Der neue Ausstellungsraum am Observatorium Hoher Listgeffert/hl/AUSSTELL.pdf · Argelander-Institut...
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Argelander-Institut für Astronomie, Universität Bonn
Der neue Ausstellungsraum
am Observatorium Hoher List
Argelander-Institut für Astronomie, Universität Bonn
Der neue Ausstellungsraum
am Observatorium Hoher List
Hintergrund
Das Observatorium Hoher List, das vor 40 Jahren mit dem 1m Cassegrain Teleskop seinerzeit das
größte optische Fernrohr der Bundesrepublik Deutschland beherbergte, spielt heute für die
astronomische Wissenschaft keine bedeutende Rolle mehr. Auf der Suche nach einem neuen
Aufgabenfeld ist die Idee entstanden, einige Räumlichkeiten der Beobachtungsstation zu einem
Museum umzuwandeln, um dort den - teilweise wertvollen - historischen Geräten einen adäquaten
Platz zu bieten und der Öffentlichkeit den Zugang zu diesen "Schätzen" zu ermöglichen.
Gegenwärtig hat der Beschluss des Argelander-Instituts, das Observatorium Hoher List Ende Februar
2012 aufzugeben, diese Pläne überholt. Die Arbeiten an dem ersten Ausstellungsraum wurden jedoch
zu Ende geführt und der Raum ist seit August 2010 betriebsbereit.
So ist die Situation entstanden, am Observatorium bis zur Aufgabe der Sternwarte seitens der Bonner
Universität Ende Februar 2012 einen Ausstellungsraum zur Verfügung zu haben, ohne dass es für den
Raum nähere Vorgaben gibt. Der ursprünglichen Konzeption folgend sollten die historischen Geräte
des Argelander-Instituts im Mittelpunkt solcher Ausstellungen stehen.
Astronomie und bildende Kunst am Observatorium Hoher List
Im Internationalen Jahr der Astronomie 2009 (IYA 2009) bestand ein Schwerpunkt der deutschen
Aktivitäten, die Astronomie in einen kulturellen Kontext mit anderen Disziplinen zu bringen. Eine
Gruppe Köln - Bonner Künstlerinnen und Künstler aus dem Freundeskreis der Kunststation Beuel
griff diese Idee auf und begann zusammen mit einem Mitarbeiter des Argelander-Instituts (M.G.)
einen Dialog zwischen Astronomie und bildender Kunst. Als erstes sichtbares Ergebnis präsentierte
die Gruppe die Ausstellung "Das erste temporäre Atelier für Durchmusterungen" im September 2009
am Observatorium Hoher List.
Inzwischen arbeitet ein größerer Kreis von Künstlern und Astronomen an einem neuen Projekt zu
dem Thema Weltraumschrott ("Space Debris"). Dabei soll der Dialog zwischen bildender Kunst und
der Astronomie auf alle Beobachtungsstationen der Bonner Astronomen erweitert werden, vor allem
auf die, die sich wissenschaftlich mit Weltraumschrott beschäftigen (Wachtberger Radom des
Fraunhofer-Instituts und Radioteskope am Stockert und bei Effelsberg).
Intention und Konzept der Ausstellungen am Hohen List bis Februar 2012
In diesem Kontext liegt es vielleicht auch nahe, für den Ausstellungsraum am Observatorium Hoher
List in einem zeitlich begrenzten Rahmen, ein interdisziplinäres Projekt zwischen Astronomie und
bildender Kunst ins Leben zu rufen. Ausstellungen können durch Seminare, Kolloquien und
Arbeitstreffen ergänzt werden, für die das Observatorium ein ideales Umfeld bietet.
Bei der Suche nach bereits existierenden Verbindungen zwischen Astronomie und bildender Kunst
ergibt sich sofort ein Blick in die Geschichte der Astronomie. Wie in vielen naturwissenschaftlichen
Fächern mussten Astronomen bis 1900, vor der Etablierung fotografischer Methoden, ihre
Beobachtungen mit künstlerischen Methoden (z.B. Zeichnen, Drucktechniken) dokumentieren oder
vervielfältigen. Auch wenn die Wissenschaft über solche Dokumente (z.B. Zeichnungen in
Beobachtungsbüchern) hinweggegangen ist, schlummern in den Archiven mancher Institute
Materialien, die sicher wert wären, heute einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt zu werden, da sie
künstlerische Darstellungen ihrer Zeit sind.
Ein weiterer Aspekt liegt in den historischen Beobachtungsgeräten. Die in Handarbeit gefertigten
Instrumente haben heute keine wissenschaftliche Bedeutung mehr sondern eher eine Ästhetik, die sie
zu Kunstwerken macht.
Die historischen Geräte des Argelander-Instituts und der Ausstellungsraum am Hohen List bieten
deswegen einen geeigneten Ausgangspunkt, ein solch interdisziplinäres Projekt zwischen Astronomie
und bildender Kunst anzugehen. Die Zeit bis zum Frühjahr 2012 reicht aus, um in drei - vier
Ausstellungen Berührungspunkte aufzuzeigen und ihnen ein Stück weit nachzugehen. Für jede
Ausstellung sind vier Monate angesetzt. In dieser Zeit könnte ein Dialog zwischen Kunst und
Astronomie lebendig werden, bei dem neue Kunstobjekte, die auf die ausgestellten Werke Bezug
nehmen, in die bestehende Ausstellung integriert werden.
Erste Ausstellung (Oktober 2010 bis Februar 2011):
"Der Mond - Küstners vergessene Aufnahmen und andere Objekte der
Bonner Astronomiegeschichte"
"Küstner 10" (Installation mit zehn historischen Fotoplatten)
Im Jahre 1899 wurde in Bonn auf Betreiben des Leiters der Bonner Sternwarte Karl Friedrich Küstner
(1856-1936) ein neues Teleskop - der Bonner Doppelrefraktor - errichtet. Es stellte über viele Jahre
das bedeutendste optische Fernrohr der Rhein - Ruhr Region dar. Mit diesem Fernrohr begann für die
Bonner Astronomie - wie zeitgleich in vielen Städten Europas - eine neue Ära: die Zeit der
fotografischen Himmelsaufnahmen. Durch glückliche Umstände sind die meisten Aufnahmen
Küstners noch erhalten. Resultate der Messungen von Küstners Platten fließen auch heute noch in die
Wissenschaft ein. Dagegen sind seine Aufnahmen des Mondes für wissenschaftliche Zwecke nicht
mehr von Bedeutung und wurden im Archiv mehr oder weniger vergessen. Über fünfzig
Mondaufnahmen konnten Astronomen im Archiv des Argelander-Instituts für Astronomie ausfindig
machen.
Um 1900 war das Fotografieren des Mondes ein schwieriges Unternehmen. Da die Belichtungszeit
generell einige Sekunden betrug, musste bei der Aufnahme der Moment abgepasst werden, bei dem
die Luft eine möglichst geringe Unruhe hatte. Die Platten sind - wie alle Fotoplatten in der damaligen
Zeit - Negative. Der Mond hebt sich wie ein dunkler Schatten von einem hellen Untergrund ab.
Zehn Mondfotografien von Küstner, auf einem Tisch ausgebreitet und direkt einsehbar, sind Objekte
dieser Ausstellung. Ohne ihre wissenschaftliche Bedeutung kann man sie heute als Zeitzeugen und
Kunstwerke zugleich ansehen.
Ein Video mit Aufnahmen von gescannten Platten ergänzt die Präsentation der Fotoplatten und deutet
an, welche Fülle an Informationen den Fotoplatten zu entnehmen ist. In der Ausstellung ist ebenfalls
ein gerahmter Abzug einer Küstnerschen Fotoplatte und zum Vergleich eine Mondzeichnung zu sehen.
Den Abzug hat Küstner selber hergestellt und ihn - wie viele seiner Aufnahmen - signiert. Es ist ein
Hinweis darauf, dass der Astronom sich hier als Urheber und vielleicht deswegen auch als Künstler
fühlt.
Meridian
Astronomen nennen den Großkreis am Himmel, der durch den Pol geht und nach Süden zeigt
"Meridian". Besonders in früherer Zeit spielte der Meridian eine wichtige Rolle, da er eine Markierung
darstellt, auf die sich astronomische Messungen beziehen.
Wegen der Drehung der Erde wandern die Sterne scheinbar am Himmel um eine Achse, die durch den
Himmelspol und den Beobachter auf der Erde geht. Aus diesem Grunde bewegen sich Sterne auch
gleichmäßig über den Meridian (die Südrichtung) hinweg. Eine wichtige Messgröße ist die Zeit, wann
der "Meridiandurchgang" erfolgt, d.h. wann der Stern genau in südlicher Richtung steht. Zusammen
mit der Höhe eines Sterns können Astronomen daraus die Örter und auch die Bewegungen der Sterne
am Himmel bestimmen.
Fernrohre, die solche Messungen durchführen, lassen Beobachtungen nur in nord-südlicher Richtung
zu. Sie werden Meridiankreise genannt. Auch wenn heute dieser Fernrohrtyp nicht mehr gebräuchlich
ist, findet das Messprinzip bei modernen Satelliten (z.B. Hipparcos, Gaia) wieder Verwendung.
Die Bonner Astronomen verwendeten um 1900 einen Meridiankreis der Firma Repsold. Küstner war
bekannt für die Qualität seiner Messungen und bekam 1910 für seine Arbeiten mit dem Meridiankreis
die Goldmedaille der Royal Astronomical Society.
Der Bonner Meridiankreis - historische Aufnahme von 1895
Meridian (Fortsetzung)
Der letzte Bonner Meridiankreis ist heute als vollständiges Gerät nicht mehr erhalten. Einzelteile
lagern seit Jahren im Archiv des Argelander-Instituts. Nach vielen Jahren werden Tubus, Objektiv und
Fadenmikrometer, die wesentlichen Teile des Geräts, jetzt im Rahmen einer Installation in dieser
Ausstellung gezeigt. Von den ursprünglichen Plänen, das Gerät wieder komplett aufzustellen, musste
aus Platzgründen abgesehen werden.
Vielleicht wird bei dieser Präsentation des Tubus - gewissermaßen als Torso - aber der künstlerische
Charakter des historischen Geräts noch deutlicher.
Der Meridian ist nicht nur für die Festlegung des Koordinatensystems an der Himmelskugel wichtig,
sondern er stellt auch eine Verbindung zu dem Koordinatensystem auf der Erde dar. Man kann ihn
vielleicht als Schnittstelle zwischen Himmel und Erde bezeichnen. Durch Beobachtungen von Sternen
mit einem Meridiankreis bestimmten Astronomen bei bekanntem Beobachtungsort mit präzisen
Sternkoordinaten die genaue Zeit. Sie waren auch dafür verantwortlich, die Bahnhofsuhren in Bonn
und Koblenz zu stellen. .
Das Beobachten am Meridiankreis war eine mühsame und oft eintönige Tätigkeit. Die Beobachtungen
bestanden aus langen Zahlenserien. Jedes Institut veröffentlichte im 19. Jahrhundert die Messungen in
gedruckter Form, die man dann an andere Institute verschickte. Heute sind solche Messungen in
andere Kataloge eingeflossen oder überholt und damit einzeln für die Wissenschaft nicht mehr
brauchbar. Publikationen dieser Art verschwinden aus den Instituten und landen vielfach im Abfall..
Drei Seiten einer ausrangierten Institutspublikation mit Meridiankreisbeobachtungen aus Paris wurden
für diese Installation mit einem Porträt des Bonner Astronomen Argelander bedruckt und neben einem
stilisierten Meridian in die Installation aufgenommen. Das dreifache Holzschnittporträt gibt der
mühevollen Arbeit am Meridiankreis ein Gesicht. Friedrich Wilhelm Argelander (1799-1875) war der
berühmteste Bonner Astronom. Seine Vorliebe bei der astronomischen Tätigkeit galt dem Beobachten
mit einem Meridiankreis. Er erfasste mit seinen Mitarbeitern in sieben Jahren mit einem kleinen
Fernrohr mehr als 300.000 Sterne für die Erstellung der 'Bonner Durchmusterung'. Dieses erste
umfangreiche Sternverzeichnis der Neuzeit beruhte auf der Methodik der Messung mit
Meridiankreisen - wenn auch viel primitiver, aber dafür erheblich effektiver.
Zum Thema Meridian gibt es noch ein interessantes Essay von Frau Tincheva. Es kann von der
Homepage der Andrea von Braun Stiftung herunter geladen werden (Siehe Linkhinweise). Das Essay
beschäftigt sich mit der Gegenüberstellung der Standortbestimmung des Dichters Paul Celan und der
Messung der ersten Sternentfernung durch Friedrich Bessel.
Die Andrea von Braun Stiftung fördert in Deutschland zahlreiche interdisziplinäre Projekte.
Meridian - Detailansicht: Drei Holzschnitte (Porträt Argelander) auf Institutspublikationen des Observatoire de Paris
Das erste Bonner Fernohr
(wiederentdeckt und restauriert von F.J. Willems)
Mit diesem Fernrohr beobachtete Karl-Dietrich von Münchow, der erste Astronom der Bonner
Universität, am 5. Mai 1832 den Durchgang des Planeten Merkur vor der Sonne.
Homepage zur Ausstellung: http://www.astro.uni-bonn.de/~geffert/HLA.htm
(nicht mehr aktiv!)
Homepage Argelander-Institut: http://www.astro.uni-bonn.de/
Artikel von N. Tincheva (M.A.) zum Thema "Meridian" auf der Homepage der
Andrea von Braun Stiftung: http://www.avbstiftung.de/index.php?id=22 (Projekte von Braun Stiftung mit Link zu Artikel)
http://www.avbstiftung.de/fileadmin/projekte/LP_AvB_Tincheva_Nele_02.pdf (Artikel)
Idee, Konzeption:
Michael Geffert
Argelander-Institut für Astronomie
Auf dem Hügel 71
53121 Bonn
email: geffert(at)astro.uni.bonn.de