Der kognitiv-behaviorale Ansatz in der Sozialen...

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Hochschule Esslingen Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege Bachelorarbeit Der kognitiv-behaviorale Ansatz in der Sozialen Arbeit Eine Umsetzung anhand einer kognitiv-behavioral ausgerichteten Unterstützung von Eltern zu einer gelingenden Erziehung Vorgelegt von: Jona Ruehs Matrikelnummer: 751816 Studiengang: Bachelor Soziale Arbeit Fachsemester: 7 Abgabe: 15.11.2018 Erstkorrektorin: Prof. Dr. Phil. Christine Köckeritz Zweitkorrektor: Prof. Dr. Phil. Thomas Heidenreich

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Hochschule Esslingen

Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege

Bachelorarbeit

Der kognitiv-behaviorale Ansatz in

der Sozialen Arbeit

Eine Umsetzung anhand einer kognitiv-behavioral ausgerichteten Unterstützung von

Eltern zu einer gelingenden Erziehung

Vorgelegt von: Jona Ruehs

Matrikelnummer: 751816

Studiengang: Bachelor Soziale Arbeit

Fachsemester: 7

Abgabe: 15.11.2018

Erstkorrektorin: Prof. Dr. Phil. Christine Köckeritz

Zweitkorrektor: Prof. Dr. Phil. Thomas Heidenreich

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Inhalt

1. Einleitung ...................................................................................................................... 3

1.1 Motivation des Verfassers und Fragestellungen für die Arbeit .................................. 3

1.2 Aufbau der Arbeit ..................................................................................................... 4

2. Was ist gelingende Erziehung ....................................................................................... 5

2.1 Erziehung und Erziehungsstil ................................................................................... 5

2.2 Die ‚fünf Säulen der Erziehung‘ ................................................................................ 6

3. Grundlagen des kognitiv-behavioralen Ansatzes ........................................................ 8

3.1 Die Sozialkognitive Lerntheorie ................................................................................ 9

3.1.1 Lerneffekte ........................................................................................................ 9

3.1.2 Phasen des Modelllernens .............................................................................. 10

3.1.3 Arten von Verstärkern ...................................................................................... 12

3.2 Das klassische Konditionieren ............................................................................... 13

3.3 Das operante Konditionieren .................................................................................. 14

3.3.1 Verstärkung ..................................................................................................... 14

3.3.2 Bestrafung ....................................................................................................... 17

3.4 Der kognitive Ansatz .............................................................................................. 23

3.4.1 Ebenen von Kognitionen.................................................................................. 23

3.4.2 Ebenen der kognitiven Therapie ...................................................................... 24

4. Erziehungsfehler ......................................................................................................... 25

4.1 Durch die Sozialkognitive Theorie erklärbare Erziehungsfehler .............................. 25

4.2 Durch klassische Konditionierung bedingte Erziehungsfehler ................................ 27

4.3 Durch operante Konditionierung bedingte Erziehungsfehler ................................... 28

4.3.1 Fehler beim Aufbau erwünschter Verhaltensweisen ........................................ 28

4.3.2 Fehler beim Abbau unerwünschter Verhaltensweisen ..................................... 29

4.3.3 Eskalationsfallen ............................................................................................. 31

4.4 Durch den kognitiven Ansatz erklärbare Erziehungsfehler ..................................... 32

2

5. Triple P ........................................................................................................................ 34

5.1 Die Geschichte von Triple P ................................................................................... 34

5.2 Das Triple P Mehrebenen-Modell ........................................................................... 35

5.3 Inhalte von Triple P ................................................................................................ 37

5.3.1 Grundregeln für eine positive Erziehung .......................................................... 37

5.3.2 Stärkung der Beziehungs- und Erziehungskompetenzen ................................ 38

5.4 Ausbildung zum Triple P-Anbieter und Finanzierung der Angebote ....................... 45

6. Kritische Auseinandersetzung mit Triple P .................................................................. 46

6.1 Kritikpunkt: Problematisierung von altersangemessenem Verhalten ...................... 47

6.2 Kritikpunkt: Beziehungslose, dressurmäßige Erziehungshaltung ........................... 49

6.3 Kritikpunkt: Fragwürdige und schädliche Erziehungsmethoden.............................. 52

6.4 Kritikpunkt: Keine wirkliche Verbesserung der Erziehungskompetenzen ................ 54

6.5 Zwischenfazit bezüglich der Kritik .......................................................................... 55

7. Empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Triple P .......................................... 56

7.1 Studie Naumann et Al. ........................................................................................... 57

7.1 Studie Eichelberger et Al. ....................................................................................... 58

8. Schlussteil ................................................................................................................... 59

8.1 Bezugnahme auf die Forschungsfrage ................................................................... 59

8.2 Persönliches Fazit .................................................................................................. 61

I Quellenverzeichnis ........................................................................................................ 63

II Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. 67

III Eigenständigkeitserklärung .......................................................................................... 67

3

1. Einleitung

1.1 Motivation des Verfassers und Fragestellungen für die Arbeit

In verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit werden Hilfeprozesse planvoll gestaltet, wobei

die Fachkräfte auf bestimmte Methoden zurückgreifen (Galuske 2011, 931-933). Um als

Sozialarbeiter mehr Handlungssicherheit zu gewinnen, stellt sich für mich die Frage, wie das

Methodenrepertoire für konkrete Beratungssituationen und Interventionen erweitert werden

kann. Der kognitiv-behaviorale Ansatz stellt dabei meiner Ansicht nach mit seiner empiri-

schen Fundierung und seiner Methodenvielfalt eine wertvolle Möglichkeit dar.

In einer Studie zur Bedeutung der Verhaltensmodifikation in der Sozialen Arbeit geben

50,94 % der befragten Fachkräfte an, sie würden behaviorale Methoden anwenden, wenn sie

dazu die fachlichen Kompetenzen hätten (Bartmann und Grün 2004, 86), was auf ein großes

Interesse Sozialarbeitender für den kognitiv-behavioralen Ansatz hindeutet. Dem zuwiderlau-

fend ist der kognitiv-behaviorale Ansatz aktuell in der Hochschulausbildung jedoch nur

schwach vertreten und wird dementsprechend auch in der Praxis kaum integriert (Löbmann

und Como-Zipfel 2012, 237), was ich persönlich sehr schade finde. In der vorliegenden Arbeit

setze ich mich daher damit auseinander, wie das theoretische Wissen und die Methoden des

kognitiv-behavioralen Ansatzes in die Soziale Arbeit einfließen können.

Um die Umsetzung in ein konkretes Arbeitsfeld zu veranschaulichen, werde ich auf die Arbeit

mit Familien mit Erziehungsschwierigkeiten eingehen.

Mollenhauer definiert Erziehung als eine der ersten sozialen Handlungen, die das Kind erlebt

und durch die es lernt und in seiner Entwicklung beeinflusst wird (2006, 609). Doch durch

welche Merkmale kennzeichnet sich eine positive Erziehung? In der pluralistischen Gesell-

schaft verschwinden tradierte Werte und allgemeingültige Normen, wodurch bei Eltern aller

Schichten Unsicherheiten bezüglich der richtigen Erziehungshaltung entstehen (Tschöpe-

Scheffler 2006, 9-10). Nicht zuletzt dadurch kann es dazu kommen, dass Eltern fragwürdiges

Erziehungsverhalten zeigen, das sich durch Nachgiebigkeit, Inkonsequenz oder übertriebene

Strenge kennzeichnet (Petermann und Petermann 2012, 240, 242).

Die Gesetzgebung legt jedoch nicht nur das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung

nach § 1631 BGB fest, sondern verpflichtet zugleich die Jugendhilfeträger nach § 16 SGB VIII

dazu, Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen und gewaltfreie Wege der

Konfliktlösung aufzuzeigen. Dieser Auftrag kann beispielsweise durch präventive Elternpro-

gramme umgesetzt werden. Triple P (Positive Parenting Program) ist nicht nur eines der

bekanntesten davon, sondern hat ein theoretisches Fundament, es integriert kognitiv-

behaviorale Methoden und wurde ausgiebig evaluiert (Dirscherl, Obermann und Hahlweg

2006, 51-54; Dirscherl et Al. 2011, 5). Insofern eignet es sich gut dafür, die Integration des

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kognitiv-behavioralen Ansatzes in die Soziale Arbeit zu verdeutlichen und kritisch zu hinter-

fragen.

Für diese Arbeit ergibt sich somit die Hauptforschungsfrage:

Welche Bedeutung kommt dem kognitiv-behavioralen Ansatz bei der Unterstützung

von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten zu?

Um die Hauptforschungsfrage beantworten zu können, wird diese in drei Teilforschungsfra-

gen untergliedert:

1. Gelingt mit Hilfe des kognitiv-behavioralen Ansatzes ein Verständnis über die Entstehung

und Aufrechterhaltung destruktiver Interaktionsmuster in der Erziehung?

2. Sind Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatz in der Unterstützung von Familien mit

Erziehungsschwierigkeiten umsetzbar und wie gelingt dies am Beispiel von Triple P?

3. Wie ist der Einsatz von Methoden des kognitiv-behavioralen Ansatzes in der Sozialen

Arbeit am Beispiel von Triple P im Hinblick auf die Kritik aus der Fachwelt und die empiri-

sche Befundlage zu bewerten?

1.2 Aufbau der Arbeit

Um eine Grundlage für die Arbeit mit Familien mit Erziehungsschwierigkeiten zu schaffen

wird im ersten Kapitel definiert, was Erziehung ist und anschließend anhand der ‚Fünf Säulen

der Erziehung‘ herausgearbeitet, wodurch sich eine entwicklungsfördernde Erziehung

kennzeichnet.

Im zweiten Kapitel werden für die Erziehung relevante Grundlagen des kognitiv-behavioralen

Ansatzes erläutert. Sie sollen ein theoretisches Verständnis über unbeabsichtigte und

beabsichtigte Lerneffekte in der Erziehung und die Entstehung und Veränderung von

Erziehungshaltungen der Eltern ermöglichen. Für ein Verständnis der Lerneffekte in der

Erziehung werden die Sozialkognitive Lerntheorie, das klassische Konditionieren und das

operante Konditionieren behandelt. Darauffolgend wird der kognitive Ansatz kurz umrissen,

um einen Einblick zu geben, wie Erziehungshaltungen der Eltern entstehen und in einem

therapeutischen Prozess verändert werden können.

Im Anschluss erfolgt im vierten Kapitel eine intensive Auseinandersetzung mit Erziehungsfeh-

lern, die anhand der zuvor erläuterten theoretischen Grundlagen analysiert werden.

Um die Umsetzung der Integration des kognitiv-behavioralen Ansatzes in die Arbeit mit

Familien zu verdeutlichen wird im Fünften Kapitel das präventive Elternprogramm Triple P mit

seiner Entstehungsgeschichte, den verschiedenen Präventionsebenen und Methoden

vorgestellt.

Da Triple P nicht zuletzt aufgrund der kognitiv-behavioralen Ausrichtung sehr umstritten ist,

werden im sechsten Kapitel einige Kritikpunkte aufgegriffen und unter Hinzuziehen der

Argumente der Befürworter von Triple P und der Fachliteratur diskutiert.

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Um zusätzlich zu der Diskussion um Triple P auch empirische Fakten einfließen zu lassen

werden schließlich im siebten Kapitel zwei aus Deutschland stammende Studien zur Wirk-

samkeit von Triple P beschrieben.

Zuletzt wird im achten Kapitel Bezug auf die Forschungsfragen genommen und es wird ein

persönliches Fazit gezogen.

2. Was ist gelingende Erziehung

Es gibt eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren, die sich mit der Frage auseinandersetzen,

wodurch sich eine gelingende Erziehung kennzeichnet und dabei sehr unterschiedliche

Aspekte in den Fokus stellen, sodass für die Leserin / den Leser ein sehr einseitiges Bild von

Erziehung entstehen kann. Um diesbezüglich Klarheit zu schaffen werden in diesem Kapitel

zunächst die Begriffe Sozialisation, Erziehung und Erziehungsstil kurz behandelt, um im

Anschluss auf Basis der fünf Säulen der Erziehung die Merkmale einer gelingenden Erzie-

hung darzulegen.

2.1 Erziehung und Erziehungsstil

Sozialisation bezeichnet den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung durch die Gesamtheit

der Einflussfaktoren aus der sozialen und materiellen Umwelt, der Veranlagung der Person

und ihrer psychischen und körperlichen Verfassung (Hurrelmann 2006, 730).

Erziehung ist ein Teil der Sozialisation (ebd., 17). Nach Tschöpe-Scheffler bezeichnet

Erziehung den „Versuch, das Kind in seiner Entwicklung positiv zu beeinflussen, indem

bestimmte Methoden eingesetzt werden, um wünschenswerte Verhaltensweisen, Fähigkeiten

und Eigenschaften des Kindes zu unterstützen und zu fördern“ (2003, 40). Deutlich wird aus

dieser Definition, dass der Erziehung immer bestimmte von den Erwachsenen ausgewählte

Zielvorstellungen zugrunde liegen. Außerdem geht daraus hervor, dass Erziehung nur den

Versuch einer positiven Beeinflussung darstellt und somit erzieherisches Handeln auch

wirkungslos sein oder sich sogar negativ auf das Kind auswirken kann und sich daraus viele

mögliche Erziehungsfehler (siehe Kapitel 4) ergeben können.

Der Erziehungsstil bezeichnet die Gesamtheit der beobachtbaren Erziehungsmethoden und

der Grundhaltung der Erziehenden (Tschöpe-Scheffler 2003, 40). Aufgrund seiner nachge-

wiesenermaßen positiven Auswirkungen gilt der autoritative Erziehungsstil als Idealform der

Erziehung. Er kennzeichnet sich durch ein hohes Maß an Wärme und Kontrolle. Wärme

zeigen Eltern in der Erziehung durch eine liebevolle Zuwendung und unbedingte Wertschät-

zung. Kontrolle ist in der autoritativen Erziehung behauptend und unterstützend. Behaupten-

de Kontrolle äußert sich durch eine klare, jedoch nicht restriktive Überwachung des Lebens-

stils des Kindes oder des / der Jugendlichen. Unterstützende Kontrolle beinhaltet es, das

Kind durch die Anregung zu neuen Lernerfahrungen, durch rationale Erklärungen und

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einfühlende Hilfe zu unterstützen und damit die Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit zu

fördern (Liebenwein und Weiß 2012, 162).

2.2 Die ‚fünf Säulen der Erziehung‘

Tschöpe-Scheffler legt die Grundlagen einer gelingenden entwicklungsfördernden Erziehung

dar. Unter Einbezug der aktuellen Forschungsergebnisse beschreibt sie fünf entwicklungsför-

dernde Dimensionen der Erziehung und stellt diese als die „fünf Säulen der Erziehung“ vor.

Um zu verdeutlichen, welche Fehler in diesen Bereichen möglich sind, geht sie auch auf die

Gegenpole, also die entwicklungshemmenden Dimensionen ein (2013, 45-46). Ihr Ziel ist es

dabei, „für bereits bestehende positive Elemente in der Erziehung zu sensibilisieren und zu

ermutigen, die entwicklungsfördernden Aspekte weiter auszubauen und die entwicklungs-

hemmenden zu minimieren“ (ebd., 47).

Erste Säule: Liebe

Liebevolle Zuwendung ist die Grundlage einer gelingenden Erziehung. Die Eltern sollen für

das Kind verfügbar sein, ihm reine Aufmerksamkeit zukommen lassen, wohlwollend auf seine

Bedürfnisse eingehen und Anteilnahme an seinen Problemen zeigen. Dies soll sich in der

gesamten Kommunikation widerspiegeln: in der Mimik, in der Gestik, im Blickkontakt und im

Körperkontakt (Tschöpe-Scheffler 2003, 47-48). Durch diese positive Interaktion und die

Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes wird ermöglicht, dass das Kind eine sichere

Bindung aufbauen und ein positives Weltbild entwickeln kann (ebd., 51).

Abzugrenzen ist die liebevolle Zuwendung von der instinktiven Liebe, die spontan und

unkontrolliert ist und dazu führen kann, dass Eltern ihr Kind überfürsorglich bedrängen. So

kann es zu einer Überbehütung, überstarken Bindung oder Fixierung kommen, sodass das

Kind sich nicht von dem Elternteil ablösen kann oder in seiner weiteren Entwicklung gehemmt

wird. Anstatt der instinktiven Liebe freien Lauf zu lassen, sollen Eltern daher ihr fürsorgliches

Verhalten dahingehend hinterfragen, ob es der Entwicklung des Kindes förderlich ist oder nur

der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient (ebd., 48-49.)

Zweite Säule: Achtung und Respekt

Das Kind zu achten bedeutet, es als gleichwertigen Interaktionspartner zu sehen und es in

seiner Individualität mit all seinen Eigenschaften zu akzeptieren, auch wenn diese von dem

Elternteil selbst als befremdlich empfunden werden. Respekt sollen Eltern vor dem Willen des

Kindes haben, indem sie dem Kind die Möglichkeit geben, eigene Entscheidungen zu treffen,

eigene Erfahrungen zu machen und aus diesen zu lernen. Wichtig ist es, zu akzeptieren,

dass das Kind unplanbar und unkontrollierbar bleibt (Tschöpe-Scheffler 2013, 64-65).

Der Gegenpol dazu stellt die Missachtung dar, bei der Eltern den Willen des Kindes nicht

ausreichend beachten und ihre Machtposition ausnutzen, um dem Kind ihren Willen aufzu-

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zwingen. Kennzeichnend ist dabei ein bestimmender, kontrollierender und herabwürdigender

Kommunikationsstil, der eine Form der psychischen Misshandlung darstellt (ebd., 66).

Dritte Säule: Kooperation

Eltern sollen mit dem Kind kooperativ umgehen. Wichtig sind dabei eine wechselseitige

Kommunikation, Erklärungen und ein Bemühen um gegenseitiges Verständnis. Es sollte ein

partnerschaftlicher Umgang gepflegt werden, bei dem das Kind seine Meinung äußern darf,

in Entscheidungen einbezogen wird und so eigenverantwortliches Handeln erlernen kann.

Beim Erlernen neuer Verhaltensweisen sollen die Eltern das Kind begleiten und unterstützen,

wobei die Eigenständigkeit des Kindes das Ziel ist (Tschöpe-Scheffler 2013, 68).

Bei der Erziehung wird unterschieden in intentionales Handeln, bei dem die Eltern gezielt

Einfluss auf das Verhalten des Kindes nehmen und funktionales Geschehen, bei dem Kinder

beiläufig lernen (Wiater 2012, 20). Nach Tschöpe Scheffler sollte Erziehung in erster Linie

funktional erfolgen, sodass das Kind durch Nachahmung der Eltern oder Erfahrungen aus der

Umwelt lernt. Eine intentionale Erziehung ist nur angebracht, wenn dafür eine Notwendigkeit

besteht (2013, 71). Übertritt das Kind gesetzte Grenzen, muss es die Möglichkeit haben, sich

zu entschuldigen und die Eltern sollen dies annehmen (ebd., 68-69).

Der Gegenpol zur Kooperation ist eine durch ein hohes Maß an Lenkung gekennzeichnete

Beziehung, bei der die Eltern das Kind zu kontrollieren und zu formen versuchen und Fehler

bestrafen. Das Kind erlebt sich dadurch als passiv und inkompetent und lernt nicht, mit

Freiheiten umzugehen und für sich selbst verantwortlich zu sein (ebd., 71).

Vierte Säule: Struktur, Verbindlichkeit und Grenzsetzung

Wenn es um das Setzen von Grenzen geht ist eine positive Beziehung wichtig, die sich durch

emotionale Wärme und gegenseitiges Vertrauen kennzeichnet. Denn Kinder bemühen sich

um die Zustimmung und Anerkennung der Erwachsenen und versuchen, deren Missbilligung

zu vermeiden und lernen auf die Weise in der Interaktion mit den Eltern auch beiläufig das

Einhalten bestimmter Regeln (Tschöpe-Scheffler 2013, 72-73).

Normen und Regeln dienen dem Kind als wichtiger Orientierungsrahmen, den das Kind im

Umgang mit den Mitmenschen und besonders durch die Eltern erfährt, schließlich als eigenes

Werte- und Normensystem internalisiert und dadurch eine Ich-Identität ausbilden kann.

Regeln sollen klar verständlich, angemessen und einhaltbar sein, um das Kind nicht zu

überfordern.

Konsequenzen sollten dem Kind vorher bekannt sein, konsequent erfolgen und auf das

Verhalten des Kindes zurückzuführen sein, um für das Kind verständlich und vorhersehbar zu

sein. Eltern sollten zwischen der Person des Kindes und seinem Verhalten trennen, dem Kind

also immer die unbedingte Wertschätzung zukommen lassen (Tschöpe-Scheffler 2013, 74-

75).

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Der Gegenpol ist hier ein widersprüchliches oder willkürliches Erziehungsverhalten der Eltern,

das sich durch körperliche oder psychische Gewalt äußern kann oder ein Mangel an Struktu-

ren und Grenzen, wodurch dem Kind eine wichtige Orientierung vorenthalten wird (ebd., 76).

Fünfte Säule: Allseitige Förderung

Um ein Kind allseitig zu fördern ist eine anregungsreiche Umgebung wichtig, in der das Kind

sinnliche Erfahrungen machen kann und kulturell gebildet wird. Zwischen Eltern und Kind soll

eine rege Interaktion bestehen, in der die Neugier des Kindes unterstützt wird und auftreten-

de Fragen beantwortet werden. Um Neugierverhalten von klein auf zu fördern ist eine sichere

Bindung wichtig. Kinder mit sicherer Bindung explorieren ihre Umwelt und machen dort

eigenen Erfahrungen, vergewissern sich dabei immer wieder, dass der Elternteil noch

anwesend ist und sie zu diesem zurückkehren können (Tschöpe-Scheffler 2013, 78-79).

Ein Gegenpol zur allseitigen Förderung ist eine Überforderung durch einen ehrgeizigen

Erwachsenen, der das Kind zu Höchstleistungen zwingt oder eine mangelnde Förderung

durch eine Überbehütende oder anregungsarme Umgebung (ebd., 79).

Nach dieser kurzen Darstellung der Merkmale der entwicklungsfördernden und entwicklungs-

hemmenden Aspekte in der Erziehung werden im nächsten Kapitel die Grundlagen des

kognitiv-behavioralen Ansatzes beschrieben, um so Verständnis über die Mechanismen in

der Erziehung zu bekommen.

3. Grundlagen des kognitiv-behavioralen Ansatzes

Der kognitiv-behaviorale Ansatz umfasst behavioristische und kognitive Modelle (Benecke

2014, 152-153). Das behavioristische Modell gehen davon aus, dass menschliches Verhalten

zum großen Teil durch Umwelteinflüsse bestimmt wird und durch eine Veränderung der

Umwelteinflüsse modifizierbar ist (Gerrig 2015, 525). Kognitive Modelle sind historisch aus

dem behavioristischen hervorgegangen (Bennecke 2014, 152) und sind somit als Ergänzung

zu diesem zu sehen. Sie gehen davon aus, dass zusätzlich zu den Umwelteinflüssen auch

kognitive Prozesse das Verhalten des Menschen beeinflussen und sich darauf auswirken,

welche neuen Lernerfahrungen gemacht werden (Gerrig 2015, 525). Der kognitiv-behaviorale

Ansatz ermöglicht mit seinen verschiedenen Modellen ein Verständnis über menschliches

Verhalten und eröffnet therapeutische Methoden, um dieses verändern zu können (Benecke

2014, 152-153).

Im folgenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen dafür geschaffen, Fehler in der

Erziehung zu verstehen und Eltern dabei zu unterstützen, fragwürdige Erziehungshaltungen

zu verändern und ihre Erziehungskompetenzen zu verbessern. Dazu wird zunächst die

Sozialkognitive Lerntheorie dargestellt, die behaviorale und kognitive Prozesse einbezieht. Im

Anschluss wird das behavioristische Modell mit dem klassischen und operanten Konditionie-

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ren beschrieben und zuletzt wird der kognitive Ansatz dargelegt. Die Fallbeispiele sind jeweils

auf die Erziehung bezogen.

3.1 Die Sozialkognitive Lerntheorie

Jeder Mensch greift auf ein Repertoire an möglichen Verhaltensweisen zurück. Doch wie

wurden diese erworben? Müsste jeder alle Verhaltensweisen durch Versuch und Irrtum

erproben, würde dies vermutlich viel Zeit in Anspruch nehmen, ein großes Chaos auslösen

und den kontinuierlichen Fortschritt der Gesellschaft behindern.

Beim Erwerben neuer Verhaltensweisen greift der Mensch daher auch auf die Strategie des

Modelllernens zurück. Dabei dienen andere Menschen als Modelle, bei denen Verhaltens-

weisen und deren Konsequenzen beobachtet werden. Auf diese Weise wird der Mensch

bereits von klein auf unabsichtlich oder absichtlich von anderen beeinflusst (Petermann und

Petermann 2012, 82).

Eine besondere Bedeutung hat das Modelllernen bei Kindern, da diese viele Verhaltenswei-

sen neu erlernen und dabei auf die ihnen verfügbaren Modelle zurückgreifen, zu denen in

besonderem Maß ihre nahen Bezugspersonen zählen. So können Kinder von ihren Eltern

und anderen Personen durch Aussagen wie „Schau, wie ich (oder die Person dort) das

mache!“ oder „Schau zu, ich zeig Dir’s!“ gezielt zum Nachahmen wünschenswerter Verhal-

tensweisen aufgefordert werden (Langfeldt und Nothdurft 2015, 114). Außerdem ist es

möglich, dass Eltern bewusst oder unbewusst selbst unerwünschte Verhaltensweisen zeigen

und Kinder diese dadurch ebenfalls erlernen (Baumgart 2007, 159).

3.1.1 Lerneffekte

Beim Modelllernen sind drei Lerneffekte möglich.

Erstens besteht ein Beobachtungslerneffekt, das heißt bisher unbekannte Verhaltensweisen

werden bei einem Modell beobachtet und in das eigene Verhaltensrepertoire aufgenommen

(Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 236). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Eltern

sich bei einer Auseinandersetzung anschreien, das Kind dies beobachtet und ebenfalls

erlernt.

Zweitens besteht die Möglichkeit einer Verstärkung oder Hemmung eines Verhaltens, wenn

beobachtet wird, wie ein Modell Konsequenzen für sein Verhalten erhält. Werden positive

Konsequenzen für ein Verhalten beobachtet, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, das

Verhalten selbst zu zeigen. Werden negative Konsequenzen beobachtet, verringert sich die

Wahrscheinlichkeit dafür (Petermann und Petermann 2012, 82). Als Beispiel hierfür ist zu

nennen, dass ein Kind bereits gelernt hat, seinen Willen durch Quengeln durchzusetzen. Als

es beobachtet wie sein Geschwister an der Kasse quengelt und die Mutter ihm im Anschluss

den Lutscher kauft, quengelt es fortan an jeder Kasse nach Süßigkeiten.

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Drittens besteht die Möglichkeit des Diskriminationslernens, bei dem ein beim Modell

beobachtetes Verhalten auslösend für ein bereits erlerntes Verhalten derselben Verhaltens-

klasse ist (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 237). Beispielsweise beobachtet ein Kind

wie die Eltern sich streiten und ein Elternteil sich durchsetzt, indem er den anderen schlägt.

Als es kurz darauf zu einem Streit mit seinem Geschwister um ein Spielzeug kommt, dient

dies als Hinweisreiz und löst nun eine bereits erlernte Verhaltensweise der Verhaltensklasse

‚jemandem weh tun‘ aus und das Kind beißt sein Geschwister, um seinen Willen zu behaup-

ten.

3.1.2 Phasen des Modelllernens

Im Folgenden werden die inneren Vorgänge des Modellernens und die relevanten Faktoren

für das Erlernen und Ausführen beobachteter Verhaltensweisen erläutert. Unterschieden wird

dabei zwischen der Aneignungsphase, in der bestimmte Verhaltensweisen wahrgenommen

und im Gedächtnis gespeichert werden und der Ausführungsphase, in der die Motivation und

die subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten darüber entscheiden, ob ein Verhalten

gezeigt wird (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 240-241).

Aneignungsphase

Aufmerksamkeitsprozesse: Voraussetzung für das Modelllernen ist zunächst, dass die

nachzuahmende Verhaltensweise wahrgenommen und selektiv beobachtet wird. Ob dies

erfolgt, ist von Merkmalen der Beobachterin / des Beobachters und des Modells abhängig.

Bei der Beobachterin / dem Beobachter sind dabei kognitive Fähigkeiten wie Begabung und

Intelligenz, individuelle Lernerfahrungen und der momentane physiologische Erregungszu-

stand von Bedeutung. Beim Modell kommt es darauf an, wie dieses subjektiv von der

Beobachterin / dem Beobachter wahrgenommen wird (Schermer 2010, 803).

Erhöht wird die Aufmerksamkeit beispielweise durch Ähnlichkeiten zwischen Beobachter/in

und Modell z. B. gleiches Alter, gleiches Geschlecht oder wenn das Modell einen höheren

Status hat z. B. als beliebt, intelligent oder kompetent gesehen wird (Bodenmann, Perrez und

Schär 2011, 239).

Aber auch in der nachzuahmenden Verhaltensweise selbst finden sich für die Wahrnehmung

relevante Aspekte. So werden Verhaltensweisen eher wahrgenommen, wenn sie deutlich

erkennbar sind und für die Beobachterin / den Beobachter eine subjektive Bedeutung haben

(Schermer 2010, 803). Erschwert wird das Erlernen neuer Verhaltensweisen dagegen, wenn

diese sehr kompliziert sind oder nicht an das Verhaltensrepertoire der Beobachterin / des

Beobachters passen (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 239).

Deutlich wird an dieser Stelle, dass es von verschiedenen Faktoren abhängig ist, ob eine

Person mit ihren Verhaltensweisen für eine andere Person als Modell dient. Faktoren wie

Begabung und Intelligenz liegen in der Person der / des Beobachtenden und sind von

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anderen Personen nicht oder nur schwer zu beeinflussen. Andere Faktoren liegen jedoch in

einem Bereich, den Eltern durchaus durch ihr Verhalten beeinflussen können. So können

Eltern sich beispielsweise bemühen, als Modell attraktiver zu werden, indem sie die Bezie-

hung zum Kind verbessern, mehr gemeinsame Zeit verbringen und dem Kind Aufmerksam-

keit schenken.

Gedächtnisprozesse: Um später auf das beobachtete Verhalten zurückgreifen zu können,

wird dieses kodiert und in die bereits vorhandenen kognitiven Strukturen eingeordnet.

(Bodenmann Perrez und Schär 2011, 240). Eine Kodierung ist deshalb nötig, da komplexe

Handlungsabläufe oft nicht detailliert erfasst werden können und deshalb in bildlicher oder

sprachlicher Form abgespeichert werden. Anschließend wird das kodierte Verhalten mit

anderen Erfahrungen und Glaubenssätzen verknüpft. Um eine Verhaltensweise längerfristig

im Gedächtnis zu speichern, ist es nötig, sie offen zu wiederholen, also motorisch auszufüh-

ren oder sie symbolisch zu wiederholen, also in Gedanken zu vergegenwärtigen (Petermann

und Petermann 2012, 84).

Ausführungsphase

Reproduktionsprozesse: Bei der Ausführung eines Verhaltens ruft die Beobachterin / der

Beobachter die symbolisch repräsentierte Verhaltensweise in Form der bildlichen oder

sprachlichen Kodierung aus dem Gedächtnis ab und führt diese anhand der vorhandenen

Informationen aus. Es wird also nicht direkt auf das modellierte Verhalten, sondern nur auf

die im Gedächtnis abgespeicherten Informationen zurückgegriffen, die für eine korrekte

Ausführung des Verhaltens unvollständig oder fehlerhaft sein können. Ob die Ausführung des

modellierten Verhaltens gelingt, hängt also stark von den Fähigkeiten und Fertigkeiten der

Beobachterin / des Beobachters ab. Besonders bei komplexeren Handlungsabläufen, die in

ihrer Komplexität nicht abgespeichert werden konnten, kann die Beobachterin / der Beobach-

ter bereits erlernte Verhaltensweisen kombinieren. Beim Erlernen komplexer Verhaltenswei-

sen ist daher ein Zerlegen in Teilabschnitte sinnvoll. Bei der Ausführung eines Verhaltens

erhält die Beobachterin / der Beobachter Feedback von der Umwelt (Baumgart 2007, 159)

beispielsweise durch das Anschauen in einem Spiegel, durch Reaktionen von anderen

Menschen oder durch sonstige Folgen des Verhaltens. Diese Informationen werden im

Anschluss mit den im Gedächtnis repräsentierten Informationen über das nachzuahmende

Verhalten verglichen, sodass das Verhalten korrigiert werden kann (ebd.). So erhält das Kind

beim Zähneputzen Feedback aus dem Spiegel aber auch von dem Elternteil, das das Kind

beobachtet und ihm Verbesserungsvorschläge macht.

Motivationsprozesse: Welche Motivation zum Zeigen eines Verhaltens entsteht, ist von der

Kompetenzerwartung und der Erfolgserwartung bezüglich des nachzuahmenden Verhaltens

abhängig.

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Unter Kompetenzerwartung wird die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten verstanden, die

zum Ausführen der beobachteten Handlung benötigt werden (Bodenmann, Perrez und Schär

2011, 234). Ob eine Person sich die Ausführung einer Handlung zutraut, ist also von der

Komplexität der nachzuahmenden Handlung und der Einschätzung der eigenen dazu

benötigten Fähigkeiten abhängig. Deutlich wird, dass die Einschätzung der eigenen Fähigkei-

ten sehr subjektiv ist und sich daher ein Kind mit einer hohen Selbstwirksamkeitsüberzeu-

gung eher zutrauen wird, komplexere Verhaltensweisen auszuführen.

Die Erfolgserwartung ist die Einschätzung der Beobachterin / des Beobachters über die

Folgen der nachzuahmenden Verhaltensweise (ebd.). Ist keine Verstärkung für das nachzu-

ahmende Verhalten in Sicht oder droht sogar eine Strafe, wird die Motivation, das Verhalten

zu zeigen, gering sein (Baumgart 2007, 159).

3.1.3 Arten von Verstärkern

Unterschieden werden drei Arten von Verstärkern, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass

ein erlerntes Verhalten gezeigt wird.

Bei der externen Verstärkung dient ein Reiz von außen als positiver Verstärker. Dies kann

in Form materieller Verstärkung beispielsweise in Form von Nahrungsmitteln, Geschenken,

Geld oder durch soziale Verstärkung in Form von Zuwendung oder Lob erfolgen. Die Externe

Verstärkung kann außerdem auch indirekt zum Beispiel durch Tokens (siehe 3.3.1) erfolgen,

die später in einen vorher in Aussicht gestellten Verstärker umgetauscht werden können

(Petermann und Petermann 2012, 86).

Bei der stellvertretenden Verstärkung wird ein von der Beobachterin / dem Beobachter

wahrgenommenes Verhalten eines Modells verstärkt. Dadurch wird ein Verstärker für das

entsprechende Verhalten in Aussicht gestellt, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dieses

Verhalten ebenfalls zu zeigen. Voraussetzung für die stellvertretende Verstärkung ist, dass

eine Identifizierung mit dem Modell erfolgt, was insbesondere der Fall ist, wenn die Beobach-

terin / der Beobachter das Modell subjektiv positiv wahrnimmt (ebd.).

Eine besondere Form der Verstärkung ist die Selbstverstärkung, da sie von innen erfolgt

und damit relativ unabhängig von äußeren Faktoren wirkt. Die / der Handelnde beobachtet

sich dabei selbst und setzt sich Ziele, anhand derer das eigene Verhalten bewertet wird. Bei

Erreichen der Ziele kann die / der Handelnde das erwünschte Verhalten durch ein Selbstlob

oder die Erfüllung eines materiellen Wunsches selbst bekräftigen. Dadurch tritt ein Erfolgsge-

fühl auf und die Person erlebt sich als selbstwirksam. Bei Nichterreichen eines selbst

gesteckten Ziels kann jedoch auch eine Selbstbestrafung erfolgen beispielsweise indem die

eigene Person getadelt wird oder ein Wunsch nicht erfüllt wird (ebd., 86).

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3.2 Das klassische Konditionieren

Beim klassischen Konditionieren handelt es sich um eine sehr elementare Lernform, die über

das gesamte Leben hinweg stattfindet (Pauen und Vonderlin 2009, 7-8).

Ausgangslage ist dabei ein Unkonditionierter Stimulus (UCS), der von Natur aus eine

Unkonditionierte Reaktion (UCR) auslöst (ebd., 7). Beispielsweise schreit die Mutter das Kind

an (UCS), wodurch beim Kind Unbehagen ausgelöst wird (UCR). Tritt der UCS mehrmals

räumlich und zeitlich gekoppelt mit einem neutralen Stimulus (NS) auf, der von Natur aus

keine Reaktion auslöst, wird dieser zum konditionierten Stimulus (CS) und löst nun eine

konditionierte Reaktion (CR) aus (ebd.). So löst das Erledigen der Hausaufgaben (NS) bei

dem Kind zunächst keine Reaktion aus. Nun schreit die Mutter das Kind aber einige Male an

(UCS), als sie Fehler in den Hausaufgaben entdeckt, wodurch das Kind jedes Mal erschrickt

(UCR). Nach einer gewissen Zeit löst nun allein das Erledigen der Hausaufgaben (CS) beim

Kind einen Zustand der körperlichen Anspannung aus (CR). Um diesen unangenehmen

Zustand zu vermeiden, schiebt das Kind fortan das Erledigen der Hausaufgaben auf.

Konditionierungsprozesse sind auch ohne Beteiligung höherer kognitiver Prozesse möglich.

In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass eine solche Konditionierung ohne höhere

kognitive Prozesse schneller als mit Beteiligung höherer kognitiver Prozesse erfolgt und die

konditionierte Reaktion dann durch ein sehr breites Reizspektrum ausgelöst werden kann.

Deutlich wird daraus, dass auch Säuglinge, deren kognitive Fähigkeiten noch nicht voll

ausgebildet sind, konditioniert werden, sich über diesen Lernprozess ihre Welt aneignen und

ein emotionales Gedächtnis bilden, das für die weitere Persönlichkeitsentwicklung prägend ist

(Wälte, Borg-Laufs und Brücke 2011, 20-21). So werden die zunächst bedeutungslosen

neutralen Stimuli zu konditionierten Stimuli und bekommen damit eine subjektiv erlebte

positive oder negative Bedeutung. Die konditionierten Stimuli dienen damit als Hinweise auf

später folgende Ereignisse, machen die Welt vorhersehbarer und lösen bestimmte Reaktio-

nen aus, mit denen ganz automatisch auf diese erwarteten Ereignisse reagiert wird (Pauen

und Vonderlin 2009, 8).

Die Besonderheit bei kleinen Kindern ist meiner Ansicht nach, dass diese keine oder kaum

Kontrolle über die Umweltreize haben, da sie Situationen nicht willkürlich herstellen oder

beenden können, diesen damit ausgeliefert sind und aufgrund der noch unzureichenden

kognitiven Fähigkeiten weder ihre eigene Wahrnehmung hinterfragen, noch ihre emotionalen

Zustände kognitiv einordnen und bewerten können. Dies verdeutlicht, dass den Eltern, die

zumindest teilweise darüber entscheiden können, welchen Umweltreizen das Kind ausgesetzt

ist, hier eine große Verantwortung zukommt und sie sich dieser Verantwortung bewusst sein

sollten, um eine Schädigung des Kindes zu verhindern und eine positive Entwicklung zu

ermöglichen.

14

3.3 Das operante Konditionieren

Das operante Konditionieren oder auch ‚Lernen durch Versuch und Irrtum‘ bezeichnet einen

Prozess, bei dem auf eine bestimmte spontan geäußerte Verhaltensweise eine Verhaltens-

konsequenz erfolgt und dadurch die Wahrscheinlichkeit für das Zeigen des Verhaltens erhöht

oder verringert wird (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 105). Das Wort ‚operant‘ geht auf

Burrhus Frederic Skinner, einen bekannten Vertreter des Behaviorismus, zurück und

bedeutet, dass die / der Lernende durch das eigene Verhalten aktive auf ihre / seine Umwelt

einwirkt und nicht wie beim klassischen Konditionieren nur auf Umweltreize reagiert (Scher-

mer 2016, 53).

Beim operanten Konditionieren wird unterschieden in Verstärkung und Bestrafung. Eine

Verstärkung wird als angenehm empfunden und erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit für

ein Verhalten, während eine Bestrafung als unangenehm empfunden wird und die Auftre-

tenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten verringert. Wie schnell sich ein Verhalten durch das

operante Konditionieren ändert, hängt unter anderem von der Lernfähigkeit des Menschen

und der Intensität des Verstärkers ab. Ein wichtiger Faktor ist außerdem die Kontingenz, das

heißt Lernprozesse finden schneller statt, wenn die Verhaltenskonsequenz in einem kurzen

Zeitabstand und möglichst zuverlässig auf das Verhalten erfolgt (Bodenmann, Perrez und

Schär 2011, 120). Um ein erwünschtes Verhalten des Kindes zu fördern, sollte das Kind also

möglichst zeitnah und regelmäßig gelobt werden. Grundlegend für die Wirksamkeit von

Verstärkung und Bestrafung ist zudem deren Konsistenz, die angewendeten Methoden

sollten als keine gegensätzlichen Wirkungen haben (ebd., 140).

So wird die Wirkung einer Bestrafung beispielsweise untergraben, wenn ein Elternteil

zugleich über das Verhalten des Kindes lacht und es somit ‚belohnt‘.

3.3.1 Verstärkung

Verstärkung bezeichnet einen Prozess, in dem ein bestimmter Reiz dargeboten oder entfernt

wird, in Folge dessen ein für das Individuum angenehmerer Zustand entsteht und dadurch die

Auftretenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten steigt (Bodenmann, Perrez und Schär 2011,

111). Unterschieden wird in positive und negative Verstärkung.

Bei der positiven Verstärkung wird ein angenehmer Reiz (Verstärker) dargeboten, um die

Auftretenswahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens zu erhöhen. Es handelt sich dabei

um die effektivste Methode zum Aufbau neuer Verhaltensweisen (Esser 2008, 521). Verstär-

ker können primär, sekundär oder generalisiert sein.

Primäre Verstärker sind Reize, die nicht erlernt werden müssen, da sie an sich als angenehm

empfunden werden. Sie beziehen sich auf biologische Bedürfnisse oder den Wunsch nach

Aktivität oder Exploration (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 112). Als Beispiel für eine

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positive Verstärkung durch einen primären Verstärker ist es zu nennen, dass ein Kind mit

Süßigkeiten belohnt wird, nachdem es sein Zimmer aufgeräumt hat und es dies dadurch öfter

tut.

Sekundäre Verstärker sind erlernt und werden als angenehm empfunden, da sie mit einem

primären Verstärker gekoppelt sind (ebd.). Als Beispiel ist Lob zu nennen, das ein Kind häufig

in Zusammenhang mit einer materiellen Belohnung erlebt hat und das deshalb verstärkend

wirkt.

Außerdem gibt es generalisierte Verstärker, die mit mehreren primären Verstärkern gekoppelt

sind und dadurch generell als Verstärker empfunden werden, da sie gegen andere Verstärker

getauscht werden können (ebd., 112). Als Beispiel dafür ist Geld zu nennen.

Eine Verstärkung kann kontinuierlich oder intermittierend erfolgen. Wird ein Verhalten bei

jedem Auftreten verstärkt, liegt eine kontinuierliche Verstärkung vor (Petermann und Peter-

mann 2015, 35-36). Beispielsweise erhält das Kind jeden Abend für das Zähneputzen eine

Belohnung. Wird ein bestimmtes Verhalten nicht bei jedem Auftreten verstärkt, handelt es

sich um eine intermittierende Verstärkung (ebd.). Beispielsweise erhält das Kind nur bei

jedem dritten Zähneputzen eine Belohnung.

Folgend werden einige Methoden zum Aufbau wünschenswerter Verhaltensweisen darge-

stellt.

Prompting (Verhaltensunterstützung) eignet sich zum Aufbau wünschenswerter Verhaltens-

weisen, wenn die dafür benötigten Verhaltenskompetenzen kaum oder nicht vorhanden sind.

Eltern können dem Kind dann durch Vorführen des Verhaltens, durch verbale Instruktionen

oder durch Handführung eine Hilfestellung zum Zeigen des Verhaltens leisten, sodass dieses

Stück für Stück erlernt wird (Hungerige und Borg-Laufs 2006, 258). Beispielsweise kann ein

Kind sich noch nicht allein die Zähne putzen. Die Mutter erläutert ihm daher Schritt für Schritt

den Ablauf vom Öffnen der Zahnpastatube über die Bewegungen der Zahnbürste bis hin zum

Ausspülen des Mundes. Einzelne Bewegungen der Zahnbürste, die das Kind nicht allein

schafft, unterstützt sie durch Handführung.

Shaping (Verhaltensformung) kommt zum Einsatz, wenn die Kompetenzen für ein Verhalten

vorhanden sind und ein neues Verhalten erlernt werden soll. Zunächst werden Teilverhal-

tensweisen und dann immer komplexere Verhaltensweisen verstärkt, bis das gewünschte

Verhalten erlernt wurde (ebd.). Beispielsweise soll ein Kind Tischmanieren erlernen. Gelobt

wird daher zunächst, dass das Kind ruhig am Tisch sitzen bleibt, dann dass es einen Löffel

benutzt, später, dass Messer und Gabel verwendet werden.

Chaining (Verhaltensverkettung) kommt zum Einsatz, wenn bereits Teile des erwünschten

Verhaltens z.B. durch Shaping erlernt wurden und ein komplexeres Verhalten erlernt werden

soll. Dazu werden die bereits erlernten Teilverhaltensweisen stückweise verknüpft (ebd.).

Beispielsweise lernt ein Kind, sich beim Verlassen des Hauses eigenständig anzuziehen. Die

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Eltern greifen dabei auf Verhaltensweisen zurück, die das Kind bereits beherrscht wie das

Anziehen der Schuhe, das Anziehen der Jacke und das Umlegen eines Schals und verketten

diese Stück für Stück.

Positive Verstärkung kann auch durch Token Economies erfolgen. Dabei wird ein erwünsch-

tes Verhalten mit Hilfe von Tokens (Münzen oder Punkten) verstärkt. Diese können angespart

werden und dann in einen vorher festgelegten primären oder sekundären Verstärker ge-

tauscht werden. Wichtig ist dabei, das erwünschte Verhalten klar zu definieren und kontinu-

ierlich zu verstärken und klar festzulegen, ab welcher Anzahl an Tokens ein Tausch in den

Verstärker erfolgt (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 141). So wird dem Kind beispiels-

weise in Aussicht gestellt, für jedes Zähneputzen einen Sticker zu bekommen. Hat das Kind

eine gewisse Anzahl an Stickern gesammelt, kann es diese gegen eine gemeinsame

Unternehmung oder ein Spielzeug einlösen.

Fading (Ausblenden) erfolgt, wenn ein Verhalten erlernt wurde und sich verfestigt hat.

Sukzessive werden dann Unterstützungsformen entfernt oder Verstärkungen abgebaut,

sodass die Person Selbstkontrolle über ihr Verhalten erlangt (ebd., 259). So wird die Unter-

stützung beim Zähneputzen stückweise abgebaut, sobald das Kind dies eigenständig

beherrscht. Auch Belohnungen für das Zähneputzen bekommt das Kind nicht mehr, sobald

das Zähneputzen zur alltäglichen Routine geworden ist.

Bei der negativen Verstärkung wird ein unangenehmer Reiz entfernt und damit die Auftre-

tenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten erhöht. Die Motivation zum Zeigen des Verhaltens

entsteht dabei durch den Wunsch, sich dem unangenehmen Reiz zu entziehen also bei-

spielsweise den unangenehmen körperlichen Zustand zu beenden, der unangenehmen

sozialen Situation zu entkommen oder das schlechte Gewissen zu beschwichtigen. Dies kann

durch Flucht oder Vermeidung geschehen.

Fluchtverhalten kann auftreten, wenn die Person unmittelbar einem aversiven Stimulus

ausgesetzt ist, dem sie entkommen kann, indem sie sich der Situation entzieht. Ob ein

Fluchtverhalten zustande kommt, hängt davon ab, wie intensiv der aversive Reiz erlebt wird.

Gleichzeitig ist von Bedeutung, als wie hoch die Person die Verringerung des aversiven

Reizes einschätzt und wie schnell dies voraussichtlich erfolgt (Schermer 2011, 133-134).

Beispielsweise wird ein Kind häufig getadelt, was es als sehr unangenehm empfindet. Dies

löst ein Fluchtverhalten aus und das Kind rennt in sein Zimmer.

Vermeidungsverhalten tritt auf, wenn eine Person bereits eine aversive Stimulierung in

einer Situation erlebt hat und ein erneutes Auftreten dieses unangenehmen Zustandes nun

zu vermeiden versucht. Dabei wird nach Hinweisreizen gesucht, um das Auftreten dieser

Situation vorhersagen und umgehen zu können (ebd., 135). Zum Beispiel wurde ein Kind für

eine schlechte Note geohrfeigt. Nun hat es erneut eine schlechte Note. Um die befürchtete

Bestrafung zu vermeiden bleibt es länger in der Schule.

17

3.3.2 Bestrafung

Eine gegensätzliche Wirkung zur Verstärkung hat die Bestrafung. Dabei folgt auf ein Verhal-

ten eine unangenehme Verhaltenskonsequenz, wodurch sich die Auftretenswahrscheinlich-

keit für ein Verhalten verringert. Eine Bestrafung ist durch einen aversiven Reiz oder durch

den Entzug eines positiven Verstärkers möglich (Baumgart 2007, 130).

Bestrafung durch einen aversiven Reiz

Bestrafung kann durch die Darbietung eines negativen Reizes (negativer Verstärker)

erfolgen. Die Effektivität der Bestrafung ist dabei abhängig von der Intensität des Reizes, der

Dauer, der Auftretenswahrscheinlichkeit und der Unmittelbarkeit (Schermer 2011, 137), das

heißt der negative Verstärker sollte unverzüglich und wenn möglich bereits während des

Verhaltens erfolgen. Wichtig ist außerdem die Kontinuität der Bestrafung, sie sollte also jedes

Mal erfolgen, wenn das Verhalten auftritt (Schermer 2016, 90). Eine Bestrafung kann durch

primäre negative Verstärker (z.B. unangenehme körperliche Zustände), durch sekundäre

negative Verstärker (z.B. Tadel) oder durch generalisierte negative Verstärker (z.B. Demüti-

gungen) erfolgen. Unterschieden wird außerdem in materielle, soziale und aktivitätsbezogene

negative Verstärker. So kann es sich um eine Bestrafung handeln, wenn dem Kind ein

geliebtes Spielzeug weggenommen wird (materiell), ein Elternteil die Stirn runzelt oder das

Kind ignoriert (sozial) oder dieses zu einer unangenehmen Tätigkeit zwingt (aktivitätsbezo-

gen) (ebd., 88).

Zu beachten ist, dass durch einen stärkeren negativen Reiz die Effektivität der Bestrafung

erhöht wird, aber zugleich die ethischen Bedenken steigen. Aus diesem Grund sollte der

negative Reiz nur so intensiv sein wie die Situation dies erfordert. Die Bestrafung sollte ruhig

und sachlich neutral erfolgen, ohne dass die bestrafende Person dabei Emotionen wie Wut

zeigt, die die bestrafte Person auf sich beziehen könnte. Zu vermeiden ist es außerdem, dass

durch die Bestrafung zugleich ein positiver Verstärker dargeboten wird, der die Wirksamkeit

der Bestrafung untergräbt. Um Verhaltensalternativen zu dem unerwünschten Verhalten zu

stärken, ist eine differentielle Verstärkung sinnvoll, bei der zusätzlich zu der Bestrafung des

unerwünschten Verhaltens ein positiver Verstärker für ein wünschenswertes Verhalten

dargeboten wird. Zu beachten ist außerdem, dass das zu bestrafende Verhalten, der negative

Verstärker und das wünschenswerte Verhalten zu benennen sind und für die zu bestrafende

Person transparent sein müssen (ebd., 90).

Wie in 4.3.2 unter Erziehungsfehlern näher erläutert wird, können Bestrafungen durch einen

aversiven Reiz in der Erziehung viele negative Nebeneffekte haben. Sie sind daher nicht als

Routinestrategie geeignet, sondern bedürfen einer besonderen Begründung und Legitimation.

Viele Autorinnen und Autoren sind sogar der Meinung, Bestrafungen durch einen aversiven

Reiz seien nur bei selbst- oder fremdgefährdenden Verhaltensweisen angebracht. Voraus-

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setzung für die Durchführung einer Bestrafung ist aber auf jeden Fall, dass keine alternative

weniger einschränkende Methode möglich ist. Erfolgt eine Bestrafung muss auf jeden Fall

das gesamte Vorgehen mit den konkreten Zielen und Fortschritten dokumentiert werden, um

eine missbräuchliche Anwendung zu verhindern. Weiter sollte die fachlich korrekte Durchfüh-

rung sichergestellt werden, indem alle Beteiligten von einer professionellen Fachkraft

eingewiesen werden (Schermer 2016, 91-92).

Bestrafung durch Verstärkerentzug

Eine weitere Form der Bestrafung kann durch Verstärkerentzug erfolgen. Auch diese Form

der Bestrafung wird als unangenehm empfunden und es können Frustration und Enttäu-

schung auftreten (Schermer 2011, 139-140). Schermer spricht jedoch davon, dass „Neben-

wirkungen und Legitimationsprobleme nur in eingeschränkter Form von Bedeutung“ sind, da

kein aversiver Reiz zum Einsatz kommt und diese Form der Bestrafung dadurch als weniger

belastend empfunden wird (2016, 92).

Ein Verstärkerentzug kann erfolgen durch ein langfristiges Ausbleiben eines Verstärkers, der

für das unerwünschte Verhalten aufrechterhaltend ist oder durch das langfristige Ausblei-

ben eines Verstärkers, der in keinem Zusammenhang mit dem zu bestrafenden Verhalten

steht (Schermer 2011, 139-140). Zur besseren Lesbarkeit werden diese Umschreibungen in

den folgenden Kapiteln durch die Begriffe des ‚funktionalen‘ oder ‚willkürlichen‘ Verstärker-

entzuges ersetzt.

Beim funktionalen Verstärkerentzug wird die Ursache des Verhaltens beseitigt. Dadurch

verringert sich langfristig die Motivation zum Zeigen des Verhaltens und es wird eine Verrin-

gerung oder ein Ausbleiben des Verhaltens bewirkt. Dies bezeichnet man als Extinktion

(ebd.). Wichtig ist dabei zunächst, die das Verhalten aufrechterhaltenden Verstärker zu

identifizieren und sie anschließend kontingent, das heißt unter Einbezug aller Beteiligten und

in allen Situationen zu unterbinden. Außerdem sollte gleichzeitig zur Extinktion des uner-

wünschten Verhaltens eine Verstärkung eines erwünschten Alternativverhaltens erfolgen

(Miltenberger 2012, 268). Ist das Verhalten noch nicht gefestigt, werden meist innerhalb

kurzer Zeit Veränderungen bewirkt (Schermer 2011, 139-140). Ist das Verhalten dagegen

sehr stabil und eingefahren, ist mit Extinktionsausbrüchen zu rechnen, die in Schüben

auftreten und in denen das Verhalten sich in seiner Häufigkeit und Intensität zunächst sogar

steigert. Dies kann für alle Beteiligten eine große Belastung darstellen und erfordert seitens

der Eltern eine große Beherrschung (Como-Zipfel 2013, 56). Der Verstärkerentzug darf in

einem solchen Fall nur dann aufrechterhalten werden, wenn dadurch keine mittel- oder

langfristigen Schäden bei der oder dem Beteiligten zu befürchten sind (Schermer 2011, 140).

Weiter können aufgrund des Ärgers über den ausbleibenden Verstärker auch löschungsindu-

zierte aggressive Verhaltensweisen auftreten, die zur Spannungsabfuhr dienen und in der

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Regel nicht darauf ausgerichtet sind, andere Menschen zu schädigen. Außerdem ist eine

Spontanerholung möglich, was ein erneutes Auftreten eines bereits seit längerer Zeit

abgelegten Verhaltens bedeutet. Wichtig ist es dabei, das Extinktionsverfahren weiterhin

beizubehalten (Schermer 2016, 94-95). Beispielsweise stört ein Kind häufig, während die

Eltern telefonieren, woraufhin die Eltern das Telefonat unterbrechen und sich dem Kind

zuwenden. Um das störende Verhalten des Kindes abzubauen, beschließen die Eltern,

diesem Verhalten keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken und entziehen damit den

funktionalen Verstärker für das Stören. Bei den folgenden Telefonaten steigert sich das

Verhalten des Kindes zunächst (Schreien und Weinen), da das Kind verschiedene Strategien

nutzt, um auf sich aufmerksam zu machen. Durch den konsequenten Verstärkerentzug lässt

dieses Verhalten aber Stück für Stück nach und verschwindet schließlich.

Als Methoden für einen willkürlichen Verstärkerentzug nennt Schermer Timeout und Respon-

se Cost (2016, 95).

Timeout ist ein Verfahren, bei dem einer Person für eine festgelegte Dauer Möglichkeiten

positiver Verstärkung entzogen werden, sobald ein bestimmtes Verhalten auftritt (ebd.).

Unterschieden wird in nicht ausschließendes und ausschließendes Timeout.

Beim nicht-ausschließenden Timeout darf das Kind im gleichen Raum bleiben. Vorausset-

zung ist, dass die Verstärker entzogen werden können und die anderen Personen im Raum

nicht durch das Kind gestört werden. Entweder das Kind muss sich etwas abseits setzen und

ruhig verhalten, das Kind wird gezielt nicht beachtet oder es wird ein Verstärker entzogen z.B.

durch Ausschalten des Fernsehers (Schermer 2016, 95-96).

Eine stärker restriktive Methode ist das ausschließende Timeout, bei der das Kind in einen

anderen sicheren aber reizarmen Raum gebracht wird (ebd.). Vor der Einführung des

Timeout als Methode sollte das genaue Vorgehen mit dem Kind besprochen werden. Zudem

sollte vor jedem Einsatz eines Timeout ein Warnreiz erfolgen, der mit dem Timeout gekoppelt

wird und langfristig bewirken soll, dass dieses weniger häufig oder nicht mehr angewendet

werden muss. Bezüglich der Dauer des Timeout sind 2-3 Minuten gegenüber längeren

Zeiträumen wirksamer (Schermer 2011, 141-142). Grundlegend ist bei der Anwendung des

Timeout, dass immer die am wenigsten restriktive Methode gewählt werden sollte, da das

Kind dadurch „in höherem Maße seine Selbststeuerungsfähigkeiten aktivieren muss“

(Hungerige und Borg-Laufs 2006, 523). Wichtig ist, dass zusätzlich zum Timeout auch eine

positive Verstärkung eines wünschenswerten Alternativverhaltens erfolgt (Schermer 2011,

141).

Da das Timeout eine umstrittene Methode ist und diese auch bei der Auseinandersetzung mit

Triple P (siehe 6.3) eine wichtige Rolle spielen wird, wird im folgenden Abschnitt diskutiert,

wie das Timeout einzuordnen und zu legitimieren ist.

20

Schermer definiert Timeout als eine Methode des Verstärkerentzuges, bei der „zwischen dem

entzogenen Verstärker und dem problematischen Verhalten ein beliebiger (willkürlicher) und

kein funktionaler Zusammenhang besteht“ (2016, 95). Damit beschreibt er Timeout meiner

Ansicht nach als Bestrafung durch einen willentlich hergestellten unangenehmen Zustand

aufgrund eines Verstärkerentzuges.

Bodenmann, Perrez und Schär beschreiben die Auszeit dagegen als Methode, die „dysfunk-

tionales Verhalten des Kindes oder Jugendlichen dadurch zu reduzieren versucht, dass

sämtliche potentiellen Verstärker des Verhaltens entfernt werden“ (2011, 143-144).

Auch Hungerige und Borg-Laufs stimmen dem zu, indem sie das Timeout ebenfalls als

funktionalen Verstärkerentzug einordnen (2006, 256).

Wie aus diesen verschiedenen Positionen deutlich wird, besteht beim Timeout ein sehr

schmaler Grat zwischen einem gezielten Verstärkerentzug, der darauf gerichtet ist, einem

bestimmten Verhalten die Grundlage zu entziehen und einer Methode, die als Bestrafung für

jedes beliebige Verhalten eingesetzt werden kann. Erstere Möglichkeit ist meiner Ansicht

nach leichter zu legitimieren, da sie eben funktional erfolgt und damit praktisch voraussetzt,

dass der das Verhalten aufrechterhaltende Verstärker möglichst gezielt, also mit einer

möglichst milden Form des Timeout unterbunden wird. Letztere Möglichkeit sehe ich deutlich

kritischer, denn es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und

der Art des Verstärkerentzuges, sodass beim Kind der Eindruck einer willkürlichen Bestrafung

entstehen könnte. Weiter halte ich dabei die Gefahr einer inflationären Anwendung des

Timeout für größer, da es auf jedes Verhalten angewendet werden kann. Zudem weisen

Hungerige und Borg-Laufs darauf hin, dass der Ort des Timeout für das Kind zu einem

aversiven Stimulus werden kann (2006, 256). Damit wäre es durchaus denkbar, dass das

Timeout den Charakter einer Bestrafung durch einen aversiven Reiz bekommt, die wie unter

4.3.2 ausgeführt viele negative Nebeneffekte haben kann.

Response Cost ist eine weitere Methode der Bestrafung durch Verstärkerentzug, sie wird

meist in Verbindung mit der Methode Token Economy eingesetzt. Tritt ein unerwünschtes

Verhalten auf, wird ein materieller Verstärker (meist in Form von Tokens) entzogen. Dabei ist

auf eine sachliche und nüchterne Durchführung zu achten. Davor erfolgt immer ein Warnreiz,

der auf das unerwünschte Verhalten hinweist und dazu führen soll, dass das Verhalten später

auch ohne Verstärkerentzug ausbleibt. Um dies festzulegen wird meist eine vertragliche

Regelung getroffen, sodass das Vorgehen für die bestrafte Person vorhersehbar und

kontrollierbar ist. Damit Response Cost wirksam ist, muss der zu entziehende Verstärker in

einem Überfluss vorhanden sein beziehungsweise nach Entzug wieder angespart werden

können. Voraussetzung für die Anwendung von Response Cost ist eine besondere Indikation

beispielsweise durch Eigen- oder Fremdgefährdung oder eine unzumutbare Belästigung

(Adameit et Al. 1983, 264-266).

21

Natürliche Folge und Logische Folge

Die Begriffe der natürlichen und logischen Folge / Konsequenz werden in der Fachliteratur

sehr unterschiedlich voneinander abgegrenzt oder sogar synonym verwendet. Eine solche

fehlende Operationalisierung zentraler Begriffe kann meiner Ansicht nach einer wissenschaft-

lichen Auseinandersetzung nicht zuträglich sein. Für die weitere Arbeit soll daher zunächst

eine klare Definition und Abgrenzung der Begriffe erfolgen. Anschließend wird geklärt, ob es

sich bei der natürlichen und logischen Folge um Formen der Bestrafung handelt.

Einige Autor/innen verwenden nur einen der oben genannten Begriffe und definieren diesen

sehr allgemein.

Petermann und Petermann verwenden den Begriff der natürlichen Folge. Sie sprechen

davon, dass eine angemessene Bestrafung „im Sinne einer natürlichen Folge zur Handlung

passen“ sollte (2012, 237) und dabei für das Kind ein sinnvoller Zusammenhang zwischen

seinem Verhalten und der Art und dem Ausmaß der Bestrafung erkennbar sein sollte (ebd.,

2012, 239).

Dirscherl et Al. sprechen von einer logischen Konsequenz, die sich dadurch kennzeichnet,

dass ein direkter Zusammenhang zu dem Fehlverhalten besteht, sodass das Kind die

Konsequenz auf das eigene Verhalten zurückführen kann (2011, 13).

Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl verwenden den Begriff der natürlichen Konsequenz, die

sich möglichst direkt aus dem Problemverhalten ergeben sollte, durchführbar sein muss und

regelmäßig und sofort erfolgen soll (2000, 181).

Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen entsprechen die Definitionen sich in etwa, da sie

alle eine Folge / Konsequenz beschreiben, die in einem Zusammenhang mit dem Verhalten

steht und dies für das Kind erkennbar sein muss. Sie schließen dabei Folgen ein, die völlig

automatisch ohne Zutun der Eltern auftreten und Folgen, die von den Eltern arrangiert

werden.

Dreikurs und Soltz trennen die Begriffe der natürlichen und logischen Folge. Da Erziehungs-

methoden meiner Ansicht nach auf eine solche differenzierte Art besser untersucht werden

können, werden diese Definitionen im weiteren Verlauf der Arbeit verwendet.

Eine natürliche Folge ist die direkte Konsequenz eines Verhaltens, die ohne das Zutun der

Eltern zustande kommt. Anstatt die natürliche Folge abzufedern, sollen Eltern sich bedacht

zurückziehen und die natürliche Folge ihre Wirkung entfalten lassen. Dadurch werden für das

Kind wichtige Lernprozesse ermöglicht und das Kind lernt, für das eigene Verhalten verant-

wortlich zu sein (Dreikurs und Soltz 2018, 90-91, 94). Als Beispiel ist denkbar, dass das Kind

sein Vesper zuhause vergisst und nun der Hungerschmerz (Bestrafung durch aversiven Reiz)

als eine natürliche Folge eintritt. Anstatt dem Kind wiederholt das Vesper in die Schule zu

bringen (negative Verstärkung) und damit die natürliche Folge zu beseitigen, können die

22

Eltern diese zulassen und dem Kind dadurch ermöglichen, aus dem eigenen Fehler zu

lernen.

Eine logische Folge steht ebenfalls in einem direkten Zusammenhang mit dem Verhalten

des Kindes. Jedoch tritt diese nicht von selbst ein, sondern wird arrangiert (Dreikurs und Soltz

2018, 95). Bei der Anwendung der logischen Folge ist die Kreativität der Eltern gefragt, um

einen Bezug zum unerwünschten Verhalten des Kindes herzustellen. Denkbar sind dabei

folgende Möglichkeiten:

Die Eltern können dem Kind jegliche Aufmerksamkeit entziehen (funktionaler Verstärker-

entzug). Sobald das Kind wieder erwünschtes Verhalten zeigt, sollen die Eltern sich dem

Kind zuwenden und das Verhalten verstärken (Petermann und Petermann 2012, 237).

Das Kind kann für eine kurze Zeit aus der Situation ausgeschlossen werden, in der das

Fehlverhalten aufgetreten ist (Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl 2009, 179). Dies ent-

spricht dem oben dargestellten Timeout. Als logische Folge angewendet ist das Timeout

(anders als oben dargestellt) als funktionaler Verstärkerentzug zu sehen, da gezielt eine

Situation beendet wird, die verstärkend auf das Verhalten wirkt. Voraussetzung für das

Vorliegen einer natürlichen Folge ist es meiner Ansicht nach jedoch, dass ganz gezielt ein

Verstärker entzogen wird, ohne das Kind dabei unnötig einzuschränken. Als logische

Folge einzuordnen ist es beispielsweise, dass ein streitendes Kind sich kurz abseits der

Spielsituation setzen muss, bis es sich beruhigt hat. Das Kind in der gleichen Situation

und ohne mildere Methoden ausprobiert zu haben, sofort in einen anderen Raum zu schi-

cken, wäre meiner Ansicht nach mehr ein willkürlicher Verstärkerentzug.

Dem Kind können Privilegien entzogen werden (funktionaler Verstärkerentzug), die mit

dem Fehlverhalten in Verbindung stehen (ebd., 180). Beispielsweise wird ein Spielzeug

entfernt, das vom Kind geworfen wird und dadurch die Möbel demoliert.

Das Kind bekommt die Möglichkeit einer Wiedergutmachung, indem es den durch sein

Fehlverhalten entstandenen Schaden beseitigen oder zu ersetzen kann (ebd., 179). Die

zugrunde liegende Motivation ist meiner Ansicht nach eine negative Verstärkung. Auf-

grund des verschuldeten Schadens ist das Kind einem negativen Verstärker ausgesetzt,

entweder durch ein schlechtes Gewissen oder dadurch, dass andere Personen sein

Fehlverhalten missbilligen. Durch das Angebot der Wiedergutmachung wird dem Kind in

Aussicht gestellt, diesen negativen Verstärker zu beseitigen. Das Besondere an dieser

Methode ist meiner Ansicht nach, dass das Kind Kontrolle über die Situation erlangt sich

damit als selbstwirksam erleben kann und gleichzeitig sein Gesicht wahrt.

Umstritten ist in der Fachwelt, ob es sich bei der natürlichen und logischen Folge um Formen

der Bestrafung handelt. Um dies zu diskutieren muss zunächst geklärt werden, welche

Definitionen von Bestrafung von den Autorinnen und Autoren verwendet werden.

23

Wie unter 3.2.2 dargestellt handelt es sich um eine Bestrafung, wenn durch eine Konsequenz

die Auftretenswahrscheinlichkeit für ein Verhalten verringert wird. Somit handelt es sich auch

bei der natürlichen Folge um eine Form der Bestrafung, auch wenn die negative Konsequenz

völlig ohne Zutun der Eltern erfolgt.

Aus den Ausführungen von Dreikurs und Soltz wird deutlich, dass sie den Begriff Bestrafung

für jede Form der aversiven Reizung durch die Erziehenden und des willkürlichen Verstärker-

entzuges verwenden und diese ablehnen. Lediglich die natürliche und logische Folge (und

damit auch den funktionellen Verstärkerentzug) sehen sie nicht als Bestrafung (2018, 99-

100). Ob diese abweichende Definition von Bestrafung nun durch Unwissenheit über die

Begrifflichkeiten zustande kam oder hier bewusst für Erziehungsmethoden das in der

Alltagssprache negativ behaftete Wort ‚Bestrafung‘ vermieden wird, darüber kann an dieser

Stelle nur spekuliert werden.

Petermann und Petermann schaffen hier Klarheit und, indem sie die natürliche und logische

Folge als Formen einer „angemessenen Bestrafung“ beschreiben, bei der für das Kind ein

Zusammenhang mit seinem Verhalten erkennbar ist (2012, 237).

3.4 Der kognitive Ansatz

Der kognitive Ansatz wurde zeitlich nach den Lerntheorien entwickelt. Er ergänzt diese, da er

davon ausgeht, dass Lernprozesse nicht nur durch Umweltreize zustande kommen, sondern

auch Kognitionen eine entscheidende Rolle zukommt. Diese beeinflussen nicht nur, wie ein

Mensch seine Umwelt wahrnimmt, sondern auch, wie neue Erfahrungen interpretiert und

bewertet werden (Auckenthaler 2012, 45). Kognitionen sind ein Überbegriff für das Wahr-

nehmen, Erkennen, Begreifen, Urteilen, Schlussfolgern und Denken (Benecke 2014, 157).

3.4.1 Ebenen von Kognitionen

Unterschieden wird in 3 Ebenen von Kognitionen:

Automatische Gedanken befinden sich auf einer leicht zugänglichen Ebene. Sie tauchen in

Form von Worten oder Vorstellungen in bestimmten Situationen auf. Mit Hilfe eines Gedan-

kenprotokolls können die automatischen Gedanken erfasst werden, um anschließend zu

analysieren, um welche Gedankenmuster es sich handelt und in welchen Situationen diese

auftreten (Parfy, Schuch und Lenz 2016, 116).

Bedingte Annahmen werden von jedem Menschen von klein auf entwickelt, um sich selbst,

die Umwelt und die Beziehung der eigenen Person zur Umwelt zu verstehen und Handlungs-

sicherheit zu gewinnen. Bedingte Annahmen wirken sich steuernd und lenkend auf das

Erleben und Verhalten des Menschen aus. Sie betreffen häufig eine normative Ebene (Parfy,

Schuch und Lenz 2016, 117) z. B. ‚Eine Mutter sollte ihre Kinder unter Kontrolle haben‘ oder

sie beinhalten Wenn-Dann-Beziehungen (ebd.) z. B. ‚Wenn eine Mutter ihre Kinder nicht

unter Kontrolle hat, wird sie von den anderen Erwachsenen nicht respektiert‘.

24

Grundannahmen basieren ebenfalls auf den bisherigen Erfahrungen des Menschen. Sie

befinden sich jedoch auf einer sehr tiefen Ebene, sind schwer zugänglich und gelten für die

Person situationsunabhängig, sodass sie für die absolute Wahrheit gehalten werden. Es

handelt sich dabei oft um absolute Aussagen wie z.B. ‚Ich bin eine schlechte Mutter‘ oder

dichotome Aussagen z.B. ‚Es gibt nur gute Eltern und solche die auf ganzer Linie versagen‘

(ebd.). Aufgrund ihrer tiefen Verankerung und der unbedingten Gültigkeit beeinflussen die

Grundannahmen nachhaltig, wie die eigene Person und die Umwelt wahrgenommen und wie

Erlebtes interpretiert und bewertet wird (Benecke 2014, 157). Die Grundannahmen wirken

sich außerdem auf die Bildung von bedingten Annahmen aus und spiegeln sich in den

automatischen Gedanken wider (Parfy, Schuch und Lenz 2016, 117).

Von Dysfunktionalen kognitiven Schemata ist die Rede, wenn die Annahmen unlogisch,

nicht zielführend sind oder den Menschen sogar schädigen (Benecke 2014, 157). Als

Beispiele sind zu nennen: Ein generell negatives Selbstbild, eine generell negative Wahr-

nehmung der Umwelt, unrealistische Erwartungen und Forderungen an die Mitmenschen und

die restliche Umwelt, häufig in Form von Muss-Gedanken und Katastrophendenken (ebd.,

158-160). Diese irrationalen Annahmen werden im inneren Dialog reproduziert, können sich

so langfristig verfestigen, prägen das Erleben und Verhalten und können für die Entstehung

und Aufrechterhaltung von psychischen Erkrankungen mitverantwortlich sein (ebd., 158). Mit

Hilfe kognitiver Therapieverfahren können dysfunktionale kognitive Schemata erkannt und

hinterfragt werden. Ziel ist es, die dysfunktionalen durch funktionale Strukturen zu ersetzen

und so langfristig eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens zu bewirken (Parfy, Schuch

und Lenz 2016, 116).

3.4.2 Ebenen der kognitiven Therapie

Unterteilt wird die kognitive Therapie in die psychoedukative, die explorative Ebene und die

Interventionsebene.

Auf der edukativen Ebene wird der Person vermittelt, dass ihr psychisches Leid und ihre

emotionalen Probleme nicht ausschließlich auf äußere Umstände zurückzuführen sind,

sondern auch die kognitiven Bewertungs- und Interpretationsprozesse mit für das Leiden

verantwortlich sind. Allein das Erlangen dieser Erkenntnis kann den Leidensdruck der

Betroffenen verringern und stellt eine wichtige Grundlage für den weiteren therapeutischen

Prozess dar (Mühlig und Poldrack 2006, 481).

Im Anschluss geht es auf der explorativen Ebene darum, für die Person charakteristische

Denkmuster zu erkennen und zu analysieren. Dies kann mit Hilfe einer durch die

Therapeutin / den Therapeuten angeleitete Selbstbeobachtung oder durch ein Gedankenpro-

tokoll erfolgen. Meist wird dann ein Fallkonzept erstellt. Dieses umfasst biographische Daten,

25

charakteristische Denk- und Verhaltensmuster und die Situationen, in denen diese auftreten.

Außerdem wird analysiert, welche automatischen Gedanken, bedingten Annahmen und

Grundannahmen den Denkmustern zugrunde liegen (Mühlig und Poldrack 2006, 481-482).

Auf der Interventionsebene werden dysfunktionale Denkmuster hinterfragt und an der

Realität überprüft. Ziel ist die Erkenntnis der Person, dass die Denkmuster hinderlich sind und

verändert werden sollten. Besteht diese Erkenntnis, werden gemeinsam neue Denkmuster

erarbeitet, die logisch sind, der Realität eher entsprechen und sich dieser laufend anpassen

können. Dabei erlernt die Person neue Lösungsmöglichkeiten, andere Bewertungen und die

Selbstwirksamkeit wird gestärkt. Die neuen Denkmuster werden anschließend zunächst im

Setting der Therapie und dann in alltäglichen Situationen eingeübt (ebd.).

4. Erziehungsfehler

Im folgenden Kapitel werden mögliche Erziehungsfehler aufgeführt, wobei der Begriff des

Erziehungsfehlers für alle beabsichtigten sowie unbeabsichtigten Erziehungshandlungen

verwendet wird, die sich entwicklungshemmend (siehe Kapitel 2.2) auf das Kind auswirken.

Um eine Verknüpfung zu den in Kapitel 3 erläuterten theoretischen Grundlagen herzustellen,

wird eine Einordnung in die Lerntheorien und den kognitiven Ansatz erfolgen.

Die Beispiele stammen aus der Fantasie des Verfassers oder sind zum Teil der Fachliteratur

entnommen.

4.1 Durch die Sozialkognitive Theorie erklärbare Erziehungsfehler

Um mögliche Erziehungsfehler ausfindig zu machen, wird auf die Aufmerksamkeits- und

Gedächtnisprozesse eingegangen.

Voraussetzung für das Erlernen neuer Verhaltensweisen nach der Sozialkognitiven Lerntheo-

rie sind Aufmerksamkeitsprozesse (siehe Kapitel 3.1.2). Zeigen sich Eltern sehr schwach,

sind für das Kind kaum verfügbar oder lassen sich nicht auf dessen Interessen ein, werden

sie dadurch für das Kind vermutlich als weniger attraktives Modell wahrgenommen. Die

Problematik kann dann darin bestehen, dass auch bezüglich wünschenswerter nachzuah-

mender Verhaltensweisen beim Kind keine Aufmerksamkeitsprozesse zustande kommen und

diese daher nicht erlernt werden.

Weiter ist es möglich, dass von den Eltern vorgezeigte wünschenswerte Verhaltensweisen für

das Kind keine persönliche Bedeutung haben oder uninteressant sind. So wird das Kind

weniger motiviert sein, beim Kochen zu helfen, wenn das zubereitete Gericht nicht nach

seinem Geschmack ist oder es wird weniger dazu motiviert sein, eine völlig abstrakte

Rechenaufgabe zu lösen, die in keinem Zusammenhang mit dem eigenen Leben steht.

Wenig effektiv ist es außerdem, wenn wünschenswerte Verhaltensweisen vorgezeigt werden,

26

wenn das Kind müde, traurig oder in ein Spiel vertieft ist und dem vorgezeigten Verhalten

daher keine selektive Aufmerksamkeit zukommt.

Beim Nachahmen von Verhaltensweisen wird das beobachtete Verhalten zunächst in

bildlicher oder sprachlicher Form kodiert (siehe Kapitel 3.1.2). Sind nachzuahmende Verhal-

tensweisen zu kompliziert oder werden nicht dem Entwicklungsstand des Kindes entspre-

chend in Teilschritte zerlegt, wird das Kind nicht in der Lage sein, das Gesehene zu erfassen

und detailliert im Gedächtnis abzuspeichern. Beispielsweise macht ein Elternteil dem Kind

das Zähneputzen vor. Aufgrund der Komplexität kann das Kind der Handlungsabfolge aber

nicht folgen und diese speichern.

Des Weiteren kann es hinderlich sein, wenn das Kind keine attraktiven Möglichkeiten

bekommt, ein beobachtetes und bereits erlerntes Verhalten zu wiederholen und damit zu

verfestigen. Beispielsweise wird ein Kind die erlernten Tischmanieren nicht verfestigen, wenn

das Mittagessen täglich auf dem Sofa eingenommen wird.

Beim Nachahmen erlernter Verhaltensweisen ist Feedback aus der Umwelt wichtig (siehe

Kapitel 3.1.2). Denkbar ist es, dass Eltern kein positives Feedback für ein nachgeahmtes

positives Verhalten des Kindes geben und das Kind dadurch keine Orientierung hat, ob das

Verhalten gelungen ist. Weiter ist es auch möglich, dass ein Kind für ein fehlerhaft ausgeführ-

tes Verhalten kein Feedback erhält und dadurch das Verhalten nicht korrigieren kann,

beispielsweise beim Zähneputzen. Ein typisches Beispiel für das Überfordern eines Kindes ist

es, wenn Eltern von einem kleinen Kind erwarten, ohne Anleitung ein ganzes Zimmer

aufzuräumen. Auch wenn dies für eine Erwachsene Person nicht unbedingt nachvollziehbar

sein mag, sollte diese Aufgabe dennoch in Teilschritte zerlegt werden.

Die Motivation für das Zeigen eines erlernten Verhaltens ist unter anderem von der Kompe-

tenzerwartung abhängig (siehe Kapitel 3.1.2). Beim Erlernen wünschenswerter Verhaltens-

weisen ist es daher wichtig, dass Eltern die Kompetenzerwartung des Kindes unterstützen.

Hemmend wirkt es sich dagegen aus, wenn Eltern das Kind tadeln, wenn es ein Verhalten

fehlerhaft ausführt. Dadurch kann sich eine negative Selbstwirksamkeitsüberzeugung

ausbilden, sodass das Kind sich andere Verhaltensweisen nicht zutraut

Eine wichtige Funktion in der Erziehung erfüllt meiner Ansicht nach die stellvertretende

Verstärkung, bei der eine vom Kind beobachtete Verhaltensweise eines Modells bekräftigt

wird (siehe Kapitel 3.1.3). Die positive Funktion dieses Lerneffektes wird nicht genutzt, wenn

Familienmitglieder, die dem Kind als Modell dienen, keinerlei Verstärkung für wünschenswer-

tes Verhalten bekommen. Beispielsweise sitzt ein Kind ruhig am Tisch, während alle anderen

Kinder der Familie sich nicht an die Tischregeln halten und das Kind wird dafür nicht gelobt

oder belohnt. In diesem Fall werden die anderen Kinder vermutlich keinen Grund sehen, das

27

wünschenswerte Verhalten des ruhig am Tisch sitzenden Kindes nachzuahmen.

Problematisch kann es sein, wenn negative Verhaltensweisen von Familienmitgliedern

verstärkt werden. Beispielsweise wird ein Geschwister oder Elternteil gewalttätig und erreicht

damit sein Ziel, wodurch das Verhalten stellvertretend verstärkt wird. Dies wird die Wahr-

scheinlichkeit erhöhen, dass auch das andere Kind das Fehlverhalten zeigen wird.

Zu beachten ist außerdem, dass Verstärkung und Bestrafung für Kinder oft eine subjektive

Bedeutung haben (Baumgart 2007, 159). Wenn ein Kind beispielsweise wenig Aufmerksam-

keit bekommt und beobachtet, dass ein Elternteil von dem anderen Elternteil angeschrien und

damit beachtet wird, sobald er aggressiv wird, kann dies ebenfalls stellvertretend verstärken.

Das Kind nimmt das Anschreien dann als eine Form der Aufmerksamkeit wahr, die es sich

selbst ebenfalls wünscht und daher das aggressive Verhalten des Elternteils nachahmt.

Baumgart führt an, dass dieser Effekt sogar soweit führen kann, dass ein Kind, dass sich

nach der Aufmerksamkeit der Eltern sehnt, es sogar als verstärkend empfinden kann, von

den Eltern geschlagen zu werden (ebd.). Infolgedessen ist es gut denkbar, dass das Kind

nach längerer Zeit kognitive Strukturen ausbildet, in denen es Zuwendung und Nähe mit

Gewalt verknüpft. Stellt nun eine anderen Person Nähe zu diesem Kind her, könnte dies als

diskriminativer Reiz (siehe Kapitel 3.3.1) dienen und einen Gewaltimpuls bei dem Kind

auslösen.

4.2 Durch klassische Konditionierung bedingte Erziehungsfehler

Folgend wird aufgeführt, welche meist unbeabsichtigten unerwünschten Effekte in der

Erziehung durch klassische Konditionierung auftreten können.

Problematisch ist es, wenn Eltern vom Kind zunächst als neutral empfundene Aufgaben und

Tätigkeiten mit negativen Reizen koppeln. Beispielsweise setzt ein Kind sich zunächst

relative gerne vor sein Hausaufgabenheft (NS) und erledigt seine Aufgaben. Nun erfährt die

Mutter, dass die Hausaufgaben unordentlich erledigt wurden und setzt sich daher zu dem

Kind. Macht das Kind bei den Hausaufgaben einen Fehler, schreit sie es an und reißt Seiten

aus dem Heft (UCS), wodurch das Kind Angst bekommt (UCR). Es findet dabei eine Koppe-

lung der Erledigung der Hausaufgaben mit der Bestrafung durch die Mutter statt. Als das Kind

beim nächsten Mal in der Schule während einer Freistunde das Hausaufgabenheft (CS)

aufschlägt, entsteht ein Stresszustand (CR), wodurch das Kind sich nicht mehr konzentrieren

kann und die schulischen Leistungen absinken.

Ein ähnlicher Effekt kann eintreten, wenn ein Kind zur Strafe früh ins Bett muss. Das als

normal empfundene ins Bett gehen wird dann mit der emotional aufgewühlten Konfliktsituati-

on gekoppelt. Die Folge kann sein, dass das Kind künftig nicht mehr ins Bett gehen will oder

Einschlafprobleme bekommt.

28

Sehr problematisch ist es außerdem, wenn Eltern ihr Kind sehr häufig strafen. Die Bestrafung

(UCS) löst dabei beim Kind Unbehagen (UCR) aus. Da sie durch den Elternteil (NS) erfolgt,

wird sie mit diesem gekoppelt und der Elternteil wird zum CS, sodass allein seine Anwesen-

heit beim Kind Unbehagen (CR) auslöst und so die Beziehungsebene nachhaltig geschädigt

wird.

Eine Konditionierung findet beispielsweise auch statt, wenn eine depressive Mutter oft einen

gestressten Gesichtsausdruck zeigt (UCS) und in der Interaktion mit dem Kind keine positi-

ven Emotionen austauscht. Diese Art der Kommunikation löst beim Kind eine negative

emotionale Reaktion aus (UCR). Der Blick in das Gesicht der Mutter wird also zu einem

negativen CS und löst Vermeidungsverhalten aus, wodurch das Kind den Blickkontakt mit der

Mutter zu vermeiden beginnt (CR).

4.3 Durch operante Konditionierung bedingte Erziehungsfehler

4.3.1 Fehler beim Aufbau erwünschter Verhaltensweisen

Mit Hilfe von positiver Verstärkung, Prompting, Shaping, Chaining und Token Economy

können neue wünschenswerte Verhaltensweisen beim Kind aufgebaut werden (siehe Kapitel

3.2.1). Deutlich wird, dass diese Methoden nur funktionieren, wenn sie zum Entwicklungs-

stand und den bereits vorhandenen Fähigkeiten des Kindes passen.

Als Fehler denkbar ist es beispielsweise, dass Eltern von ihrem Kind das Zeigen komplexer

Verhaltensweisen verlangen und dabei keine Hilfestellung leisten, die Verhaltensweisen nicht

in Teilschritte zerlegen oder diese Teilschritte nicht verstärken. So kann das Erlernen neuer

Verhaltensweisen allein aufgrund deren Komplexität für ein Kind unmöglich sein oder das

Kind wird aufgrund der Überforderung und der fehlenden Erfolgserlebnisse demotiviert und

resigniert. Beim Einsatz von Token Economy könnte das Kind sich aufgrund einer mangeln-

den Festlegung im Unklaren über die Art des verstärkten Verhaltens sein. Weiter könnte der

festgelegte Wert der Tokens zu gering sein, sodass der eintauschbare positive Verstärker

nicht in Sichtweite ist oder der eintauschbare Verstärker könnte für das Kind nicht attraktiv

sein, sodass keine Motivation für das Ansparen von Tokens entsteht.

Nach Erlernen eines erwünschten Verhaltens ist es außerdem wichtig, Verstärker und

Unterstützungen schrittweise auszublenden (siehe Kapitel 3.2.1). Verstärken die Eltern das

Verhalten des Kindes weiter, ist es denkbar, dass das Verhalten an die externale Verstärkung

gekoppelt bleibt und nicht mehr ausgeführt wird, sobald die Verstärkung ausbleibt. Bauen die

Eltern die Unterstützung bei der Ausführung des Verhaltens nicht ab, könnte dies das Kind

dauerhaft von der Unterstützung anderer abhängig machen und zudem Selbstwirksamkeits-

erfahrungen des Kindes behindern, da die Erfahrung, durch das eigene Können zum Erfolg

zu gelangen, ausbleibt.

29

4.3.2 Fehler beim Abbau unerwünschter Verhaltensweisen

Bestrafung kann durch funktionalen Verstärkerentzug erfolgen (siehe Kapitel 3.2.2), wobei

auch Erziehungsfehler denkbar sind. Beispielsweise bettelt ein Kind regelmäßig nach

Süßigkeiten. Indem das Kind fortan keine Süßigkeiten mehr auf sein Betteln erhält, wird der

positive Verstärker für das Betteln entzogen. Das Kind reagiert darauf mit Extinktionsausbrü-

chen und versucht, durch Schreien und Weinen sein Ziel zu erreichen. Problematisch ist es,

wenn Eltern nun aus Mitleid oder um sich in der Öffentlichkeit der als peinlich empfundenen

Situation zu entziehen, nachgeben und das Kind wieder Süßigkeiten erhält, wodurch das

unerwünschte Verhalten verstärkt wird. Da solche Situation, in denen die Eltern sich zum

Nachgeben hinreißen lassen, nur gelegentlich auftreten, wird das Kind aufgrund der intermit-

tierenden Verstärkung noch beharrlicher nach Süßigkeiten betteln.

Ein weiterer Fallstrick für Eltern könnte darin bestehen, löschungsinduzierte aggressive

Verhaltensweisen des Kindes als bösartig anstatt als eine Form der Spannungsabfuhr zu

interpretieren und mit Gegenaggression zu reagieren. Eine Trennung zwischen der Person

des Kindes und dem Fehlverhalten wäre damit nicht gegeben.

Denkbar wäre es auch, dass Eltern das Extinktionsverfahren nach einer gewissen Zeit

beenden, eine Spontanerholung als ‚Ausrutscher‘ des kindlichen Verhaltens sehen und

versehentlich das unerwünschte Verhalten erneut intermittierend verstärken, sodass sich die

Auftretenswahrscheinlichkeit wieder erhöht. Des Weiteren weißt Schermer darauf hin, dass

bei einem alleinigen Verstärkerentzug ohne eine Verstärkung alternativer Verhaltensweisen

die Gefahr eines Ausweichens auf andere unerwünschte Verhaltensweisen besteht (2011,

140).

Timeout wird als Methode beschrieben, bei der beim Auftreten eines bestimmten Verhaltens

soziale Verstärker für das Verhalten entzogen werden, was in letzter Instanz beinhalten kann,

dass ein Kind für kurze Zeit in einen anderen Raum gebracht wird (siehe Kapitel 3.2.2).

Welche große Bedeutung dem Ausschluss aus sozialen Situationen in der alltäglichen

Erziehung zukommt, macht eine repräsentative Studie der AOK deutlich, in der 20% der

Eltern angeben, ihr Kind als Strafe für längere Zeit aufs Zimmer zu schicken (2011, 12).

Erziehungsfehler, die sich dabei ergeben können, sind vielfältig. Trennen Eltern nicht

zwischen Person und Verhalten des Kindes, kann beim Kind das Gefühl ausgelöst werden,

nicht mehr gewollt zu werden und es kann sich ein negatives Selbstbild aufbauen. Besonders

bei längeren Zeiten des ‚Eingesperrtseins‘ kann der Eindruck einer willkürlichen Bestrafung

geschehen, wodurch Aggressionen ausgelöst werden können. Vermitteln die Eltern dem Kind

nicht das Gefühl, trotz des Timeout in der Nähe und verfügbar zu sein, können beim Kind

Ängste auftreten oder es kann sich in einem unsicheren Raum Verletzungen zuziehen.

30

Ist die Beziehung zu den Eltern sehr schlecht oder empfindet das Kind die soziale Situation

als unangenehm, ist die Wirksamkeit des Timeout nicht gegeben. In einem solchen Fall stellt

das Timeout eine negative Verstärkung dar, wobei das Kind gezielt mit negativen Verhal-

tensweisen provoziert, um bei der daraus folgenden Auszeit der unangenehmen sozialen

Situation zu entkommen. Einen ähnlichen Effekt kann es haben, wenn der Timeout-Raum

viele Ablenkungsmöglichkeiten bietet und dadurch als positiver Verstärker für das uner-

wünschte Verhalten dient.

Auch Response Cost kann als Methode zum Abbau unerwünschter Verhaltensweisen dienen

(siehe Kapitel 3.2.2). Als Fehler in der Erziehung ist denkbar, dass der zu entziehende

Verstärker nicht im Überfluss vorhanden ist z.B. dem Kind wird Geld weggenommen, das es

nicht wieder ansparen kann. Problematisch könnte es außerdem sein, dass Response Cost

ohne Indikation angewendet wird oder dadurch auch wünschenswerte Verhaltensweisen

behindert oder verhindert werden z.B. das Kind darf nicht ins Fußballtraining, was an sich ein

wünschenswertes Verhalten ist.

Eine Möglichkeit zum Abbau unerwünschter Verhaltensweisen stellt die Bestrafung durch

einen aversiven Reiz dar, die jedoch viele negative Nebeneffekte haben kann (Schermer

2011, 137-138). Diese werden von den Autorinnen und Autoren allgemein beschrieben, im

Folgenden werden sie konkret auf die Erziehung bezogen.

Durch häufiges Bestrafen mit einem aversiven Reiz können die Eltern zu einem negativen

Stimulus werden, sodass das Verhältnis zum Kind nachhaltig belastet wird. Durch die beim

Kind ausgelösten Ängste kann es zu einer Unfähigkeit kommen, die eigenen Bedürfnisse

auszudrücken, wobei als Folge mangelnde Sozialkompetenzen möglich sind. Durch den

hohen Erregungszustand aufgrund der Bestrafung kann es zu negativen emotionalen

Reaktionen kommen, woraus andere unerwünschte Verhaltensweisen resultieren können

(Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 127-128). Zusätzlich kann dabei die strafende Person

als Modell für aggressive Verhaltensweisen dienen (Schermer 2011, 137-138). Ohne eine

differentielle Verstärkung, bei der dem Kind auch wünschenswerte Verhaltensweisen

aufgezeigt werden, kann ein Gefühl der Hilflosigkeit entstehen und es können sich depressive

Verhaltensweisen ausprägen (Schermer 2016, 91). Des Weiteren ist aufgrund der aversiven

Reize von außen ein Rückzug des Kindes in die eigenen Phantasiewelt möglich und schließ-

lich können in Folge der Bestrafung chronische psychosomatische Erkrankungen ausgelöst

werden (Bodenmann, Perrez und Schär 2011, 128).

Erziehungsprobleme können zudem auch durch eine ungleiche Rollenverteilung bei den

Eltern entstehen, bei der ein Elternteil inkonsequent ist und der andere dies mit übermäßiger

Strenge auszugleichen versucht (Petermann und Petermann 2012, 242). Während das Kind

von einem Elternteil bestraft wird, lässt der andere Elternteil das Verhalten durchgehen oder

31

verstärkt dieses sogar. Durch diese Inkonsistenz kann die Wirkung von Erziehungsmethoden

untergraben werden (siehe Kapitel 3.2). Petermann und Petermann beschreiben einen

Prozess, in dem das Kind lernt, sich bei den beiden Elternteilen unterschiedlich zu verhalten

und diese gegeneinander auszuspielen, sodass unerwünschte Verhaltensweisen aufrecht-

erhalten bleiben (2012, 242).

4.3.3 Eskalationsfallen

Als Fehler in der Erziehung ist es möglich, dass unerwünschte Verhaltensweisen des Kindes

und der Eltern sich gegenseitig verstärken und damit ein Teufelskreis entsteht, der zur

Eskalation führt und eine von Aggression und Gewalt geprägte Interaktion zwischen Eltern

und Kind begünstigt (Petermann und Petermann 2012, 272). Döpfner, Schürmann und

Lehmkuhl nennen dies eine Eskalationsfalle und beschreiben dabei vier Stufen (2009, 139).

1. Stufe: Zunächst fordern die Eltern das Kind dazu auf, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen

oder zu unterlassen.

Kommt das Kind der Aufforderung nach, bekommt es kein Lob und auch sonst keine

Aufmerksamkeit, da die Eltern sich wieder ihrer Tätigkeit zuwenden. Das wünschenswerte

Verhalten wird also nicht verstärkt.

Kommt das Kind der Aufforderung der Eltern nicht nach, wird die nächste Stufe aktiv (Döpf-

ner, Schürmann und Lehmkuhl 2009, 138,142).

2. Stufe: Die Eltern wiederholen die Aufforderung, das Verhalten zu zeigen oder zu unterlas-

sen, bis zu zehn Mal und werden dabei immer energischer.

Kommt das Kind der Aufforderung nach, wenden sich die Eltern wütend oder genervt ab und

das wünschenswerte Verhalten wird nicht verstärkt. Eine typische Aussage kann dabei sein:

„Wieso nicht gleich so?!“ (ebd., 139-140). Durch diese Aussage stellen die Eltern nicht das

aktuell wünschenswerte Verhalten in den Fokus, sondern richten den Vorwurf an das Kind,

der Aufforderung nicht früher nachgekommen zu sein. Hinzu kommt die negative emotionale

Reaktion, die vom Kind vermutlich ebenfalls als unangenehm erlebt wird.

Kommt das Kind der Aufforderung der Eltern nicht nach, geraten die Eltern in die nächste

Stufe der Eskalationsfalle (ebd.).

3. Stufe: Aufgrund ihres emotional aufgewühlten Zustandes drohen Eltern meist impulsiv und

unreflektiert Konsequenzen an, die übertrieben oder nicht realistisch durchführbar sind.

Kommt das Kind der Aufforderung nun nach, wenden sich die Eltern wie in der vorigen Stufe

wütend ab.

Kommt das Kind der Aufforderungen nicht nach, schaukelt sie die Situation in die nächste

Stufe (Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl 2009, 139-140).

32

4. Stufe: Da das Kind weder durch die wiederholten Aufforderungen noch durch Drohungen

das erwünschte Verhalten zeigt oder das unerwünschte Verhalten beendet, sind die Eltern

ratlos. Die Eltern haben nun die Möglichkeit nachzugeben, indem sie das Fehlverhalten des

Kindes dulden oder die dem Kind zugedachte Aufgabe selbst erledigen. Typisch ist dabei die

Aussage der Eltern: ‚Mach doch was du willst, mir ist es egal!‘ (ebd., 141). Der hartnäckige

Widerstand gegenüber den Aufforderungen wird negativ verstärkt, da das als unangenehm

empfundene Schimpfen und Drohen der Eltern verstummt. War die Aufforderung an das

Kind, eine als unangenehm empfundene Aufgabe zu erledigten, findet zusätzlich eine

negative Verstärkung statt, da das Kind von diesem negativen Verstärker nun verschont

bleibt. War die Aufforderung an das Kind, ein als angenehm empfundenes Verhalten zu

beenden, wird das Kind positiv verstärkt, da das Kind durch das ‚Mach doch was du willst‘

nun freie Hand hat. Döpfner, Schürmann und Lehmkuhl führen weiter aus, dass das Kind

durch diesen Prozess lernt, dem Druck der Eltern nur lange genug standhalten zu müssen,

um sich schließlich durchsetzen zu können und die Auftretenswahrscheinlichkeit für solche

Verhaltensweisen daher steigt (2009, 141).

Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Eltern dem Kind gegenüber aggressiv oder gewalttätig

werden und damit zumindest vorübergehend das Zeigen des erwünschten Verhaltens oder

das Unterlassen des unerwünschten Verhaltens erzwingen (ebd.). Die Eltern können dem

Kind dabei jedoch als Modelle für bisher noch unbekannte aggressive und gewalttätige

Verhaltensweisen dienen oder durch den Erfolg ihrer Handlung bereits erlernte aggressive

und gewalttätige Verhaltensweisen stellvertretend verstärken (siehe Kapitel 4.1). Weiter

weisen Petermann und Petermann darauf hin, dass das Verhalten der Eltern dadurch

verstärkt wird, dass das Kind sich nach ihren Vorstellungen verhält und dadurch die „Wahr-

scheinlichkeit für solche erpresserischen und aggressiven Erziehungsmethoden steigt“ und

sich somit eine durch Aggression geprägte Interaktion sehr schnell hochschaukeln kann

(2012, 272).

4.4 Durch den kognitiven Ansatz erklärbare Erziehungsfehler

Wie unter 3.3.1 dargestellt werden Grundannahmen durch die Erfahrungen geprägt, die ein

Mensch von klein auf macht. Erfahrungen werden im besonderen Maß in der Erziehung

gemacht, da beispielsweise durch das Modelllernen neue Verhaltensweisen erlernt werden

(siehe Kapitel 3.1.2) und durch das operante Konditionieren die Auftretenswahrscheinlichkeit

für bestimmte Verhaltensweisen erhöht oder verringert wird (siehe Kapitel 3.2).

Einen erheblichen Einfluss auf die Bildung der Grundannahmen kann es daher meiner

Ansicht nach haben, wie das Kind die Erziehungsmethoden subjektiv erlebt. Erfährt das Kind

eine durch negative Konsequenzen geprägte Erziehung kann dies eine feindliche Wahrneh-

mung der Umwelt begünstigen. Ähnliches gilt, wenn die Konsequenzen für das Kind nicht

33

verständlich und vorhersehbar sind und daher als Willkür erlebt werden. Das Kind kann

dadurch beispielsweise zu der Grundannahme gelangen, der Umwelt hilflos ausgeliefert zu

sein.

Zu schlussfolgern ist daraus meiner Ansicht nach, dass Eltern mit dem Kind aufarbeiten

sollten, aus welchem Grund Konsequenzen erfolgen. Das Kind soll das Gefühl bekommen,

durch sein Verhalten das Zustandekommen oder Ausbleiben von Verhaltenskonsequenzen

steuern zu können. Weiter soll es auch in der Lage sein, etwaige negative Konsequenzen

durch das Zeigen erwünschter Verhaltensweisen wieder zu beenden und sich somit als

selbstwirksam erleben.

Wie unter 3.3.1 ausgeführt prägen Grundannahmen und bedingte Annahmen das menschli-

che Erleben und Verhalten und dies gilt natürlich auch für das Erziehungsverhalten der

Eltern. So bildeten auch die Eltern ihre Grundannahmen aufgrund von Erfahrungen in ihrer

Kindheit und verteidigen damit ihre Erziehungsmethoden (Petermann und Petermann 2012,

240).

Eine dysfunktionale Grundannahme liegt beispielsweise vor, wenn Eltern der Überzeugung

sind, eine Tracht Prügel könne dem Kind nicht schaden. Diese Grundannahme wurde anhand

der eigenen erlebten Gewalt gebildet oder von anderen Menschen übernommen. Unlogisch

ist die Grundannahme, da wie Petermann und Petermann ausführen Gewalt und übermäßige

Strenge in der Erziehung durchaus schädlich sein können (ebd., 242). Dysfunktional ist die

Annahme, da durch Gewalt in der Erziehung vom Kind auch unerwünschte Verhaltensweisen

erlernt werden können, die einer positiven Erziehung entgegenstehen (siehe Kapitel 4.1).

Solche dysfunktionalen Grundannahmen der Eltern können sich auch weiter auf die beding-

ten Annahmen auswirken beispielsweise indem Eltern der Ansicht sind: ‚Wenn ich meinem

Kind Konsequenzen setze, habe ich versagt.‘ oder ‚Wenn ich mir wegen meiner Erziehungs-

schwierigkeiten Hilfe hole, ist das ein Eingeständnis meines Versagens als Mutter / Vater.‘

Deutlich wird daraus, dass Erziehungsfehler in den Annahmen der Eltern fest verankert sein

können und daher für die Entstehung und Aufrechterhaltung fragwürdiger Erziehungsprakti-

ken mit verantwortlich sind.

Daher stellt sich die Frage, wie die dysfunktionalen Annahmen angepasst werden können.

Erstens ist dies durch einen therapeutischen Prozess möglich, der aber oft viel Zeit erfordert

(siehe Kapitel 3.3.2) und daher vermutlich für kurze Beratungen oder Elternprogramme zu

aufwändig ist. Zweitens entstehen Annahmen auch durch praktische Erfahrungen (siehe

Kapitel 3.3.2). Es bietet sich also an, Eltern zu neuen Erziehungserfahrungen anzuregen, die

als positiv erlebt werden und dadurch dysfunktionale Annahmen zu widerlegen. Beispielswei-

se ist ein Elternteil überzeugt, dass Körperstrafen für eine gelingende Erziehung unerlässlich

sind. Nun lässt sich dieser Elternteil aufgrund von Erziehungsschwierigkeiten auf die Hand-

lungsempfehlungen aus einem Elternprogramm ein und erlebt, dass Erziehung auch ohne

34

Körperstrafen möglich ist und dabei für alle Betroffenen weniger Leid entsteht. Die Annahme

über die Notwendigkeit von Strafen in der Erziehung muss der Elternteil nun hinterfragen und

kann sie im besten Fall durch eine funktionale Annahme ersetzen. Somit haben meiner

Ansicht nach auch praktische Handlungsanweisungen für Eltern ein großes Potential,

kognitive Veränderungen bei den Eltern zu bewirken und die Erziehung dadurch nachhaltig

zu verbessern.

Nachdem nun dargestellt wurde, welche Fehler in der Erziehung möglich sind, wird im

nächsten Kapitel am Beispiel von Triple P gezeigt, wie Eltern zu einer gelingenden Erziehung

unterstützt werden können.

5. Triple P

5.1 Die Geschichte von Triple P

Triple P ist ein präventives Elternprogramm, das Eltern beim Aufbau einer liebevollen

Beziehung zum Kind und bei der Kindererziehung unterstützt. „Dabei werden Wege aufge-

zeigt, Kinder auf konstruktive, nicht verletzende, gewaltfreie Weise zu erziehen, ihre gesunde

Entwicklung zu fördern sowie sie dabei zu unterstützen, die altersspezifischen Anforderungen

zu meistern“ (Dirscherl, Obermann und Hahlweg 2006, 51).

Triple P ist kognitiv-behavioral ausgerichtet, es werden Erziehungsfehler aufgedeckt und den

Eltern positive Erziehungskompetenzen vermittelt. Triple P ist wie jedes andere Elternpro-

gramm zeitlich begrenzt und in seinem Erfolg von der Mitarbeit der Eltern abhängig. Dabei

bietet Triple P ein sehr breites Angebotsspektrum, sodass Eltern wählen können, in welchem

Bereich sie Hilfe benötigen. In der Arbeit mit Triple P lernen sie ihre eigenen Verhaltenswei-

sen und die Verhaltensweisen des Kindes zu verstehen. Im Laufe des Programmes erfahren

sie außerdem, dass Veränderungen durch die eigenen Anstrengungen und die richtigen

Methoden bewirkt werden, „anstatt diese Veränderungen dem Zufall, Reifungsfaktoren oder

anderen nicht beeinflussbaren Faktoren zuzuschreiben“ (ebd., 53-54). Durch diese klare

Fokussierung ist Triple P sehr kostenwirksam und befähigt die Eltern außerdem dazu, auch

nach Beendigung des Elternprogrammes weiterhin Fortschritte zu machen.

Entwickelt wurde Triple P von Matthew Sanders und seinen Kolleginnen und Kollegen am

Parenting and Family Support Center der Universität Queensland in Australien (ebd., 52).

Ursprünglich richtete sich Triple P an Eltern mit stark verhaltensauffälligen Kindern. Von Kurt

Hahlweg wurde das Programm ins Deutsche adaptiert. In dieser Version wurde die Klientel

von Triple P erweitert und das Programm richtet sich nun an alle Eltern, die ihre Erziehungs-

kompetenzen verbessern möchten (Sonnenbaum 2008, 57). Seit dem Jahr 1999 wird das

Triple P Elternprogramm auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeboten

(Dirscherl et Al. 2011, 5).

35

Triple P wurde seit seiner Entstehung in verschiedenen Ländern laufend evaluiert und

weiterentwickelt (Dirscherl et Al. 2011, 5). In Deutschland geschieht dies an der Universität

Braunschweig unter der Leitung von Kurt Hahlweg. Insgesamt nahmen bisher weltweit mehr

als 300.000 und in Deutschland rund 30.000 Eltern an dem Triple P Elternprogramm teil

(Dirscherl, Obermann und Hahlweg 2006, 52).

5.2 Das Triple P Mehrebenen-Modell

Triple P arbeitet präventiv und richtet sich an den Individuellen Unterstützungsbedarfen der

Familien aus. Universell präventiv wendet sich Triple P an Eltern, die an allgemeinen

Informationen zu Erziehung und einer Erweiterung ihrer Erziehungskompetenzen interessiert

sind. Weiter wendet sich Triple P aber auch indiziert präventiv an Eltern, die Erziehungs-

schwierigkeiten haben oder bei deren Kindern Verhaltensauffälligkeiten sichtbar werden.

Triple P unterteilt sich in fünf Präventionsebenen mit einem steigenden Grad der Unterstüt-

zung, wobei auch eine Kombination von Angeboten unterschiedlicher Ebenen möglich ist

(Dirscherl et Al. 2011, 8-10).

In der Ebene 1 findet eine universelle Prävention statt. Indem allgemeine Informationen zu

Elternschaft, Erziehung und der Nutzung verschiedener Medien vermittelt werden, soll die

Grundlage für eine positive Erziehung geschaffen werden. Dabei werden die positiven Seiten

von Elternschaft in den Vordergrund gerückt, um den Familien eine ermutigende Stimmung

zu vermitteln. Gleichzeitig dient die Ebene 1 als ein niederschwelliger Zugang zum Hilfesys-

tem. Durch die Inanspruchnahme präventiver Angebote soll die gesellschaftliche Akzeptanz

für Elternbildung, Erziehungsberatung und Elternprogramme erhöht werden. Dies soll

bewirken, dass Familien bei Bedarf auch intensivere Unterstützungsangebote in Anspruch

nehmen (ebd., 8).

Ebene 2 umfasst ein Elterngespräch und eine Triple P Vortragsreihe. Häufig sind Leh-

rer/innen, Erzieher/innen, Ärzt/innen, Geburtshelfer/innen oder Kinderkrankenpfleger/innen

die Erstanlaufstelle für Familien. Diese Struktur nutzt Triple P, indem den Fachkräften

Fortbildungen von Triple P angeboten werden. Dadurch werden diese dazu qualifiziert,

Familien bei „umgrenzten Schwierigkeiten“ im Rahmen von Elterngesprächen zu unterstützen

und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für Problemstellungen zu entwickeln (ebd., 8). Basis

eines Elterngespräches sind häufig die Kleinen Helfer (ebd.). Bei einem Kleinen Helfer

handelt es sich um eine Broschüre, die Tipps dazu enthält, wie Eltern mit Entwicklungs- und

Verhaltensschwierigkeiten umgehen und diesen vorbeugen können. Insgesamt gibt es 56

Kleine Helfer, die in fünf Themensets zu den Altersstufen des Kindes (Säugling, Kleinkind,

Kindergartenkind, Grundschulkind und Teenager) unterteilt sind und sich mit häufig auftre-

36

tenden Problemstellungen beschäftigen (Triple P 2018a). Bei weiteren Unterstützungsbedar-

fen ist außerdem eine Vermittlung in externe Angebote möglich (Dirscherl et Al. 2011, 8).

Die Vortragsreihe besteht aus drei Vorträgen mit einer Länge von 60 Minuten mit jeweils

anschließender 30-minütiger Diskussion. Sie richtet sich an Eltern, die unverbindlich Informa-

tionen darüber erhalten möchten, wie sie eine positive Entwicklung ihres Kindes fördern

können. Vermittelt werden die fünf Grundprinzipien einer positiven Erziehung (siehe Kapitel

5.3.1) und es wird aufgezeigt, wie diese im familiären Alltag angewendet werden können

(ebd., 9).

In der Ebene 3 findet eine Kurzberatung im Rahmen von bis zu vier Gesprächsterminen statt.

Dabei werden mit den Eltern Schwierigkeiten besprochen und anschließend gemeinsam

passende Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Eltern werden zur Problemsituation passende

Erziehungsfertigkeiten vermittelt und diese eingeübt. Auch mögliche Probleme bei der

Umsetzung werden thematisiert. So wird Hilfe zur Selbsthilfe geleistet (ebd.).

In Ebene 4 werden Elternprogramme angeboten. In diesen werden gemeinsam mit den Eltern

Erziehungsziele reflektiert, es werden mögliche Ursachen für kindliches Verhalten ergründet

und neue Erziehungskompetenzen vermittelt, die zuhause direkt angewendet werden

können. Möglich sind dabei Gruppentrainings, Einzeltrainings oder telefonisch / selbst

angeleitete Trainings auf Basis des Triple P Elternarbeitsbuches.

Ein Gruppentraining umfasst 4 Termine, in denen Erziehungsfertigkeiten auch in Rollenspie-

len eingeübt werden. Im Anschluss finden individuell vereinbarte Telefonkontakte statt, in

denen es möglich ist, Fortschritte festzuhalten, Fragen zu beantworten und Schwierigkeiten

zu besprechen. Dadurch sollen die neu erlernten Kompetenzen gefestigt werden.

Ein Einzeltraining ist eine sehr intensive Form der Betreuung und kann beispielsweise im

Rahmen einer Sozialpädagogischen Familienhilfe erfolgen. Es bietet sich dabei die Möglich-

keit, unter sehr realitätsnahen Bedingungen zu arbeiten und es können Beobachtungs- und

Coachingübungen gemacht werden. Außerdem kann auch das Kind miteinbezogen werden

(ebd.,).

Ebene 5 wird als Triple P Plus bezeichnet und richtet sich an Eltern, die nach der Inan-

spruchnahme der Interventionen aus Ebene 4 noch weitere Unterstützungsbedarfe haben.

Von Bedeutung können dabei emotionale Schwierigkeiten oder Stressbelastungen sein, die

sich negativ auf die Erziehung auswirken oder es wird aus anderen Gründen ein vertiefendes

Training der Erziehungsfähigkeiten gewünscht. Die Vermittlung von Kompetenzen findet auf

Basis von Modulen statt. Wichtig ist das Modul ‚Hausbesuche‘, in dem Eltern lernen, die

neuen Erziehungskompetenzen umzusetzen und dabei Hindernisse eigenständig zu bewälti-

gen. Sind bei den Eltern emotionale Schwierigkeiten oder Stressbelastungen vorhanden,

unterstützt das Modul ‚Stressbewältigung‘ mit der Vermittlung von Problemlösefertigkeiten

37

und Entspannungstechniken. Für Paare ist außerdem das Modul ‚Eltern-Teamwork‘ zu

nennen, in dem die Eltern eine gelungene Kommunikation und eine gegenseitige Unterstüt-

zung bei der Erziehung trainieren (Dirscherl et Al. 2011, 10).

5.3 Inhalte von Triple P

5.3.1 Grundregeln für eine positive Erziehung

Um die Voraussetzungen für eine positive Erziehung zu schaffen, beschreibt Triple P fünf

Grundregeln, die als Grundlage für die Vermittlung verschiedener Erziehungsstrategien und

Erziehungsmethoden dienen (Hahlweg et Al. 2001, 414):

1. Für eine sichere und interessante Umgebung sorgen

Eine häufige Ursache für Verletzungen von Kindern sind Unfälle im Haushalt. Daher ist es

wichtig, Gefahrenquellen in der Wohnung zu beseitigen. Außerdem sollten Kinder angemes-

sen beaufsichtigt werden, das heißt Eltern sollten wissen, wo sich das Kind aufhält und was

es tut. Diese Sicherheit ermöglicht es, dass Kinder ihre Umwelt eigenständig und ohne große

Gefahren explorieren können. Sie können eigene Erfahrungen sammeln und werden dadurch

in ihrer geistigen und sprachlichen Entwicklung gefördert (Dirscherl et Al. 2011, 10). Außer-

dem wird Problemverhalten verringert, denn „beschäftigte Kinder sind glückliche Kinder“

(Fuchs 2011, 27). Auch Eltern können durch die Schaffung einer sicheren Umgebung für ihre

Kinder entspannter sein, da sie sich weniger Sorgen darüber machen müssen, was den

Kindern zustoßen könnte (Dirscherl et Al. 2011, 10).

2. Eine positive und anregende Lernatmosphäre schaffen

In ihrer Entwicklung lernen Kinder, sich eigenständig zu beschäftigen. Eltern müssen in

dieser Zeit nicht immer direkt bei den Kindern sein. Es ist jedoch wichtig, dass sie verfügbar

sind und soweit dies möglich ist, Zeit für ihre Kinder aufbringen können (Fuchs 2011, 27).

Dies ist beispielsweise von Bedeutung, wenn Kinder aktiv auf Eltern zugehen, Interesse an

etwas zeigen, Fragen stellen oder etwas erzählen möchten. Eine solche Situation eignet sich

sehr gut dafür, „Kindern auf positive Weise Dinge beizubringen, ihre sprachlichen Fähigkeiten

zu fördern und die Beziehung zum Kind durch Aufmerksamkeit, Lob oder körperliche

Zuneigung positiv zu gestalten“ (Hahlweg et Al. 2001, 414). Anstatt bei Fragen des Kindes

die Lösung zu nennen, kann es sinnvoll sein, das Kind selbst zum Nachdenken anzuregen

und ihm Hilfestellung zu geben, sodass es selbst zur Lösung gelangt. Kinder sollten dazu

angeregt werden, Dinge selbst auszuprobieren. Eltern können dies unterstützen, indem sie

dem Kind Aufmerksamkeit schenken und es ermutigen. Außerdem können die Eltern dem

Kind zeigen, dass es ihnen gefällt, was es tut, was in Form eines nonverbalen oder verbalen

Lobes geschehen kann. Dadurch wird die Auftretenswahrscheinlichkeit für das erwünschte

Verhalten erhöht und das Kind in seiner Entwicklung gestärkt (Fuchs 2011, 27-28).

38

3. Sich konsequent verhalten

Konsequenz bedeutet, dass Eltern auf bestimmte Verhaltensweisen des Kindes immer auf

dieselbe Weise reagieren. Das elterliche Verhalten wird dadurch für das Kind vorhersehbar

und es entsteht die Erkenntnis, für das eigene Verhalten Verantwortung tragen zu müssen.

Das Kind lernt dadurch, erwünschte und unerwünschte Verhaltensweisen zu unterscheiden

und die Bedürfnisse der Mitmenschen zu respektieren. Eltern sollten darauf achten, dass die

Konsequenzen für ein Verhalten keine Strafe sind, sondern logisch aus dem Verhalten des

Kindes hervorgehen, fair und nicht lang andauernd sind. Auch bei provozierendem Verhalten

des Kindes ist es wichtig, ruhig zu bleiben und das Kind nicht in seiner Persönlichkeit zu

verletzen, wie dies durch Schlagen, Drohen oder Schimpfen geschehen kann (Fuchs 2011,

28).

4. Realistische Erwartungen sich selbst und an das Kind aufbauen

Wenn Eltern an sich selbst oder an ihre Kinder zu hohe und unerfüllbare Erwartungen stellen,

kann dies zu Frustration, Schuldzuweisungen und Konflikten führen. Die Erwartungen an das

Kind sollten daher nicht nur am Alter, sondern an dem individuellen Entwicklungsstand des

Kindes ausgerichtet sein, um eine Überforderung des Kindes zu verhindern (ebd.).

Eltern sollten aber auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie selbst nicht alles perfekt

machen müssen und Fehler zur Normalität gehören. Ihre Aufmerksamkeit sollten sie mehr

darauf richten, was sie erreicht und bewältigt haben (Dirscherl et Al. 2011, 10-11).

5. Die eigenen elterlichen Bedürfnisse beachten

Die Betreuung und Erziehung kostet Eltern oft viel Energie und stellt sie vor Herausforderun-

gen. Um dieser Belastung gewachsen zu sein, ist es wichtig, dass Eltern nicht nur für ihre

Kinder leben, sondern auch ihre eigenen Bedürfnisse nach Intimität, Partnerschaft, Erholung

und Freizeit zu erfüllen. Dadurch können Eltern Energie schöpfen und dem Kind mit Ausge-

glichenheit, Geduld und Zugewandtheit begegnen (ebd., 11).

5.3.2 Stärkung der Beziehungs- und Erziehungskompetenzen

Im familiären Umfeld des Kindes sind Risiko- und Schutzfaktoren auszumachen, die sich auf

die kindliche Entwicklung auswirken. Vor allem elterliche Beziehungs- und Erziehungskompe-

tenzen zählen zu den Faktoren, auf die im Rahmen eines Elternprogrammes Einfluss

genommen werden kann, um bessere Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung des

Kindes zu schaffen. Triple P gibt Eltern daher Anregungen, wie die Beziehung zum Kind

positiv gestaltet werden kann. Außerdem werden wichtige Erziehungskompetenzen vermittelt,

mit deren Hilfe wünschenswerte Verhaltensweisen des Kindes unterstützt und neue Fertigkei-

ten und Verhaltensweisen vermittelt werden können (Dirscherl et Al. 2011, 11).

39

Stärkung der Beziehung zum Kind

Der positiven Beziehung zwischen Eltern und Kind kommt eine besondere Funktion zu.

Zunächst einmal wirkt sich diese durch eine gute Bindung generell positiv auf die kindliche

Entwicklung aus. Zusätzlich dient sie als Grundlage für die Förderung erwünschten Verhal-

tens und die Vermittlung neuer Verhaltensweisen und Fertigkeiten. Zuletzt ist eine positive

Beziehung auch ein „Gegengewicht“ zum Umgang mit unerwünschtem Verhalten. Wie auch

unter 3.3.2 erläutert, erhöht eine positive Beziehung nicht nur die Wirksamkeit von Konse-

quenzen, sondert verhindert auch eine psychische Schädigung des Kindes durch diese

(Fuchs 2011, 36).

Wertvolle Zeit mit dem Kind verbringen

„Eltern sollen darauf achten, dass die Zeit, die sie mit ihrem Kind verbringen, für ihr Kind

wertvoll, wichtig und bedeutsam ist“ (Dirscherl et Al. 2011, 11). Wertvolle Zeit kann mit dem

Kind dann verbracht werden, wenn dieses ein Frage hat, Hilfe benötigt oder den Elternteil in

eine Tätigkeit einbeziehen möchte. Daher ist es wichtig, dass Eltern für das Kind ansprechbar

sind. Wenn der Elternteil momentan beschäftigt ist, ist bei Möglichkeit zu empfehlen, die

Tätigkeit kurz zu unterbrechen, um dem Kind die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Sollte

eine Unterbrechung der Tätigkeit nicht möglich sein, sollte möglichst bald ein wenig Zeit für

das Anliegen des Kindes reserviert werden (Fuchs 2011, 36-37).

Mit dem Kind sprechen

Durch Unterhaltungen mit den Eltern erwirbt das Kind wichtige Sprachkenntnisse, soziale

Fähigkeiten und Gesprächsregeln. Gefördert wird auch das Selbstwertgefühl des Kindes, da

ihm dadurch das Gefühl vermittelt wird, von den Eltern als Gesprächspartner ernst genom-

men und wertgeschätzt zu werden (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 33).

Zuneigung zeigen

Zur Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung ist es wichtig, dass die Eltern dem Kind ihr Interesse

und ihre Liebe zeigen. Dies kann in Form von körperlichem Kontakt durch Streicheln,

Schmusen, Umarmen, Küssen, Massieren, Kitzeln oder Toben geschehen, wobei natürlich

immer sensibel auf die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Kindes zu achten ist.

Insbesondere in den ersten Lebensjahren dient dieser enge Kontakt zu den Eltern dem

Aufbau einer sicheren Bindung. Auch später in der Entwicklung profitiert das Kind von einem

liebevollen Umgang, da es so lernt, Zuwendung anzunehmen und auch anderen Zuneigung

zu zeigen (Dirscherl et Al. 2011, 11).

Förderung von wünschenswertem Verhalten

Triple P geht von der Tatsache aus, dass durch die Verstärkung von Verhaltensweisen die

Wahrscheinlichkeit dafür erhöht wird, diese häufiger zu zeigen. Es liegt daher an den Eltern,

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zur Förderung von wünschenswerten Verhaltensweisen positiv auf das Kind einzuwirken,

wobei folgenden Handlungsempfehlungen gegeben werden (Dirscherl et Al. 2011, 9).

Das Kind loben

Die meisten Menschen empfinden es als sehr angenehm, gelobt zu werden. Mit Lob kann

das Einverständnis in bestimmte Verhaltensweisen gegeben werden, es kann ausgedrückt

werden, dass bestimmte Verhaltensweisen erwünscht sind und gern erneut gezeigt werden

dürfen. Eltern sollten ihr Kind daher loben, wenn es sich sozial erwünscht verhält.

Ein erwünschtes Verhalten kann besonders effektiv durch „beschreibendes, begeistertes und

ernst gemeintes Lob“ bestärkt werden (ebd.). Durch eine präzische Nennung lobenswerten

Verhaltens wird dem Kind unmissverständlich mitgeteilt, worauf sich der soziale Verstärker

Lob bezieht, außerdem wird zwischen der Person des Kindes und seinem Verhalten differen-

ziert. Die ‚Begeisterung‘ kann als Substanz des Lobes gesehen werden, die dem Kind die

Freude der Eltern über das erwünschte Verhalten offenbart. Ernst gemeint sein sollte ein Lob,

da ein nicht ernst gemeintes Lob sich vermutlich durch nonverbale Signale der oder des

Lobenden verrät, die vom Kind wahrgenommen werden und zu Irritationen führen können

(Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 34).

Dem Kind Aufmerksamkeit schenken

Es kann auch bereits als Verstärker für ein Verhalten dienen, wenn Eltern dem Kind Auf-

merksamkeit schenken, was beispielsweise durch Zusehen, Lächeln, Winken oder Berührun-

gen erfolgen kann (Dirscherl et Al. 2011, 9). Aufmerksamkeit kann auch dann zur Verstär-

kung eines Verhaltens geeignet sein, wenn Lob unangemessen wäre, weil es das Kind

beispielsweise vor anderen Kindern in eine peinliche Situation bringen würde (Fuchs 2011,

38).

Interessante, altersangemessene Beschäftigungen ermöglichen

Sowohl drinnen als auch draußen sollten interessante Beschäftigungsmöglichkeiten vorhan-

den sein, sodass das Kind sich selbstständig beschäftigen und seine Umwelt erkunden kann.

Das Kind wird dadurch in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung gefordert. Langewei-

le und daraus resultierende Verhaltensschwierigkeiten werden vermieden. Triple P betont,

dass die Beschäftigungsmöglichkeiten nicht teuer sein müssen (Markie-Dadds, Sanders und

Turner 2013, 35).

Beibringen neuer Fertigkeiten und Verhaltensweisen

Viele Verhaltensweisen erwerben Kinder durch Erwachsene oder mit Hilfe von diesen. Triple

P zeigt daher Möglichkeiten auf, wie Eltern ihren Kindern im Alltag gezielt Wissen, Kompe-

tenzen und Verhaltensmöglichkeiten vermitteln können.

41

Ein gutes Vorbild sein

Verhaltensweisen der Eltern können vom Kind durch Zusehen und Nachahmung erworben

werden. Um dies zu erleichtern können Eltern dem Kind beschreiben, was sie tun, während

dieses zusieht und anschließend das Verhalten imitiert. Bei Bedarf können die Eltern dem

Kind Hilfestellung bei der Ausführung des Verhaltens geben und im Anschluss dazu ermuti-

gen, das Verhalten noch einmal ohne Hilfestellung zu erproben. Sowohl die gelungene

Nachahmung des Verhaltens als auch jeder Versuch sollten gelobt werden.

Wichtig ist, dass Eltern sich selbst ebenfalls an die Verhaltenserwartungen halten, die sie an

das Kind stellen, um ein gutes Vorbild zu sein. Nicht erwartet werden kann vom Kind, dass es

sich an Regeln hält, die nicht für alle in der Familie gelten (Markie-Dadds, Sanders und

Turner 2013, 35).

Beiläufiges Lernen

Ein sehr wirksamer Moment für das Erlernen neuer Verhaltensweisen tritt auf, wenn Kinder

sich an Eltern wenden, um Fragen zu stellen, Hilfe zu erhalten oder Aufmerksamkeit zu

bekommen. In solchen Situationen sind Kinder sehr aufgeschlossen und motiviert, wodurch

sehr effektiv neue Lernerfahrungen angestoßen werden können. Anstatt dem Kind die

Lösung oder Antwort zu präsentieren kann es sinnvoll sein, dem Kind Hilfestellung zu geben,

sodass es die Frage oder das Problem selbst lösen kann (Dirscherl et Al. 2011, 11).

Fragen-Sagen-Tun

Besonders beim Erlernen komplexer Handlungsabläufe wie beim Zähneputzen oder dem

Umgang mit Freunden in Konfliktsituationen haben Kinder manchmal Schwierigkeiten.

Nützlich ist es dabei, den zu erlernenden Handlungsablauf in Teilschritte zu zerlegen.

Dazu fragt der Elternteil das Kind zunächst nach dem ersten Schritt (ebd., 12) z.B. „Was ist

das Erste, was du tun kannst, wenn du deine Zähne putzen willst?“

Weiß das Kind die Antwort nicht, bekommt es diese vorgegeben. Anschließend wird es zur

Ausführung der Handlung angeleitet und erhält bei Bedarf eine Hilfestellung. Wichtig ist bei

diesem Vorgehen, dass das Kind nur so weit dies nötig ist Unterstützung erhält und für jeden

Handlungsschritt gelobt wird (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 36).

Anwendung von Punktekarten

Für manche Verhaltensweisen oder Aufgaben sind Kinder nur schwer zu motivieren. In

solchen Fällen kann eine Punktekarte zum Einsatz kommen. Zunächst hält der Elternteil das

erwünschte Verhalten in einer positiven Formulierung fest und bespricht dieses mit dem Kind.

Anschließend wird eine Punktekarte erstellt, auf der das Kind jedes Mal einen Smiley oder

Ähnliches erhält, wenn es das erwünschte Verhalten zeigt. Mit dem Kind wird außerdem

vereinbart, dass es sich durch das Ansammeln einer gewissen Menge an Smileys eine

42

Belohnung verdienen kann. Bei der Belohnung kann es sich um eine gemeinsame Aktivität,

Spielzeug oder Süßigkeiten handeln. Wichtig ist, dass die Belohnung für das Kind einen

Anreiz darstellt. Auch bei Nichteinhalten des erwünschten Verhaltens werden keine Smileys

von der Punktekarte entfernt oder gar traurige Smiley geklebt (Markie-Dadds, Sanders und

Turner 2013, 40-41).

Umgang mit Problemverhalten

Kindliches Problemverhalten ist ein häufiger Grund für die Teilnahme von Eltern an Triple P.

In dem Programm werden daher 7 Methoden erläutert, mit denen unerwünschtem Verhalten

des Kindes entgegengewirkt werden kann (Fuchs 2011, 42). Die Methoden sind an den

Entwicklungsstand des Kindes angepasst und ihre jeweilige Anwendung daher oft auf eine

bestimmte Altersspanne zugeschnitten.

Familienregeln aufstellen (3 - 12 Jahre)

Im Umgang mit Problemverhalten gilt es als grundlegend, klare Familienregeln zu formulie-

ren. Dem Kind wird dadurch klar, was von ihm erwartet wird, es lernt, die zu akzeptieren und

bei Regelverstößen mit Konsequenzen rechnen zu müssen (Dirscherl et Al. 2011, 13).

Familienregeln sollten gerecht und für das Kind nachvollziehbar sein. Bei der Beschreibung

ist auf eine positive Formulierung zu achten, also ‚Wir bleiben während des Essens am Tisch

sitzen‘ anstatt ‚Wir stehen während des Essens nicht auf‘. Es sollten außerdem nur wenige

Regeln sein, die leicht zu befolgen sind. Das Aufstellen der Familienregeln kann im Rahmen

einer Familiensitzung erfolgen, bei der auch das Kind in die Entscheidungen miteinbezogen

wird (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 48).

Unerwünschtes Verhalten direkt ansprechen (3 - 12 Jahre)

Wenn das Kind eine Familienregel vergisst oder diese bewusst missachtet, ist es sinnvoll,

dies sofort anzusprechen. Wichtig ist es dabei, die Aufmerksamkeit des Kindes zu erlangen

und diesem anschließend zu erklären, welches seiner Verhaltensweisen als unerwünscht

gesehen wird und wieso dies der Fall ist. Anschließend soll der Elternteil das Kind bitten, die

Regel zu wiederholen. Hat das Kind die Regel vergessen, soll diese dem Kind erneut

mitgeteilt werden und es wird im Anschluss gebeten, das erwünschte Verhalten zu üben.

Kommt das Kind dieser Bitte nach, wird es für sein Verhalten gelobt. Weigert es sich, die

Regel zu befolgen, wird eine Stille Zeit angewendet (ebd., 49).

Leichtes Problemverhalten bewusst ignorieren (1 - 7 Jahre)

Kinder zeigen manchmal Fehlverhalten, weil sie sich dadurch die Aufmerksamkeit der Eltern

erhoffen. Geringfügiges Fehlverhalten wie Quengeln, oder Grimassenschneiden sollte daher

nicht beachtet werden. Wichtig es dabei, das Kind nicht anzuschauen oder mit ihm zu

sprechen und dabei eine ruhige Körpersprache zu behalten. Es ist möglich, dass das Kind

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daraufhin sein Verhalten intensiviert, um sein Ziel, die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekom-

men, zu erreichen. Das Verhalten des Kindes sollte daher weiter ignoriert werden, wobei der

Elternteil sich bei Bedarf auch umdrehen und weggehen kann. Beendet das Kind das

Fehlverhalten, sollte dies gelobt werden. Nicht geeignet ist diese Methode jedoch bei

schwerwiegendem Fehlverhalten, bei dem andere Personen geschädigt oder Gegenstände

zerstört werden. Hier ist ein sofortiges und entschiedenes Einschreiten der Eltern angebracht

(Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 49).

Klare, ruhige Anweisungen geben (2 - 12 Jahre)

Wichtig ist bei Anweisungen, dass diese ins Bewusstsein des Kindes gelangen und von dem

Kind als solche Verstanden werden. Schwierigkeiten können beispielsweise auftreten, wenn

Anweisungen aus großer Entfernung gegeben werden. Eltern sollten daher zunächst eine

Verbindung zum Kind herstellen. Dafür kann es sinnvoll sein, die eigene Tätigkeit zu unter-

brechen, das Kind mit Namen anzusprechen und nah an das Kind, möglichst auf Augenhöhe,

heranzugehen. Nachdem das Kind nun aufmerksam ist, formuliert der Elternteil konkret, was

vom Kind erwartet wird (Fuchs 2011, 45). Soll das Kind mit einem Verhalten aufhören ist es

sinnvoll, dem Kind zu sagen, was es stattdessen tun soll. Kommt das Kind der Aufforderung

nicht nach, sollte der Elternteil eine Konsequenz folgen lassen (Markie-Dadds, Sanders und

Turner 2013, 49-50).

Logische Konsequenzen (2 - 12 Jahre)

Logische Konsequenzen sind bei leichtem, nur gelegentlich auftretendem Fehlverhalten

sinnvoll. Im Gegensatz zur Strafe steht die Konsequenz in einem direkten Zusammenhang

mit dem Fehlverhalten, sodass das Kind die Konsequenz auf das eigene Verhalten zurück-

führen kann (Dirscherl et Al. 2011, 13). Als Beispiele für logische Konsequenzen werden das

Entfernen von Gegenständen oder das Beenden von Aktivitäten genannt, die Auslöser für

das Fehlverhalten sind (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 53). So kann ein Spielzeug

weggenommen werden oder ein Spiel beendet werden, wenn dabei unerwünschtes Verhalten

auftritt (Fuchs 2011, 46).

Beim Anwenden einer logischen Konsequenz sollte der Elternteil seine Tätigkeit unterbre-

chen, dem Kind ruhig aber bestimmt erklären, wieso der Gegenstand entfernt oder die

Aktivität beendet wird und sich nicht auf Diskussionen einlassen. Dem Kind sollte mitgeteilt

werden, für welchen Zeitraum die Konsequenz aufrechterhalten wird, wobei eine Dauer von

5-30 Minuten am effektivsten ist. Nach der vereinbarten Zeit sollte die Konsequenz beendet

werden, sodass das Kind die Chance erhält, unter den gleichen Bedingungen ein angemes-

senes Verhalten zu erlernen. Bei erneutem Auftreten des Fehlverhaltens innerhalb einer

Stunde kann die logische Konsequenz für einen längeren Zeitraum aufrechterhalten oder

eine Stille Zeit oder Auszeit angewendet werden (Dirscherl et Al. 2011, 13)

44

Stille Zeit (18 Monate - 10 Jahre)

Die Stille Zeit ist eine Verhaltenskonsequenz, bei der das Kind seine Aktivität, in der das

Fehlverhalten auftritt, unterbrechen und sich an einem vorher festgelegten Ort für eine

bestimmte Zeitspanne ruhig verhalten muss, bevor es mit seiner Aktivität fortfahren darf

(Dirscherl et Al. 2011, 13). Sinnvoll ist die Stille Zeit, wenn das Kind der Aufforderung, ein

Fehlverhalten zu unterlassen und ein anderes Verhalten zu zeigen, nicht nachkommt oder

wenn ein Fehlverhalten nach einer logischen Konsequenz zeitnah erneut auftritt (Fuchs 2011,

47).

Das genaue Vorgehen der Stillen Zeit sollte in einer ‚ruhigen‘ Minute mit dem Kind detailliert

besprochen werden. Dabei wird ein Ort besprochen z.B. ein Stuhl im gleichen Raum oder ein

Laufstall für ein kleineres Kind, es wird erklärt, wozu die Stille Zeit dient und welche Regeln

dabei zum Tragen kommen. Außerdem wird eine Dauer für die Stille Zeit festgelegt (ebd.).

Angemessen sind „eine Minute bei zweijährigen Kindern, zwei Minuten bei drei- bis fünfjähri-

gen und fünf Minuten bei fünf- bis zehnjährigen Kindern“ (Markie-Dadds, Sanders und Turner

2013, 55). Um dem Kind das Vorgehen zu demonstrieren können Eltern sich auch selbst

einmal an den für die Stille Zeit vereinbarten Ort setzen (Fuchs 2011, 47).

Bei der Anwendung der Stillen Zeit erklärt der Elternteil dem Kind ruhig und bestimmt, worin

das Fehlverhalten lag und dass es dafür für eine gewisse Zeit in die Stille Zeit muss. Weigert

sich das Kind, wird es vom Elternteil an den vereinbarten Ort getragen. Dabei lässt der

Elternteil sich auf keine Diskussion ein und geht nicht auf das Quengeln des Kindes ein. Dem

Kind wird nun erneut erklärt, dass es sich in der Stillen Zeit über einen gewissen Zeitraum

ruhig verhalten muss. Verhält das Kind sich nicht ruhig, kommt es in die Auszeit. Während

der Stillen Zeit lassen die Eltern dem Kind keinerlei Aufmerksamkeit zukommen (Markie-

Dadds, Sanders und Turner 2013, 55). Durch die Stille Zeit kann das Kind „Selbstkontrolle

und einen angemessenen Ausdruck negativer Emotionen wie z.B. Enttäuschung oder Wut“

erlernen (Dirscherl et Al. 2011, 13). Nach der Stillen Zeit wird nicht weiter über den Vorfall

gesprochen und das Kind darf wieder seiner Aktivität nachgehen. Zeigt es nun das erwünsch-

te Verhalten, wird es gelobt. Tritt das Fehlverhalten erneut auf, wird die Stille Zeit wiederholt

(Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 56).

Auszeit (2 - 12 Jahre)

Die Auszeit entspricht in ihrem Ablauf der Stillen Zeit, jedoch mit dem Unterschied, dass das

Kind bei der Auszeit in einen anderen Raum gebracht wird. Dieser sollte möglichst uninteres-

sant sein, damit das Kind die Auszeit nicht als Belohnung empfindet. Der Raum sollte jedoch

hell, gut belüftet und sicher sein, damit das Kind keine Angst bekommt oder sich verletzt.

Sinnvoll ist die Auszeit, wenn das Kind schwerwiegendes Fehlverhalten wie beispielsweise

45

Wutanfälle oder Gewalt zeigt oder das Fehlverhalten durch die Anwendung der Stillen Zeit

nicht gestoppt werden kann (Markie-Dadds, Sanders und Turner 2013, 55-56).

Durch die Auszeit wird das Kind aus der Problemsituation herausgenommen, durch das

Alleinsein und die reizarme Umgebung kann es sich beruhigen und lernen, seine Emotionen

zu regulieren. Gleichzeitig wird dem Elternteil eine kurze Trennung vom Kind ermöglicht, in

der auch der Elternteil sich beruhigen kann, sodass eine Eskalation durch verbale oder

physische Gewalt vermieden wird (ebd.).

Wie bei der Stillen Zeit wird auch das Vorgehen bei der Auszeit in einer ruhigen Minute mit

dem Kind besprochen. Dadurch wird dem Kind klar gemacht, dass die Auszeit keine willkürli-

che Handlung der Eltern ist, sondern es selbst durch sein Verhalten dafür verantwortlich dafür

ist, ob eine Auszeit nötig wird und durch das sich beruhigen Einfluss darauf hat, wie lange die

Auszeit dauert (Dirscherl et Al. 2011, 15).

Die Türe sollte in der Regel während der Auszeit geöffnet bleiben, wobei jegliches Quengeln

des Kindes ignoriert werden sollte, um dieses nicht zu belohnen. Verlässt das Kind vor Ende

der Auszeit den Raum, sollte der Elternteil das Kind zurück in den Raum bringen. Tritt dies

öfter auf, kann die Tür auch verschlossen werden, um so weitere Konflikte zwischen Kind und

Elternteil zu vermeiden (ebd., 14). Wichtig ist bei der Auszeit, die Person und das Verhalten

des Kindes zu trennen. Die Auszeit ist eine Folge des Verhaltens des Kindes. Nach der

Auszeit sollten Eltern das Kind nicht weiter mit Gesprächen über das Problemthema belasten,

sondern möglichst schnell wieder eine positive Interaktion herstellen und dem Kind so das

Gefühl vermitteln, als Person unabhängig vom Verhalten, geliebt zu werden (ebd., 15).

Eltern sollten Buch darüber führen, wie häufig die Auszeit angewendet wird und wie lange

das Kind benötigt, um sich zu beruhigen. Sollte zwei Wochen nach Einführung der Auszeit

keine Besserung des Verhaltens eingetreten sein, rät Triple P den Eltern dazu, professionelle

Hilfe in Anspruch zu nehmen (Fuchs 2011, 49).

Nach dieser ausführlichen Darstellung der Inhalte von Triple P stellt sich nun die Frage, wie

diese in die Praxis umgesetzt werden. Das nächste Kapitel wird sich daher mit der Ausbil-

dung zum Triple P-Anbieter und der Finanzierung der Angebote beschäftigen.

5.4 Ausbildung zum Triple P-Anbieter und Finanzierung der Angebote

In Deutschland gibt es ca. 1650 Triple P-Anbieterinnen und Anbieter. Diese arbeiten in

verschiedenen Einrichtungen oder bieten in selbstständiger Tätigkeit Triple P Beratungen

oder Kurse an (Fuchs 2011, 128). Nur Fachkräfte wie beispielsweise Erzieher/innen, Kinder-

ärzt/innen, Lehrer/innen, Psycholog/innen und Sozialpädagog/innen können sich zur Triple P-

Anbieterin / zum Triple P-Anbieter ausbilden lassen (Dirscherl, Obermann und Hahlweg 2006,

57). Zusätzlich müssen sie eine Akkreditierung nach internationalen Standards durchlaufen.

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Dies dient zur Gewährleistung einer hohen Qualität des Programms und zur korrekten

Umsetzung in die Praxis. Weiter sorgt es dafür, dass Triple P ein klares Profil behält und stellt

sicher, dass die „Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Anbietern im

Erziehungs- und Gesundheitswesen optimal verläuft“ (Triple P 2018b).

Um die Akkreditierung zu erhalten müssen die Teilnehmerinnen / Teilnehmer einen dreiein-

halb-tägigen Kurs z.B. ‚Triple P-Gruppentraining‘ oder ‚Triple P-Einzeltraining‘ durchlaufen

und einen theoretischen sowie einen praktischen Teil bestehen. Der theoretische Teil

beinhaltet Multiple-Choice-Fragen und wird bereits vor dem Kurs absolviert. Der praktische

Teil findet ca. 6-8 Wochen nach dem Seminar in Kleingruppen statt. Jede Teilnehmerin /

jeder Teilnehmer zeigt dabei einen Ausschnitt des von ihr / ihm erlernten Triple P-Angebotes

und erhält Feedback. Dies bietet die Möglichkeit, Erlerntes umzusetzen und unter fachlicher

Anleitung ein Feintuning vorzunehmen (Triple P 2018b). Nach Erhalt der Akkreditierung

können die Triple P-Anbieterinnen / Anbieter mit ihren neu erworbenen Kenntnissen und

Methoden eigenständig Beratungen oder Kurse anbieten. Bei der Ausgestaltung des

Angebotes sind sie jedoch inhaltlich an das Triple P-Programm gebunden (Fuchs 2011, 128).

Die Kosten für die Ausbildung zur Triple P Anbieterin / zum Triple P-Anbieter sind der Triple P

Webseite zu entnehmen. Sie belaufen sich beispielsweise für das Triple P-Gruppentraining

oder -Einzeltraining auf 1065€. In dem Kurs erhalten die neuen Triple P-Anbieterinnen und

Anbieter Materialien zur Anwendung in der praktischen Arbeit wie beispielsweise ein Trai-

nermanual, eine CD-ROM mit Elternkursfolien und ein Triple P-Gruppenarbeitsbuch (Triple P

2018c).

Eine Akkreditierung ist immer für fünf Jahre gültig und muss dann aufgefrischt werden, was

durch die Teilnahme an einem Tagesseminar für 199€ oder durch ein „Update-Telefonat mit

individueller Absprache“ für 99€ erfolgen kann (Triple P 2018b).

Wie teuer ein Triple P-Kurs für Eltern ist, hängt davon ab, ob die Kursleiterin / der Kursleiter

den Kurs selbstständig, in Kooperation mit anderen Trägern oder in Festanstellung bei einer

Einrichtung erbringt, dementsprechend entstehen den Eltern Kosten in Höhe von 0-200€. In

manchen Fällen werden die Kurskosten von Jugendämtern oder Krankenkassen übernom-

men, was jedoch nicht der Regelfall ist (Fuchs 2011, 128).

6. Kritische Auseinandersetzung mit Triple P

Triple P hat zweifellos große Erfolge zu verbuchen, was auf die in Kapitel 5.3.1 dargestellte

Ausrichtung an wissenschaftlichen Methoden, die klare Strukturierung des Programmes und

die klaren Handlungsanweisungen an Eltern zurückzuführen sein könnte. Doch eben diese

Ausrichtung hat in akademischen Kreisen, auf Internetseiten und in Internetforen für Kritik

gesorgt, wobei das Menschenbild sowie einige Methoden hinterfragt wurden.

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Im folgenden Kapitel werden Kritikpunkte bezüglich des Triple P-Programmes aufgegriffen.

Als Basis dafür wird die ‚Kritische Stellungnahme zum Triple P‘ von Günther Deegener und

Klaus Hurrelmann verwendet. Aber auch die Argumente der Befürworter von Triple P werden

dargelegt. Dies wird auf Basis der ‚Erwiderung zur kritischen Stellungnahme zu Triple P‘ von

Kurt Hahlweg und Yvonne Miller und der Fachliteratur erfolgen.

6.1 Kritikpunkt: Problematisierung von altersangemessenem Verhalten

In den Triple P-Materialien werden bestimmte Verhaltensweisen als ‚Probleme‘ bezeichnet.

Dies ist beispielsweise in dem Kleinen Helfer für Kinder unter 5 Jahre zum Thema Schlaf-

probleme der Fall, in dem „Trödeln, nicht ins Bett wollen, im Bett weinen, mitten in der Nacht

aufwachen, aus dem Bett klettern (und) bei den Eltern schlafen wollen“ als Probleme

aufgeführt wurden (Deegener und Hurrelmann 2002, 16). Deegener und Hurrelmann stören

sich an einer solchen Bezeichnung. Sie sind der Ansicht, dass die aufgezählten Verhaltens-

weisen besonders bei kleineren Kindern „der Reife und Entwicklung […] entsprechen und

somit nicht generell als ‚Probleme‘ bezeichnet werden sollten“ (ebd., 21). Wenn Eltern

Verhaltensweisen bereits bei sehr kleinen Kindern als Probleme bewerteten, werde vermut-

lich kein gelassener Umgang mit Verhaltensweisen der Kinder in späteren Altersstufen

ermöglicht. Eltern sollten daher bei kleineren Kindern weniger streng sein und sich auf

Kompromisse einlassen z. B. dass das Kind doch noch länger aufbleiben oder nachts auch

mal in das Bett der Eltern kommen darf (ebd., 22-23, 27).

Der Gedankengang von Deegener und Hurrelmann ist meiner Ansicht nach durchaus

interessant, denn die Einstufung eines Verhaltens als ‚Problem‘ im Sinne einer Verhaltensauf-

fälligkeit benennt die normative Abweichung eines Verhaltens von einem Soll-Zustand

(Metzinger 2005, 15) und impliziert damit eine dem Verhalten angemessene Intervention.

Eine missbräuchliche Etikettierung ‚normaler‘ Verhaltensweisen als Problem könnte daher

dazu dienen, für die tatsächliche Situation unpassende Interventionen zu legitimieren.

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Schermer (2011, 143). Er betont, dass die normative

Sicht, auf der die Einstufung des Verhaltens als ‚auffällig‘ erfolgt, offengelegt werden muss,

um Missbrauch zu verhindern. Dabei nennt er drei Legitimationsquellen für die Einordnung

eines Verhaltens als problematisch:

1. Die Sichtweise des Subjekts, das sein Verhalten als problematisch definiert

2. Die soziale Sicht, bei der ein Verhalten aufgrund sozialer oder gesellschaftlicher Normen

oder Konventionen als problematisch definiert wird

3. Die statistische Sicht, „bei der ein Verhalten infolge der sehr niedrigen Auftretenswahr-

scheinlichkeit in einer Population als abweichend gesehen wird“ (ebd.)

48

Um den Vorwurf einer ‚Problematisierung‘ kindlichen Verhaltens und die Gegenargumente

besser zu verstehen, sollen diese anhand dieser drei Kategorien näher untersucht werden.

Deegener und Hurrelmann führen aus: „Wenn, wie behauptet, ein Drittel aller Kinder unter

fünf Jahren Probleme beim Schlafen und Schlafengehen haben, so ist zu diskutieren, in

wieweit die genannten Verhaltensweisen wie Trödeln, nicht ins Bett gehen wollen, […] aus

dem Bett klettern und bei den Eltern schlafen wollen noch als ‚normal‘ für diese Altersstufe

angesehen werden können oder aber bereits als Probleme bezeichnet/etikettiert werden

müssen“ (2002, 21). Sie argumentieren dabei aus der statistischen Sicht, in dem sie aus der

hohen Auftretenswahrscheinlichkeit der genannten Verhaltensweisen schließen, dass es sich

nicht generell um Probleme handeln könne.

Hahlweg und Miller betonen dagegen mehr die Sichtweise des Subjekts, in diesem Fall also

der Eltern. Sie stellen zunächst klar, dass es sich bei den in dem Kleinen Helfer genannten

Verhaltensweisen um die häufigsten Schwierigkeiten handelt, „die Eltern für die jeweilige

Altersstufe berichten“ (2002, 14). Triple richte sich an diese Eltern, für die kindliche Schlafge-

wohnheiten eine psychische und physische Belastung darstellten und die das Recht auf

Veränderung hätten. Und natürlich bleibe es Eltern, die die genannten Verhaltensweisen

nicht als belastend empfinden, überlassen, diese beizubehalten (ebd.).

Weiter erläutern Hahlweg und Miller das Prinzip der Selbstregulation, das als Grundprinzip

des verhaltenstherapeutischen Ansatzes zählt und damit auch Basis für Triple P ist. Nach

diesem sollten Eltern dazu befähigt werden, „ihre Erziehungsziele aus eigener Kraft zu

erreichen und mögliche Schwierigkeiten ohne fremde Hilfe bewältigen zu können“ (ebd., 13).

Dies bedeute, dass Eltern selbst entscheiden, was sie als Problem definieren, was ihre

Erziehungsziele sind und es ihnen überlassen bleibe, ob sie dabei die Unterstützung von

Triple P in Anspruch nehmen (ebd., 13).

Deutlich wird zunächst, dass die Kritiker und Befürworter von Triple P auf verschiedenen

Ebenen argumentieren. Zu hinterfragen ist dabei meiner Ansicht nach, inwieweit die von

Deegener und Hurrelmann angeführte statistische Auftretenshäufigkeit tatsächlich dazu

geeignet ist, eine von Familien möglicherweise als belastend empfundene Situation als

‚normal‘ einzuordnen. Schließlich ist es auch denkbar, dass eine für Familien belastende

Situation durch tradierte fehlerhafte Erziehungspraktiken entsteht, aufrechterhalten und

verfestigt wird. Denkt man die Argumentation von Deegener und Hurrelmann zu Ende,

dürften die daraus resultierenden Belastungen aufgrund ihres häufigen Auftretens nicht als

‚problematisch‘ aufgeführt werden. Deshalb ist die Argumentation von Deegener und

Hurrelmann meiner Ansicht nach sehr einseitig und es sollten auch andere Aspekte miteinbe-

zogen werden. Für schlüssiger halte ich daher die Argumentation von Hahlweg und Miller, da

49

sie wie oben ausgeführt gezielt auf die subjektive Bewertung der Situation durch die Eltern

eingehen.

Bezogen auf das von Deegener und Hurrelmann kritisierte Wort ‚Problem‘ ist außerdem

anzumerken, dass Triple P, vermutlich um einer solchen Kritik den Wind aus dem Segeln zu

nehmen, den genannten kleinen Helfer ‚Schlafprobleme‘ überarbeitet hat und nun von

„Schwierigkeiten beim Zubettgehen‘ die Rede ist (Triple P a, 1). Meiner Ansicht nach ist der

Begriff „Schwierigkeit“ weniger normativ zu interpretieren, sondern betont mehr das subjekti-

ve Empfinden der Eltern und schafft somit mehr Klarheit.

Entgegen den freiwilligen Handlungsvorschlägen von Triple werden in den weiteren Ausfüh-

rungen von Deegener und Hurrelmann meiner Ansicht nach auch normative Aussagen

bezüglich des Elternverhaltens gemacht, ohne dabei die mögliche Belastungssituation der

Eltern angemessen einzubeziehen. So warnen Deegener und Hurrelmann beispielsweise

davor, dass Eltern „sich zu früh und zu zeitlich ausgedehnt und zu konsequent ‚Ruhe‘

verschaffen“ könnten (2002, 23). Außerdem wird den Eltern in dem von Deegener und

Hurrelmann zitierten Elternbrief Nr. 20 geraten, kein Drama „aus den nächtlichen Besuchen,

wie aus allen anderen Schlafproblemen“, zu machen. Anstatt dessen sollten die Eltern das

Kind, das trotz guten Zuredens nachts aus dem Bett aufsteht, eine Weile in ihrem Bett liegen

lassen und es dann wieder in sein Bett zurückschicken (ebd., 27). Anstatt wie Triple P die

Nöte der Eltern ernst zu nehmen, werden diese hier nur bagatellisiert (kein Drama machen)

und anstatt konkret wirksame Lösungsmöglichkeiten anzubieten, wird den Eltern klar

gemacht, dass sie das kindliche Verhalten eben über sich ergehen lassen sollen. Ein solches

Vorgehen, das den Eltern kaum Handlungsspielraum lässt und deren Bedürfnisse übergeht,

halte ich für höchst fragwürdig und es provoziert meiner Ansicht nach auch, dass verzweifelte

Eltern die Nerven verlieren und zu fragwürdigen Erziehungspraktiken greifen.

6.2 Kritikpunkt: Beziehungslose, dressurmäßige Erziehungshaltung

Bereits bei den zu Beginn des Triple P-Programmes erläuterten ‚Anregungen zur Stärkung

der Beziehung zum Kind‘ ist für Deegener und Hurrelmann eine „Gefahr erkennbar, dass

grundsätzlich begrüßenswerte Inhalte leicht in das Gegenteil umkippen können und dann

rigide, beziehungslose, dressurmäßige Erziehungshaltungen begünstigen können“ (2002,

10). Inhalte des Kapitels sind beispielsweise „Zuneigung zeigen, Loben, ein gutes Vorbild

sein, Fragen-Sagen-Tun, Punktekarten“ (siehe Kapitel 5.3.2). Näher darauf eingegangen

oder untermauert wird die Kritik von Deegener und Hurrelmann nicht, was eine Gegendarstel-

lung erschwert. Vielmehr entsteht das Bild, dass Deegener und Hurrelmann hier auf Basis

eines persönlichen Eindruckes mit einem Satz ein vernichtendes Urteil über diesen Teil des

50

Triple P-Programmes fällen, ohne durch eine Konkretisierung der Kritik die Basis für eine

konstruktive Diskussion zu schaffen.

Konkretisiert wird die Kritik einer „rigiden, dressurmäßigen, kochbuchhaften Erziehung“ von

Deegener und Hurrelmann jedoch an anderer Stelle, an der Anleitung von Triple P zu einem

konsequenten Erziehungsverhalten. Außerdem werden selektiv einige Passagen wörtlich zu

‚Familienregeln‘ ‚logischen Konsequenzen‘ und dem ‚stillen Stuhl‘ zitiert (2002, 7). Auch wenn

die Zitate wörtlich entnommen sind, könnte beim Leser der Eindruck entstehen, dass Triple P

sich in der Erziehung in erster Linie auf unumstößliche Regeln, ein kompromissloses

Vorgehen und eine stupide Anwendung von Verhaltenskonsequenzen stützt.

In ihrer ‚Erwiderung zur kritischen Stellungnahme‘ greifen Hahlweg und Miller diese Zitate

erneut auf und ergänzen Vorbemerkungen sowie weitere Erläuterungen zu den Zitaten aus

der zitierten Broschüre ‚Positive Erziehung‘ (2002, 18-20). Anders als von Deegener und

Hurrelmann dargestellt, rücken bei dieser vollständigen Darstellung der Erziehungsempfeh-

lungen auch andere Aspekte in den Vordergrund. Beispielsweise wird zusätzlich erläutert,

unter welchen Umständen Verhaltenskonsequenzen überhaupt angemessen sind. Es wird

Eltern geraten, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, um eine Eskalation zu vermeiden,

Verhaltensregeln nach einer Verhaltenskonsequenz noch einmal mit dem Kind zu bespre-

chen und das Kind nach einer Verhaltenskonsequenz für angemessenes Verhalten zu loben.

Für Hahlweg und Miller entsteht somit der Eindruck, dass Deegener und Hurrelmann gezielt

Aussagen zitierten, „welche teilweise durch den fehlenden Zusammenhang und die fehlenden

Erklärungen technisch wirken“ und so die Ansicht der Autoren bestätigen sollen (ebd.).

Durch verschiedene Erziehungsempfehlungen in den Kleinen Helfern entsteht für Deegener

und Hurrelmann der Eindruck, dass Regeln in erster Linie von den Eltern aufgestellt, dem

Kind mitgeteilt werden und dieses die Regeln dann wissen und umsetzen muss, wodurch die

Beziehung sehr auf Anpassung und Gehorsam ausgerichtet sei (2002, 37-38). Vernachlässigt

werde dagegen die „demokratische und humane Dimension in der Erziehung“, die sich ihrer

Meinung nach mehr durch eine verständnisvolle Beziehung und einer Möglichkeit des Kindes

zur Mitgestaltung und zum Aushandeln“ kennzeichne (ebd.). Ihrer Meinung nach vernachläs-

sige Triple P in seinen Erziehungsempfehlungen situative Gegebenheiten, psychische

Prozesse bei Kind und Eltern und die Beziehungsebene zwischen Eltern und Kind (ebd., 25).

Triple P gehe beispielsweise nicht darauf ein, dass Eltern beim Zubettgehen dem Kind ihre

„Bitten, Forderungen und Konsequenzen“ altersentsprechend begründen oder beim Weinen

des Kindes den Grund erfragen und das Kind trösten sollen. Thematisiert werde auch nicht,

dass besonders kleinere Kinder unter Verlassenheits-, Verlust- und Trennungsängsten leiden

können, wenn sie von den Eltern getrennt sind. Auch gehe Triple P nicht darauf ein, wie

51

Eltern vorgehen sollen, wenn ein Kind aufgrund psychosozialer Belastungen nachts nicht

durchschläft und häufig zu den Eltern kommt (Deegener und Hurrelmann 2002, 21-22).

Hahlweg und Miller verteidigen die konkreten Handlungsempfehlungen für Eltern in den Triple

P-Unterlagen und erläutern, dass diese eine Grundlage des verhaltenstherapeutischen

Ansatzes sind, der davon ausgeht, dass sich über eine Veränderung des Verhaltens von

Eltern auch deren Einstellungen und Erziehungshaltungen verändern lassen. Ausgangspunkt

seien damit alltägliche Schwierigkeiten und Probleme, die die Familien belasten. Triple P

biete in Form von Erziehungsempfehlungen, die möglichst konkret formuliert sein sollten,

praktische Lösungsvorschläge an und ermutige sie dadurch zu Veränderungen. So könnten

die Familien entlastet werden und es stelle sich innerhalb kurzer Zeit ein Erfolgserlebnis ein,

das die Bereitschaft für weitere Veränderungen bewirken könne. Die konkreten Handlungs-

empfehlungen sollten den Eltern als eine klare Orientierung dienen und ihnen Möglichkeiten

aufzeigen, wie sie Erziehungsschwierigkeiten bewältigen und ihre Kinder in ihrer Entwicklung

fördern können. Jedoch handele es sich dabei nicht um Anweisungen, sondern den Eltern

bleibe selbst überlassen, ob sie die Erziehungsempfehlungen umsetzen, sie nach ihren

Vorstellungen abwandeln oder andere Verhaltensweisen für geeignet halten (2002, 12-13).

Für fragwürdig halten es Deegener und Hurrelmann außerdem, dass Triple P Eltern in

verschiedenen Situationen dazu rät, ruhig zu bleiben und mit fester Stimme mit dem Kind zu

sprechen, also keine Emotionen zu zeigen. Sie stimmen Triple P zwar zu, dass Eltern vor

ihren Kindern nicht die Beherrschung verlieren sollten. Jedoch sind sie der Meinung, dass

Eltern dem Kind ihre Gefühle durchaus eindrücklich mitteilen könnten, wobei sie jedoch Ich-

Botschaften verwenden sollten. Durch diese emotionalen Mitteilungen lernten Kinder ihrer

Meinung nach, mit Konflikten und Spannungen umzugehen (2002, 38).

Eine Entgegnung auf diese Kritik liefern Hahlweg und Miller nicht. Es sind jedoch aus meiner

Sicht zweierlei Gründe dafür denkbar, in schwierigen Situationen als Elternteil ruhig zu

bleiben. Erstens erfolgt keine unabsichtliche Verstärkung eines aufmerksamkeitssuchenden

Verhaltens des Kindes (siehe Kapitel 4.3.2). Denn auch die von Deegener und Hurrelmann

vorgeschlagene Ich-Botschaft „Das macht mich verrückt“ enthält die implizite Botschaft, dass

das Kind durch sein Fehlverhalten die Aufmerksamkeit der Eltern erlangen und eine emotio-

nale Reaktion auslösen kann, was die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens erhöhen

könnte. Zweitens könnte sich das Kind an die emotionalen Reaktionen der Eltern gewöhnen

und dadurch weniger auf ruhige Anweisungen reagieren. Dies würde meiner Ansicht nach die

Gefahr bergen, dass Eltern ihren Anweisungen durch emotionale Äußerungen zunehmend

Nachdruck verleihen, was sich hochschaukeln und in eine Eskalationsfalle (siehe Kapitel

4.3.3) münden könnte. Weiter ist meiner Ansicht nach bei dieser Diskussion zu bedenken,

dass die Triple P Handlungsbeispiele vermutlich eher in ohnehin angespannten Erziehungssi-

52

tuationen, in denen Eltern zu emotionalen Ausbrüchen neigen, Anwendung finden. Insofern

könnte es durchaus sinnvoll sein, Eltern eher zur Ruhe und Besonnenheit aufzufordern.

6.3 Kritikpunkt: Fragwürdige und schädliche Erziehungsmethoden

Deegener und Hurrelmann sprechen davon, dass bezüglich der Erziehungsmethoden von

Triple P „ein extrem hoher Konsens der Ablehnung“ bestehe (2002, 43).

Schwierig ist diese Aussage, da die Autoren nicht weiter ausführen, unter welcher Personen-

gruppe dieser Konsens bestehen soll, wie sie zu der Ansicht gelangen, es würde ein Konsens

bestehen und auch nicht definieren, auf welche Erziehungsmethoden von Triple P sich die

Ablehnung genau bezieht.

Hahlweg und Miller versuchen dennoch, die Aussage zu widerlegen. Dazu führen sie

zunächst an, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen Triple P und anderen Elternprogrammen

gibt, auf die im Folgenden nicht näher eingegangen wird. Außerdem verweisen sie auf die

hohe Nachfrage nach Triple P bei Berater/innen und Therapeut/innen und auf Studien, die

eine hohe Zufriedenheit der Eltern mit dem Triple P-Programm belegen und zeigen damit,

dass keine konsensuale Ablehnung von Triple P besteht (2002, 10).

Weiter sehen Deegener und Hurrelmann durch die Erziehungsempfehlungen von Triple P die

Gefahr einer „Verstörung, Beunruhigung, Verängstigung des Kindes sowie der starken

Belastung der Beziehung zu den Eltern“ (2002, 24). Dies sei insbesondere bei dem von Triple

P empfohlen Vorgehen bei Problemen beim Zubettgehen der Fall. Hier werde nicht berück-

sichtigt, dass besonders kleinere Kinder unter Verlassenheits-, Verlust- und Trennungsängs-

ten leiden können. Es bestehe daher die Gefahr, dass sie einen Schaden erleiden, wenn

Eltern sie, wie von Triple P empfohlen, nach dem Zubettgehen mehrere Stunden weinen

lassen, ohne Zuwendung von den Eltern zu erhalten. Das Weinen des Kindes, wie von Triple

P beschrieben, beim Zubettgehen zu ignorieren, außer wenn das Kind Schmerzen hat oder

krank ist, lehnen sie daher entschieden ab (ebd.).

Durch ihre Darstellung unternehmen Deegener und Hurrelmann aus der Sicht von Hahlweg

und Miller den Versuch, Triple P Methoden als „ethisch bedenklich“ darzustellen (2002, 11).

Dem sei jedoch entgegenzusetzen, dass sich verschiedene Studien mit kognitiv-behavioralen

Elternprogrammen und auch konkret mit Triple P beschäftigt haben. Die angewendeten

Methoden wurden dabei von den zuständigen Kommissionen als „ethisch völlig unbedenklich

eingeschätzt“, was zeige, dass der Vorwurf nicht berechtigt ist (ebd.).

Als sehr problematisch sehen Deegener und Hurrelmann es auch, dass von Triple P empfoh-

len wird, die Tür mit einem Schlüssel oder einem untergeschobenen Besenstil von außen zu

verschließen, wenn das Kind nach dem Zubettgehen mehrmals das Zimmer verlässt oder

53

nicht ruhig ist und diese erst wieder geöffnet wird, wenn das Kind 2 Minuten ruhig war und

das Kind dadurch lernt, ruhig zu sein. Diese Methode sehen sie als zur schwarzen Pädagogik

zugehörig und lehnen sie ab. Sie unterstellen Triple P dabei, die Angst des Kindes vor der

verschlossenen Tür zu nutzen, um angepasstes Verhalten zu erzwingen (2002, 24-25).

Konkret zu der verschlossenen Tür und dem untergeschobenen Besenstil äußern sich

Hahlweg und Miller in ihrer Erwiderung nicht. Dies finde ich schade, da meiner Ansicht nach

diesbezüglich eine klare Positionierung wichtig gewesen wäre. Mittlerweile sind diese

Empfehlungen in dem kleinen Helfer ‚Schwierigkeiten beim Zubettgehen‘ nicht mehr zu finden

(Markie-Dadds, Turner und Sanders 2007, 3), was ein Indiz dafür sein könnte, dass Triple P

diese selbst als nicht mehr zeitgemäß angesehen und daher entfernt hat. Anstatt dessen rät

Triple P Eltern heute, ein Kind, das nach dem Zubettgehen mehrmals sein Zimmer verlässt,

immer wieder zurück ins Bett zu bringen. Zusätzlich wird Eltern, die Schwierigkeiten damit

haben, dies immer wieder ruhig zu tun, die Möglichkeit eröffnet, nach Absprache mit dem

Kind die Tür für 2 Minuten zuzumachen (ohne abschließen), bis das Kind sich beruhigt hat

und dann wieder zu öffnen (ebd.). Dieses Vorgehen entspricht einem funktionalen Verstärke-

rentzug (siehe Kapitel 3.3.2) und ist daher meiner Ansicht nach als unproblematisch zu

sehen.

Weitere Kritikpunkte an Triple P sind für Deegener und Hurrelmann die Erziehungsmethoden

Stiller Stuhl und Auszeit. Sie stimmen zwar zu, dass Kindern Grenzen gesetzt werden

müssen. Den Stillen Stuhl und die Auszeit sehen sie jedoch als Methoden, die „eher bei

ausgeprägten Verhaltensstörungen angewendet werden“ (2002, 30-31). Als Antwort auf

alltägliche Verhaltensweisen, die dem Reifegrad des Kindes entsprechen, sehen sie diese

„sehr einschneidenden Methoden“ aber nicht als angemessen (ebd.).

Um dem zu entgegnen verweisen Hahlweg und Miller auf eine Befragung von Braunschwei-

ger Eltern, die zu dem Ergebnis kommt, „dass insgesamt 92% der Eltern Maßnahmen wie

aufs Zimmer Schicken oder Stubenarrest anwenden. 25% der befragten Eltern tun dies

weniger als 1 Mal im Monat und 67% 2-3 Mal im Monat bis täglich und auch Kindergärten

wenden die Auszeit als letzte Verhaltenskonsequenz bei schwerwiegendem Problemverhal-

ten an (2002, 15). Miller und Hahlweg zeigen damit, dass die Methode Timeout (siehe Kapitel

3.3.2) in der alltäglichen Erziehung und sogar im professionellen Setting von Kindergärten

Anwendung findet. Als Aufgabe von Triple P sehen es Miller und Hahlweg, Eltern zu zeigen,

wie sie diese Methode durch den Stillen Stuhl und die Auszeit möglichst effektiv und ohne

dem Kind zu schaden, anwenden können (2002, 15).

54

Da Triple P den Stillen Stuhl und die Auszeit als Ratschlag für den „normalen Erziehungsall-

tag“ gibt, sehen Deegener und Hurrelmann die Gefahr, dass Eltern diese Methoden viel zu

häufig anwenden könnten (2002, 30-31).

Um der Frage auf den Grund zu gehen, wie häufig die Auszeit tatsächlich empfohlen wird,

analysieren Hahlweg und Miller die Kleinen Helfer und kommen zu dem Ergebnis, dass in ca.

einem Drittel der schwierigen Erziehungssituationen die Auszeit als eine mögliche Interventi-

on genannt wird. Sie fügen dem aber hinzu, dass der Umgang mit Problemverhalten laut

Triple P auf einem Kontinuum erfolgen soll. Dazu werden zunächst Familienregeln vereinbart,

bei deren Nichtbefolgen das Kind direkt angesprochen wird. Der nächste Schritt ist, dem Kind

mit ruhiger Stimme mitzuteilen, womit es aufhören soll und welches alternative Verhalten

erwünscht ist. Kommt das Kind dieser Anweisung nicht nach, erfolgt eine logische Konse-

quenz und erst wenn das Verhalten kurz danach erneut auftritt oder das Kind in Folge der

logischen Konsequenz einen Wutanfall bekommt, wird der stille Stuhl empfohlen. Verhält das

Kind sich auf dem stillen Stuhl nicht ruhig, wird eine Auszeit angewendet (2002, 15-16).

Deutlich wird an diesem Kontinuum, dass Stiller Stuhl und Auszeit nicht für eine inflationäre

Anwendung gedacht sind, sondern nur zur Anwendung kommen sollen, wenn andere

Methoden, bei denen klar und deutlich mit dem Kind kommuniziert wurde, nicht erfolgreich

waren. Weiter erläutern Hahlweg und Miller sehr ausführlich die Verhaltensanweisungen zur

Durchführung des Stillen Stuhls und der Auszeit. Sie betonen, wie bereits in den Triple P

Materialien ausgeführt, dass Stiller Stuhl und Auszeit ohne eine positive Eltern-Kind-

Beziehung durchaus schädlich sein können. Außerdem führen sie aus, dass zwischen

Verhalten und Person des Kindes differenziert werden sollte und zu vermeiden ist, dass das

Kind bei der Auszeit Angst bekommt oder das Gefühl bekommt, Willkür ausgesetzt zu sein

oder die Situation durch sein Verhalten nicht kontrollieren zu können (2002, 16-17). Dadurch

grenzen sie den Stillen Stuhl und die Auszeit meiner Ansicht nach deutlich von bestrafenden

Erziehungsmethoden der ‚schwarzen Pädagogik‘ ab.

6.4 Kritikpunkt: Keine wirkliche Verbesserung der Erziehungskompeten-

zen

Hilfreich können die Erziehungsempfehlungen von Triple P nach Deegener und Hurrelmann

im Umgang mit Kindern mit Verhaltensstörungen oder bei sehr unsicheren Eltern sein, da

sehr konkrete Tipps für bestimmte Situationen gegeben werden. Für sie entsteht jedoch auch

der Eindruck, dass Triple P durch die sehr klaren Handlungsempfehlungen Eltern den ‚einzig

wahren Weg‘ aufzeigen wolle. Sie vermuten, dass manche Eltern dies als bevormundend

erleben und daher mit Widerstand reagieren könnten (2002, 40).

Miller und Hahlweg entgegnen diesem Vorwurf, indem sie auf die Freiwilligkeit der Inan-

spruchnahme von Triple P hinweisen. Sie stellen heraus, dass Triple keinen Anspruch erhebt,

55

das einzig wirksame Programm zu sein und es den Eltern überlassen bleibt, für welches der

Elternprogramme sie sich entscheiden (2002, 11).

Dennoch ist die Argumentation von Deegener und Hurrelmann meiner Ansicht nach verständ-

lich, wenn man sich Eltern vorstellt, die die Handlungsbeispiele von Triple P übernehmen,

ohne dabei auf die individuellen Besonderheiten und Bedürfnisse des Kindes Rücksicht zu

nehmen. Dies könnte nach den fünf Säulen der Erziehung als eine Form der Missachtung

gesehen werden (siehe Kapitel 2.2).

Anzumerken ist diesbezüglich jedoch, dass die Kleinen Helfer mittlerweile nicht mehr frei

verkäuflich sind, sondern nur noch an Triple P Anbieter/innen herausgegeben werden. In

einem Telefonat mit einer Triple P-Mitarbeiterin wird dazu erklärt, es solle dadurch gewähr-

leistet werden, dass die Erziehungsempfehlungen den Eltern von der Fachkraft erläutert und

an die konkreten Bedürfnisse der Familie angepasst werden (Riekenberg 2018). Besonders

aufgrund der Tatsache, dass die Kleinen Helfer in der Schweiz noch frei verkäuflich sind

(Triple P 2018e), könnte diese Anpassung von Triple P in Deutschland als Reaktion auf die

Kritik aus der Fachwelt gesehen werden.

Die verbesserten Erziehungskompetenzen der Eltern nach einem Triple P-Training stellen

Deegener und Hurrelmann in Frage. Sie erklären dies damit, dass durch die von Triple P

vermittelten „fragwürdigen Erziehungsmethoden“ durchaus Verhaltensänderungen beim Kind

bewirkt werden könnten, die die Eltern dann fälschlicherweise als Erfolge für ihre Erziehung

verbuchen, diese Veränderungen aber in Wirklichkeit auf permissive Erziehungsmethoden

zurückzuführen seien (2002, 43).

Darauf, dass die Erziehungsmethoden von Triple P ethisch völlig unbedenklich sind, wurde

unter 6.3 bereits eingegangen. Um die Erfolge, die Eltern durch die Anwendungen von Triple

P Empfehlungen erleben, in Frage zu stellen, wäre es wünschenswert, auch negative Folgen

aufzuzeigen, wofür Deegener und Hurrelmann jedoch keine Belege liefern. Stattdessen

stellen sie tatsächliche Erziehungserfolge in Frage, nur weil sie auf ihrer Meinung nach

fragwürdigen Erziehungsmethoden basieren. Erwidert wird daher von Hahlweg und Miller,

dass es der freien Entscheidung der Eltern obliegt, welche Unterstützungsangebote sie in

Anspruch nehmen und welchen Erziehungsstil sie wählen. Von den Eltern erreichte Erzie-

hungserfolge als fragwürdig zu bezeichnen, widerspreche daher der persönlichen Freiheit der

Eltern (Hahlweg und Miller 2002, 11).

6.5 Zwischenfazit bezüglich der Kritik

Um die Ergebnisse der Diskussion um Triple P zu resümieren, wird nun ein Zwischenfazit

gezogen.

Dem Vorwurf der Problematisierung von kindlichen Verhaltensweisen ist zu entgegnen, dass

Triple P nicht die Absicht hat, von den Familien als akzeptabel empfundene kindliche

Verhaltensweisen anzuprangern. Stattdessen sprechen die Triple P Materialien häufig erlebte

56

Nöte von Familien an und bieten dafür konkrete Handlungsbeispiele. Durch die Thematisie-

rung und Bearbeitung von Erziehungsschwierigkeiten können Lösungen gefunden werden

und damit vermutlich auch fragwürdige Erziehungspraktiken vermieden werden (siehe Kapitel

3.1).

Der Vorwurf der beziehungslosen und dressurmäßigen Erziehungshaltung ist wissenschaft-

lich nicht fundiert und es entsteht der Eindruck, als würden die Kritiker Triple P sehr einseitig

darstellen (siehe Kapitel 3.2).

Auch bezüglich des Vorwurfs der fragwürdigen und schädlichen Erziehungsmethoden wurde

in keiner Weise ein Beleg für eine Schädigung von Kindern durch Triple P Methoden ange-

führt. Deutlich wird, dass der Stille Stuhl und die Auszeit in den Triple P Materialien sehr

häufig beschrieben werden, jedoch nur zum Einsatz kommen sollen, wenn andere zuvor

angewendete Methoden erfolglos waren. Außerdem muss dabei für das Kind ein direkter

Zusammenhang zu seinem Verhalten erkennbar sein und Stiller Stuhl und Auszeit werden

nur zeitlich begrenzt angewendet (siehe Kapitel 3.3).

Auch der unter 3.4 diskutierte Vorwurf, Triple P vermittle fragwürdige Erziehungspraktiken,

die zu Verhaltensänderungen beim Kind führten und somit keine wirkliche Verbesserung der

Erziehungskompetenz der Eltern bewirken würden, ist in keiner Weise belegt und basiert

daher lediglich auf der persönlichen Meinung von Deegener und Hurrelmann über die

Methoden von Triple P.

Die Kritik von Deegener und Hurrelmann ist sehr hilfreich für eine kritische Reflexion der

Inhalte von Triple P, wobei die angeführten Kritikpunkte aus Sicht des Verfassers jedoch

argumentativ entkräftet werden konnten. Dennoch hat Triple P Modifikationen vorgenommen

(siehe Kapitel 6.3 und 6.4), die nicht zwingend im Zusammenhang mit der Kritik stehen

müssen, jedoch dahingehend interpretiert werden könnten. Der Vollständigkeit halber ist

anzumerken, dass Hurrelmann seine Äußerungen bezüglich Triple P in einer persönlichen

Mitteilung revidiert hat. Er spricht davon, einen detaillierteren Eindruck von Triple P bekom-

men zu haben und lobt Triple P nun als ein „sehr ausgereiftes Programm, das sich in

Hunderten von Fällen inzwischen sehr gut bewährt“ habe (Hurrelmann 2004 zit. in Dirschel et

Al. 2006, 63).

7. Empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Triple P

Seit Beginn der 1980er Jahre wird Triple P laufend evaluiert und weiterentwickelt. (Cina et Al.

2006, 73). Insgesamt wurden dazu über 280 Studien durchgeführt (Triple P 2018d), die über

verschiedene Kulturen und Familienformen hinweg konsistent die Wirksamkeit von Triple P

belegen. Nachgewiesen wurden unter anderem eine hohe Zufriedenheit der Eltern mit Triple

P, verbesserte elterliche Erziehungskompetenzen und ein Rückgang kindlichen Problemver-

haltens (Dirscherl et Al. 2006, 62).

57

Die 1997 veröffentlichte und bisher größte Evaluationsstudie wurde in Australien durchgeführt

(Cina et Al. 2006, 73). Sie umfasste insgesamt 718 Familien in der Experimental- und 806

Familien in der Kontrollgruppe. Nach Teilnahme der Eltern an einem Triple P-Elternkurs

konnte eine Reduktion elterlicher aversiver Erziehungsmethoden und eine Reduktion

kindlicher Verhaltensprobleme beobachtet werden. Übertragen auf die Population der

Gesamtbevölkerung des Landes würde dies bedeuten, dass durch präventive Elternpro-

gramme Verhaltensprobleme von Kindern um bis zu 37% reduziert werden könnten (Dirscherl

et Al. 2006, 62).

Auch im deutschsprachigen Raum wurden Studien zur Wirksamkeit von Triple vorgenommen,

von denen folgend zwei vorgestellt werden.

7.1 Studie Naumann et Al.

„Förderung der Elternkompetenz durch Triple P-Elterntrainings“

Studiendesign

Ziel der Studie war die Untersuchung der Auswirkungen einer Teilnahme von Eltern an einem

Triple P-Elternprogramm auf deren Erziehungskompetenz. Dazu wurden 280 Familien aus

verschiedenen sozialen Schichten mit einem Kind zwischen 2,6 und 6 Jahren ausgewählt und

zufällig in eine Experimentalgruppe (EG) und eine Kontrollgruppe (KG) eingeteilt (Naumann

et al. 2007, 676-680).

Die Eltern der EG nahmen an einem Triple P Elterntraining der Ebene 4 (siehe Kapitel 5.2)

mit zwei Gruppensitzungen und der Möglichkeit zu wöchentlichen 20-minütigen Telefonsit-

zungen mit der Triple P-Anbieterin / dem Triple P-Anbieter teil. Dabei bekamen die Eltern

Hausaufgaben, die in den darauffolgenden Sitzungen besprochen wurden (ebd., 682).

Messinstrumente

Vor dem Triple P-Elterntraining wurde eine Eingangsdiagnostik (Prae) durchgeführt und 6

Monate später (direkt nach dem Elterntraining) eine Post-Messung vorgenommen. Zusätzlich

erfolgte eine Follow-Up-Messung (FU1) 1 Jahr und eine Follow-Up-Messung (FU2) 4 Jahre

nach der Prae-Messung (ebd., 679-680).

Die Elternkompetenz wurde mit Hilfe von 4 Messinstrumenten ermittelt. In einem Fragebogen

für positives Erziehungsverhalten in den letzten 2 Monaten hatten Eltern bei 13 vorgegebe-

nen Verhaltensweisen auf einer Skala von 0 (nie) bis 3 (sehr oft) anzukreuzen (Naumann et

Al. 2007, 681). Außerdem hatten sie in einem Fragebogen für dysfunktionale Erziehungsme-

thoden in den letzten 2 Monaten ihr Verhalten in 35 vorgegebenen Items auf einer siebenstu-

figen Skala (Weitschweifigkeit - Nachsichtigkeit - Überreagieren) einzuordnen. Aus den

Skalen wurde dann ein Wert für die Neigung zu dysfunktionalen Erziehungsmethoden

58

errechnet. In weiteren zwei Fragebögen wurden die Eltern zur Einschätzung ihrer Erzie-

hungskompetenz und zu ihren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen befragt (ebd., 682).

Ergebnisse

Das positive Erziehungsverhalten nimmt über den Messzeitraum in der KG leicht zu. In der

EG ist ein deutlicherer Anstieg zu verzeichnen, jedoch nimmt das positive Erziehungsverhal-

ten bis zur letzten Messung auch wieder leicht ab. Dysfunktionales Erziehungsverhalten der

Mütter nimmt in der KG leicht ab. In der EG nimmt es sehr deutlich ab und steigt dann wieder

leicht an. Bei den Vätern sind diesbezüglich nur geringere Effekte messbar (ebd., 685). Dies

könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass Väter nur sehr selten an den Kursen

teilnahmen (ebd., 677). Kompetenzüberzeugungen nehmen bei KG und EG über den

gesamten Messzeitraum leicht zu. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen steigen in beiden

Gruppen besonders zwischen Prä- und Postmessung leicht an. (Naumann et al. 2007, 684).

Festzuhalten ist damit, dass Eltern, die an dem Triple P-Programm teilnehmen, von einer

Zunahme positiver Erziehungsmethoden und einer deutlichen Abnahme dysfunktionaler

Erziehungsmethoden berichten und dies die Wirksamkeit von Triple P belegt.

7.1 Studie Eichelberger et Al.

„Effekte universeller Prävention mit dem Gruppenformat des Elterntrainings Triple P auf das

kindliche Problemverhalten, das elterliche Erziehungsverhalten und die psychische Belastung

der Eltern“

Studiendesign

Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit des Triple P-Gruppentrainings in Bezug auf das

Erziehungsverhalten der Eltern und das Problemverhalten der Kinder zu untersuchen. Dazu

gaben die Eltern und die Erzieherinnen und Erzieher der Kita ihre Einschätzungen ab.

Außerdem war es Ziel der Studie, mögliche Auswirkungen des Gruppentrainings auf die

partnerschaftliche Zufriedenheit und psychischen Belastungen der Eltern festzuhalten

(Eichelberger et Al. 2010, 24-32). Der Kontakt zu den Familien wurde über städtische

Kindertageseinrichtungen in Köln vermittelt, die sich, was den Jugendhilfebedarf und die

sozialen Belastungen betrifft, in niedrig-, mittel- und hochbelasteten Gebieten befanden. Per

Losverfahren wurden insgesamt 93 Familien mit Kindern zwischen 3 und 6 Jahren in eine

Experimentalgruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Mindestens ein Elternteil der Experi-

mentalgruppe nahm an einem Triple P Gruppentraining der Ebene 4 teil, das vier zweistündi-

ge Gruppensitzungen in wöchentlichen Abständen umfasste. Zusätzlich wurden den Eltern

vier 20-minütige Telefonsitzungen in wöchentlichen Abständen angeboten. Für die Teilnahme

an den Befragungen erhielten die Eltern eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50€

(Eichelberger et Al. 2010, 24-32).

59

Messinstrumente

Es wurden Messungen an drei verschiedenen Zeitpunkten vorgenommen. Die Prä-Messung

erfolgte drei Monate vor dem Triple P-Gruppentraining und mit je 6-monatigen Zeitabständen

erfolgten die Post- und die Follow-Up-Messung. Bei der Prä- und Follow-Up-Messung

besuchten zwei Projektmitarbeiterinnen / Projektmitarbeiter die Familien für zwei bis drei

Stunden, führten eine Leistungsdiagnostik mit dem Kind und ein halbstrukturiertes Interview

mit den Eltern durch und es erfolgte eine videogestützte Verhaltensbeobachtung in einer

standardisierten Spiel- und Aufgabensituation. Zusätzlich wurden die Eltern zu allen drei

Messzeitpunkten mit Hilfe eines Fragebogens zu ihrer Einschätzung bezüglich vorhandener

Verhaltensprobleme ihrer Kinder, der eigenen Erziehungskompetenzen, der eigenen

Persönlichkeit, ihrer Lebenszufriedenheit und ihrer Partnerschaft befragt. Außerdem wurden

bei Einwilligungen der Eltern die Erzieherinnen und Erzieher zu Verhaltensproblemen des

Kindes befragt (ebd.).

Ergebnisse

Den Angaben der Mütter der Experimentalgruppe ist zu entnehmen, dass diese im Vergleich

mit den Müttern der Kontrollgruppe über den Messungszeitraum bei sich selbst einen

größeren Rückgang dysfunktionaler Erziehungspraktiken beobachteten. Dieser Effekt trat bei

den Vätern nicht auf, was jedoch daran liegen könnte, dass nur Mütter an dem Gruppentrai-

ning teilnahmen (ebd.). Aus Sicht beider Eltern der Experimentalgruppe war ein Rückgang

des kindlichen Problemverhaltens zu verzeichnen. In den Kindertageseinrichtungen konnte

jedoch kein Rückgang kindlichen Problemverhaltens beobachtet werden. Mütter der Experi-

mentalgruppe gaben vermehrt an, eine Verbesserung der partnerschaftlichen Zufriedenheit

zu erleben. Dieser Effekt wurde wider Erwarten auch von den Vätern berichtet. Eine Verände-

rung der psychischen Belastung der Eltern konnte durch das Triple P-Gruppentraining nicht

festgestellt werden (ebd.). Wie in der Studie von Naumann et Al. ist auch bei dieser Studie

festzuhalten, dass sich das Triple P-Gruppenprogramm aus Sicht der Mütter als wirksame

Intervention für positives Erziehungsverhalten und einen Rückgang kindlichen Problemverhal-

tens erweist.

8. Schlussteil

8.1 Bezugnahme auf die Forschungsfrage

Im folgenden Abschnitt wird Bezug auf die Hauptforschungsfrage genommen. Um diese unter

verschiedenen Aspekten zu betrachten, werden zunächst die Teilforschungsfragen bearbei-

tet, um im Anschluss eine abschließende Antwort auf die Hauptforschungsfrage geben zu

können.

60

Teilforschungsfrage 1: Gelingt mit Hilfe des kognitiv-behavioralen Ansatzes ein

Verständnis über die Entstehung und Aufrechterhaltung destruktiver Interaktionsmus-

ter in der Erziehung?

Wie in Kapitel 4 deutlich wird, ermöglicht es der kognitiv-behaviorale Ansatz, Erziehungsfeh-

ler ausfindig zu machen und diese zu verstehen. Die Kapitel 4.1 bis 4.3 verdeutlichen dies,

indem sie mit Hilfe der Lerntheorien erklären, wie das Kind durch Erziehungsfehler der Eltern

unerwünschte Verhaltensweisen erlernt und aufrecht erhält, wie fragwürdiges Erziehungsver-

halten der Eltern verfestigt wird, wie sich destruktive Verhaltensweisen von Eltern und Kind in

Eskalationsfallen hochschaukeln und die Eltern-Kind-Beziehung durch Erziehungsfehler

nachhaltig belastet werden kann. Zusätzlich führt Kapitel 4.4 aus, wie fragwürdige Erzie-

hungshaltungen der Eltern überhaupt erst entstehen und wie sich diese auswirken. Mit Hilfe

des kognitiv-behavioralen Ansatzes gelingt also ein Verständnis über die Entstehung und

Aufrechterhaltung destruktiver Interaktionsmuster in der Erziehung.

Teilforschungsfrage 2: Sind Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatz in der Unter-

stützung von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten umsetzbar und wie gelingt dies

am Beispiel von Triple P?

Der kognitiv-behaviorale Ansatz dient nicht nur dazu, destruktive Interaktionsmuster in der

Erziehung zu erkennen und zu verstehen, sondern bietet auch eine Vielzahl an Interventio-

nen zur Unterstützung von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten an, die darauf abzielen,

dass Eltern ihre Erziehungshaltungen hinterfragen, eine positive Eltern-Kind-Beziehung

herstellen und auf eine entwicklungsfördernde Weise Einfluss auf das Verhaltens des Kindes

nehmen (siehe Kapitel 3). Triple P gelingt es, Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatzes

in die Praxis eines präventiven Elternprogrammes umzusetzen. Trotz des oft sehr straffen

Zeitrahmens eines Elternprogramms können Veränderungen bewirkt werden, indem Eltern

mit sehr direkten Handlungsbeispielen dabei unterstützt werden, eine positive Beziehung zum

Kind herzustellen, eine für das Kind entwicklungsfördernde Umgebung zu schaffen, er-

wünschte Verhaltensweisen des Kindes zu fördern und unerwünschte Verhaltensweisen des

Kindes abzubauen (siehe Kapitel 5 und 7). Dies zeigt am Beispiel von Triple P, dass Elemen-

te des kognitiv-behavioralen Ansatzes in der Erziehung umsetzbar sind.

Teilforschungsfrage 3: Wie ist der Einsatz von Methoden des kognitiv-behavioralen

Ansatzes in der Sozialen Arbeit am Beispiel von Triple P im Hinblick auf die Kritik aus

der Fachwelt und die empirische Befundlage zu bewerten?

In Kapitel 6 erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit der Kritik an Triple P, an die hier

verwiesen werden soll. Festzuhalten ist, dass die Vorwürfe an Triple P auf einem persönli-

chen Eindruck der Kritiker von den Triple P-Materialien basieren und die Kritiker in ihrer

Argumentation bestimmte Elemente des Triple P-Programmes einseitig in den Vordergrund

61

stellen und zum Teil auf einen wissenschaftlichen Beleg ihrer Behauptungen verzichten.

Durch Bezugnahme auf das Triple P-Programm und die Fachliteratur werden aus Sicht des

Verfassers in Kapitel 7 die Vorwürfe an Triple P argumentativ entkräftet. Dennoch hat Triple P

seit der Kritik kleine Veränderungen an dem Programm vorgenommen. So wird es nicht mehr

als Handlungsempfehlung genannt, bei einem Kind, das nicht zu Bett gehen will und häufig

das Zimmer verlässt, die Kinderzimmertüre von außen zu verschließen, bis das Kind sich für

2 Minuten lang ruhig verhalten hat (siehe Kapitel 6.3). Außerdem werden die Kleinen Helfer

nur noch an Triple P-Anbieterinnen und Triple P-Anbieter herausgegeben, die die Familien

bei der Umsetzung der Handlungsbeispiele unterstützen und diese an die individuelle

Situation der Familie anpassen (siehe Kapitel 6.4). Möglicherweise könnten diese Modifikati-

onen als Reaktion auf die Kritik an Triple P interpretiert werden. Bezüglich der aktuellen

Forschungslage ist Triple P als sehr positiv zu bewerten, da Studien bei der Teilnahme von

Eltern an einem Triple P-Programm eine hohe Zufriedenheit der Eltern, verbesserte elterliche

Erziehungskompetenzen und ein Rückgang kindlichen Problemverhaltens belegen (siehe

Kapitel 7).

Hauptforschungsfrage: Welche Bedeutung kommt dem kognitiv-behavioralen Ansatz

bei der Unterstützung von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten zu?

Wie in den Teilforschungsfragen ausgeführt wurde, ermöglicht der kognitiv-behaviorale

Ansatz ein Verständnis über die Entstehung und Aufrechterhaltung destruktiver Interaktions-

muster in der Erziehung und bietet ein umfassendes Methodenrepertoire zur Unterstützung

von Familien mit Erziehungsschwierigkeiten. Triple P zeigt, wie diese Methoden in die Praxis

umgesetzt werden können und erbringt durch die laufende Evaluation zugleich einen

Nachweis über die Wirksamkeit. Aufgrund des großen Erfolges, den Triple P als ein kognitiv-

behavioral ausgerichtetes Elternprogramm zu verzeichnen hat, gelangt der Verfasser zu der

Ansicht, dass der kognitiv-behaviorale Ansatz bei der Unterstützung von Familien mit

Erziehungsschwierigkeiten ein hohes Potential hat, was auf seine große Bedeutung für

diesen Arbeitsbereich hinweist.

8.2 Persönliches Fazit

Die Auseinandersetzung mit dem kognitiv-behavioralen Ansatz erwies sich als bereichernd

und zum Nachdenken anregend. Besonders interessant war die Übertragung der theoreti-

schen Grundlagen des kognitiv-behavioralen Ansatzes auf die Arbeit mit Familien mit

Erziehungsschwierigkeiten, da sie ein Verständnis über destruktive Interaktionsmuster in der

Erziehung ermöglichen und zugleich eine Vielfalt an Methoden zur Unterstützung von Eltern

zu einer gelingenden Erziehung eröffnen.

62

Triple P ist ein Beispiel für die gelungene Umsetzung des kognitiv-behavioralen Ansatzes in

die Sozialen Arbeit. Wünschenswert wäre meines Erachtens nach ein weiterer Ausbau

präventiver Angebote, um Eltern Orientierung zu geben und sie in ihrer Elternrolle zu

unterstützen, wie dies nach § 16 SGB VIII die Verpflichtung der Jugendhilfe ist. Kritisch sehe

ich es daher, dass die Kosten für Triple P Angebote nicht grundsätzlich von den Jugendäm-

tern übernommen werden (Fuchs 2011, 128). Bedauerlich finde ich es außerdem, dass die

Kleinen Helfer von Triple P nur noch an Triple P-Anbieterinnen und Triple P-Anbieter

ausgegeben werden und nicht mehr frei verkäuflich sind. Meiner Ansicht nach wäre es

vorzuziehen, Eltern, die eine fachliche Unterstützung ablehnen, dennoch zu ermöglichen,

sich durch den Erwerb der Kleinen Helfer Handlungstipps zu holen, anstatt ihnen diese

vermutlich aus Angst vor einer falschen Umsetzung vorzuenthalten (siehe Kapitel 6.4).

Richtungsweisend kann Triple P auch für eine weitere Professionalisierung der Sozialen

Arbeit sein, da es die Methoden auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut und praktische

Erfolge empirisch belegt. Fraglich ist jedoch, wieso Triple P mit seiner kognitiv-behavioralen

Ausrichtung einer solch harten Kritik ausgesetzt war. Como-Zipfel konstatiert diesbezüglich,

die Aversion gegenüber der Integration kognitiv-behavioraler Methoden habe ihren Ursprung

in den 1970er Jahren, in denen empirisch-rationale Ansätze in der Sozialen Arbeit großer

Kritik ausgesetzt waren (2013, 25) und Bartmann merkt an, dass diese sich auch heute in

den Vorurteilen von Fachkräften und auch Lehrenden gegenüber dem kognitiv-behavioralen

Ansatz niederschlage (2013, 9).

Wie am Beispiel von Triple P aufgezeigt, ermöglicht der kognitiv-behaviorale Ansatz Sozial-

arbeitenden ein Verständnis über menschliche Verhaltensmuster und bietet die Möglichkeit

zur Erweiterung des Methodenrepertoires. Für mich stellt sich daher auch bezüglich meines

bisherigen Hochschulstudiums die Frage, wieso dieser nur sehr oberflächlich behandelt

wurde, während andere Themen, die zur konkreten Unterstützung von Klientinnen und

Klienten kaum etwas beitragen, weit mehr Raum in Anspruch nahmen. Insofern wünsche ich

mir für die Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit, dass eine unvoreingenommene Auseinan-

dersetzung mit unkonventionellen Theorien und Handlungsansätzen erfolgt und die empiri-

sche Faktenlage ausschlaggebend für die inhaltliche Aufstellung des Studiums ist. In diesem

Sinne ist es vorstellbar, dass der Sozialen Arbeit, wie Bartmann ausführt, durch eine Fokus-

sierung auf empirisch belegt wirksame Methoden in der Zukunft mehr gesellschaftliche

Anerkennung zukommt (2013, 10).

63

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II Abbildungsverzeichnis

Deckblatt. Prawny. 08.11.2018.

https://pixabay.com/de/gl%C3%BCcklich-familie-cartoon-kinder-1082921/

III Eigenständigkeitserklärung

Hiermit versichere ich, dass ich diese Prüfungsleistung gemäß § 28 der Studien- und

Prüfungsordnung selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und

Hilfsmittel benutzt habe.

Esslingen, den ________________ ________________________

(Datum) (Unterschrift)