Der Minenkampf

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Inhaltsverzeichnis. Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die gebräuchlichsten technischen Ausdrücke . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätze für den Minenkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherung gegen Minenangriffe, Minenverteidigung . . . . . . Der Minenangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Minenkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Technischer Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anordnung des Minensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung der Gänge und Brunnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beseitigung des Aushubes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lüftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horchdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitspflege, Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anbringen der Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisierung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort. Im Stellungskriege kommt es häufig zu unterirdischen Minenkämpfen. Es ist daher geboten, daß nebst den technischen Offizieren auch die Offiziere der Hauptwaffen über das Wesen dieser Kampfform eine richtige Vorstellung besitzen, damit das Zusammenwirken Aller auch auf diesem Gebiete voll zur Geltung kommt. Der vorliegende Behelf hat den Zweck, den Minenkampf in großen Zügen zu kennzeichnen und für die Führung desselben Richtlinien zu geben. Für die Detailausführung in technischer Beziehung haben die bei der Sappeurtruppe in Kraft stehenden Vorschriften als Grundlage zu dienen. Im Verlaufe der Kämpfe gemachte taktische und technische Erfahrungen sind in fortschrittlichem Sinne auszuwerten. Über Ergebnisse, die für die Allgemeinheit von Nutzen sein können, ist fallweise zu berichten. Feststellungen lokaler Natur sind benachbarten Verbänden mitzuteilen.

———————— Die Oberleitung im Minenkampfe kommt den Abschnittskommandos vom Truppendivisionskommando aufwärts zu. Die Führung des Minenkampfes obliegt grundsätzlich der Sappeurtruppe. Die Pioniertruppe ist hiezu nur ausnahmsweise zu verwenden. In solchen Fällen sind ihr, wenn angängig, Vormineure der Sappeurtruppe zuzuweisen. Hat die Pioniermannschaft im Gangbau und in der Handhabung der Spezialgeräte die nötige Übung erlangt, so ist das Sappeurpersonal zurückzuziehen. Die Infanterie stellt für die einfacheren Verrichtungen Hilfsmannschaft bei. Es empfiehlt sich, zur Verstärkung der Sappeure Bergleute, eventuell auch Steinbruchsmineure aller Waffen heranzuziehen. Hiebei darf aber nicht eine wahllose Zuweisung von Bergwerksarbeitern erfolgen. Es kommen nur jene in Betracht, die im Bau von Stollen und Schächten, im Bohren von Bohrlöchern, in der Handhabung von Sprengmitteln und in Zimmermannsarbeiten bewandert sind. Nebstbei ist die ständige Zuweisung von Baukompagnien zweckmäßig, besonders dort, wo die Hilfsmannschaft der Infanterie oft wechselt. Werden nicht normierte technische Hilfsmittel zugewiesen, so haben die technischen Referenten der höheren Kommandos dafür zu sorgen, daß Gebrauchsanweisungen — bei Sprengmitteln womöglich auch Wirkungsdaten — den Truppen zukommen.

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Eine für alle Fälle passende Minentheorie gibt es nicht. Was an Formeln und Tabellen im Gebrauche steht, ist das Ergebnis einer sehr langen Praxis und kann nur durch Erfahrungen und Versuche vervollkommnet und den jeweiligen Verhältnissen angepaßt werden. Dies bezieht sich besonders auf die Ladungskoeffizienten, die nur von der Bodenart abhängig sind und wenn nur irgendwie möglich, durch Probesprengungen am Kampffelde überprüft werden sollen.

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Die Bestimmungen dieser Anleitung gründen sich auf die während des Krieges auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen gemachten Erfahrungen. Da ein abschließendes Urteil in manchen Belangen nicht geschöpft werden konnte, wird dieser Behelf vorläufig nur als provisorische Anleitung ausgegeben. Die Vorgänge in der Kampffront haben ferner den Beweis erbracht, daß es in erster Linie darauf ankommt, die eigene Stellung gegen feindliche Minenangriffe zu sichern und die vorhandenen — meist beschränkten — Arbeitskräfte zunächst diesem Zwecke zu widmen. Von dieser Erfahrung ausgehend, wurde in der Anleitung die Sicherung der eigenen Stellung und damit die Minenverteidigung in den Vordergrund gestellt.

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Die gebräuchlichsten technischen Ausdrücke:

Mine = allgemeinster Ausdruck für eine Zerstörungsladung (Flußmine, Seemine, Wurfmine, Demolierungsmine u. v. a.). Minenofen, Ofen = einheitliche selbständige Ladung mit eigener Zündung, meist von allen Seiten eingeschlossen. Ofenhorizont = Horizontalebene durch den Ofenmittelpunkt. Trichtermine = Mine, die eine trichterförmige Höhlung im Boden erzeugt. Dampfmine (Quetschmine, Camouflet) = Mine, die nur unterirdisch wirkt und auf der Bodenoberfläche gar keine, oder nur unbedeutende Wirkung hervorruft. Minengang = horizontale oder schräge, schliefbare Höhlung. Stollen = horizontale oder schräge, gangbare Höhlung. Minenlogement = Deckung, aus der der Bau von Gängen oder Stollen begonnen wird. Minenbrunnen = vertikale, enge Aushebung. Schacht = vertikale, weite Aushebung. vortreiben = Gänge oder Stollen vorarbeiten. abteufen = Brunnen oder Schächte ausheben. Anbruch = Beginn (Eingang) des Ganges oder Stollens. vor Ort = am Ende des Ganges oder Stollens (Arbeitsort). am Tage = oberirdisch. tagende Wirkung = Wirkung einer Mine auf der Boden-oberfläche. Bohrloch = zylindrische Höhlung, in Erde einige Dezimeter, in Fels einige Zentimeter weit. Bohrschuß == Bohrloch mit Sprengladung in Gestein. Mine bleibt sitzen geht trotz versuchter Zündung Bohrschuß versagt nicht los. ausblasen = wirkungsloses Entweichen der Explosionsgase, verdämmen == Gang oder Bohrloch verstopfen, damit die besetzen == Bohrschuß Mine nicht „ausbläst“. Minenhund == kleiner Erdtransportwagen. Zimmerung = gezimmerte Holzbekleidung von Stollen. Einsturzhalbmesser = jene Entfernung von der eigenen Mine, auf die ein feindlicher Gang durch die Explosion noch bestimmt ungangbar wird.

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I. Grundsätze für den Minenkampf.

Allgemeines.

1. Unterirdische Minen werden im Kampfe angewendet, um gegnerische Anlagen durch Sprengung zu zerstören, oder um eigene Anlagen gegen Sprengung zu sichern. Durch Ausführung von Gängen (Stollen), Brunnen (Schächten) oder Bohrlöchern werden jene Stellen erreicht, an denen man Ladungen anbringen will, oder von wo aus man durch Horchen feststellt, ob der Gegner Minenarbeiten ausführt. Die Gesamtheit von zusammenhängenden Anlagen, die dem Minenkampfe dienen, wird ein Minensystem genannt. Dieses paßt sich den jeweiligen Verhältnissen an. Wenn die beiderseitigen Minenarbeiten zusammentreffen, entwickelt sich der Minenkampf, bei dem die Sprengung der gegnerischen Minenanlagen angestrebt wird. Minenkampffelder ergeben sich im andauernden Stellungskampfe dort, wo die Entfernung zum Gegner gering ist und die Boden-und Wasserverhältnisse die Anwendung unterirdischer Minen zulassen. Diese Möglichkeit tritt schon bei Entfernungen von etwa 250 m ein. 2. In der Verteidigung bilden Minen das einzige Mittel, um einem unterirdischen Angriff des Gegners wirksam entgegenzutreten. Je hartnäckiger der eigene Widerstand und je besser die eigene Stellung, desto eher wird der Gegner mit Minen vorgehen. 3. Bei einem Angriffe, der sich aus dem Stellungskampfe entwickelt, kann die Anwendung von Minen zur Vorbereitung des Sturmes durch Zerstörung der gegnerischen Stellung in Frage kommen. Dieser Fall wird meist dann eintreten, wenn zur Abwehr ausgeführte eigene Minenarbeiten bis in die Nähe der gegnerischen Stellung gelangt sind. Ansonsten wird man zum Minenangriff auf eine Stellung nur dann schreiten, wenn der Einbruch auf andere Weise nicht zu erhoffen ist. Bei Vorhandensein genügender Arbeitskräfte kann ein Minenangriff gleichzeitig auch dort angesetzt werden, wo das Sturmreifmachen des Gegners zunächst mit anderen Mitteln (schwere Artillerie, Minenwerfer usw.) erstrebt wird. Je länger der Gegner ausharrt, desto mehr Zeit ist dann für die Durchführung des Minenangriffes gegeben. 4. In vereinzelten Fällen wird es sich darum handeln, Teile der gegnerischen Stellung, die eine besonders kräftige Wirkung gegen die eigenen Linien äußern (vorspringende Ecken, vorgeschobene Posten, Maschinengewehr- und Minenwerferstände u. dgl.), unschädlich zu machen. Wenn alle sonstigen Mittel versagen, kann der Minenangriff in solchen Fällen durch die Zerstörung des betreffenden Objektes zum Ziele führen. 5. Wo die eigene Stellung Minenangriffen ausgesetzt sein kann, ist sie durch Minenanlagen zu sichern. Hiebei ist aber Maß zu halten. Meist wird es genügen, die zur Abhaltung des Gegners bestimmten eigenen Minenanlagen so weit vorzutreiben, daß ein eventueller Minenkampf sich näher zur gegnerischen als zur eigenen Stellung abspielt. 6. Ist man zum Minen kämpfe entschlossen oder gezwungen, so ist dieser Kampf mit größter Energie und stets angriffsweise zu führen. Man muß trachten, durch eigene Sprengungen dem Gegner zuvorzukommen und das Kampffeld immer mehr gegen die feindliche Stellung zu tragen. Eigene Sprengungen üben auf die Truppen einen außerordentlich günstigen moralischen Einfluß aus.

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7. Entscheidende Erfolge sind vom Minenkampfe allein nicht zu erwarten. Er muß sich daher in die taktischen Handlungen derart einfügen, daß seine Wirkungen dem Gefechtszweck zu gute kommen. Die den Minenkampf leitenden technischen Offiziere müssen sich . über die möglichen Leistungen und Wirkungen stets im klaren sein und die Kommandanten, denen sie unterstellt sind, auf dem laufenden halten. Letztere entscheiden, welche Wirkungen anzustreben sind, und regeln das Verhalten der übrigen Waffen. Geschütz- und Minenwerferfeuer zwingt erfahrungsgemäß den Gegner, Hohlbauten und Minengänge aufzusuchen; Sprengungen hingegen bewirken das Gegenteil und veranlassen das Bereitstellen von Kräften. Diese Wechselwirkungen sind stets auszunützen, um dem Gegner so viel als möglich Abbruch zu tun. 8. Der Minenkampf ist die mühseligste und langwierigste Kampfform und stellt an die Mineure moralisch und physisch die höchsten Anforderungen. Ein rascher Arbeitsvorgang ist daher nur mit ausgiebigen, leistungsfähigen Arbeitskräften und Hilfsmitteln möglich. Forcierte Arbeit führt im Minenkampfe zu Erkrankungen (siehe Punkt 60) und nützt die Arbeitskräfte rasch ab. Ein Drängen zu erhöhter Arbeitsleistung erzeugt nur Nervosität und ist, wo es an Pflichteifer nicht fehlt, zu vermeiden. Das Streben, ein Minensystem rasch zu stände zu bringen, führt manchmal zur Anwendung von engen, unbequemen Anlagen und zu einem flüchtigeren Arbeitsvorgang. Ein derartiges Verfahren bringt nur in den allerersten Anfängen Vorteile; für die spätere Folge — bei zunehmender Ausdehnung der Anlagen — wirkt es jedoch verzögernd und ist nur sehr schwer wieder gutzumachen. Wo sich das Erdreich gut bohren läßt, wird durch Kombination von Gängen und Bohrlöchern so manche Aufgabe sehr vereinfacht. 9. Der Unterbringung von Sprengmunition ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken, Anhäufung derselben zu vermeiden. Größere Mengen dürfen im Bereich der eigenen Stellung nur in schußsicheren unterirdischen Räumen vorhanden sein. 10. Alle Minenanlagen und die mit ihnen zusammenhängenden Befestigungen müssen genau aufgenommen, in einem Minenplan dargestellt und fortgesetzt evident geführt werden. Für Übersichtspläne empfiehlt sich der Maßstab 1: 500, für Details sind naturgemäß größere Maßstäbe zu wählen. Zur richtigen Einhaltung von Gefälls- und Tiefenverhältnissen ist die Anordnung von Niveaufixpunkten unerläßlich. Die Fliegerkompagnien und Kriegs-Mappierungsabteilungen haben den Minenkampffeldern besondere Aufmerksamkeit zu widmen, damit möglichst genaue Aufnahmen der eigenen und der gegnerischen Befestigungen erzielt werden. 11. Der den Minenkampf leitende technische Offizier hat ein Tagebuch zu führen, in dem alle für den Minenkampf wichtigen Angaben und Erfahrungen enthalten sind, so zwar, daß ein Wechsel in der Leitung auch ohne persönliche Übergabe möglich ist. 12. Das Wesen des Minenkampfes erfordert die strengste Geheimhaltung der eigenen Maßnahmen.

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Sicherung gegen Minenangriffe, Minenverteidigung. 13. In der Abwehr muß vor allem festgestellt werden, ob der Gegner mit Minen vorgeht. Dies muß durch oberirdische und unterirdische Aufklärung und durch Befragen Kriegsgefangener erreicht werden. Der oberirdischen Aufklärung zugängliche Anzeichen für gegnerische Minenarbeiten sind: Ablagerung von anders gefärbter Erde an einzelnen Stellen; massenhafte Anwendung von Sandsäcken; Trichter hinter der Front, die von Probesprengungen herrühren, oder für die Unterbringung des Aushubes eigens erzeugt werden; Ausfüllen von Deckungen, Gräben, Hohlwegen und dergl. mit frischem Aushub ; Tätigkeit (Geräusche, Erschütterungen) von Maschinen, die zur Beleuchtung, Lüftung und zum Bohren dienen können; auch eine Verstärkung der Hindernisse kann der Sicherung von Ganganbrüchen dienen. Viele dieser Wahrnehmungen können aus der Stellung, von Patrouillen oder von Flugzeugen aus gemacht werden, bieten aber immer nur unsichere Anhaltspunkte. Mit Gewißheit ist ein gegnerisches Minieren nur durch sorgfältig geregeltes Horchen, von unterirdischen Anlagen aus; feststellbar. 14. Zur Gewinnung entsprechend vieler Horchstellen ist die Anlage eines Systems von Minengängen nötig, die derart angeordnet sein müssen, daß das Minenkampffeld in seiner ganzen Ausdehnung behorcht werden kann. Auch in unterirdischen Hohlbauten der Kampfstellung (schußsicheren Unterständen und dergl.) kann man mitunter Arbeiten (Bohr- and Maschinengeräusche) ganz gut hören und dadurch etwaige unmittelbare Minengefahr feststellen. Dieses Verfahren würde zur Not nur dort genügen, wo ein gegnerischer Minenangriff sehr unwahrscheinlich ist, oder wo man infolge Mangels an Arbeitskräften ein Minensystem noch nicht auszubauen vermochte. 15. In zweifelhaften Fällen wird es sich empfehlen, die Bodenbeschaffenheit und Schichtung durch Abteufen tiefer Brunnen (Schächte) oder durch Bohrungen zu ermitteln, was besonders dort ins Gewicht fällt, wo über die Grundwasserverhältnisse keine volle Klarheit herrscht. Die Bodenoberfläche kann beispielsweise versumpft sein, weil die oberste Bodenschichte für Tagwässer undurchlässig ist. Dies schließt aber ein Minieren in tieferen Schichten nicht immer aus. Auch für die Anlage der eigenen Minengänge ist es von Wert zu wissen, welche Bodenschichten die eigene, beziehungsweise die gegnerische Arbeit begünstigen. 16. Der Horchdienst muß einheitlich geregelt werden. Hiezu sind alle 2 bis 4 Stunden Horchpausen in der Dauer von 10 bis 30 Minuten anzuordnen. Je näher der Gegner, desto öfter wird gehorcht. Während der Horchpausen muß jede Arbeit und Bewegung, die das Horchen stören könnte, in den Gängen und in der Stellung vollkommen aufhören. Das Schießen ist nach Möglichkeit einzuschränken. 17. Ist ein gegnerischer Minenangriff konstatiert, so muß der eigene Gegenangriff ohne Zögern einsetzen. Je mehr das eigene Minensystem in diesem Momente ausgebaut ist, desto eher ist zu hoffen, daß man die feindlichen Gänge durch Sprengungen eindrückt und für die ganze weitere Folge die Initiative an sich reißt. In der Abwehr wird man tagende Wirkungen (Trichterbildung) in der Mehrzahl der Fälle vermeiden, damit dem Gegner durch die ausgeworfenen Trichter keine Deckungen geboten werden. Es werden somit Dampfminen anzuwenden sein. Ist man jedoch gezwungen, tagende Minen wirken zu lassen, so muß durch Feuer dafür gesorgt werden, daß sich der Gegner in den Trichtern nicht festsetzen kann. Dieser Fall kann beispielsweise eintreten, wenn der gegnerische Gang bedeutend tiefer liegt als der eigene und nur durch eine starke Ladung erreichbar ist.

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Nur dort, wo man eine Vorverlegung der eigenen Stellung beabsichtigt, wird man die Bildung von Trichtern anstreben und diese zu einer Stellung ausbauen. Dieses Verfahren hat aber unter Umständen den Nachteil, daß das feindliche Feuer auf die gut markierten Stellen gezogen wird und auch der Stellungsbau in dem gelockerten Erdreich schwierig ist. 18. Aus Vorstehendem ergibt sich, daß man bestrebt sein muß, das Minensystem derart anzuordnen, daß man nach Tunlichkeit das ganze Minenkampffeld durch Dampfminen beherrscht. 19. Nach gelungenen Sprengungen ist energisch weiterzubauen und durch Wiederholung dieses Vorganges zu trachten, den Gegner ganz gegen seine eigene Stellung zu drängen, um schließlich letztere — und damit die Basis für den feindlichen Minenangriff — zu zerstören. 20. Eine Minenverteidigung, die sich lediglich darauf beschränkt, den unterirdischen Angriff des Feindes durch Sprengungen abzuwehren, führt zu keiner Entscheidung und ist nur notgedrungen anzuwenden.*)

Der Minenangriff. 21. Im Angriff wird das Ziel die Zerstörung eines Teiles der gegnerischen Stellung sein. Dies erfordert die Anwendung stark geladener Minen mit tagender Wirkung (Trichterbildung). Beim planmäßigen Minenangriff wird eine angemessene Zahl von Minengängen (Stollen) möglichst großen Querschnittes — als Hauptangriffsgänge — vorgetrieben. Um diese Gänge möglichst ungestört vollenden zu können, begleitet man sie durch Neben- oder Flankengänge, die eventuell einen kleineren Querschnitt haben. Es ist zweckmäßig, wenn die Nebengänge einen entsprechenden Vorsprung gewinnen. Hiedurch kommt man in die Lage, feindliche Gänge rechtzeitig unschädlich zu machen und zieht gleichzeitig die Einwirkung des Gegners von den eigenen Hauptgängen ab. Ein bewährtes Verfahren besteht auch darin, daß zwei Minen Systeme übereinander vorgetrieben werden — Stockwerksminensystem. Das obere Stockwerk dient dann zur Abwehr feindlicher Angriffe, das untere hingegen zur Sprengung, wenn man mit dem oberen Stockwerk nicht bis unter die feindliche Stellung gelangt sein sollte. 22. Geht man aus einem zur Abwehr angeordneten Minensystem zum Angriffe vor, so wird man die schon vorhandenen Gänge nach Möglichkeit ausnützen und sich zu entscheiden haben, welche Gänge zur Sprengung der Stellung und welche zur Weiterführung des Minenkampfes dienen sollen. Im Verlaufe des Kampfes können die Gänge unter Umständen auch ihre Rollen tauschen. Hat man in der Abwehr mit dem baldigen Ansetzen des eigenen Gegenangriffes zu rechnen, so wird das Verteidigungsminensystem womöglich von Haus aus als Stockwerkssystem auszuführen sein. 23. Dient der Minenangriff der Sturmvorbereitung, so erfolgt die Sprengung der Stellung knapp vor dem Sturm. Ob dieser nur zur Besitznahme des Trichters, oder über denselben hinaus erfolgt, entscheiden die Umstände. Letzteres ist - besonders im Rahmen groß angelegter Angriffe - jedenfalls anzustreben. ——————————————- *) Die Betätigung tagender Minen gegen feindliche Sturmkolonnen wird nur selten rechtzeitig gelingen. Deren Nutzen ist überdies wegen der auftretenden Streuungen und Trichterbildungen zweifelhaft.

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Die Festsetzung im Trichter selbst gelingt nicht immer; oft ist nur die Besetzung des diesseitigen Trichterrandes möglich. Der Trichter muß gleich einen Verbindungsgraben nach rückwärts erhalten, zu dessen Ausführung Arbeitskräfte bereitzustellen sind.

Der Minenkampf. 24. Ob man die im Abschnitte „Minenverteidigung" oder „Minenangriff" angeführten Gesichtspunkte zur Geltung bringen soll, ist in jedem Einzelfalle zu erwägen. Abwehr und Angriff fließen im Minenkampfe so oft ineinander, daß nur die augenblickliche Kampflage den richtigen Entschluß bringen kann. 25. Im allgemeinen werden folgende Erfahrungssätze zu beachten sein. Wer die tiefere Schichte mit seinen Minenöfen beherrscht, ist im Vorteil. Hiefür sprechen folgende Gründe: a) die feindliche Artillerie Wirkung wird ausgeschaltet, weil der Gegner bei einer Beschießung seine eigenen Gänge gefährden würde; b) bei Bemessung der Ladungen hat man einen größeren Spielraum ; man erreicht einen höher gelegenen feindlichen Gang noch mit einer hinreichend starken Ladung, ohne tagende Wirkung zu erzielen; c) der tiefer liegende kann dem durch Sprengungen bereits gelockerten Boden beim Weiterbauen besser ausweichen; d) Sprengungen vor der Stirne des feindlichen Minenganges beschädigen meist den eigenen Gang mehr als den des Gegners. Man trachtet daher, den feindlichen Gang von unten zu treffen, oder ihm wenigstens von der Seite beizukommen. Aus all diesen Gründen ergab sich in den Minen kämpfen nach und nach das Bedürfnis, immer tiefere Schichten aufzusuchen. Es empfiehlt sich daher, das Minen System von Haus aus in bedeutender Tiefe anzulegen. Wo nicht die Wasserverhältnisse auf die Tiefenlage einen bestimmenden Einfluß ausübten, hat sich in Erde und sandigem Lehm die Zone zwischen 15 m und 25 m Tiefe als zweckmäßig erwiesen. Bei Anwendung von Stockwerkssystemen ist das obere Stockwerk in einer Tiefe von 10'bis 15 m, das untere auf etwa 25 m zu führen. Weist der Boden Schichten von ungleicher Beschaffenheit auf, so wird man jene Schichte wählen, in der die Arbeitsschwierigkeiten und Arbeitsgeräusche am geringsten sind. Dies spielt besonders bei Felsboden eine große Rolle. 26. Das Horchergebnis wird bestimmen, ob und wo man sprengen soll, oder ob man die Arbeit fortsetzt, um den Gegner günstiger zu treffen. Verfügt man über eine ausreichende Zahl von Gängen, so ist es in zweifelhaften Fällen besser, vorzeitig zu sprengen, als durch Zuwarten einen feindlichen Erfolg unabwendbar zu machen. Besonders rasches Handeln ist geboten, wenn man den Gegner unter sich festgestellt hat. 27. Das Streben, die eigenen Gänge möglichst intakt zu erhalten, oder tagende Wirkungen zu vermeiden, darf nicht zur Anwendung zu schwacher Ladungen führen, was besonders im Felsboden zu beachten ist. Das Hauptziel bleibt immer die nachhaltige Zerstörung feindlicher Minengänge; unerwünschte Nebenwirkungen müssen mitunter in Kauf genommen werden. 28. Wo Bohrlöcher ausführbar sind, ist deren Anwendung stets in Erwägung zu ziehen. Sie können sowohl zum Horchen als auch zur Anbringung von Ladungen ausgenützt werden und sind oft rascher als Gänge vorzutreiben. In der Abwehr ermöglichen sie mitunter die Anwendung kleinerer Ladungen, weil man die Minenöfen näher an den zu zerstörenden

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feindlichen Gang heranschieben kann. Hiedurch können die eigenen Gänge länger erhalten, beziehungsweise unangenehme Nebenwirkungen ausgeschaltet werden. 29. Die Mineure müssen mit Pistolen und Dolchen ausgerüstet sein und Schutzschilde bei der Hand haben, da man mit Zusammenstößen innerhalb der Minengänge rechnen muß. Hat man durch Horchen den bevorstehenden Einbruch des Gegners erkannt und fehlt die Zeit, um eine verdämmte Ladung anzubringen, die den Minengang zuverlässig zerstört, so ist in aller Stille zuzuwarten. Nach dem Einbruch des Gegners sind die feindlichen Mineure energisch anzufallen, niederzumachen oder zu vertreiben. Dann soll man in den feindlichen Gang vordringen und ihn durch Sprengung so weitgehend als möglich beschädigen. Die nötigen Ladungen und die Sandsäcke für eine flüchtige Verdammung sind während des Abwartens des Einbruches bereitzustellen. Es empfiehlt sich auch, möglichst weit im feindlichen Gang eine Verbauung aus Sandsäcken anzuordnen und den jenseitigen Teil in Brand zu stecken, bevor die Verbauung ganz geschlossen wurde. Dann kann obendrein noch gesprengt werden, In der feindlichen Stellung aufsteigender Rauch läßt die Ganganbrüche erkennen, die dann zu beschießen sind. Diese Kampfweise wurde wiederholt mit Erfolg angewendet. Sie wirkt moralisch günstig auf die eigenen Truppen und ist geeignet, den Gegner für einige Zeit lahmzulegen. 30. Das Verhalten bei Sprengungen regeln die Kommandanten der Besatzung auf Grund der Anträge der technischen Offiziere. Sind Sprengungen des Gegners nahe oder unter der eigenen Stellung zu erwarten, so ist die Besatzung der ersten Linie auf das äußerste Mindestmaß zu beschränken. Weiter rückwärts sind Reserven bereitzustellen. Flankierungsanlagen, die den gefährdeten Raum bestreichen, sind zu besetzen. Infanteriegeschütze, Maschinengewehre und Minenwerfer sind gleichfalls zur Bekämpfung der Einbruchsstelle anzuweisen. Die Artillerie muß bereit sein, Sperrfeuer abzugeben, beziehungsweise den eingedrungenen Feind direkt zu fassen. Dem seitlichen Ausbreiten des etwa eingedrungenen Feindes muß durch Anbringung von Sandsackverbauungen und leicht zu handhabenden Hindernisabschlüssen vorgebeugt werden (siehe „Anhaltspunkte für die Ausführung von Feldbefestigungen etc."). Für das Schließen gesprengter Hindernisse wird Material bereitgehalten. Bis zum letzten Augenblick ist jedoch zu trachten, den Feind durch eigene Minen abzuweisen. Gelingt die feindliche Sprengung trotzdem und dringt der Gegner ein, so ist er erfahrungsgemäß durch einen Gegenangriff leicht wieder hinauszuwerfen, wenn die vorstehend angedeuteten Vorkehrungen getroffen wurden. Stürmt der Gegner nach der ersten Explosion nicht, so ist eine Zeitlang gefechtsbereit zuzuwarten, weil weitere Sprengungen folgen können. Bei eigenen Sprengungen sind die zu gewärtigenden Erschütterungen, bei tagenden Minen auch die Streuungen zu berücksichtigen und danach die zur Sicherung der eigenen Kräfte nötigen Maßnahmen zu treffen. Wenn im Angriffe die gegnerische Stellung mit stark geladenen Minen zerstört wird, so sind — je nach der Entfernung — die Unterstände (Kavernen) der vordersten Stellung zu räumen und, wenn nötig, zu verspreizen. Unter Umständen ist es sogar notwendig, die zum Sturme bestimmten Truppen in einer rückwärtigen Linie, durch Brettafeln gegen Sprengtrümmer geschützt, bereitzustellen. Es muß aber dafür gesorgt werden, daß der vordere Schützengraben beim Vorgehen zum Sturme leicht überschritten werden kann. Hiezu können die vorerwähnten Brettafeln ausgenützt werden.

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31. In kleineren Verhältnissen, oder wo nur eine eng begrenzte Aufgabe durch Anwendung von Minen zu lösen ist, vereinfachen sich alle Vorgänge sehr wesentlich. 32. Zu Beginn der Minenarbeiten ergeben sich unvermeidliche Schwächemomente, weil sich viele Faktoren, die für die Führung des Minenkampfes maßgebend sind, erst durch die Arbeit und durch den Kampf selbst genau feststellen lassen (z. B. Horchweite, Entfernung des Gegners, Bodenschichtung u. dgl.) Ein gegebenes Minenkampffeld muß daher möglichst bald durch Anlage eines Minensystems ausgebaut werden, damit man vom Gegner nicht sozusagen in der Entwicklung angefallen werde. 33. Aus allen bisherigen Ausführungen ist zu erkennen, daß im Minenkampf dieselben Grundsätze zu beachten sind wie in allen sonstigen Kämpfen. Die Form ist eine andere, das Wesen aber dasselbe. Klares Erfassen der Aufgabe, richtige Wahl der Mittel, verständnisvolles Zusammenwirken aller Waffen, in kritischen Augenblicken Wagemut, sind auch im Minenkampfe die Quellen des Erfolges.

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II. Technischer Vorgang.

Anordnung des Minensystems. 34. Die beiden Forderungen, das Abhorchen des ganzen zu sichernden Raumes zu ermöglichen und gleichzeitig denselben Raum durch Minen beherrschen zu können, müssen derart in Einklang gebracht werden, daß der angestrebte Zweck mit dem geringsten Arbeitsaufwand erreicht wird. Die hiezu nötigen Erwägungen haben sich auf folgende — je nach Umständen, teils gegebene, teils zu ermittelnde — entscheidende Faktoren zu stützen: Die Tiefenlage der anzuwendenden Minenöfen (siehe Pkt. 25); die Entfernung, auf die man feindliche Arbeit noch hört (maximale Horchweite); die Art der anzuwendenden Minen (in der Nähe der eigenen Stellung jedenfalls Dampfminen) ; die Gliederung der eigenen Kampfstellung nach der Tiefe, einschließlich Hindernis, das durch eigene Sprengungen nicht leiden soll; schließlich, ob man Gänge, Bohrlöcher oder beides kombiniert anzuwenden haben wird. Im allgemeinen braucht man mit zunehmender Tiefe weniger Minenöfen, um den ganzen Frontraum durch Dampfminen zu beherrschen, weil größere Ladungen — mit größerer Wirkungssphäre — anwendbar sind. Je tiefer die Ofen, desto weiter können die Gänge voneinander sein. Ihre Entfernung darf aber nicht so groß werden, daß man das Intervall nicht mehr behorchen kann. Die doppelte Horchweite ist somit das Maximum für die Entfernung der Gänge.*) 35. Allgemein gültige Anhaltspunkte für die Horchweite lassen sich nicht geben. Sehr geschickte Mineure können es in leicht zu bearbeitendem Boden zu Wege bringen, sich in die unmittelbarste Nähe des feindlichen Ganges ungehört vorzuarbeiten. Anderseits kam es vor, daß man in festem, wenig sandigem Lehm selbst auf 30 m Holzarbeit von Erdarbeit deutlich unterscheiden konnte. In Kies und Sand kann man auf 35 m jede Art von Arbeit erkennen. In Felsboden hören geübte Ohren Arbeiten schon auf 50 — 70 m Entfernung. Wo gar keine Erfahrungsdaten vorliegen, wird man für den Beginn der Arbeit eine Horchweite von etwa 15 m annehmen können. Das Behorchen eigener benachbarter Arbeiten wird dann das richtige Maß ergeben, das für die Folge als Grundlage zu dienen hat. 36. Solange man nur mit einfachen Gängen vorarbeitet, ergibt sich der Nachteil, daß man die Ladungen nur in diesen Gängen anbringen kann und immer eine teilweise Beschädigung derselben durch die eigene Sprengung hinnehmen muß. Dies kann auf ein Mindestmaß eingeschränkt werden, wenn man sich durch abzweigende Gänge oder Bohrlöcher die Möglichkeit schafft, Minenöfen in den Intervallen anzulegen. Im Hauptgang muß in diesem Falle nur dann gesprengt werden, wenn der feindliche Gang durch den Ofen des Intervalls nicht mit Sicherheit gefaßt werden kann, d. h. wenn der Gegner zufällig direkt auf den Hauptgang losarbeitet. Ist man in der Lage, die vorgetriebenen Gänge durch beiläufig parallel zur Front laufende Quergänge (Quergalerie, Enveloppe) zu verbinden, so hat man es in der Hand, im ganzen Frontraum an beliebiger Stelle zu horchen oder zu sprengen. ————————— *) Der Wirkungsbereich der stärksten Ladung, die noch als Dampfmine wirkt, erstreckt sich nach allen Seiten — grob genommen — so weit, als sie tief liegt. Die geringste Zahl von Gängen würde man theoretisch somit dann erhalten, wenn man die Minenöfen so tief legt, als die maximale Horchweite beträgt. Dann sind Gangentfernung, doppelter Einsturzhalbmesser und doppelte Horchweite einander gleich. Nimmt man eine größere Tiefe, so darf die Gangentfernung trotzdem nicht größer werden als die doppelte Horchweite. Die Wirkungsbereiche übergreifen sich dann.

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Die Quergänge erleichtern auch die Entwicklung eines Gegenangriffes und das Vortreiben weiterer Horchgänge. 37. Die Entfernung der ersten Reihe der Minenöfen oder des Querganges von der eigenen Stellung soll womöglich so groß sein, daß man selbst eine normal geladene Trichtermine (im Notfalle) anwenden kann, ohne daß der der Feuerlinie zunächst liegende Hindernisteil erschüttert oder verschüttet wird. Trichterbildungen, die etwa 30 m von der Kammlinie sind, können äußerstenfalls noch in Kauf genommen werden, da man das Festsetzen des Gegners auf diese kleine Entfernung durch Handgranaten meist verhindern kann; nötigenfalls kann ein so nahe liegender Trichter in die eigene Stellung einbezogen werden. 38. Das Vortreiben der Gänge kann wohl an beliebiger Stelle des vordersten Schützengrabens, ja selbst aus vorgeschobenen Horchpostendeckungen begonnen werden. Dies hat aber den großen Nachteil, daß der ganze Erd-und Materialtransport schwer zu verbergen ist und der Verkehr in der Kampfstellung empfindlich gestört wird. Zweckmäßiger ist daher der Anbruch der Gänge aus einer besonderen Deckung hinter der ersten Linie, oder aus einem der Verbindungsgräben, ja selbst aus der zweiten Schützengrabenlinie. Für die Gewinnung größerer Tiefen wird hiedurch auch an Entwicklungslänge gewonnen. Dies fällt um so mehr ins Gewicht, als das Streben dahin gerichtet sein muß, mit den Gängen schon in schußsicherer Tiefe (siehe „Anhaltspunkte f. d. Ausführung von Feldbefestigungen usw.") unter der Sohle des vordersten Schützengrabens durchzukommen. Die Deckung, aus der der Anbruch der Gänge erfolgt, heißt Minenlogement*) (Minengraben, Minenvorraum, Minenvorhaus) und bildet die Basis für die Minenarbeiten. Wenn Zeit vorhanden, wird man geräumige, unterirdische Minenlogements anordnen, die solid, nach Art der schußsicheren Unterstände gezimmert sind, zwei Zugänge haben und eine Erddecke von wenigstens 5 m besitzen. Hier kann Mannschaft ruhen, Werkzeug und Material deponiert sein. Auch der gewonnene Boden kann dort bis zum Einbruch der Dunkelheit aufbewahrt werden, damit nicht bei Tage durchgeführte regelmäßige Erdtransporte den Gegner aufmerksam machen. 39. Die angestrebte Tiefe kann durch Abteufen von Brunnen (Schächten), durch Treppen oder sanft fallende Gänge erreicht werden. Die letztgenannte Art ist für die Lüftung und Materialförderung am vorteilhaftesten. Wo Wasser auftritt, werden Brunnen zweckmäßiger sein, damit sich das Wasser nicht vor Ort sammelt.

Ausführung der Gänge und Brunnen. 40. Der Querschnitt der Gänge ist der Ganglänge und der Art des Erdtransports anzupassen. Je länger die Gänge, desto bequemer müssen sie sein. Wo sehr bedeutende Entfernungen zu überwinden sind, werden Stollen, in denen man zur Not aufrecht gehen kann, am Platze sein. In Gängen kleinen Profils (0.60/1 .00) wirkt bei längeren Strecken der Mangel an Luft auf die Arbeit verzögernd ein. Der Gangquerschnitt 0.80/1.20 m hat sich auch auf größere Strecken als brauchbar erwiesen. Bei Ganglängen, die etwa 200 m erreichten, machte sich das Bedürfnis nach größerer Höhe fühlbar. Dasselbe gilt von treppenförmigen oder stark geneigten Gängen. ————————————- *) Dieser historische Ausdruck hat sich bei uns erhalten. Die eingeklammerten Bezeichnungen sind im deutschen Heere üblich. In permanenten Befestigungen nannte man den Anbruchsraum „Galerie majeure".

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41. Die Gänge und Stollen sind mit Holz zu bekleiden. Teilweise Bekleidung oder ein gänzliches Weglassen derselben hat nach Sprengungen oder starkem Artilleriefeuer, bei längerer Dauer auch infolge von Witterungseinflüssen, ein Nachstürzen des Bodens zur Folge. Nur dort, wo nach der taktischen Lage raschestes Vorwärtskommen entscheidend, starkes Artilleriefeuer entweder nicht zu erwarten ist, oder wegen großer Tiefenlage nicht zur Geltung kommt, kann in standfestem Boden auf eine Bekleidung verzichtet werden. Es genügt dann meist ein teil weises Bekleiden der Gänge. Hauptgänge sollen, wo nur möglich, eine Bekleidung erhalten. Die Bekleidung mit Rahmen aus Pfosten von 4 bis 6 cm Dicke hat sich bei Gängen bis 0.80/1.20 m bewährt. Rahmenbekleidung aus starken Bohlen (8 —10 cm) oder Rundholz (Mann an Mann, 15—20 cm Durchmesser) wurde im Lehmboden bei Querschnitten von 1.35/1.75 in Anwendung gebracht. Bei weichem Boden sollen in stark begangenen Gängen Laufbretter angebracht werden, weil sonst die Bodenstücke mit der Zeit einsinken und die Verbindung mit den Wandstücken sich löst. Stärkerer Erddruck oder zusammenhangloser Boden erfordert eine Bekleidung mit Gestellen und Brettern, bei größeren Querschnitten bergmännische Zimmerung. Diese Bekleidungsart ist auch gegen Minenexplosionen unempfindlicher. Brunnen und Schächte sind analog zu verkleiden. 42. Zum Durchbrechen stark wasserführender Sandschichten (Schwimmsand) werden die Rahmen zu einem einheitlichen Kasten versteift und unten mit einer Schneide versehen. Das Versenken erfolgt durch Belastung mit Sandsäcken und Druck von Wagenwinden. Der Sand wird durch Schlammpumpen gehoben oder ausgebaggert. Der Kasten wir oben nach Bedarf verlängert. Um einen ganz trockenen Schacht zu erhalten, wird derselbe zuerst mit größerem Querschnitt ausgebaut, dann die innere Verkleidung eingesetzt und der Zwischenraum (etwa 30 bis 40 cm) mit Zement (Gußbeton) ausgegossen. Für den Gangbau in wasserführenden Schichten und in Grundwasser haben sich doppelte oder dreifache Rahmen mit Einlagen von geteerten Lappen oder Dachpappe bewährt. Für Arbeiten in wasserführenden Schichten sind wasserdichte Anzüge rechtzeitig anzufordern. 43. In hartem Gestein beschleunigt die Anwendung von Bohrschüssen die Arbeit. Nahe am Feinde ist jedoch das Sprengen zu vermeiden. 44. Zur Bereitstellung von Munition und Verdämmungsmaterial sind in längeren Gängen Nischen anzuordnen. Wo abzweigende Gänge Anwendung finden, haben sich Erweiterungen von Gängen — Abzweigkammern —, in denen man aufrecht stehen kann, als praktisch erwiesen.

Beseitigung des Aushubes. 45. Der ausgehobene Boden wird am zweckmäßigsten in Sandsäcke gefüllt und durch Minenhunde, Schiebtruhen oder Schwebebahnen aus dem Gang entfernt. Ein Teil kann in den Gangnischen oder im Minenlogement zur Ausführung von Verdammungen bereitgestellt werden. Wo die Erdförderung mit Schiebtruhen erfolgt, sind Ausweich- und Ruhekammern (1.35 m breit, 1.75 m hoch, Entfernung voneinander ca. 30 m) vorteilhaft. Die Ablagerung des Bodens muß vollkommen unauffällig erfolgen, damit der Feind nicht auf die Minen arbeiten aufmerksam wird.

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Lüftung. 46. Die Zufuhr frischer Luft in die Gänge ist für eine gedeihliche Arbeit unerläßlich. Längere Gänge müssen durch Einpressen von Frischluft ventiliert werden. Diese Notwendigkeit ergab sich stellenweise schon bei Ganglängen von 20 m. Das Absaugen der verbrauchten Luft hat Einziehen der im Boden befindlichen Erd- und Sprenggase zur Folge. Wo ein Quergang vorhanden ist, entsteht eine sehr wirksame natürliche Luftzirkulation. Nach jeder Sprengung muß der Gang unbedingt ventiliert werden, bevor er betreten wird. In den Gängen, besonders vor Ort, sind Sauerstoffflaschen bereitzuhalten. Durch Auslassen einer geringen Menge von Sauerstoff kann — wenn die Luftzufuhr nicht ausreicht — vorübergehend Abhilfe geschaffen werden. 47. Luftlöcher, die in der Decke durch Bohren erzeugt werden, ergeben wohl gute Lüftung. Das Eindringen von Niederschlagwasser durch dieselben ist aber nur schwer zu verhindern. Sie kommen auch nur dort in Frage, wo die entströmende warme Luft den Minengang nicht verrät. Die Luftlöcher müssen schräg nach hinten geführt und während der Arbeit bei Nacht verdämmt werden, damit Geräusche und Lichtschimmer auch von feindlichen Patrouillen nicht wahrgenommen werden können. 48. Zur künstlichen Lüftung dürfen nur geräuschschwache Handlüfter und elektrische Ventilatoren verwendet werden. Der Handlüfter M. 15 hat sich gut bewährt. Über die Elektroventilatoren*) — die Luft durch Rohrleitungen bis über 150 m drücken — liegen ebenfalls gute Erfahrungen aus dem Felde vor. Im Notfalle können auch Blasebälge verwendet werden. 49. Die Lüftungsapparate müssen abseits der Ganganbrüche aufgestellt werden, damit wirklich ganz frische Luft eingepreßt wird.

Beleuchtung. 50. Zur Beleuchtung der Minengänge haben sich Kerzenlaternen und die bei uns eingeführten Akkumulatorenhandlampen **) sowie auch Handlaternen mit Trockenelementen gut bewährt. Das Laden der Akkumulatorenhandlampen erfolgt schon wegen der hiebei sich einstellenden Gasentwicklung selbstverständlich nur außerhalb der Minengänge. Azetylenlampen sind nur dort zweckmäßig, wo ausgiebige künstliche Lüftung vorhanden. Öllaternen entwickeln bei ungenügender Sauerstoffzufuhr viel Ruß; sie sind auch bei Zertrümmerung des Ölbehälters nicht ungefährlich. Zum Laden sollen nur elektrische Handlampen genommen werden. ———————————— *) Von den neu formierten Elektroventilatorzügen hat jeder Zug 5 Zentrifugalventilatoren mit je 150 m Kohrleitung, 50 Akkumulatorenhandlampen und 1 Zentrifugalpumpe mit 200 m Rohrleitung. Bei den verstärkten Elektrozügen und mobilen H. H.-Anlagen sind auch Elektroventilatoren (1—5 Stück) vorhanden. **) In jedem der bestehenden Lichtakkumulatorzüge sind 300 Akkumulatorenhandlampen eingestellt. Über derartige Lampen verfügen auch Ventilatorzüge (siehe erste Fußnote), sowie die mobilen H. H.-Anlagen.

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51. Am vorteilhaftesten ist die ständige Installation elektrischer Beleuchtung*). Wo elektrische Zündung der Minen in Anwendung kommt, sind zündende Induktionswirkungen wegen der geringen Energien, die hiebei übertragen werden, wohl nicht zu befürchten. Es empfiehlt sich aber, die Zündleitungen gehörig getrennt von den Lichtleitungen zu führen, weil bei abgenützten Leitungen Isolationsfehler vorkommen und durch Ableitung oder Erdschluß eine Zündung erfolgen kann. Vor dem Einführen der Zünder in die Ladungen ist es daher ratsam, die Lichtleitung auszuschalten und beim Laden nur elektrische Handlaternen zu benützen.

Entwässerung. 52. Wo Wasser in erheblicher Menge auftritt, sind Sammelstellen einzurichten und auszupumpen. Die Gefällsverhältnisse sind danach zu regeln. Elektrische Pumpen sind in den Elektroventilatorzügen, verstärkten Elektrozügen, mobilen H. H.-Aulagen und in eigenen Pumpenzügen**) eingestellt. Wo es nötig ist, sind die Grundwasserverhältnisse ständig zu beobachten und zu messen. Ein Fallen des Wasserspiegels kann unter Umständen darauf schließen lassen, daß ein feindlicher, tiefer gelegener Gang das Wasser ansaugt.

Durchführung der Arbeiten. 53. Nahe am Feinde sind alle Arbeiten so geräuschlos als möglich durchzuführen. Dies hängt naturgemäß von der Geschicklichkeit der Mineure ab, die mit zunehmender Übung einen sehr hohen Grad erreichen kann. Die in Gängen verkehrende Mannschaft soll Stroh-, Filz- oder Turnschuhe haben. Die Räder von Minenhunden oder Schiebtruhen sind mit Gummi, Filz oder Leder zu umgeben. Das Belegen der Gangsohle mit Stroh und Erde bewährt sich auf die Dauer nicht. Das Stroh fault und die Luft wird verschlechtert. 54. Bei allen Arbeiten sind vorhandene maschinelle Hilfsmittel weitestgehend auszunützen, insbesondere für Ventilation, Beleuchtung und Betätigung von Bohrmaschinen. Bei letzteren ist jedoch im Felsboden wegen der starken Geräusche die Verwendbarkeit eine beschränkte.***) Der nach und nach zur Einführung gelangende elektr. Minenhohlbohrer (zur Herstellung von Bohrlöchern in Erde, 25 cm Kaliber, 40 m Bohrlänge) ist im Felde noch nicht hinreichend erprobt. ————————————- *) Zur Installation ist jeder Elektrozug, Lichtakkumulatorzug, Ventilatorenzug und jede mob. H. H.-Anlage befähigt. **) Mobile Pumpenzüge besitzen 5 bis 10 Pumpeneinheiten. Die großen Pumpen fördern 350 l, die kleinen 220 l pro Minute. Förderhöhe 15 m. ***) Von einzelnen bei der Armee im Felde eingeführten maschinellen Gesteinsbohranlagen kann man meist nur im Stollenbau, wo große Querschnitte anzubrechen sind, Gebrauch machen. Diese Anlagen (Gesteinsbohrzüge) haben entweder rein elektrische Bohrmaschinen oder rein pneumatische (Flottmann-Preßluft), eventuell elektrisch-pneumatische Bohrhämmer. Im Hochgebirge kommen für die Kampffront speziell die Fauckschen Bohranlagen in Betracht; für weicheres Gestein und kleinere Profile Handbohrmaschinen (Bohrratschen).

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55. Bei allen maschinellen Hilfsmitteln sind die bezüglichen Gebrauchsanweisungen (Instruktionen) genau zu befolgen, da die Nichtbeachtung scheinbar geringfügiger Details den Betrieb in Frage stellen kann, oder eine vorzeitige Abnützung der Apparate zur Folge hat. 56. Meßinstrumente, die in Bergwerken verwendet werden (Markscheidegeräte), leisten zur Bestimmung der Richtung und des Gefälles von Minengängen sehr gute Dienste. Auf die Notwendigkeit der Festlegung von Niveaufixpunkten wird erneuert hingewiesen. 57. Für den Arbeitsfortschritt lassen sich keine verläßlichen Anhaltspunkte geben, da derselbe nicht nur von der Bodenart, der Zufuhr von Frischluft, der Ganglänge und dem Gangquerschnitt, sondern auch von der Geschicklichkeit, dem Ausbildungsgrad und dem Kräftezustand der Mannschaft abhängt. Im Lehmboden wurden bei ganz kurzen Gängen 6 m täglich geleistet. Der Durchschnitt betrug aber 1 bis 2 m. In rissigem Kalkmergel ergab sich eine Tagesleistung von 3 m ohne, beziehungsweise von 2 m mit Bekleidung.

Horchdienst. 58. Der Horchdienst ist planmäßig zu betreiben und sorgfältig zu organisieren. In den Gängen liegen Horchposten einzeln, an gefährdeten Stellen zu zweien. In letzterem Falle dürfen sie miteinander nur sprechen, wenn sie verdächtige Geräusche hören. Rauchen ist zu gestatten. Die Ausrüstung besteht aus Schreibzeug, Licht, Uhr, Pistole und Dolch. Nach Überbringung einer Meldung begibt sich jeder wieder auf seinen Posten. Unter Umständen ist es notwendig, das Minensystem in seiner ganzen Ausdehnung schrittweise abzuhorchen. Dieses Verfahren wird meist dort nötig sein, wo sich die gegenseitigen Minenarbeiten schon übergreifen. Während der Horchpausen sind feindliche Gänge oft dadurch festgestellt worden, daß einige Schüsse aus Minenwerfern auf die feindliche Stellung abgegeben wurden. Man hörte dann deutlich das Hineinlaufen der feindlichen Besatzung in die Gänge. Vor dem Sprengen wurde der Feind auf gleiche Weise zum Untertreten veranlaßt. 59. Das verläßlichste Horchmittel ist das menschliche Ohr. Die Auswahl der Horchposten ist daher mit besonderer Sorgfalt zu treffen. Es existieren zahlreiche Systeme von Horchapparaten, die eine Verstärkung der Geräusche bewirken und auch ein telephonisches Horchen aus der Ferne zulassen, die aber die Bestimmung der Richtung des Schalles nicht ermöglichen. Der Nutzen der Horchapparate ist kein unbestrittener. Manche Horcher hörten mit dem freien Ohr mindestens ebenso gut wie mit Apparaten und konnten auch die Richtung des Schalles bestimmen. Andere hörten wieder nur mit Apparaten, ohne aber die Richtung bestimmen zu können. Dies kann psychologisch vielleicht darauf zurückgeführt werden, daß man bei Anwendung eines Apparates überzeugt ist, etwas hören zu müssen, und daher sein Gehör möglichst anstrengt. Relativ am besten haben bisher Schalltrichter und der Horchapparat der „G. m. b. H. zur Erforschung des Erdinnern in Göttingen" entsprochen. Apparate, die ein telephonisches Horchen gestatten, geben die Möglichkeit, mehrere Gänge (bis zu 10) von einem Punkte aus zu überwachen und durch vergleichsweises Abhorchen der Gänge die Arbeitsstelle des Feindes annähernd zu bestimmen oder auch bei zündungsbereiten Minenöfen das Horchen von außen fortzusetzen. Über die Feldbrauchbarkeit dieser Apparate liegen jedoch keine überzeugenden Erfahrungen vor. Die genaue Richtungsbestimmung und das Schätzen der Distanz ist nur durch das Horchen vor Ort mit freiem Ohre durchführbar.

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Da die verschiedenen Systeme nur in ganz bestimmten Verhältnissen eine gewisse Leistung haben, wurde deren Zuweisung nicht allgemein verfügt, dies um so mehr, als hiedurch eine Belastung der Truppe durch unfruchtbare Erprobungen eingetreten wäre.

Gesundheitspflege, Rettungsdienst. 60. Bei Sappeurkompagnien, die längere Zeit im Minendienste stehen, wurde ein außergewöhnlich großer Abgang an Kranken festgestellt. Hauptsächlich sind Erkrankungen der Nieren, des Herzens und der Nerven aufgetreten. Nieren- und Herzleiden sind auf den Mangel an Sauerstoff, großen Durst und schwere körperliche Arbeit in fortgesetzt gebückter Haltung zurückzuführen. Als Folge der Herzschwäche und des Bewußtseins, von einer feindlichen Mine eingequetscht werden zu können, tritt eine große Nervosität ein, die selbst bei kaltblütigen und kriegsgewohnten Leuten beobachtet wurde. Diese Leiden sind auch von Fieber begleitet. Solchen Erscheinungen kann vorgebeugt werden durch reichlichere Verpflegung (einschließlich Getränke), ausgiebige Entlastung durch Hilfsmannschaft (Infanterie oder Arbeiterabteilungen) und durch abwechselnde Verlegung der Sappeure in einen Ort, der den Gefechtseindrücken entrückt ist. (Von einer Kompagnie kann beispielsweise stets ein Zug auf eine Woche zurückgezogen werden, so daß nach je drei Wochen Arbeit, eine Woche Ruhe folgt.) 61. Durch Sprengung feindlicher Minen entstehende Gase können in wenigen Sekunden töten. Sie dringen in nicht von der Sprengung berührten Stellen manchmal erst nach längerer Zeit ein. Starke Zerklüftung im Gestein begünstigt den Eintritt der Gase. 62. Wo mit Sprengungen des Gegners zu rechnen ist, sind Rettungsvorkehrungen zu treffen. Die Mannschaft muß im Anseilen, Fortschaffen von Verunglückten, Anwendung künstlicher Atmung und in der Benützung der Atemschutzapparate ausgebildet sein. Gänge, in denen eigene oder in deren Nähe feindliche Sprengungen stattgefunden haben, dürfen von niemandem unangeseilt betreten werden, u. zw. auch dann nicht, wenn man mit einem Atemschutzapparat ausgerüstet ist. 63. Da alle Rettungsapparate bei der Arbeit stören, muß man trachten, durch energisches Ventilieren oder Einlassen von Sauerstoff die Gänge bald gasfrei zu bekommen. Die gegen Gasangriffe eingeführten Gasschutzmasken sind in Minengängen nicht brauchbar. 64. In den Minenlogements oder in genau bezeichneten Unterständen sind Rettungspatrouillen bereitzuhalten. Die Hilfsplätze in der Nähe von Minenarbeiten sind mit Sauerstoffinhalatoren und Pulmotoren auszustatten. In langen Gängen sind Rettungsmittel in Nischen u. dgl. bereitzustellen. 65. Es erscheint zweckmäßig, eine Alarmklingelleitung einzurichten, um im Bedarfsfalle die Mannschaft rasch aus den Gängen herausrufen zu können.

Anbringen der Ladung.

66. Als Sprengmittel kommen hauptsächlich Schwarzpulver, Dynamit und Chloratsprengpulver in Betracht. Mit Rücksicht auf den großen Bedarf wird man aber auch andere Sprengstoffe (Dynamon, Wetterdynamon, Donarit, Westphalit u. dgl.) verwenden müssen. Pulver bewährt sich in Erde am besten, ergibt aber größere Ladungen und ist schwerer zu handhaben. Schon beim Laden tritt Luftverschlechterung ein und die Beseitigung der Sprenggase ist schwieriger als bei anderen Sprengstoffen.

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In festerem Boden entsprechen Dynamit und Chloratsprengpulver sehr gut. Letzteres entwickelt jedoch sehr giftige Gase, die lang dauernde Ohnmächten verursachen. 67. Die Sprengmittel sind in wasserdichte Kästen zu 20—25 kg laboriert in die Ladekammern einzubringen. Entsprechende Mengen von Sprengmunition und Verdämmungsmaterial sollen in den Minenlogements, eventuell auch in Gangnischen bereitliegen, damit man jederzeit laden und zünden kann. Zu beachten ist, daß zur Abwehr geladene Minenöfen bei längerer Dauer infolge Feuchtigkeit unbrauchbar werden können. 68. Als Zündmittel haben sich Knall- und Fulminatzündschniir als sehr verläßlich erwiesen. Für Minen, die längere Zeit liegen müssen, ist elektrische Zündung ratsamer. (Siehe auch Pkt. 51.) 69. Sorgfältige Verdammung ist von großer Wichtigkeit, insbesondere bei Schwarzpulver. Bei Anwendung von brisanten Sprengmitteln kann im Notfalle die Verdammung wegbleiben, doch ist dann mit einer weitgehenden Beschädigung der eigenen Gänge zu rechnen. Am raschesten ist die Verdammung mit Sandsäcken auszuführen. Wenn Zeit vorhanden, sind die Gänge entsprechend zu verspreizen. Die solideste Verdammung wird durch Erdschüttung erzielt. 70. Beim Laden darf die Arbeit in den Nachbargängen nicht unterbrochen werden. Geräusch an rückwärtigen Stellen und in den Nebengängen beim letzten Vortreiben und Laden kann den Feind täuschen. 71. Die Zahl der in eine elektrische Leitung eingeschalteten Zündungen ist möglichst zu beschränken. Eine gleichzeitige Zündung läßt sich auch bei zahlreichen Einzelleitungen nach gestellten Uhren oder Signalen erreichen. 72. Bei zündungsbereiten Minen kann es praktisch sein, eine Alarmvorrichtung anzubringen. Sie besteht aus einer einfachen Drahtleitung, die im Moment, wenn die oberste Ladekiste abgehoben wird, eine Glocke bei der Wache betätigt. Gelingt es dem Gegner zufällig, zu einer Ladung zu gelangen, so kann, während er die Ladung abräumen will, gezündet werden.

Organisierung der Arbeit. 73. Ein guter Arbeitsfortschritt ist nur bei sorgfältiger, auf die körperliche Leistungsfähigkeit Bedacht nehmender Arbeitsdisposition möglich. Die anzustrebende häufige Ablösung der Offiziere und Mannschaften soll die Arbeitskraft steigern. Zu den Ruhepunkten sollen daher nicht allzu lange Märsche nötig sein. 74. Die zweckmäßigste Dauer der Arbeitsschichten ist von den Schwierigkeiten des Bodens, von dem Grad der Ausbildung und vom Kräftezustand der Mannschaft sehr abhängig und ist im konkreten Falle jeweilig zu ermitteln. Eine schablonenhafte Einteilung, die den besonderen Verhältnissen (die man erst im Laufe der Arbeit selbst entsprechend einzuschätzen vermag) nicht Rechnung trägt, führt oft zu unnötiger Überanstrengung.

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75. Der technische Leiter der Minenarbeiten kommandiert die Offiziere zum Inspektionsdienst, der der Ausdehnung des Minenfeldes und der gegnerischen Tätigkeit entsprechend anzupassen ist. Der Inspektionsoffizier hat nebst Überwachung der Arbeiten insbesondere dafür zu sorgen, daß die Ergebnisse des Horchdienstes rechtzeitig ausgenützt werden können. In dringenden Fällen hat er die nötigen Maßnahmen selbständig zu treffen. Der Inspektionsoffizier sammelt die Daten zum Tagebuch und legt sie dem Leiter der Minenarbeiten vor.

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