Der Golem von Prag oder wie der Golem nach Prag kam…

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• Der Golem ist die jüdische Variante der vor allem männlich besetzten uralten Suche der Menschen den Göttern gleich Leben zu erschaffen. Erst Cynthia Ozick (geb.

1928) macht in ihrem Roman „The Puttermesser Papers“ (19967) eine weibliche Heldin zur Erschafferin eines ebenso weiblichen Golem namens Xanthippe.

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• Bereits im antiken Griechenland glaubten die Menschen an die künstliche Herstellung automatisierter Wesen, die den

Erschaffern in vielerlei Weise dienstbar sein könnten. So verwundert es nicht, dass in

der klassischen griechischen Literatur sprechende Statuen, Köpfe und andere Automaten keine Seltenheit sind. Bereits Homer (ca. 8. Jahrhundert v. d. Z.) erzählt davon, wie Hephaistos, der Gott des Feuers und der Schmiede goldene Dienerinnen erschuf.

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• Hephaistos schuf aber nicht nur diese „selbst-bewegenden“ Dienerinnen, sondern auch den mächtigen eisernen Talos, ein gigantischer antiker Automat, der die Insel Kreta bewachte. Seine Taten erinnern an die modernen

Golemlegenden aus Prag. Dreimal täglich umrundete er Kreta und bewarf herannahende Feinde mit Steinwürfen oder verbrannte sie. Am Leben gehalten wurde er durch eine Blutader, die einen ganzen Körper bedeckte. Das Ende war mit einem Nagel verschlossen. Schließlich wurde er durch das Entfernen des Nagels besiegt, indem er schlicht ausblutete.

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Antike Vorbilder• Platon (427 v. d. Z. – 347 v.

d. Z.) berichtet, dass Daidalos, der bekannt für seine Heraklesbildnisse war, lebendige Statuen schuf, die er fesseln musste, damit sie nicht davonliefen.

• Platon, Menon oder über die Tugend, übersetzt und erläutert von Otto Apelt, Hamburg (Felix Meiner) 1993, S.68.

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• Im kultischen Bereich wurden „lebendige und sprechende Stauen“ eingesetzt, in denen Götter vermutet wurden. Der spätantike Dichter Lukianos von Samosta (120-180) in Syrien erinnert daran in seinen „Lügengeschichten“. So berichtet er im „Lügenfreund“ darüber, wie er ein Orakel aus der Statue des Memnon hörte. Natürlich darf man nicht vergessen, dass Lukian mit Absicht „Lügenmärchen“ wie die Reise zum Mond, der aus Käse besteht, erzählt: „denn ich sage doch wenigstens EINE Wahrheit, indem ich sage, dass ich lüge.“

• Lukian, Lügengeschichten und Dialoge, übersetzt und mit Anmerkungen und Erläutrungen versehen von Christoph Martin Wieland, Nördlingen (Greno) 1985, S.284.

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• Diese griechischen Automaten sind anders als der jüdische Lehm-Golem mechanische Wunderwerke. Doch auch das weit verbreitete eher töpferische Moment finden wir in antiken Mythologien - dass der Mensch aus Erde, Staub oder Lehm geschaffen wurde.

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• So erzählt der römische Dichter Ovidius (43 v. d. Z. – 17 n. d. Z.) in seinen

„Metamorphosen“ der antiken Sagen wie Prometheus Menschen aus Lehm und Wasser formt (im Kapitel „Die Schöpfung“, 82–88) und wie Pygmalion (im Kapitel „Pygmalion“, 243–297) eine Frauenstatue aus Elfenbein erschafft und sich in sie verliebt. Dank Venus wird sie schließlich zum Leben erweckt.

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• Der römische Fabeldichter Phaedrus (15 v. d. Z. – 50 n. d. Z.) erzählt in „De Veritate et Mendacio“ über Prometheus und Dolus, die wie eine antike Variante des Zauberlehrlings Goethes erscheint. Prometheus erschafft die Statue der Wahrheit. Da er aber zu Zeus berufen wird, bleibt sein Lehrling Dolus (lat. Betrug, List) mit der Statue allein und erschafft eine zweite idente Statue. Allerdings ging ihm der Lehm aus und er kann ihre Füße nicht mehr modellieren. Prometheus brennt beide Statuen und schenkt ihnen das Leben. Aber der „Lüge“ fehlen im Gegensatz zur „Wahrheit“ ja die Füße, was Phaedrus zur Ansicht bringt, dass sich am Ende stets die Wahrheit durchsetzen wird. Ein künstliches Wesen, das in Verbindung mit der Wahrheit steht, erinnert natürlich an das spätere emet (hebr. Wahrheit) – Motiv der Golemlegenden.

•Der lateinische Text und eine englische Übersetzung bei: Barbrius and Phoedrus: Fables, translated by Brian Edwin Perry, London / Cambridge, Mass. (Harvard University Press), 1965.

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Adam

• Der jüdische Golem-Mythos taucht erst im Mittelalter auf. Jedoch baut er auf Motiven und Elementen aus jüdischen und nicht-jüdischen Schriften der Antike auf. Hier ist es zunächst vor allem die Figur des Adam, die besonders zu berücksichtigen ist.

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Adam

• Die Schöpfung aus dem Wort ist auch der Schlüssel für den mittelalterlichen jüdischen Golemmythos, in der der Mensch die Adamsschöpfung nachahmt.

• Mit dem Wort zu erschaffen als „imatio dei“ wird erst bei den mittelalterlichen jüdischen Mystiker wirklich zum Thema.

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Adam

• Die Erderschaffung des Adam wird auch im Psalm 139 thematisiert – auch wenn Adam selbst nicht erwähnt wird. In diesem Psalm kommt auch das Wort „Golem“ zum einzigen Male in der Bibel vor:

• „Nicht verhohlen war mein Wesen vor dir, da ich entstand im Verborgenen, gewirkt ward in den Tiefen der Erde. Meine Masse [hebr. galmi] sahen deine Augen … Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken.“ (Psalm 139, Vers 15-16; 23)

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Adam

• Das Wort „galmi“ (mein Golem) wird von Leopold Zunz mit „Masse“, von Luther mit „unbereitet“, von Franz Eugen Schlachter mit „unentwickelt“ und Martin Buber und Franz Rosenzweig mit „Knäuel“ und von der Elberfelder mit „Urform“ übersetzt.

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Adam• An der Adamsschöpfung können wir aber auch bereits

erkennen, dass die Bezeichnung „Golem“ nicht das Endprodukt, sondern ein bestimmtes Stadium in der Erschaffung eines Menschen darstellt. Adam ist im Psalm zu einer bestimmten Zeit noch „unfertig“, eine unbelebte Masse. Erst der Anhauch Gottes macht aus dem Golem Adam den ersten Menschen. Auch die späteren menschlichen Nachahmungen in den jüdischen Legenden sind mangelhaft. Meist sind sie sprachlos, bzw. entsprechen eher menschlichen Automaten ohne jede Reflektion ihrer Taten. So ist die höchste Gott-Ähnlichkeit, die der männliche Mensch erreichen kann, auf künstliche Weise einen Golem zu erschaffen.

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• Währenddessen ist die Frau in der Lage, auf natürliche Weise Leben zu schenken und kann wie Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851) in ihrem „Frankenstein or the modern Prometheus“ (1818) vor den Umtrie- ben des männlichen Schöpfungswahnes nur dringlich warnen.

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Adam• Nach der Vertreibung aus dem Paradies sollte Adam in den biblischen Schriften keine Rolle mehr spielen. Dennoch wird seine Gestalt in zahlreichen

apokryphen Texten behandelt., die aber inhaltlich nur wenig zur

Golemdiskussion beitragen kann. Sehr komplex ist die Erschaffung Adams in der „Schatzhöhle Adams“, ein christlicher syrischer Text aus dem 6. Jahrhundert, der auf Vorlagen aus dem 4. Jahrhundert basieren soll und an die Prozeduren späterer Golemerschaffungen erinnert.

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• „Dann sahen sie (die Engel), wie er (Gott) aus der ganzen Erde ein Staubkörnchen nahm, von allem Wasser ein Wassertröpfen, von aller Luft oben ein Windlüftchen und von allem Feuer ein wenig Wärmehitze… Und Gott bildete den Adam mit seinen heiligen Händen nach seinem Bild und Gleichnis.“ Paul Riessler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Heidelberg (F. H. Kehrle Verlag) 1966, S.944.

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• In dem christlichen gnostischen Text „Die Apokalypse des Adam“ (Mitte 4. Jahrhundert), der zu den zahlreichen Schriften gehört, die 1945 im oberägyptischen Nag Hammadi gefunden wurden, finden wir ein Motiv, das im Golemmythos sehr wichtig wurde – die Angst vor der übermenschlichen Stärke des geschaffenen Wesens. Meist kann der entfesselte Golem erst durch List besiegt werden. In der Apokalyse sind Adam und Eva ein ungetrenntes engelhaftes Wesen, das mächtiger als der Schöpfergott gewesen ist. Adam erzählt darüber seinem Sohn Seth:

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• „Und wir glichen den großen ewigen Engeln, denn wir waren über den Gott erhaben, der uns erschaffen hatte… Da trennte uns Gott… im Zorne. Da wurden wir zu zwei Äonen. Und es verließ uns jene Herrlichkeit, die in unserem Herzen war, mich und deine Mutter Eva.“[1]

•[1] Die Apokalypse des Adam (NHC V,5), in: Nag Hammadi Deutsch Studienausgabe, hg. von Hans-Martin Schenke, Hans-Gebhard Bethge, Ursula Ulrike Kaiser, Katharina Schwarz, Berlin (Walter de Gruyter) 2007, S.319.

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• Beate Rosenfeld, Die Golemsage und ihre Verwertung in der deutschen Literatur, Breslau (Verlag Dr. Hans Priebatsch) 1934.

• Gershom Scholem, Die Vorstellung vom Golem in ihren tellurischen und magischen Beziehungen, in: Gershom Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1973, 209-261.

• Sigrid Mayer, Golem: Die Literarische Rezeption eines Stoffes, Bern (Peter Lang) 1975.

Moshe Idel, Golem: Jewish Magical and Mystical Tradition on the Artificial Anthropoid, Albany, NY (SUNY) 1990, dt. 2007

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• Wie kam nun der Golem nach Prag und wie wurde Rabbi Löw zum Golemschöpfer?

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Judentum und Magie• bTSanhedrin 65b• «Rabha sagte: Wenn die Gerechten wollten, so könnten sie

eine Welt schaffen, denn es heißt [Jes. 59:2]: Denn eure Sünden machen eine Scheidung zwischen euch und eurem Gott. Rabha nämlich schuf einen Menschen [wört lich Mann] und schickte ihn zu Rabbi Zera. Der sprach mit ihm, und er gab keine Antwort. Da sagte er: Du stammst wohl von den Gefährten [den Mitgliedern der talmudischen Hochschule]; kehre zu deinem Staub zurück. R. Chanina und R. Oschaja befaßten sich jeden Sabbath-Vorabend mit dem Buch der Schöpfung - nach einer anderen Lesart: mit den Vorschriften hilkhoth- über die Schöpfung - und schufen sich ein Kalb im Drittel seiner natürlichen Größe und verzehrten es.»

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Talmud Jerushalmi• ySan 25d/54-55Rabbi Yehoshua' ben Chananya sagte: Ich kann Kürbisse und Melonen

nehmen und aus ihnen Rehe (und) Gazellen machen, aber wozu sind (solche) Rehe und Gazellen (denn) gemacht?

• ySan 25d/5S-61R. Yannai sagte: Ich ging (einmal) auf einer Straße von Sepphoris und sah

einen Ketzer, wie er einen Stein nahm, ihn in die Höhe warf, und er kam herunter und war zu einem Kalb geworden.

Aber hat R. Ele'azar im Namen R. Yoses b. Zimra nicht gesagt: Wenn alle, die in die Welt kommen, zusammenkommen würden, könnten sie nicht eine Mücke erschaffen und Leben in sie hineintun?

Sollten wir sagen, der Ketzer habe nicht einen Stein genommen, ihn in die Höhe geworfen, und er sei heruntergekommen und zu einem Kalb geworden? Vielmehr (ist richtig): Er rief einen Gauner, und der stahl ihm ein Kalb von einem Hof und brachte es ihm.

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Alle Menschen zusammengenommen könnten nicht einmal eine Mücke erschaffen und Leben in sie hineintun, d.h. sie können Gott als Schöpfer nicht nachahmen. Die vermeintlichen menschlichen Schöpfungen, von denen in diesen Geschichten berichtet wird, sind also nur Augentäuschungen, lediglich Beispiele von gewöhnlichen Tricks für leichtgläubige Leute.

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Talmud Bavli• bSan 67bR. Abbaye sagte: Die Gesetze über die Zauberer sind denen des

Shabbat ähnlich. Einiges wird durch die Steinigung bestraft und einiges ist straffrei, obwohl die Handlung verboten ist. Es gibt aber einiges, das von vornherein erlaubt ist. Wer etwas tatsächlich wirkt, wird durch die Steinigung (hingerichtet); während derjenige, der lediglich eine Augentäuschung vollzieht, straffrei ist, jedoch ist (die Handlung) verboten.

Von vornherein erlaubt ist, was R. Chanina und R. Osha'ya zu tun pflegten. Sie beschäftigten sich an jedem Vorabend des Shabbats mit den Hilkhot Yesira, erschufen ein dreijähriges Kalb und aßen es dann auf.

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• Beim Vergleich mit den Shabbat-Gesetzen unterscheidet R. Abbaye drei Kategorien:

• 1. »verboten«, mit der Hinrichtung durch die Steinigung bestraft;

• 2. »frei von Todesstrafe«, jedoch verboten;• 3. »erlaubt mit voller rabbinischer

Zustimmung«.

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• Ausgerechnet die Beschäftigung mit den Hilkhot Yesira und die Erschaffung eines Kalbes ist dem babylonischen Talmud zufolge erlaubt! Die Auslegung dieser talmudischen Stelle ist sehr umstritten….

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Giuseppe Veltri, Magie und Halakha, Tübingen 1997, S.41ff.:

• „ Diesbezüglich wird man nicht fehlgehen, wenn man das ganze als eine fiktive Geschichte ansieht, einen ironischen Midrash sozusagen, in dem der von Seiten der Zauberer erhobene Anspruch, Lebewesen zu schaffen, ad absurdum geführt wird. Man beachte den grotesken Zug, daß die Rabbinen das Kalb, das sie an jedem (!) Shabbatvorabend schufen, auch noch (vollständig?) verspeisten. Hier werden offensichtlich diejenigen verspottet, die behaupten es (mit oder ohne Hilkhot Yesira), Gott in seiner Schöpfungsmacht gleichtun zu können.“

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G. Scholem, Die Vorstellung vom Golem… in: idem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik,

Frankfurt a.M. 1973, 218ff.

• „Es liegt nun gewiß nahe und ist auch immer von der jüdischen Tradition angenommen worden, daß es bei dieser Schöpfung um Magie, wenn auch in einer durchaus erlaubten Form, ging. Die Buchstaben des Alphabets, um wieviel mehr noch die des Gottesnamens oder gar die der ganzen Tora, die ja das Instrument Gottes bei der Schöpfung war, haben geheime, magische Gewalt. Der Eingeweihte vermag sie anzuwenden.“

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Eine grundlegende Basis für die Spekulationen über die Erschaffung der Welt bildet der Gedanke von der Tora als Schöpfungsinstrument. Hierbei nimmt die hebräische Sprache, in der die Tora verfaßt wurde, einen zentralen Platz ein. Man begann über die Kraft ihrer Buchstaben, mit deren Hilfe man über Kombinationen die Schöpfung nachvollziehen könne, zu spekulieren.

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Sefer Jetsira

Das „Buch der Schöpfung“ (hebr. Sefer Jetsira). Es ist eine Mischung aus Kosmologie und Linguistik. Traditionelle Kabbalisten behaupten, es sei vom Patriarchen Abraham verfaßt worden.

Es stammt wahrscheinlich aus dem 3. Jahrhundert.

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Der erste Teil erzählt von den zehn übernatürlichen Urzahlen, die mit dem unübersetzbaren neuen Wort Sefirot eingeführt werden. Die Sefirot sind hier keine mehrdeutigen Attribute wie in der späteren Kabbala. Sie sind die vier Himmelsrichtungen, Höhe und Tiefe und die vier Grundelemente “Hauch des lebendigen Gottes”, “Hauch vom Hauche”, “Wasser vom Hauch” und “Feuer aus Wasser”. Mit ihnen wurden Himmel und Erde versiegelt.

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Der zweite Teil beschreibt dann das Instrument der Schöpfung: die 22 Buchstaben, mit denen Gott alles bildete, was geschaffen werden sollte.

Die Buchstaben werden stets mit Entsprechungen im Menschen, im Jahr und im Universum verbunden.

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Die ältesten mittelalterlichen Zeugnisse über die magische Auffassung des Buches Jetsira finden sich schon im Rashi-Kommentar (1040-1105) zu bTSanhedrin 65b: Rabha erschuf den Menschen „durch das Buch der Schöpfung, da sie die Kombination des Gottesnamens lernten.“

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• Weitere mittelalterlichen Zeugnisse über die magische Auffassung des Buches Jetsira finden sich bei Juda ben Barsilai am Ende seines Jetsira-Kommentars (p. 268), von dem sich eindeutig beweisen läßt, daß er mindestens von Eleasar von Worms (1165-1230), wahrscheinlich aber von der ganzen Gruppe der rheinischen Chassidim um 1200 gelesen worden ist.

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• «Als unser Vater Abraham geboren wurde…beriet sich Gott mit dem Buch Jezira und es stimmte ihm zu, und er überlieferte es dem Abraham. Er saß allein und meditierte darüber, konnte aber nichts davon verstehen, bis eine himmlische Stimme erging und zu ihm sagte: ‚Willst du dich mit mir gleichstellen? Ich bin Einer und habe das Buch Jezira erschaffen und darin geforscht; du aber kannst es als Einzelner nicht verstehen. So nimm dir einen Gefährten, und stellt ihr beide Betrachtungen darüber an, und ihr werdet es verstehen.' Sogleich ging Abraham zu seinem Lehrer Sem, dem Sohn Noahs, und saß drei Jahre mit ihm, und sie stellten Betrachtungen darüber an, bis sie die Welt zu schaffen wußten. Und bis jetzt gibt es niemanden, der es allein verstehen kann, sondern zwei Gelehrte [sind nötig], und auch sie verstehen es erst nach drei Jahren, woraufhin sie alles, was ihr Herz begehrt, machen können.

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• Auch Rabha wollte das Buch allein verstehen. Da sagte Rabbi Zera zu ihm: Es heißt ja (Jeremia 50:36): ,ein Schwert über die Einzelnen, sie werden töricht', das heißt: Ein Schwert über die Schriftgelehrten, die einzeln für sich sitzen und sich mit der Tora befassen ber39b. Wollen wir also zu sammenkommen und uns mit dem Buch Jezira befassen. So saßen sie und stellten drei Jahre lang Kontemplationen darüber an und erlangten sein Verständnis. Da wurde ihnen ein Kalb erschaffen, und sie schlachteten es, um damit eine Feier zur Beendigung des Traktates zu veranstalten. So bald sie es geschlachtet hatten, vergaßen sie es [das heißt: das Verständnis des Buches Jezira]. Da saßen sie drei weitere Jahre und brachten es noch einmal wieder hervor.»

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• So wie man beim Abschluß eines Traktates aus dem Talmud eine solche Schlußfeier macht. die magische Schöpfung als Bestätigung und Abschluß des Studiums des Jetsira-Buches. In klarer Umdeutung des ursprünglichen talmudischen Berichtes über Chanina und Oschaja (die hier mit Rabha und Zera verwechselt werden), keine praktische Nutzbarkeit haben. Im Moment, wo sie das Kalb wirklich schlachten, um es bei der Feier zu essen, vergessen sie ihr ganzes Studium! Diese Golemschöpfung ist ritueller Abschluß: Einweihung ins Geheimnis der Schöpfung. Die Vorschriften über die Schaffung eines Golem erscheinen hier in der Tat ursprünglich als Abschluß des Jetsira-Studiums…

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Chasside Aschkenas

In mehreren mystischen Texten aus dem Kreis der mittelalterlichen deutschen Chassidim finden sich die ersten wirklichen Berichte über Golemerschaffungen, wie in Eleasar von Worms (ca. 1165-1230) Kommentar zum Sefer Jetsira, dem Buch der Schöpfung oder in Geschichten über R. Shmuel.

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• „Man macht einen Kreis rings um die Kreatur und umgeht den Kreis und spricht die 221 Alphabete, wie sie aufgezeichnet sind, und manche erklären, dass der Schöpfer in die Buchstaben Kraft gelegt hat, so dass der Mensch eine Kreatur aus jungfräulicher Erde schafft und durchknetet und in die Erde vergräbt, einen Kreis und eine Sphäre rings um die Kreatur zieht und bei jedem Umgang eines der Alphabete spricht. So soll er dann 443 mal verfahren. Wenn er vorwärts geht, so steigt die Kreatur lebend auf, infolge der Kraft, die der Rezitation der Buchstaben innewohnt. Wenn er aber zerstören will, was er geschaffen hat, so geht er im Umgang rückwärts, indem er dieselben Alphabete von hinten nach vorn rezitiert. Dann sinkt die Kreatur von selber in den Boden ein und stirbt.“

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• „Ben Sira wollte das Buch Jezira studieren. Da erging eine himmlische Stimme: Du kannst solch Geschöpf nicht allein machen. Er ging zu seinem Vater Jeremia. Sie befaßten sich damit, und nach drei Jahren wurde ihnen ein Mensch erschaffen, auf dessen Stirn „Emet“ stand, wie auf der Stirn Adams. Da sagte der Mensch, den sie erschaffen hatten zu ihnen; Gott allein hat Adam erschaffen, und als er den Adam sterben lassen wollte, löschte er das Aleph von Emet weg, und er blieb met, tot. So sollt ihr auch an mir tun und nicht nochmals einen Menschen schaffen damit die Welt dadurch nicht wie in den Tagen des Enosch in Götzendienst abirrt. Der erschaffene Mensch sagte zu ihnen: Kehrt die Buchstabenkombinationen [durch die er erschaffen war] um und tilgt das 'aleph des Wortes 'emet von meiner Stirn - und sofort zerfiel er zu Staub.» Sefer gematrioth, in: Epstein, Abraham, Beiträge zur jüdischen Altertumskunde, Wien 1887, S.122-123.

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• Der anonyme Autor des «Buchs des Lebens»: Gerold Necker, Das Buch des Lebens, Tübingen 2001: «Die Zauberer und Magier Ägyptens, die Geschöpfe schufen, wußten durch Dämonen oder irgendeine andere Kunst die Ordnung der Merkaba und nahmen Staub … weg und schufen, was sie wollten. Die Gelehrten aber, von denen es heißt: ,…schuf einen Menschen usw.', kannten das Geheimnis der Merkaba und nahmen Staub unter den Füßen der [Tiergestalten in der] Merkaba weg und sprachen den Gottesnamen darüber aus, und er wurde erschaffen… Und so machen noch heute die Zauberer in Indien und den arabischen Ländern aus Menschen Tiere, indem sie einen Dämon beschwören, der ihnen Staub aus der entsprechenden Ordnung bringt und sie dem Zauberer übergibt. Der gibt ihn dem Menschen mit Wasser vermischt zu trinken, woraufhin dieser sofort verwandelt wird.»

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• Eleasar aus Worms: Seine Anweisung ist in vielen Handschriften als selbständiges Stück unter dem Titel «Praxis der Schöpfung eines Golem» erhalten - fehlen die vollständigen Tafeln der Kombinationen des Alphabets, auf die aber in ihnen immer wieder Bezug genommen wird, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte der Frankfurter Kabbaiist Naftali ben Jakob Bacharach zum ersten Mal den Mut, den Text dieser Anweisung in überarbeiteter Gestalt im Druck zu veröffentlichen, wobei er freilich vorsichtigerweise erklärt, seine Anweisung sei unvollständig, um nicht dem Mißbrauch durch Unwürdige ausgesetzt zu sein.

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• Man muss jungfräuliche Berg-Erde nehmen, die sie in fließendem Wasser kneten und daraus einen Golem formen. Über diese Figur sollen sie dann die sich ergebenden Kombinationen des Alphabets sprechen, die 221 Alphabetkombinationen bilden. Verbindungen von Buchstaben mit je einem Konsonanten des Tetragrammatons, und auch diese wiederum der Reihe nach in allen ihren Vokalisierungen durch die von den Chassidim angenommenen fünf Hauptvokale.

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• Ein bestimmtes Ordnungsprinzip in der Folge der Alphabete ruft ein männliches, ein anderes ein weibliches Wesen hervor; die Umkehrung dieser Ordnungen begleitet die Rückverwandlung des zum Leben erwachten Golem in Staub..

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• «Man macht einen Kreis rings um die Kreatur und umgeht den Kreis und spricht die 221 Alphabete, wie sie aufgezeichnet sind, und manche erklären, daß der Schöpfer in die Buchstaben Kraft gelegt hat, so daß der Mensch eine Kreatur aus jungfräu licher Erde schafft und durchknetet und in die Erde vergräbt, einen Kreis und eine Sphäre rings um die Kreatur zieht und bei jedem Umgang eines der Alphabete spricht. So soll er dann 442 [andere Lesart: 462] mal verfahren. Wenn er vorwärts geht, so steigt die Kreatur lebend auf, infolge der Kraft, die der Rezitation der Buchstaben innewohnt. Wenn er aber zerstören will, was er geschaffen hat, so geht er im Umgang rückwärts, indem er dieselben Alpha bete von hinten nach vorn rezitiert. Dann sinkt die Kreatur von selber in den Boden ein und stirbt. Und so passierte es dem R.I.B.E. - wohl Rabbi Ismael ben Elischa'- mit seinen Schülern, die sich mit dem Buch Jezira befaßten und sich beim Umgang irrten und rückwärts schritten, bis sie selber durch die Kraft der Buchstaben bis zum Nabel in die Erde versanken. Sie konnten nicht mehr hinaus und schrien auf. Da hörte ihr Lehrer sie und sagte: Rezitiert die Buchstaben der Alphabete und geht nach vorwärts, statt, wie bisher, nach rückwärts zu gehen. Sie taten so und kamen frei.»

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Abraham Abulafia (1240-1292)• «Nimm dann eine Schale voll reinen Wassers und einen

kleinen Löffel, fülle ihn mit Erde - er muß aber genau das Gewicht der Erde wissen, bevor er sie umrührt, wie auch das Maß des Löffels, mit dem er zumessen soll [beide werden aber schriftlich nicht mitgeteilt!]. Wenn er ihn gefüllt hat, soll er ihn ausstreuen und langsam über das Wasser hinblasen. Während er den ersten Löffel Erde zu blasen beginnt, soll er einen Konsonanten des Namens mit lauter Stimme und in einem einzigen Atemzug aussprechen, bis er nicht mehr weiter blasen kann. Dabei soll sein Gesicht nach unten gewandt sein. Und so soll er von den Kombi nationen an, die die Glieder des Kopfes herstellen, in geordneter Weise die ganzen Glieder formen, bis eine Gestalt ihm hervorgeht.»

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• Das Bewußtsein von der Unzulänglichkeit der schriftlich überlieferten Rezepte ist mehrfach in der späteren Tradition erkennbar. Was zum Beispiel Naftali Bacharach eigentlich weggelassen hat, um dem Mißbrauch seiner Mitteilungen über das Verfahren vorzubeugen, sagt er nicht… Nach Parallelen aus der praktischen Kabbala und aus Abulafias Schriften könnte man etwa annehmen, daß es sich dabei um die Intonation der Buchstabenkombinationen handeln könnte, um Atemtechnisches oder um bestimmte Kopf- und Handbewegungen, die die Einzelakte zu begleiten hatten.

• Der „Golem“ ist, wie schon betont, ohne praktischen «Zweck». Er soll als ritueller Abschluss die Macht der heiligen Namen zu erweisen…

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• Aus den „praktischen“ Rezepten erwuchsen die Legenden, zunächst um die Chasside Ashkenas (14.-15. Jahrhundert):

• „Rabbi Samuel der Hasid, erschuf einmal ein menschliches Wesen und schrieb [das hebräische Wort] 'Emet auf seine Stirn. Dieses menschliche Wesen konnte jedoch nicht sprechen, da die Fähigkeit zu sprechen allein in der Hand Gottes liegt. Und dieses menschliche Wesen, das er erschaffen hatte,begleitete und diente R. Samuel wie ein Diener seinen Herrn alle Tage solange er auf seiner Exilsfahrt war.«

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• Zwei der berühmtesten „Golemschöpfer“ sind zwei Berühmtheiten des 16. Jahrhunderts, Elijahu von Chelm (1514-1583) und Rabbi Löw von Prag (1512-1609).

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• „Von Rabbi Elijahu, Baal Schem von Chelm, unserem Urahnen, erzählt mein Vater, dass er einen Golem geschaffen hatte, welcher das Sprachvermögen nicht besaß und ihm als Knecht diente. Einmal bemerkte der Rabbi, dass das Werk seiner Hand an Kraft und Größe außerordentlich zugenommen hatte, und zwar durch den Schem, der auf einen Papierstreifen geschrieben, an seiner Stirn gebunden ward. Da erschrak R. Elijahu sehr, dass der Golem zu Verderben werden konnte. Er packte ihn, riss das Papier, auf das der Schem geschrieben war, schnell von der Stirn des Golems ab, so dass sich die Menschengestalt wieder in einen Klumpen Lehm verwandelte. Aber im Augenblick, da ihm der Rabbi den Schem von der Stirn riss, hatte der Golem noch die Macht, seinem Meister einen wuchtigen Schlag ins Gesicht zu versetzen und ihn zu beschädigen.“ (Jakob Emden, Megillat Sefer, Warschau 1896, S.4)

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Chelm• Auf zwei Wege – als Familientradition und in

deutsche Gelehrtenkreise auf lateinisch: • 1674 lateinischer Brief von Christoph Arnoldus, lat.

Übersetzung Sota von Johann Christoph Wagenseil beigefügt wurde…

• Jakob Schudt nahm ihn auf : Jüdische Merkwürdigkeiten, Frankfurt 1714, Band II, Buch IV, S.206-208.

• Jakob Grimm, April 1808, Zeitung für Einsiedler (Nr. 7, S.56), Kleinere Schriften, Band IV, Berlin 1869, S.22.

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• „Die polnischen Juden machen nach gewissen gesprochenen Gebeten und gehaltenen Fasttagen, die Gestalt eines Menschen aus Ton oder Leimen, und wenn sie das wundertätige Schemhamphoras darüber sprechen, so muss er lebendig werden. Reden kann er zwar nicht, versteht aber ziemlich, was man spricht und befiehlt. Sie heißen ihn Golem und brauchen ihn zu einem Aufwärter, allerlei Hausarbeit zu verrichten. Allein er darf nimmer aus dem Hause gehen. An seiner Stirn steht geschrieben aemaeth (Wahrheit, Gott), er nimmt aber täglich zu und wird leicht größer und stärker als alle Hausgenossen, so klein er anfangs gewesen ist. Daher sie aus Furcht vor ihm den ersten Buchstaben auslöschen, so dass nichts bleibt als maeth (er ist tot), worauf er zusammenfällt und wieder in Thon aufgelöst wird.“

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Rabbi Löw

Angeblich 1580 habe er ein belebtes Wesen geschaffen, das die jüdische Gemeinde gegen Pogrome schützen sollte. Die fantastischen Legenden über diesen "MaHaRaL", auf hebräisch "Moreinu ha-Rav Rabbi Liva" (Unser Lehrer, der Rabbi Löw), wurde mehr als 200 Jahre nach seinem Tod um den Prager Golem bereichert, obwohl Löw selbst demonstrativ allen Wunderglauben ablehnte und verurteilte. Der Rabbi hat also wohl niemals zu seinen Lebzeiten einen Golem aus Lehm erschaffen.

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Obwohl Löw kein Kabbalist gewesen ist und in den früheren Biographien zu Löw nichts über einen Golem zu finden ist, wurde er zum Helden der Sage. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich darin, dass er in der „magischen Periode“ des Rudolf II. in Prag lebte und sogar am 16. Februar 1592 eine Audienz beim Kaiser hatte. Wahrscheinlich erörterten sie Probleme der jüdischen Gemeinde.

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Giuseppe Arcimboldo: Emperor Rudolf II. as Vetumnus (1591)

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• Diese Audienz wird auch vom Chronisten David Gans (1541-1613) bestätigt:

• „Er (der Kaiser) sprach mit ihm von Angesicht zu Angesicht, wie zu einem Freund. Die Art und Weise ihrer Worte waren geheimnisvoll, verschlossen und verborgen. Dies geschah hier in der heiligen Gemeinde zu Prag, am Sonntag, dem 3. Adar (5)352.“ (David Gans, Zemach David, Prag 1592, Neudruck Jerusalem 1983, S.145)

• Bei Meir Perles, Löws erstem Biographen (Megillat Juchassin, 1718, dt. von S. H. Lieben, Jahrbuch der jüdisch - literarischen Gesellschaft 20, Frankfurt a. M. 1929, S.315-36), fehlt von einem Golem jede Spur.

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• Interessanterweise schreibt Noah Chayyim Levin, der Herausgeber einer späteren kommentierten Version der „Megillat Juchassin“ (Warschau 1864):

• „Wir sollten nicht länger über die Geschichte des Golem, den Löw erschaffen hatte, überrascht sein und die allgemein bekannt ist.“

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• 1724 wurde Löws Grabstein erneuert. Auch auf ihm gibt es keine Hinweise auf den Golem.

• Kein hebräisches Werk dieser Zeit erwähnt eine Golemerschaffung durch Löw. Selbst Yedidia Weil (1721-1805) aus Prag, der eine Liste aller bekannten Golemschöpfungen verfasste, schreibt nichts über Rabbi Löw. R. Salomo Juda Rapoport (1790-1867) hierzu:

• „Die Hände des Maharals kreirten keinen Golem. Seine große Weisheit zeigt sich nicht in der Erschaffung eines Golems, sondern dadurch, dass er das Gegenteil machte: d. h. er schuf einen großen Schüler (…), Rabbi Jom Tov Lipmann Heller.“ (Gal Ed, Prag 1856, S.53)

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Die ersten schriftlichen Versionen der Prager Golemsage entstanden erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie beruhen auf älteren Vorlagen, so dass Frederic Thieberger (The Great Rabbi Loew of Prague, London 1955) die Entstehung der Golemsage um den Rabbi Löw auf die Mitte des 18. Jhr. datiert, vermutlich also eine Traditon, die auf Ezechiel Landau (1713-1793) zurückgeht (ab 1754 Rabbiner in Prag).

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• Die erste gedruckte und somit belegbare Verbindung von Löw mit dem Golem wird 1837 in Berthold Auerbachs Roman Spinoza hergestellt, obgleich es möglicherweise schon lange vorher eine mündliche Tradition gab. 1841 gibt der Journalist Franz Klutschak diese Version ebenfalls auf deutsch in der Zeitschrift Panorama des Universums wieder.

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• Eine der bekanntesten Prager Fassungen ist diejenige von Leopold Weisel, die 1846 in den „Sippurim“ – Heften des Wolf Pascheles veröffentlicht wurde. Allerdings ist der Golem hier nichts weiter als ein stummer Diener des Rabbi Löw.

• „Dieser Rabbi war in allen Künsten und Wissenschaften sehr bewandert, besonders in der Kabbala. Vermittels dieser Kunst konnte er Figuren, von Ton geformt oder von Holz geschnitzt, beleben, dass sie wie wirkliche Menschen alles verrichteten, was ihnen aufgetragen war. Solche selbstgeschaffene Domestiken sind viel wert, sie essen nicht, sie trinken nicht und brauchen kein Gehalt; sie arbeiten unverdrossen, man kann sie ausschelten, und sie geben keine Antwort.“

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• Nachdem sich bedeutende Autoren der deutschen Romantik, darunter Achim von Arnim und E. T. A. Hoffmann, mit dem Golem-Motiv befasst hatten, verwundert es nicht, dass nun noch weitere Golemgedichte um den Prager Golem (Gustav Philippson, Der Golem, 1841) oder Novellen (Daniel Uffo Horn, Der Rabbi von Prag, 1842) erschienen.

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• Vor allem drei Werke begründeten den „Prager Golem“:

• Yehuda Rosenbergs „Niflaot Ha-Maharal“ (Warszawa 1909)

• Gustav Meyrinks (1868-1932) Roman „Der Golem“ (Leipzig 1915).

• Paul Wegeners Stummfilm „Der Golem“ (1920).

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• Der Wegbereiter für den großen Siegeszug der Prager Golemsage wurde Yehuda Rosenberg, der ein hebräisches Volksbuch von den „Niflaot Maharal, Wundertaten des Rabbi Löw“ (Warszawa 1909) verfasste und vorgab, dass es der Schwiegersohn Löws, Isaak Ben Samson Katz (gest. 1624), geschrieben hätte.

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• Diese Geschichtensammlung wurde auf jiddisch übersetzt (Warszawa 1913) und 1917 von Chajim Bloch auf deutsch („Der Prager Golem“) nacherzählt. Dieses äußerst erfolgreiche Buch sorgte dafür, dass Löw auf ewige Zeiten mit der lehmigen Gestalt des Golem identifiziert wurde. Bei Rosenberg wird der Golem zum Retter des Ghettos, indem er als Spion eingesetzt wird, um drohende Ritualmordbeschuldigungen abzuwenden.

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R. Yudel Rosenberg wurde 1859 in Skaryszew, Polen, geboren. Sein Leben und Werk wird vor allem durch Ira Robinson erforscht:

“Literary Forgery and Hasidic Judaism”, Judaism 40 (1991), 61-78.

Rosenberg hatte eine traditionelle und hasidische Erziehung, aber auch Elemente der Haskala. So lernte er auch Russisch – was wichtig für sein Werk wurde…

Er lebte als Rabbiner in Tarlow, Lublin, Warszawa und Lódz bevor er 1913 nach Kanada emigrierte, wo er 1935 starb.

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• So befinden sich in seinem Werk rabbinische Studien und eine Zohar-Übersetzung auf der einen Seite …

und sehr fragwürdige Sammlungen auf der anderen…

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• Hayyim Sharfstein – der geheimnisvolle Übermittler von Manuskripten aus der „Königlichen Bibliothek von Metz“, die nie existiert hat….

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1905: Hagada shel Pesach, mit der Approbation von R. Petahia Hornblum und R. Isaak Ha-Kohen Feigenbaum.

Angeblich 1590 kopiert von Loews Schwiegersohn ist es jedoch eine Anthologie von Loews Schriften…

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• Über die persönliche Situation gibt eine der Töchter Rosenbergs, Leah Rosenberg, Auskunft:

The Errand Runner, Reflections of a Rabbi's Daughter, Toronto (John Wiley & Sons) 1981.

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• Rosenberg behauptete, in der Bibliothek von Mainz ein altes Manuskript aus dem Jahre 1583 von Löws Schwiegersohn, Rabbi Isaak Kohen, gefunden zu haben, in dem die "wahre Geschichte" um den Rabbi Löw verzeichnet sei. Im Rahmen dieser Mythologisierung tritt auch der Jesuitenpriester und antisemitische Magier Thaddäus als Löws Erzfeind und Konkurrent auf, der auf kriminelle Art mehrere Ritualmorde an Christen zu inszenieren versucht. In diesem vermeintlichen hebräischen Volksbuch wird der Golem erstmals positiv als Retter des jüdischen Volks dargestellt, wobei die unheimliche Zerstörungskraft aus der Chelmer Traditionslinie unerwähnt bleibt.

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• Rosenberg zeichnet den Maharal und den Golem als ein Duo, das vor allem gegen die Ritualmordvorwürfe kämpfte…

• Es ist eine Sammlung voller Irrtümer: ein Kardinal Sylvester gab es nie in Prag, 1573 war Rudolph II (nicht) Kaiser…sondern Maximilian II. Auch sind Namen und Plätze falsch, wie es bereits Emmanuel Eckstein, Sefer Yezirah, 1910, festgestellt hat.

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• Rosenbergs Golem-Geschichten spiegeln den modernen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts wider und enthalten kabbalistische Elemente enthalten, die keineswegs aus der Zeit Löws stammen können (Qiriat Sefer 1,1924-25, S.106).

• „Sprache und Inhalt weisen zwingend auf einen nach den Ritualmordprozessen der 1880er und 1890er Jahre schreibenden chassidischen Autor mit kabbalistischer Bildung und (in diesen Kreisen höchst ungewöhnlichen!) belletristischen Neigungen.“(Scholem, Golem, S.286)

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• Diese literarische Fälschung von „Volkssagen“ wurde vor allem durch Chajim Blochs Übersetzung aus dem Hebräischen „Der Prager Golem. Von seiner "Geburt" bis zu seinem "Tod" (1919) weit verbreitet, der Rosenbergs geographischen und historischen Irrtümer übrigens berichtigte…

• Ein neuer Volksheld war geschaffen…

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• .. Auch später wird er „alte“ Geschichten herausgeben, wie die „Tiferet Maharl mi-shpole“ (1912) über Aryeh Leib….

• G. Nigal: Wer fälschte, Rosenberg oder die Verwandten? (Hasidic Tale, Jerusalem 1981)

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• 1913: Hoshen ha-Mishpat shel ha-kohen gadol.

Auch wieder aus Metz löst Rabbi Loew einen Fall in London – die gestohlenen Steine aus dem „Belmore Street Museum“…

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• Es gab aber nie ein „Belmore Street Museum“ und alle Gestalten – und das nicht existente Museum - der „Handschrift aus Metz“ sind aus einer Kurzgeschichte von Arthur Conan Doyle (1859-1930), The Jew‘s Breastplate (1899) aus der Sammlung „Tales of Mystery“ entnommen, die Rosenberg in der russischen Übersetzung kannte…… entweder war Rosenberg sehr phantasievoll oder er Sharfstein…

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• Die Beziehung zwischen Doyle und Rosenberg und die direkte Übernahme einer Geschichte hat erst Shnayer Leiman festgestellt, nachdem andere wie Eli Yassif (1991) die Ähnlichkeit zwischen den Maharal-Geschichten und Sherlock Holmes festgestellt hatten…

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Trotz dieser Kritik haben das Volksbuch und all seine Epigonen, die im Zuge des Erfolges erschienen, dafür gesorgt, dass Löw, Prag und der Golem ein nicht mehr zu trennendes Dreieck bildeten. In traditionellen Kreisen sind Rosenberg und Rabbi Löw als Golemerschaffer immer noch umstritten.

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Während Shnayer Z. Leiman ganz deutlich die „Wundertaten“ als „moderne Fälschung“ bezeichnet (The adventure of the Maharal of Prague in London, in: Tradition 36, 1, 2002, S.26-58), beharren Autoren wie Israel Holland (Beilage zu Jated Ne’eman, Elul 5747, S.6-7) oder Aaron Brody (auf einer eigens Rosenberg gewidmeten Homepage: http://rabbiyehudahyudelrosenberg.com) auf der Wahrheit der Legende. Als Unterstützung dienen oft weitere „Original-Briefe“ Rabbi Löws, in denen er über seine Golemerschaffung berichtet.

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• „Im Gegensatz zu der geläufigen Meinung der Forschung kann hier nicht die Rede sein von einer Fälschung des authentischen Materials. Es ist vielmehr die Begegnung mit einer neuen Interpretation des Stoffes, ein symbolischer Erinnerungsakt, der das Alte neu belebt.“ (Goodman-Thau, Eveline, Golem, Adam oder Antichrist, in: Eveline Goodman-Thau, Gert Mattenklott, Christoph Schulte [hrsg.], Kabbala und die Literatur der Romantik zwischen Magie und Trope, Tübingen 1999, S.110-111)

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• Von Meyrinks ersten Auflagen wurden immerhin 145 000 Exemplare verkauft. Der Roman hat tatsächlich nur wenig mit Rabbi Löw und dem Golem zu tun. Er ist ein düsteres doppelbödiges Meisterwerk der phantastischen Literatur, das an Alfred Kubins (1877-1959) Roman „Die andere Seite“ (1908) erinnert. Meyrink, der mit dem Buddhismus sehr vertraut war, hatte leider nur oberflächliche Kenntnisse von jüdischen Inhalten. So spricht er davon, dass der Golem als Diener die „Glocken der Synagoge“ im 17. Jahrhundert geläutet habe. Die Welt des Prager Golem wird dagegen in den Buch-Illustrationen von Hugo Steiner-Prag (1880-1945) viel besser eingefangen als im Text selbst.

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Die lurianische Kabbala• Die Vertreibung der Juden aus Spanien ist eines der

tragischsten Kapitel in der jüdischen Geschichte. • "Überall wird bekanntgegeben, daß bis zum 9. von Aw,

einem Tag im Juli, der bewußt ausgewählt wurde, als der traurige Jahrestag der Zerstörung der beiden Tempel in Jerusalem, alle Juden entweder bekehrt sein müssen, oder das Land zu verlassen haben. (...) Um die 200.000 Juden (...) drängen sich in Barcelona, Tortosa, Denia, Valencia oder in Almeria, in Algeciras, in Cadiz. Bevor sie an Bord gehen, werden sie durchsucht. (...) Es gibt auch welche, die von den Matrosen im Maghreb als Sklaven verkauft oder im Kielraum der Schiffe ertränkt werden.„

• (B. Leroy, Die Sephardim, 101-102)

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• Moses Cordovero (1522-1570), ein Schüler Josef Karos

• Isaak Luria (1534-1572) • genannt ARI (Elohi Rabbi Isaak oder

Aschkenasi Rabbi Isaak)• Chajim Vital (1543-1620)

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• Lawrence Fine, Physician of the Soul, Healer of the Cosmos: Isaac Luria and His Kabbalistic Fellowship, Stanford 2003

• Eliahu Klein, Kabbalah of Creation, Berkeley 2005

• Gerold Necker, Einführung in die lurianische Kabbala, Frankfurt a. M. 2008

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Zimzum• Frage: Wenn Gott vollkommen und überall ist, so

kann es ja kein Nichts geben. • erste Teil der Schöpfung kein Aus-sich-heraus-treten,

sondern ein Hinabsteigen in Gott selbst gewesen. • Er zog sich auf sich selbst zurück, komprimierte einen

Teil seiner Wesenheit und gab so einen mystischen Raum frei, in dem er dann die Schöpfung vollzog. Luria nannte dies „Selbstverschränkung Gottes“ (hebr. Zimzum).

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Schebirat ha-Kelim• Adams Augen - Sefirot getrennt als Punkte hervor, wodurch

die Olam ha-Tohu (Welt der Verwirrung) entstand. • Die Schalen für die drei höchsten Sefirot (Keter, Chochma,

Bina) konnten das Licht aufnehmen, doch die unteren Schalen, die die anderen Sefirot (Gewura, Rachamin, Tiferet, Jessod, Nezach, Hod, Schechina) auffangen sollten, konnten der gleichzeitig hervorbrechenden Gewalt des Lichtes nicht widerstehen und das Licht in den Gefäßen bewahren.

• So zerbrachen sie unter der Kraft des göttlichen Lichtes. Dieser Vorgang wird als „Bruch der Gefäße“ (hebr. Schebirat ha-kelim) bezeichnet.

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• Es entstanden neue Strukturen. • In diesen Parzufim (Angesichter) entfalteten

verschiedene Sefirot-Gruppen ihre Aspekte. • Die oberen drei vom Bruch nicht beeinträchtigten

Sefirot wirken als einzelne Parzufim: • Keter erscheint in dem dreiköpfigen „Langmütiger,

Geduldiger“ (hebr. Arich anpin) bzw. als „Heiliger Alte“ (hebr. attiqa kadischa) oder „Alter der Tage“ (hebr. attiq jomim). Manchmal wirken diese als zwei verschiedene Aspekte dieses Parzufs.

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• Chochma und Bina werden zu Vater und Mutter (hebr. Abba we-Ima). Diese zwei sind die Wurzel aller Vereinigungen.

• Die nächsten sechs Sefirot, deren Schalen zerbrochen waren (Tiferet und fünf weitere), erscheinen als „Kurzmütiger, Ungeduldiger“ (hebr. ze’ir anpin).

• Die Schechina wird zur „weiblichen Seite von Ze’eir anpin“ (hebr. nuqba de-ze’ir anpin).

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• Durch den Prozeß innerhalb der Sefirot entstanden vier Welten, die die fünf Parzufim wiederum enthalten:

• Welt der Emanation (hebr. Azilut), • die Welt der Schöpfung (hebr. Beria), • die Welt der Formung (hebr. Jezira) und • die Welt der Handlungen (hebr. Asija).

• Diese vier Welten werden mit den einzelnen Buchstaben des Tetragrammatons bezeichnet. Durch gematrische Berechnungen erhalten wir eine andere Struktur des Tetragrammatons. Diese gliedert sich in vier Gottesnamen, die aus 72, 63, 45 und 52 Buchstaben bestehen (siehe oben). Sie werden nach ihrem Zahlenwert abgekürzt. So wirkt der Gottesname in all seinen Permutationen als kreative Kraft des Universums.

• Lawrence Fine, The contemplative Practice of Yihudim, in: Jewish Spirituality, from the Sixteenth-Century Revival to the Present, hrsg. von Arthur Green, London 1987, S.84.

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• Yod Chochma Vater• Heh Bina Mutter• Waw Tiferet Sohn• Heh Malchut / Schechina Tochter• Zohar III 290b / Zohar III 65b

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Tikkun• Die Einsammlung und Aufhebung der göttlichen Funken (hebr. Ha’alat nitzotzin),

geschieht nicht allein durch Gott. • Die Restauration der göttlichen Welten (hebr. Tikkun) kann erst durch den

Menschen vervollständigt werden. • Durch ein Leben im Geist der Tora, durch Gebet und Gebotserfüllung kann der

fromme Jude so zu einer Hilfe Gottes werden. Die halachischen Regeln erfahren somit eine hohe symbolische Bedeutung.

• In diesem kosmischen Drama bedeutet die Einhaltung der Gebote Wiederherstellung der Harmonie in den göttlichen Welten. Jeder Verstoß gegen die Halacha führt somit zu einer Erstarkung der anderen Seite und die Erlösung läßt weiter auf sich warten.

• In einer gigantischen Mikro-Makrokosmos-Szenerie spiegeln die exilierten göttlichen Funken das jüdische Exil wider.

• Louis Jacobs, The Uplifting of Sparks in Later Jewish Mysticism, in Green, Jewish Spirituality, S.99-127.

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• Für die Kabbalisten waren dies antike Riten des Weisen Simeon bar Johai und seiner Getreuen. Sie übernahmen sie ins wirkliche Leben, um ihm nachzustreben. Später waren sie so sehr in der jüdischen Tradition verwurzelt, daß kaum jemand mehr weiß, daß sie aus Safed bzw. aus dem Zohar stammen.

• Das Fasten der Erstgeborenen vor Pesach, die nächtlichen Klageriten um das Exil der Schechina, das Sprechen des Gebetes Brich schmei (Gesegnet sei sein Name) beim Ausheben der Torarolle oder die Nachtwachen vor Schavuot (Tikkun leil schawuot) und Hoschana Rabba sind Beispiele dafür.

• Die kabbalistischen Zusätze, die in die Gebetbücher aufgenommen worden sind, wurden selbst nach dem Bann gegen die Sabbatianer im 17. und 18. Jahrhundert und der damit im Zusammenhang stehenden antikabbalistischen Haltung vieler Rabbiner nicht wieder gestrichen.

• Siehe: Gershom Scholem, Tradition und Neuschöpfung im Ritus der Kabbalisten, in: ders., Zur Kabbala und ihrer Symbolik, Frankfurt a.M. 1973, S.159-209.

• Stefan C. Reif, Judaism and Hebrew Prayer, Cambridge 1995, S.248.

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Zu Luria / seph. Loria 1534-72• ARI (posthum) – ha-Elohi Rabbi Isaak• ARIZAL – zikhrono levrahkha (sein Andenken sei

gesegnet)• Schivhe ha-Ari (Lobpreisungen des Ari)

Salomo Dresnitz Briefe (1602-1609) aus Mähren Briefe an einen Freund in Krakau geschrieben – 1629 gedruckt.

300 Rabbiner, 18 Jeschiwot, 21 Synagogen und ein Lehrhaus mit über 400 Schülern…

Heiratete die Tochter des Israel Sarug

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.• Toledot ha-Ari (Lebensgeschichte des Ari)1720 gedruckt unter dem Titel „Ma‘asei Nissim“ –

„Schivche ha-Ari“basiert auf den Briefen aus Safed und ist später oder

aber es ist umgekehrt..Die Geschichten sind ohnehin dieselben…M. Benayahu (1967): 1590-1600 Erste kabbalistische Hagiographie…Tales in Praise of the Ari, Philadelphia 1970.Dt.: Chajim Bloch, Kabbalistische Sagen, Leipzig 1923.Quelle auch „Etz Chajim“ von Vital

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Sefer Ha-Chezjonot (Buch der Visionen) engl.Morris Faierstein, New York 1999

• Chajim ben Josef Vital Calabrese 1543 Safed geboren. Studierte ab 1564 bei Cordovero und war Alchemist.

• Chiromanten, Wahrsagern, Öl-Tropfen-Lesern, Kristallkugel-Lesern, Geomanten.

• Lurias magische Fähigkeiten beruhten auf seiner kabbalistischen Weisheit. Hatte für Vital messianische Qualitäten. Legitime Schüler und Nachfolger – Eifersucht, Streit (Josef ibn Tabul).

• Der Einzige, der die Lehren wirklich verstehen würde..

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• Vital hielt seine Schriften unter Verschluß. 1585 wurde er krank – Bruder wurde bestochen 50 Goldstücken von Josua ben Nun – 600 Blätter wurden von 100 Schreibern in 3 Tagen in aller Eile kopiert…Schüler hatten nun selbst Vorlagen, mit deren Hilfe sie ihre Aufzeichnungen überarbeiteten..

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• 1594 zog er nach Damaskus.• Rabbi der sizilianischen Gemeinde• Tief frustriert, Träume und Visionen, in denen

die Gemeindemitglieder von Dämonen heimgesucht werden, da sie ihn nicht mit Respekt behandeln..

Vital starb 1620. Safeds Niedergang begann. In Jerusalem saßen nun die Autoritäten der „lurianischen Kabbala“.

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Lurianische Texte• Ungeheuer populär – Scholem: fabrikmäßige

Abschreiben der Texte in Deutschland und Italien - , aber erste Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Druck erlaubt – Koretz 1782.

• „Chaim Witall hat ein großes Werk unter dem Titel Ez Chaiim, worin das ganze System seines Lehrers enthalten ist, geschrieben. Dieses Buch wird von den Juden für so heilig gehalten, daß sie nicht erlauben, es dem Drucke zu übergeben.“ Salomon Maimon,(1754-1800) Lebensgeschichte, Frankfurt a. M. 1984, S.77.

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• Vielzahl ist verwirrend – Ähnlichkeiten, Abweichungen, Parallelen etc.

• Vier Redaktionen von Chajim Vital -20 Jahre lang bearbeitete er die Lehren Lurias.

1. 1572 – Ez Chajim (8 Tore geteilt).• „Acht Tore –Schmone Sche‘arim“ Redaktion des

Sohnes Samuel Vital von 1650/60• …hütete die Texte wie einen Schatz, wer lernen

wollte, musste nach Damaskus kommen…• Gedruckt erst Konstantinopel 1850-1898

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• 2. Redaktion 1578-1585 ist eine Kurzversion der 1. • Diese Texte waren von Avraham Azulai auf dem Friedhof von

Jerusalem 1618 gefunden worden und wurden unter dem Titel „Ozrot Chajim Schätze Chajims“ von Jakob Zemach Koretz 1783 gedruckt.

• Auch fand Azulai dort Vitals 3. Niederschrift. • Daraus wählte Azulai nur Sohar-Kommentare aus und

editierte sie in 2 Bänden, während Zemach aus dieser 3. Sammlung zahlreiche kleinere Bände zusammen stellte. So druckte er die „Sha‘ar Ha-Gilgulim“ als „Sefer Ha-Gilgulim“…

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• 4. Ez Chajim, Korez 1782• Meir Popper (gest. 1662), Schüler von Jakob Zemach….

Erkannte die Verwirrung, dass die Lehren keinen Anfang und keine Ende hatten…

• Fährt nach Damaskus zu Samuel Vital. Er stellt alle ihm bekannten luriansichen Texte zusammen in eine dreibändige Ausgabe unter den Titeln:

• „Nof Ez Chajim – Krone des Lebensbaumes“ „Pri Ez Chajim - Frucht des Lebensbaumes“

• Einführungen Hakdamot unter „Derech Ez Chajim“Geläufige Druckausgabe…

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Italien

• Das 1. lurianische Buch aber war das „Sefer Ha-Kawannot“ eine gekürzte Fassung aus Gebetsintentionen Vitals aus der 1. Redaktion, Venedig 1620

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• Menachem Azaria Fano (1548-1620)• Mosche Jona, „Kanfe Jona –Die Taube Jonas“,

frühe Stadium reflektiert, da er als „Spötter“ hinausgeworfen wurde…

• Italien Kabbala-Zentrum Druck der Texte, Gebetbücher im Geist des „Sohar“ – 1587

• Robert Bonfil, Jewish Life in Renaissance Italy, Berkeley 1994

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• „Es lohnt sich nicht, kritisch den mystischen Qualm zu analysieren, den die Lurjanisten über die Erhaltung der Vitalschen Schriften verbreitet haben, wie sie zuerst geheim gehalten, dann kopiert, vergraben, entdeckt und ans Licht gezogen worden wären.« Heinrich Graetz

• Als Gershom Scholem Philip Bloch, einen der lezten Schüler von Graetz, in seiner Berliner Bibliothek besuchte und dessen kabbalistische Sammlung pries, »besonders aber die Handschriften, die meisten davon Werke der Schüler Lurias«, die der Professor studiert habe, bekam er nur die lakonische Replik: »Was, den Quatsch soll ich auch noch lesen?« 179

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1660 schrieb der polnische Kabbalist R. Jakob b. Moses Temerles:

• „Sie haben sich nach allen Seiten ausgebreitet (...). Sie sind in den Gassen bekannt (...) und die Erde ist voller Wissen. Wahrhaftig, alle, groß und klein, sind über die Mysterien des Herrn gut unterrichtet. Damit aber tröste ich mich in meinem Kummer: das große Streben und Verlangen unserer Zeitgenossen nach dieser verborgenen Weisheit zu sehen, und alle - Volk und Priester, klein und groß - verlangen danach, zum Mysterium des Herrn zugelassen zu werden und nach ihm zu leben. Gewiß bedeutet dies, daß unsere Rettung nah ist.“ Scholem, Sabbatai Zwi, S.102-103.