schritten
CAVE!
Atemdepressiv in hoheren Dosierungen
30% paradoxe Reaktionen
Sturzgefahr verdoppelt
Abha ngigkeitspotential
Verla ngerung der Delirdauer, negativer Effekt auf die Kognition
Therapie des Delirs
- Bei Tag/Nachtumkehr bzw. Schlaf/Einschlafstörungen
Keine Benzodiazepine! Keine Z-Substanzen! (Cave!: s.o.)
- Mirtazapin, initial 7,5-15mg z.N.
- Alternativ Agomelatin (Valdoxan) 25-50mg z.N.
(Leberwertkontrollen)
- Alternativ Circadin (Melatonin) 2mg ret. abends
wenn Schlafsto rung v.a. durch psychomotorische Unruhe:
- z.B. Melperon 0-0-25mg-50mg
64-jährige Patientin, leichte brachiofaziale Parese li., V.a. MCA
Infarkt
Seit 2 Tagen auf der Stroke-Unit, zuvor mit Ehemann
selbstversorgend
Gestern Abend erstmals unruhig, nimmt Medikamente nicht mehr ein,
weigert sich, das Zimmer aufzusuchen, aggressiv gegen Pflegekraft,
muss fixiert werden
In Visite vormittags geordnet, orientiert, antwortet kohärent
Was tun?
Haloperidol 2x 0,25mg, Melperon 50mg z.N. und bei Bedarf (3x25mg)
Fallbeispiel 1
82-jähriger Patient, erster generalisierter epilept. Anfall
MRT: Atrophie, zerebrale Mikroangiopathie
desorientiert, psychomotorisch unruhig, verlässt Zimmer und findet
Zimmer nicht wieder, Tag/Nacht-Umkehr, Abends ängstlich-agitiert,
nicht-flüssige Aphasie
Was tun?
Anamnese: Im Verlauf des letzten halben Jahres Verlaufen in
gewohnter Umgebung, Sprachstörungen, zunehmend unzuverlässig
Therapeutische Intervention? Welche?
Fallbeispiel 2
Risperidon 2x 0,25mg, Opipramol 50mg z.N., alternativ Melperon 50mg
und bei Bedarf (3x25mg)
74-jährige Patientin, bekannte Lewy-Körper(chen) Erkrankung
Neu aufgetretene Okulomotoriusparese rechts, bekannter und jetzt
entgleister DM II
Zunehmend desorientiert, psychomotorisch sehr unruhig, verlässt
Zimmer und findet Zimmer nicht wieder, Tag/Nacht-Umkehr,
Situativ nicht orientiert, aggressiv
Was tun?
Geben:
• ACholEsterasehemmer
• Quetiapin, Clozapin
• Benzodiazepine
Fallbeispiel 3
Nehmen:
• Amantadin
• Dopaminagonisten
• Anticholinergika (Trizyklika,
Harndrang-Medikamente (Detrusitol),
Antihistaminika, Opiate,…)
Wie sehen delirante Patienten aus?
- Hyperaktiv
Patient unruhig, agitiert, oft Halluzinationen, Gefahr der
Selbstverletzung
- Hypoaktiv
Reduzierte Aktivität, Patient teilnahmslos, lethargisch,
ruhig
- Mischformen
Unvorhergesehener Wechsel hyper- und
hypoaktivem Muster
→ 21 %
→ 49 %
→ 29 %
längerer Krankenhausaufenthalt (Ø 20 vs. 9 Tage)
Sterblichkeit kurzfristig 20-fach erhöht
¼ der älteren Delirpatienten stirbt innerhalb v. 3-4
Monaten
Symptome in nur 50% d. F. komplett reversibel
40% von zuvor selbstversor-
genden Patienten einen Monat
nach Entlassung in Pflege-
einrichtung
Folgen des Delirs
Folgen des Delirs
Fallreport:
81-jährige Patientin, mediale Schenkelhalsfraktur, operativ versorgt
Seit 2 Tagen auf der Normalstation, zuvor mit Ehemann weitgehend
selbstversorgend
Gestern Abend erstmals unruhig, nimmt Medikamente nicht mehr ein,
weigert sich, das Zimmer aufzusuchen, aggressiv gegen Pflegekraft,
muss fixiert werden
In Visite vormittags geordnet, orientiert, antwortet kohärent
Diagnose: Delir
Folgen des Delirs
Fallreport:
Im weiteren Verlauf ruhiger, zurückgezogen, wenig motiviert, z.T.
Verlaufen auf Station
Entlassung zum stat. rehabilitativem Aufenthalt
Dort erneute Verschlechterung der Orientierungsstörungen und
Aufmerksamkeit, Pat. psychomotorisch verlangsamt
Nach 4-wöchtiger Reha keine Entlassung häusliche Entlassung
möglich, Pat. wird dauerhaft in Pflegeeinrichtung versorgt
Folgen des Delirs