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M&S 22: Offizier-Sein zwischen militärischem Führer und Politiker - Seite 7 - Der Offizier und die Politik Wolfgang Etschmann Vorbemerkung: Die Herausforderung der Geschichte Eine „böse Zunge“ hat einmal gesagt: „His- toriker sind wie Theater- kritiker. Sie schreiben über Stücke, die sie nie gesehen haben“. Ähnli- che Bosheiten gibt es bei den Medizinern, da gibt es auch so ein böses Bon- mot: „Der Pathologe weiß alles, aber zu spät“. Historiker wissen angeblich auch alles, nur manchmal zu spät. Sie sind aber natürlich auch kei- ne Propheten, die ständig gute Ratschläge für die Zukunft – die berühmten „Ejzes“ – geben können: So war es damals und deshalb muss jetzt so oder so gehandelt werden. Dies funktioniert in den seltensten Fällen, weil sich politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Rahmenbedingungen im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert wahrscheinlich noch rascher geändert haben als noch im 19. Jahrhundert. Diese rasanten Änderungen mögen auch die Ursache dafür sein, dass Politikberatung durch Historiker immer ein zwei- schneidiges Schwert sein wird. Der aufgrund seiner eher unrühmlichen Rolle in den britisch-sowjetischen Beziehungen zwischen 1941 und 1945 nicht ganz unumstrittene britische Historiker Edward Hallett Carr hat einmal gesagt: Geschichte ist ein Dialog zwischen dem Historiker und einer längst vergangenen Gesellschaft. Der Herr Superintendent hat in seiner Andacht ein sehr klares Beispiel aus der biblischen Geschichte gebracht: eine solche Gesellschaft können wir uns heute eigentlich nur sehr schwer vorstellen: wie damals die sozialen oder die wirtschaftlichen Verhältnisse waren, wie Konflikt und Krieg abgelaufen sind u.s.f. Der Historiker hat – hier liegt Edward Hallett Carr sicher richtig – den Dialog mit der Gesellschaft zu führen. Einem erfolgreichen Historiker gelingt es vielleicht sogar, einen Dialog zwischen zwei Gesell- schaften fiktiv in Gang zu bringen. Manchmal aber kommt einem der Dialog mit einer vergangenen Gesellschaft wie ein Dialog mit der Bevölkerung eines anderen Planeten vor. Das liegt nicht an den Rahmenbedingungnen der Vergangen- heit selbst , sondern weil man sich selbst so schwer in eine Gesellschaft, die lange oder auch gar nicht so lange zurück liegt, hinein fühlen kann. Das ist jedoch nicht unbedingt eine Frage der zeit- lichen Distanz. Als ich im Herbst 1973 eine sehr ein- drucksvolle Vorlesung für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien über die Schlacht von Stalingrad bei Prof. Plaschka besucht habe, waren noch sehr viele Zeitzeugen am Leben. Dabei ist mir völlig klar geworden, wie schwierig dieser Dialog zwischen Gesellschaften ist, wobei man fragt, wel- chen Stellenwert und welche Bedeutung Militär oder Krieg in vergangener Zeit überhaupt gehabt haben. Denn da hat ein damals junger Oberleutnant, der Anfang Februar 1943 in Stalingrad in Gefangenschaft gekommen ist, als Zeitzeuge von diesen letzten Wo- chen in Stalingrad erzählt. Währenddessen herrschte

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Der Offizier und die PolitikWolfgang Etschmann

Vorbemerkung: DieHerausforder ung der

GeschichteEine „böse Zunge“

hat einmal gesagt: „His-toriker sind wie Theater-kritiker. Sie schreibenüber Stücke, die sie niegesehen haben“. Ähnli-che Bosheiten gibt es beiden Medizinern, da gibtes auch so ein böses Bon-mot: „Der Pathologeweiß alles, aber zu spät“.

Historiker wissen angeblich auch alles, nurmanchmal zu spät. Sie sind aber natürlich auch kei-ne Propheten, die ständig gute Ratschläge für dieZukunft – die berühmten „Ejzes“ – geben können:So war es damals und deshalb muss jetzt so oder sogehandelt werden.

Dies funktioniert in den seltensten Fällen, weilsich politische, wirtschaftliche, gesellschaftlicheRahmenbedingungen im 20. und beginnenden 21.Jahrhundert wahrscheinlich noch rascher geänderthaben als noch im 19. Jahrhundert. Diese rasantenÄnderungen mögen auch die Ursache dafür sein, dassPolitikberatung durch Historiker immer ein zwei-schneidiges Schwert sein wird.

Der aufgrund seiner eher unrühmlichen Rolle inden britisch-sowjetischen Beziehungen zwischen1941 und 1945 nicht ganz unumstrittene britischeHistoriker Edward Hallett Carr hat einmal gesagt:

Geschichte ist ein Dialog zwischen dem Historikerund einer längst vergangenen Gesellschaft. Der HerrSuperintendent hat in seiner Andacht ein sehr klaresBeispiel aus der biblischen Geschichte gebracht: einesolche Gesellschaft können wir uns heute eigentlichnur sehr schwer vorstellen: wie damals die sozialenoder die wirtschaftlichen Verhältnisse waren, wieKonflikt und Krieg abgelaufen sind u.s.f.

Der Historiker hat – hier liegt Edward HallettCarr sicher richtig – den Dialog mit der Gesellschaftzu führen. Einem erfolgreichen Historiker gelingt esvielleicht sogar, einen Dialog zwischen zwei Gesell-schaften fiktiv in Gang zu bringen.

Manchmal aber kommt einem der Dialog miteiner vergangenen Gesellschaft wie ein Dialog mitder Bevölkerung eines anderen Planeten vor. Das liegtnicht an den Rahmenbedingungnen der Vergangen-heit selbst , sondern weil man sich selbst so schwerin eine Gesellschaft, die lange oder auch gar nicht solange zurück liegt, hinein fühlen kann.

Das ist jedoch nicht unbedingt eine Frage der zeit-lichen Distanz. Als ich im Herbst 1973 eine sehr ein-drucksvolle Vorlesung für Osteuropäische Geschichtean der Universität Wien über die Schlacht vonStalingrad bei Prof. Plaschka besucht habe, warennoch sehr viele Zeitzeugen am Leben. Dabei ist mirvöllig klar geworden, wie schwierig dieser Dialogzwischen Gesellschaften ist, wobei man fragt, wel-chen Stellenwert und welche Bedeutung Militär oderKrieg in vergangener Zeit überhaupt gehabt haben.Denn da hat ein damals junger Oberleutnant, derAnfang Februar 1943 in Stalingrad in Gefangenschaftgekommen ist, als Zeitzeuge von diesen letzten Wo-chen in Stalingrad erzählt. Währenddessen herrschte

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betretenes Schweigen im Saal. Dann hat eine jungeStudentin aufgezeigt und gefragt, dass sie nicht ver-steht, warum er denn damals nicht den Zivildienstabgeleistet hat.

Diese Frage wurde schon dreißig Jahre nach derSchlacht um Stalingrad gestellt! Was ist denn da pas-siert? Da stimmt doch etwas in der Kommunikati-on zwischen den Generationen nicht.

Es ist die Herausforderung jeder historischen Ar-beit, diese Verbindung herzustellen. Auf unser The-ma bezogen:

Es geht darum, die Rolle des Offiziers als militä-rischer Führer im jeweils politischen System zu ver-stehen. Es sollen die Wechselwirkungen zwischenPolitik – das bedeutet öffentliches und gemeinschaft-liches Handeln – ganz egal zu welchem Zeitpunktund in welchem Raum sie statt gefunden hat, undder militärischem Führung aufgezeigt werden. Dasses dabei fließende Übergänge in verschiedenen Ge-sellschaften gibt, ist klar.

Heer und Gesellschaf tSchon im Altertum hat sich die Frage gestellt: Was

passiert eigentlich mit einer Gesellschaft, in der derHerrscher auch oberster militärischer Führer ist undim Krieg umkommt. Zerfällt diese Gesellschaft? Wasdanach passiert, das ist in verschiedenen Zeiten völ-lig unterschiedlich.

Denken wir beispielsweise an den Untergang desalten Königreiches Ungarns. König Ludwig fällt inder Schlacht bei Mohács 1526 gegen die Türken, dreiJahre später stehen die Türken vor Wien. Damit gehtnatürlich hier ein Herrschaftsraum, das alte ungari-sche Königreich, unter.

Gustav Adolf fällt als Schwedenkönig und mili-tärischer Führer bei der Schlacht bei Lützen 1632,aber das schwedische Königreich besteht weiter, esist weiter Teilnehmer am Dreißigjährigen Krieg. Espassiert also hier deshalb nichts viel Dramatisches,weil das Herrschaftssystem in Schweden weiter-funktioniert.

Ein Beispiel für den fließenden Übergang zwischenMilitär und Politiker ist Napoleon Bonaparte. 1793war er Hauptmann, 1796, im Alter von 27, war erGeneral und Oberbefehlshaber der Italienarmee.

Zweieinhalb Jahre später war er Konsul auf Lebens-zeit, wieder fünf Jahre später Kaiser von Frankreich.Aber gleichzeitig blieb er unangefochten der oberstemilitärische Führer, zumindest in den meisten Fäl-len bis 1812. Sein Herrschaftssystem fällt aber mitihm, und nach 1815 wird Europa grundlegend neugeordnet.

Gehen wir nun in die Zeit des 20. Jahrhundertsvoran. In der Weimarer Republik nach 1918 wirdein prominenter Heerführer des Ersten WeltkriegsReichspräsident: Paul von Hindenburg. Ab 1926 ister im Amt, aber letztlich kann er die innenpoliti-schen Abläufe in Deutschland aufgrund seines ho-hen Alters nicht mehr steuern. In den Jahren 1933/34 hat er, als es nötig gewesen wäre, nicht mehr dasDurchsetzungsvermögen, die schwierige politischeLage nach der Machtergreifung der Nationalsozialis-ten zu beeinflussen.

Gehen wir noch weiter in die Zeit nach 1945.Der amerikanische Oberbefehlshaber in Europa1944/45, General Dwight D. Eisenhower, wird 1953amerikanischer Präsident. Trotz einer markanten Ver-stärkung der strategischen Position der USA

Diese Beispiele, auch wenn sie aus Zeitgründennur kurz angesprochen werden können, müssenvorerst genügen, die interessante Wechselwirkungzwischen Politik und Militär anzusprechen.

Nur um Ihnen hier zu zeigen, wie groß die Band-breite in der Geschichte ist, wollte ich hier einigeBeispiele für die Vernetzung von Militär und Politikbringen, wobei man natürlich immer im Auge be-halten muss, in welcher Zeit, welche Gesellschaft,welches politisch-soziale Umfeld besteht.

Die Entwicklung inÖster reich in der

NeuzeitLenken wir den Blick jetzt auf die österreichische

Situation. Nach 1649 hat man entschieden, sich aufein stehendes Heer zu beschränken, weil sich dasSöldnerwesen während des Dreißigjährigen Kriegesnicht bewährt hatte. Unterversorgte Söldner habenmeistens die Eigenschaft, sich das zu holen, was sienicht bekommen haben, u.a. auch im eigenen Lan-de.

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Etwas anderes war noch kritischer: dass dieseSöldnertruppen in den allermeisten Fällen auf denKriegsherrn, und zwar nicht auf den obersten Kriegs-herrn, sondern auf den jeweiligen Feldherrn verei-digt waren, und natürlich für den Kaiser gekämpfthaben, aber letztendlich primär ihrem Feldherrn, aufden sie geschworen haben, mehr verpflichtet waren,z.B. Albrecht von Wallenstein. Daraus folgte, dassWallenstein als oberster militärischer Führer auchPolitik gemacht hat. Es gab z.B. Geheim-verhandlungen mit Schweden, geheime Kontakte, dieaber dem Kaiser nicht verborgen blieben, was dannzu Wallensteins gewaltsamen Ende im Jänner 1634im westböhmischen Eger geführt hat.

Solche Erfahrun-gen aus dem Dreißig-jährigen Krieg habenbewirkt, dass ein ste-hendes Heer aufge-stellt wurde. Dieseswar am Anfang garnicht so stark: nurnoch neun Regimen-ter zu Fuß und zehnzu Pferd.

Aber die Offizierewurden nun auf denobersten Kriegsherrn,den Kaiser vereidigt.Dieses stehende Heerwar gewissermaßeneine gut einsetzbare„Bereitschaftstruppe“,auf die man sicheinigermaßen verlassen konnte. In anderen europäi-schen Ländern beginnt diese Entwicklung schon frü-her. In Österreich im 17. Jahrhundert. Allerdingsinteressant zu bemerken ist, dass Offiziere in ersterLinie ihrem Kriegsherrn verpflichtet waren, lässt sichauch sehr gut dem bekannten Beispiel des PrinzenEugen zeigen, der an sich aus dem französischen Herr-schaftsbereich kommt, aus Savoyen, aber bei seinerVorsprache vom französischen König Ludwig XIV.als „hässlicher Zwerg“ verhöhnt wird. Er wäre fürseine glanzvolle Armee nicht geeignet, woraufhinEugen wo anders Dienst nahm. Zwei Jahrzehnte spä-ter hat sich Ludwig XIV. sicher darüber geärgert, dasser diesen Schritt gesetzt hat, weil er jetzt einen Mann

als Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee und alsGegenspieler hatte, der ihm für seine Streitkräfte ei-niges aufzulösen gab.

Ein solcher Wechsel zu verschiedenen Kriegsherrnwar im 17. und 18., ja sogar bis weit ins 19. Jahr-hundert nichts Unehrenhaftes, und es verschwindetimmer aus dem Bewusstsein, dass es den Typ deseuropäischen Offiziers gab. Offizier zu sein war einEhrenberuf, und es war absolut nicht unehrenhaft,nacheinander bei verschiedenen Herrschern Dienst zunehmen!

Ein wunderschönes Beispiel dafür ist Ernst vonLoudon. Geboren im Baltikum, begann er als Leut-nant in der russischen Armee, und machte alle Krie-ge gegen Türken und Tartaren bis 1739 mit. Als erdann in die preußische Armee eintreten wollte, wieser zwar auf seine Kriegserfahrung hin, was ihm je-doch nichts nützte. Er erfährt ein gleiches Schicksalwie Prinz Eugen in Frankreich. Friedrich der Großesagte: „Die Visage von dem Kerl gefällt mir nicht“,worauf Loudon bei Maria Theresia Dienst nimmt,und zwar nicht zum Schaden Österreichs und derösterreichischen Armee!

Dieses Dienstnehmen – es gab englische Offizie-re, die in der spanischen oder in der portugiesischenArmee dienten – war eben absolut nichts Unehren-haftes, wenn jemand Offizier war und die Möglich-keit ergriff, bei verschiedenen Herrschern auf ZeitDienst zu nehmen. Gebunden war man mit einemEid fallweise auf Zeit, fallweise auf Lebenszeit.Loudon bleibt bis zu seinem Tode in Österreich undwird schließlich Feldmarschall. Das ist eine Welt, dieheute sehr schwer zu verstehen ist!

Ein anderes Beispiel sind die berühmten „Wild-gänse“, die Iren, die schon im 17. Jahrhundert be-ginnen, in katholischen Armeen Europas Dienst zunehmen. Die Iren sind nicht besonders beliebt beider irischen Krone, denn sie haben den Ruf alsbesonders rebellisches Volk, sie sind aber im allge-meinen gute Kämpfer und viele von ihnen nehmenin der österreichischen, in der spanischen oder in derfranzösischen Armee ihren Dienst auf. Es finden sichdeshalb auch viele Namen in Spanien, wie O’Donnel,O’Brien, Browne usw., die gar nicht spanisch klin-gen.

Albrecht von Wallenstein, eincharakteristischer Feldherr desDreißigjährigen Krieges

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Die Napoleonische Äraals Wende zum

MassenheerEin großer Entwicklungsbruch ergibt sich auch

im Bereich des Militärs mit derFranzösischen Revolution. Hiergeht es jetzt wirklich um den Na-tionalstaat. Das ist etwas Neues,wenn es auch um Werte wie Frei-heit, Gleichheit, Brüderlichkeitgeht. Auch wenn das sehr schöneWorte waren, in der Praxis derFranzösischen Revolution mussteman erfahren, dass es mit der Brü-derlichkeit fallweise nicht sehr weither war. Oft wurde sehr rigoros mitechten oder vermeintlichen politi-schen Gegnern umgegangen.

Was aber neu war, war der Na-tionalismus, der auch in das Mili-tärwesen, und zwar im großen Um-fang, Eingang gefunden hatte. Zwargab es ähnliche Ansätze auch schonfrüher – man denke nur an den AmerikanischenUnabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 –, aber jetztsetzte sich dieses Denken auch in Europa endgültigdurch.

Der Nationalismus und der Patriotismus warenVorbedingungen für die Allgemeine Wehrpflicht fürdas Vaterland ab 1793. Man kann natürlich schwerfeststellen, ob alle Wehrpflichtigen begeistert in denKrieg zogen. Aber man schaffte es in Frankreich Endedes Jahres 1793, fast eine Million Mann für das Feldaufzubieten, und das war für die anderen Armeendes 18. Jahrhunderts eine gefährliche Quantität: da-mit waren die französischen Revolutionsarmeen eingefährlicher Gegner für die relativ kleinen stehendenHeere. Andere Staaten brachten 1792/93 vorerst eineStreitmacht von zwei oder drei Korps mit 40.000bis 60.000 Mann ins Feld, was bedeutete, dass manoft einen zwei- bis dreifachen überlegenen Gegnergegenüber stand. Außerdem scheuten die Franzosenmit ihren Frontalangriffen keine Verluste. Auf dieseArt siegte man zwar oft, nahm aber auch deutlichhöhere Verluste in Kauf.

Dieser neuen Art der Kriegsführungen hielten die

alten europäischen Mächte nicht lange Stand. NeueSysteme der Mannschaftsaufbringung wie auch derKriegsführung mussten gefunden werden, was sichin verschiedenen militärischen Auseinandersetzungenin den Koalitionskriegen gezeigt hat.

Es gibt Vorformen der Allge-meinen Wehrpflicht auch in Ös-terreich aus dem Jahr 1808, woman versuchte, eine Landwehr auf-zustellen, und Offizier zu sein warauch in Österreich ein besondererEhrendienst, nicht nur für denHerrscher, sondern am Staat. Da-mit kommen auch in Österreichnationale bzw. patriotische Moti-ve in größerem Maß das erste Malzum Tragen. Freiwilligenverbände,die schon 1797, 1800 und 1805und schließlich 1809 zum Einsatzkamen, verstärkten diese Phäno-mene. Hier beginnt eine Entwick-lung, die in ihren Auswirkungenweit über die Napoleonischen Krie-ge hinausgeht.

Die Armee alsKontinuum der

Habsburger -MonarchieDie Stellung des österreichischen Herrscherhau-

ses war im 19. Jahrhundert politisch unangefochten.Trotz der Revolutionen von 1848/49 stand die Ar-mee, stand der kaiserliche Offizier treu hinter demMonarchen, sieht man von den Entwicklungen inUngarn ab, wo es 1848/49 Sezessionsbestrebungengab. Aber die „Eiserne Klammer“ der Monarchie nach1849 war der kaisertreue Offizier, der hier mit demHerrscherhaus extrem verbunden war, nicht nuremotionell, sondern auch, was seine ganze Existenzbetroffen hat. Das ist das kontinuierliche Elementbis 1914; wobei man schon die Anfangsphase desErsten Weltkriegs zumindest als Markierungsdatum,als Bruch sehen muss, obwohl es letztlich bis 1918zu keinen großen Brüchen in der Loyalität kommt.

In diesem Kontinuum kann man wohl auch denGrund dafür sehen, warum die Habsburger-Monar-chie in ihren letzten Jahren im Ersten Weltkrieg die

Napoleon - Kaiser und Feldherr

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Nationalitätenkonflikte so lange so lange – bis 1918– ausgehalten hat, und dass die Armee bei allenSchwächen, die sie gehabt hat und bei allen verlore-nen Feldzügen stabil geblieben ist; (man denke nur1859, Sardinien Piemont und Frankreich oder 1866gegen Preußen). Die Armee hat sich lange Zeit ausder Kraft des Kontinuums gehalten und viele natio-nale Gegensätze in ihren Reihen abgefedert. Schonseit 1848/49 hat der Nationalitätenkonflikt im be-sonderen Ungarn betroffen, aber auch Italien undgegen Ende des 19. Jahrhunderts dann die slawischenVölker. Es war nicht zuletzt die Armee neben dermeist sehr effektiven Zivilverwaltung, die dieGesamtmonarchie lange zusammengehalten hat.

Wenn man sich heutevorstellt, dass es 17 Regi-mentssprachen in der k u.k Armee gab, wobei manvon jeden Offizier ver-langt hat, dass er sicheinigermaßen mit derMannschaft verständigenkann, dann war dies eine– mit sehr vielen Proble-men – gelebte Multi-nationalität.

Wenn man sich Bio-graphien vieler Offiziereansieht, dann erfährt man,dass manche durch ihrendienstlichen und auch pri-vaten Lebensweg durchdie ganze Habsburger-Monarchie geführt wur-den und dabei einen gro-ßen Teil des heutigen Zentraleuropas kennen gelernthaben.

Natürlich denkt man auch an die Armee um dieJahrhundertwende, die so treffend in den RomanenJoseph Roths und in den Anektoden Roda-Rodasbeschrieben wird.

Das Leben war – auch wenn man fast immer„knapp bei Kasse“ war – für einen jungen Leutnantin den Garnisonsstädten Wien, Prag, Budapest we-sentlich lustiger als irgendwo nordöstlich vonLemberg in Brody, zum Beispiel bei der 1. Kompa-nie des III. Bataillons des Infanterie-Regimentes 77auf Grenzpatrouille gegenüber Russland. Und es gab

natürlich, auch ohne dass eine Disziplinarkommissionzusammen sitzen musste, die Möglichkeit, einen jun-gen Leutnant der „Deutschmeister“ insofern zudisziplinieren, indem ihm gesagt wurde: Du meldestdich nächste Woche beim Infanterie-Regiment 77 inGalizien. Dann waren eigentlich keine weiteren„disziplinären Maßnahmen“ mehr notwendig.

Die Armee der Monarchie bot einerseits – geradewas den Dienst in verschiedenen Garnisonen und inden technischen Waffengattungen betraf – trotz zahl-reicher Schwierigkeiten viel Interessantes und brach-te zahlreiche Forscher und Wissenschaftler aus demOffizierskorps hervor, deren wissenschaftliche Erfin-

dungen und Entdeckungen Welt-ruf errangen. Dies zeigen die For-schungen des ungarisch-ame-rikanischen Historikers IstvánDeák über den k. (u.) k. Offizier.Er schildert aber auch einerseits,wie schwierig das Leben war, unddass es zum Teil bei den subalter-nen Offizieren bis zum Ende des19. Jahrhunderts lange „Hunger-jahre“ gegeben hat. Aberandererseits haben die Soldatenauch erstaunliche Widerstandsfä-higkeit bewiesen, und manche ver-suchten dienstlich – manchmalum jeden Preis, dienstlich „weiterzu kommen“. Wer die Aufnahmein den Generalstab (oder denArtilleriestab oder den Geniestab)geschafft hat, hatte eine gute Zu-kunft vor sich, selbst wenn hierauch die eine oder andere unschö-

ne Geschichte gegeben hat. Die „Affäre Hofrichter“im Jahr 1910 und der „Fall Redl“ im Jahr 1913 mö-gen hier nur als plakative Beispiele dienen.

Der Erste Weltkr iegIm Ersten Weltkrieg werden die Wechsel-

wirkungen zwischen Politik und Heer zum Greifendeutlich. Bereits längere Zeit vor Beginn des Kriegeshatten die Generalstäbe – und zwar aller europäischenMächte – ihre Operationspläne für die verschiede-nen Konfliktszenarien fertig.

Als mit der Mobilisierung 1914 die Pläne anlie-

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fen, war deshalb der Aufmarsch in nur sieben bis neunim wesentlichen Tagen abgeschlossen.

Wie automatisch lief dieser Aufmarsch in dieserkurzen Zeit ab, ohne wirklich gestoppt oder modifi-ziert werden zu können.

Der britische Außenminister Grey hat AnfangAugust 1914 mit seiner Aussage, dass „in Europa dieLichter ausgehen“, den Nagel auf den Kopf getrof-fen.

Innerhalb von neun Tagen gab es nun den „Gro-ßen Europäischen Krieg“, der erst später durch denEintritt der Türkei und Japans 1914 und auch späterdann der USA 1917 wirklich zum Weltkrieg wurde,obwohl schon von Beginn an weltweit auch in denKolonien und auf allen Weltmeeren gekämpft wur-de. Das war also das Erschreckende diese Automa-tik, die hier losgetreten wurde. Man kann eigentlich,wenn man den Konflikt theoretisch untersucht, zumSchluss kommen, dass sein „Ausbruch“ Beginn ei-gentlich politisch unlogisch ist: Alle europäischenMächte hatten prosperierende Wirtschaften, „es gingaufwärts“, die soziale Frage war in vielen europäischenStaaten durch nicht ungeschickte sozialpolitischeMaßnahmen zumindest einigermaßen entschärft,oder in den Hintergrund gedrängt worden. Der Welt-krieg begann zu einem Zeitpunkt, der alles andereals kriegsbegünstigend und schon gar nicht zwingendnotwendig war.

Aus dieser Überlegung heraus hat man in den letz-ten Jahren immer wieder geurteilt: Das „dumme“Österreich-Ungarn hat sich nur wegen der Ermor-dung des Thronfolgers in einen europäischen Krieg,der absehbar war, gestürzt; denn dass es nicht bei ei-ner Strafaktion gegen Serbien bleiben würde – unddass Russland nicht ruhig bleiben würde – das war jaleicht abzusehen.

Allerdings muss man auch ehrlicherweise eineGegenfrage stellen: Wie hätten andere europäischeNationen (Monarchien und Republiken) in dieserZeit reagiert, wenn der Thronfolger oder der Vize-präsident ermordet worden wäre? Wie hätte Russ-land agiert, wenn irgendwelche türkischen Nationa-listen den russischen Thronfolger im Kaukasus er-mordet hätten? Es wäre doch zumindest zu einemräumlich begrenzten, aber möglicherweise viel grö-ßeren Krieg unter Einmischung anderer Mächte ge-kommen!

Die Gesellschaften und Führungsschichten habendamals anders reagiert, als wir es heute wahrschein-lich tun würden – wobei ein „Krieg gegen den Ter-ror“ auch in unseren Tagen rasch ausgerufen wurde.Das muss man sich immer vor Augen halten, weilman heute sehr schnell mit dem Urteil bei der Handist.

Das Bemerkenswerte beim Verlauf des ErstenWeltkrieges besteht darin, dass die österreichisch-un-garischen Streitkräfte 52 Monate durchgehalten ha-ben; das hätten kritische Beobachter eigentlich nichterwartet. Denn es gab Nationalitätenprobleme, unddie militärischen Operationen – das kann man ganzoffen sagen – im Herbst 1914 verliefen eigentlichdurchwegs katastrophal; sowohl die Operationen ge-gen Serbien als auch gegen Russland. Man muss essich nur einmal vorstellen: Der Gesamtausfall derösterreichisch-ungarischen Streitkräfte zwischen EndeJuli 1914 und Anfang August 1915 betrug mehr als2,1 Millionen Mann! (Tote, Vermisste und Gefan-gene, Verwundete und Erkrankte). Das sind Größen-ordnungen, die man sich erst vor Augen halten muss.

Ein Blick auf das Offizierskorps kann das allesverdeutlichen: Das Offizierskorps war zu einem gro-ßen Teil friedensmäßig ausgebildet worden. Bis Ende1914 waren bereits 50 Prozent des Offizierskorpsder k.(u.)k. Armee ausgefallen: tot, vermisst, gefan-gen, verwundet oder schwer erkrankt. Tausende derletzten beiden Gruppen mussten von der Front ge-nommen werden. Es handelt sich dabei um Größen-ordnungen, bei denen man sich fragen muss, wie einStaat, wie eine Armee, wie ein Offizierkorps das aus-halten hat können. Natürlich gab es eine laufende

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Ergänzung an Berufsoffizieren. Die Ausmusterungenerfolgten in relativ kurzen Abständen. Ab Ende 1914haben aber die Reserveoffiziere zum Teil die Lückengefüllt, mit allen Vor- und Nachteilen. Es hatte imSommer 1914 ein Krieg begonnen, bei dem manangenommen hat, „zu Weihnachten wieder zu Hau-se“ zu sein. Man hat sicher gemeint zu Weihnachten1914, tatsächlich war es dann zu Weihnachten 1918,zumindest für die, die es überlebt, überstanden undnicht in Gefangenschaft gekommen waren.

Der November 1918 ist der katastrophale Bruchfür diese Armee und auch für viele im Offizierskorps.Die Monarchie zerfällt in Einzelstaaten. Viele Offi-ziere aus der alten Armee treten in die neu entstehen-den Armeen der Nachfolgestaaten ein, ob das jetztUngarn, die Tschechoslowakei oder der SüdslawischeStaat, zum Teil auch Polen ist.

Für die polnische Geschichte ist Josef Pilsudskyinteressant, der spätere polnische Staatspräsident.1914 führt er die ersten freiwilligen Bataillone vonPolen gegen den Erzfeind Russland ins Feld. Dass erjedoch kein großer Freund Österreich-Ungarns ist,hat man 1917 gemerkt, als diese Verbände eigenstän-dig agiert haben.

Es ist dabei nur verständlich, dass militärischeFührungspersönlichkeiten in den Nachfolgestaatensowohl in der Politik bzw. in den Armeen eine Rollegespielt haben. Die Habsburger-Monarchie zerfiel,Nachfolgerstaaten bildeten sich.

Was bleibt, also der Rest, ist Österreich. Das wareigentlich ein Land, wo es bis Ende 1921 keine kla-ren Grenzen gegeben hat. Man hat Anspruch auf alledeutschen Siedlungsgebiete erhoben und wollteStreitkräfte aufstellen, die diese Siedlungsgebiete ver-teidigen. Dass dies in den meisten Fällen nicht sehrerfolgreich war, ist kla: Gegen die gut ausgerüstetentschechischen Truppen sind die Sudetengebiete sehrrasch verloren gegangen. Das war eine Sache vonknapp sechs Wochen. Dass die Untersteiermarkebenfalls sehr schnell gegen slowenische Truppen inKärnten verloren gegangen war, liegt ein bisschenanders. Hier konnte zumindest eine Zeit lang erfolg-reicher gekämpft werden. Und auch an Widerstandgegen die moderne, nach westalliierten Muster ge-führte italienische Armee war gar nicht zu denken,Südtirol zu halten. Südtirol wurde schon in den ers-ten beiden Novemberwochen 1918 vollständig be-setzt und es ist kaum bekannt, dass Italien z.B. in

Innsbruck bis 1920 eine Besatzungstruppe gehabt hat.Es gab nicht nur eine Besatzungszeit nach 1945, son-dern auch schon von 1918 bis 1920.

Die Armee des neuenÖster reich

Was bietet sich in Fragen der Landesverteidigungfür dieses kleine Deutsch-Österreich an, das nochkeine klaren Grenzen hat? Es gab zwei Denkschulen:

Einige Offiziere aus der Org-Abteilung der k. u.k. Armee planten, auf die Ersatzbataillone der Regi-menter der alten Armee aufzubauen und hieraus neueVerbände zu schaffen. Womit aber die Herren damalsnicht gerechnet hatten war, dass es bereits eine Parallel-organisation zur Armee der Habsburgermonarchie inden Oktober- und Novembertagen 1918 im Kriegs-ministerium unter dem ehemaligen Oberleutnant Dr.Julius Deutsch, der die Deutsch-ÖsterreichischeVolkswehr aufgestellt hat, gegeben hat. Das war derzweite Ansatz zum Aufbau einer Wehrmacht imneuen Österreich.

Die Volkswehrwar aber de facto einefast ausschließlichvon den Sozialdemo-kraten organisierteTruppe, die gleich-zeitig die offizielleW e h r m a c h tDeutsch-Österreichswar. Sie war mit so-zialdemokratischenVertrauensmännernaus der Alten Armeeaufgebaut worden.Manche Historikersagen, das ist schonim Frühjahr undSommer 1918 pas-siert, manche sagen,es war etwas später.

Im November 1918 entsteht jedenfalls offiziell dieVolkswehr. Sie besteht ausschließlich aus Freiwilli-gen, die sich zunächst auf sechs Monate verpflichtethaben. Die Gewinnung von Unteroffiziere sowie derMannschaften ist relativ einfach. Die große Frage war:

Julius Deutsch, der Vater derösterreichischen Volkswehr

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Woher nimmt man die Offiziere.

Denn man hat natürlich zu wenig Offiziere, dieder sozialdemokratischen Idee verpflichtet sind. Siehtman sich schließlich die Personallisten der Volkswehr-kommandos und Bataillone an, so waren das zumgrößten Teil, 80 bis 90 Prozent Offiziere der k. (u.)k. Armee, die man oft nur zähneknirschend aufge-nommen hatte. Diese Offiziere haben sichletztendlich zur Verfügung gestellt. Viele warenkaisertreu, waren zum Großteil skeptisch gegenüberder jungen Republik eingestellt, aber sie wolltennicht, dass südslawische Truppen schließlich irgendwoim Raum Graz stehen oder nördlich von Wolfsbergoder tschechische Truppen im Wald– oder Wein-viertel. Sie nahmen den Dienst an und verpflichte-ten sich, als Offiziere der deutsch-österreichischenWehrmacht Dienst zu leisten.

Hier wurde bereits etwas genannt, das das wesent-liche Element für den Untergang der Ersten Repub-lik ist. Wenn man die Wehrfrage der Zeitfrage 1918bis 1938 betrachtet, so sieht man diese Problematikschon relativ früh.

Die ursprünglich „sozialdemokratische“ Volkswehrist mit ihrem sehr hohen Prozentsatz an sozialdemo-kratischen Vertrauensmännern sehr starr: Es gibtSoldatenräte, bei denen die Offiziere ihre Maßnah-men genehmigen lassen müssen. Das System vonBefehl und Gehorsam wurde teilweise aufgebrochen.Sogar der Amtsleiter im neu geschaffenen Staatsamtfür Heerwesen, Oberst Theodor Körner Edler vonSiegringen, muss z.B. im April 1919 konstatieren,dass es mit den oberösterreichischen Bataillonen Pro-bleme gibt. Das Linzer Volkswehrbataillon sollte andie ungarische Grenze zur Assistenzleistung – Über-wachung der Grenze – ausrücken. Die Vertrauens-männer des Bataillons stimmten aber nur unter derBedingung zu, dass die Soldaten eine Felddienstzu-lage von sechs Kronen pro Tag bekommen. Da die-ser Forderung nicht entsprochen wird, kommen sienicht zum Einsatz. Körner, der Sozialdemokrat ist –das ist seit November 1918 kein Geheimnis –,kommt daraufhin zur Erkenntnis, dass die Volkswehreigentlich für ernste Einsätze nicht zu brauchen ist.Sie kann Wach- und Sicherungsaufgaben im Inlandübernehmen und vielleicht da und dort Plünderun-gen verhindern, fallweise beteiligen sich aber aucheinzelne Angehörige der Volkswehr an Plünderun-gen (besonders jene der „Roten Garde“, des späteren

Volkswehrbataillons XLI) Körners Urteil über dieVolkswehr ist dabei nicht ganz gerecht: Es habenOstösterreichische Volkswehrbataillone in Kärntenund in der Steiermark sehr guten Dienst geleistet.

Der Friedensvertrag von Saint Germain verhin-derte die Aufstellung eines größeren Heeres und ver-ändert damit auch das Offizierskorps. Dabei ist auchdie soziale Dimension von Wichtigkeit: Rund 16.000Offiziere der ehemaligen k. (u.) k. Armee – Berufs-offiziere und aktivierte Reserveoffiziere – hatten sichfür den Dienst in der deutsch-österreichischen Wehr-macht gemeldet. Aufgenommen werden konntennach dem Friedensvertrag von Saint Germain nur1.500, also etwas weniger als ein Zehntel der Bewer-ber. Die anderen mussten sich etwas anderes suchen,und da gibt es dann so kuriose Dinge wie Schuster-lehrkurse für Offiziere, Buchhaltungskurse für Offi-ziere, Handelsvertreterkurse für Offiziere, um dieLeute ganz einfach in zivilen Berufen unterzubrin-gen.

Die Armut vieler Angehöriger des ehemaligenOffizierskorps, die man in sehr vielen Memoiren-werken nachvollziehen kann, war sehr groß, die so-zialen Probleme waren gewaltig. Das ab Frühjahr1920 entstehende Bundesheer durfte nur 1.500 Of-fiziere haben; der erlaubte Höchststand der Wehr-macht betrug 30.000 Mann, gegliedert in sechs Bri-gaden. Das waren die militärischen Vorgaben des Frie-densvertrages von Saint Germain. Interessant ist, dasstrotz einer relativen hohen Arbeitslosigkeit in derErsten Republik diese 30.000 Mann für das Bundes-heer bis ca. 1933 niemals gefunden werden konn-ten.

Man darf daraus aber keine falschen Schlüsse zie-hen. Eine Personalstärke von 23.000 Mann imBundesheer war der Schnitt bis 1932. Rund ein Vier-tel der Mannschaftsposten war also unbesetzt, wo-bei Offiziers- und Unteroffiziersposten im Prinzipbesetzt waren, da war also an sich kein Mangel, wo-bei es hier wieder regionale Unterschiede gibt. In bäu-erlichen Gegenden, z.B. Obersteiermark und zumTeil in Kärnten oder in Oberösterreich, gibt es Pro-bleme, ausreichend Soldaten zu finden. Das ist inWien anders. In Wien findet man die Soldaten leich-ter.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich natürlichdie Probleme gegenüber den Zeiten der Volkswehrgeändert haben: Das Prinzip „Befehl und Gehorsam“

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ist jetzt wieder im allgemeinen durchgesetzt, aber diepolitischen Querelen innerhalb des Bundesheeres aufGrund des politischen Einflusses zwischen christlich-sozialer und sozialdemokratischer Richtung fingenschon 1919 an und wurden zwischen 1922 und 1933sehr massiv.

Das führte zu kuriosen Dingen: Der Sekretär desParlamentskommissärs, Nationalrat Dr. JuliusDeutsch, schreibt z.B. an den Militärverband derRepublik Österreich (das war eine sozialdemokrati-sche Interessensvertretung im Bundesheer): „Es wol-le ehebaldigst bekannt gegeben werden, ob die nach-folgend gemachten Heeresangehörigen dortorts ge-werkschaftlich organisiert sind. Falls über derer poli-tischen Meinung etwas bekannt ist, wolle auch hierüber eine Mitteilung gemacht werden.“ Dann fol-gen die Namen.

Tatsache ist, dass Sozialdemokraten wie auchChristlichsoziale einen erbitterten Kampf um denEinfluss im Bundesheer führten, den die Christlich-Sozialen unter Bundesminister Carl Vaugoin lang-fristig gewannen. Es kam hier zu einer massiven Po-litisierung innerhalb des Bundesheeres mit dem Ver-such, Einfluss zu gewinnen oder Leute „hinauszu-drücken“ und genehme Leute hineinzusetzen. Dasist in den Zwanzigerjahren üblich gewesen. Dieserpolitische Kampf geht aber dann letztlich auf Grunddes politischen Gewichtes des Ministers Vaugoin undseines Kabinetts sehr erfolgreich für die christlich-soziale Seite aus. Das politische Übergewicht ist da-mit gesichert.

Viele der Offiziere, die nicht im Bundesheer un-terkamen, haben sich eine andere militärische Betä-tigung gesucht. Sie fanden in der „Frontkämpfer-vereinigung Deutsch-Österreichs“ eine Heimat. Daswar ein paramilitärischer Verband mit ca. 12.000Mann. Oder man ging zur Heimwehr, die es an sichschon im November 1918 gab – sie ist keine Erfin-dung der Zwanzigerjahre –, sondern die Heimweh-ren und die Bauernwehren entstehen in den Umsturz-tagen des Jahres 1918. 3,5 Millionen Mann der ehe-maligen k. (u.) k. Armee marschierten ausgehungertin Richtung ihrer Heimat(en) kreuz und quer durchdie ehemalige Monarchie und haben sich fallweiseversorgt, und da gab es die Heimwehren, die Ort-schaften gegen Plünderungen geschützt haben.

Auf der anderen Seite gab es in den Fabriken dieArbeiterwehren, die versucht haben, die Waffen vor

der „Reaktion“ zu schützen, z.B. in den großenRüstungsbetrieben. In der Obersteiermark oder imWiener Arsenal, einem der wichtigsten Rüstungs-zentren in Wien, bildeten sich Arbeiterwehren, ausdenen 1923 der „Republikanische Schutzbund“ ent-stand.

Auf beiden Seiten gibt es viele ehemalige k. (u.)k. Offiziere, die kriegsgedient waren, und die ihremilitärischen Erfahrungen einbringen.

Das bedeutet in weiterer Folge, dass das Materialwie auch das Personal für den Bürgerkrieg oder fürdie Bürgerkriege, die dann 1934 ausbrechen, schon1923 vorhanden sind: Heimwehr und Schutzbundverfügen über je 60.000 Mann mit je 60.000 Ge-wehren und rund 600 Maschinengewehren. DasBundesheer hat hingegen 90 Geschütze, 60 Minen-werfer, 480 Maschinengewehre und nur 23.000Mann. Betrachtet man die einzelnen militärischenPotentiale, dann sagt das schon einiges aus, wer hierpolitisch das Sagen hat.

Wichtig für die weitere Entwicklung ist, dass ei-nige wesentliche Elemente der Grundlagen für denZusammenbruch der Ersten Republik bereits vonihrem Beginn an vorhanden waren.

Im StändestaatNach Umgestaltung Österreichs zum Ständestaat

1933 war das Heer ein verlässlicher Garant der Staats-macht. Das Offizierkorps war – allerdings wieder mitAusnahmen – dem Ständestaat zugetan. Sehr oft fin-det man die nationalsozialistische Durchsetzung desOffizierkorps in den Jahren 1934 bis 1938 in derDiskussion erwähnt. Grob gesprochen muss manfeststellen: 1934 war diese jedoch sehr gering. Wennman sich die Personallisten anschaut, auch die Listedes Nationalsozialistischen Soldatenringes (NSR) alsgeheime und verbotene politische Organisation, sokommt man auf maximal fünf Prozent des Offi-zierskorps. Von einer massiven Durchsetzung desOffizierskorps durch die nationalsozialistische Bewe-gung kann man hier also eigentlich nicht sprechen.Die Geschehnisse im März 1938 können nuraufgrund der politischen Rahmenbedingungen ge-wertet werden. Dass die politischen Institutioneninnerhalb weniger Stunden zusammen gebrochensind, und die Bundesregierung und praktisch alle

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Landesregierungen schon am Abend des 11. März innationalsozialistischer „kommissarischer“ Hand wa-ren, ist eine oft wenig beobachtete Tatsache.

Vorausgegangen war dem der ideologische Kampfin den Dreißiger Jahre, speziell unter den Regierun-gen Engelbert Dollfuß und Kurt von Schuschnigg.Österreich wurde als der „bessere deutsche Staat“ ge-wertet, und – wie es dann in der AbschiedsredeSchuschniggs sinngemäß heißt: „…es darf kein deut-sches Blut vergossen werden“. Diese Grundein-stellung bewirkte, dass die Abwehrplanungen derFührung des Bundesheeres , die zwar mit dem Jansa-Plan als wichtigster Operationsplan vorhanden wa-ren, das Heer aber nicht zum Einsatz kam. Es hatzwar Truppenverschiebungen und Assistenzen natür-lich vor dem deutschen Einmarsch gegeben, aberkeinen bewaffneten Widerstand beim deutschen Ein-marsch in Österreich.

Öster reichischeOf f iziere in deutscher

Unifor mMit dem März 1938 endet die Geschichte des

Bundesheeres, aber nicht die Geschichte des Offi-zierskorps des Bundesheeres. Denn im März 1938werden über 2.000 Offiziere aller Dienstzweige indie deutsche Wehrmacht übernommen. Es sind nurwenige, die nicht übernommen werden, die den Eid

verweigern. Es sind auch einige, die umgebracht wer-den, und zwar relativ rasch, wie der Staatssekretärfür Heerwesen, General Wilhelm Zehner, der nachneuesten Forschungen eindeutig ermordet wurde,wobei die Motive für die Tat auf das Jahr 1934 zu-rückzugehen scheinen und ein Racheakt gewesen seindürfte.

Tatsache ist, dass die Deutsche Wehrmacht mitder Übernahme des Bundesheeres ein Potential vonvorerst 60.000 Mann (1936 war die „Bundes-dienstpflicht“ eingeführt worden) gewinnt, also einÄquivalent von sechs Divisionen und mehrerenLuftwaffenverbänden.

Das ist der Beginn einer Entwicklung, die dann1945 endet. Man muss sich vorstellen, dass von dennicht einmal sieben Millionen Einwohnern, die Ös-terreich im März 1938 bis 1945 hat, nahezu 1,3Millionen Österreicher in der Wehrmacht, in derWaffen-SS oder in wehrähnlichen Verbänden wie der„Organisation Todt“ oder dem „Reichsarbeitsdienst“dienten. Von diesen 1,3 Millionen Österreichern, dasergeben neue Forschungen, kamen zwischen 247.000(es werden auch Zahlen von 261.000 genannt) – dassind ziemlich genau 20 Prozent – nicht aus dem Kriegzurück. Das ist eine Verlustquote, die fast keine an-dere europäische Nation hat, von Polen und derSowjetunion abgesehen.

Es gäbe jetzt sehr viel zu sagen über die Österrei-cher in der Deutschen Wehrmacht. Dass es fallweise

Kriegsverbrechen und Übergriffegegeben hat, ist überhaupt keineFrage; die Frage aber lautet: Sind sierepräsentativ? War es quantitativwirklich so, wie oft dargestellt? Aberdiese Fragen können natürlich aufkeinen Fall eine Entschuldigung fürKriegsverbrechen, individuelleÜbergriffe usw. sein. Das gab eszweifellos.

Ich weise an dieser Stelle auf eininteressantes Buch hin, das nicht nurden Offizier, sondern auch Unter-offiziere und Mannschafts-dienstgrade in der Deutschen Wehr-macht betrifft. Bryan M. Rigg, einCaptain des amerikanischen Mari-ne Corps, hat dieses Buch geschrie-ben, das vor knapp eineinhalb Jah-Das österreichische Trauma: Der 13. März 1938

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ren herausgekommen ist: „Hitlers jüdischeSoldaten“. Er weist darin nach, dass ca.150.000 Volljuden, Halbjuden undVierteljuden in der Wehrmacht gedienthaben und viele von ihren Vorgesetzten ge-schützt wurden. Es ist fallweise sogar zuhohen Auszeichnungen für solche Solda-ten gekommen; dabei wurde meistenssogar eine „deutschblütige Herkunft“ be-scheinigt.

Das ist nur eine der vielen vielschichti-gen Fragen in der Zeit des Zweiten Welt-krieges. Ein weites Forschungsfeld bietennoch immer die Probleme in anderen Staa-ten und bei deren Armeen die es in einemkritischen Vergleich mit den Problem-feldern der Deutschen Wehrmacht gege-ben hat.

Die Westalliierten hatten bei ihrer Of-fensive im Raum Hürtgenwald, Aachenund bei der Ardennenoffensive bzw. beiden Kämpfen im Elsass zwischen Okto-ber 1944 und Februar 1945 in einem Zeit-raum von nur knapp vier Monaten Ver-luste von mehr als etwa 100.000 Gefalle-nen, Verwundeten, Vermissten, Gefange-nen und psychischen Ausfällen. Dieamerikanische Gesellschaft ist dabei ruhiggeblieben und hat das als Kriegsrealitätakzeptiert. Ähnliches gilt für den pazifi-schen Kriegsschauplatz: Bei der Schlacht vonOkinawa im Juni 1945 mussten allein dieamerikanischen Streitkräfte 12.000 Tote und 38.000Verwundete für eine militärische Operation vonknapp drei Monaten verzeichnen. Unabhängig vomLeid der Familien, der einzelnen, wie kann eine Ge-sellschaft das aushalten?

Wo das Aushalten verordnet wird, wie das natio-nalsozialistische Deutschland oder die stalinistischeSowjetunion, da kann letztendlich von der Bevölke-rung nichts anderes erwartet werden, im „Großdeut-schen Freiheitskampf“ oder im „Großen Vaterländi-schen Krieg“. Aber in den demokratischen Systemender Alliierten? Offiziere sind dem Staat verantwort-lich, und sollen ihre Truppen so führen, dass die mi-litärischen Operationen erfolgreich sind und die Ver-luste nicht zu hoch sind!

Fragen zur heutigenSituation

Diese Akzeptanz kennzeichnet den Bruch nach1945; sie ist für uns heute kaum verständlich. Wiegibt es das? Wie konnte es so ablaufen? Und wie hateine Gesellschaft das akzeptiert? Heute fragt man:Damals hätte man es doch besser wissen müssen?! Esist kein Geheimnis, dass die Ereignisse in den Streit-kräften der Ersten Republik und die Ereignisse desZweiten Weltkrieges jene Soldaten, die damals ge-dient haben, die Gründungsphase des Österreich-ischen Bundesheeres massiv auf verschiedenster Ebe-ne geprägt haben. Sie sind – auch mit ihren durchausverschiedenen Wertspektren und politischen Einstel-lungen – die Gründungsväter des Zweiten Österreich-ischen Bundesheeres. Ich nenne pars pro toto die

Die B-Gendarmerie als Vorläuferorganisation des Bundesheeres der ZweitenRepublik (oben), der erste Bundesminister für Landesverteidigung FerdinandGraf (unten: Bildmitte), links neben ihm der erste Generaltruppeninspektor,General Erwin Fussenegger

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Namen der Generale Dr. Emil Liebitzky und ErwinFussenegger, die, auch wenn sie oft Gegenspielerwaren und verschiedene Welten repräsentierten,letztlich in ihren strategischen Betrachtungen dochzusammengefunden haben.

Liebitzky als ehemaliger k. u. k. Artillerie-Offi-zier war in der Ersten Republik Adjutant von Heeres-minister Carl Vaugoin und Militärattachè in Rom.In die Wehrmacht wurde er nicht übernommen. AmBeginn des neuen Österreichs versuchte er, dasBundesheer aufzubauen und überlegte ernsthaft, –wenn überhaupt – ehemalige Wehrmachtsoffizierebestenfalls mit ihrem Dienstgrad vor 1938 aufzu-nehmen.

Dann wäre Erwin Fussenegger 1955 als Oberleut-nant ins Bundesheer eingetreten, denn das war seinDienstgrad 1938. Aber das konnte so ja nicht funk-tionieren, ähnlich wie in Deutschland, wo KanzlerKonrad Adenauer feststellte, dass er die Bundeswehr„nicht mit Gefreiten aufbauen“ könne. Darüber stehtdie Frage, aus welchem Umfeld die Offiziere des jun-gen Zweiten Österreichischen Bundesheeres kom-men.

Wer war schon Offizier in der Ersten Republik,wer kam denn aus der B-Gendarmerie, wer war imZweiten Weltkrieg Angehöriger der Deutschen Wehr-macht? Es geht dabei auch darum, zu quantifizieren,

wie viele von diesen Gruppen ins Bundesheer eintra-ten und welche Erfahrungen die einzelnen Personengeprägt haben. Das sind ganz wesentliche Fragen!

Im Zuge der Forschungen zum 50-Jahr-Jubilä-um des Bundesheeres war auffällig, dass wir eigent-lich viel, viel mehr über die k. (u.) k. Armee um1910 als über das Bundesheer des Jahres – sagen wir1970 – wissen. Auch wenn es diesbezüglich schoneinige Forschungsansätze und Ergebnisse gibt, stehenwir erst am Anfang. Für Forscher gibt es noch zahl-reiche Projekte. Um mit Arthur Schnitzler zu spre-chen, „ein weites Land“ tut sich hier auf, wenn wirmehr über das Bundesheer und vor allem über dieGründungsphase und über die Männer erfahren wol-len, die das Bundesheer aus welchen Motiven undunter welchen Voraussetzungen auch immer – auf-gebaut haben und wie ihre Nachfolger gewirkt ha-ben. Die rund 1,8 Millionen Österreicher die in denStreitkräften der Zweiten Republik gedient haben,verdienen es, dass ihre Geschichte geschrieben wird.

Da ist noch sehr viel zu tun!Hofrat Dr. phil. Wolfgang Etschmann ist Leiter der Militär-geschichtlichen Forschungsabteilung des Heeresgeschichtlichen

Museums, Wien.