Der heitere - natuerlich-online.ch€¦ · Maramures und anderen Gebieten Rumä-niens ist dieses...

5
56 Natürlich | 11-2003 Grabinschriften mit Humor, geschnitzte, bunt bemalte Holzkreuze und festliche Bestattungen sind die sichtbaren Zeichen eines Dorfes, das den Tod innig ins Leben integriert. Sapanta im rumäni- schen Siebenbürgen hat mit seinem heiteren Friedhof und dem Holzschnitzer Ion Stan Patras internationale Berühmtheit erlangt. Text und Fotos: Margrit Haller-Bernhard Der heitere

Transcript of Der heitere - natuerlich-online.ch€¦ · Maramures und anderen Gebieten Rumä-niens ist dieses...

  • 56 Natürlich | 11-2003

    Grabinschriften mit Humor, geschnitzte, bunt bemalte Holzkreuze

    und festliche Bestattungen sind die sichtbaren Zeichen eines

    Dorfes, das den Tod innig ins Leben integriert. Sapanta im rumäni-

    schen Siebenbürgen hat mit seinem heiteren Friedhof und dem

    Holzschnitzer Ion Stan Patras internationale Berühmtheit erlangt.

    Text und Fotos: Margrit Haller-Bernhard

    Der heitere

  • Rituale GESELLSCHAFT

    In den Dörfern der rumänischen Nord-provinz Maramures gibt es noch das,was wir als «heile Welt» bezeichnen.Das Strassenbild wird beherrscht vonRoss und Wagen, Bauer und Bäuerin sindmit der Hacke auf der Schulter zu Fuss un-terwegs zu ihren Feldern. Sonntags sitzensie in ihren bunt gestickten Trachten aufder Bank vor dem geschnitzten Tor,schwatzen mit den Nachbarn und ruhensich aus.

    In Maramures kennt man keinen Mas-sentourismus. Wer diese einsame Gegendim Nordwesten Siebenbürgens besucht,hält nach anderen Werten Ausschau: Ur-sprünglichkeit, Volkskunst und Kontaktemit gastfreundlichen, in ihrer Traditionverwurzelten Menschen. So abgelegenund vergessen dieses einsame Gebiet auchist, eines der Maramures-Dörfer hat Welt-ruhm erlangt – Sapanta, das Dorf mit dem«heiteren» Friedhof.

    Auf den ersten Blick gesehen unter-scheidet sich Sapanta wenig von den übri-gen Ortschaften im Tal der Theiss, desGrenzflusses zwischen Rumänien undder Ukraine. Die Hauptstrasse wird beigutem Wetter von den schönen, hand-gesponnenen und handgewobenen Schaf-wollteppichen gesäumt, welche die Bäue-rinnen zum Kauf anbieten. Ein Bild fürsFotoalbum.

    Doch die meisten Besucher aus allerWelt kommen nicht deswegen nach Sa-panta. Neben der Kirche des 5000-Seelen-Dorfes steht das weltberühmte Erbe desaus einer Holzschnitzer-Familie stammen-den Volkskünstlers Ion Stan Patras. 1908geboren, verlor er seinen Vater währenddes 1. Weltkrieges und blieb mit 2 Ge-schwistern in Armut zurück. Patras durftenur 4 Jahre die Schule besuchen. Bereitsals Halbwüchsiger arbeitete er in einer

    Sägerei und stellte, um seinen Lohn etwasaufzubessern, in der Freizeit Möbel undHolzkreuze her. Diese Grabmale zeich-neten sich von Anfang an durch ihrekunstvollen Schnitzereien aus und warenbald gefragt. Bis heute hat sich kaum et-was an ihrer Herstellungsweise geändert.Aus getrockneten Eichenbalken werden220 cm lange und 35 bis 40 cm dicke Bret-ter gesägt und einige Monate gestapelt.Zuerst wird das Relief, Sinnbild für dasLeben des oder der Verstorbenen, auf dasHolz gezeichnet, mit dem Schnitzmesserherausmodelliert und bemalt.

    Blaue Kreuze, naive GedichteMit der Zeit gefielen Patras die damalsüblichen Holzkreuze nicht mehr. Ab 1936begann er die Grabmale mit geometri-schen Motiven zu bereichern, wie sie auchin der wunderschönen Stickkunst derBäuerinnen zu finden sind. Die Kreuzebemalte er in der Grundfarbe blau: für dieBewohner von Maramures Symbol derHoffnung und der Freiheit. Dazu kamenRot, Grün, Gelb und Schwarz als Aus-druck für Leidenschaft, Leben, Frucht-barkeit und Tod.

    Zu gleicher Zeit begann der Künstler,Grabinschriften in Form naiver Gedichtezu verfassen. Er hielt sie in der Ichform,

    Ion Stan Patras hat sein Kreuz und seinen Lebenslauf selber entworfen. Auf seinem Grabmal ist zu lesen:«Schon ab 14 Jahrenmusste ich selbst mein Brot verdienenhart arbeiten im Wald mit Sapin und AxtMein Vater ging in den Kriegund kam nicht mehr zurückWir, seine drei Kinderwaren allein gelassen und armIch wollte noch lange lebenum all meine Pläne zu verwirklichenMenschen aus 62 Ländernsind bis gestern zu mir gekommen Viele Staatsoberhäupterhaben mir ihren Besuch abgestattetAber jetzt, wenn die Leute kommenwerden sie mich nicht mehr findenIch wünsche allen ein gutes Lebenallen, die bis zu mir gekommen sinddenn ich habe mein Leben gelassenmit 69 Jahren»

    Natürlich | 11-2003 57

    Friedhof

  • 58 Natürlich | 11-2003

    RitualeGESELLSCHAFT

    so als ob die Verstorbenen ihr eigenesLeben in Kurzfassung erzählen würden.Als humorvolle Persönlichkeit würztePatras die «Lebensläufe» mit Witz, volks-tümlichen und archaischen Ausdrücken,wobei er sich kaum um die Orthografiekümmerte. Seine Inspirationen schöpfteer teilweise aus der 3 Nächte lang dauern-den Totenwache, in denen bis heute ausdem Leben des Leichnams erzählt wird.

    Über all die Jahre schuf der Künstlerein einzigartiges Werk, eine Grabstättemit «heiterem Gesicht». Hier sind dieVerstorbenen von Sapanta, die Bauernund Bäuerinnen, Förster, Schafhirten,Händler, Hausfrauen, Wildhüter, Kinderund alle weiteren in den letzten Jahr-zehnten im Dorf verstorbenen Menschenvereinigt. Rund 600 blaue Grabkreuzeerzählen von ihren Tätigkeiten, ihrenHoffnungen, Freuden, Leiden und ihremSterben; einige verraten Tragödien odereinen gewaltsamen Tod. Aber was machtdiesen Gottesacker zu einem Ort derLebensbejahung und der Heiterkeit? Sindes die aus der Volkskunst hervorgegan-genen Ornamente der Sapanta-blauenKreuze? Sind es die originellen, lebens-nahen Lebensläufe, die leuchtendenFarben der Grabdenkmäler, die Bäume,

    Sträucher und Blumen? Genau lässt sichdas nicht feststellen, doch scheint es,der Atem des fröhlichen, humorvollenund gütigen Menschen Ion Stan Patraswehe noch immer über dieser Stätte desFriedens.

    Heiter, sozial und furchtlosDer 1977 verstorbene Schnitzermeistergalt als ein Mensch, der das Leben leiden-schaftlich liebte und den Tod nicht fürch-tete. Sein Humor und seine Kunstfertig-keit wurden weit herum geschätzt. Nebenden Grabkreuzen schuf er auch einigeder berühmten Eingangstore zu denBauernhöfen von Maramures – jedes eineinzigartiges Werk. Daneben schnitzteer Skulpturen, Türen und Bilder. Die Be-zahlung seiner Arbeit interessierte ihnwenig, und es kam vor, dass er sich seinHonorar in Schnaps ausrichten liess. Oftsetzte er sich zum Wohl der Öffentlich-keit ein, indem er als Mitglied der Kir-chenkommission und als Vertreter desNationalen Kongresses für den Friedenwirkte und der armen Dorfbevölkerungbeistand. Als beliebter Mann übernahmer zahlreiche Patenschaften für Kinderaus minderbemittelten Familien undhandelte stets nach dem Grundsatz: «Fürmich und Gott sind alle Menschengleich!»

    Glücklicherweise wird das Werk vonIon Stan Patras fortgesetzt. Die neuenKreuze stammen nicht mehr von ihm,doch entwarf er rechtzeitig sein eigenesGrabkreuz, verfasste die dazu gehörendeInschrift und zimmerte sich seinen Sarg.Als Nachfolger von Patras gilt DumitruPop, der als Bub armer Eltern bereits mit9 Jahren beim Künstler kleine Kreuzeschnitzen durfte. Nach einer Ausbildungam Technikum von Timisoara kehrte erbeim Tode des Meisters nach Sapantazurück. Seither wohnt er auch in dessenHaus, das gleichzeitig ein kleines Mu-seum ist und als Schatzkästlein der Volks-kunst von Maramures gilt.

    BegräbnisritualeFür jede Religion sind der Tod und das Le-ben danach ein zentrales Thema. Inunserer Gesellschaft haben wir das eigeneSterben jedoch weitgehend verdrängt. InMaramures und anderen Gebieten Rumä-niens ist dieses Thema dagegen kein Tabu.Viele Leute kaufen sich ihren Sarg zuLebzeiten. Meist wird er im Hause fürdie spätere Beerdigung aufbewahrt. Eskommt vor, dass alte Menschen, die ihrEnde nahen fühlen, sich in ihren Sarglegen und einfach sterben. Nicht immerfunktioniert das allerdings: So erzählt mansich in Sapanta von einem Dorfbewohner,

    «Kommt alle zusammen hierher damit ich euch mein gebranntes Wasser geben kann trinkt dieses Glas, um eure Sorgen zu vergessenIch gebe euch das gebrannte Wasser vom Fassund ihr werdet doppelt sehenSo lange ich lebte, machte ich starken Schnapsund ich musste all das lassenals ich 54 Jahre alt war»

    Eine Witwe am Grab ihres Gatten: Als Zeichen der Trauer trägt sie ein schwarzes Kopftuch.

  • Natürlich | 11-2003 59

    Rituale GESELLSCHAFT

    der im Alter von 60 Jahren meinte, erhabe genug gelebt, sich in seinen Sarglegte und auf den Tod wartete. Als sichdieser nicht einstellen wollte, verliess derMann seine enge Behausung, trug sie indie Scheune, wo er sie Jahr für Jahr zurAufbewahrung der Nussernte benutzte.Mit 90 Jahren wurde er beerdigt.

    Auch die Menschen, die mitten imLeben stehen, befassen sich in Sapanta –wie auch in anderen ländlichen TeilenRumäniens – mit ihrem Sterben. Etwa abdem 40. Altersjahr kümmert man sich umeine Grabstätte und spart für sein eigenesBegräbnis. Denn es ist nicht gewiss, ob dieKinder genügend Geld dafür aufbringenwerden. Eine unwürdige Bestattung wärefür die Familie eine Schande und würdedie Ruhe des Toten stören. Deshalb wirdalles daran gesetzt, bereits zu LebzeitenGeld für die Beerdigung auf die Seite zulegen und sogar noch selber die Toten-geschenke zu kaufen. Bei einem Todesfallschreibt die Tradition vor, dass der oderdie Tote von Kopf bis Fuss neu eingeklei-det wird. Zudem müssen auf dem Landebis 60, in der Stadt mindestens 9 Men-schen, seien dies Verwandte, Freundeoder Bekannte, Geschenke erhalten. Be-sonders beliebt sind bunte Töpfe, Löffel,Gabeln, Hand- und Nastücher. DieseGeschenke, die alle neu gekauft werden,kosten eine Menge Geld. Die Leiche wirdzu Hause hergerichtet und aufgebahrt,um den verstorbenen Menschen zu ehren.Eine schwarze Fahne oder eine Tannemit schwarzen Bändern kennzeichnetdie Stätte des Toten und lädt die Dorf-bevölkerung während 3 Tagen zu einemAbschiedsbesuch ein.

    Trauern mit Brot und WeizenbreiIm Hause des Verstorbenen sind die Spiegelverhängt, und es gilt als unschicklich, sichgeschminkt dem Leichnam zu nähern, umdem Toten wahrhaftig, ohne Maske, zu be-gegnen. In diesem Sinne ist es auch nichtgestattet, ihm Geschenke zu bringen oderihn mit Blumen zu schmücken. Bei Ker-zenlicht halten während 3 Nächten Fami-lie, Freunde und Bekannte Totenwache.Dabei dürfen die Angehörigen ihremSchmerz mit lautem Klagen und WeinenAusdruck geben.

    Zu der aktiven Trauerarbeit gehört eineRückschau auf das Leben des Verstorbe-

    nen. Ein Familienmitglied spricht überseine Taten, Gewohnheiten und über alles,was dem Verstorbenen wichtig war. ZurStärkung der Besucher bietet die Familieselbst gebackene Brötchen an (oft in Kreuz-

    form), die in Wein getunkt gegessen wer-den. Bei Tag herrscht in der Küche emsigesTreiben zur Vorbereitung des Leichen-mahls. Neben Krautrollen und anderenLeckerbissen ist die wichtigste Speise dieColiva, ein süsser Weizenbrei, der stunden-lang in einem offenen Kessel über demFeuer gekocht wird und dessen Dampfdem Toten helfen soll, sich von der Erde zulösen und in den Himmel aufzusteigen. DieGäste dürfen während der Totenfeste nichtstreiten; allfällige Streithähne sind gezwun-gen, sich auszusöhnen.

    Der Augenblick, in dem der Sarg ausdem Haus getragen wird, ist für die An-gehörigen schmerzlich; es fliessen unterlautem Weinen viele Tränen. Alsdannsetzt sich der Trauerzug in RichtungKirche in Bewegung, wo eine Messe abge-halten wird, und von dort auf Umwegendurch das Dorf zum Friedhof. An derSpitze des Zuges wird das Grabkreuz ge-tragen, gefolgt von der Totenfahne, demPfarrer, 2 Frauen und dem offenen Sarg.Überall dort, wo sich der oder die Ver-storbene zu Lebzeiten aufhielt, am Ar-beitsplatz, beim Schulhaus, vor demWohnhaus usw., wird ein Messehalt ein-gelegt, damit sich der Tote in Ruhe vonseinen Lieblingsplätzen verabschiedenkann. Während des Trauermarsches ver-teilen die Angehörigen Brötchen undKleingeld. Am offenen Grab zelebriertder Priester nochmals eine Messe, dann

    «So lange ich lebtenannte man mich Tite Grigoreich sage, was mir passiert istIch lag im Bett und wurde vom Blitz getroffenMeine Mutter war schmerzerfülltdenn sie hatte nur einen Sohnder so jung gestorben istDu heimtückischer Todwarum hast du nicht einen anderen geholtAdieu meine geliebte MutterWir werden uns beim Jüngsten Gerichtwiedersehen Ich habe mein Leben 1943 mit 13 Jahren verloren»

    Sonntagsausflug: Diese beiden Witwen ruhen sich an den Gräbern ihrer Männer in der Sonne aus.

  • RitualeGESELLSCHAFT

    werden das Grab und die mitgeführteColiva (Weizenbrei) mit Wein bespritztund der Leichnam mit einer Mischungaus Wein und Öl gesegnet. Erst jetzt wirdder Sarg verschlossen.

    Die Erinnerungen wach haltenMit der Beerdigung sind die Verpflich-tungen der Hinterbliebenen gegenüberdem oder der Toten keineswegs zu Ende.Die Familie will die Erinnerung an denverstorbenen Menschen lebendig halten.Deshalb steht während 40 Tagen eineKanne mit frischem Wasser und ein Brotbereit für den Verstorbenen.

    Im Verlauf eines Jahres werden fürden Hingeschiedenen 5 Messen gelesen,und die Zurückgebliebenen verteilen imNamen des Toten weitere Geschenke, sodass im Laufe der Zeit sämtliche Freundeund Bekannte ein «Andenken» besitzen.Am Todestag und am Namenstag des Ver-storbenen werden weitere Messen gele-sen und die von vielen Familien in dieKirche mitgebrachten Colivas gesegnetund neben dem Altar aufgestellt. 7 Jahrenach seinem Tod wird für den Verstorbe-nen eine weitere Messe gelesen und einTotenfest veranstaltet mit einem reichhal-tigen Essen und einer Coliva.

    Jeden Sonntag nach der Messe besu-chen die Familien ihre Verstorbenen auf

    dem Friedhof. Sie bringen Brötchen mit,die sie an Arme und Hungrige verteilen,schmücken die Gräber mit Blumen undunterhalten sich mit den anderen Besu-chern. Der Friedhof als eine echte Begeg-nungsstätte, wo sich Freud und Leid,Leben und Tod die Hand geben.

    Den Tod ins Leben aufnehmenIn jeder Kultur gibt es Bestrebungen,die Endgültigkeit des Lebens zu erken-nen und den Tod zu akzeptieren. Toten-und Begräbnisriten, wie sie in Europanoch in Maramures Brauch sind, helfenden Überlebenden, den Verlust einesgeliebten Angehörigen oder Freundeszu bewältigen. Sie lassen auch jüngereMenschen an ihre begrenzte Lebens-zeit denken, indem sie sich frühzeitigum ein würdiges Begräbnis kümmernmüssen.

    Eine solche Lebenshaltung wird vonallen Religionen empfohlen, u. a. imtibetischen Buddhismus, wo sich dieGläubigen lange vor ihrem Ablebendurch verschiedene Praktiken auf denkommenden Tod vorbereiten, um ihmdereinst gefasst und heiter zu begegnen.

    Und wir? Unser hektisches Lebenvoller Termine, Pläne, Sitzungen undVerpflichtungen lässt kaum Zeit, bereitsin jüngeren Jahren an unsere begrenzteLebensdauer zu denken. Wir habenden Tod erfolgreich verdrängt, und dieÜbersetzung Martin Luthers «Mittenwir im Leben sind mit dem Tod umfan-gen» hören wir meist nur bei Abdan-kungen, ohne ihre inhaltliche Bedeu-tung wirklich zu begreifen. Da mag unsder «Fröhliche Friedhof» von SapantaAnstoss sein, im geschäftigen Alltag abund zu inne zu halten und den Gedan-ken an die Endlichkeit unseres Lebenszuzulassen. ■

    «Schon als Kindnannten sie mich Ileana NevestiIch liebte es, für alle zu kochenversuchte die Gerichte und würzte sie gutbevor sie gegessen wurdenJetzt werde ich nie mehr kochenweder am Freitag noch am Samstagdenn mein Schicksal wollte dass ich Euch verlasseIch habe diese Welt mit 68 Jahren verlassenim Jahre 1986»

    60 Natürlich | 11-2003

    Das ehemalige Schlafzimmer von Meister Patras: Sein Wohnhaus ist heute ein kleines, aber reichhaltiges Museum der Volkskunst von Maramures.

    Nachkommen der DakerIm Norden Rumäniens lebte einst das Volk

    der Daker, dessen Hauptstadt Sarmizegetusa

    106 n. Chr. von den Römern zerstört wurde.

    Zwar gelang es den Eroberern, das Land zu be-

    setzen, doch die eigensinnigen Daker hielten

    an einigen ihrer Bräuche und Sitten über Jahr-

    hunderte fest. Noch heute betrachten sich die

    Menschen von Maramures als Nachkommen

    der Daker. Ihre unerschrockene Haltung ge-

    genüber dem Tod mag einerseits in der christ-

    lich-orthodoxen Religion, andererseits in der

    alten dakischen Überlieferung von der Un-

    sterblichkeit der Seele wurzeln. Zwar löst der

    Tod eines geliebten Menschen bei Angehöri-

    gen und Freunden in Maramures ebenso viel

    Leid und Trauer aus wie bei uns. Aber beides

    wird dank der stets vor Augen gehaltenen

    Gewissheit über die begrenzte Lebenszeit auf

    Erden, die damit verbundenen Sitten und

    Begräbnisrituale aktiv verarbeitet.