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Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk Seite 1 von 30 A. Situationsbeschreibung I. Einführung in das Thema Fleischermeister Korff, 58 Jahre alt, betreibt eine Fleischerei mit zwei Filialen und einem Partyservice. Auf den Bauernmärkten der Region ist die Fleischerei Korff auch immer vertreten. Fleischer Korff ist dafür verantwortlich, dass die Fleischerei läuft. Er holt Angebote und Aufträge ein, hilft da aus, wo Not am Mann ist, ob beim Zerlegen der Ware, Kuttern oder im Partyservice. Er holt und liefert die Ware und schaut bei den Filialen nach dem Rechten. Die Ehefrau des Fleischermeisters ist für das Büro und die Buchhaltung zuständig. Herr Korff hat einen Sohn und bereits eine Enkelin. Sein Sohn hat sich jedoch für einen anderen Beruf entschieden. Weiterhin sind neun Mitarbeiter (drei Fleischergesellen, sechs Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandwerk, Spezialisierung Fleischerei) bei Fleischer Korff angestellt. Auszubildende hat Fleischer Korff zurzeit nicht, es hatte sich im letzten Jahr einfach keiner beworben. Aber Herr Korff hat bereits die Jahre davor ausgebildet. Er „nimmt“ immer nur einen Auszubildenden für drei Jahre, d.h. er bildet den einen Auszubildenden aus, bevor er einen neuen Auszubildenden einstellt. Bei einem Gespräch mit seiner Frau wird Fleischermeister Korff wieder bewusst, dass er dringend etwas tun muss. Sein Altgeselle ist 62 Jahre und wird in absehbarer Zeit in Rente gehen. Von den beiden anderen Gesellen ist einer ein ehemaliger Auszubildender, Jens, der nun überlegt, ob er seinen Fleischermeister macht. Wird Fleischer Korff also in zehn Jahren seine Fleischerei abschließen müssen oder kann er die Fleischerei an einen fähigen Mitarbeiter übergeben? Auch in den Filialen, im Verkauf und beim Partyservice wird Unterstützung benötigt. Fleischer Korff beschließt, dieses Jahr wieder auszubilden. Aber wie kommt er an motivierte und geeignete Bewerber? Er weiß, dass es um das Image der Ausbildung im Fleischerhandwerk nicht gut bestellt ist und die wenigen Schüler sich eher in die Regionen Hamburg und Lübeck bewerben. Er fragt sich, wie soll er jetzt vorgehen?

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Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk

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A. Situationsbeschreibung

I. Einführung in das Thema

Fleischermeister Korff, 58 Jahre alt, betreibt eine Fleischerei mit zwei Filialen und

einem Partyservice. Auf den Bauernmärkten der Region ist die Fleischerei Korff auch

immer vertreten. Fleischer Korff ist dafür verantwortlich, dass die Fleischerei läuft. Er

holt Angebote und Aufträge ein, hilft da aus, wo Not am Mann ist, ob beim Zerlegen

der Ware, Kuttern oder im Partyservice. Er holt und liefert die Ware und schaut bei

den Filialen nach dem Rechten. Die Ehefrau des Fleischermeisters ist für das Büro

und die Buchhaltung zuständig. Herr Korff hat einen Sohn und bereits eine Enkelin.

Sein Sohn hat sich jedoch für einen anderen Beruf entschieden. Weiterhin sind neun

Mitarbeiter (drei Fleischergesellen, sechs Fachverkäuferinnen im

Lebensmittelhandwerk, Spezialisierung Fleischerei) bei Fleischer Korff angestellt.

Auszubildende hat Fleischer Korff zurzeit nicht, es hatte sich im letzten Jahr einfach

keiner beworben. Aber Herr Korff hat bereits die Jahre davor ausgebildet. Er „nimmt“

immer nur einen Auszubildenden für drei Jahre, d.h. er bildet den einen

Auszubildenden aus, bevor er einen neuen Auszubildenden einstellt.

Bei einem Gespräch mit seiner Frau wird Fleischermeister Korff wieder bewusst,

dass er dringend etwas tun muss. Sein Altgeselle ist 62 Jahre und wird in absehbarer

Zeit in Rente gehen. Von den beiden anderen Gesellen ist einer ein ehemaliger

Auszubildender, Jens, der nun überlegt, ob er seinen Fleischermeister macht. Wird

Fleischer Korff also in zehn Jahren seine Fleischerei abschließen müssen oder kann

er die Fleischerei an einen fähigen Mitarbeiter übergeben? Auch in den Filialen, im

Verkauf und beim Partyservice wird Unterstützung benötigt.

Fleischer Korff beschließt, dieses Jahr wieder auszubilden. Aber wie kommt er an

motivierte und geeignete Bewerber? Er weiß, dass es um das Image der Ausbildung

im Fleischerhandwerk nicht gut bestellt ist und die wenigen Schüler sich eher in die

Regionen Hamburg und Lübeck bewerben.

Er fragt sich, wie soll er jetzt vorgehen?

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II. Ausgangslage und Projektauftrag

Das Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan, steht in Mecklenburg-

Vorpommern vor einer der größten Herausforderungen: Jugendliche für das

Handwerk zu begeistern und dadurch Fachkräfte für das Handwerk und die Region

zu sichern.

Auch bei momentaner anziehender Konjunktur droht in Mecklenburg-Vorpommern

ohne intensive Aus- und Weiterbildungsaktivitäten und angesichts der Entwicklung

zentraler Rahmenbedingungen wie dem Wandel vom traditionellen Handwerk zum

Dienstleistungsgeschäft, die demografischen Veränderungen, der Globalisierung und

der technologischen Entwicklung ein erheblicher Fach- und Führungskräftemangel.

Gerade im Handwerksbereich, in dem weit mehr als 90 % aller

Handwerksunternehmen weniger als 20 Beschäftigte haben1, kommt der

Qualifikation der Mitarbeiter eine strategische Bedeutung zu. Die wirtschaftliche

Entwicklung von Handwerksbetrieben ist u. a. abhängig von den umfassenden

Kompetenzprofilen ihrer Mitarbeiter. Die geeignete Fachkraft ist ein erfolgskritischer

Faktor und eine bedeutende Größe zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im

Handwerksunternehmen, die sich gegenüber anderen Handwerksunternehmen

sowie auch der Industrialisierung behaupten müssen.

Der Ausbildungsmarkt ist in Bewegung. Zwischen ausbildungswilligen Unternehmen

ist ein starker Wettbewerb um jeden einzelnen ausbildungsinteressierten

Jugendlichen entbrannt. Für einige Betriebe ist dieser Kampf jedoch jetzt schon

härter als für andere. Denn nicht jeder Beruf steht auf der Wunschliste der

Jugendlichen ganz oben. Das Image der Handwerksberufe ist angeschlagen.

Körperliche Anstrengungen, schmutzige Hände, Arbeiten auf Baustellen, rauer

Umgangston – diese Ansichten von handwerklichen Berufen machen die Suche und

vor allem das Finden von Auszubildenden nicht leichter.

1 Internetseite des ZDH, URL http://www.zdh.de/daten-und-fakten/beschaeftigte-umsaetze.html, Abruf:

17.01.2013

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In der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.

September 2012 wird aufgezeigt, dass „von den Zuständigkeitsbereichen

insbesondere das Handwerk von dem Problem betroffen ist, einen Teil der

Ausbildungsplätze nicht besetzen zu können. Im ostdeutschen Handwerk lag der

Anteil der offenen Stellen am Ausbildungsplatzangebot bei 8,1%, im westdeutschen

Handwerk bei 6,4%.“2

Auch die Innungsbetriebe der der Kreishandwerkerschaft Schwerin angeschlossenen

Innungen spüren die Auswirkungen des demografischen Wandels deutlich. Die

Kreishandwerkerschaft Schwerin ist der direkte Ansprechpartner für die

Handwerksbetriebe der ihr angeschlossenen Innungen. Durch die

Kreishandwerkerschaft Schwerin werden 15 Innungen mit ca. 530 Betrieben betreut.

Als „Rathaus des Handwerks" ist die Arbeit insbesondere darauf ausgerichtet, die

Innungen mit ihren Ausschüssen, u. a. Prüfungsausschüsse, zu unterstützen, die

Obermeister zu entlasten, den Innungsmitgliedern Problemlösungen anzubieten und

dabei rationell und kompetent zu helfen. Als moderner Dienstleister für die Innungen

mit einem breiten Aufgabenbereich ist die Kreishandwerkerschaft Schwerin nach DIN

EN ISO 9001 : 2008 und als Träger nach AZAV zertifiziert.

In der Arbeit mit und für die Innungsbetriebe wird das Problem des Fach- und

Führungskräftemangels immer präsenter. In den letzten Jahren hat sich für die

Schweriner Handwerksbetriebe das Blatt auf dem Arbeits- und Auszubildendenmarkt

gewandelt. Lagen vor Jahren noch stapelweise Bewerbungen auf den Tischen der

Handwerksunternehmer, klagen heute die Handwerksbetriebe darüber, wie schwierig

es ist, Auszubildende zu finden.

In einer von der Kreishandwerkerschaft Schwerin durchgeführten Befragung zur

Fachkräftesituation in den Innungsbetrieben im Frühjahr 2012 gaben 71 % der

Unternehmen auf die Frage „Was tun Sie oder wollen Sie in Ihrem Betrieb tun, um

Ihre Fachkräfte in der Zukunft zu sichern?“ an, die eigene Ausbildung zu verstärken.

Jedoch mussten 38 % der Handwerksbetriebe Ausbildungsplätze unbesetzt lassen.

Und 10 % sagten aus, dass sie sehr lange suchen mussten, um die Lehrstelle

besetzen zu können. Die Fragebögen wurden von 78 Innungsmitgliedern

beantwortet. Das macht eine Rücklaufquote von 14,72 %. Dieses Stimmungsbild

2 Ulrich, Joachim G./Krekel, Elisabeth M./Flemming, Simone/Granath, Ralf-Olaf: Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes

im Jahr 2012 - Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt gerät ins Stocken, 2012, S. 14

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macht deutlich, wie wichtig ein gelungenes Ausbildungsmarketing zur Sicherung der

Fach- und Führungskräfte in den Klein- und Kleinstbetrieben ist.

Eine zusätzliche Problematik besteht laut Aussagen der Unternehmen in der

Qualifikation der Bewerber. Die insgesamt wenigen Schulabgänger und Bewerber für

Ausbildungsstellen im Handwerk weisen im Durchschnitt eine geringere schulische

Vorbildung auf. Gleichzeitig steigen jedoch die Anforderungen an die fachlichen und

überfachlichen Kompetenzen, sowohl mit Blick auf Spezialisierung als auch auf eine

übergreifende Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter in Handwerksbetrieben. Weiterhin

sehen sich die Unternehmen auch immer mehr als „Reparaturbetrieb“ von Schule

und Elternhaus an. Unpünktlichkeit, mangelnde Umgangsformen und geringer

Leistungswille werden auch im Handwerk nicht toleriert.

Die Führungskräfte in den Handwerksbetrieben haben zum Umgang mit den

veränderten Bedingungen zur Sicherung ihres Personalbedarfes kaum oder keine

Konzepte bzw. verfügen nicht über die Ressourcen zur Umsetzung solcher

Maßnahmen. Die Klein- und Kleinstbetriebe können den erhöhten personellen und

zeitlichen Aufwand für die Gewinnung und Bindung von Auszubildenden nicht leisten.

Aufgrund der Unternehmensgröße steht keine Personalabteilung zur Verfügung, um

sich intensiv und über einen längeren Zeitraum hinaus mit der Lehrlingssuche und -

bindung zu beschäftigen. Als Konsequenz wird oftmals bereits jetzt keine Ausbildung

mehr durchgeführt bzw. viele der Unternehmer fassen dieses zukünftig ins Auge.

Damit gehen diese Unternehmen als Ausbildungsbetriebe verloren und büßen mittel-

bis langfristig ihre Kompetenzen zur Ausbildung junger Menschen ein.

Die Kreishandwerkerschaft Schwerin hat sich zum Ziel gesetzt, die Innungsbetriebe

in ihren Ausbildungsaktivitäten nachhaltig zu stärken. Insbesondere die

Unterstützung bei der Gewinnung von Auszubildenden wird von den

Handwerksbetrieben nachgefragt.

Auch wenn zum Thema „Ausbildungsmarketing“ eine große Anzahl von

Publikationen zu finden sind, fühlen sich die Handwerksbetriebe davon

ausgeschlossen.

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Skeptische Meinungen wie „das ist eher etwas für Großbetriebe“ oder „das kann ich

finanziell, zeitlich und personell nicht leisten“ sind in der Überzahl. Eine

Auseinandersetzung mit der Bandbreite des Themas Ausbildungsmarketing findet

selten oder gar nicht statt. Was also tun, damit eine Lehrstelle keine Leerstelle wird?

Wie können Handwerksbetriebe Schulabgänger von sich, ihrem Unternehmen und

Berufsbild überzeugen? Wie funktioniert erfolgreiches Ausbildungsmarketing? Den

Handwerksbetrieben macht vor allem der personelle und zeitliche Aufwand für die

Gewinnung und Bindung von Auszubildenden Kopfzerbrechen. Aufgrund der

Unternehmensgröße steht keine ganze Personalabteilung zur Verfügung, um sich

intensiv und über einen längeren Zeitraum hinaus mit der Lehrlingssuche zu

beschäftigen. Umso wichtiger ist es, neue Rekrutierungswege zu beschreiten wie z.

B. die Unterstützung eines Fußballvereins und auch über andere Medien als die

Stellenanzeige in der Regionalzeitung nachzudenken.

Als Mitarbeiterin der Kreishandwerkerschaft Schwerin habe ich mir mit dieser

Projektarbeit zum Ziel gesetzt, die Unternehmer und Unternehmerinnen zu

sensibilisieren, dass Ausbildungsmarketing auch in Klein- und Kleinstbetrieben, wie

sie im Handwerk zu finden sind, erfolgreich eingeführt und umgesetzt werden kann

und es ein wichtiger Baustein in der Sicherung von Fach- und Führungskräften und

des eigenen Firmennachwuchses ist. Mit dieser Projektarbeit sollen Lösungsansätze

zum Ausbildungsmarketing im Handwerk erarbeitet werden, die den

Handwerksbetrieben Anregungen geben, wie sie sich für geeignete Bewerber gut am

Ausbildungsmarkt positionieren können. Diese Vorgehensweise soll dazu beitragen,

Impulse zu geben, neue und andere Wege als bisher bei der Rekrutierung von

Auszubildenden zu gehen.

Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine Handreichung für Handwerksbetriebe zur

optimalen Unterstützung bei der Gewinnung von Auszubildenden für

Handwerksberufe und zur Strukturierung von Personalauswahlverfahren in

Handwerksbetrieben. Dabei werden Materialien wie Arbeitsblätter, Checklisten und

Vorlagen entwickelt, die die Handwerksbetriebe individuell nutzen und für ihre

Bedürfnisse aufbereiten können.

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Zum Anfang dieser Arbeit möchte ich ein Grundverständnis für

Ausbildungsmarketing wecken, um darauf aufbauend Lösungsansätze, Instrumente

und Methoden für Ausbildungsmarketing im Handwerk zu entwickeln. Dabei

berücksichtige ich die finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen in Klein-

und Kleinstbetrieben.

Ein essentieller Baustein des Ausbildungsmarketings ist ein strukturiertes

Personalauswahlverfahren. Auf für das Handwerk zugeschnittenem Vorgehen bei

Auswahlverfahren werde ich im zweiten Teil dieser Arbeit eingehen.

Die Bindung potentieller Bewerber an das Unternehmen hat eine wesentliche

Funktion in einem erfolgreichen Ausbildungsmarketing und rundet diese Projektarbeit

ab.

Die erarbeiteten und entwickelten Materialien wie Checklisten, Arbeitsblätter und

Vorlagen sind im Anhang dieser Arbeit als Leitfaden/Handreichung zu finden.

In dieser Arbeit wird zugunsten der besseren Lesbarkeit auf Doppelbezeichnungen

wie z. B. der/die Bewerber/in bewusst verzichtet. Dennoch werden sowohl männliche

als auch weibliche Personen angesprochen, wenn z. B. die Bezeichnung „Bewerber“

oder „Lehrling“ verwendet wird.

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B. Ausbildungsmarketing

Für viele Handwerksbetriebe verbirgt sich hinter dem Begriff Marketing etwas, was

sich nur große Unternehmen mit eigener Marketingabteilung leisten können wie z. B.

Werbekampagnen in Printmedien, Funk und Fernsehen oder große Plakate am

Straßenrand. Das Ausbildungsmarketing mehr ist, als nur eine Stellenanzeige in der

Regionalzeitung zu schalten, ist den wenigsten bewusst. Was also ist

Ausbildungsmarketing?

Ausbildungsmarketing umfasst alle Maßnahmen und Aktivitäten, um alle offenen

Ausbildungsplätze mit geeigneten, qualifizierten Bewerbern besetzen und diese an

das Unternehmen binden zu können. Ziele eines gelungenen Ausbildungsmarketings

sind somit:

Wecken von Aufmerksamkeit und Interesse der potentiellen Bewerber

Auswahl und Einstellung geeigneter Bewerber

Langfristige Bindung der Auszubildenden an das Unternehmen.3

Die Vorteile, die sich aus einem erfolgreichen Ausbildungsmarketing für das

Ausbildungsunternehmen ergeben, sind4:

Steigerung der Anzahl der Bewerbenden

Sicherung der Qualität des beruflichen Nachwuchses

Verringerung des Aufwandes für die Suche nach geeigneten Bewerbern

Vermittlung eines realistischen Einblicks in den späteren Beruf und dadurch

Reduzierung des Abbruch- und Konfliktpotentials

Optimierung der Ausbildungsqualität

Verbesserung des Images als Ausbildungsbetrieb

Vergrößerung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens.

3 vgl.: Hagen, Alexander: Personalmarketing – Rekrutierung von Nachwuchskräften in deutschen Unternehmen,

2011, S. 29 4 vgl. Becker, Fred G.: Lexikon des Personalmanagements. Über 1000 Begriffe zu Instrumenten, Methoden und

rechtlichen Grundlagen betrieblicher Personalarbeit, 2002, S. 437

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Ein erfolgreiches Ausbildungsmarketing erfordert ein Konzept. Ich habe folgenden

Konzeptvorschlag erarbeitet5:

I. Analyse des Ausbildungsmarktes

Welche Zielgruppe soll erreicht werden?

Wie sieht die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in dem Berufsbild z. Zt.

aus?

Welche direkten Mitbewerber (Unternehmen) gibt es?

Wie sieht die Ausbildungsinfrastruktur z. B. Entfernungen Berufsschule –

Ausbildungsstätte aus?

II. Klärung der Ziele

Wie viele Ausbildungsplätze sollen besetzt werden?

In welchen Berufen können Ausbildungsplätze angeboten werden?

Welche Anforderungen werden an den Bewerber gestellt?

III. Ausbildungsangebot

Was wird potentiellen Bewerbern angeboten?

Womit wird sich von anderen Mitbewerbern abgehoben?

Welche Vorteile und Nutzen hat ein potentieller Bewerber, wenn er sich für

den angebotenen Ausbildungsplatz entscheidet?

IV. Strategie des Ausbildungsmarketings

Wie können die Ziele erreicht werden?

Mit welchem Marketingmix (Instrumente, Methoden) werden die Ziele

erreicht?

Wie sieht der Aktionsplan aus? (Welche Maßnahmen, in welcher

Reihenfolge?)

V. Erfolgskontrolle

War das Marketingkonzept erfolgreich?

Welche Rekrutierungswege, Instrumente und Methoden haben zum Erfolg

geführt?

Welchen Kosten- und Zeitaufwand sind mit den Kommunikationswegen

verbunden?

5 Eigene Ableitung vom klassischen Marketingkonzept, Quelle Wikipedia, URL

http://de.wikipedia.org/wiki/Marketing-Konzept, Abruf: 4.2.2013

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C. Umsetzung im Handwerk

I. Analyse des Ausbildungsmarktes

Das einführende Beispiel beschreibt bereits die Situation auf dem Ausbildungsmarkt.

Durch den demografischen Wandel hat sich die Zahl der Schulabgänger, die auf

Ausbildungsplatzsuche sind, verringert. Viele der Schüler orientieren sich in die

Metropolregion Hamburg/Lübeck. Weiterhin besteht bei den Jugendlichen eine große

Berufswahlunsicherheit. Über 350 Ausbildungsberufe stehen den Jugendlichen zur

Wahl, davon über 1506 allein im Handwerk. Ein Großteil der Berufe sind nicht oder

kaum bekannt oder es gibt falsche Vorstellungen des Berufsbildes. Auch die

Infrastruktur ist ein Thema bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes. Die

Ausbildungsstätte sollte gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein und

die Entfernung zwischen Berufsschule und Wohnort und Ausbildungsbetrieb darf

nicht allzu groß sein. Aufgrund des Schülermangels haben auch die Berufsschulen

Standorte schließen müssen, somit ist für die Auszubildenden ein erhöhter Aufwand

(Zeit und Geld) mit der Fahrt zur Berufsschule verbunden. Allein der Standort der

Berufsschule ist häufig ein KO-Kriterium bei der Wahl des Berufes und des Betriebes

auf Seiten der Bewerber. Aus dieser Analyse sind die weiteren Planungsmaßnahmen

für das Unternehmen abzuleiten wie z. B. Schaffen von Praktikastellen, Vorstellen

der Berufsbilder im Unterricht, Tag der offenen Tür im Unternehmen, Finanzierung

von Fahrkarten. Auf diese Maßnahmen werde ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit

eingehen.

II. Klärung der Ziele

1. Personalbedarfsplanung

In den meisten Klein- und Kleinstbetrieben wird intuitiv entschieden, ob und wie viele

Ausbildungsplätze besetzt werden sollen. Bei der im Vorfeld bereits erwähnten

Befragung zum Fachkräftebedarf der Kreishandwerkerschaft Schwerin im Frühjahr

2012 gaben 33 % der Handwerksbetriebe auf die Frage der Personalbedarfsplanung

an „kurzfristig, eher nach Bedarf“, 38 % „mittelfristig, bis zu drei Jahren“ und 29 %

„langfristig, über drei Jahre hinaus“ Personalentwicklung – und bedarf zu planen. Die

schwankende Auftragslage lässt für viele Handwerksbetriebe nur eine kurzfristige

Planung zu. Und wenn ausgebildet wird, wird oft nur ein Lehrling ausgebildet und

6 Internetseite der Handwerkskammer Schwerin, URL http://www.hwk-schwerin.de/ueber-uns/zahlen-und-

fakten.html, Abruf 12.2.2013

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erst nach dessen Ausbildungszeit wieder der Ausbildungsplatz angeboten.

Überlegenswert ist es, jedes Jahr einen oder mehrere

Ausbildungsplatz/Ausbildungsplätze anzubieten. So können Fluktuationen

aufgefangen werden. Die Auszubildenden können Azubi-Tandems oder

Patenschaften bilden und so von und miteinander lernen.

2. Berufsbilder

Arbeitsabläufe und Produktionsprozesse sind Grundlage für die Entscheidung, in

welchen Berufsbildern ausgebildet werden kann. Durch eine sich ständig wandelnde

Arbeitswelt entstehen stetig neue Ausbildungsberufe. So konnte z. B. ein

Fleischereibetrieb mit größerer Produktionsstrecke neben dem Beruf Fleischer auch

den Ausbildungsberuf Fachkraft für Lebensmitteltechnik anbieten, da in dem Betrieb

die entsprechenden Anforderungen erfüllt wurden. Auch ist es möglich, dass

Handwerksbetriebe im Büro ausbilden, so können also z. B. Ausbildungsplätze für

Kauffrauen/-männer für Bürokommunikation oder Bürokauffrauen/-männer

angeboten werden. Es lohnt sich für Handwerksbetriebe auch mal der Blick über den

Tellerrand der bisherigen ausgebildeten Berufsbilder zu sehen, um sich neu auf den

Ausbildungsmarkt zu positionieren.

3. Anforderungen an den Bewerber

Was aber sollen die Auszubildenden mitbringen? Oft ist dem Unternehmer selbst

nicht bewusst, was genau seine zukünftigen Auszubildenden ausmachen soll. Um

sich auf die richtigen Bewerber zu konzentrieren, und evtl. Ausbildungsabbrüche zu

vermeiden, lohnt es sich, über die Anforderungen an die zukünftigen Auszubildenden

nachzudenken. Klarheit bringen Antworten auf die Fragen: Welche Kriterien müssen

die Bewerber erfüllen, z. B. Höhentauglichkeit bei der Ausbildung zum Dachdecker

und welche Qualifikationen sind eher wünschenswert, z. B. Sprachkenntnisse

Englisch/Russisch zur Betreuung von Kunden.

Dass der erste Blick eines Ausbildungsbetriebes den Zensuren eines Bewerbers gilt,

ist nachvollziehbar. Jedoch geht die Gleichung „Schwache Noten = fehlende

Leistungsfähigkeit“ nicht immer auf. Gerade in kleinen Unternehmen ist eine andere

Frage die viel entscheidendere: Passt er zu uns und in unser Team? In den Fokus

rücken die sozialen und persönlichen Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Höflichkeit,

Kooperationsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Konzentrationsfähigkeiten sowie

Lern- und Leistungsbereitschaft. Somit sind eher die Beurteilungen von bereits

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geleisteten Praktika und ein Blick auf unentschuldigte Fehlzeiten für eine

Entscheidung für oder gegen einen Bewerber aussagekräftiger als Schulnoten.

Es gibt Unterstützungsleistungen seitens der Agentur für Arbeit oder der Kammern,

um Auszubildenden mit geringeren Schulabschlüssen oder Problemen in der

Berufsschule oder im Betrieb, weiterzuhelfen und evtl. Ausbildungsabbrüchen

vorzubeugen. Zu diesen Angeboten zählen z. B. ausbildungsbegleitende Hilfen

(abH), die Initiative VerA des Senior Experten Service (SES) oder auch die

Einstiegsqualifizierung (EQ).

4. Exkurs Unterstützungsleistungen:

Einstiegsqualifizierung (EQ): Ausbildungssuchende können ein bezahltes

Langzeitpraktikum bis zu zwölf Monate absolvieren. Dieses Langzeitpraktikum kann

auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. Die Vergütung können von der Agentur

für Arbeit übernommen werden. Ansprechpartner ist die Agentur für Arbeit, Region

Schwerin

Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH): ist eine kostenlose Stützmaßnahme der

Berufsberatung der Agentur für Arbeit für Auszubildende, die Hilfe beim Erwerb von

fachtheoretischen oder praktischen Fertigkeiten, Kenntnisse oder Fähigkeiten

benötigen. Ansprechpartner ist die Agentur für Arbeit, Region Schwerin

Initiative VerA beim Senior Experten Service (SES): ist ein kostenloses Angebot bei

dem jedem Jugendlichen ein persönlicher Ausbildungsbegleiter zur Seite gestellt

wird. Unterstützung wird z. B. angeboten bei Überforderung in der Berufsschule,

Prüfungsangst, Verbesserung der Deutschkenntnisse, Konflikte im Betrieb,

Gedanken an Ausbildungsabbruch. Ansprechpartner in der Region Schwerin sind die

Industrie- und Handelskammer zu Schwerin sowie die Handwerkskammer Schwerin.

Klagen und enttäuschte Äußerungen darüber, dass viele Jugendliche nicht über die

notwendige Ausbildungsreife verfügen, nützen nichts – hier ist lösungsorientiertes

Handeln, Einfühlungsvermögen, pädagogisches Geschick und Ausbildungswille

seitens der Ausbilder und aller mit der Ausbildung betrauten Mitarbeiter gefragt.

Ausbildung beinhaltet auch immer den Erziehungsauftrag.

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5. Meine Handlungsempfehlungen für Handwerksbetriebe:

a. Anzahl der Ausbildungsplätze festlegen

mehrere Jugendliche zur gleichen Zeit ausbilden

o Lerneffekte bei den Auszubildenden können höher sein

o Fluktuationen werden aufgefangen

o langfristige Planung möglich

b. Überblick über Berufsbilder verschaffen, die ausgebildet werden sollen

Entsprechen diese noch den Anforderungen der Arbeits- und

Prozessabläufe im Betrieb

Können andere Berufsbilder als bisher angeboten werden?

c. Anforderungsprofil aufgrund der Tätigkeitsbereiche erstellen

Welche Anforderungen muss der potentielle Bewerber erfüllen z. B.

Grundkenntnisse Mathematik

Welche Anforderungen soll der potentielle Bewerber erfüllen z. B.

Grundkenntnisse in Word

Welche Anforderungen kann der potentielle Bewerber erfüllen z. B.

Fremdsprachenkenntnisse

d. Zielgruppe für Ausbildungsplatzangebot erweitern

Jugendliche mit geringerem Schulabschluss oder schlechterem

Notendurchschnitt

Jugendliche mit Migrationshintergrund

weibliche Jugendliche

Mütter und Väter für Teilzeitausbildung

III. Ausbildungsangebot

1. Attraktivität des Ausbildungsangebots

Die Grundsatzfrage, die sich jeder potentieller Ausbildungsbetrieb stellen muss,

heißt: Wie attraktiv ist das Unternehmen als Arbeitgeber bzw. als

Ausbildungsbetrieb? Die erfolgreichste Werbung für einen freien Ausbildungsplatz ist

die bisherige Ausbildung im Unternehmen. Gute Auszubildende bekommt, wer über

gute Ausbildung berichten kann. Wie ist die Innen- und Außenwirkung? Arbeiten die

Mitarbeiter und Auszubildenden gerne in dem Betrieb? Dann wird das auch so an die

Umwelt (Kunden, Familie, Freunde) weiter gegeben. Wie werden die Firma und der

Umgang miteinander von den Kunden wahrgenommen? Gerade kleine

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Handwerksbetriebe verfügen über den großen Vorteil, ständig direkten

Kundenkontakt zu haben. Und hier gilt es, sich als attraktiven Arbeitgeber

darzustellen und es selbstverständlich auch zu sein. Ein gutes und offenes

Betriebsklima wird durch Kunden auch als solches wahrgenommen und weiter

getragen. Weiterhin signalisiert z. B. einheitliche, gepflegte Firmenkleidung

Zusammengehörigkeit und dass der Träger der Kleidung gerne bei dem

Unternehmen arbeitet und sich mit dem Betrieb identifiziert. Weiterhin sollte im

Ausbildungsangebot kommuniziert werden, was Handwerk ausmacht: flache

Hierarchien und dadurch frühzeitige Übernahme von Verantwortung,

Aufgabenvielfalt, Betriebsabläufe, die flexibel auf Kundenwünsche angepasst

werden. Was für viele Handwerksbetriebe normal ist, stellt sich jedoch als riesiger

Wettbewerbsfaktor gegenüber größeren Betrieben dar: Das familiäre Miteinander.

Ein Steinmetzmeister drückte es mal so aus: „Es ist mir egal, welche Noten der

Bewerber hat, er muss zu meiner Familie passen.“ In Handwerksbetrieben wird

etwas zelebriert, was viele Jugendliche so heute gar nicht mehr kennen: Die

gemeinsamen Pausen werden zusammen verbracht. Es wird miteinander zur

gleichen Zeit, am gleichen Ort gegessen und miteinander gesprochen. Ein

Dachdeckermeister (mit sechs Kindern) hat seinen Auszubildenden, der

Schwierigkeiten in der Berufsschule hat und bei dem der Anfahrtsweg zum

Ausbildungsbetrieb zu weit ist, zu sich, in sein Haus aufgenommen. Nach dem Motto:

Auf einen mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr drauf an, wird die

gemeinsame Freizeit mit Nachhilfe gefüllt. Dieses Beispiel ist eine Ausnahme (noch)

zeigt jedoch, dass die ausbildungswilligen Handwerksbetriebe, sich auf die

Bedürfnisse ihrer Bewerber einlassen müssen und auch wollen. Ausbildung bedeutet

in der heutigen Zeit mehr, als nur den Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Es

wird ein Gesamtpaket durch potentielle Bewerber gefordert wie z. B. gute

Arbeitsbedingungen, eine qualifizierte Ausbildung, Unterstützung bei der

Wohnungssuche oder Erstattung von Fahrkosten.

Einen attraktiven Arbeitsplatz machen aus:

a. gutes Betriebsklima durch offenes und kooperatives Führungsverhalten

b. Feedbackkultur

c. gute Arbeitsbedingungen z. B.

durch Einhaltung der Arbeits- und Pausenzeiten

flexible Arbeitszeitmodelle (Zeitkonten)

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gute Ausstattung des Arbeitsplatzes

angemessene Bezahlung

d. Planungssicherheit

Einsatzplanung wie Früh- und Spätschichten, Wochenendarbeiten

werden so früh wie möglich mit Mitarbeitern abgesprochen

Urlaubswünsche der Mitarbeiter werden berücksichtigt

e. Weiterbildungen werden ermöglicht und unterstützt (Förderung durch

MeisterBafög, Bildungsprämie oder WeGeBau möglich)

f. Gestaltung gemeinsamer Freizeitaktivitäten wie z. B. Betriebsfeiern und -

ausflüge, Sportvereine

2. Meine Handlungsempfehlungen für Handwerksbetriebe

a. Gute Ausbildungsqualität sichern

Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen

Einhaltung Arbeits- und Pausenzeiten

qualifizierte Ausbilder

Austausch mit Berufsschulen

angemessene Ausbildungsvergütung

b. familiäres und gutes Betriebsklima fördern

Feedbackkultur

partnerschaftlicher Umgang miteinander

c. Perspektiven aufzeigen z. B. Übernahme nach Ausbildung,

Weiterentwicklungsmöglichkeiten

d. frühzeitig Verantwortung an Auszubildenden übertragen

e. Aufgabenvielfalt hervorheben

f. Zusatzqualifikationen anbieten (inner- und außenbetrieblich)

g. Auszubildende an regionalen wie überregionalen Wettbewerben teilnehmen

lassen und fördern

h. Besuche von branchenbezogenen Messen unterstützen und finanzieren

i. Austausch von Azubis in andere Betriebe oder Auslandsaufenthalte gewähren

j. Erstausrüstung wie z. B. Malerrucksack mit entsprechenden Malerutensilien,

besondere Scheren im Friseurhandwerk oder Messerset im

Fleischerhandwerk zur Verfügung stellen

k. Bonussysteme anbieten z. B. bei guten Leistungen wird ein Teil des

Führerscheins bezahlt

l. Übernahme von Fahrkosten zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule

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Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk

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Produkt

Preis

Kommunikation

Distribution

Anf orderungsprof il des Ausbildungsplat zes

Qualif ikation der

Bewerber

Stellenanzeige in Printmedien

Teilnahme an Beruf smessen

Hinweise auf f irmeneigener Homepage

Pressemitteilungen

Empf ehlungen v on

Mitarbeitern und anderen

Auszubildenden

Berater der Agentur f ür Arbeit, Kammern und

Kreishandwerkerschaf ten

Schullehrer

Beruf seinstiegsbegleiter

Qualität der Ausbildung

Zusatzqualif ikationen

Ausbildungsv ergütung

Image der Branche und des Beruf es

Image des Betriebes

Übernahme nach der Ausbildung

m. Unterstützung bei Wohnungssuche

n. gemeinsame Freizeitaktivitäten wie z. B. Drachenbootteam,

Sportmannschaften, Bowlingabende, Kochabende, Sommerfeste,

Weihnachtsfeiern, Betriebsausflüge

o. weitere Unterstützungsmöglichkeiten: Wertmarken für Mittagessen,

Übernahme von Fitnesscenterkosten

Diese Handlungsempfehlungen sind als Denkanstöße gedacht und können beliebig

erweitert werden. Natürlich sind nicht für alle Handwerksbetriebe alle Punkte

umsetzbar, jedoch sollten die Handlungsempfehlungen a – f für jeden

Ausbildungsbetrieb gelten und in das Ausbildungsleitbild einfließen.

IV. Ausbildungsmarketingstrategie

1. Ausbildungsmarketingmix allgemein

Die große Attraktivität als Arbeitgeber, die qualitativ hochwertige Ausbildung und das

beste Ausbildungsplatzangebot verpuffen, wenn die Öffentlichkeit nicht darauf

aufmerksam gemacht wird und davon nichts bemerkt. Nur durch einen auf das

Unternehmen abgestimmten Mix aus verschiedenen Handlungen, Instrumenten und

Methoden kann ein erfolgreiches Ausbildungsmarketing gelingen.

Abbildung 1 - eigene Darstellung des Ausbildungsmarketingmixes,

abgeleitet vom klassischen Marketingmix nach Jerome McCarthy

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Nachdem das Produkt (Ausbildungsangebot) und der Preis (Anforderungen an den

Bewerber) konzipiert sind, ist zu überlegen, welche Kommunikationswege genutzt

werden können. Wichtig ist hier auch die Zielgruppe zu beachten, nicht nur die

potentiellen Auszubildenden wollen überzeugt werden, sondern auch die Familie,

Freunde, Klassenkameraden sowie Multiplikatoren wie Lehrer, Ausbildungsberater,

Berufseinstiegsbegleiter als Ratgeber.

Die Auswahl an Kommunikationswegen ist riesig. Welche Rekrutierungswege führen

jedoch zum Erfolg? Die Ergebnisse aus dem Ausbildungsmonitor 2007 und 2008 des

Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)7 zeigen, welche Art der Azubigewinnung

erfolgreiche Unternehmen gewählt haben und für welche Wege sich Unternehmen

entschieden haben, die letztendlich erfolglos blieben.

0 20 40 60 80

Meldung Arbeitsagentur

Zeitungsinserat

Internet

Kammer informiert

Mitarbeiter informiert

Infoveranstaltung…

Ausbildungsmessen

Initiativbewerbungen

Betriebspraktikum

ohne unbesetzte Stellen

mit unbesetzten Stellen

Abbildung 2 - Rekrutierungswege, eigene Darstellung nach BIBB Report 10/09

Die Untersuchung ergab, dass diese herkömmlichen Rekrutierungswege:

Meldung bei Agentur für Arbeit

Zeitungsinserat

Internet

Information Kammer

Information Mitarbeiter

Warten auf Initiativbewerbungen

von allen befragten Unternehmen in ähnlichem Umfang genutzt werden.

7 vgl. Gericke, Naomi/Krupp, Thomas/Troltsch, Klaus: Unbesetzte Ausbildungsplätze - warum Betriebe

erfolglos bleiben – Ergebnisse des BIBB Ausbildungsmonitors, BIBB-Report 10/09, 2009, S.5

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Abbildung 4 - Tag der offenen Tür der

Handwerkskammer Schwerin, Messestand

Elektroanlagenbau Uwe Möller GmbH, 19.01.2013

Abbildung 3 - Berufsmesse in der Werner-von-

Siemens-Schule, Messestand der Neumühler

Bauhütte GmbH, Herbst 2012

Unternehmen mit einem erfolgreichen Ausbildungsmarketing haben drei weitere

Wege beschritten, die von den in der Azubigewinnung erfolglosen Unternehmen

nicht im gleichen Maße eingeschlagen worden sind:

Durchführung von Informationsveranstaltungen in den regionalen Schulen

Präsentation auf Ausbildungsmessen

Angebot von Betriebspraktika.

2. Meine Handlungsempfehlungen für Handwerksbetriebe:

a. Kontakt zu regionalen Schulen suchen

Patenschaften für Klassen

übernehmen z. B. Klassen-

ausflüge finanziell oder mit

Sachleistungen unterstützen

oder gemeinsam Projekttage

gestalten

Berufsmessen aktiv mitgestalten

Elternabende und Projekttage

der Schulen nutzen, um Betrieb

und Berufsbild vorzustellen

Ausbildungsangebot am „Schwarzen Brett“ der Schule aushängen

b. Ausbildungsmessen nutzen

z. B. Tag der offenen Tür der

Handwerkskammer Schwerin,

Berufsmesse im BIZ, SVZ-

Lehrstellentag

wichtig: Messebesucher aktiv mit

berufsbildtypischen Tätigkeiten

einbeziehen, um Interesse zu

wecken und Einblicke zu geben,

z. B. Friseur – Ausprobieren von

Frisuren am Modellkopf oder Kosmetikberatung, Elektrobereich – Fertigen

von Verlängerungsschnüren, Dachdecker – Bearbeiten von Dachziegeln;

Baubereich – Hände oder Fußabdrücke in Beton verewigen etc.

Messebetreuung aus Zeit- und Kostengründen mit anderen

Handwerksbetrieben, z. B. gemeinsamer Innungsstand, teilen

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Abbildung 5 - Postkarte der Gilde Stiftung des

Fleischerhandwerks

c. Praktika und Ferienarbeit anbieten

Aktionstage wie „Girl´s Day“ oder „JungsTag“ nutzen und Schülerinnen die

Möglichkeit geben, einen Blick in eher männerdominierte Berufe wie

Elektriker, Dachdecker, Tischler usw. zu geben und im Gegensatz dazu

auch Schülern Berufsbilder aufzeigen, die eher von Frauen gewählt

werden wie z. B. Friseur oder Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk

Blockpraktika (mehrere Wochen am Stück oder Praxislerntag (z. B. ein Tag

alle zwei Wochen) anbieten

Vorteile:

o Schüler und Jugendliche können in „echte Arbeitswelt“

reinschnuppern

o die potentiellen Auszubildenden und Ausbilder lernen sich

bestmöglich kennen

o Entscheidungshilfe, ob es der Beruf, dieser Ausbildungsbetrieb

und dieser Bewerber sein soll

d. Direkten Kontakt zu Kunden und Händlern nutzen

gute Mundpropaganda ist die

beste Werbung

im allgemeinen Schriftverkehr wie

Angebotsunterbreitungen,

Auftragsbestätigungen oder

Rechnungen, Werbung in eigener

Sache bzw. Ausbildung machen z. B.

durch den Zusatz: Wir bilden aus!

Flyer mit Ausbildungsangebot verteilen

Firmenwagen mit Hinweisen auf Ausbildung versehen

im Eingangsbereich der Werkstätten oder Läden

Ausbildungsplatzflyer hängen

Hinweise auf Ausbildungsplatzangebot auf Verpackungsmaterial platzieren

Abbildung 6 - Ausbildungsinitiative der Deutschen Post,

Hinweis auf Ausbildung auf Briefumschlägen

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Abbildung 7 - Pressemitteilung über gute

Ausbildungsqualität der Firma Derstappen

GmbH, Lübecker Nachrichten, 14.02.2013

Abbildung 9 - "Fleischeslust" - der

Metzgerkalender 2011, Fleischer-

Innung in Nürnberg

e. Regionale Medien nutzen

Zielgruppe der Medien beachten

o Wochenblätter -

Ansprechpartner Eltern

o Stadt- und Szenemagazin -

Ansprechpartner Jugendliche

Regionales Fernsehen wie z. B. TV

Schwerin, Werbemedien in Bus und

Bahn nutzen

„Tue Gutes und rede darüber…“, in Pressemitteilungen über gute

Arbeitsbedingungen oder Spenden und Sponsoring berichten

f. Zielgruppe Digital Natives - Internet und Soziale Netzwerke einsetzen

Nutzung von Lehrstellenbörsen wie z. B. bei Agentur für Arbeit,

Kammern und Kreishandwerkerschaften

potentielle Auszubildende googlen ihre zukünftigen Arbeitgeber

auf firmeneigener Homepage auf Ausbildung hinweisen mit

Beschreibung Ausbildungsplatz und Ansprechpartner

ansprechende Facebookseiten können virale Effekte haben

Abbildung 8 - Facebook Auftritt Hairstyle West – Friseursalon

g. Pflege des Berufsimages

Werkstatttüren bereits für Kinder aus

Kindergärten oder Unterstufen öffnen

mit besonderen Aktionen auf Beruf

hinweisen z. B. Kalender

Beteiligung an Handwerkermärkten-

und messen

gute Arbeit leisten

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Natürlich kann nicht jeder Handwerksbetrieb alles umsetzen und soll es auch gar

nicht. Wichtig ist die Erkenntnis, dass ein Weg allein heute nicht mehr ausreicht, um

junge Leute für die Ausbildung zu gewinnen. Das Platzieren des

Ausbildungsangebots z. B. auf dem Verpackungsmaterial oder dem Firmenwagen,

verstärkt mit einem informativen Homepageauftritt des Handwerksbetriebes,

abgerundet durch ein interessantes Informationsgespräch, welches in einem

Schnupperpraktikum mündet, kann z. B. ein guter Mix sein, damit die Lehrstelle

keine Leerstelle wird.

Informationsmaterial wie z. B. Flyer mit Informationen über das Berufsbild, Aufkleber

oder auch Postkarten können über die Innungen oder Kammern angefordert werden.

V. Erfolgskontrolle

Hat der Ausbildungsbetrieb zu Anfang des Ausbildungsjahres seine freien

Ausbildungsplätze besetzen können und sind die Auszubildenden auch nach der

Probezeit noch im Betrieb? Dann war das Marketingkonzept erfolgreich. Aber auch

hier muss genauer hinterfragt werden, welche der Rekrutierungswege, Instrumente

und Methoden zum Erfolg geführt haben. Die einfachste Methode das zu ermitteln,

ist die Befragung der Bewerber. Wie sind sie auf den Ausbildungsbetrieb

aufmerksam geworden, was genau hat sie überzeugt, sich genau in diesem

Unternehmen zu bewerben. Das kann durch einen Fragebogen oder im Interview

ermittelt werden. Gleichzeitig ist die Prüfung des Zeit- und Kostenaufwandes in

Relation zum Ergebnis der eingesetzten Methoden und Instrumente eine wesentliche

Kontrollaufgabe.

Nachdem in diesem ersten Teil der Schwerpunkt auf dem Wecken der

Aufmerksamkeit und des Interesses potentieller Auszubildender lag, widmet sich der

nächste Teil dieser Arbeit der Auswahl des geeigneten Bewerbers. Denn

Ausbildungsmarketing hört nicht bei der Gewinnung von Lehrlingen auf, sondern

beinhaltet auch die Auswahl von geeigneten, qualifizierten Bewerbern und die

Bindung von diesen an das Unternehmen.

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D. Personalauswahlverfahren

I. Allgemeines

Fehler oder besser gesagt die falsche Entscheidung bei der Auswahl des

Auszubildenden haben in jedem Unternehmen – ob Großunternehmen oder

Handwerksbetrieb - langfristige Folgen. Eine falsch getroffene Wahl kann sich auf die

Qualität der Arbeit, das Betriebsklima, das Ansehen des Unternehmens auswirken

und ist auch oft mit Folgekosten verbunden. Die Auswahl von Auszubildenden

gestaltet sich auch deshalb nicht so einfach, da die Persönlichkeit der Jugendlichen

noch nicht voll ausgeprägt ist, Schulzeugnisse wenig über die Fähigkeiten und

Fertigkeiten des Auszubildenden und viele unterschiedliche Einflussgrößen wie

Familie, Freunde, Lehrer usw. oder idealisierte Vorstellungen den Berufswunsch

nachhaltig beeinflussen.

Der Prozess der Auszubildendenauswahl sagt viel über das Unternehmen und

dessen Umgang mit potentiellen Mitarbeitern aus. Es ist die Visitenkarte des

Betriebes, quasi die Bewerbung beim Bewerber, und sollte daher Struktur und

Professionalität zeigen. Die einzelnen, für Handwerksbetriebe geeigneten

Auswahlverfahren sollen hier nur kurz beschrieben werden, die Gewichtung liegt auf

der Vorgehensweise innerhalb der Auswahlverfahren.

Es gibt eine große Auswahl an Personalauswahlverfahren, die je nach

ausgeschriebener Position (Auszubildender, Fachkraft, Trainee, Führungskraft) ihren

Einsatz finden. Als Beispiele möchte ich aufführen:

Bewerbungsunterlagen inkl. Motivationsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse

Telefon-Interviews

Auswahl-/Vorstellungsgespräche

Arbeitsproben

Einholen von Referenzen

Graphologische Gutachten

Tests wie z. B. allgemeine Leistungstests, spezielle Funktionsprüfungs- und

Eignungstests, Intelligenztests, Persönlichkeitstests,

medizinische Eignungstests wie z. B. Höhentauglichkeit

Assessment-Center

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Aufgrund der zeitlichen, personellen und finanziellen Engpässe in den Klein- und

Kleinstbetrieben des Handwerks schlage ich folgende Vorgehensweise zur Auswahl

von Auszubildenden vor:

1. Anforderungen festlegen

2. Vergleichende Betrachtung der Bewerbungsunterlagen mit erster Priorisierung

und Bewertung

3. Auswahl/Vorstellungsgespräch

4. Arbeitsprobe/praktische Aufgabenstellung

5. Bewertung und Entscheidung

Voraussetzung für die Durchführung von Personalauswahlverfahren sind ihre

Objektivität (unabhängig von der durchführenden Person), Reliabilität

(Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit).

II. Strukturierung von Personalauswahlverfahren

1. Anforderungen festlegen

Grundlage und Ausgangspunkt jedes Auswahlverfahrens ist ein an den

Anforderungen des zu besetzenden Ausbildungsplatzes ausgerichtetes

Anforderungsprofil. Dieses setzt sich zusammen aus einer Liste von gewichteten

Qualifikationen, die der zukünftige Auszubildende benötigt, um die Ausbildung

erfolgreich zu durchlaufen und abzuschließen. Das Anforderungsprofil sollte bereits

im Vorfeld zu den Marketingmaßnahmen erstellt sein, damit die Maßnahmen auch

zielgerichtet eingesetzt werden können. Im Anforderungsprofil werden Aussagen zu

mindestens folgenden Bereichen (abgeleitet von der beruflichen

Handlungskompetenz) zusammengestellt:

Formale Voraussetzungen

Fachkompetenz

Methodenkompetenz

persönliche Kompetenz

Sozialkompetenz

Diesen Bereichen werden einzelne Kriterien zugeordnet und entsprechend

gewichtet. Aufgrund der einfacheren Handhabbarkeit für die Handwerksbetriebe

habe ich mich für die folgende Ausprägung entschieden: Muss, Soll, Kann. Die mit

„Muss“ gekennzeichneten Kriterien sind erforderlich, ansonsten ist der Bewerber

nicht geeignet wie z. B. das Vorliegen der Berufsreife. Die „Soll“-Kriterien sind

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wünschenswert wie z. B. Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge. Ein

„Kann“-Kriterium ist als Bonus, als Zusatz zu sehen, und kann als Zünglein an der

Waage gesehen werden, wenn zwei Bewerber ansonsten dem Anforderungsprofil

gleich entsprechen. Ein „Kann“-Kriterium kann z. B. Fremdsprachenkenntnis sein.

Beispiel:

Kompetenzen Gewichtung

Muss Soll Kann

Fachkompetenzen

Beherrschung Grundrechenarten x

Grundkenntnisse wirtschaftlicher

Zusammenhänge

x

Sprachkenntnisse englisch x

In der Handreichung ist ein Beispiel eines Anforderungsprofils zu finden, welches

auch als Vorlage für die Erstellung eines Anforderungsprofils genutzt werden kann.

2. Sichtung der Bewerbungsunterlagen

Auf Basis des Anforderungsprofils werden die Bewerbungsunterlagen gesichtet. Zu

prüfen ist, ob der erwartete Schulabschluss mit entsprechendem Notendurchschnitt

vorhanden ist, ob erste Fähigkeiten und Fertigkeiten im Praktikum erworben und

vertieft wurden, ob Einschätzungen in den Zeugnissen sowie in den

Praktikumsbeurteilungen erste Einblicke in die Qualifikationen und Kompetenzen

eines möglichen Auszubildenden geben. Weiterhin zählt der Gesamteindruck der

Bewerbungsmappe wie Sauberkeit, Vollständigkeit der Unterlagen (Anschreiben,

Lebenslauf, Lichtbild, Zeugniskopien, evtl. Belege für Zusatzqualifikationen und

Praktika), klare und deutliche Formulierung des Anschreibens und Lebenslaufs,

Grammatik und Rechtschreibung, und Motivation des Bewerbers. Die eingereichten

Bewerbungsunterlagen können in A, B und C- Kategorien unterteilt werden. Bei den

A-Kandidaten handelt es sich um diejenigen Bewerber, die genau den

Anforderungen des Ausbildungsprofils entsprechen. Bewerbungen in der Kategorie B

entsprechen nicht 100%-ig den Erwartungen, jedoch ist es vorstellbar durch ein

klärendes Gespräch auch diese Kandidaten in die engere Auswahl zu nehmen. Bei

Bewerbungen in der Kategorie C fehlen entscheidende Muss-Kriterien, so dass diese

Bewerber nicht im weiteren Auswahlprozess Berücksichtigung finden. Beachtung

sollte in jedem Fall der Grundsatz haben: Gesucht ist nicht der beste, sondern der

geeignetste Bewerber.

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Nach der Vorauswahl aufgrund der Bewerbungsunterlagen erfolgen Einladungen und

auch Absagen. Dieses sollte so schnell wie möglich erfolgen, damit die Bewerber

über den weiteren Ablauf informiert sind oder sich weiter orientieren müssen (im

Falle der C-Kandidaten). Inhalte des Einladungsschreibens sollten Zeitpunkt, Ort,

Gesprächpartner, evtl. Informationen zum Betrieb (Flyer, Anfahrtsskizze) und die

Bitte um Terminbestätigung sein. Die Absage wird mit den vollständigen

Bewerbungsunterlagen und mit dem Wunsch für viel Erfolg für den weiteren

beruflichen Weg versehen. Dieser Wunsch bewirkt, dass das Unternehmen in

angenehmer Erinnerung bleibt und der Jugendliche auch weiterhin motiviert ist,

Bewerbungen zu schreiben. In der Handreichung ist ein Beispiel eines Vergleichs der

Bewerbungsunterlagen zu finden, welches auch als Vorlage für die Erstellung eines

eigenen Vergleichbogens genutzt werden kann.

3. Auswahl-/Vorstellungsgespräch

Das Auswahlgespräch ist der beste Zeitpunkt, den Ausbildungsbetrieb und den

Ausbildungsplatz zu bewerben und zu präsentieren. Um die Frage: “Ist das unser

zukünftiger Azubi?” zu beantworten, ist es hilfreich, wenn mehrere Mitentscheider bei

dem Gespräch anwesend sind. Vier Augen und Ohren sehen und hören mehr. Für

das Auswahl-/Vorstellungsgespräch sind genügend Zeit und ein ruhiger Ort

einzuplanen. Ständiges Telefonieren und nervöse Blicke auf die Uhr geben dem

potenziellen Auszubildenden nicht das Gefühl, willkommen zu sein.

Das Bewerbungsgespräch sollte sich zu einem Dialog zwischen gleichwertigen

Partnern entwickeln. In den meisten Fällen sind die Jugendlichen jedoch noch sehr

nervös und unsicher, da es ihre ersten Vorstellungsgespräche sind. Oft hören die

Interviewer außer Ja, Nein und Vielleicht keine aussagekräftigen Antworten. Hier

kommt es auf die richtigen Fragestellungen an. Fragen nach Lieblingsfächern und

Hobbys können ein Eisbrecher sein, da von Bekanntem und Gewohntem erzählt

wird. Schwerpunkte bilden Fragen nach der Motivation: Warum soll es dieser

Ausbildungsberuf/dieser Ausbildungsbetrieb sein? Welche Vorstellung hat der

Bewerber von der Tätigkeit?

Und natürlich interessiert es die zukünftigen Auszubildenden, was der

Ausbildungsbetrieb ihnen alles zu bieten hat. Hier gilt es, die besten Seiten des

Betriebes als Arbeitgeber zu präsentieren und auch mögliche Perspektiven für

leistungsstarke Auszubildende aufzuzeigen. Ist eine Betriebsführung möglich, ist hier

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ein guter Zeitpunkt für einen Rundgang mit Zeigen des zukünftigen

Ausbildungsplatzes.

Ein Vorstellungsgespräch dient dazu, dass sich beide Seiten, Unternehmen und

Bewerber, darüber im Klaren werden, ob sie diese “Arbeitsbeziehung” aufgrund der

gesammelten Informationen eingehen wollen. Ehrlichkeit und Transparenz sind

wichtige Faktoren, um einen späteren Ausbildungsabbruch zu vermeiden. Somit ist

die Zusage bei der Wohnungssuche zu unterstützen nicht damit abgetan, dem

zukünftigen Azubi die Regionalzeitung mit Wohnungsanzeigen hinzulegen.

Der Ablauf eines Auswahlgespräches mit den entsprechenden Gesprächsphasen

und deren Teilzielen kann so gestaltet werden8:

4. Arbeitsprobe (praktische Aufgabenstellung)

Durch das Anfertigen einer Arbeitsprobe, z. B. Draht nach Vorlage biegen im

Berufsfeld Schlosser oder Errechnen des Farbbedarfs nach Vorgaben der

Zimmergröße im Berufsfeld Maler- und Lackierer, können berufsrelevante

8 vgl. Becker, Fred G.: Lexikon des Personalmanagements. Über 1000 Begriffe zu Instrumenten, Methoden und

rechtlichen Grundlagen betrieblicher Personalarbeit, 2002, S. 580

Aufgaben Ziele

1 Begrüßung, Vorstellung, persönliche

Gesprächseröffnung, Erläuterung

Gesprächsablauf

Auflockerung der Gesprächsatmosphäre

2 Besprechung der persönlichen und/oder

familiären Situation des Bewerbers

Sammeln von Erkenntnissen über den

Menschen sowie dessen äußeren Zwänge

und Möglichkeiten und Eindruckgewinnung,

ob Bewerber in das Team passt

3 Besprechung der schulischen und/oder

beruflichen Entwicklung des Bewerbers

Ermittlung der Qualifikationen und

Interessen des Bewerbers

4 Information über das Unternehmen, den Bereich

und Ausbildungsplatz

Werbung für das Unternehmen als

Arbeitgeber, Verdeutlichung der

Anforderungen an den Bewerber

5 Besprechung der Vertragsinhalte Klärung von Ausbildungsvertragsdetails und

Werbung für das Unternehmen als

Arbeitgeber

6 Gesprächsabschluss und Information über

zeitlichen Fortgang

Schaffung eines guten Eindrucks beim

Bewerber und Reduzierung von

Unsicherheit über Entscheidungsprozesse

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Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie z. B. Auffassungsgabe,

Lösungsorientiertheit, Grundkenntnisse in Mathematik und Physik und Motorik des

Bewerbers überprüft werden. Die Arbeitsprobe kann ein Teil des

Auswertungsgespräches sein und zeigt, ob das in der Bewerbung und im Gespräch

erwähnte handwerkliche Geschick auch tatsächlich vorhanden ist.

5. Bewertung und Entscheidung

Die Bewertung und Entscheidung für einen Auszubildenden erfordert eine sorgfältige

Arbeitsweise. Von daher ist es notwenig, alle während des Auswahlgespräches und

der Arbeitsprobe gesammelten Eindrücke schriftlich festzuhalten, um diese in einem

gemeinsamen Gespräch mit den am Gespräch und Beobachtung der Arbeitsprobe

beteiligten Entscheidern auszuwerten.

Jeder, der Mitarbeiter einstellt, muss sich darüber bewusst sein, dass er nicht

unvoreingenommen ist. Bei der Bewertung der einzelnen Bewerber haben die

Personalentscheider darauf zu achten, welche Anforderungskriterien zu erfüllen sind

und weniger darauf, was der Bewerber für einen gefühlsmäßigen Eindruck

hinterlässt.

Beurteilungsfehler9 betreffen bewusste und vor allem unbewusste Verfälschungen

der Beurteiler im Rahmen der Personalauswahl. Sie lassen sich in Wahrnehmungs-

verzerrungen, Maßstabsprobleme und bewusste Verfälschungen unterscheiden.

Zu den Wahrnehmungsfehlern zählen u. a.:

Halo-Effekt: ein bestimmtes positives Merkmal überstrahlt andere weniger

gute Merkmale oder umgekehrt. Der Beurteiler bewertet tatsächlich nur ein

Merkmal statt mehrerer.

Recency-Effekt: das letzte Drittel des Auswahlgespräches ist für die

Beurteilung des Interviews entscheidender als die zwei Drittel zuvor.

Maßstabsprobleme beziehen sich auf unbewusste Verzerrungen der Beurteiler:

Tendenz zur Milde/Tendenz zur Strenge: Der Beurteiler orientiert sich am

eigenen Anspruchsniveau. Ist das eigene Anspruchsniveau niedrig, neigt der

Beurteiler zu milder Beurteilung und entgegengesetzt.

9 vgl. Becker, Fred G.: Lexikon des Personalmanagements. Über 1000 Begriffe zu Instrumenten, Methoden und

rechtlichen Grundlagen betrieblicher Personalarbeit, 2002, S. 125

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Sympathie/Antipathiefehler: Der Beurteiler bewertet unbewusst auf ihn

besonders sympathisch wirkende Bewerber besser als andere. Umgekehrtes

Verhalten stellt den Antipathie-Effekt dar.

Bei bewussten Verfälschungen erfolgen die Beurteilungen als Mittel zum Zweck,

um bestimmte Bewerber zu bevorzugen.

In der Handreichung ist eine Vorlage für einen Beurteilungsbogen des

Auswahlgespräches zu finden.

Ist eine Entscheidung für einen Auszubildenden gefallen, ist mit diesem so schnell

wie möglich ein Ausbildungsvertrag abzuschließen, damit der Bewerber sicher ist,

dass er in dem Betrieb die Ausbildung beginnen kann und sich nicht weiter um eine

weitere Alternative zu bemühen braucht. Weiterhin ist durch den abgeschlossenen

Ausbildungsvertrag der erste Schritt zur Bindung des neuen Mitarbeiters an den

Betrieb getan.

E. Bindung von potentiellen Auszubildenden Für den Ausbildungsbetrieb ist mit Unterschrift unter dem Ausbildungsvertrag das

Suchen und Werben nach Auszubildenden abgeschlossen. Wie sieht es bei dem

zukünftigen Azubi aus? Im Idealfall, wenn der Ausbildungsbetrieb überzeugt hat, wird

der Auszubildende seinen ersten Ausbildungstag antreten. Doch die Chance am

ersten Ausbildungstag keinen Auszubildenden begrüßen zu können, ist hoch und

leider weit verbreitet. Für den Ausbildungsbetrieb ist der Ausbildungsvertrag

verbindlich, die Jugendlichen bewerben sich munter weiter nach dem Motto: Drum

prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Bessres findet.

Auch hier heißt es wieder, Kontakt halten. Informationen über das Unternehmen oder

das Fortschreiten auf der Baustelle per Mail, SMS oder auf Facebook,

Geburtstagsgrüße, Einladungen zu Betriebsfeiern oder Informationsveranstaltungen

geben dem zukünftigen Auszubildenden das Gefühl, er gehöre bereits zum

Kollegenkreis. Auch das Bereitstellen der Werkstatt zum Nachgehen des Hobbys ist

eine gute Möglichkeit, dem zukünftigen Mitarbeiter, Vertrauen in seine Arbeit zu

geben und seine handwerklichen Fähigkeiten zu vertiefen.

Eine Verbindung zu den Jugendlichen schafft eine Bindung an das Unternehmen.

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F. Schlussbetrachtung

I. Fazit

Die Sensibilisierung der Unternehmer und Unternehmerinnen im Handwerk für die

Wichtigkeit des Themas Ausbildungsmarketing war ein Ziel dieser Arbeit. Eine

Ausbildung im Handwerk besteht nicht nur aus Schmutz, Überstunden und schwerer,

körperlicher Arbeit, sondern Handwerk benötigt auch Fingerspitzengefühl und

Köpfchen. Die Entwicklungschancen, die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu

übernehmen und selbständig zu arbeiten, handwerkliches Geschick zu entwickeln

und in naher Zukunft sein eigener Chef zu werden, sind starke Argumente für eine

Ausbildung im Handwerk. Diese Überlegungen sind ein guter Ausgangspunkt für ein

erfolgreiches Ausbildungsmarketing. Nur wenn die Unternehmer und

Unternehmerinnen im Handwerk selbst von ihrem Berufszweig überzeugt sind, sich

für Werte und Traditionen einsetzen wollen, ohne stehen zu bleiben, wird es ihnen

gelingen, Nachwuchskräfte für das Handwerk zu gewinnen. Das Bewusstsein dafür

habe ich mit dieser Projektarbeit geschärft, ob und wie eine Umsetzung in den

einzelnen Betrieben erfolgt, wird sich erst in der Zukunft zeigen.

Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war die Erarbeitung einer Handreichung für

Handwerksbetriebe zur optimalen Unterstützung bei der Gewinnung von

Auszubildenden für Handwerksberufe und zur Strukturierung von

Personalauswahlverfahren in Handwerksbetrieben. Mit dieser Projektarbeit sollten

Lösungsansätze zum Ausbildungsmarketing im Handwerk erarbeitet werden, die den

Handwerksbetrieben Anregungen geben, wie sie sich für geeignete Bewerber gut am

Ausbildungsmarkt positionieren können. Diese Vorgehensweise sollte dazu

beitragen, Impulse zu geben, neue und andere Wege als bisher bei der Rekrutierung

von Auszubildenden zu gehen. Ich habe Handlungsempfehlungen für

Handwerksbetriebe zur Gewinnung von Auszubildenden, zur Strukturierung der

Personalauswahlverfahren und zur Bindung der potentiellen Bewerber entwickelt.

Diese entwickelten Materialien wie Checklisten und Vorlagen sind im Anhang dieser

Projektarbeit als Handreichung „Der Mix macht´s… Wege zur Gewinnung von

geeigneten Auszubildenden im Handwerk“ zu finden.

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Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk

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Diese Handreichung und die entwickelten Lösungsansätze werden durch mich auf

dem Verbandstag 2013 des Landesinnungsverbandes des Fleischerhandwerks

Mecklenburg-Vorpommern und den Versammlungen der Innungen im Frühjahr 2013

vorgestellt und diskutiert. Weiterhin wird diese Projektarbeit und die Handreichung für

die Betriebe auf der Internetseite der Kreishandwerkerschaft Schwerin abrufbar sein,

so dass ein umfassender Transfer in die Handwerksbetriebe gewährleistet ist.

Für das startende Ausbildungsjahr 2013 können die Vorschläge durch die

Handwerksbetriebe sofort aufgegriffen und umgesetzt werden. Eine individuelle

Ausbildungsunterstützung wird durch die Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft

Schwerin gewährleistet. Über die Rückmeldungen der Handwerksbetriebe, ob und

wie erfolgreich die Maßnahmen umgesetzt werden konnten,

Verbesserungsvorschläge zu den entwickelten Materialien und Anregungen zu

neuen Rekrutierungswegen, werden die Materialien durch die Kreishandwerkerschaft

Schwerin angepasst und weiter entwickelt.

Für die Sicherung und Weiterentwicklung des Handwerks ist es wichtig, dass

Handwerksunternehmer- und unternehmerinnen erkennen, dass sich

Zukunftsinvestitionen nicht nur auf Werkzeuge, Maschinen und Ladeneinrichtungen

beschränken. In die (potentiellen) Mitarbeiter muss investiert werden, damit das

Handwerk auch in der Zukunft die Wirtschaftsmacht von nebenan bleibt. Ein

Fleischermeister sagte dazu: „Die Branche gewinnt entweder gemeinsam oder

verliert gemeinsam.“

II. Ausklang

Fleischermeister Korff hat sich mit seinen Mitarbeitern beraten und entschieden,

dass die Fleischerei Korff dieses Jahr wieder ausbilden und sich aktiv um Bewerber

bemühen will. Es sollen zwei Fleischer und ein Fachverkäufer für

Lebensmittelhandwerk, Fachrichtung Fleischerei, ausgebildet werden. Wichtig ist

allen Mitarbeitern, dass die Jugendlichen motiviert sind und Spaß am Umgang mit

der Ware haben. Als Schulabschluss wäre es gut, wenn die Jugendlichen die mittlere

Reife mitbringen, aber ausschlaggebend für die Entscheidung soll eher die

Motivation und handwerkliches Geschick sein.

In dem Gespräch mit seinen Mitarbeitern hat Fleischer Korff um Vorschläge gebeten,

warum die Jugendlichen sich ausgerechnet für eine Ausbildung in der Fleischerei

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Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk

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Korff entscheiden sollen. Die Mitarbeiter haben hervorgehoben, dass das

Betriebsklima sehr gut und familär ist, sie morgens gemeinsam frühstücken und

dabei die Tagesaufgaben besprechen, wobei das Wurstangebot natürlich durch die

Fleischerei selbst gestellt wird. Die Mitarbeiter würden die Jugendlichen auch bei

einer Suche nach einer Unterkunft unterstützen, vielleicht können die

Auszubildenden ja eine WG aufmachen. Wenn jemand Nachhilfe benötigt, stellt sich

der ehemalige Auszubildende Jens zur Verfügung und gibt Unterstützung. Auf jeden

Fall ist die betriebliche Zukunft der drei potentiellen Auszubildenden bereits

gesichert, wenn sie Wollen und Können zeigen und im Betrieb nach ihrer Ausbildung

bleiben möchten. Sogar ein Austausch in´s Ausland ist möglich, es gibt Beziehungen

nach Frankreich. Frau Korff hat das alles auf einem Flyer festgehalten. Einen

Aushang will sie gleich an die Türen der Filialen befestigen und auch an den Stand

des morgigen Bauernmarktes mitnehmen. In der Schule ihrer Enkelin wird sie

nächsten Monat auch Flyer austeilen, da sind nämlich Projekttage, wo sich die

Firmen aus der Region mit ihren Berufsbildern vorstellen können. Frau Korff hat von

ihrer Enkelin auch gehört, dass es den Praxislerntag für die neunten Klassen gibt.

Vielleicht haben ja ein paar Schüler Lust, in der Fleischerei Korff mitzuarbeiten. Und

natürlich meldet Frau Korff die Ausbildungsplätze bei den Lehrstellenbörsen der

Agentur für Arbeit, den Kammern und der Kreishandwerkerschaft.

Fleischermeister Korff hat sich inzwischen mit seinem ehemaligen Auszubildenden

Jens, der seine Meisterausbildung machen möchte, hingesetzt und mit ihm seine

Perspektiven im Betrieb besprochen. Beide können sich vorstellen, dass Jens die

Fleischerei einmal übernimmt. Fleischer Korff wird Jens unterstützen, in dem sich die

Fleischerei an den Kosten der Qualifikation beteiligt und es ihm zeitlich ermöglicht an

den Lehrgängen teilzunehmen.

Um für die Kunden besser erreichbar zu sein und für Informationen rund um den

Partyservice wird die Fleischerei sich eine Homepage einrichten lassen. Natürlich

wird auf der Homepage auch alles rund um die Ausbildung in der Fleischerei Korff zu

finden sein. Die zukünftigen Auszubildenden haben dann während ihrer Ausbildung

die Möglichkeit, in einem eigenen Blog über ihre Ausbildung in der Fleischerei Korff

zu berichten.

Fleischer Korff ist zufrieden, der Anfang ist gemacht…