Der ärztliche Behandlungsfehler im Spannungsfeld zwischen medizinischem Versagen und juristischer...

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I. Zum Thema Die Arzthaftung bezeichnet ein nachgerade klassisches Feld interdisziplinärer Kooperation. Damit Juristen auf die Fra- ge, ob das objektive Scheitern einer ärztlichen Behandlung Schadensersatzansprüche auslöst oder nicht, eine auch nur einigermaßen stichhaltige Antwort geben können, sind sie unweigerlich auf medizinischen Wissens- und Erkenntnis- stand angewiesen. Um solche Assistenz jedoch angemessen gewähren zu können, bedarf es umgekehrt eines ausgefeil- ten Rechtsprogramms, das zumindest die Normalität von Behandlungssituationen hinreichend berücksichtigt und überdies von vornherein die Leistungsfähigkeit ärztlichen Heilbemühens korrekt zur Kenntnis nimmt. Ist auch nur eines von beidem nicht gegeben, kann das Zusammenspiel nicht funktionieren. Erwartbare Folge ist dann die Flucht in juristische Konstruktionen, die schon von Rechts wegen zumindest eigenartig sind und eines mit Sicherheit verfeh- len: nämlich das problemadäquate Einfangen der Nöte so- wohl der ärzte- als auch der Patientenschaft. Genau dies ist indes der status quo! Zwar erkennt die zivi- listische Haftungsjudikatur, die auf diesem Sektor das Heft eindeutig in die Hand genommen hat und wissenschaftliche Bedenken weithin ignoriert, durchaus das Prekäre an dem gemeinten Interessenantagonismus, doch löst sie denselben eher mit scharfem Schwert als mit einer subtilen Justie- rung der beiderseitigen Belange. Kulminationspunkt ist die Rechtsprechung, die je nach der „Qualität“ des festgestellten Behandlungsfehlers entweder – und zwar mit drastischem prozentualen Überhang – die Patienten oder aber die ärzte im Nebel der Beweislosigkeit stehen lässt. Das hat manche bereits dazu veranlasst, über eine Ersetzung der Arzthaftung durch entsprechenden Versicherungsschutz nachzudenken1. Ein derartiger Ausweg mag durchaus zeitgemäß in dem Sinne sein, dass bei abnehmender Individualisierbarkeit von Handlungs- und Lebensrisiken die Versicherungs- zugleich als angemessene Problemlösung verstanden wird, die zudem den Justizapparat nachhaltig entlasten würde. Ob damit ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit geschaffen wäre, ist freilich nirgendwo belegt, denn dann müsste man sich – soll das Ganze nicht auf ein steuerfinanziertes Unternehmen hinaus- laufen – wohl um zumindest grobe Risikoeinschätzungen mit demgemäßen Prämienkandidaten kümmern. Überdies läge darin eine möglicherweise allzu voreilige Abkehr vom zivilistischen Haftungsgedanken mit seinen beiden Ziel- richtungen des Schadensausgleichs und der Schadensprä- vention2. Namentlich letztere wird bekanntlich durch eine versicherungsmäßige Schadensabnahme nicht eben beför- dert, und dies gilt umso mehr, wenn dieselbe gar nicht mehr als Absicherung von Haftungsansprüchen ausgestaltet ist. Ausgangspunkt – um nicht zu sagen: tragende Idee – der klassischen Individualhaftung ist ja die Trennung des selbst zu tragenden allgemeinen Lebensrisikos von zurechenbarer Prof. Dr. iur. Eike Schmidt, Kampworth 7, 37627 Stadtoldendorf, Deutschland Fremdeinwirkung, und es drängt sich nachgerade auf, das darauf beruhende Haftungskonzept anhand der typischen Behandlungssituation mit dem Aufeinanderprallen von be- reits angelegter Schicksalhaftigkeit und der Erwartung in deren medizinische Meisterbarkeit auf den Prüfstand zu stel- len. Es ist nämlich keineswegs schon erwiesen, dass dessen ansonsten fraglos unterstellte Begabung, Interessenkonflikte hinreichend auszutarieren, gerade bei dieser Konstellation versagen müsste. Mithin sollten sich Reformüberlegungen zur Arzthaftung zumindest auch „auf eine Fortentwicklung und Effektivierung des geltenden Rechts konzentrieren“3. Das erfordert allerdings zunächst einmal eine Verge- wisserung darüber, was denn überhaupt die Basis der hier allein in Rede stehenden Behandlungshaftung ausmachen soll, und hernach die situationsadäquate4 und deswegen nicht unbedingt den sonst üblichen Denkmustern folgende Kontrolle der gängigen Zurechnungskriterien. Anders ge- wendet: Zuallererst müssen wir uns um die Tatbestände ärztlicher Verantwortlichkeit kümmern und sodann um die daraus folgende Anpassung des vorrätigen Haftungsarsenals unter ständiger Berücksichtigung der konstellationsspezi- fischen Aufklärungsmöglichkeiten bzw. -grenzen. II. Haftungstatbestände Bevor diese Aufgaben angepackt werden, erscheint es in- des nützlich, den Blick noch ein wenig allgemeiner auf das juristische Tatbestandsdenken und namentlich auf die zivi- listische Orientierung an Haftungstatbeständen zu lenken5. Noch ohne jedwede spezifische Färbung kommen Tatbe- stände als Voraussetzung für die beliebigsten Rechtsfolgen daher. In dieser generellen Funktion versehen sie – aus welchen Gründen auch immer – die unterschiedlichsten Geschehensabläufe mit rechtlicher Relevanz, indem und weil sie daran juristische Konsequenzen knüpfen wollen. Was zunächst noch als gewissermaßen neutrale Episode im Weltenlauf anmutet, wird mit ihrer tatbestandlichen Ein- kleidung zum Rechtsereignis erhoben. So mutiert der To- desfall sogleich zum Erbfall und kann etwa der Blitzschlag in einen Versicherungsfall einmünden. Es verbleibt mithin nicht mehr beim bloßen Schicksal, wenn und soweit sich das Recht in das Geschehen einmischt. DOI: 10.1007/s00350-007-2070-y Der ärztliche Behandlungsfehler im Spannungsfeld zwischen medizinischem Versagen und juristischer Problembearbeitung – zu den unerlässlichen rechtsdogmatischen Vorgaben für eine verlässliche Konfliktbearbeitung – Eike Schmidt* MedR (2007) 25: 693 AUFSäTZE *)Der Autor war Mitglied des Direktoriums des Instituts für Ge- sundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen und neben- amtlich zwei Jahrzehnte lang als Richter in der u.a. für Arzthaf- tungssachen zuständigen 1. Zivilkammer des LGs Bremen tätig. Reinhard Damm ad finem activatis academicae zugeeignet 1) Dazu erst jüngst Katzenmeier, VersR 2007, 137ff. 2) Eingehend hierzu Brüggemeier, Haftungsrecht, 2006, S. 9ff. 3) So auch Katzenmeier, VersR 2007, 143, im Anschluss an Francke / Hart, Charta der Patientenrechte, 1999, S. 243. 4) Hier auf die allgemeine Behandlungsfrage und nicht auf den Ein- zelfall bezogen. 5) Einiges dazu u.a. bei Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, S. 31ff. 693−702

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I. Zum Thema

DieArzthaftungbezeichneteinnachgeradeklassischesfeldinterdisziplinärerKooperation.DamitJuristenaufdiefra-ge,obdasobjektivescheiterneinerärztlichenBehandlungschadensersatzansprücheauslöstodernicht,eineauchnureinigermaßenstichhaltigeAntwortgebenkönnen,sindsieunweigerlichaufmedizinischenWissens-underkenntnis-standangewiesen.umsolcheAssistenzjedochangemessengewährenzukönnen,bedarfesumgekehrteinesausgefeil-tenRechtsprogramms,daszumindestdieNormalitätvonBehandlungssituationen hinreichend berücksichtigt undüberdiesvonvornhereindieLeistungsfähigkeitärztlichenHeilbemühenskorrektzurKenntnisnimmt. Istauchnureinesvonbeidemnichtgegeben,kanndaszusammenspielnichtfunktionieren.erwartbarefolgeistdanndiefluchtinjuristischeKonstruktionen,dieschonvonRechtswegenzumindesteigenartigsindundeinesmitsicherheitverfeh-len:nämlichdasproblemadäquateeinfangenderNöteso-wohlderärzte-alsauchderPatientenschaft.

Genaudiesistindesderstatusquo!zwarerkenntdiezivi-listischeHaftungsjudikatur,dieaufdiesemsektordasHefteindeutigindieHandgenommenhatundwissenschaftlicheBedenkenweithinignoriert,durchausdasPrekäreandemgemeintenInteressenantagonismus,dochlöstsiedenselbeneher mit scharfem schwert als mit einer subtilen Justie-rungderbeiderseitigenBelange.KulminationspunktistdieRechtsprechung,diejenachder„Qualität“desfestgestelltenBehandlungsfehlersentweder–undzwarmitdrastischemprozentualenÜberhang–diePatientenoderaberdieärzteimNebelderBeweislosigkeitstehenlässt.Dashatmanchebereitsdazuveranlasst,übereineersetzungderArzthaftungdurchentsprechendenVersicherungsschutznachzudenken1.ein derartiger Ausweg mag durchaus zeitgemäß in demsinnesein,dassbeiabnehmenderIndividualisierbarkeitvonHandlungs-undLebensrisikendieVersicherungs-zugleichalsangemesseneProblemlösungverstandenwird,diezudemdenJustizapparatnachhaltigentlastenwürde.ObdamiteinMehransozialerGerechtigkeitgeschaffenwäre,istfreilichnirgendwobelegt, denn dannmüssteman sich – soll dasGanzenichtaufeinsteuerfinanziertesunternehmenhinaus-laufen–wohlumzumindestgrobeRisikoeinschätzungenmitdemgemäßenPrämienkandidatenkümmern.ÜberdieslägedarineinemöglicherweiseallzuvoreiligeAbkehrvomzivilistischen Haftungsgedanken mit seinen beiden ziel-richtungen des schadensausgleichs und der schadensprä-vention2.Namentlichletzterewirdbekanntlichdurcheineversicherungsmäßige schadensabnahmenicht eben beför-dert,unddiesgiltumsomehr,wenndieselbegarnichtmehralsAbsicherungvonHaftungsansprüchenausgestaltetist.

Ausgangspunkt–umnichtzusagen:tragendeIdee–derklassischenIndividualhaftungistjadietrennungdesselbstzutragendenallgemeinenLebensrisikosvonzurechenbarer

Prof.Dr.iur.eikeschmidt,Kampworth7,37627stadtoldendorf,DeutschlandProf.Dr.iur.eikeschmidt,Kampworth7,37627stadtoldendorf,Deutschland

fremdeinwirkung,undesdrängtsichnachgeradeauf,dasdarauf beruhendeHaftungskonzept anhand der typischenBehandlungssituationmitdemAufeinanderprallenvonbe-reits angelegter schicksalhaftigkeit und der erwartung inderenmedizinischeMeisterbarkeitaufdenPrüfstandzustel-len.esistnämlichkeineswegsschonerwiesen,dassdessenansonstenfraglosunterstellteBegabung,Interessenkonfliktehinreichendauszutarieren,geradebeidieserKonstellationversagenmüsste.MithinsolltensichReformüberlegungenzurArzthaftungzumindestauch„aufeinefortentwicklungundeffektivierungdesgeltendenRechtskonzentrieren“3.

Das erfordert allerdings zunächst einmal eine Verge-wisserungdarüber,wasdennüberhauptdieBasisderhieralleininRedestehendenBehandlungshaftungausmachensoll, und hernach die situationsadäquate4 und deswegennichtunbedingtdensonstüblichenDenkmusternfolgendeKontrolledergängigenzurechnungskriterien.Andersge-wendet: zuallererst müssen wir uns um die tatbeständeärztlicherVerantwortlichkeitkümmernundsodannumdiedarausfolgendeAnpassungdesvorrätigenHaftungsarsenalsunter ständigerBerücksichtigung der konstellationsspezi-fischenAufklärungsmöglichkeitenbzw.-grenzen.

II. Haftungstatbestände

BevordieseAufgabenangepacktwerden,erscheintes in-desnützlich,denBlicknocheinwenigallgemeineraufdasjuristischetatbestandsdenkenundnamentlichaufdiezivi-listischeOrientierunganHaftungstatbeständenzulenken5.Nochohnejedwedespezifischefärbungkommentatbe-ständealsVoraussetzungfürdiebeliebigstenRechtsfolgendaher. In dieser generellen funktion versehen sie – auswelchen Gründen auch immer – die unterschiedlichstenGeschehensabläufe mit rechtlicher Relevanz, indem undweil sie daran juristischeKonsequenzen knüpfenwollen.WaszunächstnochalsgewissermaßenneutraleepisodeimWeltenlaufanmutet,wirdmitihrertatbestandlichenein-kleidungzumRechtsereigniserhoben.somutiertderto-desfallsogleichzumerbfallundkannetwaderBlitzschlagineinenVersicherungsfalleinmünden.esverbleibtmithinnichtmehrbeimbloßenschicksal,wennundsoweit sichdasRechtindasGescheheneinmischt.

DOI: 10.1007/s00350-007-2070-y

Der ärztliche Behandlungsfehler im Spannungsfeld zwischen medizinischem Versagen und juristischer Problembearbeitung– zu den unerlässlichen rechtsdogmatischen Vorgaben für eine verlässliche Konfliktbearbeitung –

Eike Schmidt*

MedR(2007)25: 693

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Au f s ät z e

*)DerAutorwarMitglied desDirektoriums des Instituts fürGe-sundheits-undMedizinrechtderuniversitätBremenundneben-amtlichzweiJahrzehntelangalsRichterinderu.a.fürArzthaf-tungssachenzuständigen1.zivilkammerdesLGsBremen tätig.–Reinhard Damm adfinemactivatisacademicaezugeeignet

1)DazuerstjüngstKatzenmeier,VersR2007,137ff.2)eingehendhierzuBrüggemeier,Haftungsrecht,2006,s.9ff.3)soauchKatzenmeier,VersR2007,143,imAnschlussanFrancke /

Hart,ChartaderPatientenrechte,1999,s.243.4)HieraufdieallgemeineBehandlungsfrageundnichtaufdenein-

zelfallbezogen.5)einigesdazuu.a.beiDeutsch,AllgemeinesHaftungsrecht,2.Aufl.

1996,s.31ff.

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zivilrechtlichgehtsolchetatbestandstechnikzumeistmitdemAuslösenbestimmterPflichtenunddiesenkorrespon-dierendenAnsprücheneinher6.Dasführtzueinerfolgen-reichen Personalisierung und Individualisierung. Die ih-rerseitsausihrerursprünglichenIndifferenzherausgeholtenVorfälle werden auf diese Weise auf bestimmte Personenbezogen;dastorzurindividuellenzurechnungwirdaufge-stoßen.spätestensjetztscheidet,sofernmanvonderPrivat-versicherungeinmalabsieht,auchaufderRechtsfolgeseitederVerbleibinderAnonymitätaus.DahinterstecktdiegernalsaltbürgerlichbelächelteIdeevonderpersönlichenVer-antwortung,diefreilichzweiseitenhat.Wederistschutzvor sämtlichen Wechselfällen des Daseins angesagt, nochmussesfatalistischhingenommenwerden,wennandereindeneigenenLebensbereicheingreifen.IndieserGemenge-lagedenkorrekten–willheißen:auchfairen–trennstrichzwischen eigen- und fremdverantwortung zu ziehen, istgewiss vornehmliches Amt eines zum einen auf privateAutonomiesetzenden,zugleichaberauchaufderensozial-pflichtigeeingrenzungbedachtenBürgerlichenRechts.

1. Deliktshaftung

AufdasDeutlichstetrittdieseserforderniseinerstimmigenJustierungdergegensätzlichenInteressensphärenimaußer-vertraglichenHaftungsrechthervor,anhanddessendarü-ber befunden wird, ob und inwieweit schäden, die einePersonerlittenhat,ausbenennbarenGründenindieAus-gleichungszuständigkeiteineranderenfallensollen.Geläu-figistindiesemzusammenhangdasMotto„casumsentitdominus“,demzumeistgareinenatürlicheVorrangigkeitbeigemessenwird7, die erst dannweichen soll,wenndiejeweiligeBeeinträchtigungnichtmehrals„zufällig“,son-dern eher als dasWerk außenstehender erscheint.Wirddiesbejaht,soistdamitallerdingsnochkeineentscheidungüber die fremdverantwortlichkeit getroffen. sie hängt– zumal in einer Risikogesellschaft – maßgeblich davonab,obbereitsdiebloßeRückführbarkeitaufeineexterneGefahrenquelledieschadensüberwälzunglegitimierensolloderobeinebesondereRiskantheiteinerunternehmungodereinesVerhaltenshinzutretenmuss.

a)Grundlagen

zueiner allgemeinenVerursachungshaftunghat sichbe-kanntlichschondeshalbniemandverstanden,weilsichdasschlichteKausalitätskriteriumstetsauchgegendenBetrof-fenen wenden müsste8. Herausgeschält hat sich vielmehreineArtvonzweispurigkeit9mitderVerhaltenshaftungalsdurchgängigemGleis,nebendemimechoaufdiezulas-sunggesteigerter,nichtzurGänze inMenschenhand lie-genderRisikennochdieGefährdungshaftungverläuft10.eshandeltsichdabeivorabfreilichnurumeinegrundsätzlichestrukturierung11,diekeineswegsbereitseine imÜbrigenvoraussetzungslose schadenskompensation verheißt. zuHaftungstatbeständen verdichten sie sich nämlich unterAbsageaneinenpauschalenBestandsschutzerstdurchdieBenennungkonkreterInteressensbereiche,derenWahrungindiefremde(Mit-)zuständigkeitgelegtwird,sowieunterAngabespezifischerAnforderungen,diedemDrittenan-gesonnenwerden.

soferneine„besondereGefahr“inRedesteht,wirddies-bezüglichgleichsamindoppelterenumerationvorgegan-gen.NureinvonGesetzeswegenspeziellinsAugegefasstesRisikopotential (z.B. Land- und Luftfahrzeuge, atomareBetriebe und stoffe usw.) kann Ausgangspunkt für eineHaftungdesHalters,Betreibers,Inhaberssein,diezudemnurdanneffektivwird,wennsichdasfraglicheRisikoineinerBeeinträchtigung12wiederumlegislativvorgegebenerschutzzonen,densog.Rechten(exemplarisch:eigentum)undRechtsgütern(allenvoran:Leben,Körper,Gesundheit)realisierthat.Ansolcherdasklassischetatbestandsprinzip

ausmachenden„einzäunung“13wirdansonstenauchdannfestgehalten,wennlediglicheinschadenstiftendesVerhal-tenzurDebattesteht.umaberauchhiernichtjedwede,ih-rerseitsjasogargrundrechtlichverbriefteAktivität(Art.2IGG)zumpotentiellenHaftungsauslöserzumachen,wirdderWiderstreitzwischenentfaltungs-undIntegritätsinter-essenaufdersubjektivenebeneangegangen.ersteinVer-halten,dasdemgedeihlichenNebeneinanderwiderspricht,gerätzumzurechnungsfaktor.AlsMesslattedientdie„imVerkehrerforderlichesorgfalt“(§276IIBGB).MitderenHereinnahmeinden§823IBGBwirddiezunächstziem-lich apodiktisch klingende Devise des neminem laederegewissermaßen relativiert.Ohnefahrlässigkeit,die aller-dingsunterbestimmtenumständen14vermutetwird,bleibtderBetroffeneseinemschicksalüberlassen.Dasanjeder-manngerichtetesignallautetmithinaufVerschuldenshaf-tung,dieihrerseitsaufIntegritätswahrungausgerichtetist.M.a.W.:Nicht jederÜbergriff ineine fremdesphärege-reichtzurHaftung,wohlaberderjenige,dereineexklusiveinemAnderen zustehendePositionnegativ tangiertundunterAufbietungverkehrsadäquaterDiligenzvermeidbargewesenwäre.

b)DieaußervertraglicheArzthaftung

Bezieht man nun diese strukturell ziemlich simple Bot-schaft auf die medizinische Behandlungssituation undkonzentriert man sich dabei auf die Gesundheitsbeein-trächtigung als den zentralen „Aufhänger“ für die nichtauf Aufklärungs- oder Organisationsmängel gründendeArzthaftungspflicht,soverfliegtdievermeintlicheKlarheitschnellinüberraschenderWeise.

α)KonturierungsproblemeDasbeginntschonmitdemin§823IBGBverwendetenGesundheitsbegriff, dessen hinreichende Konturierungdoch allererste Voraussetzung für eine passable Abgren-zungzwischenArzt-undPatientenverantwortlichkeitseinmüsste. stattdessen ist totale fehlanzeige zu vermelden15.DabeimagdieDefinitionderWHO,wonachGesundheitder zustand vollkommenen körperlichen, geistigen undsozialenWohlbefindensbedeuten solle16, eher als gutge-meinteAbsichtserklärungdennals rechtlichhandhabbareBenennung durchgehen. Doch auch im engeren juristi-schen fachschrifttum bewendet es bei eher offenen undsomit nicht abgrenzungstauglichen formulierungen, dieum„dasfunktionierenderinnerenLebensvorgängeohneRücksichtaufdieIntegritätderOrganeundKörperteile“kreisen17 und im Übrigen in eigenartiger Logik zumeist

schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld694 MedR(2007)25:

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6) InbündigerKürzeZippelius,JuristischeMethodenlehre,8.Aufl.2003,s.28ff.

7) KritischdazuWeyers,unfallschäden,1971,s.485ff.8) s. nur Esser /Schmidt, schuldrecht – Allgemeiner teil, Bd.I,

8.Aufl.1995,§8IIa.A.9) sobereitsEsser,Jz1953,129ff.,mitBlickaufdasaußervertrag-

licheHaftpflichtrecht.10)zuderzumeistauchdieProdukthaftunggerechnetwird,wie-

wohldieselbemitdemHaftungsgrunddernichtvollbeherrsch-barenGefahrenquelleweniggemeinhat.

11) s.auchBrüggemeier (fn.2),s.12ff.12)Der an dieser stelle gängige Verletzungsbegriff wird aus erst

späterdeutlichzumachendenGründenbewusstnochnichtbe-nutzt.

13)KeinschadensersatzfürDrittbetroffene!14) Nämlich–wiedie§§831ff.BGBausweisen–beigewissenRisi-

kopotentialen,diezwarnochnichtzurAufnahmeindenKatalogderGefährdungshaftungsquellengenügen,wohlaberbesonderesicherungsvorkehrungendesGefahrzuständigenerfordern.

15)AusführlichdazuHeidelk,GesundheitsverletzungundGesund-heitsschaden,2005,s.31ff.

16) „stateofcompletephysical,mentalandsocialwell-being“.17)Vgl.etwaWagner,in:MüKo/BGB,Bd.5,4.Aufl.2004,§823,

Rdnr.17.

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bereitsausderVerletzungsperspektivegemachtwerden,in-demz.B.voneiner„störungderphysischen,psychischenodermentalenBefindlichkeiteinesMenschen“18dieRedeist oder davon, dass der „Ablauf der inneren Lebensvor-gänge“beeinträchtigtwerde19.VollendspragmatischwirdesinderarzthaftungsrechtlichenPraktikerliteratur,inderdieGesundheitdurchwegüberhauptnichtmehreigensan-gesprochenundderenBeeinträchtigungoffenbaralsnichtnäher zu problematisierendes Phänomen betrachtet wird.Dem entspricht zuguterletzt die Judikatur, die sich nir-gendwoexplizitmitdertatbestandlicheneingrenzungderGesundheitundihrerVerletzungbefassthat20.freilichbie-tetdiesbezüglichauchdieMedizinwissenschaftkeinehilf-reicheHand,wasdenVerfassereinereinschlägigenstudiegar zuderfeststellungveranlassthat,dass zumindestdasGros der niedergelassenen ärzte in seinem Gesundheits-verständnisnichtüberLaienniveauhinausreiche21.Dasbe-stätigt–eherunfreiwillig–wohlauchderPschyrembel,indem„das subjektiveempfindendesfehlenskörperlicher,geistiger und seelischer störungen oder Veränderungenbzw.einzustand, indemerkrankungundpathologischeVeränderungen nicht nachgewiesen werden können“ inAbsetzung von der WHO-formulierung als Gesundheiti.e.s. bezeichnetwird.Mit solcher subjektivierungwirddem vermeintlichen schutzgut nun vollends die trenn-schärfegenommen,aufdieeinaufdastatbestandsprinzipsetzendesDeliktsrecht angewiesen ist, um seiner funkti-oneinerhinreichendenAbgrenzungzwischeneigen-undfremdzuständigkeitauchnuransatzweisenachzukommen.

DochhatesdabeikeinBewenden!DienormaleBehand-lungssituation zeichnet sich ja just dadurch aus, dass derPatient(sic!)nichtimwieimmerauchverstehbarensinnegesund, sondern bereits erkrankt ist22, und zwar mit dertendenzzurAusweitungseinespathologischenzustands.DamitgeräteinweiteresessentiellesMomentderDelikts-haftunginsWanken,nämlichderVerletzungsbegriff.Die-ser wird gemeinhin23 i.s. einer Integritätseinbuße odereiner Verringerung des vorrätigen Bestands an RechtenoderRechtsgüternverstandenundorientiertsichinsoweitanstatischenzuständen,indiemitdemResultateinesMi-nus zum status quo ante eingegriffen worden ist. Genaudieses–nochnichtschadensrechtliche–DifferenzdenkenbereitetnunaberbeiderBehandlungschonangegriffenerOrganismenschwierigkeiten.zwarkönnenwirunsohneWeiteresvorstellen,dassaucheinebereitsversehrtesachenoch deliktisch geschützt ist, nämlich vor weiteren Be-schädigungen.Abgesehenvonderzurechnungsfrage,diesichbekanntlichvorallembeidensog.Weiterfresserschä-denstellt24,istdasMinusaberunschwersistierbar,weilderendzustand wiederum statisch ist. Demgegenüber findetdie im Behandlungsfall längst angelegte organische stö-rungkeinendermaßendefinitivenstillstand.sie istviel-mehr Ausgangspunkt für beliebige Weiterungen, denenunstrittigdurchmedizinischeInterventionnichtzwingendbeizukommenist.

spätestensjetztfragtessich,wasdannüberhauptdenob-jektivenDeliktstatbestandderBehandlungshaftungausma-chensoll,ohnedessenVorliegensichbeikorrektemdog-matischenVorgehendaseingehenaufdiesubjektiveebene,dieBehandlungsqualität,erübrigenwürde.Dabeikönnendiejenigenfälle, in denendurch ärztlichesHandeln völ-ligneueKrankheitsherdegeschaffenwordensind25,ebensovernachlässigtwerdenwiediejenigen,indenenanfalscherstelleoperiertwordenist26odereinVergreifenimMedika-mentenschrankzubisdatonichtvorhandenenorganischenstörungen bis hin zu Vergiftungen geführt hat. sie ma-chendieverschwindendeAusnahmeaus,wohingegensichdieweitausüberwiegendeAnzahldereinschlägigenKon-flikte dadurch auszeichnet, dass die AusgangserkrankungzwarGegenstandderärztlichenBemühungengewesenist,dieselbenjedochnichtdenpatientenseitserwarteten„Hei-

lungserfolg“ gehabt haben. Das hat Mertens27 immerhindazu veranlasst, den konventionellen Vergleich zwischendenbeidenzuständenvorundnachderBehandlungaufzu-gebenundstattdessendaraufabzustellen,mitwelchemRe-sultatmanbeiordnungsgemäßemmedizinischenVorgehenhätterechnenkönnen.AlsVerletzungerscheintdanndasunterschreitendiesessollzustands.

β)HereinnahmevertragstypischerAspekteDamit erhält die deliktische Arzthaftung allerdings einevöllig neueKomponente.Nichtmehr der dasRecht derunerlaubtenHandlungendocheigentlichprägendeAspektder Integritätswahrung steht im Vordergrund, sondernebenbesagterHeilungserfolg28,derimbestenfallaufWie-dergenesung–d.h. auf einen zuBehandlungsbeginngarnicht gegebenenzustand–hinausläuft und sich imÜb-rigenjedenfallsalsunterbrechungdessonstschicksalhaftenVerlaufs darstellt.Hinzu kommt die für dasDeliktsrechtgleichfalls atypische Verquickung des Verletzungstatbe-standsmitderVerhaltensqualität.Diesesichtweiseführtimeffektdazu, dass dieNichteinhaltungderprofessionellenBehandlungsstandardsnachgeradezumKonstitutivelementderDifferenzbetrachtung erhobenwird.Besonders deut-lichwirddiesetwabeiCanaris,deressogaralsunstreitigbezeichnet,„dassärztlicheKunstfehler…Gesundheitsver-letzungen i.s. des §823 I BGB darstellen“29. VermutlichtendiertauchdieJudikaturzudiesemstandpunkt,prüftsiedochindenhieralleinzurDebattestehendenNormalfällennirgendwoexplizitdasVorliegeneinerentsprechendenBe-einträchtigung.Vielmehrkonzentriertsiesichaufdiefest-stellungeinesärztlichensorgfaltsverstoßesundschließtvondaher,soferneinbesseresHeilergebniserwartbargewesenwäre,aufeinedemgemäßeGesundheitsverletzung30.

Die darin liegende Abkehr vom allgemeinen noli metangere und Hinwendung zur spezifischen salus aegrotii-zielrichtung der ärztlichen zunft soll hier nicht getadeltwerden. es fragt sich aber, ob der damit einher gehendeWechselvonderIntegritäts-zurLeistungsperspektivenichtrechtsdogmatisch besser eingefangen werden könnte. Dastraditionelle Deliktsrecht bot ja gewissermaßen nur denNotnagel, weil bis vor kurzem lediglich §847 BGB dasim Arzthaftungskonflikt dominante schmerzensgeld ver-hieß. Die seinerzeitigen BGB-Verfasser hatten jedenfallsdieBehandlungssituationüberhauptnicht imVisier31undgingenbeidervonihnenauchnichteigensumschriebenenGesundheitsverletzung offenbar davon aus, dass darunter

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18)Larenz /Canaris, Lehrbuch des schuldrechts, Bd.II 2, 13.Aufl.1994,§76II1a.

19)u.a.Katzenmeier,Arzthaftung,2002,s.111.20)einschlägigeAnalysebeiHeidelk (fn.15),s.69ff.m.ergebnis

s.85f.21) Franke, Die medizinischen Probleme des Gesundheitsbegriffs,

1970,s.87ff.22)Auch darauf weist Heidelk (fn.15), s.64ff., zutreffend hin.

s.auchdies.,KritV2005,137ff.23)IntensivereBefassungenvongenerellemGehaltmitdiesemBe-

griffsindnichtauffindbar.24)s. nur Kötz /Wagner, Deliktsrecht, 10.Aufl. 2006, Rdnrn.

149ff.25)Vgl.etwadieInfektionsfälleBGHz8,243ff.(Lues)u.BGHz

114,284ff.(HIV).26)z.B.wirddiegesundestattderkrankenNiereentnommen.27)Mertens,in:MüKo/BGB,Bd.5,3.Aufl.1997,§823,Rdnr.363;

vonWagner inder4.Aufl.nichtübernommen.28)s.auchWeyers,Vhdlgn.des52.DJt,1978,Bd.I,A21:misslun-

geneHeilung.29)Larenz/Canaris(fn.18),§76IIga.A.30)s.nochmalsdiein(fn.20),angeführteAnalysevonHeidelk.31) Weder die Motive noch die Protokolle geben etwas Anderes

her.

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eine extern veranlasste Integritätseinbuße – nicht andersalsbeidenübrigenimKatalogdes§823IBGBangeführ-tenschutzpositionen–zuverstehen sei.Derdamitkaumkompatibleerwartungshorizontdürfteihnenhingegenbeider außervertraglichenHaftungsregulierung fremdgewe-sensein,unddaslässtsichauchnichtdurchdieindiesemzusammenhangallseitsbemühteGarantenstellung32über-spielen.MitderfigurdesGarantenwirdausderVielzahluntätigGebliebenerderjenigeherausgenommen,demausden unterschiedlichsten Gründen ein aktives eingreifenangesonnenwird33.seinePassivitätwirdsozumjuristischrelevantenunterlassen.DamitverändertsichjedochnichtsamInhaltdesjeweiligenPflichtgebots.LautetesaufIntegri-tätswahrung,sobleibtesdabei.DieumpolungaufeineArtLeistungsakzentlässtsichzumindestnachkonventionellemDeliktsverständnisaufsolcheWeiseauchnichtfürdendieBehandlungaufnehmendenArztbewerkstelligen,zumal–wiehernachnochgenauerzubeleuchtenseinwird–derenerfolgnichteinmal„garantiert“werdenkann34.Dochda-mitbefindenwirunsbereitsimÜbergangzurvertraglichenVerantwortung,dernunmehrunserAugenmerkgilt.

2. Vertragshaftung

Auchbeiihristesvorderhandnützlich,sichderAusgangs-punkte zu vergewissern, von denen aus in verständigerKonsistenz an den Interessenabgleich zwischen den Be-teiligten herangegangen werden kann35. Nunmehr prägtnichtmehrdasaufeingriffsvermeidunggerichtete,exlegeregulierte Nebeneinander die jeweiligen Beziehungen,sondern das prinzipiell auf freiem entschluss beruhendeundprimäraufVeränderungzielendeMiteinander36.Diezäunesindgewissermaßenfürkurzezeit,ggf.aberauchauflängereDauerentferntworden,unddaserfordertna-türlicheinegegenüberdemDeliktsrechtgrundlegendneueRisikoabstimmung. solches zeigt sich bereits dort, wozwarnachwievorIntegritätsinteresseneineRollespielen,deren Verletzlichkeit jedoch wegen des mit Vertragsvor-bereitung und -schluss einher gehenden gesteigerten so-zialenKontakts37 erheblichzugenommenhat.Daraufhatder Gesetzgeber nach einer mit dem stichwort „positiveVertragsverletzung“ gekennzeichneten richterrechtlichenArrondierung bekanntlich in der Weise reagiert, dass erunter erweiterung der genuin deliktsrechtlichen schutz-positionen um den Vermögensbestand in §241 II BGBdie Bewahrungspflichten auch mit obligationsmäßigemCharakterversehenhat38.Dassdarinnichtnureine aka-demischeRemedurliegt,wirdspätestensanderPersonal-verantwortlichkeitsichtbar,dernichtmehrmitdement-lastungsbeweisnach§831I1BGBbegegnetwerdenkann,sonderndieungeschmälertnachMaßgabedes§278BGBzutragenist.Dochinteressiertdiesinunseremzusammen-hangeheramRande,weildieBehandlungssituationbereitsabovowenigbisgarnichtsmitderklassischenschutzper-spektivegemeinhat.NatürlicherwartendiePatienten,dasssichihreLagedurchdieärztlicheInterventionnichtnochzusätzlichverschlechtert.IhrHauptanliegenistundbleibtjedoch eine – gemessen an einem ungezügelten Krank-heitsfortlauf–zustandsverbesserung.

a)Grundlagen

Dies aber führt zum eigentlichen Charakteristikum derVertragshaftung,die andieNichteinlösungeines recht-lichrelevantenVersprechensanknüpft,daswiederumaufdaserbringeneiner–wieauchimmergearteten–Leis-tung lautet. Die daraus resultierende stoßrichtung un-terscheidetsichfundamentalvonderauffortbestanddesstatus quo zielenden Deliktsparole. Die von dieser ein-gefangenen erhaltungsinteressen werden abgelöst durchvom Inhalt der jeweiligen Abmachung abhängige Ver-änderungs-bzw.erwartungsinteressen.Damitwird zu-

gleichdiefürdieaußervertraglicheHaftungsignifikanteOrientierung an schutzgüterkatalogen aufgegeben. Dienunmehr inRedestehendenVerantwortungstatbeständefolgendenindasBeliebenderParteiengegebenenLeis-tungszusagen, sie sind gewissermaßen deren echo. fürunsere zwecke genügt es freilich, die beiden Hauptak-zentehervorzukehren.DaseineMalgehtdasVersprechenaufdieHerbeiführungeinesbestimmtenerfolgeszumeistgegenständlicher Art39, zum anderen auf die Vornahmevontätigkeiten,diezwaraufdieBegünstigungeineser-folgsgerichtetseinmögen,desseneintrittabernicht„ga-rantieren“könnenoderauchnursollten.Jenachsolchererfolgsbetonungverläuftdennauchdaskorrespondieren-deHaftungsmuster.

Wird gegenständliche erbringung geschuldet, wasi.d.R. auch die einhaltung der versprochenen Qualitätumfasst40, so gilt jedwedes Minus – von der Nicht- bishin zur schlechtleistung– als objektiveVertragswidrig-keit, deren haftungsmäßigenKonsequenzen der schuld-ner, sofern dasObund dieMangelfreiheit der Leistungnichtsogarunbedingtzugesagtwordensind,nurnochmitdem Nachweis entgehen kann, dass das scheitern nichtan ihm gelegen habe. Das ist jedenfalls die aus §280 IBGBersichtlicheund in§§281–283BGB lediglichmo-difizierte Grundaussage. Aus ihr folgt, dass die im un-terschreiten des Vertragssolls liegende LeistungsstörungdenobjektivenHaftungstatbestandausmachtunddassandessenVerwirklichungeineVerschuldensvermutung zu-lastendesLeistungspflichtigenangeschlossenwird41.Da-mitsinddieRisikozoneneinigermaßendeutlichvonein-ander abgegrenzt. In ersterLiniehatderschuldner sein„Leistungsrevier“zubeackern.Beschaffung,Herstellung,Übereignung und Überlassung liegen einschließlich desQualitätsobligosinseinerHand,unddemgemäßistauchdas Maß seiner Anstrengung ausgestaltet, das sich nachden jeweiligen Verkehrserwartungen richtet42. Überdieswirder,daersichjaausfreienstückenindie„Lieferan-tenrolle“begebenhatundzudemnäheramLeistungsge-schehenbefindet,mitderAufklärungslastbefrachtet.erstwennnichtbeherrschbareAußeneinflüssenegativaufdenerbringungsversuch eingewirkt haben oder derselbe gar

schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld696 MedR(2007)25:

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32)statt aller Steffen /Pauge, Arzthaftungsrecht, 10.Aufl. 2006,Rdnr.89.

33)Näheres bei Esser /Schmidt, schuldrecht – Allgemeiner teil,Bd.II,8.Aufl.2000,§25III2.

34)DassderGarantkeiner(mehr)ist,wennerdaszuVermeidendenichtmit sicherheit hintanhalten kann, ist übrigens spätestensbeiderDimensionierungseinerPflichtenallgemeinanerkannt.

35)Grundsätzlich zur Vertragshaftung Esser /Schmidt (fn.33),Kap.5.

36)Der damit nicht unbedingt konforme vertragliche Drittschutzkannhiergetrostvernachlässigtwerden.

37)Grundlegend Ballerstedt,AcP151(1950/51),501ff.38)Dazu in aller Kürze Schmidt, schuldverhältnis, 2004, Rdnrn.

25ff.,45ff.39)z.B.Lieferungeinersache,HerstellungeinesWerks,aberauch

zahlungvonGeld.40)DiestetsgleichermaßenrelevantezeitlicheDimensionistfürun-

sereAbsichtenohneBelang.41) eherbeiläufigergibtsichübrigensdaraus,dassdieunmöglich-

keitentgegenderh.M.–repräsentativEmmerich,DasRechtderLeistungsstörungen,6.Aufl.2005,§2–garkeineneigenständi-genLeistungsstörungstatbestandausmacht. IhrVorliegen führtzwarzurentbindungvonderprimärenLeistungspflicht,nichtaber–wie§§283,311aBGBdennauchklarstellen–zumvorzei-tigenHaftungsausschluss.InsofernmagsieeindurchaushäufigerfaktischerGrund(vonderzerstörungüberdieIrreparabilitätbishinzurzeitüberschreitung)fürdiemangelhafteVersprechens-einlösungsein,andiealleinjedochdieersatzzuständigkeitge-knüpftist.

42)zueinschlägigenökonomischenAspektenWehrt /Schäfer,KritV1992,358ff.,374ff.

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durchausderGläubigersphäreherrührendefaktorentor-pediertworden ist, ändern sichdieHaftungsvorzeichen.Dann fehlt es entweder am sorgfaltsverstoß oder wirdzumindesteineMitverantwortlichkeitdesGläubigersi.s.des§254BGBangenommen.

Durchaus anders liegen die Dinge hingegen bei densog. tätigkeitsschulden. zwar hat der Gesetzgeber of-fenbargemeint,auchsiezwanglosunterdenBegriffderPflichtverletzung43 bringen und – wie der als Ausnah-mevorschriftgedachte§619aBGBbestätigt–demzufol-geohneWeiteresderHaftungsstrukturdes§280IBGBeinverleiben zu können44, doch wird schnell erkennbar,dassdieseeinheitsversionihretückenhat.Wennnämlichkeinerfolg,sondernallenfallseinHinwirkenaufihnver-sprochenwordenist,dannkönnenausdessenAusbleibenauchkeinerleischlüsseaufeineentsprechendeKompensa-tionszuständigkeitgezogenwerden.AbweichendvondenLeistungsstörungen, die zunächst einmal rein objektivdaherkommenundalssolchenochohneVerhaltensbezugsind45, fehltesmithindemaufbloßetätigkeitgemünz-tenVertragssollaneinemhartenHaftungskernundmussdeshalbdiezugehörigeVerantwortlichkeittatbestandlicheigenständigbestimmtwerden.AmehestenmagsichnochdiepraktischallerdingsseltenanzutreffendePassivitätderlegislatorischenGenerallinienähernmitderKonsequenz,dassbereitsdasAusbleibendergeschuldetenHandlungzurobjektivenVerantwortlichkeitunterdemVorbehaltgenü-genderentschuldigungführt46.Beiausgeführtertätigkeitmit–ausGläubigersicht–negativemAusgangisthinge-gen,weil ihrerfolgreichesendeebennichtversprochenworden ist, eine derartige tatbestandsgliederung nichtmöglich.folglichkannnichteinobjektivierbaresMinusden„Haftungsanker“ausmachen.VielmehrmussmangelssonstvorrätigerKriteriendieQualitätdertätigkeitsleis-tung zum Bezugspunkt der Risikozuordnung erhobenwerden.Dasbedeutet,dasserstundalleindieschlechter-bringungi.s.einesunterschreitensdernach§276IIBGBgebotenen sorgfalt die Pflichtverletzung ausmacht unddemzufolgeauchkeinRaumbleibtfürdiein§280IBGBvorgeseheneDifferenzierungineinevomGläubigernach-zuweisende objektive tatbestandsverwirklichung undeinevomschuldnerzubelegendesubjektiveentlastung47.ÜberraschenderweiseverhältsichdiejuristischeKommen-tar-undLehrbuchliteraturhierzuäußerstreserviert,undauch im sonstigen schrifttum wird die Kongruenz vonPflicht-undsorgfaltsverletzungbeidenhierbesondersre-levantenDienstleistungennurgelegentlicheingeräumt48.WirhaltengleichwohldaranfestundweisenzugleichaufeineunshernachnochbeschäftigendeImplikationhin:Daderzwarerhoffte,jedochnichtversprocheneerfolgnichtzumtatbestanddertätigkeitshaftungzählt, gehört seinsich inwelcherWeise auchmanifestierendesAusbleibenauchnichtzurHaftungsbegründung!

b)DievertraglicheArzthaftung

DamitistderBodenbereitetfürdasAusmessenderVer-antwortungsbereichezwischenArztundPatientimRah-meneinesBehandlungsvertrags.AuchhierrichtetsichdieHaftungs-undRisikozuständigkeitzuallererstnachInhaltundReichweiteder konkretenVerabredung.Wird etwaeine Operation als völlig gefahrlos hingestellt und hin-zugefügt,danachwerdealleswiederbestenssein,sokanndarinu.u.eineGarantiedesArztesgesehenwerden,dieeinenstreitüberdasVerschuldenentbehrlichmachtundüberdiessogardenHinweisaufüberraschendeKomplika-tionenversperrt.AuchmagesdurchausBehandlungsme-thodengeben,diesoausgereiftsind,dasssieumfassenderKontrolleunterliegenund–zumalbeileichterenBefind-lichkeitsstörungen – gemeinhin zu vollständiger Gene-sungführen.Daskanndannggf.sogardieAnnahmeeinesWerkvertragsrechtfertigen.

α)DiePflichtenstellungDieNormalitätwirdvonsolchenfällenfreilichnichtab-gebildet.sieliegtvielmehrdarin,dassbeimPatientendasLeidenbereits ausgebrochen ist undder vondiesem auf-gesuchte Mediziner zunächst nicht einmal über Art undumfang der Krankheit Bescheid weiß, geschweige dennüber die erfolgsaussichten einer noch einzuschlagendentherapie.unterdiesenRegelumständenlässtdieÜbernah-mederBehandlungohnefalscheHoffnungenerweckende„Begleitmusik“ lediglich auf die Bereitschaft des Arztesschließen, sich der Angelegenheit konstruktiv anzuneh-men;undausPatientensichtwirddiesvondererwartunggetragen,dassdabeilegeartisvorgegangenwerde.Darüberhinaus gehende Vorstellungen, wenn sie denn überhauptzursprachekommen,findenjedenfallskeineneingangindieAbmachungen.schongarnichtwirddernatürlichstetsvorhandene Genesungswunsch zur rechtlich fundiertenPflichtaufgabe gemacht. Die juristischen Konsequenzensindeindeutigundwerdendennaucheinhelliggezogen:DerArztvertraghatDienstleistungscharakter49,unddamithandeltessichbeimärztlichenBehandlungsobligoumeinereinetätigkeitsschuld50,diezwaraufdassachgerechteBe-mühenumeineGesundungdesPatientenoderwenigstenseineLinderungdesKrankheitsverlaufsgerichtetist,derlei„erfolge“jedochnichteinbegreift.

DiedogmatischenKonsequenzendrängensichnachgera-deauf:MateriellrechtlichmarkiertderBehandlungsfehlerdiePflichtverletzungi.s.des§280I1BGB;unddadieserinderNichteinhaltungdergebotenenmedizinischenVor-gehensweisebesteht,diezwanglosalsarztspezifischeVer-siondesin§276IIBGBals„Vertretungsmoment“genann-tensorgfaltsverstoßesverstandenwerdenkann,bleibtauchhierfürdasmit§280I2BGBangepeiltesplittingkonzeptkeinRaum51.Auf dieVersuche, dasselbe gleichwohl da-durchzu retten,dass anhandeinerDifferenzierungzwi-schenäußererundinnerersorgfaltdieNachweisobliegen-heiten zwischen Patienten und ärzten „gesetzesgemäß“aufgeteilt werden52, braucht an dieser stelle nicht nähereingegangen zuwerden.ungleich bedeutsamer ist näm-licheinAnderes:erschöpftsichdertatbestanddermedi-zinischenPflichtverletzungbeimHeilbehandlungsvertragim Behandlungsfehler, so ist mit dessen feststellung dieHaftungsgrundlagegegeben.AllesWeiteregehörtzudenVerletzungsfolgen,worauserhellt,dassauchdieGesund-heitsbeeinträchtigung53 kein element der Haftungsbe-gründungdarstellt!

MedR(2007)25: 697schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld

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43)AusführlicheDarstellungbeiMückl,JA2004,928ff.;Wilhelm,Jz2004,1055ff.

44)DengesamtenvonCanaris unterdemtitel„schuldrechtsmoder-nisierung2002“zusammengestelltenMaterialien istnichtein-maleinHaucheinerProblematisierungobsolcherPauschalitätzuentnehmen!

45)AndersfreilichSchäfer,JA2003,600ff.,inVernachlässigungdesumstands,dassbeimRücktritt,der in§323BGBhinsichtlichseinerobjektivenVoraussetzungeninbewusstemeinklangzumKonzeptder§§280ff.BGBausgestaltetist,dieVerhaltensdimen-sionkeineRollespielt.

46)Über die Letztzuständigkeit zur schadenstragung wäre damitfreilichauchnochnichtentschieden.

47)ergänzendnochSchmidt (fn.38),Rdnrn.193f.48)AusjüngsterzeitistLorenz,Jus2007,213,214,zunennen.49)stattallerWeidenkaff,in:Palandt,BGB,66.Aufl.2007,einf.vor

§611,Rdnr.18.50)VertiefenddazuKatzenmeier (fn.19),s.99ff.51) IndieseRichtungwohlauchBGH,NJW2003,2311ff.,unter

VerweisaufBGHz113,297,303f.52)s. namentlich Deutsch, Jz 2002, 588, 590ff.; Spickhoff, NJW

2002,2530,2535ff.53)Wieauchimmersienochzukonturierenseinmag;dazuhernach

subγ.

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β)BeweisrechtlicheKonsequenzenebendiesmüsstesichnatürlichauchaufdiebeweisrecht-lichenAnforderungenauswirken.Verstehtman–wieall-gemeinanerkannt54–daszusammenspielder§§286,287zPO dahin, dass §286 zPO namentlich die Haftungs-grundlegung betrifft, wohingegen sich §287 zPO derHaftungsfolgenannimmt,sowärendiedarauswiederumresultierendenunterschiedlichenBeweismaßevorgezeich-net. Lediglich der ärztliche Missgriff müsste mit „an si-cherheitgrenzenderWahrscheinlichkeit“55belegtwerden,wohingegendessenAuswirkungennurmitüberwiegenderWahrscheinlichkeitnachzuweisenwären56.MithinnähmeauchdieermittlungderKausalitätzwischenBehandlungs-fehlerundHeilungsfehlschlaganderHerabsetzungdesBe-weismaßesteil.

AufdenerstenBlickerscheintdiesesResultatgewissge-wöhnungsbedürftig,zumal§287IzPOschonnachseinemWortlauteindeutigaufeinenschadenunddessenentste-hungbzw.dessenumfangabstellt.DaskorrespondiertmitdergeläufigentrennungzwischendemHaftungsrecht,dassichumdasentstehenderjeweiligenAnsprüchekümmert,unddemschadensrecht,dasderenAusfüllunggewidmetist,undesentsprichtderu.a.aus§280IBGBsowieaus§823IBGBersichtlichenzweigleisigkeit,derzufolgederschadenundseinersatzimAnschlussaneinePflicht-,Rechts-oderRechtsgutsverletzungalspotentielleRechtsfolgethemati-siertwird57.Legtmandieszugrunde,soerscheintalleindiemonetäre Haftungsausfüllung dem §287 zPO vorbehal-tenzuseinundallesihrVorangehendeausschließlichunter§286zPOzufallen–alsoauchdieGesundheitsbeeinträch-tigung,diejedenfallsnichtzwanglosderRechtsfolgeseitezugeordnetwerdenkann.tertiumnondatur?

Dassdieser„dritteWeg“dochirgendwieeröffnetwer-denmuss,lässtdieeinschlägigeArzthaftungsjudikaturdesBGHselbsterkennen,diesich–wenngleichohnedogma-tischenAusweis–seitlangemvonderdaszusammenspielder§§286,287zPObeherrschendenBegrifflichkeitverab-schiedethat58.Daswirdvorallemamterminus„Gesund-heitsschaden“ sichtbar,mit demnicht etwadie sichnach§§249ff. BGB richtende Kompensation materieller ein-bußenundimmateriellerNachteilegemeintist.Vielmehrwerden darunter diejenigen physischen und psychischenWeiterungen verstanden, die aus einer „unmittelbarenGesundheitsverletzung“ resultieren59. solche sekundärenBeeinträchtigungen,dienachklassischerVorstellungnochdemVerletzungsbereichzuzuordnenwären,geratensozu„folgeschäden“, die dann konsequent unter §287 zPOverortetwerden60.

Mag dieserterminologiewechsel auch fragwürdig undaus sichherauskaumüberzeugendsein, sowirdmit ihmdocheinegewissesensibilitätdafürerkennbar,dassbeidergescheitertenärztlichenHeilbehandlungdergängigeDua-lismusoffenbarzukeinerangemessenenRisikoverteilungführt.zumindest ist er das signal für ein eigenständigesBetrachtungserfordernis,zudemdannallerdingsauchdiedurchaus vorhandenen dogmatischen Gründe offengelegtwerdensollten,dieletztlichsogardieeinigermaßenkünst-lichanmutendeDifferenzierungzwischenPrimär-undse-kundärverletzungenentbehrlichmachenkönnten.

γ)MedizinischesVersagenundherkömmlicheVerletzungsauffassungDazuistandasbereitserarbeiteteanzuknüpfen.Dietradi-tionelleVerletzungs-undschadensdistinktionlebt,soweitesumdieIntegritätswahrunggeht,vomunserHaftungs-rechtauszeichnendenenumerationsprinzip(s.oben,subII.1.a)),dankdesseneinpauschalerVermögensschutzausge-schlossenunddas an sichbei jedermannvorhandene In-teresseankompletterBesitzstandswahrungaufdiejenigenschadenszufügungen reduziert wird, denen ein eingriffineineexklusivzugewieseneRechtspositionvorangegan-

gen ist61. Die damit bezweckte Risikoeingrenzung wirdvon dem Gedanken getragen, dass in einer industriellenMassengesellschaft, die zudem auf freie entfaltung undökonomischeKonkurrenzsetzt,nichtschonjedwedeBe-einträchtigungzumAuslöservonersatzpflichtengemachtwerdenkann.Vielmehrbedarfesdazueinergewissensozi-altypischenOffenkundigkeitderzugangsbarrieren62,dieeserlaubt,„aufGrundderWahrnehmbarkeitdesbetreffendenGegenstandes auf den schutz des entsprechenden Rechtsbzw.Rechtsgutszuschließen“63.DasssolcheAbgrenzungmitihreruniversellenWarnfunktionbeiderHeilbehand-lungwenigsinnmacht,brauchtnachdemvorhin(s.oben,subII.1.b)α))Gesagtennichtmehreigensnachgewiesenzuwerden.Bei ihrgehtesvonvornhereinnichtumdiesicherungvorunbotmäßigenÜbergriffenundzumalnichtalleinumBestandserhaltung.folglichfügtsichdieDurch-kreuzungderGesundheiterwartungenganzgenerellnichtindasdeliktsrechtlicheVerletzungsschema.

Das gilt übrigens auch hinsichtlich der obligationsmä-ßigen,nunmehrin§241IIBGBbeheimatetenIntegritäts-wahrung.zumindestbezüglichderdortgenanntenRechteundRechtsgüter64ergibtsichkeinerleistrukturelleVerände-rung.ImGrundehandeltessichbeidenfraglichenschutz-pflichtennachwievorumsolchedeliktischenursprungs,deren Hereinnahme in den Vertragskonnex bekanntlichdiePosition des schutzberechtigten verstärken soll: näm-lich zumeinen viaAblösung des §831BGBdurch §278BGB (Personalrisiko) und zum anderen perVeränderungderBeweislastverteilunghinsichtlichderVerschuldensfrage(§280I2BGBstatt§823IBGB).Darüberhinauserscheintes durchaus voreilig, die Heilbehandlungspflicht bei denschutzpflichten zu verorten65. Dagegen spricht ihr längst(s.oben,subII.1.b)β),2.b)α))erkannterLeistungscharak-terundderumstand,dassdieGesundunggeradenichtzumLeistungsprofilzählt.Diehierausfolgendeeinordnungalstätigkeitsgeschäft wäre revoziert, wenn man die auf derLeistungsebene nicht geschuldete Gesundung kurzerhandzumschutzzieli.s.des§241IIBGBerhebenwürde.

Wasmithinoffensteht,sinddieAntwortenaufdiefra-gen, wie bei bloßen tätigkeitsverträgen die klassischezweiteilunginVerletzungundschadenbzw.indieHaf-tungsbegründung und die imschadensfall alsRechtsfol-ge an sie anknüpfendeersatzverpflichtung bewerkstelligtwird66undinwieferndieGesundheitsbeeinträchtigungalsMinus gegenüber dem bei korrekter Behandlung erziel-barenHeilerfolgdarineinpassbaristodernicht.

HinsichtlichvonDienst-undArbeitsvertragalsdenvor-nehmlichenRepräsentantendieserGattungfälltvorderhandauf,dasseinGroßteilvonihnenüberhauptkeinensächlichen

schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld698 MedR(2007)25:

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54)Vgl.etwaFoerste,in:Musielak (Hrsg.),zPO,5.Aufl.2007,§287,Rdnrn.4f.;sowieRosenberg /Schwab /Gottwald,zivilprozessrecht,16.Aufl.2004,§113II3.

55)zudieserformelu.a.BGHz53,245,255f.56)InsofernnachwievorgrundlegendArens,zzP88(1975),1ff.57)Auch §304 zPO folgt mit seiner Differenzierung zwischen

„Grund und Betrag“ eines Anspruchs noch dieser Aufgliede-rung.

58)s.bereitsmeineBemerkungenKritV2005,177,189.59)soschonBGH,NJW1970,1230f.;seitherst.Rspr.60)exemplarischBGHz132,341ff.u.137,142ff.61) s.nochmalsBrüggemeier(fn.2),s.12ff.62)DazugrundlegendFabricius,AcP160(1961),273,290ff.63)Larenz /Canaris(fn.18),§76I1b.64)Wegen der zusätzlich angeführten Interessen, deren Bewah-

rung nur auf eigens zu ermittelnde Vermögenssorgepflichtengestützt werden kann, Schmidt (fn.38), Rdnrn. 53ff., 196,215ff.,286f.

65)sou.a.Emmerich(fn.41),§22(2b).66)WasdieangegenständlichererbringungorientiertenLeistungs-

störungenangeht,istbereitsoben,subII.2.a),dazudasNötigegesagtworden.

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Objektbezug hat, sondern – wie etwa das Anwalts- odersteuerberatungsmandat – imWesentlichen auf die förde-rungvonVermögensinteressengerichtet ist.Indiesenundähnlichenfällenbereitetdassplittingkeinerleischwierig-keiten.DerfehlerhafteRatbzw.dieunzureichendeAufklä-rungbegründendieHaftung,undinderenGefolgeistder-jenigematerielleschadenzuersetzen,deraufdasunkorrekteVorgehenzurückzuführenist.Dabeiwirddavonausgegan-gen,dasssichderBetroffene,sofernerseinerseitsnochaktivwerdenmusste,andiezutreffendeempfehlunggehaltenhät-te67.Dochauchbeiobjektbezogenentätigkeitsabredenwienamentlich Bewachungs- und vergleichbaren Verträgen68istdietrennungzwischenHaftungsgrundlegungund-aus-füllungeherunproblematisch.DiehiereinschlägigenOb-hutspflichtenzielen,wenngleichsiealsLeistungsschuldda-herkommen69,aufIntegritätswahrungundkönnendeshalb,ohnedem§241IIBGBzuunterfallen,nachdessenzuvorerörtertem deliktsähnlichen Konzept behandelt werden.VertragsobligoistdieunterAufbringungdererforderlichensorgfaltzusicherndesacherhaltung,undinfolgedessenge-hörtderenVerfehlungzumVerletzungstatbestand.

VölligandersstellensichdieDingehingegendar,wenneineeinwirkung auf denGegenstand zurWiederherstel-lung seiner funktionsfähigkeit versprochen worden ist.Derartige Reparaturverträge70 werden zwar gemeinhinals Werkverträge qualifiziert71; sie sind aber wegen ihrerstoßrichtungamehestenmitdemHeilbehandlungsvertragvergleichbar. Misslingt die Instandsetzung, ohne dass diezu reparierende sache zusätzliche, zuvor nochnicht vor-handeneBeschädigungenerfahrenhat,soistbislangwohlnochniemandaufdieIdeeverfallen,inderausgebliebenenQualitätsverbesserungeineeigentumsverletzungzuerken-nenunddiesegarnochzurHaftungsvoraussetzungzuerhe-ben.AlleindieerfolgsbetonungkonstituiertdenobjektiventatbestandderPflichtverletzung;ohne siewürdederge-scheitertenodernichtzurGänzegelungenensachverbesse-rungkeineigenständigerPartbeiderHaftungsbegründungzukommen.umsomehrmussdiesfürdasAusbleibendesHeilungserfolgs gelten, das zwar landläufig als Gesund-heitsverletzungbetrachtetwird,inWahrheitjedoch–wiewir gesehenhaben–Gegenstand enttäuschter, aber ebennichtverbrieftererwartungenist.DermaßgeblicheGrundfür die mangelnde Konturierbarkeit und in deren Kon-sequenz für das fehlen einer „Gesundungsgarantie“ magnochmals72verdeutlichtwerden.erliegtinderbeiAufnah-mederHeilbehandlungbereitseingetretenenerkrankungmit regulärer Verschlechterungstendenz, der mit medizi-nischenMittelnnichtzwingendentgegengetretenwerdenkann.BeidieserKonstellationstößtderArzt–andersalsdersachreparateur–aufeinenlabilenstatusaegrotii,greiftalsoineinenunabgeschlossenenKausalverlaufein,demerdannmöglicherweisedurcheigenesVersageneinenweiterenur-sachenfaktorhinzufügt.JustdieseDoppelkausalität73mar-kiert die eigenartige Gemengelage, die sich der üblichenDifferenzbetrachtung entzieht und deretwegen wohl diePraxisdievermeintlicheGesundheitsverletzunginbemer-kenswerter umkehrung der tatbestandsvoraussetzungenüberhaupt erst zur sprache bringt, wenn sie zuvor einenBehandlungsfehlerfestgestellthat74.Dannaberwäreesnureinfolgerichtigerschritt,diesen–wiesubII.2.b)α)schonnahegelegt–alleinzurHaftungsgrundlegunggereichenzulassen.DassdieJudikaturihnbislangnurhalbherziggegan-genistunddiesog.PrimärverletzungennachwievordemhohenBeweismaßdes§287zPOunterwirft,hindert sieletztlich,dieeingangsangesprochenenundvonihransatz-weise durchaus erkannten Justierungsprobleme juristischkorrektundsachlichangemessenzubewältigen.DamitsindwirbeiderRechtsprechungzumgrobenBehandlungsversa-genangelangt,dienichtnuraufihredogmatischestringenzhin,sondernauchaufihreKorrespondenzmitmedizinwis-senschaftlichenerkenntnissenüberprüftwerdensoll.

III. Zum richterlichen Status Quo

DieseJudikatur,dieeinelangeVorgeschichtehat75,lässtsichfürunserezweckehinreichendmitdenbeidensätzenzu-sammenfassen,diederVI.zivilsenatdesBGHseinemur-teilvom27.4.2004(VIzR34/03)76vorangestellthat.„eingroberBehandlungsfehler,dergeeignetist,einenschadendereingetretenenArtherbeizuführen,führtgrundsätzlichzueinerumkehrderobjektivenBeweislastfürdenursäch-lichen zusammenhang zwischen dem BehandlungsfehlerunddemGesundheitsschaden.Dafürreichtesaus,dassdergrobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenenschadenzuverursachen;nahe legenoderwahrscheinlichmachenmussderfehlerdenschadennicht“.Diesesen-tenzen sind offenbar der erkenntnis geschuldet, dass aufdem Behandlungssektor deterministische zwangsläufig-keiteneherseltenanzutreffensindundmanstattdessendas„Aufklärungsheil“ bei probabilistischen Verknüpfungensuchen muss, die sich der gewohnten Wenn-dann-Rigi-ditätweithinentziehen77.Werdendiedamitnotwendiger-weise verbundenen unsicherheiten nicht von vornhereinbeiderfestlegungderVerifikationsanforderungenberück-sichtigt,sobesagtdieszumindestfürdiehieralleininRedestehendeKonkurrenzzweierzurechnungskandidaten,dassdiePatientenseiteinderweitüberwiegendenMehrzahlderfälle keine Aussicht hat, den sog. Vollbeweis zu führen.um eben diese Lage zumindest abzumildern, haben dieGerichte den groben Behandlungsfehler zum Anlass füreinenunmehrradikaleBeweislastumstellung78erkoren.

PraktischbedeutetdiesfreilichkeineBewältigung,son-dernlediglicheineVerlagerungderdieserKonstellationim-manentenAufklärungsprobleme.siebestehenweiterundrühren„nachgeradeandieGrundfestendesBeweislastden-kens,das–durchausunabhängigvonderRisikoverteilung–zumindestimPrinzipdavonausgeht,dassderBelasteteeinefaireNachweischancehat“79.Wirdihmdiesevorenthalten,so läuft dies auf eine unangemessene Verkürzung seinermateriellen Rechtsposition80 hinaus, was wiederum allen

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67)s.nurBGHz124,151,159ff.m.w.N.68)zur Haftungslage beim im BGB eigenständig geregelten Ver-

wahrungsvertrag Oetker /Maulzsch, Vertragliche schuldverhält-nisse,2002,§12DIII.

69)unddeshalb,dasoeinesonstnichtbestehendeGarantenpflichtübernommenwird,i.d.R.aucheigensentgoltenwerden!

70)zuihnengrundlegendMicklitz,DerReparaturvertrag,1984.71) statt allerBusche, in:MüKo/BGB,Bd.4,4.Aufl.2005,§631,

Rdnr.275.72) ImAnschlussandasbereitsoben,subII.1.b)α)Gesagte.73)Diesichübrigensvondersog.hypothetischenKausalitätdadurch

unterscheidet,dassdiesieauslösendeReserveursachezwarnach-weislicherfolgsgeeignetwar,jedochnichtmehrerfolgsrelevantgewesenist,wohingegenbeijenerbeideKausalfaktoren(bereitsumsichgreifenderKrankheitsherd,ärztlicherMissgriff)effektivzumBehandlungsresultatbeigetragenhabenkönnen.

74) Vgl. einweiteresMaldie infn.20zitierteuntersuchungvonHeidelk.

75)zu ihr eingehend Katzenmeier (fn.19), s.439ff., mit ausführ-lichenNachweisen;sowieSträter,GroberBehandlungsfehlerundKausalitätsvermutung,2006.

76)BGHz159,48ff.77)LehrreichMummenhoff,erfahrungssätzeimBeweisderKausali-

tät,1997.78)WohlbesondersimHinblickaufdieKritikvonLaumen,NJW

2002, 3739ff., ist derBGH (BGHz159, 48, 53ff.) von seinerfrüherenformulierung„Beweiserleichterungenbishinzurum-kehrderBeweislast“abgerückt.

79)soschonmeineformulierungeninKritV2005,177,192.80)Wenngleichnurvorsichtigangedeutet,dürftedieseinerdermaß-

geblichenGründefürdasurteildesBVerfGzurVaterschaftsfest-stellung(NJW2007,753ff.)gewesensein:DemVatermusseinVerfahreneröffnetwerden,mitlegalenBeweismittelnseinRechtaufKenntnisderAbstammungseinesKindesvonihmverfolgenzukönnen.

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Anlassdazubietet,dengewähltenLösungswegeinergehö-rigenstimmigkeitskontrollezuunterziehen.

1. Dogmatische Friktionen

DassbeieinerderartigenKontrollezunächsteinmalnachder dogmatischen Validität gefragt wird, liegt auf derHand. Gleichwohl sei eines von vornherein eingeräumt:DerRechtsprechungstehtesdurchausfrei,aufderihrvor-behaltenenebenederkonkretenRechtsanwendungeigeneRegeln zu bilden81, die nicht bereits in der auf abstrakteKonsistenzdesRechtssystemsachtendenRechtsdogmatikaufgehoben sind82.solcheAutonomiehat indesdort ihreGrenzen,wodas justizielleVorgehendensystemrahmensprengtoder–andersgewendet–denAnschlussandogma-tischeGrundaussagenverliert.Imfolgendenwerdendes-halbkeine singulärenKritikpunkteaufgegriffen83,zude-nenmandurchausunterschiedlicheHaltungeneinnehmenkann.DasAugenmerkgiltvielmehrdenjenigenPositionen,beidenenesmehralsfraglichist,obsieeineHeimstattimdogmatischenGesamtgefügefindenkönnen.

a)zumNachweisfehlendertatbestandsmäßigkeit

IndemderBGHdie„Primärverletzung“nachwievordemobjektiven Haftungstatbestand zuordnet, zugleich aberdem grob fahrlässig handelnden Arzt den Nachweis fürihre Nichtherbeiführung abverlangt, hat er ein juristischeinzigartiges und zugleich auch eigenartiges Konstruktgeschaffen.zwar sindunsmitdenRechtfertigungs-undentschuldigungsgründendurchausBeispielefürgewisser-maßenkupierteAnspruchsvoraussetzungengeläufig,denenderpotentiellersatzpflichtigenurmithilfeeinervonihmggf.zubelegendeneinwendung(Vorliegeneinereingriffs-befugnis,einhaltungder verkehrserforderlichen sorgfalt)begegnen kann, doch setzen die jeweiligen entlastungs-beweisestetsdieVerwirklichungeinerobjektivenRechts-verletzungvoraus.Letztere ist sogarunverzichtbareBasisfürdiedarangeknüpftenVermutungen.NichtsAnderesistnämlichgemeint,wenn imDeliktsrechtdavondieRedeist, dass die tatbestandsmäßigkeit die Widerrechtlichkeit„indiziere“,oderimVertragsrechtangenommenwird,dassausLeistungsstörungenaufdasVerschuldendesVerpflich-tetenzu„schließen“sei84.

MagmansichüberdiezutreffendenArgumentefürder-leiVermutungen, derenWiderlegungdenAnspruch vonAnbeginn torpediert (sog. anspruchshindernde einwen-dungen),auch trefflich streiten85, sohaben siedoch ihrengemeinsamen „Aufhänger“ im faktum eines als solcherfeststehenden Übergriffs durch gerade diesen Integritäts-oder Leistungspflichtigen. eben darum sei nochmals andiefunktionobjektivertatbeständeerinnert.siesteckengleichsamdieReviereab, innerhalbderergesetzlichver-briefte erhaltungs- und vertraglich legitimierte erwar-tungsinteressenvonjedermannodervonexcontractudazuAusersehenen zu respektierenbzw. zubefördern sind. IndiesemsinnebildensiedasKonzentratfüreineamsäch-lichen Verletzungsereignis orientierte fremdverantwor-tungundstellenbeiderVerhaltenshaftungzudemdenBe-zugsgegenstandfürdenjeweiligenPflichtenzuschnittdar.

WirdhingegenaufdenvorgängigenNachweisderobjek-tiven tatbestandsverwirklichung durch den in AnspruchGenommenen verzichtet, so geht jedwedeAbgrenzungs-kraftverlorenundentfälltdamitzugleichjeglicheVermu-tungsbasisalsunerlässlicheVorgabefüreinewieauchimmerauszugestaltende Beweislastumkehr. Nicht von ungefährgelangtmandannauchinpraxizueinemvölligirregulärenHaftungsaufbau, bei dem die Verschuldensfrage vor Ab-klärungdesobjektivenVerletzungsereignissesgestelltwird.Das„Grundübel“wirddamitnochmalsevident:MitdemeinbezugderGesundheitsbeeinträchtigungindentatbe-standwirdeinerseitsdievertraglichgeradenichtgefestigte

Heilungserwartungdochnochsymbolisiert,zumanderenjedoch–unddasistdasentscheidende–dieBeweislagederPatienten soverschärft, dassdiese ihr i.d.R.nichtnach-kommenkönnen.umdemwiederumzumindestpartiellabzuhelfen,kommtesmitdemNotnageldergrobenfahr-lässigkeitzueinemtotalenBruchmitderherkömmlichenDogmatik,der–dadaseigentlicheProblemdesfürbeideseitenzuhohenBeweismaßesfürdenKausalitätsnachweisnicht wirklich angepackt wird – auch zu keiner signifi-kantenVerbesserungdesInteressenausgleichstaugt.Letzt-lich führt deshalb nur die hier favorisierteHerausnahmederGesundheitsbeeinträchtigungausderHaftungsgrund-legung86 zu einer nicht nur dogmatikkonformen, son-dern–wiehernachnochzuzeigenseinwird–auchrisi-koadäquatensachlösung.Gleichwohlsollnochkurzaufdieherkömmlichefunktiondergrobenfahrlässigkeiteinge-gangenwerden,bedeutetdiesedochimBGH-Konzeptdasallesentscheidendeumkehrmoment.

b)zurtradiertenRolledergrobenfahrlässigkeit

DieBGB-VerfasserhabenbekanntlicheinallgemeinesVer-schuldensprinzipzurGrundlagederVerhaltenshaftungge-machtundsind–wiedie§§276I1,823IBGBauchheutenoch belegen – konsequent davon ausgegangen, dass dieIntensitätdesVerschuldenskeineneinflussaufdasOboderauchnurdasAusmaß87derersatzverpflichtunghabensoll.DasließsichfreilichnurfürdasDeliktsrechtdurchhalten88,wohingegenesfürdasVertragsrechtseitjehergeläufigwar,dasssichdieParteienauchaufdavonabweichendeRege-lungen89verständigenkonnten.zudemhatderGesetzgeberschonvonAnbeginnfürbestimmteObligationskonstellati-onen90AusnahmenvomundifferenziertenVerschuldenser-fordernis vorgesehen91 und damit neben der diligentiaquaminsuisdiegrobefahrlässigkeitzumregulärenHaf-tungseinstiegerhoben.NichtjedwedesVersehensollbereitsfürdieersatzzuständigkeitgenügen,sondern–wieesinst.Rspr.formuliertwird92–ersteinVerhalten,beidem„dieimVerkehrerforderlichesorgfaltinungewöhnlichgroßemMaßeverletztunddasunbeachtetgebliebenist,wasimge-gebenenfalljedemeinleuchtenmusste“.

DieBezugnahmeaufdiegrobefahrlässigkeitistdemnacheineigensverabredetesbzw.exlegestatuiertesMittelzurHaftungseinschränkungundstellt sich soalsVerlagerung

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81) DazueingehendBaufeld,Rechtstheorie37(2006),171ff.82)AlsBeispielmagetwadieJudikaturBGHz115,364ff.u.375ff.

zumsog.Reparaturbonus(biszu30%überdenersatzbeschaf-fungskosten)beiKfz-unfällenherhalten,diedogmatischwedergebotennochverpöntist.

83)InsofernseiaufKatzenmeier (fn.19),s.454ff.,hingewiesen.84)Bei den in §§831ff. BGB vorgesehenen entlastungserforder-

nissen ist es die Realisierung spezifischer Risiken, welche dieVermutungstützt,dassderGefahrzuständigesichnichtkorrektverhaltenhabe.s.bereitsoben,fn.14.

85)zudendamitgemeintenVerteilungsaspekten(u.a.Regel-/Aus-nahmeprinzip,verbindlichesVersprechen,besonderesachnähe,Gefahrenbereichslehre) inallerKürzemeine Darstellung in Jus2003,1007,1010.

86)tendenziellindieseRichtungHanau,DieKausalitätderPflicht-widrigkeit, 1971, s.134f. i.V. mit s.121ff., wenngleich ohnenähereseingehenaufdieKausalitätskonkurrenz.

87)Die im Jahre 1967 in einem Referentenentwurf des BMJ als§255aBGBvorgeseheneReduktionsklauselistniezurGesetzes-reifegediehen.

88)und nicht einmal dort, sofern die in §823 II BGB in Bezuggenommenen schutzgesetze ein qualifiziertes Verschulden be-nennen.

89)Biszurin§276IIIBGBgesetztenVorsatzgrenze.90)KurzeAuflistungbeiRöhl,Jz1974,521,523.91) zurBedeutungdes§680BGB(Notgeschäftsführung) fürden

zufälligamunfallortbefindlichenArzt interessantRoth,NJW2006,2814ff.

92)s.nurBGHz10,14,16.

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des eigentlich den schuldner betreffenden Risikos fürleichtesorgfaltswidrigkeitenaufdenGläubigerdar.Dog-matischgesehenmarkiertinalldiesenfällendieextremestandardunterschreitung überhaupt erst die Haftungszu-ständigkeit.DienormaleNachlässigkeitistjuristischirre-levant.DieMotivedafürliegenbeivertraglichenAbredenaufderHand.sieberuhenvorwiegendaufökonomischemKalkülundfindenihrendeutlichstenAusdruckinderKos-tenabsenkungdurchReduzierungdesPersonalrisikos.ImÜbrigensollen–ohnedassderGesetzgeberdieszueinerdurchgängigenDevisegemachthätte–unentgeltlichkeit,Altruismus undGefahrenabwendunghonoriertwerden93.einesichauchnurhalbwegsaufdrängendeNähezudiesenBeweggründen lässt sich inderBGH-Judikaturnichter-kennen,weshalbeineAnalogiemangelsjedwederRechts-ähnlichkeitvonvornhereinausscheidet94.GanzimGegen-teil!zumindestfürdenAGB-Bereichistmit§309Nr.7aBGBklargestelltworden,dass eineDifferenzierungnachVerschuldensgraden bei Gesundheitsbeeinträchtigungenverpöntist95;undinWahrheitwillauchderVI.zivilsenatdarannichtrütteln.zwarwirktseineRechtsprechungfak-tischso,alswürdendieärztebeiderKrankenbehandlungerstabgroberfahrlässigkeitersatzpflichtig.Indesgiltdieseben nur bei ungeklärterKausalität, nicht aber dort,woausnahmsweise die Verletzungsverantwortung der medi-zinischenseite festgestelltwerdenkann.NachallemlässtsichauchderVersuch,dieBeweislastumkehramschwerenArztversagen festzumachen, zumindest materiellrechts-dogmatischnichtbegründen96.

BeidiesemVerdiktsollesindeskeinBewendenhaben.Immerhinkönnte ja aucheine außer-odervorrechtlicheerkenntnisvorliegen,diesoüberzeugungskräftigist,dassihrdiejuristische„Adoption“nichtverwehrtwerdenkann.Dasgiltzumal,wennbeiLichtebesehengarnichtdasHaf-tungsprogrammalssolcheszurDebattesteht,sonderndes-senDurchsetzung imkonkretenKonflikt.Letzterehängtbekanntlich vorwiegend vom Vorhandensein tauglicherBeweismittel ab und wird spätestens dann zum sonder-problem,wenndienichtbeweisbelasteteParteinegativeneinflussaufdenerhellungsvorganggenommenhat97.undindertatstelltderBGHdezidiertaufdiesenGesichtspunktab,indemerdavonausgeht,dasseingravierenderBehand-lungsfehlerregelmäßigdieAufklärungsnötederPatientensoverschärfe,dassesnunmehrsachederärzteschaft sei,dennegativenKausalitätsbeweiszuführen98.

2. Das Argument der Rekonstruktionserschwernis

VonRechtswegensindReaktionenaufdietorpedierungderVerifikationdurchdenBeweislastgegnernichtsNeues.sohabennamentlichdie §§427, 444, 446zPOdieGe-richteseitjeherdazuermächtigt,diediesemzurechenbareDurchkreuzungdesurkundenbeweisesoderdessenWei-gerung,sichalsParteivernehmenzulassen,freizuwürdi-genundggf.dieBehauptungendessog.Beweisführersalsbewiesenanzusehen.

Dabei ist dreierlei freilich auffällig: In den fällen der§§444, 446 zPO führt nur die vorsätzliche entziehungvonBeweismittelnzueinerBesserstellungderGegenseite,undbei§427zPObesorgtbereitseinfachefahrlässigkeitdiese Begünstigung. Der schwere sorgfaltsverstoß bleibthingegengeradeungenannt.Nunkönntemanallerdingsargumentieren, dass derselbe gewissermaßen als „Mittel-wert“nochindiesementlastungskonzeptbeheimatetsei,doch ist es damit allein nicht getan. zwei der drei Vor-schriftensindnämlichbloßeKann-Regeln,undinsgesamtmündensielediglichineineAbsenkungdesBeweismaßes,nichtaberindienunmehrvomBGHpostulierterigideBe-weislastumkehr99.Dochauchdarübermüsstederstabnichtunbedingtgebrochenwerden,dennüberwiegend100dürftesichdieAusübungdesrichterlichenVerifikationsermessens

imergebniswie eine solche auswirken.entscheidend istjedoch zuguterletzt, dass dasGeschehen, andas dieVer-lagerung des Aufklärungsrisikos geknüpft ist, mit jeneninderzPOvorgesehenenKonstellationennicht dasGe-ringstegemeinhat.DiesesetzeneinProzessrechtsverhältnisvoraus101, innerhalbdessenauchdienichtbeweisbelasteteParteiimRahmenihrerMöglichkeitenzurÜberwindungvonBeweishürdenbeitragen soll;und selbstdieVerfech-tereinerumfassenderen,schondasvorprozessualestadiummiteinbeziehendenAufklärungsbeteiligung102überschrei-tendiesePotentialitätsgrenzenicht.Genaudiesgeschiehtjedoch,wennderArzt,dessenVersagen ja feststeht, zumVollbeweisfürdessenNichtkausalitätoderfürdiealleinigeschicksalsbedingtheitherangezogenwird.umeseinletz-tesMalzubetonen:erkannihnnichtführenwieumge-kehrtauchderPatientnicht,unddasspiegeltsichauchinder Alltagspraxis wider. sofern es um die hier nicht in-teressierenden,weitgehendbeherrschbarenerkrankungsri-sikenoderumdieeröffnungneuerKrankheitsherdegeht,besiegeltdas JaoderNeinaufdiefragenachdergrobenfahrlässigkeitdasjeweiligeProzessschicksal.

Nach dieser erkenntnis, dass die BGH-Judikatur auchprozessdogmatischkeinfundamenthat103,wäreeseigent-lichmüßig,sichnochumdenempirischenGehaltderAn-nahmeeinerAufklärungserschwernisdurchdieschweredesärztlichenVersagenszukümmern.zurAbrundungseiaberauchdaraufnochkurzeingegangen.Wolltemandiesetheseverallgemeinern,somüsstedassystemderBeweislastvertei-lungvölligumgestaltetundletztlichdieoben,subIII.1.b),mitgeteilteentscheidungdesGesetzgebers,beiderBegrün-dungderVerhaltenshaftungprinzipiellkeinenunterschiednachVerschuldensstärkezumachen,revoziertwerden.Dazugibt es indes wenig Anlass. Wir verfügen nämlich wederaufderRekonstruktionsebenenochfürdenVerletzungsbe-reich über gesicherte einsichten dahin, dass die Intensitätdessorgfaltsverstoßes irgendwelcheAuswirkungenaufdiefeststellbarkeitunddasAusmaßderVerletzunghat104.

NunistallerdingsdasDiktumdesBGHstetsalssonder-regelverstandenworden105.Gleichwohlmachtdieseein-schätzungeinesolideBegründungnichtentbehrlich.GanzimGegenteil:WereineAussagetrifft,vonderbekanntist,dasssiealsgenerellesonichtstimmt,mussschonbelegen,weshalb sie ausnahmsweise dennoch zutreffen soll. ebendaranhapert es aber. In keinem Judikatwird spezifiziertdargetan,wiesogeradeunderstdergrobeBehandlungs-fehler die sacherhellung erschweren soll; und so istman

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93) Amsichtbarstenwirddiesbeischenkung,LeiheundNotge-schäftsführung.

94) ebensoSträter(fn.75),s.76ff.,mitweiterenArgumenten.95) ObdiesbeiindividuellerVereinbarunganderswäre,maghier

dahinstehen.96) In dertendenz sowohl auchKatzenmeier (fn.19), s.459ff.,

wenngleicherihmletztlichdochseinPlacetzugesteht.97) AllgemeinerdazuKatzenmeier,Jz2002,533ff.98) einengutenÜberblicküberdieeinschlägigeJudikaturgewährt

Sträter(fn.75),s.84ff.99) s.nochmalsBGHz159,48,53ff.100) empirischeBefundeliegendafürfreilichnichtvor.101) zutr.Katzenmeier,Jz2002,539.102) Allen voranStürner,DieAufklärungspflicht der Parteien des

zivilprozesses,1976.103) sofürdenhieralleininRedestehendenfallvonvornherein

feststehenderunaufklärbarkeitauchWeber,DerKausalitätsbe-weisimzivilprozess,1997,s.238.

104) Dass die Praxis beim sog. Mitverschulden gleichwohl nachdem jeweiligen Verschuldensgrad quotiert, beruht nicht aufempirischererkenntnis, sonderneheraufdervermeintlichenNormvorgabe des §254 BGB; vgl. Esser /Schmidt (fn.33),§35IV1.

105) statt aller Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996,Rdnr.468.

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sichinderLiteraturdennauchweitgehenddarübereinig,dassdiesesArgumentauchdaseinfacheVersagenerfassenmüsste106.Konsequenzdarauswäre,dassbereitsdasschlich-teVersagendieBeweislastumkehr inderKausalitätsfragetragenwürde107.BeigenaueremzusehenerweistsichindesdergesamteAnsatzalsunstimmig.Mitdem–wieauchim-merzuqualifizierenden–Behandlungsfehlerwird,daan-dernfallsdieHaftungvonvornhereinausscheidet,einAuf-klärungserfordernis überhaupt erst begründet, nicht aberzugleich dessen einlösbarkeit beeinflusst. Dass damit dasProblemderDoppelkausalitätvirulentwird,liegtebenander besonderen Konstellation der Krankheitsbehandlung,unddem ist –umes ein letztesMal zubetonen–nichtdadurchbeizukommen,dassdiediesbezüglichvonkeinemBeteiligten tragbareBeweislast einfach in der vomBGHgewähltenWeiseverteiltwird108.

IV. Zusammenfassung und Folgerungen

soll der erkenntnis, dass medizinische Heilungsbemü-hungenmitkeinererfolgsgewährleistungversehenwerdenkönnen,unddemdamituntrennbarverknüpftenumstand,dassärztlichefehlgriffeundschicksalhafteVerläufeineinpraktischunentwirrbaresKausalitätsdilemmaeinmünden,auchjuristischerRespektgezolltwerden,sobedarfesderentsprechendenAbbildungdieserVorgabenineinemdaraufreagierendenHaftungskonzept.umsolchesinnerhalbun-seressystemszivilistischerersatzzuständigkeit zuwegezubringen,istvorabdieBesinnungaufdessenGrundanliegenvonnöten. Das außervertragliche Haftungsrecht zielt aufIntegritätswahrungundmachtmitseinenobjektiventat-beständen deutlich, gegenüber welchen Rechtspositionenes als Verletzungen verstandenen BestandsverkürzungeneinenRiegelvorschiebenwill.DemfügtsichdiebeiderKrankheitsbehandlung inkriminierte Gesundheitsbeein-trächtigung schon abovonicht,weil diese vompotenti-ellenHeilungserfolgherdefiniertwird.MagdasIgnorierendieserAkzentverschiebungnachaltemRechtnochhinzu-nehmengewesensein,weilvordem§847BGBdiealleinigeQuellefürschmerzensgeldansprüchegewesenist109,sogiltdiesseitdereinfügungdes§253IIBGB110nichtmehr.

Mit dieser Rechtsänderung ist nämlich – wenngleicheherunbeabsichtigt,weilgewissnichtaufdieArzthaftungbezogen–dieGrundlagedafürgeschaffenworden,dasunsbeschäftigendeKompensationsproblemamalleindazupas-sendenOrt,d.h.imRahmenderVertragshaftung,ange-henzukönnen.Allerdingsistauchhiernochzujustieren.Ausdererfolgsperspektiveistjanichtkurzerhandaufeindemgemäßes Obligationsziel zu schließen. folgerichtigwirddennauchderBehandlungsvertragzunächsteinmalals schlichtestätigkeitsgeschäftqualifiziert.Konträrdazusteht dann jedoch die Hereinnahme der Gesundheitsbe-einträchtigungindenHaftungstatbestand.sieist–umessalopp auszudrücken – die Wurzel allen Übels, dem dieJudikaturhernachnichtmehrentkommt,weilsiedamitdaserfordernisdesVollbeweiseserzeugt,demrealistischerwei-sekeineseitegenügenkann.

Dogmatisch istdasnichtveranlasst,dennauchbeidensonstigentätigkeitsschuldenzähltalleinderenpflichtwid-rigeNicht-oderschlechterbringungzurHaftungsgrund-legung. Nun ist freilich einzuräumen, dass die gängigenDienstleistungsverträge auf reine Vermögensinteressengemünzt sind, derenNichtbeförderung zwanglos auf derebenederHaftungsausfüllungbearbeitetwerdenkann.et-waigeeinwirkungenaufRechteoderRechtsgütersindhierallenfallsausderschutzperspektivedes§241IIBGBzube-urteilen,diewiederumdemdeliktischenIntegritätsprimatfolgtunddeshalbzurLösungderBehandlungsproblematiknichtsbeiträgt.

Derensingularitätbestehtdarin,dassmitdemärztlichenfehlgriff ein Gefahrenpotential geschaffen wird, das auf

einebereitsvorhandene,nochnichtzumstillstandgelangteRisikoquelletrifft.DiedarausresultierendeatypischeKau-salitätskonkurrenzhindertvonvornhereindieeindeutigezuschreibungderVerantwortung.Partiellspiegeltsichdie-ser Befund denn auch immerhin darin wider, dass nichtetwa vonder ausgebliebenenHeilungher auf eineman-gelhafteBehandlunggeschlossen,sonderninAbweichungvomsplittingkonzeptdes§280IBGBderVerschuldens-nachweisdemPatientenaufgebürdetwird.Dannaberwärees nur konsequent, die Gesundheitsbeeinträchtigung i.s.einerNichterreichungdeszwarnichtgeschuldeten,wohlaber angestrebten Behandlungsziels in den Bereich derHaftungsfolgenzuverweisen.

DersoeröffneteWegzu§287zPOwäreimGegensatzzumVorgehenderBGH-Judikaturnichtnurdogmatischstabil.erwürdedarüberhinausauchdietatgerichteindieLageversetzen,aufdieRisikokollisionweitausadäquaterzureagieren.AllerdingswäredazumedizinwissenschaftlicherBeistanderforderlich,dervorallemineinerpräziserener-fassung der Heilungschancen bei korrekter Behandlungund–dazukorrespondierend–einergenauerenAuflistungtypischer Krankheitsverläufe111 bestehen müsste. Damitjedenfalls, dass „sich diemedizinischen sachverständigenbeiderBestimmungvonursachenanteilennurhöchstsel-tenaufbestimmteProzentsätzefestlegen“lassen112,brauchtsichdieJustizgewissnichtabzufinden.schließlichdürfteesimureigenenInteressederärzteschaftliegen,überih-reneigentlichenVerantwortungsbereichnäherenBescheidaufderGrundlagemöglichstexakterwissenschaftlicherer-kenntnissezubekommenstattmitdemKunstgriffderBe-weislastumkehrunweigerlichzurKassegebetenzuwerden.undreziprokdazuwürdeesdiePatientenseitebesserver-kraften,wennihreinerseitsdiesog.schicksalhaftigkeitalsmaßgeblicherfaktorfürdasscheiternderBehandlungunddamitzugleichihresKlagbegehrenserklärtwerdenkönnte,siedafüraberandererseitsbeiüberwiegenderWahrschein-lichkeitderfehlerkausalität indenGenusseinerentspre-chendenKompensationkommenwürde.

Bewusstnichteingegangenwordenistaufdieindiesemzusammenhang auch vernehmbaren Rufe nach einfüh-rung einer Proportionalhaftung113. Von vornherein aus-geschlossen erscheint freilich auch eine derartige Lösungnicht–undzwarnichteinmaldelegelata.Dazumüsstenindesdieggf.in§254IBGBenthaltenenAbwägungsvor-aussetzungen und Gewichtungsmöglichkeiten114 im ein-zelnenausgelotetwerden,unddashättedenRahmendiesesBeitragsbeiweitemgesprengt115.

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106) s.nurKatzenmeier(fn.19),s.462m.w.N.107) soindertatHeidelk(fn.15),s.159ff.108) DiesesfazitmachteineingehenaufdieinBGHz159,48,56,

angedeutete flexibilität des tatrichters bezüglich der „Wer-tungdesBehandlungsgeschehensalsgrobfehlerhaft“entbehr-lich.NäheresdazubeiSträter(fn.75),s.108ff.

109) NurdarauslässtsichdiebisherigeRspr.dennauchverstehen!110) DurchdasGesetzv.19.7.2002(BGBl.Is.2674).111) Namentlichbeischwerenerkrankungen!112) sodieVizepräsidentindesBGHGerda Mülleraufdem66.DJt

2006(zitiertnachdemBerichtvonManner,Jz2007,233).113) s. zuletzt denVorschlag vonWagner in seinemGutachtenA

zum66.DJt2006,derfreilichindernachfolgendenAbstim-mungaufdeutlicheAblehnunggestoßenist.

114) einigesdazubeiWeidner,DieMitverursachungalsentlastungdesHaftpflichtigen,Diss.tübingen1968.

115) InsofernmagaufdievorihrerVeröffentlichungstehendeBre-merDissertationvonSeifert,ärztlicherBehandlungsfehlerundschicksalhafter Verlauf, mit dem untertitel „zur haftungs-rechtlichenBewältigungeinesKausalitätsdilemmas“,verwie-senwerden.

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