Demographische Und Ethnographische Prozesse in Den Westrhodopen Vom 15. Bis Zum 18. Jahrhundert
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Transcript of Demographische Und Ethnographische Prozesse in Den Westrhodopen Vom 15. Bis Zum 18. Jahrhundert

Bulgarian Historical Review 3-4 (2002)
Demographische und ethnographische Prozesse in den
Westrhodopen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert
Evgeni Radushev
Auf den folgenden Seiten möchte ich dem geneigten Lesern mit den Entwicklungen
meiner Arbeiten zu den ethnoreligiösen Prozessen in den Westrhodopen bekanntmachen,
welche sich auf die Stadt Nevrokop und ihr Umland vom 15. bis zum 18. Jahrhundert
erstrecken. Das Interesse an diesem Gebiet wird schon seit jeher durch seine komplizierte
Geschichte während der osmanischen Herrschaft evoziert, deren gesellschaftliche und
politische Folgen noch bis heute nachwirken. Es wird angenommen, dass die bulgarischen
Historiker in diesem Feld alles, was in ihren Kräften stand, getan haben, um auf einer stabilen
Quellengrundlage Ereignisse und die Ursachen, die sie hervorgerufen haben, aufzudecken.
Viel Mühe haben sich in dieser Richtung auch Ethnologen, Sprachwissenschaftler,
Folkloristen und Soziologen gegeben, sodass viele Analysen und Schlussfolgerungen
existieren; es bestätigte sich die Ansicht, dass die meisten Probleme weitestgehend geklärt
wurden, obwohl einige Resultate nur auf Postulaten der Erforscher beruhten.
Vor einigen Jahren erschien in der „Encyklopaedia of Islam” ein Artikel des
niederländischen Osmanisten M. Kiel, der sich mit der Stadt Nevrokop und ihrem Umland
während der osmanischen Herrschaft befasste.1 In ihm behauptet der Autor, dass es bis heute
keine zufriedenstellende Erschließung der osmanischen Vergangenheit des betreffenden
Gebietes gibt, womit er offensichtlich auf die Bemühungen der bulgarischen Historiographie
abzielte.2 Es scheint, dass wir dieser Feststellung zustimmen müssen; außer der Studie von S.
1 M. Kiel, „Newrokop“, in: EI2, vol. 8, Leiden, 1995, pp. 9-11.2 Ibid., p. 11.
1

Dimitrov, die den religiösen und demographischen Umgestaltungen entlang des Flusses
Mesta während des 15. bis 17. Jh. gewidmet ist,3 hat die bulgarische Historiographie keine
selbstständige, akademische Arbeit über die Probleme in den Westrhodopen hervorgebracht.
Man muss zugeben, die bulgarischen Forscher haben diesem Gebiet ihre Aufmerksamkeit
zwar zugewandt, doch es fehlen zusammenfassende Werke. Was die Forschungen, die den
Zentral- und Westrhodopen gewidmet sind und vor allem die sog. Pomakenfrage behandeln,
anbelangt, so ist das Interesse der bulgarischen Humanwissenschaft evident; es hat eine lange
Vorgeschichte und intensivierte sich nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes.4
Ein Problem ist jedoch, dass sich der Forschungsprozess entwickelt, ohne dass die
historischen Voraussetzungen für die heutige Lage der Rhodopen geklärt wären. Dies gab
Anlass für Auseinandersetzungen zwischen den Spezialisten: a) Sind die Pomaken
autochtoner oder türkischer Abstammung? b) Wie sind die Pomaken zum Islam übergetreten,
freiwillig oder unter Zwang? c) Muss man die Pomaken als Teil der bulgarischen
Bevölkerung akzeptieren und sind sie Teil der bulgarischen Geschichte? Oder muss man sie
zusammen mit der weiteren muslimischen Bevölkerung auf dem Balkan, d. h. unter denselben
ethnokulturellen Aspekten, der die (ethnischen) Türken, die „türkischen” Zigeuner und die
bosnischen Muslime umfasst, betrachten?5 So gestellt führten diese Fragen in der
bulgarischen Historiographie zu reichlich widersprüchlichen Ergebnissen. Mir scheint, dass
das Problem, das unmittelbar gelöst werden muss, heißt: Sind die heutigen Forscher imstande
die ethnokulturelle Situation einer tiefgreifenden Analyse zu unterziehen, die die Schilderung
der institutionalisierten Beziehungsstrukturen und ihr funktionelles Verhältnis umfasst, mit
dem Ziel der Kenntnis der historischen Entwicklung, die zum gegenwärtigen Zustand und den
Formen des pomakischen Phänomens geführt hat, einen Sinn zu geben?
In der Vergangenheit und in der Gegenwart haben die Anstrengungen von zahlreichen
Historikern mangels Quellenmaterials keine ausreichenede Klarheit darüber hervorgebracht.
Diese Fragen beziehen sich nicht nur auf die Historiker, sondern auch auf alle anderen
Spezialisten, die sich mit der Erforschung des Phänomens beschäftigt haben. Da bis vor
kurzem ausreichende Quellen nicht vorhanden waren, waren die Historiker gezwungen sich
mit allgemeinen Feststellungen zufriedenzugeben und unbeholfen zu versuchen
herauszufinden, wie dieses Phänomen zustande gekommen ist. Das beeinflusst unvermeidlich
3 C. Димитров, „Демографски отношения и проникване на исляма в Западните Родопи и долината на Места през XV-XVII в.” -В: Родопски сборник, т. 1, София, 1965, 63-1154 Б. Алескиев, „Родопското население в българската хуманитаристика.” - В: Мюсюлманскитеобщности на Балканите и в България. София, 1997; Y. Konstantinov, „Strategies for Sustaining a Vulnerable Identity: The Case of the Bulgarian Pomaks“, in: Muslim Identity and the Balkan State, London, 1997 und die an diesem Ort angegebene Literatur.5 Ibid., p. 30.
2

den ganzen Erkenntniskomplex, der sich zum Ziel gesetzt hat die „Pomakenfrage” im
Speziellen und gleichsam das Phänomen der Islamisierung in den christlichen Balkanländern
im Allgemeinen zu klären.
In den letzten Jahren jedoch wurde den auf bulgarischer Seite vorhandenen
Quellenproblemen Abhilfe verschaffen. So begann 1993 zwischen den beiden bedeutensten
Archiven Bulgariens und der Türkei ein Austausch von osmanischen Dokumenten, wodurch
den bulgarischen Osmanisten erstklassiges Quellenmaterial zugänglich wurde. Ein
bedeutender Teil hiervon ist für die Erschließung der religiösen und demographischen
Prozesse während der osmanischen Herrschaft auf dem Balkan hervorragend geeignet.6
Es ist nicht notwendig stets die Ursachen für das große Interesse an den konfessionellen
Verhältnissen in den Rhodopen, in unserem Fall in ihrem westlichen Teil, hervorzuheben - sie
sind gut bekannt. Dennoch scheint es angemessen eine Nuance zu erwähnen, die sich aus der
erweiterten Quellenbasis abzeichnet: für den Bezirk Nevrokop kann man schon ohne
Vorbehalt7 sagen, dass hier ein flächendeckender Übertritt der einheimischen bulgarisch-
christlichen Bevölkerung zum Islam stattgefunden hat. Da wir das Phänomen auf der
Grundlage einer genügenden Menge von osmanischen Quellen (ergo offiziellen Dokumenten
des Staates) darstellen werden, eröffnen sich Möglichkeiten für Schlussfolgerungen mit
erhöhtem Anspruch auf Glaubwürdigkeit, die die auf Mythen und Folklore beruhenden
Erklärungsversuche und Rezeptionen der bulgarischsprachigen einheimischen Muslime in
Frage stellen. Die Dokumente zeigen eine Entwicklung, die man als prozessuale
Islamisierung8 bezeichnen kann und nicht als periodisch durchgeführte Terroraktionen zur
massenhaften Konversion unter Zwang, wie so oft von so manchem Forscher behauptet.
Da ich mich schon mit dem neueingegangenen osmanischen Quellenmaterial über
Nevrokop und sein Umfeld befasst und ein ausführliches Verzeichnis der Bevölkerung in
6 Der Austausch von osmanischem Quellenmaterial zwischen der Orientabteilung der Nationalbibliothek „Hl. Hl. Kyrill und Methodius“ und dem Osmanischen Archiv der T. C. Başbakanlık Devlet Arşivleri verlief bisher in zwei Etappen: Die Einsendungen von Ende 1993 stehen den Forschern bereits zur Verfügung: Е. Радушев, P. Ковачев, Опис на регистри от Истанбулския османски архив към Генералната дирекция на държавните архиви на Р Турция, София, 1996. Im Verzeichnis ist das Quellenmaterial für Nevrokop und seinen Bezirk unter den laufenden Nummern 1,9, 24, 28 und 39 annotiert. Unter den Einsendungen von 1997 befinden sich sieben Exemplare von Registern aus verschiedenen Kanzleien aus der Zeitspanne vom 15. bis zum 19. Jh., die demnächst in den zweiten Teil der Verzeichnisse des osmanischen Archivs İstanbuls aufgenommen werden sollen, im Moment werden sie von den Mitarbeitern der Orientabteilung bearbeitet.7 Ich nehme an, dass manche Forscher den kategorischen Terminus „ohne jeden Vorbehalt“ mit Skepsis betrachten. Ich muss hierbei jedoch betonen, dass meine Überzeugung eine Folge der Arbeit mit den bis jetzt für die bulgarischen Spezialisten unbekannten osmanischen Quellen des Bezirks Nevrokop während des15.-19.Jh. ist. Im Laufe des Aufsatzes werde ich den Lesern ausgewählte Beispiele davon bieten. Parallel dazu fühle ich mich verpflichtet hervorzuheben, dass sich das Beweismaterial für die ethnische Zugehörigkeit der Muslime aus Nevrokop, exponiert in den heutigen gesellschaftlichen Realitäten, ohne der menschlichen Rechte dieser Bevölkerung Rechnung zu tragen, in ein „Stöbern in der Vergangenheit“ ohne jegliche positive Ergebnisse verwandeln wird. Vgl. В. Стоянов, Турското население в България между полюсите на етническата политика, София, 1998, p. 56.8 Е. Радушев, „Предговор.” - In: Е. Радушев, Р, Ковачев, oр. cit., pp. XXV-XXVI.
3

diesem Bezirk (kaza) ins Bulgarische übersetzt habe, bin ich der Versuchung ausgesetzt der
wissenschaftlichen Öffentlichkeit einige, zwar grundlegende, aber nichtsdestotrotz
aufschlussreiche Betrachtungen darzulegen. Aufgrund der Archivdokumentation möchte ich
auch einige Ideen und Absichten mitteilen, die ich bei einer zukünftigen, ausführlichen
Erforschung des Gebiets von Nevrokop unter osmanischer Herrschaft anzuwenden gedenke.
Die verfügbar gewordene Archivdokumentation gewährt die Möglichkeit das Netz von
Ortschaften der Kaza zu überblicken und zu analysieren. Dies ist von großer Bedeutung für
die Beurteilung der lange in der bulgarischen Historiographie diskutierten These von dem
sog. „demographischen Kollaps” als Folge der osmanischen Eroberung. Nach dieser These
hat die osmanische Eroberung enorme Bevölkerungsverluste und die Zerstörung vieler
bulgarischer Ortschaften verursacht.9 Der bisherige Mangel an Quellen machte die
Aufstellung und Verteidigung solcher Theorien, die für das Publikum „leichtverdaulich”
waren, möglich. Einige Spezialisten für osmanische Geschichte richteten gleich ihre
Einwände gegen den Autor dieser These, C. Gandev. Besonders seine Interpretation der
osmanischen Quellen, welche im Voraus bestimmte Resultate verfolgte, stand in der Kritik.10
Der „demographische Kollaps”, der beim besten Willen nicht in die von F. Boise
festgesetzten „Möglichkeiten mit 40% Glaubwürdigkeit” passt, muss in Zukunft, im Laufe
der bescheidenen und gewissenhaften Bemühungen der neuen Generation von Forschern, für
eine genaue und klare Rekonstruktion neu gedeutet werden.11 Jeder, der sich aufgrund der
osmanischen Quellen aus der zweiten Hälfte des 15. und dem Anfang des 16. Jh. mit diesen
Problemen befasst, wird auf vielzählige Angaben über ein gut entwickeltes Siedlungsnetz in
den bulgarischen Ländern stoßen, in welchem Ortschaften mittlerer Große mit 40 bis 80
Haushalten überwiegen. Bemerkenswert in diesem Fall ist, dass man diese Darstellung
wiederherstellen könnte auch aufgrund der Fragmente vom osmanischen Kataster, der in
unserem osmanischen Archiv aufbewahrt wird, wenn man anspruchsvoll mit den
Dokumenten umgeht.12
Man erwartet viel von den neuerhaltenen Dokumenten aus dem Archiv İstanbuls. Sie
müssen ziemlich viele von den sog. „weißen Flecken” in der Vergangenheit großer Gebiete
9 Х. Гандев. Българската народност през XV в. София, 1972, 56-131.10 В. Мутафчиева. За точните методи в историческата демография. - Исторически преглед, 1973, кн. 4, 134-141; С. Димитров. Мезрите и демографският колапс на българската народност през XV в. - Векове, 1973, кн. 6, 50-65.11 К. Леви-Строс. Структура на мита. София, 1996, с. 28.12 Vor kurzem hat dies W. Kowatschev mit einem Verzeichnis aus der zweiten Hälfte des 15.Jh. des sancaks Nikopol, das in der Orientabteilung der Nationalbibliothek „Hl. Hl. Kyrill und Methodius" aufbewahrt wird, getan. Die Schlussfolgerungen des Autors stehen in vollem Gegensatz zu der Theorie eines „demographischen Kollaps.“ Kowatschev beweist überzeugend, dass die siedlungs- und historisch-demographische Struktur, welche die Osmanen im Bulgarischen Reich des Zaren Šišman vorfinden, in den 80er Jahren des 15. Jh. noch immer „Lage des Landes aus der Zeit des freien bulgarischen Staates ähnlich“ ist. Siehe: Вж. Р. Ковачев. Опис на Нннопояссиг санджак от 80-те години на XV в. С. 1997, с. 100.
4

des bulgarischen Raumes während der osmanischen Herrschaft ausfüllen. Das
Registermaterial aus dieser Kollektion für den Bezirk von Nevrokop bestätigt vollkommen
die schon festgestellten demographischen Grenzen anderer Teile Bulgariens.13 Die ersten
bekannten Registraturen für Nevrokop (Mitte des 15. Jh.) zeigen ein dichtes Siedlungsnetz, in
welchem die kleinen und mittleren Ortschaften von 20 bis 60 Haushalten dominieren, was
charakteristisch für ein ausgesprochen bergiges Gelände ist. Denkbare zukünftige
Forschungsbereiche sind etwa der Einfluss der geographischen Lage, der klimatischen
Gegebenheiten und der damit verbundenen wirtschaftlichen Einflüsse auf die Entwicklung
der demographischen Prozesse und konfessionellen Umwandlungen.
Die ersten bekannten osmanischen Registraturen in den Westrhodopen (1445-1465)
zeigen, dass die Bevölkerung dort vorwiegend christlich-bulgarisch gewesen ist. In der
größten Ortschaft, dem Verwaltungszentrum Nevrokop haben die osmanischen Registratoren
um die Mitte des 15. Jh. keinen einzigen Muslim vermerkt. Dasselbe gilt auch für die Dörfer,
mit Ausnahme des Dorfes Klein Drjanovo mit einem Muslim.14 Für eine feste ethnische
Einordnung dient das Namenssystem, sehr gut dargestellt in den ausführlichen Registern aus
der frühen zweiten Hälfte des 15. und dem Anfang des 16 Jh.15 Ihren Seiten werden vom
slawobulgarischen Namenssystem beherrscht, wobei die Häufigkeit des Gebrauchs im
allgemeinen nach folgender absteigender Ordnung gegliedert werden kann: 1. Slawisch-
bulgarische Eigennamen mit einfachem Stamm - Rad, Stan, Drag usw., oder aber, was
meistens der Fall ist, anthroponymische Komposita - einfacher Namensstamm mit den
Suffixen -slaw, -mir, -oi/woi; 2. Slawisch-bulgarische Namen, die sinngemäß mit Moral,
Verteidigung und Verlangen verbunden sind - Stojan, Dobrin, Dabeziv, Pärvo, Welko,
Kossen usw. und Varianten davon; 3. Namen, die mit der christlich-orthodoxen Religion
verbunden sind, vor allem griechischen Ursprungs. Das ist für das ganze ethnische
Territorium festgestellt worden und Nevrokop ist keine Ausnahme, doch hier ist das
griechisch-anthroponymische System stärker vertreten, es beeinflusst im Prinzip das gesamte
Christentum auf dem Balkan, nur ist es in den Rhodopen wegen der geographischen Nähe
besonders stark spürbar.
Für den Bezirk Nevrokop wären die Beweise vom anthropologischen Komplex nicht
besonders bedeutungsvoll, wenn man nicht die Ursachen und Formen für die Verbreitung des
Islams aufdeckte und begründete. Aus historischer Sicht könnte man behaupten, dass diese
Region niemals von christlich-bulgarischer Bevölkerung vollkommen ausgeschöpft worden
ist; in diesem Sinne könnte die Anfang des 16. Jh. aufgetauchten islamischen Komponente in
13 Ibid., 33-101.14 Başbakanlık Osmanlı Arşivleri (BOA), MAD 525.15 BOA,TD3,TD403.
5

ihrem demographischen Aspekt (Kolonisation) behandelt werden und nicht als konfessionelle
Transformation (Islamisierung der einheimischen Bevölkerung). Hier distanziere ich mich
von einigen theoretischen Grundsätzen hinsichtlich der Islamisierung von Territorien und
Bevölkerungen und versuche die von der bulgarischen Historiographie aufgebaute Version an
die Realitäten im Bezirk von Nevrokop anzupassen. Als erstes möchte ich zwei gängige
Ansichten über die Methoden in der Islamisierung seitens der Osmanen in der bulgarischen
Forschungspraxis nennen:
I. Das erste möchte ich als „Wiedergeburtsmythologie” bezeichnen. Es beruht auf die
Vorstellung des massenhaften, unter Repressalien und Gewalt erfolgten Übertritt der
christlichen Bevölkerung auf dem Balkan zum Islam. Diese Vorstellung erwies sich als
„arbeitstauglich” besonders deshalb, weil es das Phänomen der Islamisierung unmittelbar
erklärt und die im Kontext der Folklore und der Geschichte der Wiedergeburt aufgebauten
Vorstellungen der Herrschaft der Osmanen transportiert. Hier muss ich gleich hervorheben,
dass die Gewalttätigkeit gegenüber den neuen Muslimen als Strafe für einen eventuellen
Rücktritt vom Islam, oder „weil sie nicht zusammenhalten in Einheit und Disziplin” und nicht
„frei gegenüber der eigenen Brüder” sind, wie der Koran es befiehlt, ein Bestandteil der
Doktrin ist. Die Gewalttätigkeit als Strafe ist in der Lehre Muhammads enthalten, in welcher
Gott Gebieter seiner Diener ist und jedem strenge Strafen für die begangenen Sünden
bestimmt; ein Gott eher der Angst, als der Liebe. Deshalb unterliegen im Alltag der Muslime
die Sünden keiner Vergebung und die Strafen folgen unmittelbar als einzige Möglichkeit zur
Sühne. Die strengsten Strafen bekamen jene Neumuslime, die von ihrer Wahl zugunsten des
Islams zurückzutreten. Ich werde mir erlauben als Illustration einige doktrinale Meinungen
(fetva) der höchsten osmanischen gerichtlich-religiösen Instanz des Reiches (şeyhülislam)
anzuführen. Ihre Meinung als Antwort auf die gestellten Fragen vom religiös-rechtlichen
Charakter war absolut obligatorisch für die Muslime. „Frage (an den şeyhülislam): Ein
gewisser Ungläubiger hat den Islam angenommen, als er betrunken war; nachdem er wieder
nüchtern wurde, ist er Abtrünniger geworden. Muss dieser mit Schlägen oder Gefängnisstrafe
gezwungen werden, wieder zum Islam zurückzutreten? Antwort: Ja, er muss!”16 Ein anderes
Beispiel: „Frage: Wenn ein Ungläubiger, dem die Ehre erwiesen wurde, den Islam an-
zunehmen, Gott bewahre, zum Abtrünnigen wird, wie muss man mit ihm vorgehen? Antwort:
Es soll das Gesetz für Abtrünnige angewandt werden (d.h. er soll getötet werden - E.R.).”
Oder: „Frage: Wenn eine Ungläubige, der die Ehre erwiesen wurde, den Islam anzunehmen,
16 Der Text ist dem Sammelband doktrinaler Meinungen über gerichtlich-religiöse Fragen (fetva) des Oberhaupts der islamischen Geistlichen (şeyhülislam) Durrizade Seyid Mehmet Arif Efendi entnommen, der diesen Posten zweimal zwischen 1785-1798 innehatte, Siehe: Народна библиотека „Св. св. Кирил и Методий", Ориенталски отдел (понататък НБКМ, Ор. отд.), ОII 360., с. 149.
6

Gott bewahre, zur Abtrünnigen wird, wie muss man mit ihr vorgehen? Antwort: Sie soll
gefangen gehalten werden bis sie gewillt ist den Islam wieder anzunehmen.” Oder aber:
„Frage: Eine Christin heiratete einen Muslim, nachdem sie den Islam angenommen hatte.
Nach einiger Zeit zog ihr Mann in den Krieg. Wenn inzwischen seine Frau abtrünnig wird
und einen Ungläubigen heiratet, wie soll man mit ihr vorgehen? Antwort: Sie soll vom
Ungläubigen geschieden, schwer körperlich bestraft und gefangen gehalten werden, bis sie
zum Islam zurücktritt.”17
Nicht auf solche Fälle berief sich z.B. die Historiographie der bulgarischen Wiedergeburt bei
dem Versuch zu erklären, warum die muslimische Mehrheit untereinander Bulgarisch spricht.
Die weiter oben angeführten Beispiele und überhaupt das ganze System, das auf den religiös-
rechtlichen Postulaten des Islams aufgebaut ist, werden von vielen zeitgenössischen
Forschern nicht bevorzugt. Die hier als Beispiele angegebenen doktrinalen Meinungen sind
wenige, doch selbst wenn wir ihnen noch mehr hinzufügten, würden wir sehen, dass sie alle
die Lage der neuen Muslime behandeln und nicht den eigentlichen Akt der Einbeziehung in
die muslimische Gemeinschaft.18 Jede Religion fördert gern und mit Begeisterung das
Proselytentum und so ist es auch im Osmanischen Reich gewesen. Kraft ihrer Position als
Herrscher im geistigen Bereich der eroberten Länder haben sich die Anhänger Muhammads
solcher Handlungsweisen bedient, die wir heute als „Seelenjagd” definieren könnten und die
die Glieder des islamischen Gesetzes (şeriat) als zulässig in ihren verschiedenen Äußerungen
sanktionieren: Anwerbung zur Annahme des Islams von Christen in trunkenem Zustand,
durch Schmiergelder, List und Intrigen... Diese Handlungen aber bestätigen bei weitem nicht
die hartnäckig aufgebaute Vorstellung für eine „zielgerichtete Islamisierungspolitik” des
osmanischen Staates - sie verbleiben im Bereich der religiösen Eifersucht der einfachen
Muslime. Zweifellos veranschaulichen die fetvas gerade diesen Umstand - das Bestreben der
17 НБКМ, Ор. отд., О II 432, с. 170. Auf der wissenschaftlichen Konferenz über das Kryptochristentum, die 1993 in der Stadt Smoljan stattfand, war eine Ausstellung organisiert. Inmitten der Exponate, welche die Geschichte dieses Phänomens in den Rhodopen veranschaulichten, waren einige Kopien von fetvas des şeyhülislams Menteszade Abdurrahim Efendi, einer der hervoragendsten muslimischen Rechtsgelehrten seiner Zeit (er bekleidete diesen Posten 1715-1716) ausgestellt. In letzter Zeit zog sein Sammelband mit doktrinalen Meinungen unabsichtlich das Interesse der bulgarischen Osmanisten auf sich. Als Teilnehmer der Konferenz teilte mir M. Kiel seine Meinung mit, dass Beispiele aus dem Sammelband nicht repräsentativ für die Islamisierung sein können, da sie Ansichten eines einzelnen Vertreters der osmanischen Rechtstheologen sind, der extreme Positionen vertritt, die in der offiziellen Politik und im Alltag nicht angewandt werden können. Der Sammelband des Abdurrahman Efendi ist keine Ausnahme; jeder bedeutende Vertreter dieses Standes hat solche Sammelbände mit fetvas mit genau festgesetzter Inhaltsstruktur vorbereitet, die seine Meinungen zusammengefasst wiedergeben sollten. In jeder dieser Schriften gibt es einen speziellen Abschnitt, in welchem die Entscheidungen über Fragen, welche die Lage und das Verhalten der neuen Muslime betreffen, dargelegt werden. Um dies zu illustrieren habe ich fetvas aus den Sammelbänden zwei anderer Vertreter des Standes der geistlichen Richter herausgesucht. Natürlich werden wir in den Sammelbänden keine Aufrufe zur direkten Anwendung von Gewalt bei der erstmaligen Bekehrung der Ungläubigen vorfinden.18 Vgl. Османски извори за историята на ислямизационните процеси наБалканите XVI-XIX в. Под редакцията на М. Калицин, А. Велков, Евг. Радушев. София, БАН, 1990, 293-301.
7

islamischen Gesellschaft zur Erweiterung des eigenen geistigen Raumes. Die bulgarische
Osmanistik forscht in den Quellen nach jedem minimalen oder maximalen Anwachsen der
muslimischen Elemente in Städten und Dörfern und vergisst nicht hervorzuheben, dass
„unsere Literatur nicht ausreichend den im Osmanischen Reich waltenden Mechanismus zur
vollkommenen Islamisierung der Menschen berücksichtigt, die auf verschiedene Weise dazu
gezwungen wurden zum Islam überzutreten oder sich wenigstens als Muslime auszugeben.”19
Da in der Anwendung der Doktrin, sowie in der osmanischen Verwaltungspraxis keinen
speziell ausgearbeiteten Mechanismus, der die Leute zwingen sollte den Islam anzunehmen,
nachweisen kann, hat man mit dem Erfinden einer notwendigen Tragik, die den Verlust des
Christentums zugunsten des muslimischen Glaubens rechtfertigen sollte, den Mythos
„angenommen.”
Manche Autoren sind der Meinung, dass jede Gesellschaft durch den Mythos
fundamentale Gefühle wie Liebe, Hass oder Rache, die für die ganze Menschheit gültig sind
ausdrückt; andere versuchen mit den Mythen schwer verständliche Ereignisse zu klären.20 Die
Gesellschaften nehmen die positiven, wenn auch unwahren Erklärungen an, wenn sie ihnen
zugute kommen. Solche Erklärungen sind leicht verständlich, weil bei ihnen Kombinationen
von zufälligen Beziehungen und Zusammenhängen mit der Behauptung, dass gerade sie die
Ursachen und Folgen für die Korrelation ausdrücken, in den Vordergrund geschoben werden;
danach werden die Dinge einfacher. In unserem Fall verwandelt sich mit den fetvas die
deklarierte Gewalt in der Form von Strafen gleich in eine Bestätigung der von der Folklore
und der Historiographie geschaffenen Vorstellung für die grausamen Formen der
osmanischen Unterjochung. So wird der ursprüngliche Mythos multipliziert, seine
„Glaubwürdigkeit” gesteigert und mit Elementen positiven Wissens versorgt. In diesem Sinne
kann man sagen, dass die bulgarischen Erforschungen der Islamisierung im hohen Grade von
den historischen Mythen abhängig sind. Die Folgen davon sind: es besteht bereits ein
stereotypes Verhältnis zum Phänomen und jedes neue Vorhaben, selbst detailreich do-
kumentiert, wird wie ein Mosaikstein in die zuvor bestätigten Vorstellungen eingefügt.
Außerdem sind diese Vorstellungen fest verbunden mit den historischen Emotionen der
Menschen. Und wenn die Beobachtungen, wie Levi-Strauss schreibt, die Hypothese
widerlegen „wird man gleich andeuten, dass das wahre Ziel der Mythen ist, reale, doch
verworfene Gefühle auszudrücken.”21 Sind sie aber wirklich verworfen?
Diese Situation steht auf einer fruchtbaren Basis, nämlich der bereits erwähnten bis vor
19 С. Димитров. Някои проблеми на етническите и ислямизационно-асимилационните процеси в българските земи през XV-XVII в. - В: Проблеми на развитието на българската народност инация. София, БАН, 1988, с. 45.20 K. Леви-Строс. Ор. cit., c. 152.21 Ibid.
8

kurzem nicht ausreichenden Menge an vorhandenen Quellen oder deren oberflächliche
Durchdringung. Dieser Zustand wurde hervorragend von S. Dimitrov dargestellt, der 1965
schrieb: „Auch gegen unseren Willen werden unserem Bewusstsein Episoden aufgedrängt;
aus den verschiedenen Notizen und Schriften - von Metodi Draginov, vom Chronisten aus
Beljovo und anderen, unbekannten gebildeten Leuten - über einen Feldzug des „Mehmed
Pascha”, über einen anderen der „sechs Paschas” durch Plovdiv, Tschepino und Razlog,
südlich nach Saloniki zur Zeit des Krieges in der Morea, über die Vernichtung des
Bulgarentums während des Feldzugs...”22
Im Übrigen ist die Motivation unserer Historiographie während der Wiedergeburt klar
ausgedrückt - man musste die Islamisierung der Bulgaren so erklären, um dem Aufbau eines
nationalen Bewusstseins nicht zu schaden. Zur selben Zeit schickte sich der griechische
Klerus an, der diese Prozesse sehr aufmerksam beobachtete, die Bulgaren und die übrige
christliche Bevölkerung auf der Balkanhalbinsel zu beschuldigen, dass sie zum Islam
übergetreten ist nur um der Zahlung der allgemeinen Steuer zu entgehen.23 Dagegen stellt die
früheste bulgarische Historiographie in einer Beilage zur Geschichte des Hl. Paisij von
Chilendar vom Ende des 18. Jh. gleich einen Mythos auf: „Anno Domini 1522 verwüstete
Selim Khan Thrakien von der Stadt Hadrians bis zur Stadt Sredetz, und Kaymakam Murza
der Tatar zerstörte mit seinem Tatarenheer von 46 Tausend Mann entlang der Donau und dem
Balkangebirge und vom Schwarzen Meer bis Vidin alles, und schickte nach Makedonien
seinen Wezir mit einem Heer von 33 Tausend Mann, der von Drama bis Bosnien alles
islamisierte, auch im Gebirge Dospat...”24 Man könnte noch weitere Beispiele angeben, doch
am bemerkenswertesten ist die Chronik des Popen Metodi Draginov.
So weit so gut. Doch es ergab sich, dass im Laufe der Zeit immer mehr Mythen benutzt
wurden, die sich in der modernen bulgarischen Historiographie in eine Art Dokumente
verwandelten, oder mit anderen Worten, dass sie bei dem Mangel an Quellen oder nicht
ausreichender Aneignung der vorhandenen, mit Leichtigkeit die „leeren Territorien”
einnahmen. Es war nicht mehr notwendig die massenhafte repressive Islamisierung als
Technologie zum Aufbürden und Verbreiten des Islams zu rechtfertigen; sie wurde
vorsätzlich als Tatsache für jedes einzelne Gebiet mit überwiegend muslimischer
Bevölkerung, besonders wenn sie die bulgarische Sprache benutzte, angenommen. In
chronologischer Reihenfolge werden die „Gewalttätigkeiten” je nach dem Fall, mit dieser
oder jener Chronik in Verbindung gebracht: mit dem mythischen Murza dem Tataren und
22 С.Димитров. Ор. cit., c. 103.23 M. Дринов. Отец Паисий. Неговото време, неговата история и учениците му. - В: Периодическо списание. Год. I, кн., Браила, 1871, с. 19.24 Ibid.
9

Sultan Selim25 oder aber ein Jahrhundert später mit der Familie des Vezirs Köprülü.26 Um dies
zu illustrieren möchte ich noch ein beredtes Zeugnis aus der heutigen bulgarischen
Historiographie anführen: „Die große, massenhafte Islamisierung in den Mittleren Rhodopen
während des Jahres 166927 hat zweifellos auch die Gegend um Nevrokop nicht verschont...
Ende des 17. und während dem 18. Jh. hörte die Islamisierung nicht auf. Gerade zu dieser
Zeit wurde sie gänzlich im Dorf Kruschevo durchgeführt, aber auch die Dörfer Ribnovo,
Skrebatno, Fotowista, Tärlis, Stärtschischta, Zärnevo, Teschovo u. a. mussten zum Islam
übertreten.”28
Der bisherige Mangel an Archivdokumenten für die Rekonstruktion der in Frage
stehenden Prozesse hat, so scheint es, manche Autoren verleitet sich der Möglichkeiten, die
ihnen die historische Mythologie anbietet, zu bedienen - daher die Qualifizierungen wie „die
große massenhafte Islamisierung hat zweifellos nicht verschont...”, „...wurde die
Islamisierung gänzlich durchgeführt...”, „...mussten auch zum Islam übertreten...”
Gleichzeitig findet man in der Deutung der wenigen zur Verfügung stehenden osmanischen
Quellen viele Fehler, weil man den Mythos um jeden Preis mit Argumenten aus den
osmanischen Registern (defter) positiv beweisen wollte (sic!). Die letzten Sendungen mit
solchen defters aus dem osmanischen Archiv in İstanbul enthalten Angaben, die eine
gewissenhafte Präzisierung der Glaubwürdigkeit bei den historischen Rekonstruktionen
erlauben und dabei die Anwendung der historischen Mythen einschränken. Anhand einiger
Beispiele und Vergleiche mit den neuen Archivmaterialien wollen wir das praktisch
veranschaulichen. P. Petrov schreibt in seinem Werk Schicksalhafte Jahrhunderte für das
bulgarische Volkstum: „Auf dieselbe Weise steigt schroff die Zahl der Muhammadaner und
sinkt diese der Christen in Dörfern, die Ende des 15. Jh. nur teilweise islamisiert waren.
Derweil es zu dieser Zeit im Dorf Zärnevo einen muslimischen und 241 christliche Haushalte
gab, waren Anfang des 17. Jh. nur 120 christliche Familien geblieben; auf dieselbe Weise
sank die Zahl der christlichen Haushalte im Dorf Belotinzi von 129 auf 36”.29 Ich werde mich
auf diese zwei Dörfer aus der Umgebung von Nevrokop konzentrieren, wenngleich die zum
Vergleich geeigneten Beispiele damit bei weitem nicht erschöpft sind. Für das Dorf Zärnevo
beobachtet man tatsächlich eine Reduzierung der christlichen Haushalte. Diese Feststellung
erfolgt aber aufgrund der Register für die Eintreibung der nur von Christen entrichteten Steuer
25 Gemeint ist hier nicht Selim I., da dieser im Jahr 1522 schon gestorben war, doch kann auch nicht Selim II. gemeint sein, da dieser wiederum noch nicht geboren war. Wer nun gemeint ist wird nicht klar, doch dies scheint für die Tezeption der Mythen ohnehin nicht von Bedeutung zu sein.26 So der Krieg um Kreta 1668-1669 - siehe die Chronik des Popen Draginov.27 Hier wird die Chronik von Draginov anvisiert.28 Vgl. die Argumentation von П. Петров. Българските летописни сведения за помохамеданчването в Чепино. - В: Родопски сборник. Т. 1. София, 1965, с. 18 и сл.29 П. Петров. Съдбоносни векове за българската народност. София, 1975, 179-181.
10

(cizye), sodass man in diesem Sinne den Rückgang mit zwei Varianten erklären kann -
entweder ist er auf demographische Ursachen, oder auf Islamisierung zurückzuführen. Der
gewissenhafte Wissenschaftler wird dem Publikum beide Möglichkeiten anbieten, um
wenigstens eventuelle Widerlegungen durch neuentdeckte Quellen zu vermeiden. Genau das
ist der Fall mit dem Dorf Zärnevo. Nach dem osmanischen Register von 1723 ist erwiesen,
dass diese Ortschaft, zusammen mit den ihr geographisch nahen Teschevo, Tärlis und
Kotschan zu den sog. madenci-Dörfern (von Bergleuten und Eisengießern) zählten, für die
kategorisch behauptet wird, dass sie vorwiegend mit Christen besiedelt waren.30 Die
einzelnen Fälle von Übertritten zum Islam in solchen Ortschaften (in Zärnevo ein Muslim
gegenüber 241 Christen) beweisen keinen dauerhaften Prozess der Islamisierung, sondern
gerade das Gegenteil. Dann muss man für den von den Steuerregistern festgestellten
Rückgang der christlichen Haushalte Ursachen demographischen Ursprungs suchen. Während
die Dokumente konkret für das Dorf Zärnevo von einer Stabilisation der demographischen
Kennziffern in den 60er Jahren des 15. Jh. zeugen (120 bis 152 christliche Haushalte), wird
im Register von 1723 ein enormer Rückgang bis auf 47 Haushalte verzeichnet. Das Erstbeste
wäre anzunehmen, dass das der fällige Abfall vom Christentum im Kontext der massenhaften
Islamisierung gewesen ist. Doch das Dokument erlaubt keine solche Willkür, da es mit einem
Bericht des Kadis von Nevrokop an die Hauptstadt schließt, in welchem er mitteilt, dass die
Region für eine kurze Zeitspanne zweimal von einer Pestepidemie heimgesucht worden ist,
was übrigens nicht nur den „Fall Zärnevo”, sondern auch den enormen demographischen
Zusammenbruch der ganzen Kaza miterklärt.31 Das es keine Islamisierung in den madenci-
Dörfern, zu denen auch Zärnevo gehört, gegeben hat beweist die unmittelbare Übersicht der
ethnoreligiösen Struktur dieses Gebiets (zweite Hälfte des 19. Jh.), die den überwiegend
bulgarisch-christlichen Anteil seiner Einwohner mit nur wenig Türken-Muslimen bestätigt.32
Noch interessanter ist das Beispiel des Dorfes Belotinzi. Die in unseren Archiven
aufbewahrten Register für die Eintreibung der cizye zeugen von einem Rückgang der
christlichen Bevölkerung während des 17. Jh. von 129 auf 36 Haushalte. Im Jahre 1660 ist ein
Anwachsen bis auf 40 Haushalte vermerkt, d. h. gerade am Vorabend der von Draginov
geschilderten „Islamisierungsapokalypse.” Logisch wäre anzunehmen, dass wenn die Anzahl
der „einen” sinkt, die der „anderen” (der Muslime) ansteigt, folglich muss man erwarten, dass
wir im neuerhaltenen ausführlichen Register von 1723 endlich die Spuren dieses Übergangs
der Christen zum Islam entdecken werden. Im konkreten Fall ist es nicht von Bedeutung, ob
30 Ibid., c. 178.31 C. Андреев, Е. Грозданова. Из историята на рударството и металургията в българските земи през XV-XIX в. София, 1993, 81-84.32 BOA, Mevkufat Kaiemi № 2873, fol. 108.
11

die Islamisierung durch Gewalt erfolgt ist oder nicht; man muss die vorausgesetzte
Schlussfolgerung P. Petrovs über die Islamisierung, die auf den Rückgang der christlichen
Haushalten von 129 auf 36 beruht, beweisen, sonst nichts. Das Register von 1723 aber zeigt
die Ortschaft als christliche mit 30 Haushalten und nur einem Muslim - Halil, Son von
Mustafa, von dem man nicht weiß, ob er ein islamisierter Bulgare oder ein Türko-Muslim
ist.33 Gegen Ende des 19. Jh. stellt W. Käntschov kategorisch fest: im Dorf Belotinzi leben
1800 Bulgaren.34
Mit ähnlichen Beispielen könnte man fortfahren, doch das werden wir in entsprechender
Weise später in der Darlegung tun. Meiner Meinung nach aber könnte man schon jetzt die
Schlussfolgerung aussprechen, dass im „Fall Belotinzi”, wie bei manchen anderen Dörfern im
Bezirk (kaza) Nevrokop (ohne die Gemeinde Tschetsch), der in den Steuerregistern
festgehaltene Rückgang der christlichen Bevölkerung im hohen Maße, an manchen Stellen
fast ausschließlich, auf demographische Faktoren zurückzuführen ist. Die entgegengesetzte
Behauptung - die Zahl der Christen in der uns bekannten Dokumentation sinkt, folglich sind
sie zum Islam übergetreten, bedeutet, dass der Forschungsprozess dem historischen Mythos
folgt. Im Falle der Zentralen und Westlichen Rhodopen hat der Mythos für eine massenhafte
gewaltsame Islamisierung sein chronologisches Merkmal - der Krieg um Kreta 1668-1669, zu
der Zeit also, in der, wie wir weiter oben gesehen haben, eine Verminderung der Anzahl an
Christen festgestellt wird. Wenn man die historisch-demographischen Ursachen, die in den
Dokumenten enthalten sind, nicht beachtet, so bleibt es bis zur Legitimierung des Mythos für
die massenhaften Islamisierungspogrome in den Rhodopen während der zweiten Hälfte des
17. Jh. nur ein kleiner Schritt, den übrigens manche Forscher getan haben...
II. Das zweite Untersuchungsverfahren würde ich als ein sozial-wirtschaftliches
bezeichnen, es beansprucht die Erforschung der Ursachen für die Folgen des Prozesses; das
ist gerechtfertigt, weil dieses Verfahren auf einer stabilen Quellenbasis - die der osmanischen
Quellendokumente – beruht. Hier muss ich einen wichtigen Umstand hervorheben: Die
Betonung der Rolle des sozial-wirtschaftlichen Faktors stiftete Verwirrung und fährt
scheinbar damit fährt fort, inmitten einiger Verehrer und Autoren von historischem Lesestoff,
die Elemente der Freiwilligkeit bei der auf wirtschaftlichen Ursachen beruhenden
Islamisierung zu entdecken glauben. Und tatsächlich haben die in letzter Zeit erschienenen
Beiträge und Untersuchungen35 gezeigt, dass es auch eine persönliche Wahl beim Übertritt
vom Christentum zum Islam gegeben hat. Wenn wir uns an die auf Mythen aufgebaute
33 C. И. Веркович. Топографическо-зтнографический очерк Македонии. С. Петербург, 1889; В. Кънчов. Македония. Етнография и статистика. София, 1900, с. 19434 BOA, Mevkufat Kaiemi № 2873.35 В. Кънчов. Ор. cit., с. 194
12

Vorstellung für das Wesen des Phänomens halten, besteht ernsthafter Anlass zur Verwirrung;
wenn nicht, sind wir gezwungen anzunehmen, dass der sozial-wirtschaftliche Faktor tief im
Wesen des Islamisierungsprozesses verwurzelt ist. Eigentlich prägt gerade dieser Faktor die
Erforschung der Islamisierung (wenigstens zurzeit).36 Die Erforschung ihrer Wirkung und
Einwirkung auf das Christentum in den Balkanländern wird den Wissenschaftlern helfen, die
sozial-wirtschaftlichen und ethno-psychologischen Voraussetzungen der Islamisierung einen
Sinn zu geben.
Was die Ursachen für die Verbreitung des Islams anbelangt, so muss ich bemerken, dass sie
in mehreren Richtungen gesucht werden und mit ihren wichtigsten Merkmalen als
allgemeingültig für alle Teile des Balkans angenommen werden - z.B. die Ursachen sozial-
wirtschaftlicher Wesensart. In einem zentralisierten Staat von autoritär-paternalistischem Typ
wie dem Osmanischen, walteten die sozial-wirtschaftlichen Realitäten mit gleicher Kraft über
das ganze Territorium unter seiner Herrschaft. Folglich muss man erwarten, dass der Übertritt
zum Islam aufgrund des sozial-wirtschaftlichen Faktors relativ gleichmäßig alle Teile der
Balkanhalbinsel unter osmanischer Macht betroffen hat. Es ist aber allgemein bekannt, dass
dem nicht so ist, aus diesem Grund habe ich am Anfang dieses Textes darauf hingewiesen,
dass man auch der Bedeutung der Umwelt als Faktor für die Entwicklung dieses Prozesses
Rechnung tragen muss. Das sind die geographische Lage mit ihren horizontalen und
vertikalen Raumachsen, die klimatischen und ökologischen Gegebenheiten und die daraus
resultierenden Aussichten und ethno-kulturelle Eigenarten - alles Probleme, die Z. Georgieva
in letzter Zeit erfolgreich bearbeitet.37
Allgemein akzeptiert ist auch die Ansicht, dass Bulgarien unter osmanischer Herrschaft
von den Ausschreitungen des Regimes, aufgrund der unmittelbaren geographischen Nähe zu
den Machtzentren des Reiches und der vielen Landwege, die bulgarisches Territorium
durchquerten und auf denen die osmanischen Truppen zu den Schlachtfeldern nach Westen
und Norden gezogen sind, am stärksten betroffen war. Wie schon in der frühen bulgarischen
Historiographie, wir hieraus gefolgert, dass die Bulgaren an den Folgen
osmanischerHerrschaft am schwersten zu tragen hatten; dazu gehört natürlich auch die
unvermeidliche Islamisierung großer Bevölkerungsgruppen. Aufgrund dieser
36 Османски извори за историята на ислямизационните процеси...; А. Желязкова. Разпространение на исляма в Западнобалканските земи. под османска власт XV-XVIII в. БАН,.София, 1990.37 Die Voraussetzung ist hier unumgänglich, denn die Erklärung der Islamisationsprozesse unter dem Gesichtspunkt einer muslimischen Einflussnahme auf den geistigen Bereich der Balkanvölker ist ein kaum erschlossenes Forschungsgebiet in der bulgarischen Kulturwissenschaft. Die bulgarischen Historiker und Ethnologen haben nicht viel zur Klärung der Rolle der asketisch-mysthischen Richtungen im Islam (Sufismus) und der Derwischorden, besonders jener mit esoterischer Orientierung, beigetragen. Vorläufig gibt man sich bei uns mit den allgemeinen Feststellungen zufrieden, dass der Islam (seinem geistigen Wesen nach und nicht als Kennzeichen seiner konfessionellen Verschiedenheit) und besonders seine heterodoxen Strömungen (kızılbaş) den Wechsel in der religiösen Landschaft des Balkans beeinflusst haben.
13

„Allgemeingültigkeit” könnten uns Schlussfolgerungen, wie diese aus den weiter oben
angeführten Beispielen von den Dörfern um Nevrokop - „es mussten auch die Dörfer den
Islam annehmen...” verleiten. Eine solche Unumgänglichkeit war in der damaligen Realität
nicht wirksam, was bestens von den Quellen bewiesen wird. Die Lage Sofias an der
Diagonalstraße (via militaris) zum Beispiel konzentrierte die osmanische Verwaltung und die
Militäreinheiten in der Stadt, die Feldzüge zogen dauernd durch die Sofioter Ebene, ohne dass
dadurch eine Islamisierung stimuliert wurde; im Gegenteil: hier war sie besonders niedrig.
Ähnlich ist die Lage im Bezirk Vidin (Zentrum der Militärverwaltung und Festung mit einer
Garnison), im Bezirk Küstendil und anderen in militäradministrativer Hinsicht wichtigen
Gebieten, wo die Regierung die Möglichkeit und nach der heutigen Logik auch die Motive für
die Durchführung einer massenhaften Islamisierung gehabt hätte... Dies geschah aber nicht,
während zur selben Zeit in den entlegenen Teilen der Rhodopen große Territorien als Folge
des Übertritts der einheimischen Bevölkerung zum Islam für das Christentum vollkommen
verloren gingen.
Unter dem Vorbehalt, dass man sich nach meiner Meinung in der bulgarischen
Historiographie noch immer nicht über die Richtungen im klaren ist, in welchen die Ursachen
für die Islamisierung gesucht werden müssen, werde ich mir erlauben einige unumstrittene
Voraussetzungen für das Auftauchen und die Entwicklung des Phänomens hauptsächlich im
Gebiet der Westrhodopen darzulegen.
Als erste Ursache bestätigt sind zweifellos die osmanische Eroberung und ihre Folgen.
Hier handelt es sich um den allgemeinen Hintergrund vor dem der Islamisierungsprozess
verläuft: Vernichtung der mittelalterlichen Staatlichkeit und ihrer Institutionen auf dem
Balkan. Von großer Bedeutung für den Aufbau des neuen (osmanischen) Staates war vor
allem die Eroberung neuer Bereiche für den Islam, vorerst im territorial-politischen Bereich,
erst dann konnte man die reale, sozusagen „physische” Islamisierung in den neuen Ländern
durchführen. Das heißt, dass man erstens die Frage um die Träger, der für die
Balkanbevölkerung neuen Religion klären müsste, da diese sie im Leben der eroberten Länder
repräsentieren sollten. Um das Niveau dieser Repräsentation (nicht nur von Seiten der
Institutionen der Staatsmacht und ihre Beamten an Ort und Stelle) festzustellen, müssen wir
uns mit den Problemen der gegenseitigen Beziehungen und der relativen Bürde der
Kolonisation einerseits und der Islamisierung der einheimischen Christen anderseits befassen,
beide im Kontext der Ausbildung eines muslimischen Reiches und der Verbreitung des Islams
in den eroberten christlichen Ländern. Hier ist für die Forscher die Frage um die Prioritäten
besonders interessant, d.h. welcher von den beiden Faktoren (die türko-muslimische
Kolonisation oder die Islamisierung der einheimischen Christen) für die ethno-kulturelle
14

Transformation der eroberten Balkanländer ausschlaggebend war. Den interessierten
Forschern bieten die Westrhodopen ein ausgezeichnetes Erforschungsfeld.
Die geringe Anzahl von Untersuchungen aufgrund der bis vor kurzem spärlichen
Quellenbasis konnten dennoch eine sehr wichtige Tatsache aufzeigen - im Gebiet der Zentral-
und Westrhodopen hat es während keiner Periode der osmanischen Herrschaft eine
massenhafte Ansiedlung von turkmenischen Kolonisten aus Anatolien gegeben, wie es in
manchen Gebieten von Thrakien und der Dobrudza geschehen ist.38 Die erstmalige
Repräsentation des Islams in den Westrhodopen (das Gebiet um Nevrokop mit Tschetsch)
erfolgte auf institutionellem Niveau durch die lokale Verwaltung und das Militär. Die
osmanischen Quellen schildern diese Lage folgendermaßen: nach einem frühen Register für
die Bevölkerung von 1445 wird für die Stadt Nevrokop und die Dörfer im Umkreis kein
einziger Muslim angegeben.39 Während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sind in der Stadt
schon 265 christliche Haushalte und zwöf muslimische aufgezählt, und in den meisten
Dörfern gibt es schon ein bis acht muslimische.40 Gleich müssen wir bemerken, dass das
anthroponymische System dieser Leute (eine Zusammensetzung aus muslimischen und turko-
nomadischen Namen) darauf hinweist, dass das erstmalige Auftreten des Islams im
bulgarisch-christlichen Raum durch Kolonisierung erfolgt ist.
Hier wäre es nun logisch und notwendig uns mit der türko-muslimischen Kolonisation als
Faktor für die Islamisierung von Territorien im „physischen” Sinne zu befassen. Bis vor
kurzem, im vorigen Jahrzehnt, das mit dem gewaltsamen Austausch der türko-muslimischen
Namen gegen bulgarische gekennzeichnet ist, wurde der bulgarischen Historiographie eine
Untersuchungsmethode aufgezwungen, nach welcher die muslimische Bevölkerung in den
sog. ethnisch-bulgarischen Territorien einzig als Folge einer massenhaften, gewaltsamen
Islamisierung der einheimischen bulgarischen Christen erklärt werden müsste. Man verfolgte
einen politischen Propagandaeffekt - es müsste bewiesen werden, dass die Muslime in
Bulgarien ethnisch-bulgarischer Abstammung sind, wofür die Ideologeme die Kraft
dokumentarischer historischer Tatsachen erhalten müssten. Eine flüchtige Übersicht der
damaligen Forschungspraxis enthüllt deutlich die Tendenz zum Umgehen (Verschweigen)
des Themas für die türko-muslimische Kolonisation überhaupt zugunsten einer detaillierten
38 Ц. Георгиева. Пространството на българина и неговите граници през XV-XVII в. Под печат в: ГСУ, ИФ, т. 88, 1995; Околната среда и модел на селищната система в българското пространство през XV-XVII в. ИПр, 52,1996,31 -57; Структура на селищната мрежа в българското пространство през XV-XVII в. - В: Балканистичен форум, № 1, 1997, 28-44.39 C. Димитров. Op. cit; С.Димитров,, Н.Жечев, В. Тонев. История на Добружа-Т. 3, София, 1988; М. Kiel. La diffusion de l'Islam dans les campagnes bulgares á l’époque ottoman (XVe-XVIe s..). Colonisation et convertion. - In: Revue du Monde Musulman et Mediterranée. 66, 1993/1994, 39-54.40 BOA, MAD 525. Die Ausnahme ist weiter oben vermerkt, Bem. 15, das Dorf Maiko Drjahovo mit einem Muslim.
15

Darstellung der Islamisierung der Bevölkerung nicht durch dokumentarische Belege des
Prozesses, sonder eher durch die Tragik einer massenhaften konfessionellen Gewalttätigkeit,
die „das Volksbewusstsein bewahrt hat.” Das Verschweigen des Problems um die türko-
muslimische Kolonisation stellte praktisch die Forscher in eine paradoxe Lage - sie sollten
die Islamisierung der Bulgaren beweisen, bei einem gleichzeitigen Mangel an
„Islamisatoren.” Einen Ausweg aus dieser Lage bieten bereitwillig die historischen Mythen
an, die im Kontext der von ihnen selbst aufgebauten Vorstellungen für die osmanische
Herrschaft eine Erklärung geben, die auch heute kritiklos von vielen Autoren übergenommen
wird: die Übertritte zum Islam sind ein Resultat gewaltsamer Militäroperationen der äußeren
Macht (Durchzüge von Truppen aus der Hauptstadt, fortdauernd organisierte
Islamisierungsoperationen der Sultane, Großwesire u. a.). Der zweifelhafte wissenschaftliche
Wert dieses Unternehmens war nicht von besonderer Bedeutung - es war kein Ausdruck der
positiven Absichten die historischen Ereignisse und Prozesse zu rekonstruieren, sondern
sollte auf das Bewusstsein der Massen einwirken um konkrete politische Vorhaben zu
realisieren.41
Um die Kolonisation als Faktor für den Islamisierungsprozess zu verstehen, müssen wir
uns südlich der Kaza Nevrokop an die Mündung des Flusses Mesta in die Ägäis begeben.
Dort befindet sich der Bezirk Yenice-i Karasu (das heutige Genisea, Griechenland). Im
Register von 1478, das vor kurzem aus dem Osmanischen Archiv İstanbuls eingegangen ist,
finden wir eine ausführliche Darstellung der demographischen und ethnisch-religiösen Lage
im Territorium dieser Kaza für die Zeitspanne, in welcher das osmanische sozial-
wirtschaftliche System seinen ausgeglichenen Charakter erlangt hatte, aber die
konfessionellen Umwandlungen sich immer noch im Anfangsstadium ihrer Entwicklung
befanden. Es ist natürlich (und auch logisch) anzunehmen, dass das muslimische Element im
allgemeinen ethnischen Bestand des Gebiets von den turkmenischen Kolonisten aus
Anatolien repräsentiert wurde. Hier möchte ich aber den Leser auf den folgenden Umstand
aufmerksam machen: in letzter Zeit wird in der bulgarischen, und auch in anderen
Historiographien, die Idee des nomadischen Charakters der türko-muslimischen Eroberung
und Aneignung der Balkanländer lanciert. Übrigens ist die Idee nicht neu. Überzeugt von
seiner Theorie behauptet A. Toynbee, dass die nomadischen Hirtengemeinschaften, nach
erfolgreicher Eroberung von Territorien mit kultur-sesshafter Bevölkerung, versuchen sich ihr
gegenüber so zu verhalten, „als sei sie eine Menschenherde und wollen sich von Viehhirten in
Menschenhirten verwandeln.”42 „Inmitten der Felder und Städte ist die Gemeinschaft von
41 BOA, TD 3.42 In einem solchen Forschungsbereich während dieser Periode erschienen auch Werke, die die realen Verhältnisse im Prozess der Islamisation enthüllen - den demographischen Aspekt (türko-muslimische
16

Nomaden und einheimischen „
‚Menschenrindern’ wirtschaftlich nicht gefestigt”, fährt Toynbee fort, weil „die
Menschenhirten immer wirtschaftlich, wenngleich nicht immer politisch, überflüssig und
deshalb parasitär sind. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, hören sie auf Hirten ihrer
Viehherden zu sein und verwandeln sich in Drohnen, welche die fleißigen Bienen ausbeuten.
Als regierende Klasse sind sie nicht produktiv und werden von dem Fleiß der produktiven
Bevölkerung unterhalten, die besser leben würde, wenn sie nicht wären schließt Toynbee.43
Die Schlussfolgerungen des englischen Historikers, zusammen mit einigen neueren
Forschungsversuchen zu diesem Problem,44 auf die reale Lage auf dem Balkan während der
Periode nach der osmanischen Eroberung bezogen, sind imstande neue Bedingungen für eine
Art zeitgenössische Mythendichtung zu schaffen: die Beziehungen, deren Träger die
osmanischen Türken sind, waren schon lange von den Völkern der eroberten Länder
überwunden. Deshalb hat die Invasion der nomadischen und halbnomadischen Massen die
gesetzmäßige Entwicklung der unterworfenen Länder und Völker nicht nur aufgehalten,
sondern auf Jahrzehnte zurückgeworfen. Woraus man die „reaktionäre Rolle” der
osmanischen Invasion begründen kann - eine Idee, die sehr geeignet ist bestimmte historische
Gefühle mit genauer Adresse zu modellieren.
Mit diesem Thema werden sich in Zukunft die Spezialisten aus den verschiedenen
Bereichen der Humanwissenschaften befassen. Mein Ziel hier ist konkreter: den Charakter
der türko-muslimischen Kolonisation im Bezirk von Yenice-i Karasu zu definieren. Dieser
Bezirk befindet sich, durch das Tal des Flusses Mesta, welches das bergige Land mit der
ökologisch und wirtschaftlich wichtigen Zone am Ägäischen Meer verbindet, in einem
geographischen Verhältnis zum Gebiet um Nevrokop (Westrhodopen), sodass die
Untersuchung der ursprünglichen Niederlassungen der Siedler aus Anatolien45 in den
Tiefebenen entlang des Meeres seine logische Fortsetzung hat - das allmähliche Eindringen
nach Norden in die höher über dem Meeresspiegel gelegenen Zonen, wo das Klima, die
wirtschaftlichen Aussichten und daher auch der Effekt und die Folgen von der Kolonisation
von einer anderen Art waren.
Kolonisation) und die konfessionellen Transformationen (Islamisierung der Bevölkerung). Ein passendes Beispiel dafür sind die Schriften von A. Zeljaskova. Ihre Untersuchungen hatten begonnen, bevor die Kolonisation als Faktor für die Islamisierung bezweifelt wurde. In der Folge (nach 1985) erlitt das positive Verfahren der Autorin alle negativen Auswirkungen der sich anbahnenden politischen Konjunktur, die mit dem Austausch der türko-islamischen Namen verbunden ist. Siehe auch die emotionale Bewertung A. Zeljaskovas für die bulgarischen osmanistischen Forschungen während dieser Periode; In: Историците - за истината, за насилията, за себе си. София, 1994, 115-127.43 Toynbee, A. J. А Study of History. Abridgement of Volumes I-IV. New York & Oxford, 1961, p. 172.44 Ibid.45 I. Escedy. Nomads in History and in Historical Research. - In: Acta Orientalia Scientiarium Hungaricae, 1981, XXXV, f. 2-3; C. Плетнева. Кочевники Средновековья. Москва, 1982.
17

Am Anfang des osmanischen Registers von 1478 steht ein Verzeichnis der Salzgewinner
in der Kaza Yenice-i Karasu.46 Das ist eine Gruppe von 57 muslimischen Familien, die sich
an einem passenden Platz (an der Küste der Ägäis, irgendwo um die Mündung der Mesta)
niedergelassen hatten, um ihre wirtschaftliche Tätigkeit in einem Bereich von enormer
Bedeutung für die Wirtschaft der vorindustriellen Gesellschaften zu verrichten. Wie bekannt
ist, war das Salz nicht nur für den täglichen Unterhalt des Menschen und die Aufbewahrung
von Produkten notwendig, sondern auch für die normale Entwicklung der traditionellen
Wirtschaftszweige wie Viehzucht, Lederverarbeitung, Färberei, Erzgewinnung,
Seifenproduktion, Töpferei u. a. Ausgebildete Gebiete der Salzgewinnung gab es schon seit
der Antike an passenden Stellen entlang der Küsten des Schwarzen Meeres, des
Marmarameeres, des Ägäischen Meeres und des Mittelmeeres. Die Salzgewinnung erforderte
spezielle Fertigkeiten und Kenntnisse der technologischen Prozesse; daher waren die
Salzgewinner in professionellen Gilden (in der osmanischen Verwaltungspraxis cemaat
genannt) organisiert, und die beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse wurden vom Vater an
den Sohn weitergegeben.47
Diese kurze Notiz über die Salzgewinnung soll den Leser auf den Umstand aufmerksam
machen, dass auf die 57 muslimischen Familien, die sich an der Mündung der Mesta
angesiedelt hatten, die Bezeichnung „Nomade” nicht passt. Auf alle Fälle haben sie dieselbe
Tätigkeit zuvor irgendwo an der kleinasiatischen Küste ausgeübt, bevor ihre
Salzgewinnergemeinschaft (cemaat) mit dem reis (arab. Führer, Leiter) an der Spitze Durali
auf dem Balkan erscheint. In ethnischer Hinsicht müssen diese Siedler als Turkmenen48
bezeichnet werden. Kennzeichen dafür sind die vorwiegend vorislamischen türkischen
Namen im Verzeichnis: Sungur, Durmuş, Köpek, Yahşi, Deniz, Bazarlu, Turgud usw.; in
dieser Aufzählung gibt es natürlich auch Namen aus dem gesamtmuslimischen
anthropologischen Komplex... Bei der Ansiedlung an ihrem neuen Platz gründete die
Gemeinschaft der Salzgewinner-Turkmenen eine Ortschaft (was überhaupt nicht mit der
Tradition der nomadischen Lebensweise übereinstimmt) und nannte sie Tuzcu (türk. für
Salzgewinner).49
46 BOA, TD 7, fol. 10.47 Ε. Грозданова, С. Андреев. Соларството по българското Черноморие през XV-XIX век. София, 1982, 7-33.48 In der Historiographie hat sich die Ansicht verbreitet, dass die Turkmenen Vertreter der nomadischen Bevölkerung Kleinasiens und des Balkans gewesen sind; in vielen Forschungen ist das mit der Benennung Yürük identisch. Da der Name Yürük keine ethnischen Charakteristika angibt, impliziert die Gleichstellung mit Turkmenen offensichtlich eine frühe ethnische Beschaffenheit nomadischen Ursprungs. Die Sozialisierung der Nomaden in Territorien mit ansässiger Bevölkerung setzt ihrem Status als Yürüks ein Ende und verwandelt sie in ansässige Türkmenen. Übrigens ist dieses Problem ein Teil der großen Frage um die Korrelationen der Benennungen türkisch (turkmenisch) - osmanisch - türkisch und ihre präzise Anwendung in der Forschungspraxis.49 BOA, TD 7, fol. 10
18

Im selben Gebiet hat der osmanische Beamte auch eine gewisse Anzahl christlichen
Salzgewinnern erwähnt, was darauf hinweist, dass es dieses Handwerk hier vor der Ankunft
der Osmanen gegeben hat. Doch die nach der Eroberung entstandene neue politische Lage
ermöglichte den Ankömmlingen sich konkurrenzlos in den wirtschaftlichen Raum des
Gebiets Eintritt zu verschaffen, oder vielleicht einfach die Einheimischen zu verdrängen.
Die „physische” Islamisierung des Gebiets um Yenice-i Karasu seitens der anatolischen
Siedler während 1478 schaffte auch Voraussetzungen für die Islamisierung der einheimischen
Bevölkerung: im Verzeichnis der Gemeinschaft der Salzgewinner (cemaat) aus dem Dorf
Tuzcu stehen zwei Konvertiten mit dem „Nachnamen” Abdullah, ein Michail, Sohn von
Rado, noch immer ohne neuen islamischen Namen, und sechs Sklaven, die ihre persönliche
Freiheit bekommen hatten, nachdem sie Anhänger Muhammads geworden waren.50
Die Theorie von dem überwiegend nomadischen Charakter der turkmenischen
Kolonisatoren wird noch anfechtbarer, wenn wir die folgenden Seiten unseres Registers, wo
die Gemeinschaft (cemaat) der Reisbauern in der Kaza Yenice-i Karasu verzeichnet ist, lesen.
Der Reis ist eine Neuigkeit inmitten der traditionellen landwirtschaftlichen Kulturen auf dem
Balkan, dessen Anbau nach Erscheinen der Türko-Muslimen in diesen Ländern beginnt. Die
von Natur aus nivellierten Terrains entlang der unteren Strömung der Mesta erwiesen sich
geeignet für die unbekannte Kultur. Dort erscheinen auch die neuen Siedler (Bauern, nicht
herumziehende Viehzüchter) in der professionellen Gemeinschaft der Reisbauern organisiert.
An ihrer Spitze standen auch hier die sog. reis - in unserem Fall die Brüder Halil und İbrahim,
welche eine Sultansurkunde besaßen, die ihnen erlaubte sich mit Reisanbau „wie ihre Väter”
zu befassen.51 Die Gemeinschaft umfasste 29 Familien und zwei Ledige und gründete auf dem
neuen Platz eine Ortschaft mit Namen Çeltikçi (türk. für Reisbauer). Die Analogie mit der
Salzgewinnerortschaft ist offensichtlich, sie offenbart gleichfalls, dass im Gebiet eine
Bevölkerung mit ausdrücklich sesshafter Lebensweise, wirtschaftlich und kulturell definiert,
erschienen war. Diese Leute, wirtschaftliche Auswanderer, waren die Repräsentanten der
türkomuslimischen Kolonisation im Gebiet. Ihre Tätigkeit war eng verflochten mit der
Wirtschaft der vorindustriellen Gesellschaften - die Produktion von Salz, welche die
traditionellen Zweige des Handwerks und der Viehzucht bediente und die Produktion von
Reis, die eine Hauptnahrung der Eroberer aus Asien war und bald eine der wichtigsten
landwirtschaftlichen Kulturen auf der Halbinsel wurde.
Wo aber sind die wandernden Viehzüchter — die Yürüken geblieben, die nach manchen
Autoren die repräsentative Masse der turkmenischen Kolonisatoren gewesen sind? In dem
50 Ibid.51 Ibid., fol. 12.
19

untersuchten Register von 1478 sind keine yürükische Gemeinschaften (cemaat) verzeichnet,
doch auf seinen Seiten kann man ihre Anwesenheit spüren... Hier die Erklärung: inmitten der
registrierten Kategorien produktiver Bevölkerung in der Kaza und der Gruppen mit
Sonderpflichten dem Staat gegenüber, z.B. Falkner (doğancı), hat der osmanische Beamte
eine ziemlich kleine Gruppe von Wächtern (koruci vom türk. korumak = bewachen)
vermerkt.52 Gegen gewisse Steuerentlastungen sollten diese Leute die Fortbewegung der
turkmenischen Nomaden auf den für sie bestimmten Wegen überwachen, ihnen verbieten ihre
Herden in bestellten Äckern weiden zu lassen und die Arbeit der Bauern vor dem
ungeordneten Umherlaufen von Menschen und Vieh schützen.53 Die Tatsache, dass die
osmanische Verwaltung die Institution der koruci eingeführt hat, soll uns zwei wichtige Dinge
sagen:
1. Die türkomuslimische Kolonisation verlief a) unter der Form einer wirtschaftlichen
Migration sesshafter turkmenischer Bevölkerung in die eroberten Territorien mit für die
wirtschaftlichen Tätigkeiten günstigen Bedingungen oder b) unter der Form von nomadischer
Fortbewegung aus Kleinasien nach dem Balkan. Die nomadische Komponente muss ein
Hindernis für die wirtschaftliche Aneignung der neuen Länder gewesen sein, worauf die
osmanische Verwaltung adäquat reagierte: sie förderte die sesshaften Siedler (fiskale
Erleichterungen für die Produzenten von Salz und Reis) und bildete gleichzeitig eine Art
„Polizeieinheit,” um die unerwünschte Folgen des wahllosen Umherstreifens der
nomadischen Kolonisten einzuschränken.
2. Die nomadische Komponente der Kolonisation war nicht so klein, dass man sie bei der
Bewertung der demographischen Folgen der Eroberung ignorieren konnte. Speziell für das
Gebiet am Ägäischen Meer, südlich der Linie Drama - Yenice-i Karasu - Gümürdzina zeigen
die osmanischen Quellen aus der ersten Hälfte des 16. Jh. eine bedeutende Anwesenheit von
Yürüken aus Tanrıdağ. Nur in der Kaza Yenice-i Karasu waren ihre Gemeinschaften nach der
Registrierung von 1543 58 an der Zahl.54
Aus dieser Sicht ruft die türkomuslimische Kolonisation in der untersuchten Kaza Yenice-i
Karasu die Vorstellung hervor, dass um die Mitte des 15. Jh. in dem Gebiet zwischen der
Küste der Ägäis und den Westrhodopen schon demographische Voraussetzungen für das
Vordringen der islamischen Bevölkerung nach Norden vorhanden waren - von dem
wirtschaftlich und ökologisch günstigeren Klimagürtel der Küstenebenen und den Feldern des
Vorgebirges bis zu einer höher über dem Meeresspiegel liegenden Region mit
ausgesprochenem Gebirgsklima. Die saisonale Migration der Yürüken zwischen den
52 Ibid., p. 13.53 A. Akgündüz. Osmanlı Kanunnameleri. 2. Kitab, İstanbul, 1990, p. 522.54 M. T. Gökbilgin. Rumeli'de Yürükler, Tatarlar ve Evlad-i Fatihan. İstanbul, 1957, 64-74,
20

Hochgebirgsweiden in den Rhodopen und den Niederungen entlang der ägäischen Küste kann
aus dieser muslimischen Komponente kein inhaltsreiches Beobachtungsobjekt machen - mit
ihrer Mobilität erzeugt sie keine beständigen Veränderungen in den demographischen
Beziehungen mit der Aussicht auf zukünftige konfessionelle Transformationen. Die Tatsache,
dass die ersten bis jetzt bekannten Registrationen von Yürüken aus den 40er Jahren des 16.
Jh. stammen,55 spricht dafür, dass die wandernden Turkmenen sich in den ersten Jahrzehnten
des 16. Jh. in bestimmten Gebieten niedergelassen hatten, mit allen sozial-wirtschaftlichen
Folgen, die sich daraus ergaben. Anders könnte es nicht gewesen sein, da sie erst dann im
osmanischen Kataster als selbstständiges Objekt der Verwaltungspraxis aufgenommen
wurden. In jedem Fall muss der Erforscher der türkomuslimischen Kolonisation seine
Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Migration jener Turkmenen konzentrieren, die sich der
sesshaften Lebensweise untergeordnet hatten. Das erstmalige Eindringen gerade solcher
islamischen Siedler inmitten der einheimischen christlichen Bevölkerung bestimmt im Voraus
die nachfolgende Entwicklung der Islamisierungsprozesse mit verschiedener Intensität und
unter verschiedenen Formen.
Wir müssen einen Versuch machen die Unterbringung dieser islamischen Bevölkerung
inmitten der einheimischen christlichen Bürger und Bauern zu untersuchen. Das Register von
1487 gibt uns die Möglichkeit die Ausmaße dieses Prozesses mit seinen demographischen
Folgen in den Städten Drama, Zächna, Seres und den umliegenden Dörfern festzustellen und
weiter nach Norden durch die Rhodopen bis zur Ebene von Nevrokop, unserem Endziel auf
den Seiten des Dokuments zu verfolgen. Auf der geographischen Karte übertragen sieht das
Gebiet in groben Zügen folgendermaßen aus: von der Mündung des Flusses Mesta west-
nordwestlich bis zu den drei angegebenen Städten (sie liegen am Fuße der Rhodopen und
grenzen als Zentren von Verwaltungseinheiten mit der Kaza Nevrokop im Norden). Ich
möchte den Leser darauf aufmerksam machen, dass es in der vorliegenden Studie nicht
möglich ist, die Angaben für jede Ortschaft auf dieser Route, selbst tabellenartig
zusammengefasst, wiederzugeben. Ich werde mich bemühen die Ergebnisse meiner
Beobachtungen von diesem höchst interessanten Material darzulegen, obwohl sie an dieser
Etappe dem Leser vielleicht eher als „Landschaftseindrücke,” denn als detailvoll
dokumentiertes Material erscheinen werden. Doch das Ziel ist ein Interesse an neuen
Forschungswegen zu provozieren und rechtfertigt das Risiko einer fragmentarischen
Darlegung.
Der Forscher versucht die sich dauerhaft in der Historiographie eingenisteten These, dass
der Übergang von Christen zum Islam im großen Maßstab zuerst in den Städten, d.h. dort, wo
55 M. T. Gökbilgin. Op. cit, 171-173; Е. Радушев, Р. Ковачев. Op. cit., c. 17.
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mehr Islamisatoren - Militär, Verwaltung und türkomuslimische Siedler vorhanden waren,
begonnen hat, einer Prüfung zu unterziehen. Viele Quellen bestätigen eine solche
Entwicklung, woraus logisch folgt, dass die Einwohner der Städte eher geneigt waren
islamische Proselyten zu werden, um unter den politisch und konfessionell veränderten
Bedingungen das bestehende soziale Niveau zu erhalten.56 Das Bestreben die osmanischen
Realitäten zu verallgemeinern kann zu jeder Zeit Überraschungen bringen, die danach als
Ausnahmen oder regionale Unterschiede definiert werden können. Mir scheint, dass die Stadt
Drama eine solche Überraschung darbietet...
Wie im Bezirk von Yenice-i Karasu so stoßen wir auch in dieser Stadt auf kategorische
Beweise für eine sesshafte Lebensart bei den turkmenischen Siedlern. Weiter oben habe ich
bemerkt, dass das Auftauchen von sesshaften Turkmenen im Hinterland der Kaza Yenice die
Islamisierung inmitten der einheimischen Dorfbevölkerung gefördert hat. Nun wollen wir
sehen welche Auswirkungen die turkmenischen Siedler auf das demographische und religiöse
Gesicht von Drama zeitigten. Im Jahre 1478 gab es in der Ortschaft ein muslimisches und
fünf christliche Viertel. Das muslimische zählte 69 Familien, 17 Ledige und 16 Witwen. Die
Namen dieser Bürger enthüllen eine gut erhaltene, vorislamische anthroponyme Tradition -
charakteristisches Merkmal für den nomadischen (yürükischen) Bestandteil der
Kolonisatoren: Şirmed, Danişmend, Durmuş, Bazarlu usw.57 Doch damit erschöpfen sich die
Ähnlichkeiten mit den Yürüken. Das osmanische Register hat die meisten turkmenischen
Bürger als Schuster, Schneider, Kürschner, Inhaber von Läden (darunter Krämer), Färber,
Sattler und selbst als Altwarenhändler verzeichnet. Das soll heißen, dass für diese Leute die
Stadt natürlicher Existenzort gewesen ist - dies beweist die relativ große Reichweite des
wirtschaftlichen Raumes, den sie eingenommen haben. Und noch etwas, was besondere
Aufmerksamkeit verdient - unter ihnen fehlen muslimische Neophyten (Neugetaufte) der
christlichen Bevölkerung der Stadt. Für diesen Umstand gibt es zwei mögliche Erläuterungen:
1. die türkomuslimische Gemeinschaft beherrschte die städtische Wirtschaft so, dass im
Konkurrenzkampf zur Besetzung von wirtschaftlichen Bereichen nur ein Vertreter der
türkischen Ethnie eine Chance haben konnte (inmitten der Christen trifft man fast keine
Handwerker). Ein Übergang zum Islam seitens der einheimischen Christen in Erwartung von
Prosperität oder Erhaltung gewisser Positionen im Bereich des Handels und des Handwerks
waren zum Misserfolg verurteilt, dem neuen Muslim stellen sich die sprachlichen und
56 A. Желязкова. Разпространение на исляма в Западнобалканските земи..., 179-202 und die dort angegebenen Quellen und Literatur.57 BOA, TD 7, fol. 24-25. In seiner kompetenten Untersuchung der Yürüken stellt uns M. T. Gökbilgin ein Verzeichnis mit Namen zur Verfügung, die den auf dem Balkan angesiedelten Nomaden-Türkmenen eigen sind. Die aus den Seiten des osmanischen Registers entnommenen Beispiele mit dem Namenssystem der sesshaften muslimischen Bevölkerung stimmen vollkommen mit der vom türkischen Forscher konstatierten nomadischen Anthroponymie überein. Siehe: M. T. Gökbilgin. Op. cit, 101-105
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ethnokulturellen Schranken in den Weg. Man muss auch die Wirkung der korporativen
Organisation der türkomuslimischen Händler und Handwerker (ahit) berücksichtigen, Spuren
ihrer Anwesenheit kann man in vielen Städten des Balkans vorfinden.58
2. In Drama war die christliche Infrastruktur gut erhalten. Jedes der fünf Stadtviertel hatte
seinen Priester, der die Sorge für seine Pfarrgemeinde trug, eine Tatsache, die uns sagen
muss, dass es keine, von einer spirituell-psychologischen Krise hervorgerufene Bedingung für
einen Übergang zum Islam gegeben hat. Hier erlaube ich mir eine Erwägung, deren
Begründung erst im Licht der neuen Dokumente, gemacht werden kann.
Die marxistische Historiographie hat das Bild aufgebaut, dass die christlichen Einwohner
der Städte unter osmanischer Herrschaft entweder in einem höheren Maße für die
Islamisierung zugänglich waren oder eher ein unmittelbares Objekt der
Islamisierungsinitiativen der osmanischen Behörden in den Städten (Militär, Verwaltung)
gewesen sind -„gerade die Städte spielten eine führende Rolle im Islamisierungsprozess.”59
Diese „führende Rolle” hatten sie ab dem dritten Viertel des 15.Jh. zu spielen begonnen. Bis
dahin hatte sich in den Städten, „in welchen es keine kompakte Masse von Militär und
Beamten und fast keine produktive muslimische Einwohnerschaft gegeben hat, die
Islamisierung unter Schwierigkeiten ihren Weg gebahnt”;60 Es folgt die Idee, dass „die
osmanische Herrschaft nicht nur die Städte als Agglomerationen und Verwaltungszentren
geerbt hat, sie erbte auch ihren Bewohnerbestand und zwang im Laufe der Zeit viele Leute in
den Städten die Religion der Eroberer anzunehmen...; die produktive muslimische
Stadtbevölkerung ist keine kolonisierte türkische Bevölkerung aus Anatolien, sondern
einheimische bulgarische Bevölkerung, die noch während der frühen Jahrzehnten der
osmanischen Herrschaft islamisiert worden ist”.61 In moralisch-psychologischer Hinsicht
führte die Ausbildung eines „überwiegend muslimischen Einwohnerbestands durch
Kolonisation und Islamisierung bulgarischer Bürger in einer Reihe von großen wirtschaftlich
58 Die Organisation der türkomuslimischen Händler und Handwerker (ahiye) war eng verbunden mit der Ideologie des fütüvvet - eine Zusammenfassung von Regeln im mystischen Geist für ein frommes Leben und Verhalten nach islamischem Reglement. Sie verfolgte die folgenden Ziele an prominenter Stelle: Kolonisierung der Türkomuslime in den eroberten Städten Kleinasiens und des Balkans, wo die christliche Bevölkerung während dieser Zeit entschieden in der Mehrzahl war; Festigung der Positionen der muslimischen Händler und Handwerker in den Städten, um das wirtschaftliche Monopol der Christen zu beseitigen. Außerdem waren diese Gemeinschaften organisatorisch und konfessionell aktiv, sie lehrten ihren jungen Anhängern die Kriegskunst mit der Absicht feste wirtschaftliche und geistige Verbindung zwischen den neuen Herrschern der eroberten Städte in der christlichen Welt aufzubauen. Siehe: Е. Радушев. Османската погранична периферия (серхад) в Никополския вилает през първата половина на XVI век. - В: Българският шестнадесети век. София, 1996, с. 193; Vgl. N. Cagatay. Ahilik Nedir. Ankara, 1990, p. 20, 2859 C. Димитров. Някои проблеми на етническите и ислямизационно-асимилационните процесив българските земи през XV-XVII в. — In: Проблеми на развитието на българската народност инация. София, 1988, с. 5460 Ibid., с. 51. 61 Ibid., c. 54.
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und kulturell wichtigen Städten zu einer Erschütterung der Nationalität in gesellschaftlicher,
familiärer und kultureller Hinsicht, weil das mittelalterliche bulgarische Bauerntum schon
lange Stereotypen seines Verhaltens der Stadt und dem Verwaltungszentrum gegenüber
ausgearbeitet hatte...”62 Folglich gab der Übergang der Bürger zum Islam den Ansporn und
verwandelte im Laufe der Zeit die Annahme des Islams in eine Art Variante des religiösen
Verhaltens im dörflichen Milieu mit fatalen Folgen. Im Dies Theorie bedient sich auch des
Verhältnisses des historischen Materialismus zu den Stadtbewohnern - Händler, Handwerker,
Besitzer im breitesten Sinne des Wortes als Klasse, die entstanden ist als Antipode der
„Massen der Werktätigen” - Bauern und Tagelöhner. Mir scheint, dass dieses Ideologem zur
Theorie beiträgt, dass die Stadt „den Ton angegeben hat” im Prozess der Islamisierung -
seinem sozialen Wesen nach sei der Bürger zur Kollaboration, zu Kompromissen und zu
Zugeständnissen jeder Art geneigt, das gelte auch für seine religiöse Zugehörigkeit... Gandev
fasst folgendermaßen zusammen: „In Wirklichkeit hing das weitere Schicksal der ganzen
Nation von der Widerstandskraft der Bauernmassen ab, von ihrem sozial-biologischen
Potential, von der Möglichkeit das Zerstörte und Verlorengegangene wieder aufzubauen. Die
Zukunft des Landes war somit auf Jahrhunderte hinaus in ihren Händen gelegt”.63
Hier müssen wir die dargestellten Standpunkte systematisieren (sie gelten für die
Richtungen in den bulgarischen osmanistischen Erforschungen während der 60er bis 80er
Jahren):
1. Die Kolonisation von Turkomuslimen in den Städten war beschränkt, sie wurde von
dem Militär und der Verwaltung vertreten. Die Zahl der muslimischen Einwohner in den
Städten stieg dank der Islamisierung der einheimischen Christen.
2. Die Eroberer aus Anatolien urbanisierten sich ziemlich langsam, auf lange Zeit
behauptete sich die städtische Wirtschaft dank der Erfahrung der „einheimischen
Spezialisten”, deren überwiegender Teil islamisierte Handwerker und Händler waren Deshalb
ist es logisch anzunehmen - schließt Gandev –, dass in Städten wie Tärnovo, Nikopol, Vidin,
Plovdiv, in Sofia, Skopje, Bitolja, Seres u.a. ungefähr die Hälfte der angegebenen türkischen
Bevölkerung während des 15 Jh. „nicht ethnisch-türkischer Abstammung gewesen ist”.64
Nach den theoretischen Behauptungen in der bulgarischen Forschungspraxis, die direkt mit
den hier untersuchten Prozessen verbunden sind, wollen wir zum nächsten Stadtzentrum auf
unserer Marschroute gehen - zur Stadt Zächna (heute Nea Zichni, Nomos Seres,
Griechenland). Im Jahre 1487 gab es in der Stadt 14 christliche Viertel mit 390 Familien. Die
muslimischen Familien waren kaum 32, unter ihnen 2 neue Muslime (mit Nachnamen
62 Х. Гандев. Българската народност през XV век. София, 1972, с. 162, 114.63 Ibid., c. 147.64 Ibid., c. 114.
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Abdullah und turkmenischen Eigennamen Aydın und Karagöz) und 4 befreite islamisierte
Sklaven wahrscheinlich aus den Feldzügen in die Stadt gebracht. Alle übrigen Muslime
waren turkmenische Kolonisatoren.65 Das Verhältnis 390 zu 32 spricht tatsächlich für die
niedrige Wirksamkeit der Kolonisation; die Theorie wird, so scheint es, bestätigt, dass das
Stadtleben die anatolischen Ankömmlinge nicht angezogen hat und dass das Vorhandensein
von Konvertierten inmitten der Bürger von Zächna andeutet woher man das Anwachsen des
islamischen Elements erwarten kann - Islamisierung von christlichen Bürgern, durch die
nachfolgend auch die Wirtschaft der Stadt „islamisiert” werden wird. Diese Vermutung wäre
logisch, wenn der Umstand nicht wäre, dass fast die Hälfte der turkmenischen Kolonisatoren
in Zächna, vorwiegend als Weber und Kämmerer verzeichnet sind... Zweifellos wurde die
Wirtschaft in der Stadt von der Tätigkeit der zahlreicheren christlichen Bewohner entwickelt.
Unumstritten ist auch die Tatsache, dass die Turkmenen nicht einzig in Militär und
Verwaltung tätig waren, d.h. nach der oben erwähnten Theorie als Islamisatoren par
exellence, sondern auch als Leute des städtischen Alltags, wo sie nach ihrer Qualifikation in
einem seiner Bereiche tätig waren.
Die nächste Stadt Seres ist ein bekanntes islamisches Zentrum mit einer entwickelten
geistigen und materiellen Infrastruktur. Die Ursachen dafür sind in der speziellen Literatur
ausreichend geklärt, weshalb ich mich mit ihnen nicht befassen werde.66 Ich möchte jedoch
anmerken, dass die türko-muslimische Kolonisation hier mächtig war - 535 muslimische
Familien (unter ihnen 21 islamisierte Einwohner von Seres), 27 Ledige und 75 Witwen.67
Außer der muslimischen Geistlichkeit und der vakıf-Verwaltung, hat der osmanische Beamte
eine große Anzahl türkomuslimischer Siedler verzeichnet, die direkt mit der städtischen
Wirtschaft verbunden waren - Gerber, Weber, Sattler, Färber, Schneider, Händler...
Von der Stadt Seres können wir gegen Nordnordosten an den Abhängen der Slawjanka
und den Westrhodopen vorbei zur ehemaligen Kaza Nevrokop aufbrechen - das Endziel
unserer Reise und Objekt speziellen Interesses für unsere Darlegung. Vorher aber möchte ich
dem Leser eine Zusammenfassung der bisherigen Untersuchungen der ethnoreligiösen Lage
in den Städten Drama, Zächna und Seres so, wie sie das ausführliche Register von 1478
wiedergibt, anbieten:
1. Im Gegensatz zu der Stadt Seres (nach der osmanischen Chronik wurde sie und ihre
Umgebung während der 70er und 80er Jahre des 15.Jh. erobert, und noch damals von
anatolischen Nomaden überflutet)68 war in den anderen zwei Städten die türko-muslimische
65 BOA, TD 7, fol. 114.66 Siehe eine der letzten Untersuchungen von E. Balta. Les Vakifs de Serres et de sa Region. Athenes, 1995.67 BOA,TD7, fol. 220-229.68 Хюсеин. Бед'аи ул века'и (Удивительньге собития). Памятники литератури народов Востока. Большая серия, т. XIV, ч. I, Москва, 1961, л. 68а-68б.
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Kolonisation begrenzt; die christliche Bevölkerung überwog. Die Feststellungen der meisten
Osmanisten bestätigen, dass bis zum letzten Viertel des 15 Jh. der Zustrom von anatolischen
Siedlern in die Städte, die keine Militär- und Verwaltungszentren waren, verhältnismäßig
schwach gewesen ist.
Wie beschränkt auch die Zahl der sich in den Städten angesiedelten Muslime aus Kleinasien
war, bildeten sie eine Bevölkerung mit kultur-sesshafter Lebensweise, die durch ihre
unmittelbare Teilnahme an den sozial-wirtschaftlichen Strukturen der Ortschaften zum
Mittelpunkt der muslimischen Stadtbewohner wurden. Das Namenssystem der Siedler trägt
die Merkmale der vormuslimischen turkmenischen Anthroponymie (charakteristisch für die
Nomaden-Yürüken), doch ihre Unterbringung inmitten der einheimischen Bewohner, die
Ausübung von Tätigkeiten, die dem sesshaften Menschen eigen sind (daher ihre Eintragung
in den fiskalen Registern) zeigt, dass das Niveau ihrer Sozialisierung mit den wirtschaftlichen
und öffentlichen Realitäten in den eroberten Territorien übereinstimmte. Zur selben Zeit
waren die Nomaden im ethnischen und wirtschaftlichen Raum anwesend, jedoch als „freie
Elektronen” - sie waren nicht vom fiskalen System erfasst, folglich waren sie kein Bestandteil
der osmanischen Sozietät. Die reaya (christlich und türkomuslimisch, Bauern oder Bürger)
ihrerseits war real anwesend in der osmanischen gesellschaftlichen Organisation, ein Zustand,
der in den katastralen Bevölkerungslisten verzeichnet ist.
3. Die Islamisierung von Christen in den Städten während des letzten Viertels des 15.Jh. war
unbedeutend. Diese Tatsache ist den Osmanisten längst bekannt und von der
Archivdokumentation bekräftigt.69 Dann wäre es angebracht einen flüchtigen Blick auf das
„dörfliche Landschaftsbild” der drei Städte zu werfen, um zu ergründen wie der geringe Grad
der Islamisierung von städtischen Christen sich auf das Dorf ausgewirkt hat; wird sich die
Theorie bestätigen, dass die Islamisierung in den Städten vor dieser in den Dörfern
stattgefunden hat, dass die Stadt den ersten Anstoß (oder Beispiel?) zur Bekehrung der
dörflichen Bevölkerung gegeben hat? Eine positive Antwort würde folgenderweise lauten:
auch im Dorf ist die Islamisierung eine Seltenheit, selbst während dieser Periode hat sie
immer noch nicht begonnen... Das entscheidende Wort hat aber das Dokument, das
69 O. L. Barkan. 894 (1488/1489) Yili Cizyesinin Tahsilatina ait Muhasebe Bilancolari. - In: Bel-geler, Gilt I, Sayi 1, 1964. Fast dasselbe Quellenmaterial (ein Register vom folgenden Jahr nach diesem Barkans, НБКМ, Ор. отд., ОАК 214/5), wurde, in bulgarischer Sprache übersetzt, von A.Welkov herausgegeben, in: Турски извори за българската история, VII, София, БАН, 1986,21-128. Nachfolgend wurde dasselbe Quellenmaterial in französischer Sprache veröffentlicht, in: N. Tododrov, A. Velkov. Situation demographique de la Peninsule balkanique (fin du XV0 s. - debut du XVP s.). Sofia, 1988. Die französische Variante - N. Tododrov. La Situation demographique de la Peninsule balkanique (fin du XVC s. - debut du XVP s.), wird von einem Leitartikel begleitet, der im Allgemeinen die Studie von N.Todorov aus dem Jahr 1965 „За демографското състояние на Балканския полуостров през XV-XVI в. - In: Годишник на Софийския университет, Философско-исторически факултет, 53, 1960, № 2, 193-226 wiederholt. Dieses Werk von N.Todorov wird von Barkan wegen mangelhafter Bearbeitung des osmanischen Quellenmaterials heftig kritisiert. Siehe: O. L. Barkan., Op. cit., 10-28.
26

präzisieren soll, ob es während der in Frage kommenden Periode in den Dörfern
Islamisierung gegeben hat und wenn die Antwort positiv ist, ob sie ein Resultat der
türkomuslimischen Kolonisation oder des Übergangs der einheimischen Christen zum Islam
gewesen ist? Die moderne bulgarische Osmanistik gibt den Ausgangspunkt: Die ersten in der
Nähe von Tschetsch administrativ angesiedelten turkmenischen Kolonisten waren
nomadische Hirtenstämme. Ihre Ansiedlung um Seres und Drama bedeutete die
Stabilisierung der osmanischen Herrschaft in diesem Gebiet. Damit wurde die Verbindung
von Tschetseh, Dospat und dem Mestatal mit der Außenwelt unterbrochen und dieses enorme
Gebiet erwies sich insgesamt in einem Belagerungszustand.70
Diese Erwägung ist bemerkenswert und kategorisch, sie provoziert eine Erkundung der
Lage entlang der Belagerungslinie wenigstens in zwei Richtungen: 1. Sind die Kolonisatoren
in den Dörfern aus den Ebenen am Meer und aus den Tälern an den südlichen Hangen der
Westrhodopen (von der Mündung der Mesta bis zur Stadt Seres) nomadische Viehzüchter
gewesen? 2. Könnte man erwarten, dass unsozialisierte Elemente wie die wandernden
Viehhirten die osmanische Herrschaft stabilisieren würden (unter Stabilisation müssen wir
die von jeder Macht verfolgte gesellschaftlichwirtschaftliche und politische Ordnung
verstehen)?
Die Dörfer von Yenice-i Karasu bis Seres waren vom Lehenssystem (timar) erfasst, und
im Hinterland von Seres gab es ziemlich viele Stiftungen (vakıf) and Großgrundgüter (mülk)
der Militär- und Religionswürdenträger noch aus der Zeit der Eroberung.71 Da es nicht
möglich ist in der vorliegenden Studie ein befriedigendes Bild der ethnoreligiösen Situation
wiederzugeben (jede Region verdient eine selbstständige Erforschung), werde ich versuchen
meine Untersuchungen dem osmanischen Quellenmaterial entsprechend den Zielen dieser
Darlegung zusammenzufassen.
Zuerst müssen wir die apokalyptischen Vorstellungen für die verheerenden Folgen von
den Eroberungen beiseite stellen, trotz etwa der Erzählungen des Mönches aus Seres Isai, der
uns schreckliche Geschichten aus der Zeit nach der Schlacht bei Tschernomen zu berichten
weiß - westlich der Mesta war das Land verwüstet, die Sieger nahmen reiche Beute und
verschleppten Viele als Sklaven und Sklavinnen.72
Die Kriegshandlungen wurden nach den Methoden und Mentalität der Epoche geführt,
und die Folgen für den damaligen friedlichen Menschen waren zweifellos nur mit dem
Massensterben an Seuchen (Pest) oder Missernten und danach folgenden Hungerjahren
70 C. Димитров. Демографски отношения и проникване на исляма в Западните Родопи и долината на Места през XV-XVII в. - В: Родопски сборник. Т. 1. София, !965. с. 69 6SE.Balta. Op. cit., 25-18571 E.Balta. Op. cit., 25-18572 Й. Иванов. Български старини из Македония. София, 1931, 226-227: Хюсеин. Op. cit., л. 686
27

vergleichbar. Dann darf man sich nicht wundern, dass es einem Schreiber und Patrioten, der
weise Schriften aus dem Griechischen „in unsere slawische Sprache” übersetzte, gelungen ist,
die Schrecken des Krieges so wiederzugeben, dass die Nachkommen auch heute davon
entsetzt sind. Zur gleichen Zeit wird das von Isai geschilderte „Unheil, das über alle
westlichen Städte gekommen ist” von den Siegern mit Enthusiasmus erzählt - eine Frage des
Standpunktes, wie man so sagt... Doch das wirkliche Leben der Generationen hörte nach den
unglücklichen Ereignissen nicht auf, und noch in den ersten uns bekannten Registrationen in
dem Gebiet (unter Sultan Mehmet II.73) finden wir ein dichtes Siedlungsnetz, das dem von
Gandev emotional beschriebenen „demographischen Kollaps” gänzlich widerspricht.
Eine erstmalige Übersicht des Siedlungsnetzes, wie es im Register von 1487 verzeichnet ist,
erlaubt uns die Dörfer in drei Gruppen einzuteilen aufgrund der bisher erfolgten
Untersuchungen ihrer ethnoreligiösen Reichweite. Ich schicke mich an, an die Vereinbarung
zu erinnern, dass es sich hier nicht um feste Schlussfolgerungen, sondern um eine allgemeine
Übersicht und Feststellung der Tendenzen handelt.
I. Vollkommen christliche Dörfer. Sie sind nicht in der Mehrheit, es gibt sie sowohl in
den weiter von den Verwaltungszentren (Städten) entfernten Gebieten, als auch unmittelbar in
ihrer Nähe. Man muss den Umstand hervorheben, dass inmitten der Dörfer um Seres, die zu
einem vakıf oder mülk gehören, das muslimische Element fehlt, das will heißen, dass in diesen
Ortschaften eine Kolonisierung nicht zugelassen wurde, folglich es dort keine Islamisierung
einheimischer Leute gegeben hat. Scheinbar bestand das private Kapital darauf die
Produktion mit bewiesenen Resultaten von der Tätigkeit der „einheimischen Spezialisten” zu
erhalten, anstatt mit Siedlern aus Kleinasien ein Risiko einzugehen.74
II.Die größte Gruppe von Ortschaften ist vielleicht diese mit partieller Kolonisation und
schon begonnener Islamisierung der einheimischen Bevölkerung. Die turkmenisch-
muslimischen Kolonisatoren erkennt man am Namenssystem, Beispiele davon haben wir
reichlich angegeben. Sie waren eine sesshafte landwirtschaftliche Bevölkerung, dargestellt
durch die Tatsache, dass sie in den Steuerverzeichnissen für die Abgaben ihrer
landwirtschaftlichen Produktion figurieren. Die Anzahl von 2-3 Familien, aber nicht mehr als
10, genügte, um den Anstoß für den Übergang zum Islam ihrer christlichen Mitbewohner zu
geben. Gewöhnlich erkennen die Forscher die islamischen Konvertierten in der offiziellen
Dokumentation an den Nachnamen „Sohn des Abdullah” (Sohn des Gottesdieners), der ihnen
nach der islamischen Tradition gegeben wurde. Es scheint aber, dass man während dieser
frühen Etappe in der Entwicklung des Prozesses in den dörflichen Gegenden von einer
73 ВОА, MAD 525 - регистър от 1444-1445 г.74 Ibid., TD 7, fol. 344-351.
28

solchen Tradition immer noch nicht sprechen kann — „Abdullah” trifft man eher in den
Städten, derweil in den Dörfern die neuen Muslime mit ihrem muslimischen Eigennamen und
dem christlichen Nachnamen ihres Vaters registriert sind. Das Phänomen ist bekannt aus den
veröffentlichten Fragmenten des osmanischen Katasters, das bei uns erhalten ist,75 doch in
dem hier untersuchten Dokument ist ihre Zahl und Vielfalt bemerkenswert groß: z.B. Ugurlu
Sohn von Wälkano, Sjrmed Sohn von Drago, Karagöz Sohn von Braiko, Salih Sohn von
Michal, Süleyman Sohn von Weljo...76 Wahrscheinlich sind dem Leser die turkmenischen
Eigennamen der neuen Muslims aufgefallen - während dieser Periode trifft man sie öfter als
die traditionellen arabisch-muslimischen Namen. Das zeugt von Kontakten zwischen
Personen und Gemeinschaften mit einem positiven Zeichen zwischen den Vertretern der
beiden Konfessionen, wenn die in den Dörfern angesiedelten Turkmenen als eine Art „Paten”
ihrer Mitbewohner erscheinen und das vorwiegend mit Namen, die der turkmenischen Ethnie
aus seiner vorislamischen Zeit eigen sind und nicht der muslimischen Gemeinschaft als
Ganzes (arabisch-muslimisch) .
III. Zur dritten Gruppe gehört eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Ortschaften, in
denen die Islamisierung der einheimischen Bauern schon fast vollendet war, trotz der frühen
Etappe in der Entwicklung dieses Prozesses. Hier ist es angebracht an die von Gandev auf den
vorhergehenden Seiten vorgeschlagene Schlussfolgerung zu erinnern: „Eigentlich hing das
weitere Schicksal der ganzen Nation von der Standhaftigkeit der Bauernmassen ab...” usf. und
dass es besser ist kategorische Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen im emotionell-
romantischen Stil mit leicht ideologischem Beigeschmack zu vermeiden. Nur in einem Dorf
irgendwo in der Kaza Drama mit dem schönen Namen Momtschil (heute nicht vorhanden)
war mit folgendem ethnisch-religiösen Bestand: von den registrierten 33 Familien und 14
Ledigen waren fast die Hälfte Konvertiten, einige mit dem Nachnamen „Sohn von Abdullah”,
doch die meisten von der Art Mustafa Sohn von Stanimir, Izhak Sohn von Rado, Mustafa
Sohn von Momtschil usw. Von den Bauern-Christen waren nur drei übrig geblieben.77
Dasselbe sehen wir auch im Dorf Konistan (heute Polikipon, Nomos Drama,
Griechenland) mit seinen 27 muslimischen Familien und 15 Ledigen. Die turkmenisch-
muslimische Komponente erkennt man an den Namen. Die Namen wiederum zeugen von
einem fortgeschrittenen Prozess im Übergang zum Islam - es gibt keine registrierten
„Abdullahs”, doch dafür finden wir Mehmet Sohn von Stojo, Isa Sohn von Dimo usw.78
75 C. Димитров, Р. Стойков. Откъси от регистър на ленни владения в Западните Родопи и Серско. - В: Родопски сборник. Т. I, с. 292, 294, 296 и т.н.76 BOA, TD 7, fol. 61-65.77 Ibid., fol. 65.78 Ibid., fol. 66.
29

Verglichen mit dem anderen Dorf ist hier kein einziger Christ übrig geblieben.
Auf der Suche nach ähnlichen Fällen wollen wir uns in nord-nordöstlicher Richtung
entlang dem Flussbett der Mesta nach den Abhängen der Westrhodopen, wo sich das Dorf
Bukovo (heute Buk, Griechenland) befindet, umsehen. 1487 sind in dieser Ortschaft nur drei
christliche Familien vorhanden. Ein Teil der muslimischen Haushalte ist zweifellos von
sesshaften turkmenischen Bauern - Karaca, Turhan, Karagöz, Balaban, Saruca, Şirmed, doch
daneben stehen die Konvertiten mit turkmenischen Eigennamen wie Budak Sohn von Michal,
Ş¡ahin Sohn von Petko, Karagöz Sohn von Michal. Inmitten der muslimischen Gemeinschaft
ist ein ganz neuer Anhänger Muhammads verzeichnet - Dotschi Sohn von Dragoja, der zu
diesem Zeitpunkt seinen neuen Namen noch nicht bekommen hatte.79
Bevor wir die Kaza Nevrokop, die in der Mittel- und Hochgebirgszone liegt, erreichen, ist es
notwendig das bis hierher dargelegte Material zusammenzufassen aus der Sicht der These von
Dimitrov für den „Belagerungszustand”, in welchem Tschetsch, Dospat und das Tal der
Mesta geraten waren, nachdem die Osmanen ihre Macht in den Bezirken Drama, Zächna und
Seres stabilisiert hatten. Wenn wir annehmen, dass der Herr Professor für eine „Belagerung”
im militärischen Sinne des Wortes spricht, so kommt die Frage auf was für eine strategische
Bedeutung das Gebiet, das zwischen Babek-Mechomia (Razlog) und Satovca-Barutin (an der
Wasserscheide bei Dospat) eingefasst ist und südlich bis zum Zusammenfluss der Mesta und
Dospat reicht, gehabt hat. Durch dieses Gebiet konnte man eine Verbindung zwischen der
Agäisküste und Oberthrakien bei Plovdiv herstellen, doch auf einer sehr schweren
Marschroute, die von Truppen nicht benutzt wurde (die Via Egnatia war seit eher der
bevorzugte Weg für den Transport von Trappen und Verkehr von Menschen und Waren). Das
Gebiet hatte eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung mit seiner entwickelten Erzgewinnung
und Produktion von Eisen in den Ortschaften Gorno Brodi, Te-schevo, Tärlis, Zärnevo,
Kocan und ein paar anderen; während der ganzen Periode der osmanischen Herrschaft hatte
die Regierung nichts getan, um die Transportverbindungen zwischen den
Erzgewinnungszentren und der Ägäis zu verbessern, die ganze Zeit blieb dieser Weg schwer
zu benutzen.80 Was das Straßennetz im Bezirk Nevrokops und seine Verbindungen
nordöstlich mit Oberthrakien und nordwestlich mit Samokov und von dort aus nach Sofia
anbelangt, so schreibt O. Viquenell während der 40er Jahre des 19. Jh., dass an vielen Stellen
diese Wege für Wägen nicht befahrbar waren und manchmal auch schwer für Lasttiere,
außerdem bestand immer die Gefahr überfallen und beraubt zu werden. Der französische
Geologe und Geograph beschreibt in seinen Notizen den Weg von Dospat bis nach Mechomia
79 Ibid., fol. 67.80 B. Кънчов. Пътуване по долините на Струма, Места и Брегалница. - В: Сборник за народни умотворения, наука и книжнина. Кн. XII, София, 1895, 235-251.
30

folgenderweise: „Man reist durch das Tal des Flusses Dospat...Dieses Tal ist unbewohnt,
bedeckt mit Tannenwäldern und unbefahrbar für Lastwagen. In diesem Dickicht kann man
sich leicht verirren. Hier gibt es Pfade, die nur von Tieren markiert sind...”81 Das war die Lage
um die Mitte des 19.Jh., in den vorangegangenen Jahrhunderten ist sie sicher nicht besser
gewesen. Sodass diese Region nicht belagert werden konnte, es erübrigten sich Maßnahmen
um etwaige militär-strategische Unternehmen zu treffen - der Verkehr zwischen der Ebene
von Nevrokop und der übrigen Welt war sowieso von den natürlichen geographischen
Gegebenheiten zu Genüge erschwert.
Dann bleibt die zweite Möglichkeit: gegen Ende des 14.Jh. erweist sich dieser fremde und
von Christen bewohnte westliche Teil der Rhodopen nicht im militärstrategischen, sondern im
konfessionellen Sinn belagert. So formiert sich die Idee, dass ein „islamischer Angriff“
bevorstand, um diesen bulgarischen, geistigen Bereich zu erobern.
Nachdem ich die Linie der „Belagerung” durchgegangen bin mit den mir als Reiseführer
dienenden Seiten aus dem ausführlichen Register von 1478, erlaube ich mir zu bemerken,
dass ich nirgends auf der Strecke auch die winzigste Spur an zielgerichteten Umwandlungen,
Verkehrsanlagen, Konzentration oder strategische Ansiedlung von turkmenischen Massen (im
Prinzip als Nomaden bezeichnet) zur globalen Veränderung des demographischen und
ethnoreligiosen Gepräges der untersuchten Territorien entdeckt habe; in der bulgarischen
Historiographie ist man bereit, die damaligen osmanischen Behörden in solchen
zielgerichteten Unternehmungen verdächtig zu zeigen. Gesehen haben wir gerade das
Gegenteil - die Verwaltung unternimmt die notwendigen Maßnahmen das wahllose
„Vagabundieren“ der Yürüken inmitten der Bevölkerung sesshafter Bauern in Ordnung zu
bringen. Ich habe weiter oben bemerkt, dass die Nomaden wegen ihrer Mobilität kein
entscheidender Faktor für die demographischen und ethnoreligiösen Transformationen
gewesen sind. Solch ein Faktor mit bestimmender Bedeutung war die wirtschaftliche
Migration der sesshaften Bevölkerung aus den übervölkerten Vorgebirgstälern und
Küstenebenen nach den mittleren und hohen Gebirgszonen, falls die klimatischen und
ökologischen Charakteristiken günstige Bedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit anboten.
Der lange Werdegang zur „Vermenschlichung” der Ebene von Nevrokop, der östlichen
Abhänge des Piringebirges und der westlichen der Rhodopen bis zur Wasserscheide bei
Dospat zeigt, dass das Gebiet solche Bedingungen bietet, die seit eher Bevölkerung aus den
niedrigen Zonen nach den höher gelegenen angezogen hat. Die Ebene bei Nevrokop liegt
450-600m über dem Meeresspiegel, das übrige Land der ehemaligen osmanischen Kaza hat
hügeligen Charakter und liegt 600-800m hoch; 19% der Oberfläche, ohne die Territorien, die
81 Б. Дерибеев. Огюст Викенел в Родопите. - В: Родопски сборник. Т. 5. София, 1993, с. 249, 247-251.
31

jetzt außerhalb der bulgarischen Staatsgrenzen liegen, und die 67% insgesamt sind, sind
Gegenden mit unverkennbarem Hochgebirgscharakter. Die durchschnittliche
Jahrestemperatur der Zone von 500-800m über dem Meeresspiegel ist 11,3°C. Der Sommer
ist warm, ohne andauernde Dürre, der Herbst ist mild, er erlaubt ein gutes Ausreifen und
vollkommene Einbringung der Ernte. Eine günstige Wirkung auf das lokale Klima erweist
auch die schwache Mittelmeerströmung, die sich in südlicher Richtung verstärkt. Eine
positive Rolle in der Wirtschaft des Bezirks Nevrokop spielten die Bodenschätze um die
Dörfer an den südlichen Hängen Pirins und Slawjankas (bekannt als Meiler-Dörfer), in
welchen sich die „lokale Industrie” – Erzgewinnung und Eisenverarbeitung – entwickelte.
Eine flüchtige Übersicht der Ortschaften, die nördlich der „Belagerungslinie” Yenice-
Drama-Zächna-Seres in Richtung Nevrokop liegen, zeigt, dass mit dem Steigen der Höhe
über dem Meeresspiegel die Zahl der turkmenisch-muslimischen Kolonisatoren sinkt. Hier
will ich erinnern, dass die wandernden Viehzüchter (Yürüken), die saisonal auf den
Hochgebirgsweiden der Rhodopen und Pirin erschienen, nicht zu jener Kategorie
Bevölkerung gehörten, die Einfluss auf das Tempo der Kolonisation und der nachfolgenden
konfessionellen Transformation hatte. Kolonisatoren im eigentlichen Sinne des Begriffs
waren jene turkmenisch-muslimische Bauern, die der sesshaften Lebensweise unterstellt
waren; man findet sie auf den Seiten der osmanischen Registern eingetragen als Steuerzahler,
d.h. als produktive Bevölkerung, in der damaligen Terminologie reaya genannt. Gerade die
Zahl dieser Leute sinkt allmählich verglichen mit den Ortschaften im Vorgebirge und in den
Ebenen am Meer, doch ohne gänzlich zu verschwinden. Es ist Zeit wieder charakteristische
Beispiele aus den Seiten der osmanischen Kataster anzuführen.
Im Bergwerkerdorf Dolno Brodi (heute Katu Wrondu, nomos Drama, Griechenland) sind
179 christliche und 6 turkmenisch-muslimische Familien verzeichnet. Ähnlich ist es beim
Dorf Tärlis mit 194 christlichen Familien und gar keine Kolonisation.82
Am östlichen Hang von Pirin, bevor die Mesta in das Tal von Nevrokop eintritt, befinden
sich heute die Pomakendörfer Laznitza, Kornitza und Breznitza. In unserem Register von
1478 ist Kornitza mit 99 christlichen Familien und 4 Witwen verzeichnet, es gibt keine
Kolonisation, deshalb hat auch die Islamisierung der einheimischen Bevölkerung noch nicht
begonnen;83 in dieser Ortschaft bemerkt man ein demographisches Wachstum von 44
christlichen Haushalten.84 In Laznitza gibt es inmitten 101 christlicher Familien schon 3
turkmeno-muslimische85 - es formieren sich schon Voraussetzungen für den nachfolgenden
82 BOA, TD 7, fol. 272. Срв. с бел. 27.83 Ibid., TD 7, fol. 286.84 Ibid., TD 3, fol. 273-274.85 Ibid., TD 7, fol. 372.
32

Prozess der Islamisierung, obwohl auch hier, wie in Kornitza, die christliche Bevölkerung
einen „demographischen Boom” realisiert hatte - für dieselbe Periode von ungefähr 20 Jahren
war die Zahl der Bauernfamilien von 20 auf 10186 gestiegen (nicht eingeschlossen sind die
turkmenischen Siedler).
Wenn wir von der Theorie, dass die Islamisierung in den Städten den identischen Prozess
auch im Hinterland stimuliert hat, Rechnung tragen, müssen wir die Situation in Nevrokop
aufmerksamer betrachten. Das Register zeigt eine schwache Kolonisation während des letzten
Viertels des 15.Jh., doch offensichtlich ausreichend, um die Islamisierung christlicher Bürger
zu fördern. Die Siedler waren von dem uns schon bekannten Typ sesshafter Turkmenen, von
denen ein Teil sich mit irgendeinem Handwerk befasste - Schneider, Metzger usw. Der
ursprüngliche muslimische Bestand war 1487 schon größer geworden dank der neuen
Muslime mit Namen wie Saruca Sohn von Peiko, Hamza Sohn von Goro, Üsuf Sohn von
Manol, Behadir Schwiegersohn von Todor. Das letzte Beispiel enthüllt die stabilen
Beziehungen zwischen den zwei ethnischen Gemeinschaften in der Stadt - es tauchen
Mischehen auf, man knüpft verwandtschaftliche Beziehungen an - ein Zustand der städtischen
Mikroweit mit besonderer Bedeutung in moral-psychologischer Hinsicht für den Übergang
vom Christentum zum Islam.
In der Stadt Nevrokop waren 38 muslimische Familien, darunter 26 turkmenische
Kolonisatoren und zwölf konvertierte Muslime, registriert. Die christlichen Familien waren
283 an der Zahl.87 Ein Vergleich mit der vorhergehenden Registration der Stadtbevölkerung
(in den 60er Jahren des 15.Jh) zeigt folgendes: 12 turkmeno-muslimische Familien und kein
einziger islamisierter Christ. Die christlichen Familien in der Stadt waren 265, folglich ist bis
zur nächsten Registration von 1478 ihre Anzahl mit 28 Familien vermehrt. Während
derselben Periode aber tauchen die ersten Konvertiten auf.
In den um Nevrokop liegenden Dörfern war die Kolonisation auch nicht groß: im Dorf
Musamista 5 turkmenische Familien inmitten 158 christliche und kein einziger neuer
Muslim.88 Auch im Dorf Koprivlen hatten sich unter den 210 christlichen Familien 12
turkmenische sesshafte niedergelassen, doch ihnen müssen wir schon 4 Haushalte von neuen
Muslimen hinzufügen.89
Südlich von diesen zwei Dörfern, am Rand der Ebene von Nevrokop liegen die zwei
großen Dörfer Singartija (heute Hadzi Dimovo) und Sadovo. In Singartija war die folgende
Lage: 201 christliche Familien und 15 turkmenisch-muslimische. Auch hier hatte die
86 Ibid., TD 3, fol. 128-129.87 Ibid.,TD7, fol. 352-356.88 Ibid., л. 357-361.89 Ibid., л. 359.
33

Islamisierung ihre ersten Resultate erzielt - registriert sind 8 Haushalte von neuen
Muslimen.90. In Sadovo war die Lage identisch: 116 christliche Familien und 21 muslimische.
Die Zahl der Kolonisatoren war 12, die Folge davon - 9 Haushalte neuer Muslime.91 Im selben
Gebiet, doch am linken Ufer der Mesta, liegt das Dorf Istane (heute Hwostjane), wo es zu
jener Zeit gar keine Kolonisatoren gab, es fehlten inmitten der Bauern neue Anhänger
Muhammads.92 In einer späteren Periode wurde das ganze Dorf bulgarisch-muslimisch.93
Von Interesse ist zu erfahren wie die Lage in der Hochgebirgszone, in den Ortschaften 700-
800m über dem Meeresspiegel gewesen ist. Hier wäre zu erwarten, dass die Yürüken die
lokale, ethnoreligiöse Lebensweise beeinflusst haben - so sehen wenigstens die Vermutungen
in den osmanistischen Forschungen aus. Charakteristische Beispiele sind die Dörfer
Marulevo (heute Waklinovo) und Kocane, wo der osmanische Registrator keine einzige
sesshafte turkmenische Familie inmitten der 170 christlichen verzeichnet hat. Doch darunter
gibt es einen Ismail Sohn von Dimitri.94 Könnte man annehmen, dass in der Hochgebirgszone
die Vermittler der ersten Anregung zur Islamisierung die zeitweilig erscheinenden
Turkmenen-Viehzüchter gewesen sind? Später sind die beiden Ortschaften vollkommen
bulgarisch-muslimisch geworden, doch die Frage um die erstmalige Repräsentation des
Islams, nicht nur in diesem konkreten Fall, sondern in allen Hochgebirgszonen überhaupt,
erfordert noch viele Untersuchungen von Quellenmaterial. Doch auch danach könnte man die
Rolle der nomadisierenden Turkmenen nicht gänzlich präzisieren, da sie kein Objekt der
osmanischen Registration gewesen sind. Sie wurden eher in den Gebieten ihrer
Überwinterungslager verzeichnet, doch von Interesse für uns sind die Prozesse während der
Sommerweide, als sie Kontakte mit der Bevölkerung der Rhodopen aufnahmen. Die
Rekonstruktion dieser Lage mit konkreten Schlussfolgerungen daraus könnte die Ethnologie
(die soziale und kulturelle Anthropologie) zusammen mit den osmanistischen
Untersuchungen zustande bringen - ein Forschungsverfahren, das bei uns erst in letzter Zeit
konkrete Umrisse bekommen hat.95
Bis jetzt haben wir uns mit der Bedeutung der Kolonisation als Katalysator für den
Prozess der Islamisierung befasst. Ihre Ausmaße erlauben uns nicht zu behaupten, dass die
turkmenischen Kolonisatoren die repräsentative Gruppe des Islams in der Kaza Nevrokop
gewesen sind; die angeführten charakteristischen Beispiele umreißen die Konturen der
90 Ibid., л. 364.91 Ibid., л. 362-364.92 Ibid., л. 371.93 Ibid., Mevkufat Kalemi 2873, fol. 46-47.94 Ibid., TD 7, fol. 374-376.95 In dieser Richtung arbeitet sehr erfolgreich Z. Georgieva. Siehe: Пространството и пространствата на българите през XV-XVTI век. Автореферат на дисертация за присъждане на научната степен „доктор на историческите науки". София, 1998.
34

Situation im Gebiet und eine zukünftige eingehende Erforschung wird diesen Umstand
bekräftigen, das zugänglich gewordene Quellenmaterial ermöglicht eine historische
Rekonstruktion mit hohem Grad an Glaubwürdigkeit. Die niedrige Wirksamkeit der
Kolonisation im Bezirk von Nevrokop hat ihre logische Erklärung, da es sich am höchsten
Punkt des Siedlungssystems befindet und dass nur die hartnäckigsten Vertreter der
wirtschaftlichen Migration von turkmenischen Muslimen es erreichen konnten. Der Bezirk
Nevrokop ist somit die letztmögliche Zone zur „Vermenschlichung” der Umwelt, und wenn
sich hier trotzdem Ende des 15. und Anfang des 16. Jh. Turkmenen niedergelassen haben und
sesshaft geworden sind, so hat wohl der klimatische Faktor eine Rolle gespielt - die
Mittelmeereinflüsse auf das lokale Klima, die Nähe der ägäischen ökologischen Zone, das
Vorhandensein von günstigen für die Viehzucht Hochgebirgsweiden.
Der Islam eroberte nicht nur Territorien, sondern auch die dazugehörige Bevölkerung, ein
Prozess, der Anfang des 16. Jh. im Gebiet von Nevrokop mit der allmählichen Islamisierung
der einheimischen Bulgaren begann. Vor Jahren, als bei uns die Quellenbasis sehr begrenzt
war, hat Dimitrov die allgemeinen Reichweiten dieses Prozesses beschrieben, doch da er
nicht genügend Stützpunkte für seinen chronologischen Ablauf hatte, nahm er an, dass
gewaltsame Islamisierungsaktionen möglich gewesen sind. In Wirklichkeit zeigt gerade die
allmähliche Islamisierung der christlichen Bevölkerung in Nevrokop und ihre Beständigkeit
im Laufe der Zeit, dass es in ihrer Entwicklung keine extremen Situationen gegeben hat. In
den neuen osmanischen Registern ist die Chronologie des Verlaufs außerordentlich klar
dargestellt mit allen ihren für den Forscher notwendigen Kennziffern, um manche naive
Zweifel oder unbegründete Schwankungen bei der Antwort auf folgende Fragen aus dem
Wege zu räumen: was für eine Bevölkerung sind die Pomaken - Autochthone oder Kolonisi-
erte; wie sind die Pomaken zum Islam übergegangen - freiwillig oder gewaltsam usf.
Die Methodik zur Arbeit mit osmanischem Quellenmaterial ist bekannt, deshalb biete ich nur
einige Beispiele an als Resultat von Zusammenfassungen aus umfangreichen
Dokumentationen: während der 30er Jahre des 16.Jh. waren schon 13% von der Bevölkerung
in den Dörfern zum Islam übergegangen, während der 60er Jahre 29%. Im Laufe der
diachronischen Entwicklung gelangen wir bis zum Jahre 1723, wo wir für 109 beschriebene
Dörfer der damaligen Kaza Nevrokop mit dem anliegenden Tschetsch folgende Angaben
finden: Ortschaften mit Bulgaren-Christen — 10, gemischte (Bulgaren-Christen und
Bulgaren-Muslimen) - 24, solche mit nur Bulgaren-Muslimen - 74.96 Ich erlaube mir dieses
bemerkenswerte Material wegen dem beschränkten Umfang der vorliegenden Studie nur in
groben Zügen darzulegen, doch ich wiederhole, dass die in Frage kommenden Quellen erst
96 Вж. BOA, Mevkufat Kaiemi 2873,
35

gründlich bearbeitet werden müssen. Das Register von 1723 ist schon vom Autor dieser
Zeilen ins Bulgarische übersetzt worden und die daran interessierten Forscher können die
Übersetzung in ihrer zurzeit handschriftlichen Fassung benützen.97
Da die Kolonisation sich als Katalysator für die Verbreitung des Islams erweist, aber kein
Subjekt der „physischen” Muslimisierung von großen Territorien in den Westrhodopen ist,
müssen wir unbedingt die Ursachen und Motive für den Übergang großer Massen von
einheimischen Christen zum Islam untersuchen. Die Aufteilung in Ursachen und Motiven ist
nicht zufällig. Die Ursache wirkt geradlinig, sie formiert sozusagen die Kasualität des
Prozesses. Gleichzeitig ist das Motiv eher eine Frage der persönlichen Beziehung zum
Subjekt, die Reaktion einer individuellen oder kollektiven Psycheim konkreten Milieu, in
einer bestimmten Situation.
Als zweifellose Ursache müssen wir den Verfall der christlichen konfessionellen
Institutionen als Folge der osmanischen Eroberung annehmen. Wir haben schon bemerkt,
dass die früheste osmanische Registration im Bezirk Nevrokop eine gut ausgebaute
Siedlungsstruktur angibt. Wir können mit Sicherheit annehmen, dass sie bis zu der Eroberung
mit einem institutionellen Netz der orthodoxen Kirche übersät gewesen ist; dafür sprechen
die Spuren von Klosteranlagen, bewiesen wird das durch die lokale Toponymik und
Onomastik, es existieren Angaben im historischen Gedächtnis der Menschen, doch die
Archäologen haben erst wenig in dieser Richtung getan. Natürlich darf man auch die Nähe
der großen christlichen Zentren in Seres und auf dem Athosberg nicht außer Acht lassen.
Die frühe Dokumentation (1445) zeigt, dass die orthodoxen Institutionen noch nicht
gänzlich ihren Einfluss auf die Gläubigen im Gebiet verloren hatten; die damalige osmanische
Verwaltung hat fünf Mönchen aus den Athosklöstern mit 30 ihrer Novizen die Erlaubnis
gegeben im Bezirk Nevrokop ihre Dienste zu verrichten und sie auch von der allgemeinen
Steuer befreit.98 Ohne auf die allmähliche Einschränkung der christlichen Institutionen
speziell einzugehen (die Reichweite dieses Prozesse: kann man aus der Anzahl der Priester
ableiten - in den meisten Dörfern um Nevrokop fehlen im frühen 16. Jh. solche) möchte ich
jetzt die institutionelle Präsentation des Islams in der Stadt Nevrokop, die sich vom letzten
Viertel des 15. Jh. an allmählich in ein gut aufgebautes islamisches Zentrum verwandelte,
illustrieren: während der 80er und 90er Jahre des 15.Jh. erbaute Mehmet Bey, Sohn von
Karaca Paşa99 eine monumentale Moschee in der Stadt, die heute noch in stark
verfallenem Zustand existiert;
97 Das ist in der Orientabteilung bei der Nationalbibliothek „Hl. Hl. Kyrill und Methodius“ möglich98 BOA,MAD525, fol. 1999 Karaca Paşa war hoher Beamte und Befehlshaber (beylerbeyi) von Rumelien (Südostbulgarien), der bei der Belagerung von Belgrad 1456 ums Leben kam.
36

- am Anfang des 16.Jh. gründete der Favorit des Sultans Bayezid II. Koca Mustafa Paşa100
in der Stadt eine große religiöse Wohltätigkeitsstiftung (vakıf), die aus einer Moschee (cami),
einer geistlichen Schule (medrese) und einem öffentlichen Bad (hamam) bestand.
Das ist nur der Anfang der allmählichen Transformation Nevrokops von einer christlichen
in eine muslimische Stadt, die in ihrer weiteren Entwicklung folgendermaßen aussah: 1517
gab es in der Stadt 319 christliche und 167 muslimische Haushalte101; während 1529 stieg die
Zahl der christlichen auf 381 und die der muslimischen auf 219;102 1569 waren die
muslimischen Haushalte schon 318 und die christlichen auf 186 gesunken.103 Die Forscher
sind der Meinung, dass diese Entwicklung die Folge eines Andrangs von Turkomuslimen zu
der Stadt und des allmählichen Übergangs der christlichen Bürger von Nevrokop zum Islam
gewesen ist. Nur in der Registration von 1569 sind 14% der Bürger-Muslime als Bekehrte
erster Generation verzeichnet. Um die 70er Jahre des Jahrhunderts ist Nevrokop schon ein
vollkommen aufgebautes islamisches Zentrum mit 13 muslimischen Vierteln (gegenüber 6
christlichen), 3 Moscheen (cami) und 7 kleine Moscheen (mescit),104 in denen 12 Priester
(imam) und 14 Hilfspriester (müezzin)105 den Gottesdienst verrichteten. In der Registration
von 1723 sieht die islamische Infrastruktur der Kaza Nevrokop folgendermaßen aus:
Moscheen - 50,, kleine Moscheen - 36. Zur gleichen Zeit haben die dortigen Christen zwei
Priester für die Stadt und alle Dörfer aus ihrer Umgebung.106
Wenn man die Ursachen von religiöser Wesensart erforscht, darf man die Rolle der
muslimischen Missionäre (derviş) nicht übersehen. Evliya Çelebi beschreibt Nevrokop als
Stadt mit vielen Einsiedeleien (tekke), was sagen will, dass der islamische Mystizismus breit
in diesem Gebiet vertreten gewesen ist. Besonders groß ist scheint’s die Rolle der
Mönchorden mit ausgeprägter esoterischer Praxis gewesen, die sich hier bis Anfang des
20.Jh. erhalten haben.107 Ihre mystischen Riten waren attraktiver, sie gingen mit den Leuten
100 Geriet durch die devşirme in den Dienst des Sultans. Von Bader im Palastbad stieg er auf bis zum Großwesir. Aus politischen Gründen wurde er vom Sultan Selim II. liquidiert.101 BOA,TD 70.102 Ibid., TD 167, fol. 47-57.103 M. Kiel. Op. cit, p. 9.104 Muslimisches Betthaus, in welchem kein Freitagsgebet abgehalten wird.105 M:Kiel. Op. cit, p. 9-11,106 BOA, Mevkufat Kaiemi 2873.107 Prof.H.Norris von der Londoner Universität berichtet in einem Artikel über die interessanten Beobachtungen des englischen Forschers W.Gardner, der 1910 in Deutschland zwei Brüder "exmuslimische Scheichs" (sie!) begegnete, die aus der "wilden Einöde zwischen Bulgarien und Makedonien" gekommen waren. Der eine Scheich in einer Einsiedelei (tekke) beim Orden der Derwische Rifaiya gewesen, später sei er Christ geworden. Gardner berichtet, dass die Brüder erklärt hätten, das Emporsteigen auf dem mystischen Weg sei die Ursache für ihren Übertritt zum Christentum. Übrigens sind, nach der Meinung eines Scheichs aus demselben Orden "Moses, Jesus und Mohammed ein und dasselbe. Sie sind verschiedene Wege gegangen, auf die man zum eine und demselben Resultat gelangt!" Was die Ortung der Einsiedelei anbelangt, gibt Gardner eine allgemeine Information an, die auf die "wilden Orte an der Grenze zwischen..." oder auf die "bulgarischsprachliche Türkei" weist, d.h. auf die bulgarischen Landen, die sich am Vorabend der Balkankriege immer noch unter osmanischer Herrschaft
37

praktisch vor - unterhielten ihre Hoffnungen in unmittelbarem Kontakt mit dem Jenseits,
heilten, versprachen Erlösung noch während des irdischen Lebens. Die islamische Orthodoxie
ist mit vielerlei Verboten verbunden, die mystischen Lehren aber waren geneigt einzelne
Elemente aus anderen Konfessionen zu übernehmen, da für sie der Weg zur Göttlichen
Offenbarung ein einziger für alle Menschen ist. Wir können uns vorstellen was für eine
Auswirkung die Einsiedelei eines Derwischen auf ein christliches Dorf in ihrer Nähe gehabt
haben konnte, besonders wenn der Einsiedler (seyit) magische Praktiken beherrschte, vor
Krankheiten schützte, heilte, die Zukunft voraussagte... Wir müssen noch eine interessante
Erscheinung in diesem Sinne erwähnen - in der Kaza Nevrokop lebten viele Missionäre
(seyit)
Hier will ich kurz erklären was für Leute das waren. Es wird behauptet, dass sie von der
Nachkommenschaft des Propheten Muhammad selbst abstammen: den Titel seyit tragen die
Nachkommen des Enkels von Muhammad Hüseyin, und die des anderen Enkels Hasan - den
Titel şerif. Mit der Zeit verstreuten sich diese Missionäre in die ganze islamische Welt, wo sie
auftauchten behandelten die Gläubigen sie als fromme Menschen. Eine englische Forscherin
vergleicht sogar ihre Tätigkeit und ihren Einfluss auf die muslimische Gesellschaft mit dieser
der christlichen Kirche im mittelalterlichen Europa.108 Man kann eher sagen, dass sie im
öffentlichen Leben als religiöse Führer und Lehrer (müdderis) wirkten und für Posten im
gerichtlich-religiösen System bevorzugt wurden. Nach ihrem Tode wurden manche für
Heilige erklärt und ihre Gräber in Wallfahrtsorte verwandelt. Man glaubte, dass diese
Missionäre Wunder vollbringen und heilen konnten.
In der islamischen Welt genossen diese Missionäre (seyit und şerif) viele Privilegien, deshalb
wurde ein spezielles Amt organisiert, das ihren Stammbaum überprüfen und wenn notwendig
ihre Zugehörigkeit zu einer gegebenen Person aus der Nachkommenschaft des Propheten
beweisen sollte. Dieses Amt wurde von einem hohen staatlichen Beamten (nakib ül-esraf)
geleitet und hatte Zweigstellen in allen Provinzen des großen Reiches, diese sollten an Ort
und Stelle die Authentizität der Nachkommenschaft Muhammads beweisen.
Aus dem ausführlichen Register der Bevölkerung für die Kaza Nevrokop (Anfang 18 Jh.)
erfahren wir, dass es im Bezirk 51 Missionäre (seyit) mit zuverlässig bewiesener
Abstammung gegeben hat, 12 von ihnen in den Stadtvierteln, die übrigen in den umliegenden
Dörfern. Und noch etwas auffälliges: im Dorf Elis (heute Ochiron, Nomos Drama,
befanden. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die in Frage kommende Einsiedelei sich gerade in den Westrhodopen, speziell im Gebiet von Nevrokop befunden hat, dort, wo die Grenze des östlichen Teils von Makedonien verläuft. Siehe: H. T. Morris. Aspects of the Sufism of the Rifaiyya in Bulgaria and Macedonia in the Light of the Study Published by Canon W. H. T. Gairdner in The Moslem World. - In: Islam and Christian-Muslim Relations. Vol. 7, No 3, 1996, 297-309.108 D. Ingrams. А Survey of Social and Economic Conditions in the Aden Protectorate. Eritrea, 1949, p. 49.
38

Griechenland) waren sie 18 (!) an der Zahl, dazu noch 5 Frauen mit diesem Titel (şerife).109
Für diese Ortschaft haben wir keine anderen Angaben, als diese aus dem Register, die sie als
vollständig muslimisch mit 82 Familien bezeichnen. In der Statistik W. Käntschovs ist dieses
Dorf mit 280 bulgarisch-christlichen Haushalten und 730 türkischen angegeben. Nach ihr
seien die bulgarischen Familien später ins Dorf gekommen, die alte bulgarisch-christliche
Bevölkerung (der Name der Ortschaft zeugt von ihrer früheren Ethnocharakteristik) sei
wahrscheinlich assimiliert oder von dem dort angesiedelten Missionärenclan vertrieben
worden. Die Anwesenheit so vieler heiliger Männer in der Kaza Nevrokop hat sicherlich
einen Einfluss auf den Prozess der konfessionellen Transformation ausgeübt und damit die
Einwirkung der islamischen Religion auf den christlichen Kulturraum erweitert. So gesellt
sich zu den Faktoren für die Islamisierung in diesem Gebiet noch einer, der nach dem
Begriffsapparat der bisherigen Forschungen als „religiöse Propaganda” bestimmt werden
kann. Diese oberflächliche Beschreibung der Missionäre zeigt, dass ihre Funktionen und
öffentlicher Einfluss bei weitem die Rolle als „Wegbereiter des Islams” übertreffen, man kann
diese eher den Turkmenen-Kolonisten zuschreiben.
Eigentlich ist unsere Methode direkt verbunden mit und in dieser Etappe abhängig von
den Angaben in der osmanischen Dokumentation, dort aber stoßen wir meistens auf die
Wirkung des wirtschaftlichen Faktors. Gerade er hat bei den islamischen Konvertiten die
Motivation hervorgerufen, ein Umstand, der in letzter Zeit die Aufmerksamkeit immer mehr
Forscher auf sich zieht.110 Übrigens erklärt man die Wirkung des wirtschaftlichen Faktors als
Motiv für den Übergang zum Islam, dem seinem Tempo nach stabilen und fortlaufenden
Prozess der individuellen Islamisierung. In dieser Gedankenfolge wollen wir an die
Behauptungen der griechischen Geistlichen erinnern, dass die Bulgaren „Muhammadaner
geworden sind”, um der allgemeinen Steuer (cizye) zu entgehen.111
Zweifellos waren die fiskalen Erleichterungen ein ernsthaftes Motiv, um so mehr als in
manchen Gebieten die neuen Muslime auch von der Bodensteuer (ispence) befreit wurden,
gerade, wie manche Autoren behaupten, um den Islamisierungsprozess zu fördern.112 Von
Bedeutung aber war auch die soziale Motivation. Die Annahne des Islams hob den
gesellschaftlichen Status des Konvertiten eine Stufe höher, er ging von der christlichen zur
muslimischen reaya über. Der neue Muslim hatte Vorrang in seinen Beziehungen mit der
Verwaltung, er umging eine Reihe von Unannehmlichkeiten in seiner, der christlichen reaya
109 BOA, Mevkufat Kaiemi 2873, fol. 38-39.110 H. W. Loiy. Changes in the Fifteenth-Century Ottoman Peasant Taxation: The Case Study of Radilofo. - In: Continuity and Change in Late Byzantine and Early Ottoman Society. The University of Birmingham, 1986,29-31111 М.Дринов. Ор. cit, c. 19.112 H. W. Lowry, op. cit., p. 31.
39

zugeteilten Lebensweise. Außerdem ermöglichte das Dasein als Muslim den Übergang von
der Kategorie der reaya in die des Militärs (asker), wobei alle reaya-Steuern entfielen. Das
war keine imaginäre, sondern vollkommen reelle Möglichkeit; sie ist sehr gut in dem
ausführlichen Register für die Kaza Nevrokop von 1723 dargestellt, davon einige Beispiele:
im Dorf Musomiste gab es 30 Janitscharen von 78 muslimischen Haushalten; im Dorf
Koprivlen - 20 von 52; im Dorf Ljalovo - 12 von 51 usw.113 Bemerkenswert in diesem Fall ist,
dass diese Janitscharen nicht aufgrund der Knabenlese (devşirme) angeworben worden waren,
was ihre muslimischen Vaternamen beweisen/Ausgeschlossen ist auch, dass sie aus der
Hauptstadt kommen als Söhne von Janitscharen in die Provinz zum Garnisonsdienst
geschickt, dann wären sie nicht in den Verzeichnissen der Dorfbevölkerung der Kaza
aufgenommen worden. Die Janitscharen in Nevrokop haben vielleicht die bekannte „Bosnien-
Ausnahme” wiederholt (unmittelbar nach der Eroberung Bosniens gab Sultan Mehmet II. die
Erlaubnis im Janitscharenkorps auch beschnittene Jünglinge (sünnetli), Söhne von zum Islam
übergegangenen Bosniern, aufzunehmen.)114
Eigentlich konnte das Janitscharentum, abhängig von der konkreten Lage im Osmanischen
Reich, gleichzeitig als Ursache und Motiv zur Islamisierung angenommen werden - während
der ersten Jahrhunderte als die christlichen Kinder gewaltsam von ihren Familien getrennt
wurden - ein Verfahren zur massenhaften „Produktion” von Muslimen gegen den Willen der
christlichen reaya im Reich. Als Motiv zur Annahme des Islams bestätigt es sich nach der
Aufhebung der Blutsteuer (devşirme) gegen Ende des 17.Jh. Das ist mit einer interessanten
Erscheinung verbunden, die von den Osmanisten erst geklärt werden muss. In letzter Zeit
wurden die Forscher auf die sog. Bittschriften zur freiwilligen Islam Aufnahme aufmerksam
gemacht; sie sind von einer sehr interessanten Eigenart - der Prozess, den diese Dokumente
wiedergeben, beginnt sich seit Ende des 17.Jh. an zu beschleunigen und massenhaft
anzuwachsen.115 In den bisherigen Forschungen wurde der Akzent vor allem auf die sozial-
wirtschaftlichen Faktoren gesetzt, die diese Art von Proselytismus verursacht und unter den
Bedingungen im Osmanischen Reich die Rolle eines indirekten Drucks auf die Christen zum
Islam überzugehen gespielt haben.116 Doch die Ursachen erweisen sich von ganz anderer Art:
113 BOA, Mevkufat Kaiemi 2873114 I. H. Uzuncarılı. Osmanlı Devleti Teşkilatından Kapıkulu Ocakları. Cilt I, Ankara, 1984, p. 18. Das Korps wurde ausschließlich mit Kindern der Balkanvölker gebildet, was sehr streng durch mehrmalige ärztliche Untersuchungen der aus Rumelien eingesammelten Knaben sichergestellt wurde, da man eventuelles Eindringen von (beschnittenen) Turkmenen in das Korps vereiteln wollte. Die Verantwortung dafür trug der Oberarzt des Sultanspalastes, der an der Einberufungskomission teilnahm.115 Siehe: Османски извори за историята на ислямизационните процеси..., е. 100 сл.116 Вж. напр. А. Велков, Е. Радушев. Османски архивни държавни документи за ислямиза-ционните процеси на Балканите XIV-XIX в. - В: Сб. Проблеми на развитието на българската народност и нация. София, БАН, 1988, 57-73. Einen Versuch zur detaillierten Untersuchung des Phänomens hat A.Zeljaskova unternommen. Siehe: А. Желязкова. Разпространение на исляма в западно-балканските земи под османска власт XV-XVIII в. София, БАН, 1990
40

viele Leute geben als Motiv für den Glaubenswechsel ihr Bestreben einen Platz in den Reihen
der Janitscharen zu bekommen. Es scheint, dass während dieser Periode der Wunsch eines
großen Teils der Christen gewesen ist unter die „unterhaltenen Leute” des Sultans zu
gelangen, wenn es schon Fälle gibt wie dieser, wo sich ein Bulgare aus Karlovo so sehr
beeilte unter den Rechtgläubigen zu kommen, dass er sich eigenhändig beschnitt.117 Ob das
Auftauchen dieser „Bittschriften” zufällig ist gerade dann, als die Eintreibung der Blutsteuer
zu sinken begann, ist eine Frage, die immer noch eine konkrete Antwort erwartet.
Gleichzeitig können wir feststellen, dass selbst dann, als das Sammeln von christlichen
Knaben unterbrochen wurde, der Bestand an Janitscharen nicht kleiner geworden ist, er
wurde von ihren Söhnen ausgefüllt und von vielen Einzelnen, freiwillig zum Islam
übergegangenen als moral-psychologische Folge von der dreihundertjährigen Dauer des
Blutsteuersystems. Es erweist sich, dass in den Reihen der Janitscharen auch viele
bulgarische Muslime aus Nevrokop anwesend gewesen sind.
Die Einordnung der Pomaken aus Nevrokop in die Kategorie des „Militärs” brachte ihnen
nicht nur materiellen Vorteil unter der Form von fiskalen Entlastungen. Der Übergang ihrer
Dörfer und Ahnen zum Islam in einer früheren Periode gab den folgenden Generationen die
Möglichkeit in die Reihen der bezahlten Janitscharen einzutreten zur Zeit, als im Reich das
Sammeln von Christenknaben für den Bedarf des Korps schon aufgehört hatte zu existieren.
Die Entlohnung in Geld war für die Leute aus Nevrokop von großer Bedeutung, da sie in
einer für wirtschaftliche Tätigkeit nicht besonders günstigen Umwelt lebten. Und wenn man
zu diesem staatlichen Gehalt die fiskalen Entlastungen und garantierte Staatsprivilegien in der
wirtschaftlichen Tätigkeit hinzurechnet, werden wir sehen, dass der Janitscharenstand die
gesellschaftliche Elite der Kaza bildete. So wurden die Janitscharen in Nevrokop zum
Beispiel ihrer Mitbürger, sie demonstrierten wie gut es ist ein Muslim zu sein, besonders im
staatlichen Dienste. So fuhr das Janitscharensystem fort eine Rolle in der Islamisierung zu
spielen auch nachdem die Blutsteuer aufgehoben war. Unter den registrierten Janitscharen in
Nevrokop stößt man hie und da auf solche mit dem Familiennamen Abdullah (erste
Generation Konvertit), was sagen will, dass die Privilegien der Janitscharen ein ausreichendes
Motiv für manche einheimischen Christen gewesen ist zum Islam überzutreten, trotz der
Gefahren, die der Militärdienst mit sich brachte.
Im Laufe dieser Auslegung muss ich unbedingt eine Tatsache erwähnen, die bis jetzt in der
bulgarischen Osmanistik übersehen, oder eher verschwiegen wurde: die allgemeine Steuer
(cizye), die im Osmanischen Reich nur Christen zahlten, wurde fast ausschließlich von
117 НБКМ, Ор. отд., ф. 1А, а.е. 57 370; Siehe auch: Османски извори за ислямизационните процеси..., с. 205.
41

Janitscharen eingesammelt.118 Diese Tätigkeit brachte durch Missbräuche im fiskalen Bereich
große finanzielle Vorteile; wichtiger aber ist hier der psychologische Effekt auf den
steuerzahlenden „Ungläubigen”, wenn als Eintreiber sich ein ehemaliger Glaubensgenosse,
sehr oft sogar ein Landsmann vor ihm vorstellte. Ein kleines Beispiel aus der Geschichte
dieser Steuer, die sich konkret auf den Steuerbezirk Nevrokop bezieht: das Verzeichnis der
Steuerzahler für 1600-1601 geriet in die Händen von Janitscharen, die aus Nevrokop und den
umliegenden Ortschaften stammten, was ganz und gar nicht zufällig ist - der Effekt von dieser
Tätigkeit ist größer, wenn man die lokalen Bedingungen kennt. Im fiskalen Gebiet selbst
wurde für die Steuereintreibung der Janitschar Korucu Baki Bey, Einwohner der Stadt,
hinzugezogen. Er seinerseits war mit dem Buchhalter (defterdar) der Donaugebiete
Abdulbaki Efendi befreundet.119
Noch viele, für uns interessante Details aus dem Alltagsleben in Nevrokop kann man aus dem
osmanischen Kataster ablesen. Je mehr wir unsere Kenntnisse für die Vergangenheit der
bulgarischen Landen unter osmanischer Herrschaft erweitern, desto eher können wir uns mit
der Verfassung einer ausführlichen Geschichte der sozialen, ethno-demographischen und
konfessionellen Prozesse beschäftigen, ohne natürlich jemals behaupten zu können, dass wir
alles in unseren Schlussfolgerangen umfasst haben. Wir müssen aber betonen, dass in
ethnoreligiöser Hinsicht der Bezirk Nevrokop (und eigentlich die Zentral- und
Westrhodopen) ein „besonderer Fall” darstellt, da bei einem, im allgemeinen ähnlichen
Zusammentreffen von sozial-wirtschaftlichen und politischen Faktoren in anderen Gebieten
des bulgarischen Raumes das uns interessierende Phänomen von ganz anderer Art ist.
Deshalb müssen Historiker, Ethnologen und Soziologen versuchen mit vereinten Kräften die
sog. Pomakenfrage positiv zu lösen. Die Zentral- und Westrhodopen bieten dafür den For-
schern eine günstige Grundlage, nicht nur aus dem neuerhaltenen Quellenmaterial. Der
modernen Zivilisation ist es „nicht gelungen alle Spuren aus vergangenen Zeiten in der
bulgarisch-muslimischen Gemeinschaft in dieser Region darzustellen. Das beruht im
höchsten Grade auf dem komplizierten Schicksal dieser Menschen, besonders während der
letzten dreißig Jahre, die sie außerordentlich empfindlich gegenüber fremden Einwirkungen
gemacht haben. Die Handlungen und Misserfolge der Vorgänger müssen nicht unbedingt zum
118 Der Leser wird sich schnell davon überzeugen, wenn er in „Quellen zur bulgarischen Geschichte“ B.26, S. 1986 nachschlägt. Dort wird er erfahren, dass vom 16. Jh. an die bedeutendste Einnahme des Staates, die allgemeine Steuer (cizye) von Angehörigen des Janitscharenkorps eingetrieben wurde.119 НБКМ, Ор. отд., ф. 6А, а.е. 790, л. 26. Abdulbaki Efendi ist eine interessante Figur. Als Kind von Christen aus Edirne, wurde er für das Janitscharenkorps ausgewählt, gelangte aber in die Palastschulen. Seine Karriere begann nachdem er im zentralen Finanzamt (defterhane) angestellt wurde. Der Dienst in den verschiedenen Abteilungen führte zu der Spitze der Finanzhierarchie - Finazleiter (defterdar) und Oberfinanzleiter (bap defterdar) für das Donaugebiet, einen Posten, den er dreimal innehatte. Abdulbaki nahm auch Teil an den Palastkämpfen - zur Zeit der politischen Krise um die Liquidierung des Sultans Osman II. erwies er sich als einer der hohen Beamten, die beseitigt werden sollten, doch es gelang ihm zu entkommen.
42

Misskredit der heutigen und zukünftigen Generationen führen. Selbst dafür sind alle
Bemühungen gerechtfertigt.
* * *
Damit könnte ich meine Darlegung beendigen, doch ich denke, dass sie überzeugender
aussehen wird, wenn ich dem Leser einen kleinen Teil des vor kurzem erhaltenen
osmanischen Quellenmaterials über die ehemalige Kaza Nevrokop, das in letzter Zeit von mir
bearbeitet worden ist, anbiete. Es werden drei ausführliche Schilderungen des Dorfes
Walkosel, die aus den osmanischen Steuerregistern in dem letzten Viertel des 15., der ersten
Hälfte des 16. und dem Anfang des 18 Jh. entnommen wurden, dargestellt. Walkosel zog
meine Aufmerksamkeit auf sich während einer Geländeuntersuchung im August 1994. Das
Dorf liegt im Talkessel von Nevrokop, am Rande des Gebiets Tschetsch, in der Nähe vom
Fluss Bistritza, linkem Nebenfluss der Mesta. An ihm vorbei führt der Weg von Drama nach
Nevrokop entlang des Flussbettes der Mesta. Von diesem Hauptweg zweigt ein anderer ab,
der östlich des Dorfes auf einen der Bergrücken des Dabrasch verläuft und nördlich nach
Satovca und über Batak nach der Thrakischen Ebene weiterführt. Diese Lage Walkosels be-
stimmte auch seine Bevölkerungsdichte, das sieht man an den angegebenen Dokumenten. Der
Regel nach entsteht über die Vergangenheit solcher großen Dörfer fast immer ein
mythologischer Komplex, der den Generationen die schicksalhaften Ereignisse ihres Daseins
erklären soll; im Bewusstsein der Bulgaren-Christen aus dem Gebiet ist ein solches Ereignis
die „Muhammadisierung” ihrer Landsleute. Der Übergang der Walkoseler zum Islam wird
durch den folgenden Mythos erklärt: das Dorf bestand aus zwei Vierteln - das eine nahm den
Islam unter dem Druck der Eroberer an, das andere widersetzte sich zunächst. Die Kirche war
in dem „muhammadisierten” Viertel geblieben und es begannen Streitigkeiten zwischen den
christlichen und muslimischen Einwohnern - die neuen Anhänger Muhammads ließen die
Christen nicht in die Kirche, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Der Konflikt breitete sich
aus, und bald trafen bewaffnete Truppen ein, um die „Muhammadisierung” zu vollenden. Das
christliche Viertel angeführt von den beiden Söhnen des alten Wälko, widersetzte sich; doch
als der Hauptmann verordnete ein Feuer anzuzünden, in welches аllе, die keine Muslime
werden wollten, hineinspringen sollten, erschraken die Leute. Die beiden Brüder gaben ihren
Landsleuten ein Beispiel und sprangen ins Feuer, doch die „erschrockenen Dorfbewohner
waren gezwungen den Islam anzunehmen.”120
Die Dokumente durchbrechen den Mythos und enthüllen die Logik des Werdegangs
unter den konkreten historischen Umständen.
120 Град Гоце Делчев. Из миналото на града и района. Авт. колектив, София, 1988, с. 214, 94.
43

Mit der Übersetzung der osmanischen Dokumente für die Vergangenheit des Dorfes Walkosel
habe ich nicht die Absicht sog. „historische Wahrheiten” zu enthüllen, die bis vor kurzem zur
Klärung der „nebelhaften Vorstellung von dem Unterschied zwischen „konfessionell” und
„national” gebraucht wurden...121 Gerade das Gegenteil - anhand der alten Texte möchte ich
den natürlichen Verlauf der komplizierten historischen Prozesse zeigen und sie sinngemäß aus
dem Schatten der Mythologie, der historischen Emotionen und Vorurteilen herausholen und
darbieten.
Beilage
I
883/4. IV 1478 - 24.111. 1479 Sign.:
BOA, TD 7, fol. 288-289
Dorf Walkosel, gehört zur Gemeinde (nahiye) Kalojan122
Muslims:
Hidir, Kasim, Ali Sohn von Karagoz
Ungläubige:
Gorko; Wälko (Sohn von) Gorko; Raiko Sohn von Wälko; Görgo (Sohn von) Bero; Todor
Bruder von Jorgo; Dimitri (Sohn von) Wasilko; Görgo Brader von Dimitri; Bontscho Brader
von Dimitri; Milko Priester; Raiko sein Sohn; Todor Brader von Dimitri; Wasil Priester;
Wasil Sohn von Dobroslaw; Milko Sohn von Wasil; Staiko (Sohn von) Tschutur; Balika;
Beliko Sohn von Krajo; Görgo Sohn von Baliko; Todor Sohn von Baliko; Todor (Sohn) von
Dobrika; Janika sein Bruder; Görgo Sohn von Dobrine; Raiko (Sohn von) Radoslav; Milko
(Sohn von) Todor; Todor Falkner (doğanci); Jorgo (Sohn von) Kojo; Kojo (Sohn von)
Angelo; Petko Falkner; Kojo Falkner; Ilko Falkner; Mirtscho (Sohn von) Dimarr, Dimo
(Sohn von)Staiko; Stanko Brader von Dimo; Rad Brader von Stanko; Görgan (Sohn von)
Stanislav; Rusin sein Brader; Wlad Brader von Jordan; Milko (Sohn von) Petro; Rad Brader
von Petro; Staiko (Sohn von) Dimo; Ilko Sohn von Kosta; Radoslav (Sohn von) Grosö; Milko
Brader von Radoslav; Staiko (Sohn von) Grosö; Kojo Sohn von Bratoslav; Bratoslav (Sohn
121 H. Велчева. Родопчанката. София, БАН, 1994, с. 180.122 In den Registern vom Anfang des 16.Jh. wird diese Gemeinde nicht mehr erwähnt. Sie ist ein Überbleibsel der vorosmanischen Verwaltungseinteilung der Westrhodopen. Ich nehme an, dass sie das linke Ufer der Mesta umfasste, dort, wo der Fluss die Ebene von Nevrokop und die östlichen Abhänge des Dabrasch verlässt, und wahrscheinlich bis zum Zusammenfluss der Dospat und der Mesta gereicht hat. (heute außerhalb der Grenzen Bulgariens).
44

von) Kojo; Raiko (Sohn von) Kukude; Radoslav Sohn von Staiko; Janko Brader von
Radoslav; Staiko Sohn von Dimitri; Görgo (Sohn von) Staiko; Görgo (Sohn von) Naitscho;
Kojo Brader von Stiko; Stantscho Brader von Koiko; Witan; Jorgo sein Sohn; Petko (Sohn
von) Witan; Dimitri Sohn von Welko; Staiko Sohn von Mitscho; Doiko (Sohn von)
Bratowan; Mitscho Sohn von Dimitri; Nowak; Nikola Sohn von Nowak; Stamat Sohn von
Doiko; Marin Sohn von Doiko; Mitscho Sohn von Radowan; Boiko (Sohn von) Bodur;
Slawko Brader von Boiko; Wladislav (Sohn von) Gorgo; Todor (Sohn von) Staiko; Wlaiko
(Sohn von) Bratojo; Milko Sohn von Priester Dimitri; Nikola Sohn von Gorgo; Priester
Dimitri; Todor (Sohn von) Jorgitza; Dimo Sohn von Beliko; Witwe Doina; Witwe Dontsche;
Witwe Raika; Witwe von Mo-mtschil; andere Witwe Raika; Witwe von Radoslav; Witwe von
Bratolja; Witwe von Bantsche; (andere) Witwe Raika; Nikule Sohn von Priester Dimitri.
Steuern auf die landwirtschaftliche Produktion von:
Weizen, Roggen, Heu, Seidenraupen, Trauben, Lein, Linsen, Nüsse, Obst, Honig,
Hochzeitssteuer, Schweinesteuer und die Einnahmen von zwei Mühlen.123
II
29 saban 930 - 18 şevval 943 / 2.VII. 1524 - 30. III. 1537
Sign. BOA, TD 403, fol. 555-558
Dorf Walkosel, gehört zu Nevrokop
Muslime:
Jahiya dede, Paar124; Bajazid Mustafa, Paar; Hidir Iljas, Paar; Hamza Iljas, Paar; Ishak
Saban, Paar; Hidir Inehan, Paar; Hidir Ibrahim, Paar; Hamza Mehmed, Paar; Hamza
Abdullah, Paar; Mustafa Ali, Paar; Mehmed Ali, Paar; Mustafa Abdullah, 1/2 Paar (benak);125
123 Hier und im folgenden Dokument sind die Mengen der landwirtschaftliche Produktion und ihre Geldbewertung als Summe der von der Bevölkerung schuldigen Steuern nicht in der Übersetzung vorhanden.124 Die Person besitzt Land von der Größe ein Paar (çift), d.h. eine Fläche, die man mit einem Paar Ochsen bearbeiten kann. Das Paar enthält gewöhnlich bei gutem Boden 60-80 dönüms, bei mittlerem 90-100 und bei schlechtem 130-150. Der dönüm ist gleich 40 Schritte im Quadrat oder ungefähr 920 m2.125 Besitzer von einem halben Paar bestellten Landes.
45

Halil Abdullah, 1/2 Paar; Iljas Abdullah, 1/2 Paar; Mehmed Abdullah, Paar.
Ledige von den erwähnten (Muslimen):
Hamza Abdullah; Mehmed Abdullah; Musa Abdullah; Iljas Abdullah; Hidir Abdullah;
Saltik Abdullah; Mustafa Ishak; Hidir Mehmed; Ahmed Şaban.
Ungläubige (Christen) vom erwähnten Dorf:
Goro Nikola; Raiko Dimitri; Petko Belko; Stojo Dontscho; Milko Dontscho; Dimo Milo;
Todor Stanko; Göro Todor; Krajo Todor; Stanislav Todor; Todor Milo; Dimitri Dentscho;
Stojo Grozjö; Dimitri Nikola; Dontscho Nikola; Milo Nikola; Nikola Raiko; Zlatan Raiko;
Dimo Raiko; Kojo Miltscho; Weltscho Todor; Goro Todor; Stanko Görgo; Görgo Petko;
Krajo Görgo; Rajo Weltscho; Petko Weltscho; Döbrika Todor; Krajo Miladin; Görgo
Miladin; Morfo Priester; Pano Deljo; Deljo Brezo; Miljo Br-ezo; Gorgo Brezo; Jowan Brezo;
Stanislav Jowan; Dimitri Jowan; Milosch Miljo; Görgo Todor; Geljo Duko; Görgo Duko;
Kirko Gürgo; Kono Gürgo; Gürgo Huben; Todor Raiko; Jonko Todor; Kirko Wlaiko; Gürgo
Wlaiko; Gurgan Kojo; Raditsch Kojo; Marko Angel; Dimitri Masrko; Angel Marko; Stan
Gurgo; Kirko Gürgo; Milko Petko; Nikola Petko; Todor Krajo; Raditsch Mirtscho; Stojan
Mirtscho; Gürgo Filip; Deljo Kojo; Milen Todor; Kirko Todor; Balika Bratul; Todor Balika;
Kirko Krajo; Rusin Stanko; Dragosch Stanko; Deljo Stanko; Wlad Gürgan; Deljo Hriz; Todor
Dimo; Jowan Milko; Petri Jowan; Dobroslav Petko; Stanko Milko; Radoslav Gürgo; Kosta
Gürgo; Dragosch Petko; Stepan Wladislav; Stojan Stepan; Andro Staiko; Dimitri Staiko;
Raiko Staiko; Stanko Todor; Rado Todor; Milko Todor; Wlaiko Todor; Nikola Rado; Jowan
Radoslav; Deljo Jowan; Deljo Huben; Jowan Rad; Jowan Radoslav; Stanko Rado; Groso
Debenko; Jowan Grozo; Miltscho Wato; Stanko Gürgo; Stepan Staiko; Marko Milko; Janko
Grozö; Morfo Stajo; Deljo Daitscho; Rad Daitscho; Huben Daitscho; Raitscho Kalin; Todor
Staiko; Krajo Deljo; Stojo Dimo; Nano Weltscho; Howan Gürgan; Todor Raiko; Jowan
Gürgo; Stojo; Jowan Rado; Daitscho Jowan; Stepan Marko; Kojo Gürgo; Todor Milko; Jowan
Deljo; Nikola Raiko; Stanko Nikola; Petri Nikola; Todor Deljo; Miljo Dimo; Jorgo Miljo;
Kosta Ilko; Petko Ilko; Gürgo Ilko; Raiko Deljo; Deljo Kalin; Krajo Deljo; Stojo Dudo; Raiko
Bontscho; Dimitri Bontscho; Grozjo Gürgo; Jowan Kojo; Gurgo Milen; (?)126; Todor Kojo;
Todor Di-man; Stojo Todor; Stojo Deljo; Weltscho Radoslav; Todor Bontscho; Witwe Donts-
chi; Witwe Miltschowitza; Witwe Rada; Witwe Raikowitza; Witwe Neikowitza; Witwe (?)127;
Witwe Jana; Witwe von Milko; Witwe Gruda; Witwe Todowitza; Witwe Berowitza; Witwe
von Ilija; Witwe von Dobre.
Ledige von den erwähnten (Ungläubigen):
126 Nicht lesbar.127 Nicht lesbar.
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Hüben Marko; Milko Miltscho; Milko Stojo; Bajo Stanislav; Rusen Stojo; Weltscho
Dimitri; Radoslav Stepan; Kojo Gürgjan; Görgo Stepan; Krajo Todor; Todor Stamko; Milko
Jowan; Brezo Rad; Weltscho Jowan; Weltscho Rad; Beljo Marko; Todor Gürgo; Krajo Rusin;
(?)128; Kalin Stojo; Gurgo Kirko; Milko Dimo; Dimitri Weltscho; Todor Milusch; Nescho
Dobroslav; Stanoi Stojan; Dobroiko Smiljö; Weltscho Braijo; Stojo Todor; Dimitri Bontscho;
Weltscho Milen; Todor Nikola; Staiko Krajo; Nikola Beltscho; Dobro Nikola; Dimitri Jorgo;
Krajo Raiko.
(Falkner, befreit von außerordentlichen Steuern: Gürgo Filip; Raiko Staiko; Koi-no
Gürgo; Gürgo Kojo.)
Steuern auf die landwirtschaftliche Produktion: Roggen, Gerste, Hirse, Most, Trauben,
Gemuse, Stroh, Honig, Hanf, Seidenraupen, Obst, Nüsse, Linsen, Heu, Steuer auf die
Schweine, Hochzeitssteuer und Einnahmen von Mühlen. Dorf Walkosel, 18 Haushalte
(hane)129
Abdullah, Sohn von Ahmed. Prediger (hatib)130 und Priester (imam)131 in der Moschee des
erwähnten Dorfes, einheimischer132. Besitzer von Attestat (berat)133; Ackerland von Saban,
Sohn von Mehmed, 1 Paar; Jomer, Sohn von Mustafa. Diener (kayim)134 in der Moschee des
erwähnten Dorfes, Tageslohn 1 Akce135, Besitzer von Attest; Ackerland von Durak, Sohn von
Ali, 1 Paar; Mehmed, Sohn von Abdullah, gestorben, verödet; Ackerland von Ibrahim, Sohn
von Mustafa, 1 Paar; Ackerland von Mehmed, Sohn von Halil. Rentner aus dem Korps der
Sipachen (sipahi)136, (...)137 Kompaniechef (bölük), Tageslohn 8. Besitzer von Attestat;
Ahmed, Sohn von Mustafa. Diener in der kleinen Moschee (mescit)138 des erwähnten Dorfes,
Tageslohn 1. Besitzer von Attestat; Salih, Sohn von Hamza; Frau (hatun)139 Fatma, Tochter
128 Nicht lesbar.129 Eine Steuereinheit, die verschiedene Anzahl von Steuerpflichtigen umfasst. In diesem Fall sind die Haushalte (hane) für die Eintreibung der Steuer avarız festgesetzt. Die ganze Bevölkerung der Ortschaft ist verzeichnet, aus der Kategorie der Steuerzahler sind die nicht zu den reaya gehörenden Einwohner herausgenommen. Siehe auch die Bemerkung 144.130 Muslimischer Prediger.131 Muslimischer Geistlicher, der die Ausführung des religiösen Dienstes in der Moschee überwacht.132 Wahrscheinlich war dieser Diener des islamischen Kults Einheimischer, im Gegensatz zu den anderen Ortschaften in der Kaza Nevrokop, in denen die Geistlichen aus anderen Teilen des Reiches angeworben wurden.133 Sultansurkunde, deren Inhaber das Recht bekam in gewisse Dienste zu treten, Steuern einzutreiben, Bodenflächen zu besitzen und ähnliches.134 Diener, der für die innere Ordnung und Sauberkeit in der Moschee sorgt.135 Weiter sind alle Summen in Akçe angegeben.136 Ein Korps der bezahlten Sultansgarde genannt „Die sechs Regimenter“ (altı bölük halki). Die Benennung der einzelnen Korps war: bezahlte Reiterei linker und rechter Flügel (sipahi, silyahdar, ulu-feciyan-i yemin und ulufeciyan-i yesar) und fremde Soldnerreiterei, linker und rechter Flügel (gureba-i yemin und gureba-i yesar). Der Bestand der „sechs Regimenter“ wurde aus dem Janitscharenkorps zusammengestellt.137 Die Nummer der Flächeneinheit ist nicht verzeichnet.138 Kleine Moschee, in welcher Freitags und während des Fastens kein Gottesdienst verrichtet wird.139 In der Bedeutung von „Frau“.
47

von Hadschi Abu Bekir, Witwe; Ackerland von Mustafa, Sohn von Ilyas, 1 Paar; Ali, Sohn
von Mehmed; Ackerland von Ali, Sohn von Yomer, 1 Paar, Janitschar; Mehmed, Sohn von
Abdullah; Frau Kerime, Tochter von Ali, Witwe; Ahmed, Sohn von Abdullah, gestorben,
zerstört; Ackerland von Musli, Sohn von Abdullah, 1 Paar, Ali, Sohn von Abdullah;
Ackerland von Mehmed, Sohn von Ibrahim, 1 Paar. Vom Korps der Sipachen, Kompaniechef
von 5 Leuten, Tageslohn 26; Abdulkadir, Sohn von (...)140, gestorben, zerstört; Abdi, Sohn
von Abdullah, gestorben, verödet; Ackerland von Mehmed, Sohn von Abdullah, 1 Paar;
Hasan, Sohn von (...)141. Fatma, Tochter von (...)142, Witwe; Durak, Sohn von (..)143, gestorben,
zerstört; Ackerland von Mustafa, Sohn von Jomer, 1 Paar. Vom Korps der Sipahi,
Kompaniechef von 5 Leuten, Tageslohn 23; Jomer, Sohn von Mehmed; Ackerland von Salih,
Sohn von Ahmed, 1 Paar; eine andere Fatma, Tochter von Ali, Witwe. Husein, Sohn von
Hidir, gestorben, zerstört; Mehmed, Sohn von Yuruc; Ackerland von Hüsein, Sohn von
Mehmed, 1 Paar. Aus dem Korps der Sipaehen, Kompaniechef von 10 Leuten, Tageslohn 10;
Frau Hanim, Tochter von Mustafa, Witwe; Ackerland von Mehmed, Sohn von Osman, 1 Paar;
Mustafa, Sohn von Mehmed. eine andere Frau Fatma, Tochter von Iskender, Witwe;
Ackerland von Receb, Sohn von Ahmed, 1 Paar; Abdullah, Sohn von Hasan, gestorben,
verödet; Ackerland von Dervis, Sohn von Abdullah, Janitschar; Ackerland von Ali, Sohn von
Yomer, 1 Paar, Sipaehe in einem Landgut. Kasim, Sohn von Bali, geflohen; Hatice, Tochter
von Hasan, Witwe; Ackeland von Mustafa, Sohn von Mehmed, 1 Paar; Frau Emine, Tochter
von Uruc, Witwe; Kurd, Sohn von Husein, gestorben, verödet; Ackerland von Ahmed, Sohn
von Mustafa, 1 Paar, Janitschar; Frau Rabia, Tochter von Ali, Witwe; Mustafa, Sohn von
(...)144, gestorben, zerstört; Aisehe, Tochter von Hasan, Witwe; Hasan, Sohn von Ahmed; Frau
Kerime, Tochter von Abdullah, Witwe; Ackerland von Ibrahim, Sohn von Abu Bekir, 1 Paar;
Kerime, Tochter von Saban, Witwe; Aischa, Tochter von Husein, Witwe; Ramazan, Sohn von
(...)145, gestorben, zerstört; Ackerland von Hasan, Sohn von Husein, 1 Paar, Janitschar;
Ackerland von Mustafa, Sohn von Ahmed, 1 Paar; Hatice, Tochter von Mustafa, Witwe;
Mustafa, Sohn von Abdullah; Ackerland von Ahmed aus Ruscuk146, 1 Paar. Vom Korps der
Sipaehen, Kompaniechef von 162 Leuten, Tageslohn 20; Rabia, Tochter von Ali, Witwe;
Ackerland von Mehmed, Sohn von Saban, 1 Paar. Frau Merime, Tochter von Ali, Witwe; eine
140 Der Name ist nicht verzeichnet.141 Der Name ist nicht verzeichnet.142 Der Name ist nicht verzeichnet.143 Der Name ist nicht verzeichnet.144 Der Name ist nicht verzeichnet.145 Der Name ist nicht verzeichnet.146 Die Stadt Rousse.
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andere Frau Merime, Tochter von Ali, Witwe; Abdullah, Sohn von (...)147; Abdulbaki, Sohn
von Hasan, gestorben, verödet; Mehmed, Sohn von Saban; Saliha, Tochter von Mehmed,
Witwe; Husein, Sohn von (...)148, gestorben, zerstört; Mehmed, Sohn von Halil, gestorben,
verödet.
Insgesamt: 70 Leute
Bearbeitetes Ackerland: 23 Paar
Anzahl der nicht zur Reaya gehörenden Gruppe149
Prediger 1Diener 1Sipachen 6, Paar - 6Priester 1Verstorben, verödet, zerstört 13Witwen 19Janitscharen 4, Paar - 4Geflohen 1
46 10
Anzahl der muslimischen Reaya
Anzahl Anzahl147
16 12Paar 13
147 Der Name ist nicht verzeichnet.148 Der Name ist nicht verzeichnet.149 Der Name ist nicht verzeichnet.
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