DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder...

19
DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE (5) Gott Was bedeutet „glauben“? Gottesbeweise Das Problem des Bösen Wunder Glauben aus Klugheit Probleme des Fideismus

Transcript of DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder...

Page 1: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE

(5) Gott

•  Was bedeutet „glauben“? •  Gottesbeweise •  Das Problem des Bösen •  Wunder •  Glauben aus Klugheit •  Probleme des Fideismus

Page 2: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

WAS BEDEUTET „GLAUBEN“ ? (1) [B 134-136] 1)  „glauben“ → „für wahr halten“

•  „Ich glaube, es regnet.“ impliziert „Ich glaube, dass es wahr ist, dass es regnet.“

•  Generalisierung : ich glaube, dass p, also glaube ich, dass p wahr ist •  Religiöser Glaube : „Ich glaube, dass es Engel gibt.“ impliziert „Ich

glaube, dass es wahr ist, dass es Engel gibt.“ 2)  „glauben“ → „für wahr* halten“ (* = nur unter gewissen

Bedingungen)

•  „Ich glaube, dass Emma Bovary ihren Mann Charles betrogen hat.“ impliziert „Ich glaube, dass es wahr* ist, dass Emma Bovary ihren Mann Charles betrogen hat.“

•  Die Bedingung für „wahr*“ : Wenn man die Aussagen in Gustav Flauberts Roman Madame Bovary für wahr hält.

•  „Ich glaube, dass Gott das Universum geschaffen hat.“ impliziert „Ich glaube, dass es wahr* ist, dass Gott das Universum geschaffen hat.“

•  Die Bedingung für „wahr*“ : Wenn man die Aussagen in den heiligen Schriften für wahr hält.

Page 3: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

WAS BEDEUTET „GLAUBEN“ ? (2) [B 134-136] 3)  „glauben“ → „mir ist so zumute als ob“, „ich fühle“, „ich

befürworte“ [expressiver Gebrauch von „glauben“]

•  „Ich glaube, ich explodiere gleich.“ impliziert nicht „Ich glaube, dass es wahr ist, dass ich gleich explodiere.“

•  Erklärung : Die Aussage behauptet keine Fakten, sie drückt ein Gefühl oder eine Haltung (Attitüde) aus – hier zum Beispiel die Wut.

•  „Ich glaube, dass Gott das Universum geschaffen hat.“ → Zum Beispiel : „Ich situiere mich in einer religiösen Tradition, in der man Gott als den Schöpfer betrachtet, und ich möchte ausdrücken, dass ich die Werte und die Normen dieser religiösen Tradition befürworte.“

Offene Frage : evaluative Aussagen (glauben, dass X gut/schlecht ist [Wertaussagen] ; glauben, dass man X tun soll [normative Aussagen]) behaupten auch keine Fakten… sollte man also sagen, dass solche Aussagen nicht wahr oder falsch sein können ?

•  „Ich glaube, dass Geige spielen lernen gut ist.“→ Geige lernen : 👍 •  „Ich glaube, man sollte kein Fleisch essen.“→ Fleisch essen : "

•  David Humes Antwort : solche Aussagen behaupten nichts, sie drücken lediglich unsere positiven oder negativen Gefühle aus.

•  Mehr dazu im Kapitel „Was soll ich tun ?“

Page 4: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

BEHAUPTEN, DASS X EXISTIERT [B 136-137] Die Logik der Behauptung

•  Anstatt „ist kugelförmig“, könnte man auch sagen „existiert“ ? •  Frage : Welche Eigenschaft würde dem Prädikat „existiert“

entsprechen ? •  Antwort : Keine ! Die Existenz ist nicht eine Eigenschaft von einem

Ding. •  Konsequenz : „existieren“ ist kein Prädikat – man kann ein Ding nicht

dadurch charakterisieren, dass man sagt, es existiert. •  Was behauptet man, wenn man von einem Ding sagt, dass es

existiert ? •  Man behauptet, dass die Wörter, die man benutzt, sich auf die

aussersprachliche Ebene beziehen. •  „Die Erde existiert.“ → Es gibt ein Ding, das die Eigenschaften unseres

Planeten hat und deshalb korrekt als „Erde“ bezeichnet wird.

Die sprachliche Ebene

Subjekt Prädikat « Die Erde » « ist kugelförmig »

Die aussersprachliche Ebene

Ding Eigenschaft Die Erde Die Kugelförmigkeit

Page 5: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DER ONTOLOGISCHE GOTTESBEWEIS [B 138-141] Das Argument von Anselm von Canterbury (1033-1109)

„…sicherlich kann das, über dem Grösseres nicht gedacht werden kann, nicht im Verstande allein sein. Denn wenn es wenigstens im Verstande allein ist, kann gedacht werden, dass es auch in Wirklichkeit existiere – was grösser ist […] Es existiert also ohne Zweifel etwas, über dem Grösseres nicht gedacht werden kann, sowohl im Verstande als auch in der Wirklichkeit.“

Teil 1 [Schlussregel : modus ponens] : •  Prämisse 1 : Wir verstehen den Begriff *Gott* (das

Grösste, das man sich denken kann). [p] •  Prämisse 2 : Wenn wir den Begriff *Gott* verstehen,

dann existiert Gott im Verstand. [p → q] •  Schlussfolgerung 1 : Gott existiert im Verstand. [q] Teil 2 [Schlussregel : modus tollens] : •  Prämisse 3 : Wenn Gott im Verstand existiert, aber

nicht in der Wirklichkeit, dann kann man sich etwas Grösseres als Gott denken (nämlich : ein Wesen, das auch in der Wirklichkeit existiert). [(q ∧ ¬r) → s]

•  Prämisse 4 : Etwas Grösseres als Gott kann man sich nicht denken (denn Gott wird ja dadurch definiert, dass es das Grösste ist, das man sich denken kann). [¬s]

•  Schlussfolgerung 2 : Es ist nicht wahr, dass Gott (nur) im Verstand existiert, aber nicht in der Wirklichkeit. [¬(q ∧ ¬r)]

•  Reiteration von S 1 : Gott existiert im Verstand. [q] •  Schlussfolgerung 3 : Gott existiert in der Wirklichkeit.

[r]

Page 6: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

PROBLEME MIT ANSELMS ARGUMENT [B 138-141] Der Einwand des Mönchs Gaunili

•  Mit diesem Argument kann man die Existenz von allem beweisen, das man mit einem Superlativ charakterisiert.

•  Beispiel : Anstatt „Gott“ – der Traumpartner, das heisst, der beste Liebhaber, den man sich denken kann

Andere Einwände :

•  „existieren“ wird als Prädikat verwendet •  Was bedeutet „Gott existiert im Verstand“ anderes als „Es gibt ein Ding, und dieses

Ding wird korrekt mit dem Wort „Gott“ bezeichnet und man kann es sich denken“ ? •  Hier wird die Existenz vorausgesetzt, nicht bewiesen.

•  Kann man wirklich Dinge mit Gedanken vergleichen ? •  Beispiel : Kann ein nur gedachter Turm höher sein als der Eiffelturm ?

•  Was nur gedacht ist, ist nur auf der sprachlichen Ebene situiert : hier haben wir es mit Phantasiegebilden zu tun, zum Beispiel mit Emma Bovary. Aussagen über Emma können nur unter gewissen Bedingungen wahr sein.

•  Dinge sind in der aussersprachlichen Ebene situiert : hier haben wir es mit etwas zu tun, das unabhängig von unseren Gedanken ist, zum Beispiel mit Gustave Flaubert. Aussagen über Gustave Flaubert sind wahr (oder falsch), wenn sie das „Ding“ Gustave Flaubert richtig (oder nicht richtig beschreiben).

•  Man kann Aussagen über Phantasiegebilde und Aussagen über Dinge nicht vergleichen, weil sie unter anderen Bedingungen wahr sind.

Page 7: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DER KOSMOLOGISCHE GOTTESBEWEIS [B 142-145] Humes Version des Arguments von Thomas von Aquin (1225-1274)

•  Wenn Dinge und Ereignisse existieren, dann sind sie von anderen Dingen oder Ereignissen verursacht worden : sie existieren als Wirkungen von früheren Ursachen.

•  Frühere Ursachen existieren als Wirkung von noch früheren Ursachen : alle Dinge und Ereignisse haben einen Platz in der Kette von Ursachen und Wirkungen.

•  Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder es gibt eine erste Ursache für alles, die notwendig existieren muss.

•  Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist, haben wir keine Antwort auf die Frage, warum diese bestimmte Kette existiert und nicht eine andere – oder gar keine.

•  Was ist der Grund dafür, dass genau diese Kausalkette, die unser Universum ausmacht, existiert – und nicht eine andere oder gar keine Kausalkette ?

•  Unlogische Antworten : (a) Wenn die Kausalkette unendlich ist, dann kann der Grund nicht die Existenz eines Dinges oder Ereignisses sein. (b) Wenn man sagt, der Zufall sei der Grund, sagt man etwas sinnloses. (c) Zu sagen, der Grund sei das Nichts, widerspricht dem Prinzip, dass nichts aus nichts kommen kann.

•  Die einzige mögliche Antwort : Der Grund ist ein notwendig existierendes Wesen, das heisst, ein Wesen, dass nicht nicht existieren kann. Dieses Wesen gibt es : es ist Gott.

Page 8: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

PROBLEME MIT THOMAS‘ ARGUMENT [B 142-145] Der Einwand von Bertrand Russell : Die Schlussfolgerung ist unlogisch

•  Die Prämisse „Alles hat eine Ursache“ widerspricht der Schlussfolgerung „Es gibt etwas, das keine Ursache hat.“

•  Aber vielleicht meinte Thomas : „Alle materiellen Dinge haben eine Ursache“ und „Es gibt etwas, das vom materiellen Universum unabhängig ist und deshalb keine Ursache braucht, um zu existieren.“

David Humes Einwände :

•  Was bedeutet „notwendig existieren“ ? •  „notwendig“ charakterisiert immer die Wahrheit oder die Falschheit einer Aussage

(sprachliche Ebene) – nie ein Ding oder ein Ereignis (aussersprachliche Ebene). •  Wenn man sagt „2 + 2 = 4“ ist notwendig wahr, dann bedeutet das, dass es

nicht möglich ist – nicht logisch denkbar – dass es anders sein könnte. •  Da „existieren“ kein Prädikat ist, kann „X existiert“ keine Aussage sein, die

wahr oder falsch ist – deshalb kann es auch keine Aussage sein, die notwendig wahr oder falsch ist.

•  Intuitiver Test : Wenn man sagt, dass etwas existiert, impliziert das immer die Möglichkeit, dass es nicht existiert : „Der Eiffelturm existiert.“ – das heisst : es gibt ein Ding das die Eigenschaften des Eiffelturms besitzt und das wir korrekt mit dem Namen „Eiffelturm“ bezeichnen. Aber es könnte auch sein, dass es dieses Ding nicht gibt.

•  Wenn etwas notwendig existieren würde – warum sollte es dann Gott sein ? •  Mögliche Alternative : das materielle Universum

Page 9: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DER TELEOLOGISCHE GOTTESBEWEIS (1) [B 145-150] Ich ging einst über eine Heide, und stieß meinen Fuß an einem Stein. Da war mir's, als fragte mich jemand, wie der Stein hierher komme? Ich weiß nichts anders, als dass er von jeher da gelegen hat, gab ich zur Antwort […] Setze ich aber den Fall, ich hätte eine Uhr auf dem Boden gefunden, und würde gefragt, wie die Uhr hierher komme, so würde ich [eine andere Antwort gegeben haben]. Aber warum gilt diese Antwort nicht eben so gut für die Uhr als für den Stein? Aus keinem andern Grunde, als aus dem folgenden. Wenn wir eine Uhr untersuchen, so bemerken wir, (was wir an dem Stein nicht wahrnehmen konnten) dass ihre verschiedenen Teile um eines Zweckes willen so und nicht anders geformt und zusammengesetzt sind, daß sie so einander angepasst erscheinen, um Bewegung hervorzubringen, und dass diese Bewegung so geregelt ist, dass sie die Stunden des Tages anzeigt. […] Hat man nun diesen Mechanismus aufgefasst, so ist meines Erachtens der Schluss unvermeidlich, dass die Uhr einen Urheber haben müsse, dass zu irgendwelcher Zeit und an irgend welchem Orte ein oder mehrere Künstler gelebt haben müssen, die sie zu dem Zwecke, dem sie, wie wir sehen, wirklich entspricht, absichtlich verfertigten. Natürliche Theologie, Kapitel 1

William Paley, 1743-1805

Page 10: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DER TELEOLOGISCHE GOTTESBEWEIS (2) [B 145-150] Das Argument des göttlichen Designs laut David Hume

•  Das Universum als Ganzes ist wie eine grosse Maschine [oder „Mechanismus“, MH], zusammengesetzt aus kleineren Maschinen, und diese aus noch kleineren Maschinen, und so weiter.

•  Alle diese Maschinen sind einander genau angepasst : Das Funktionieren der jeweils kleineren Maschinen ermöglicht das Funktionieren der jeweils grösseren, das heisst, sie sind völlig adäquate Mittel für den Zweck der jeweils grösseren Maschine.

•  Diese Angepasstheit von Mitteln und Zwecken in der Natur gleicht der Angepasstheit von Mitteln und Zwecken bei menschlichen Artefakten, das heisst, Produkten von menschlicher Absicht und Weisheit – nur sind die Werke der Natur noch viel komplexer.

•  Wo die Wirkungen ähnlich sind, können wir sagen, dass auch die Ursachen ähnlich sind : es besteht eine Analogie zwischen dem Schöpfer des Universums und den Schöpfern von Artefakten – nur hat der Schöpfer des Universums viel grössere Fähigkeiten als die Menschen.

•  Das beweist nicht nur die Existenz eines göttlichen Schöpfers, sondern auch die Ähnlichkeit Gottes mit dem menschlichen Geist und Verstand.

Page 11: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DER TELEOLOGISCHE GOTTESBEWEIS (3) [B 145-150] Zwei wichtige Aspekte dieses Arguments

1.  Die Verwendung der Analogie (Artefakte : planvolle Herstellung) ~ (natürliche Dinge : planvolle Herstellung)

Funktionalität Menschen Funktionalität Gott

2.  Der Bezug auf die Erfahrung (a posteriori Argument) Kritik des Arguments

•  Menschliche Psychologie als Modell für die Erschaffung des Universums ? •  Hume : „Was für ein Vorrecht hat diese kleine Bewegung des Gehirns, die wir

Denken nennen, dass wir sie in dieser Weise zum Modell des ganzen Universums machen ?“

•  Kann die Analogie auf Erfahrung gestützt werden – zum Beispiel die Kausalbeziehung zwischen Hersteller und Produkt ?

•  Bei menschlichen Herstellern : ja – bei Gott : nein •  Ignorierte relevante Alternativen : Zeugung & Wachstum vs. Vernunft (das

Universum als Organismus) •  Hume : „Wollen wir nach unserer begrenzten und unvollkommenen Erfahrung

urteilen, so hat Wachstum einigen Vorzug vor Vernunft, denn wir sehen täglich diese aus jenem, nicht aber jenes aus dieser hervorgehen.“

•  Probleme mit der Idealisierung menschlichen Handelns •  Irrtümer, kontinuierliche Verbesserungen, Arbeitsteilung, Prototypen, usw.

Page 12: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DAS PROBLEM DES BÖSEN (1) [B 150-156] Epikurs Fragen

•  Hume : „Epikurs alte Fragen sind noch unbeantwortet. Will er [=Gott] Übel verhüten und kann nicht ? Dann ist er ohnmächtig. Kann er und will nicht ? Dann ist er übelwollend. Will er und kann er ? Woher denn das Übel ?“

Die Attribute Gottes in den monotheistischen Religionen

•  Allwissenheit •  Allmacht •  Wohlwollen

Die klassische Apologie des Übels (z. B. Leibniz) •  Die Mischung von Glück und Leiden maximiert die Summe von Glück

•  Beispiel : Glück und Leiden der Liebe vs. Abwesenheit von Liebe •  Einwand : Ein allmächtiger Gott könnte Leiden völlig eliminieren

•  Konsequenzen für den teleologischen Gottesbeweis •  Das Beispiel des vernachlässigten Studentenwohnheims und dem

mächtigen, gut informierten und wohlwollenden Verwalter.

Page 13: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DAS PROBLEM DES BÖSEN (2) [B 150-156] Die eschatologische Apologie des Übels

•  Die Welt ist ein Jammertal : Die kurze Zeit auf der Erde ist nur eine Prüfung für das ewige Leben nach dem Tod

•  Einwand : Wenn Gott das Übel in der Welt toleriert, aus welchem Grund kann ich glauben, dass er es nicht im Jenseits toleriert ?

Die mystische Apologie des Übels •  Der Grund für die Übel kann der Mensch nicht erkennen, weil er die

unbegreifliche Natur Gottes nicht kennen kann. •  Einwand : Wenn Gott völlig unverständlich ist, welche Gründe haben wir

dann, zu glauben, dass er überhaupt existiert ? [denken Sie an den Quiri]

•  Wittgenstein : „Das Ergebnis war nur, dass ein Nichts die gleichen Dienste täte wie ein Etwas, worüber sich nichts aussagen lässt.“

Die Apologie, die sich auf den freien Willen beruft •  Weil Gott wohlwollend ist, hat er den Menschen einen freien Willen

gegeben – die Menschen haben dann schlechte Entscheidungen getroffen und damit das Übel in die Welt gebracht.

•  Einwand 1 : Auch wenn Willenshandlungen frei sind, haben sie Ursachen •  Einwand 2 : Viele Übel sind nicht gewollt : Krankheiten, Unfälle, Erdbeben •  Einwand 3 : Eltern schützen ihre schwächeren Kinder vor den stärkeren.

Was tut Gott ?

Page 14: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

WUNDER UND BEWEISE (1) [B 157-164] Traditionelle Definition von Wundern & Gründe an Wunder zu glauben

•  Wunder = Def. Ein einzelnes Ereignis, das die Naturgesetze verletzt („contra consuentum cursum naturae“)

•  Mögliche Gründe, um an Wunder zu glauben •  Persönliche Beobachtung •  Berichte (Zeugnisse) von anderen

•  Zwei Bedingungen, um Zeugnissen von anderen zu glauben 1.  Das berichtete Ereignis wurde tatsächlich beobachtet. 2.  Der Bericht von diesem Ereignis ist glaubwürdig.

Warum und wann Berichte (Zeugnisse) wichtige Quellen von Wissen sind •  Akademische Arbeitsteilung : nicht alle machen dieselben Erfahrungen

•  Beispiele : Astronomische, ökonomische, historische Kenntnisse •  Vertrauen bei der akademischen Arbeitsteilung : (a) Qualifikation, (b)

wissenschaftliche Methode, (c) Reputation •  Beispiele : Ärzte vs. Heiler, seriöse Zeitungen vs. soziale Medien, usw.

•  Glaubwürdigkeit und Kompatibilität von Berichten (Zeugnissen) mit gesichertem Wissen : Logik und Wahrscheinlichkeit

•  Beispiel : Sie bekommen die folgenden Berichte : „Es regnet seit einem Monat in der Sahara“ und „Studie zeigt : homöopathische Behandlung von Krebs führt zu vollständiger Heilung“

Page 15: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

WUNDER UND BEWEISE : HUMES ARGUMENT (2) [B 157-164] Wie kann man den Bericht (Zeugnis) von einem Wunder beurteilen ?

•  Vorbemerkung •  Normalerweise glauben wir, dass uns andere die Wahrheit sagen – in den

meisten Fällen ist es so. Aber manchmal haben wir begründete Zweifel… •  Zwei notwendige Fragen

•  Können wir darauf vertrauen, dass der Zeuge, das heisst, die Person, die den Bericht des Wunders gibt, die Wahrheit sagt (→ Glaubwürdigkeit) ?

•  Ist die Wahrscheinlichkeit, dass das berichtete Wunder stattgefunden hat grösser als die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stattgefunden hat ?

•  Humes Antwort auf die Frage der Wahrscheinlichkeit (→ Kompatibilität) •  Da die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis ein Naturgesetz verletzt

extrem klein ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass das berichtete Wunder stattgefunden hat extrem klein.

•  Humes Antwort auf die Frage, ob man darauf vertrauen kann, dass der Zeuge die Wahrheit gesagt hat : psychologische Bemerkungen

•  Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zeuge sich getäuscht hat, dass er fabuliert hat, dass er gelogen hat, usw. ist grösser als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Naturgesetz verletzt wurde

•  Humes Schlussfolgerung •  Der Bericht von Wundern ist nie glaubwürdig.

Page 16: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

WUNDER UND BEWEISE : HUMES ARGUMENT (3) [B 157-164] David Hume über (a) das Vertrauen in den Zeugen und (b) über die Wahrscheinlichkeit, dass ein berichtetes Wunder stattgefunden hat

« Kein Zeugnis reicht aus, ein Wunder festzustellen – [denn] es müsste das Zeugnis von solcher Art sein, dass seine Falschheit wunderberer wäre, als die Tatsache, die es festzustellen trachtet. Aber selbst in diesem Falle tritt eine gegenseitige Aufhebung der Begründungen ein, und die überlegene bietet uns nur eine Sicherheit, die dem Grad der Kraft angemessen ist, der nach Abzug der schwächeren übrig bleibt. Berichtet mir jemand, er habe einen Toten wieder aufleben sehen, so überdenke ich gleich bei mir, ob es wahrscheinlicher ist, dass der Erzähler trügt oder betrogen ist oder dass das mitgeteilte Ereignis sich wirklich zugetragen hat. Ich wäge das eine Wunder gegen das andere ab, und je nach der Überlegenheit, die ich entdecke, fälle ich meine Entscheidung und verwerfe stets das grössere Wunder. Wäre die Falschheit eines Zeugnisses wunderbarer als das von ihm berichtete Ereignis, dann, aber auch erst dann, kann er Anspruch auf meinen Glauben und meine Überzeugung erheben. »

Grösseres Wunder ↓

weniger wahr-

scheinlich

Kleineres Wunder

↓ wahr-

scheinlicher

Der Zeuge sagt etwas

falsches

Ein Naturgesetz

wurde verletzt

∴ Der Bericht über das Wunder ist unglaubwürdig.

⊕ ⊖

Page 17: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

GLAUBEN AUS KLUGHEIT (1) [B 164-168] Blaise Pascals (1623-1662) Wette :

•  Obwohl wir nicht beweisen können, dass Gott existiert, ist es klug – das heisst, rational in Bezug auf unsere Interessen – an ihn zu glauben

•  Wie kann man vom Unglauben zum Glauben kommen ? 1.  Wir müssen herausfinden, ob es klüger ist, (a) zu wetten, dass Gott

existiert, oder (b) zu wetten, dass Gott nicht existiert. 2.  Wenn (a) klüger ist, müssen wir uns selber konditionieren, um am Ende

wirklich zu glauben, dass Gott existiert. •  Wie die Wette aussieht •  Probleme

•  Welcher Gott ? •  Welche Konsequenzen für Glauben oder Unglauben ? •  Hypothese von Blackburn : Und wenn Gott Rationalität belohnen würde ?

Gott existiert Gott existiert nicht

Ich glaube an Gott + Unendlichkeit (Paradies) ∅

Ich glaube nicht an Gott - Unendlichkeit (Hölle) ∅

Page 18: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

GLAUBEN AUS KLUGHEIT (2) [B 164-168] Kann man sich selbst konditionieren, etwas zu glauben ?

•  Die Strategie des Konformismus, laut Blaise Pascal :

„Vom Unglauben möchtest du dich heilen und fragst nach einem Heilmittel dafür : Lerne von denen, die wie du gebunden waren und die nun all ihr Gut daransetzen. Das sind Leute, die jenen Weg wissen, dem du folgen möchtest, und die von einem Übel geheilt sind, dessen Heilung du für dich ersehnst. Mach es so, wie sie begonnen haben, nämlich indem sie tun, als ob sie glaubten, Weihwasser benutzen, Messen lesen lassen, usw. Auf ganz natürliche Weise wird das dich glauben machen und verdummen.“ •  Ist diese Strategie psychologisch wirklich

möglich ? Wie kann man vergessen, dass man sich entschieden hat, zu glauben ?

Page 19: DENKEN : DIE GROSSEN FRAGEN DER PHILOSOPHIE · • Die Suche nach früheren Ursachen ist entweder unendlich, oder ... • Wenn die Kette von Ursachen und Wirkungen unendlich ist,

DER FIDEISMUS : OHNE GRÜNDE GLAUBEN [B 168-170] Ist es manchmal rational, etwas grundlos – oder blind – zu glauben ?

•  Die Antwort von John Stuart Mill (1806-1873) •  Der Fideismus führt zum Aberglauben •  Der Fideismus entmutigt kritisches Denken

•  Die Antwort von William K. Clifford (1845-1879) •  Der Fideismus führt dazu, das zu glauben, was

man gerne glauben möchte : man glaubt, was man angenehm findet. Die Wahrheit ist aber nicht immer angenehm.

Das ethische Problem mit dem Fideismus •  Man kann seine Handlungen nicht rational

begründen, wenn es keine objektiven Gründe gibt dass die gewählte Handlung besser ist als alternative Handlungen.

•  Wenn eine Handlung Konsequenzen für andere hat und man die Handlung nicht begründen kann, bleibt oft – der Erfahrung zufolge – nur der Weg des Zwangs und der Gewalt.