Demokratiestammtisch-Vielfalt als Chance

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Dokumentation zur Auftaktveranstaltung

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2 Dokumentation Demokratiestammtisch: VIELFALT ALS CHANCE

INHALT Vorbemerkungen 03 Impulsvortrag Der Demokratiestammtisch - 04 Idee und Ziele Jan Bartelheimer (AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.) Moderierte Gesprächsrunde 07 VIELFALT ALS CHANCE - Begegnung und Unterstützung gemeinsam gestalten

Workshopergebnisse 10 Kompass und Fahrplan - erste Schritte zur Umsetzung

Zusammenführende Ein- und Ausblicke. Ein Resümee 12 Impressum 12

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3 Dokumentation Demokratiestammtisch: VIELFALT ALS CHANCE

Vorbemerkungen Liebe Leserinnen und Leser, die Auftaktveranstaltung zum Demokratiestammtisch VIELFALT ALS CHANCE ist nun Geschichte. Doch vorbei ist damit noch längst nicht alles: Ganz im Gegenteil. Gerade die vorliegende Zusammenfassung beweist eindrucksvoll, dass der mit dem ersten Aufschlag angestoßene Dialog auf Augenhöhe in jedem Fall das Potential hat, Veränderungsprozesse auszulösen. Sicherlich nicht sofort und auch nicht überall. Aber das aufeinander Zugehen, die direkte Begegnung zwischen Zugewanderten – ob mit oder ohne deutschen Pass – und Einheimischen, kann Vorurteile und Klischees im Alltag abbauen, Brücken schlagen und Freundschaften stärken. All dies, so unsere feste Überzeugung, trägt mit dazu bei, das Weißenfels und Umgebung am Ende etwas vielfältiger und offener wird. Auch wenn es fast ein alter Hut ist, gilt immer noch: Demokratieförderung ist die beste Rechtsextremismusprävention. Dieser Prämisse fühlte sich offensichtlich auch der Kreistagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Burgenlandkreis e. V., Maik Reichel, verpflichtet, wenn er in seiner Begrüßung eindeutig feststellte: „Helfen Sie uns in der Politik, andere Wege zu finden und zu gehen.“ Oberbürgermeister Robby Risch, der hinlänglich dafür bekannt ist, Formen der kooperativen Demokratie nicht abgeneigt gegenüber zu stehen, hat sich trotz Sitzungsstress und Termindruck die Zeit genommen, zum Auftakt vorbeizuschauen. Unddies nicht mit leeren Händen: „Die Türen des Rathauses stehen dem Projekt offen, jederzeit.“

Oberbürgermeister Robby Risch (l.) und Kreistagsabgeordneter Maik Reichel haben verbale Unterstützung mitgebracht

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Die vorliegende Dokumentation, die für Sie zudem auf der Homepage des AWO-Landesverbandes Sachsen-Anhalt e. V. zum Herunterladen bereitsteht (www.AWO-LSA.de), erfasst dabei vor allem die Ergebnisse vom 15. Dezember 2011 in der Multikulturellen Begegnungsstätte Weißenfels. An dieser Stelle möchten wir uns zunächst vor allem bei den zahlreichen ehrenamtlichen HelferInnen aus der Begegnungsstätte bedanken, ohne deren Engagement die organisatorischen Herausforderungen nicht zu stemmen gewesen wären. Ein herzliches Dankeschön geht nicht zuletzt an alle Gäste der Auftaktveranstaltung, die mit ihren lebendigen und produktiven Beiträgen den Stammtisch schon jetzt zum Gespräch gemacht haben. So muss es sein. Wir wünschen Ihnen viele Anregungen und das ein oder andere AHA-Erlebnis beim Lesen und würden uns freuen, wenn Sie Hinweise, Kritik und Anmerkungen direkt an uns weiterleiten. Die Redaktion, im Dezember 2011

Impulsvortrag Der Demokratiestammtisch - Idee und Ziele Jan Bartelheimer (AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.)

„Wir haben die Idee nach Weißenfels gebracht“, sagt Jan Bartelheimer, der beim AWO-Landesverband als Referent für Demokratieförderung und Migration zuständig ist. Er hat

einen Vortrag dabei, der erfrischend anders ist. Fremdwörter, Soziologensprech und Antragslyrik hat er augenscheinlich aus seiner Präsentation verbannt, stattdessen wird auf selbsterklärende Bildersprache gesetzt. Gut so, kommt er doch damit auch der Zielgruppe entgegen, die eher in der Praxis verhaftet ist, wie der weitere Abend noch überdeutlich zeigen sollte.

„Hier dieser grüne Kreis stellt die Region Weißenfels dar“, führt der Politikwissenschaftler gleich zu Anfang eine seiner zahlreichen Bildmarken ein. Damit auch alle etwas damit anfangen können, schiebt er nach: „Diese Grenze ist nicht geographisch zu sehen, sondern zwischenmenschlich.“ Es müsse darum gehen, allen Menschen eine kulturelle und politische Teilhabe zu ermöglichen. Nicht nur in einem multikulturellen Zentrum,

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sondern eben auch in der Schwimmhalle, im Sportverein und dem Sonnenstudio. Das Zauberwort: Integration kann nur lebenswirklich gelingen. Denn schließlich bringe jede und jeder Werte, Normen und Ressourcen in die Gesellschaft ein, unabhängig davon aus welchem Herkunftsland oder mit welchem Migrationshintergrund. Bei Bartelheimer sind das viele bunte Punkte, manche gleich und manche anders, manche im Kreis und andere außerhalb der geometrischen Form. Und genau diese Barrieren, müssten im Alltag aufgebrochen werden, stünden sie doch für „gefühlte oder tatsächliche Ausgrenzung“ und ein gerütteltes Maß an Unsicherheit und Frustration. Wenn ein Arzt aus Russland oder eine Professorin aus Rumänien hier nicht arbeiten könnten, weil die Abschlüsse nicht erkannt werden, ist für den AWO-Mitarbeiter klar: „Sie schaffen es nicht allein, die grüne Grenze zu überwinden.“

Die Idee des Demokratiestammtisches VIELFALT ALS CHANCE setze deshalb auf Partnerschaften zwischen MigrantInnen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Runtergebrochen heißt das: Gegenseitige Unterstützung im Alltag. Nur so, da ist sich Jan Bartelheimer sicher, könne das gegenseitiges Verstehen und Begreifen verbessert werden. Das Projekt möchte für eine solche lebenswirkliche Begegnung einen Raum geben. Keinen geschützten, sondern einen nach allen Seiten offenen. Dabei seien Sprachpatenschaften ebenso vorstellbar, wie ganz praktische Nachbarschaftshilfe im häuslichen Umfeld oder bei Angehörigen.

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Selbst wenn all dies nur ansatzweise funktioniere, sei die Grenze durchlässiger, gestrichelt eben, um bei der visualisierten Krücke zu bleiben: „Der Stammtisch soll Ausgrenzung minimieren. Uns geht es um den Aufbau einer Willkommenskultur.“ Jan Bartelheimer schließt mit einem Appell an die lokalen Eliten: „Bringen Sie sich bitte mit Ihrem Namen in diese Strategie ein.“

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Moderierte Gesprächsrunde VIELFALT ALS CHANCE - Begegnung und Unterstützung gemeinsam gestalten Jan Bartelheimer kündigt den ganz praktischen Teil an: „Es gibt keine Rechtschreibkontrolle, versprochen.“ Die Gäste sind zusammen mit den Moderatoren nun auf der Suche nach den Themen, nach den Feldern und Schwerpunkten, die der Stammtisch in 2012 aufgreifen könnte.

Nicht wenige Wortmeldungen kreisen dabei um einen Begriff: Wegweiser. Es mangele an Hilfeleistungen, die den Besuch von Behörden und Ämter für MigrantInnen ein wenig durchschaubarer machen könnten. Ob es diesen Bedarf tatsächlich gibt, ist in der Runde zunächst umstritten. Die Integrationskoordinatorin des Landkreises verweist darauf, dass es in diesem Bereich sehr wohl schon Anstrengungen gegeben habe. Schließlich hätte sich die Arbeitsgruppe „Interkulturelle Kompetenz“ mit dem Komplex befasst und mittlerweile sei ein Internetportal geschaltet, auf dem zentral viele Informationen abrufbar wären. Diese Bemühungen stellen andere DiskutantInnen nicht in Abrede, bezweifeln jedoch die Wirkungsmächtigkeit im Detail. Diese kritische Sicht, dass wird schnell klar, speist sich jedoch wiederum aus einer anderen Debatte, nämlich jener um wirksame Maßnahmen zur Sprachförderung.

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„Wer die Infobroschüren rein sprachlich nicht versteht, kann auch mit den buntesten Bildchen nichts anfangen“, bringt es eine Teilnehmerin auf den Punkt. Die Angebote müssten dahingehend auf den Prüfstand, ob sie von den Menschen erfasst werden könnten, im Sinne einer Sender-Empfänger-Harmonisierung überhaupt funktionieren. Diesbezüglich seien eben nicht nur Verwaltung, Politik und

Vereinslandschaft gefordert. Es müsse auch bei den Zugewanderten der Wille bestehen, sich mit der Umgangssprache wirklich zu befassen, sie in ihren Alltag einzubinden.

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Gerade dort, dass hat die Diskussion eindeutig gezeigt, gibt es ganz unterschiedliche Erfahrungshorizonte, Zugänge und Meinungsbilder. Ein zugewanderter Geschäftsmann, schildert seine Beobachtung recht unmissverständlich: „Wir haben eine Gruppe, die will Deutsch lernen und eine andere Gruppe will nicht.“ Die, die es nicht wollten, würden es vor allem nicht tun, weil ihr Aufenthaltsstatus völlig unklar sei: „Weil sie die Hoffnung nicht haben, länger bleiben zu können, sind sie absolut nicht motiviert.“ Eine jugendliche Teilnehmerin mit kaum hörbaren Akzent, ist indes der Meinung: „Wenn meine Eltern den ganzen Tag vorm Fernsehen sitzen und den russischen TV-Sender schauen, können sie ja nichts lernen.“ Das Gespräch rundet eine Teilnehmerin ab, die es augenscheinlich wissen muss: „Ich bin die dienstälteste Migrantin und lebe seit 17 Jahren hier.“ Die Sprache wirklich zu erlernen, da ist sie sich sicher, habe nicht nur etwas mit Motivation zu tun: „Dazu braucht es den Kontakt mit den Weißenfelsern. Und ganz ehrlich, da sind die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft, auf beiden Seiten.“

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Richtig erfrischend, da sehr lebenswirklich, war indes ein Diskursstrang, der sich mit einer offenbar entscheidenden Frage befasste: Wer redet hier eigentlich über wen und warum? Ein Kommentar brachte es auf den Punkt: „Wir müssen nicht über sie, sondern mit ihnen reden.“ Gemeint war der Umstand, dass Statements von Eingewanderten in der gesamten Debatte nur eine bedingte Rolle spielten. Diskussionsbestimmend waren sie, dass war augenscheinlich so, zweifellos nicht. Wohl auch deshalb, versprühte ein Beitrag eine besondere Note: „Migranten müssen die Möglichkeit bekommen, ihr Tempo bei der Integration zu gehen.“

„Was soll den Stammtisch eigentlich leisten, der hat doch keine Befugnisse“ fragte nicht zu letzt ein Diskutant in die Runde. Und tatsächlich, eine Selbstvergewisserung und Mandatierung steht sicherlich noch aus. Jan Bartelheimer hat da schon seinen ganz eigenen Zugang gefunden: „Der Stammtisch will nicht akademisieren und institutionalisieren, er will auf einer lebenswirklichen, informellen Ebene wirken.“

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Workshopergebnisse Kompass und Fahrplan - erste Schritte zur Umsetzung Das Voting fiel im Ergebnis eindeutig aus. Die meisten Teilnehmer wünschten sich mit insgesamt 15 Treffern vom Stammtisch, dass dieser sich um die Umsetzung von Sprachpatenschaften bemüht. Insbesondere eine Bestandaufnahme in diesem Feld, könne zudem eine zentrale Aufgabe sein, mit der sich die zukünftigen AkteurInnen befassen könnten. Hier sei auch das Internetportal des Landkreises als praxisorientierter Einstieg denkbar. Konkrete Zuständigkeitszusagen gab es in einzelnen Feldern dazu bereits. Infrastrukturelle und kulturverhaftete Rahmenbedingungen, könnten demnach ebenfalls einen Platz einnehmen. Mehr Dialog und Teilhabe zu gewährleisten, stand zudem ebenso auf der Notwendigkeitsagenda. Zum nächsten Stammtisch wird am 31. Januar 2012 von Birgit Schubert in die Multikulturelle Begegnungsstätte Weißenfels eingeladen. Die Multiplikation der Einladung erfolgt zum Teil postalisch und zum Teil per E-Mail.

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Zusammenführende Ein- und Ausblicke. Ein Resümee Die Auftaktveranstaltung zum Demokratiestammtisch hat gezeigt, dass es Kontakte und Begegnungssettings bereits gibt. Die BürgerInnen in der Stadt und dem Umland sind jetzt aufgerufen, sich aktiver einzubringen. Übrigens nicht nur diejenigen mit einem deutschen Pass, denn Integration ist keine Einbahnstraße. Es gibt eine breite Palette an Ideen, wie Vorurteile substantiell und bedarfsorientiert zurückgedrängt werden können, natürlich nicht ad hoc und in einem Ruck. Jetzt kommt es darauf an, den Schwung und die Dynamik mitzunehmen, auch und gerade in das Jahr 2012.

Auf diesem Weg wird es Entmutigungen, Kom-munikationspannen und atmosphärische Störungen geben, aber eben auch Phasen des ideellen Überschusses und der engagierten Veränderungsprozesse. „Heute war es alles ein bisschen sehr theoretisch, wir machen es dann sehr prak-tisch.“ Dieser Einschätzung von Birgit Schubert, die das Multikulturelle Begegnungszentrum in Weißenfels leitet, kann als unbedingte Handlungsaufforderung verstanden

werden.

Impressum Herausgeber: Arbeiterwohlfahrt Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. Geschäftsführer Wolfgang Schuth (v.i.S.d.P.) Redaktion: Jan Bartelheimer, Steffen Andersch Korrektur & Lektorat: Carolin Doller Gestaltung: Steffen Andersch Fotos: AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. Erscheinungstermin Dezember 2011