Der Rote Drücker

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Der Rote Drücker Zu Besuch in Gütenbach Neue Chronographen 2015 Zeit früher und heute Smartwatch - Gefahr oder Chance? www.hanhart.com

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Der Rote Drücker

Zu Besuch in Gütenbach

Neue Chronographen 2015

Zeit früher und heute

Smartwatch - Gefahr oder Chance?www.hanhart.com

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„Wer eine Geschich-te hat, sollte sie zei-gen und auch bewah-ren“, mit diesem Zitat schließt Simon Hall, Geschäftsführer der d e u t s c h - s c h w e i z e r Uhrenfirma Hanhart unser Gespräch. Der stürmische Nachmit-tag will in den Abend übergehen, der unge-mütliche Wintertag, für Dezember jedoch trotzdem deutlich zu warm, neigt sich seinem Ende und hüllt die Manufaktur in dunkle, bedrohlich er-scheinende Wolken. Ein weiterer Tag in der seit nunmehr 1882 andauernden Firmengeschichte Hanharts, die in der 1170-Seelen-Gemeinde Gütenbach, mit-ten im Schwarzwald, beheimatet ist.

Simon Halls Augen blitzen vor Begeiste-rung auf, wenn er über das mechanische Innenleben einer Uhr redet: „Die mecha-nische Armbanduhr ist quasi die Cham-pions League für mich, die Quartzuhr ist eben nur die Europa League“, erklärt der gelernte Uhrmacher und glühende

VfB Stuttgart-Fan im Gasthof gegenüber der Manufaktur. Die Wirtin kennt er per-sönlich, ebenso je-den seiner 27 Mitar-beiter, die meisten von ihnen sind tief in der Region verwur-zelt. Seit nunmehr acht Jahren gehört der 32-Jährige zur

„Familie Hanhart“, wie er liebevoll wie gleichsam ehrfürch-tig über seine Firma spricht, die neben Armbanduhren auch besonders für ihre Stoppuhren bekannt ist.

Harte Zeiten gab es erst kürzlich, stür-mische, ähnlich dem Wetter an diesem Tag im Schwarzwald. Der Schweizer In-vestor Philippe Gaydour gab im Februar 2014 seine Firmenanteile ab, die gesam-te Firma wurde personell neu aufgestellt und die internen Abläufe umstrukturiert. „Dass ich und mein Kollege Felix Wall-ner zum Geschäftsführer ernannt wurde hat mit harter Arbeit und eben auch dem Quäntchen Glück, das man anscheinend

EIN ORT, AN DEM ZEIT ENTSTEHT.Wir leben in einer Zeit ohne Zeit. Hektik, permanente Erreichbarkeit und Deadlines prägen unser Leben. Unser Alltag bietet scheinbar keinen Platz mehr für eine Auszeit. Ist es deshalb nicht umso schöner Zeit zu genie-ßen? „Wir haben Zeit genug, wenn wir sie nur richtig verwenden“, berichtete schließlich bereits zu seinen Lebzeiten der große Dichter Johann Wolfang von Goethe. Und um immer genau zu wissen, wie viel Zeit wir noch haben, können und wollen viele Menschen nicht auf ihre mechanische Armbanduhr verzichten. Zeitmesser, wie jene von der deutsch-schweizerischen Firma Hanhart. Wir waren zu Besuch an einem Ort, an dem wahrlich Zeit entsteht.

TEXT: MORITZ STEIDL FOTOS: HANHART

Die Firmenzentrale in Gütenbach bei Nacht.

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Fußballuhr mit Quarzwerk für die WM 1978. Foto: Moritz Steidl.

Die Geburtsstunde des Roten Drückers: die erste Tachy Tele anno 1939.

Einblick in das firmeneigene Museum, in dem alte Uhrenmodelle, Fotos und Relikte aus der Vergangenheit Hanharts ausgestellt sind.

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braucht, zu tun“, beschreibt Hall demü-tig seinen firmeninternen Aufstieg. Auf großes Auftreten kann er in der Presse oder auf Messen gerne verzichten, denn „in 100 Jahren interessiert der Name des Geschäftsführers niemanden mehr.“ Ein-zig die Marke und seine Produkte sollen für die nachfolgenden Generationen in Erinnerung bleiben. Und damit das der Fall ist, wurde kräftig investiert. Ein haus-eigenes Museum wurde errichtet, in dem man unter anderem die erste bezahlbare mechanische Stoppuhr von 1924, gleich-zeitig auch Hanharts erstes auf den Markt gebrachtes Produkt, bewundern kann- Auch originelle Kreationen wie zum Bei-spiel eine Quartz-Fußballuhr anlässlich der Weltmeisterschaft im Jahre 1978 sind dort seit Ende 2014 ausgestellt. Doch das alles ist Geschichte. Geschichte die nicht nur Licht beinhaltet, sondern auch Schatten. „Ja, wir haben zeitweise im Zweiten. Weltkrieg Piloten mit Fliegeruh-ren beliefert, dem muss man auch ganz offen gegenüber stehen. Aber ich glaube damit, haben sich ganz viele deutsche Firmen auseinanderzusetzen, die auch heute noch am Markt agieren.“Eben jene Fliegeruhren sind auch heute noch Aushängeschild und wichtiger Be-standteil im Produkt-Portfolio der Marke. Auch die Affinität zum Motorsport, die sich erkennbar am Design der Zeitmes-ser ablesen lässt und sich kontinuierlich durch die Historie gezogen hat.

Vorbei sind die Zeiten in denen große Na-men, wie beispielsweise die Schauspiel-legende Steve McQueen, privat Hanhart trugen oder man als offizieller Sponsor für das 24 Stunden Rennen auf dem Nür-burgring große mediale Aufmerksamkeit erhielt. Das war früher. Das hier und heu-te schaut jedoch vielversprechend aus und ist gerade im Begriff von motivierten, jungen und ambitionierten Köpfen neu gestaltet zu werden. Die Marketing-Ver-

antwortliche Evelina Daub ist mit ihren 26 Jahren wahrlich nah dran am Zeitgeist. Sie arbeitete nach ihrem Master Studium “International Fashion Marketing“ bereits für Branchen Schwergewichte wie TAG Heuer und IWC. „In Uhrenforen sind wir bekannt, allerdings in der breiten Öffent-lichkeit noch nicht. Wir müssen uns lang-sam wieder in die Köpfe der Menschen arbeiten und uns in der Branche wieder neu positionieren. Das ist eine span-nende Aufgabe“, beschreibt Daub die Richtung für die kommenden Jahre. Die Marketingaktivitäten müssen ohne große finanzielle Rücklagen auskommen, vie-les passiert „in house“, selbstgemacht. Womit kann also eine vergleichswei-se kleine Uhrenmarke punkten, im Du-ell um die Gunst des Konsumenten, mit den weltweitbekannten Marktführern wie Rolex oder Patek Philippe, wenn schon nicht mit Werbung? „Ganz einfach: durch Kundennähe“, antworten Simon Hall und auch Evelina Daub, unabhängig vonein-ander, blitzartig, „denn was große Uhren-firmen dem Kunden nicht bieten können, müssen wir für uns nutzen. Wird eine Uhr beispielsweise zur Reparatur oder War-tung abgegeben, so informieren wir den eigentlichen Besitzer immer genau, wo seine Hanhart gerade ist und wann er damit rechnen kann, sie wieder an sei-nem Handgelenk zu tragen.“ Wie viele Uhren genau in Gütenbach gefertigt und schließlich verkauft werden, das jedoch verrät weder Hall noch Daub – quasi ein „Thema non grata“ in der kompletten Uh-renszene.

Dass alle Prozesse mittlerweile wieder unter einem Dach ablaufen, wird bei ei-nem Rundgang durch die Firmenzentrale und Manufaktur, die direkt am Ortsein-gang von Gütenbach beheimatet ist, klar. Die drei Stockwerke des Gebäudes las-sen sich entweder durch Treppen erlau-fen oder mit einem Paternoster-ähnlichen

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Aufzug erfahren. Hall warnt bereits vor dem Einsteigen im Spaß dass „man sich aufgrund des hohen Alters des Aufzug schon sicher sein sollte, was man wagt.“ In die Jahre gekommen ist nicht nur das imposante Gebäude aus den 1930er Jah-ren, sondern gewiss auch einige in der Produktion eingesetzte Maschinen. Aber sie auszutauschen ergibt keinen Sinn, denn „die Geräte und Maschinen arbei-ten immer noch, auch teilweise nach 30 Jahren Einsatz, präzise und zuverlässig. Zudem hat sich in einigen Bereichen in der Gerätelandschaft auch nicht viel ent-wickelt.“ Unten, in der Manufaktur ange-kommen, gewährt Simon Hall Einblick in die Räume, in denen er teilweise selbst schon arbeitete, als er 2006 bei Hanhart anfing, direkt im Anschluss an seine Aus-bildung an der Feintechnikschule im Nahe gelegenen Villingen-Schwenningen. Prä-zise wie ein Uhrwerk beschreibt er dabei jeden Arbeitsschritt und kann mit Hilfe seines unterhalterischen Talents auch für nicht gelernte Uhrmacher erklären, wie z.B. beim Topmodell der Marke, der Pi-oneer Racemaster GTF, aus 320 Einzel-teilen, ein fertiges Endprodukt wird.

Seine Leidenschaft für das Mechanische, das Selbstgefertigte kann er nicht verber-gen, beziehungsweise er will es auch gar nicht verbergen. Besonders sichtbar als ein heikles Thema, nun im zweiten Stock des Gebäudes, in dem sein Büro unter-gebracht ist, zur Sprache kommt, das momentan die gesamte Uhrenbranche in Unruhe versetzt: die Smartwatch. „Ich persönlich würde mir keine Smartwatch ans Handgelenk legen. Nicht weil ich mich der modernen Technik verwehre, sondern weil ich zu gerne unsere mechanischen Zeitmesser trage.“ Geschickte Werbung für die eigene Marke oder repräsentative Aussage für einen Großteil der Armband-uhrenindustrie? „Wir haben grundsätzlich keine Angst vor dem Thema Smartwatch. Dass sie die mechanische Uhr so dras-tisch verdrängen wird, wie das die Quarz-revolution in den 1970er und 1980er Jah-ren gemacht hat, das glauben wir nicht.“

Alles geklärt – große Vergangenheit, eine sich im Wiederaufbau befindende Gegenwart und absolut keine Angst vor der Zukunft. Ein Zukunft, in der man sich erhofft, wieder einen höheren Bekannt-

Hanhart beschäftigit zur Zeit insgesamt 28 Mitarbeiter, die jeweils mehrere unterschiedliche Arbeitsschritte erledigen müssen.

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heitswert zu erlangen und somit als ver-gleichsweise kleine Firma, ein bisschen im Konzert der großen Uhrenfirmen mitzumi-schen. Das ist Hanharts Einstellung, daran glaubt Simon Hall, denn „das ist einfach An-reiz und das lebt diese Firma tagtäglich und von daher trägt man diese Uhr, die Hanhart, mit Stolz und erhaben, weil man irgendwo als kleines Rädchen des Ganzen auch dar-an teilhaben kann.“ Das spürt man, in dieser kleinen Ortschaft mitten im malerisch schö-nen Schwarzwald, wo die Zeit stehengeblie-ben zu sein scheint, aber mit Hilfe der Firma Hanhart sich doch immer weiter dreht und sich aufmacht, weiter erfolgreiche Kapitel in der Zeitmesser-Geschichte zu schreiben.

Redaktion: Moritz Steidl Gestaltung: Moritz Steidl Fotos: Hanhart 1882 GmbH, Moriz Steidl

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