Der Schlepper Nr.44

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Europäische Außengrenzen: Europäische Außengrenzen: Stoppt Stoppt das das Sterben! Sterben! Menschenrechte achten – Flüchtlinge schützen Menschenrechte achten – Flüchtlinge schützen sonderheft sommer 2008 nr. 44

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Sommer 2008 Stoppt das Sterben!

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Die Verabschiedung der Allgemeinen Erklä-rung der Menschenrechte durch die UN-Voll-versammlung jährt sich am 10. Dezember2008 zum 60. Mal. In diese Erklärung wurdedas Recht auf Asyl wie selbstverständlich aufgenommen. Doch ist das Recht auf Asyl inEuropa noch selbstverständlich?

Griechenland, Italien, Spanien, Malta… was wie eine Liste von sonnigen Urlaubszielenklingt, ist andererseits eine Liste von Staaten,die höchst engagiert dabei sind, Flüchtlingenden Zugang zu Europa zu verwehren. Hierwerden die Mauern Europas unüberwindlich.Rechtswidrige Deportationen, Kriminalisierungvon Lebensrettern auf hoher See und dieVerweigerung eines Asylverfahrens sind die Instrumente der europäischen Abschottungs-politik. Und doch schaffen es immer wieder

Einige, durch die Löcher im europäischen Zaun zu schlüpfen.Die Schätzungen von EU-Kommission und Menschenrechts-organisationen gleichermaßen, wie viele Menschen sich inEuropa unerlaubt aufhalten, liegen zwischen vier und neun Mio.

Die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur durch Beteiligung an der Grenzschutzagentur FRONTEX aktiv beteiligt. Lagerunterbringung, Abschiebungs-und Zurückschiebungshaft oder Bildungs- und Arbeitsverbotesind die nationalen Entsprechungen der europäischen Politik.Wer hierzulande auch nur auf der Durchreise erwischt wird,aber durch das Dublin II-Verfahren in den Zuständigkeitsbe-reich eines anderen EU-Landes fällt, landet häufig in Abschie-behaft. Die Zusammenführung von durch die Flucht getrenntenFamilien wird verwehrt, die Residenzpflicht verhindert dasRecht auf Bewegungsfreiheit und die Unterbringung ist nichtselten gesundheitsbeeinträchtigend.

Diese flüchtlingspolitischen Rahmenbedingungen prägen weit-gehend auch das Flüchtlingsleben in Schleswig-Holstein. Derdiesjährige »Tag des Flüchtlings« fällt mit dem »Tag der Deut-schen Einheit» am 3. Oktober zusammen. Flüchtlingsinitiativen,MigrantInnen- und Menschenrechtsorganisationen, Religions-gemeinschaften und antirassistische Gruppen sind aufgerufen,dieses Datum zum flüchtlings- und migrationspolitischen »Tagder deutschen Einsicht« zu erklären. Das vorliegende Heft –eine Koproduktion von Flüchtlingsräten und PRO ASYL – gibtvielfältige Informationen und Anregungen für die Praxis, aller-orten die Einsicht in den Bedarf an einer humanitären, dis-kriminierungsfreien und großzügigen Flüchtlingspolitik zu ver-breiten. Wir laden Interessierte herzlich ein, dabei mitzutun.

Andrea Dallek, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.,02.06.2008

INHALT

Grußwort zum Tag des Flüchtlings 2008 1

Europas Außengrenzen: menschenrechtsfreie Räume

Stoppt das Sterben! Menschenrechte achten - Flüchtlinge schützen 2

Flüchtlinge in Griechenland: zurückgewiesen, misshandelt, rechtlos 4

Libyen schiebt Flüchtlinge ab und die Europäische Union kooperiert 7

»Wir sind ein Frontstaat« – Ansichten aus Malta 8

Die Guten ins TöpfchenSpanien betreibt Einwanderungspolitik nach wirtschaftlichem Interesse 10

»Gefängnis unter freiem Himmel«Breiti, Gitarrist der Toten Hosen im Gespräch mit José Palazón

und Maite Echarte von PRODEIN 12

»Marokko macht die Drecksarbeit für Europa«Die Deportation von Transitmigranten in die Grenzregion von Oujda 14

Fluchtursache Klimawandel 16

Ukraine: Türsteher der EU zur Abwehr von Flüchtlingen 18

Von Evian nach BrüsselDas Scheitern der Konferenz von Evian 1938 und die Krise

der europäischen Asylpolitik 2008 19

Flucht ist kein VerbrechenAsylsuchende geraten im Dublin-Verfahren immer häufiger in Haft 20

Zahlen und Fakten 2007

Flüchtlinge in Deutschland 22Herkunftsländer von Flüchtlingen 24

Flüchtlinge in Deutschland

Preis für Flüchtlingssolidarische Aktivitäten – Der »Leuchtturm des Nordens« 27

Klage von PRO ASYL gegen das Bundesamt auf mehr Transparenz 27

Was ist geblieben vom Bleiberecht? 28

Verstößt die deutsche Widerrufspraxis gegen Europarecht? 30

Deutschland ist Schlusslicht bei der Beachtung des Kindeswohls«Interview von Marei Pelzer mit Javad Adineh vom kirchlichen

Flüchtlingsdienst am Frankfurter Flughafen 31

Familiennachzug für Besserverdienende 32

An Würde und Rechten gleich geboren … In Deutschland um das Existenzminimum geprellt 34

Wenn Selbstverständliches zur Straftat wird.Die schwerwiegenden Folgen der Residenzpflicht 35

Leben hinter verschlossenen Türen 36

Flüchtlinge brauchen ÖffentlichkeitUnterstützerkreis eines Erfurter Kirchenasyls ist erfolgreich 39

Keine Papiere – keine Rechte? 40

SAVE ME – eine Stadt sagt ja 42

Grenzzaun im Klassenzimmer – Projekttage zum Thema Afrika 44

Die STIFTUNG PRO ASYL: Alternative Zuwendungsmöglichkeiten für Interessierte 44

Adressen 45

Bestellformular 47

■ Am 10. Dezember 2008 jährt sich zum 60. Mal der Tag,an dem die UN-Vollversammlung die Allgemeine Erklärung

der Menschenrechte verabschiedete. Das Recht auf Asyl wurdein diesen universellen Katalog von grundsätzlich zeitloser Be-deutung wie selbstverständlich mit aufgenommen. Vornehmli-che Aufgabe des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) ist es,in diesem Sinne für Menschen einzutreten, die nur durch inter-nationalen Schutz ihre Menschenrechte wahren können.

Was ist aus diesem Recht 60 Jahre nach der feierlichen Ver-kündung geworden? Können wir zufrieden sein mit dem, was er-reicht wurde? Oder hat die Deklaration gewissermaßen dochihre Altersgrenze erreicht, ist sie nicht mehr zeitgemäß und fürdie Zukunft deshalb untauglich?

Auf den ersten Blick ist man versucht, in diese Richtung zu den-ken, vor allem hier in Europa, wo der rechtlich fundierte individu-elle Flüchtlingsschutz ursprünglich seine Wurzeln hatte. Dennnüchtern betrachtet war es noch nie so schwierig wie heute fürdie Betroffenen, überhaupt Zugang zu einem Verfahren zu erhal-ten, das ihnen Asyl gewährt, mithin den Schutz ihrer Menschen-rechte sicherstellt. Der international organisierte und verbriefteFlüchtlingsschutz ist ja im Kern nichts anderes als eine weitereKonsequenz staatlichen Handelns, das sich auf der Verpflich-tung gründet, die universelle Geltung der Menschenrechte zuachten.

Umso bedauerlicher ist es deshalb, dass dieser ursprünglicheImpetus längst von anderen Aspekten überlagert wird, allen vor-an den Themen Sicherheit, Grenzkontrolle und illegaler Migra-tion. Längst kann man nicht mehr von einem ausgewogenen Ver-hältnis der hiermit verbundenen Interessen sprechen. Überdeut-lich wird dies auch an den Grenzen, ob an den Schlagbäumenoder vor den Küsten Europas, wo Sicherheitsbedürfnisse und -erfordernisse den Schutzgedanken zu erdrücken drohen.

Hinzu kommt: Auch innerhalb der EU, die sich nicht zuletzt alsWertegemeinschaft versteht, ist man noch weit davon entfernt,überall jene hohen Schutzstandards zu erreichen, die die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel im Jahr 1999 imfinnischen Tampere versprachen. Der Trend weist hingegen weit-läufig nach unten. Jene wenigen EU-Staaten, die noch den Muthaben, sich zu einer liberalen Asylpolitik zu bekennen, dürfennicht damit rechnen, Applaus zu erhalten. Der Zwang zur Kehrt-wende ist einem System immanent, das den kleinsten gemein-samen Nenner zur Maxime gemeinschaftlichen Handelns im Be-reich des Flüchtlingsschutzes erhebt.

Vor den Toren Europas spielen sichderzeit viele Flüchtlingsdramen ab.Auf den kleinen Booten und See-lenverkäufern im Atlantik und imMittelmeer suchen Migranten wieFlüchtlinge einen Weg hin zum ge-lobten Kontinent. Viel größer, aberweitaus weniger im öffentlichenBewusstsein, ist die Zahl derer, diees über Land versuchen.

Und immer auch sind viele Menschen dabei, die vor Verfolgung,Krieg und Konflikten fliehen. Besonders deutlich wird dies amSchicksal der irakischen Flüchtlinge bzw. Binnenvertriebenen.Im Irak selbst und in den Nachbarstaaten der Region, allen vor-an Syrien und Jordanien, ist ihre Zahl mittlerweile auf 4,4 Millio-nen angewachsen. Zum Vergleich: Nur knapp 40.000 Iraker ha-ben im letzten Jahr in den EU-Staaten einen Asylantrag gestellt– noch nicht einmal ein Prozent der Gesamtzahl der irakischenFlüchtlinge und Vertriebenen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Europa, will es sei-nem Werteanspruch gerecht werden, in diesem Zusammenhangdringenden Handlungsbedarf hat. Jenen Staaten und Menschenvor Ort zu helfen, die das Flüchtlingsleid in so großem Maße auf-fangen müssen, ist das Eine. Das Andere ist, im Sinne desFlüchtlingsschutzes auch verstärkt Menschen aus Krisenregio-nen gezielt und organisiert aufzunehmen, die als besondersschutzbedürftig gelten müssen. Die EU-Staaten, auch Deutsch-land, sind gefordert, endlich ein bewährtes Instrument des in-ternationalen Systems zum Schutz von Flüchtlingen wieder zurAnwendung zu bringen bzw. auszuweiten: Die Aufnahme vonFlüchtlingen aus Erstasylstaaten zur dauerhaften Ansiedlung ge-hört auf die Tagesordnung europäischer und nationaler Flücht-lingspolitik. In diesem so wichtigen Bereich Handlungsbereit-schaft zu zeigen, wäre gewiss auch kein unbedeutender Beitrag,um der UN-Menschenrechtsdeklaration zum 60. Jahrestag nichtnur zu gedenken, sondern auch ein aktives Stück Zukunft mitzu-geben.

Gottfried KöfnerUNHCR-Regionalvertreter

für Deutschland, Österreich

und die Tschechische Republik

Grußwort zum Tag des Flüchtlings 2008

1GRUSSWORT

Günter Burkhardt

■ Monat für Monat spielen sich anEuropas Grenzen menschliche Tra-

gödien ab. Insgesamt wurden im Jahr2007 mindestens 1.861 tote Flüchtlingein den Gewässern vor Europa gezählt(http://fortresseurope.blogspot.com). ImJahr 2006 waren es 2.088. Genau weißes niemand, aber eines ist sicher:

Das Mittelmeer und der Atlantik vorden Kanaren entwickeln sich zu einemMassengrab. Immer perfekter werden dieStrategien der europäischen Staaten, dieFluchtwege nach Europa zu versperren.Tag und Nacht sind bewaffnete Patrouil-len im Einsatz. Nachtsichtgeräte, Wärme-bildkameras und meterhohe Stacheldraht-zäune säumen die Grenzen. Patrouillen-boote, Flugzeuge und Hubschrauber sindununterbrochen unterwegs. Eine immerwichtigere Rolle spielt dabei die europä-ische Grenzagentur FRONTEX. Flüchtlings-boote werden im Zuge von FRONTEX-Ein-sätzen in internationalen Gewässern auf-gebracht und zurückgedrängt. Mit allenMitteln sollen Menschen an der Fluchtnach Europa gehindert werden.

Flüchtlinge und Migranten sind gezwun-gen, immer weitere und gefährlichereWege auf sich zu nehmen. Zunehmendbenutzen sie kleine und seeuntauglicheBoote, um nicht entdeckt zu werden.

SCHUTZBEDÜRFTIGE ODER ILLEGALE EINWANDERER?

»Das sind keine Flüchtlinge, sondern ille-gale Migranten«, so FRONTEX-Chef IlkkaLaitinen im Dezember 2006. In ihrem Jah-resbericht für das Jahr 2007 feiert dieAgentur den Erfolg ihrer Einsätze. Stolzberichtet FRONTEX so zum Beispiel vonden Ergebnissen der Operation Poseidonin der Ägäis: An den südöstlichen Land-und Seegrenzen der EU wurde der Flucht-weg von 3.405 illegalen Migranten »unter-brochen« (intercepted), 422 »illegale Mi-granten« wurden »abgedrängt« (diverted).Was aus den Menschen wurde, ist völligunklar. Waren sie schutzbedürftig? Wur-den sie inhaftiert? Wurden sie illegal in die Türkei zurückgeschoben, wie PRO

ASYL im Juli/August und im Oktober 2007

in einigen Fällen dokumentierte? Warauch FRONTEX in Menschenrechtsver-letzungen involviert? Die Operation Posei-

don lief jedenfalls in diesem Zeitraum ab.Genaueres ist nicht zu erfahren.

Wer sind die Menschen, die versuchen,Europa zu erreichen? Die Innenministerder europäischen Länder scheint diesnicht zu interessieren.

In ihren Augen sind die Menschen, dienach Europa kommen, allesamt »illegaleEinwanderer«. Allein auf der italienischenInsel Lampedusa stellten im Jahr 2006rund 2.000 »Boat-People« einen Asylan-trag. Das sind 60 % aller Asylanträge inItalien. Fast die Hälfte der Asylsuchendenwurde in Italien als Flüchtlinge im Sinneder Genfer Flüchtlingskonvention oder alsanderweitig schutzbedürftig anerkannt.Auch auf Malta erhält knapp die Hälftederjenigen, die als Flüchtlinge mit demBoot ankommen und einen Asylantragstellen, eine Flüchtlingsanerkennung odersubsidiären Schutz.

In Griechenland sind es zunehmend Ira-ker und Afghanen – also Menschen, die in hohem Maße schutzbedürftig sind.Auch in vielen Staaten Afrikas herrschtKrieg, kommt es zur Verfolgung von eth-nischen Minderheiten und zu systema-tischen Menschenrechtsverletzungen. InSomalia toben die schwersten Kämpfeseit Jahren. Eine halbe Million Menschenist derzeit auf der Flucht. Zwischen Eri-trea und Äthiopien droht erneut ein Kriegauszubrechen. Bereits zwischen 1982und 2000 forderte ein Krieg zwischenbeiden Ländern 70.000 Tote. Im Sudanist die Lage nicht weniger explosiv. In ei-

2 EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Stoppt das Sterben!Stoppt das Sterben!Menschenrechte achten

Flüchtlinge schützen

Menschenrechte achten

Flüchtlinge schützen

Nordküste von Lesbos: angetriebenes Schlauchboot

Den Aufruf »Stoppt das Sterben!« finden Sie auf der Umschlaginnenseiteam Ende dieses Heftes.

ner Reihe weiterer afrikanischer Staatenplündern korrupte politische Regime inEinklang mit internationalen Wirtschafts-unternehmen das eigene Land. Und oftgehen individuelle Verfolgung und die Zer-störung von Existenzgrundlagen Hand inHand.

Es ist eine Täuschung der Öffentlichkeit,wenn Regierungsvertreter europäischerStaaten pauschal den nach Europa Kom-menden die Schutzbedürftigkeit abspre-chen und sie als illegale Einwandererstigmatisieren. Sie versuchen so, die Ein-sätze des Grenzschutzes und der FRON-TEX-Einheiten zu legitimieren.

MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME AUF SEE?

Zur Abwehr von Flüchtlingen und Migran-ten scheint den Staaten Europas jedesMittel recht zu sein.

Beispiel Italien: Hier stehen seit Sommerletzten Jahres tunesische Fischer vor Ge-richt, die am8.August2007 44Menschenaus Seenot gerettet haben. Sie wurdenwegen Beihilfe zur illegalen Einreise ange-klagt und zum Teil wochenlang inhaftiert.Auch der Prozess um die Cap AnamurCrew geht weiter. Kapitäne überlegen es sich inzwischen, ob sie Schiffbrüchigeaus Seenot retten oder sie ihrem Schick-sal überlassen.

Beispiel Griechenland: Die Recherche vonPRO ASYL und griechischen Rechtsan-wältinnen im Sommer und Herbst letztenJahres hat nachgewiesen, dass die grie-chische Küstenwache Flüchtlinge auf un-bewohnten Inseln aussetzt, illegal in dieTürkei zurückverfrachtet und schwereMenschenrechtsverletzungen begeht.

Beispiel EU: Auch die von der EU gegrün-dete gemeinsame Grenzagentur FRON-TEX operiert unter Missachtung der Men-schenrechte. Die Einsatzkräfte drängenFlüchtlingsboote ab. Es häufen sich Ein-sätze in den Küstengewässern der afrika-nischen Staaten. Es wird nicht geprüft,ob sich in den von den FRONTEX-Einsatz-kräften zurückgedrängten Booten Schutz-bedürftige befinden. Die Bundesregierungbehauptet, die Genfer Flüchtlingskonven-tion (GFK) entfalte ihre Wirkung erst dann,wenn Schutzsuchende europäischen Bo-den betreten.

Diese Auffassung steht im krassen Ge-gensatz zum Wortlaut der GFK und istrechtlich nicht haltbar. Im Übrigen ver-bietet auch die Europäische Menschen-rechtskonvention eine Zurückweisungohne Prüfung der Schutzbedürftigkeit. Esist juristisch unstrittig, dass Grenzbeam-te auch jenseits des Staatsgebiets staat-liche Herrschaftsgewalt ausüben und des-halb an die in Europa geltenden Gesetzegebunden sind. Ein von der Stiftung PROASYL, amnesty international und demForum Menschenrechte in Auftrag ge-gebenes Rechtsgutachten des EuropeanCenter for Constitutional and HumanRights vom September 2007 kommt zuder eindeutigen Schlussfolgerung, dasses europäischen Grenzbeamten verbotenist, potentiell Schutzbedürftige auf Seezurückzuweisen, zurückzueskortieren, ander Weiterfahrt zu hindern oder in nichtzur EU gehörige Länder zurückzuschlep-pen. Die Flüchtlinge haben vielmehr ei-nen Rechtsanspruch, in den nächstensicheren Hafen auf europäisches Territo-rium gebracht zu werden.

In der Praxis entwickeln sich das Mittel-meer und weite Teile des Atlantiks zu-sehends zu einem rechtsfreien Raum.

»Es gibt Gegenden am Mittelmeer, diedem Wilden Westen gleichen, wo ein Men-schenleben nichts zählt«, klagte UNHCR-Sprecherin Laura Boldrini im Oktober2007.

ACHTUNG DER MENSCHENRECHTE

Am 10. Dezember 2008 wird die Allge-meine Erklärung der Menschenrechte 60Jahre alt. Die Menschenrechte werdennicht nur in einigen afrikanischen Staatenverletzt, sondern auch in Europa. Bundes-kanzlerin Angela Merkel hat im Dezem-ber 2007 zu Recht formuliert: »Wir dürfennicht wegschauen, wenn Menschenrech-te mit Füßen getreten werden, wo auchimmer dies geschieht.« Jedes staatlicheHandeln ist gebunden an die Achtung derMenschenrechte. Wann endlich öffnendie Regierungschefs ihre Augen und set-zen sich dafür ein, dass die eigenenGrenzbeamten Menschenrechtsverletzun-gen Einhalt gebieten?

PRO ASYL stellt deshalb den diesjährigenTag des Flüchtlings unter das Motto »Men-schenrechte achten – Flüchtlinge schüt-zen«. Den Aufruf »Stoppt das Sterben!«wollen wir gemeinsam mit vielen Orga-nisationen in Deutschland und Europaverbreiten. Wir müssen erreichen, dassdie menschenrechtswidrigen FRONTEX-Einsätze eingestellt werden. Die euro-päischen Staaten dürfen nicht nur dieMenschenrechtsverletzungen in anderenLändern der Welt anprangern, sondernmüssen auch durch die eigenen Grenzbe-amten für die Einhaltung der Menschen-rechte sorgen. Wir werden deshalb die gesammelten Unterschriften dem Euro-päischen Parlament zum Tag der Men-schenrechte übergeben. ■

3EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

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Griechenland begeht massive Men-schenrechtsverletzungen. Flüchtlingewerden systematisch zurückgewiesen,misshandelt und manchmal sogar gefoltert. Die Haftbedingungen sindmenschenunwürdig. Das Aufnahme- undAsylsystem ist eine Fiktion: Griechen-land stellt aktuell nur knapp 770 Unter-kunftsplätze im ganzen Land bereit,aber über 2.000 Haftplätze für Flücht-linge und Migranten. Die Folge: Asyl-suchende bleiben in Griechenland auchwährend des laufenden Verfahrensvielfach obdachlos und ohne jede sozia-le Unterstützung. »Die Wahrheit magbitter sein, aber sie muss gesagt wer-den«, so lautet der Titel der Dokumen-tation, die PRO ASYL und die griechi-sche Anwaltsvereinigung für die Rechteder Flüchtlinge und Migranten EndeOktober 2007 in Athen und Brüsselveröffentlicht haben.

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Flüchtlinge in Griechenland:

zurückgewiesen,

misshandelt

und rechtlos

Karl Kopp

■ Die EU-Kommission, das Europa-parlament, das Antifolterkomitee

des Europarats (CPT) und die Regierun-gen der EU-Staaten dürfen nicht hinneh-men, dass Griechenland Menschenrech-te massiv verletzt. Die Praktiken griechi-scher Grenzbeamter und der Küstenwa-che stellen eine eklatante Verletzung derEuropäischen Menschenrechtskonventi-on und der Genfer Flüchtlingskonventiondar. Solange die systematisch erfolgen-den Menschenrechtsverletzungen nicht

abgestellt sind und Griechenland kein ad-äquates Asyl- und Aufnahmesystem fürFlüchtlinge installiert hat, ist es unverant-wortlich, Flüchtlinge im Rahmen der sog.Dublin II-Verordnung, die die Zuständig-keit für Asylverfahren innerhalb der EU re-gelt, nach Griechenland zu überstellen.

REAKTIONEN

Der PRO ASYL-Bericht über die katastro-phale Situation der Flüchtlinge in Griechen-land löste eine breite internationale Be-

richterstattung aus. Auch die Resonanzin der griechischen Öffentlichkeit undPolitik war enorm. Am Tag der Veröffent-lichung, am 29. Oktober 2007, bezeich-nete der für die Küstenwache zuständigeMinister Georgios Voulgarakis »die An-schuldigungen als besonders gravierend«,sie erzeugten »ernste Besorgnis«. Er ver-sprach eine »schonungslose Aufklärung«.Zwei Tage später fand eine erregte De-batte im griechischen Parlament statt.Oppositionsführer Papandreou bezeich-nete die schweren Menschenrechtsver-letzungen als »Schande für Griechen-land«. Eine Woche lang dominierte dasThema die Titelseiten griechischer Tages-zeitungen. Seitdem wird fortlaufend dar-über berichtet.

Internationale Zeitungen wie HeraldTribune, New York Times, Le Monde, LeFigaro, The Guardian etc. griffen das The-ma auf. TV-Teams aus aller Welt recher-chierten in Folge in Athen, in Patras so-wie auf Chios, Samos und Lesbos. Auchdas Europaparlament und die Europäi-sche Kommission reagierten schnell. DerSprecher des Vizepräsidenten der Kom-

Chios, Sommer 2007: Meine Arme wurden von einem Polizisten hinter meinem Rückenzusammengepresst. Der andere drückte meinen Kopf mit einem Nackengriff nach untenins Wasser. Ich konnte nicht mehr atmen. Ich wurde erst nach einiger Zeit hochgezogen.»Weißt du nun die Farbe und den Namen des Schiffes?« Ich sagte: »Nein«. Er schlug mirzweimal ins Gesicht. Der Polizist hinter mir griff erneut nach meinen Armen. Ich wolltenoch einmal tief Luft holen. Der Polizist vor mir fragte: »Erinnerst du dich jetzt, odernicht?« Ich verneinte erneut. Und sofort packte er meinen Kopf und drückte ihn wiederin den Wassereimer. Ich hatte Todesangst. Ich dachte, dass ich das nicht überleben wer-de. Als ich wieder hoch kam, fragte mich der Polizist wieder: »Du erinnerst dich alsonicht?« Ich wiederholte: »Nein«. Er drückte mich noch einmal in den Wassereimer.

zurückgewiesen,

misshandelt

und rechtlos

Flüchtlinge in Griechenland:

Flüchtlinge im Haftlager auf Samos

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mission, Franco Frattini, erklärte am 30.Oktober 2007 im ZDF. »Wir nehmen denBericht von PRO ASYL sehr, sehr ernst«.

Der griechische Europaabgeordnetedes SYNASPISMOS (Linksallianz) Dimitri-os Papadimoulis richtete am 14. Novem-ber 2007 eine Anfrage an die EU-Kom-mission:

»Im Report von PRO ASYL werden Be-schuldigungen hinsichtlich systematischerMenschenrechtsverletzungen, Misshand-lungen, rechtswidriger Zurückschiebun-gen von Flüchtlingen und sogar Folterun-gen erhoben …

Wie beurteilt die Kommission den Vor-schlag von PRO ASYL, die Anwendung derDublin II-Verordnung bei Asylanträgen inGriechenland auf Grund der untragbarenAufnahmebedingungen vorläufig auszu-setzen?«

Die eklatanten Verletzungen vonFlüchtlingsrechten spielen eine zentraleRolle, wenn es um die Rücküberstellungbzw. Abschiebung von Schutzsuchendennach Griechenland geht. In Deutschland,Italien, England, den Niederlanden, Däne-mark, Schweden, Belgien kämpfen Asyl-suchende verzweifelt gegen ihre Rück-überstellung.

»RÜCKHALTLOSE AUF-KLÄRUNG?« – FEHLANZEIGE

Die griechischen Behörden versprachen»rückhaltlose Aufklärung«, aber bis jetztist nichts passiert. Skepsis ist geboten,in der jüngsten Vergangenheit blieben in Griechenland die Täter – Polizisten undGrenzbeamte – straffrei und die Opferschutzlos. Schlimmer noch: Die Men-schenrechtsverletzungen gehen weiter.

Samos: Am 10. November 2007 versu-chen drei iranische Flüchtlinge mit einemSchlauchboot von der türkischen Küstenach Griechenland zu gelangen. Kurz vorder Insel Samos werden sie von dergriechischen Küstenwache entdeckt undsamt Schlauchboot an Bord genommen.Anschließend bringt ein Boot der Küsten-wache sie in türkische Gewässer: Mannimmt ihnen die Paddel ab und setzt sie300 Meter vor der türkischen Küste aus.Kurze Zeit später gelingt den dreien dieÜberfahrt nach Samos. Sie werden eini-ge Tage inhaftiert. Nach ihrer Freilassungberichten sie gegenüber unserer griechi-schen Partnerorganisation von diesemVorfall.

Mitilini/Lesbos: Anfang Januar 2008werden dreizehn afghanische Flüchtlinge,darunter acht Minderjährige, nach demgleichen Muster in türkische Gewässerzurückgewiesen. Ihre Schlauchboote wer-den seeuntüchtig gemacht. Sie waren zu-vor auf offener See aufgegriffen und vonz.T. maskierten Grenzbeamten misshan-delt worden. Der Jüngste der Gruppe istneun Jahre alt. Taner Kilic, amnesty inter-national-Vertreter in der Türkei, interviewtdie Gruppe und stellt Spuren von Miss-handlungen auf den Körpern der Flücht-linge fest.

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Samos: Der Fall A. – misshandelt undunter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert:

A. ist palästinensischer Flüchtling ausdem Libanon. Anfang Mai ist er mit 21anderen Flüchtlingen von der griechi-schen Küstenwache aufgegriffen wor-den. Dabei kam es zu schwersten Miss-handlungen. A. wurde in dem alten Haft-lager in Samos, das wegen seiner un-menschlichen Bedingungen europaweitSchlagzeilen gemacht hat, sofort inhaf-tiert. Sein Insistieren, ins Krankenhausgebracht zu werden, blieb ungehört. A.wurde erst nach 25 Tagen ins Kranken-haus gebracht, wo man mehrere Rippen-brüche feststellte. 25 Tage blieb er un-behandelt. Erst nach der Interventionvon PRO ASYL und der RechtsanwältinMarianna Tzeferakou erhielt A. eine me-dizinische Behandlung. Er blieb insge-samt 92 Tage eingesperrt. Heute lebt erauf Kreta.

PRO ASYL hat die griechische Anwältinbeauftragt, A.s Asylverfahren zu beglei-ten und außerdem aufgrund eines Ver-stoßes gegen Artikel 3 der EuropäischenMenschenrechtskonvention(»Niemanddarf der Folter oder unmenschlicheroder erniedrigender Strafe oder Behand-lung unterworfen werden.«) Griechen-land vor dem Europäischen Gerichtshoffür Menschenrechte in Straßburg zuverklagen.Schlafsaal in der Haftanstalt auf Samos

Patras: Ende Januar 2008 finden italie-nische Polizisten die Leiche eines fünf-zehnjährigen Afghanen in einem LKW, dermit einer Fähre von Patras nach Italienübergesetzt war. Das Kind war an den Ab-gasen des LKW erstickt, in dem es sichwährend der Überfahrt versteckt hatte. In seiner Jackentasche findet man einSchreiben der griechischen Behörden,demnach der junge Flüchtling das Landinnerhalb von 30 Tagen verlassen sollte.George Moschos, der stellvertretendegriechische Ombudsmann beklagt, dassdieser Tod zu verhindern gewesen wäre,wenn Griechenland seine Gesetze und

die international verbrieften Rechte vonunbegleiteten Minderjährigen einhaltenwürde.

DER INTERNATIONALE DRUCK WÄCHST

Im Gegensatz zu früher wird es der grie-chischen Regierung nicht mehr gelingen,den Skandal einfach auszusitzen, dennder internationale Druck auf Griechen-land hat sich erhöht.

Das Antifolterkomitee des Europara-tes warnte am 8. Februar 2008, dass inGriechenland Flüchtlinge und MigrantenGefahr laufen, von Beamten misshandeltzu werden. Trotz wiederholter Empfehlun-gen des Komitees seien die griechischenBehörden nicht bereit, aus den Ergebnis-sen der Untersuchungen Konsequenzenzu ziehen. Die bislang von den griechi-schen Behörden ergriffenen Maßnahmen

seien wenig effektiv. So zweifelten hoch-rangige Vertreter des Ministeriums für öf-fentliche Ordnung die Substanz der Be-richte des Antifolterkomitees an und ver-suchten, Vorwürfe von Misshandlungenals Einzelfälle darzustellen.

Die EU-Kommission leitete am 31. Ja-nuar 2008 ein Vertragsverletzungsver-fahren vor dem Europäischen Gerichts-hof gegen Griechenland ein. Moniert wirddarin der Umgang der griechischen Be-hörden mit Asylsuchenden nach ihrerÜberstellung aus anderen europäischenLändern. Das norwegische ImmigrationAppeal Board ordnete am 7. Februar2008 an, Überstellungen nach Griechen-land bis auf weiteres auszusetzen.

Die Entscheidung Norwegens ist eineweitere Warnung an Griechenland, end-lich ein faires Asylsystem zu schaffenund vor allem die Menschenrechte vonSchutzsuchenden zu beachten. ■

6 EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

MENSCHENRECHTSPREIS DER STIFTUNG PRO ASYL

■ PRO ASYL und die griechische Vereini-gung der Rechtsanwälte für die Rechte

von Flüchtlingen und Migranten haben schwe-re Menschenrechtsverletzungen in Griechen-land recherchiert und dokumentiert.

Im Sommer und Herbst 2007 haben Vertretervon PRO ASYL und der griechischen Rechtsan-wältevereinigung mit mehr als 100 Flüchtlin-gen, Vertretern der griechischen Küstenwachesowie der Behörden gesprochen und verschie-dene Haftlager auf den Inseln Lesbos, Chiosund Samos besucht. Die Ergebnisse habendie STIFTUNG PRO ASYL und der FördervereinPRO ASYL in der ausführlichen Dokumentation»The truth may be bitter, but it must be told«veröffentlicht.

■ Bestellmöglichkeit auf Seite 47

■ Die Stiftung PRO ASYL verleiht ihren diesjährigen Menschenrechts-preis, die PRO ASYL-Hand 2008, an Frau Marianna Tzeferakou von

der griechischen Rechtsanwaltsvereinigung für die Rechte von Flüchtlingenund Migranten. Bei zwei Recherchemissionen im Juli/August und im Okto-ber 2007 haben Günter Burkhardt und Karl Kopp von PRO ASYL, der Journa-list Elias Bierdel und die Rechtsanwaltsvereinigung die Situation an der EU-Außengrenze in der Ägäis unter-sucht. Die Ergebnisse der Recherche sind höchst schockierend. Die griechische Küstenwache misshandelt systematisch neu ankommende Flüchtlinge. Die Polizei inhaftiert völkerrechtswidrig alle Flüchtlinge bei ihrer Ankunft. Alle drei von der Delegation besuchten Haft-lager auf Lesbos, Samos und Chios bieten unhaltbare Lebens-bedingungen. Rechtsanwältin Marianna Tzeferakou hat uns bei der Recherche sehr unterstützt. PRO ASYL dankt ihr und ihrer Organisation für den uner-müdlichen Einsatz für Schutz-suchende in Griechenland.

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Judith Gleitze

■ Seit nunmehr knapp zwei Jahrenbefinden sich etwa 600 Eritreer in

dem libyschen Haftlager Misratha. Unterihnen sind mehr als 100 Frauen und 50Kinder. Sie wurden bei Razzien in Tripolisoder bei der Einschiffung nach Italien vonden libyschen Behörden verhaftet. NachAngaben des UNHCR hatten 114 von ih-nen bereits einen Flüchtlingsstatus imSudan und in Äthiopien erhalten.

Im November 2007 entschied sich dieitalienische Regierung, 40 der in Misra-tha inhaftierten Eritreer aufzunehmen.Das ist das erste ›Resettlement‹ Italiensseit der Aufnahme chilenischer Flücht-linge 1973. Letztlich ist dies ein Tropfenauf den heißen Stein, denn die Lage derFlüchtlinge und Migranten in Libyen spitztsich zu: Ende 2007 wurden 763 Marok-kaner inhaftiert und unter unmenschli-chen Bedingungen festgehalten. MalischeStaatsangehörige, die in Libyen gearbei-tet haben, werden per Charterflug abge-schoben. Insgesamt 60.000 Migrantensollen im vergangenen Jahr in libyschenLagern inhaftiert gewesen sein.

Im Januar 2008 ließ Libyens Regie-rung schließlich verlauten: Alle Migrantenohne Papiere sollen das Land verlassen.Die Zahlen schwanken zwischen einerund zwei Millionen Menschen. Viele vonihnen sind Flüchtlinge aus Eritrea, Soma-lia, Äthiopien, Sudan (Darfur). Sie sind

vor Krieg und Misshandlung geflohen.Einzig Vertreter des UNHCR hatten nachlangen Verhandlungen die Möglichkeit,mit einigen Flüchtlingen im Lager vonMisratha zu sprechen. Erreichen konntensie für die Betroffenen indes nichts.Glaubwürdigen Quellen zufolge sollenauch die dort verbliebenen Eritreer baldabgeschoben werden. Ein deutliches An-zeichen dafür sei, dass libysche Polizistendie Inhaftierten Anfang Februar zwangen,Papiere für ihre Abschiebung zu unter-zeichnen, die dann der eritreischen Bot-schaft in Tripolis übergeben werden sol-len.

WIRTSCHAFTSHILFE GEGENGRENZABSCHOTTUNG

Es ist nicht die erste Welle von Auswei-sungen illegal in Libyen lebender Auslän-der, doch vermehrt sind auch Schutzbe-rechtigte davon betroffen. Die Europäi-sche Union jedoch setzt auf Kooperationmit dem Land, das sich um Flüchtlings-schutz offenkundig nicht schert: Auf einekleine Anfrage des italienischen Europa-parlamentariers Giusto Catania an dieEuropäische Kommission, was denn dieEU gegen diese Missstände in Libyen zutun gedenke, antwortete die europäischeKommissarin für Außenbeziehungen undeuropäische Nachbarschaftspolitik, Be-nita Ferrero -Waldner, dass man gemein-sam mit dem UNHCR die Situation eruie-

ren und Libyen dazu bewegen wolle, end-lich ein Asylverfahren einzuführen.

Entsprechende Kooperationsprogram-me seien auf dem Weg. Im Gegenzug fürwirtschaftliches Entgegenkommen willdie EU Libyen »helfen«, die Südgrenze ge-gen Migranten abzuschirmen.

Italien schloss Ende Dezember 2007 einAbkommen gegen die illegale Einwande-rung mit dem Gaddafi-Regime. Künftigstellt Italien sechs Boote für gemeinsa-me Patrouillen an der libyschen Küste zurVerfügung. Die italienisch-libyschen Be-satzungen sollen sowohl in libyschen wiein internationalen Gewässern möglicheRouten von Flüchtlingsbooten kontrollie-ren. Auch sollen die Patrouillen vor Buch-ten und Häfen kreuzen, um die Boote amAblegen zu hindern. Damit könnten – sodie italienische Regierung – »Menschen-leben gerettet und Schleuserbanden zer-schlagen« werden.

Auch Malta hat Anfang 2008 ein Abkom-men mit Libyen geschlossen. Hier gehtes vor allem um Verantwortlichkeiten inder Seenotrettung. Wenn sich – wie darinvorgesehen – Libyen verpflichtet, Men-schen auf See abzufangen, kann mansich wohl darauf verlassen, diese in La-gern wie Misratha wiederzufinden, wo sieohne jegliche Chance auf Schutzgewäh-rung auf ihre Abschiebung in Länder wieEritrea und den Sudan warten. ■

Libyen schiebt Flüchtlinge ab und die Europäische Union kooperiert

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Silja Klepp

■ Malta ist das südlichste EU-Landund liegt auf dem Weg, der für

Flüchtlinge über Libyen nach Europaführt. Wie die seit 2002 regelmäßig statt-findende Ankunft von irregulären Migran-ten auf der mit 400.000 Einwohnerndicht besiedelten Insel wahrgenommenwird, hört sich bei meinen maltesischenInterviewpartnern in verschiedenen Spiel-arten immer wieder ähnlich an: »101Menschen, die auf Malta anlanden, sindim Verhältnis so viele wie 15.000, die inItalien ankommen.« Oder: »Ein Migrantauf Malta ist wie 200 in Deutschland!«Die Fakten lesen sich weniger dramatisch:Zwischen Januar 2002 und September2007 sind 8.843 irreguläre Migrantenüber das Meer nach Malta gekommen.Zum Zeitpunkt meines Forschungsauf-enthaltes im Herbst 2007 befanden sichdavon 1.705 in geschlossenen Haftzen-tren, ca. 2.000 in offenen staatlichen Ein-richtungen. 1.200 waren bereits in ihreHeimatländer abgeschoben worden.

Durch die Dublin II-Verordnung, die die Zu-ständigkeit für ankommende Flüchtlingeprimär dem EU-Staat zuschreibt, den sieals erstes betreten, ist Malta in den letzten Jahren in Bedrängnis geraten. Zudem verfügt Malta über sehr große »Search and Rescue« -Gebiete (SAR) vor der Küste,

die die Kapazitäten der maltesischenMarine auf die Probe stellen. Im letztenSommer wurde Malta mehrfach öffent-lich dafür kritisiert, die Rettung Schiffbrü-chiger unverantwortlich hinausgezögertzu haben, bis die italienische Marine ein-gegriffen habe.

MENSCHENRECHTE SIND KEIN THEMA

Im Interview mit Mitarbeitern des Innen-ministeriums (IM) wird deutlich, in wel-che Richtung die Flüchtlingspolitik Maltasgeht: Malta hat ein vitales Interesse ander Zusammenarbeit mit der europäi-schen Grenzschutzagentur FRONTEX undan der Abschottung gegenüber Libyen.Derzeit wird auf EU- und bilateraler Ebe-ne mit Libyen über die Rückübernahmevon Bootsflüchtlingen verhandelt. MartinScicluna, einflussreicher Berater des IMin Sachen »illegale Migration«, bringt Mal-tas Politik im Hinblick auf völker- undmenschenrechtliche Vorschriften auf denPunkt: »Wir sind ein Frontstaat und stra-tegisch sehr wichtig gelegen. Wir sehenes so, dass es keine Zurückschiebungist, wenn wir sie nach Libyen schicken,weil sie ja nicht aus Libyen kommen, son-

dern aus Eritrea oder Somalia.«

Auf meinen Einwand, Libyen habe keinAsylsystem, entgegnet er: »Wenn mandie juristischen Feinheiten beachtet, istdas wohl so. Aber wir müssen die Wirk-lichkeit sehen. Und Maltas Problemesind zu groß, um in Libyen nachzufragen,was dort mit den Migranten passiert.«

Malta hat keinerlei Interesse an der Wah-rung »juristischer Feinheiten«, wie Sciclu-na das im internationalen Flüchtlingsrechtverankerte Non-Refoulement-Gebot nennt,das Zurückweisungen ohne eine vorheri-ge Prüfung der Schutzbedürftigkeit ver-bietet. Auch die Menschenrechtsverlet-zungen in Libyen sind offensichtlich keinThema für die maltesische Regierung.

Ich führte Gespräche mit Kommandeurender Maritime Squadron der Armee, darun-ter auch dem maltesischen Kommandeurder europäischen FRONTEX -OperationNautilus II, die 2007 Patrouillen auf Ho-her See vorwiegend innerhalb des liby-schen »Search and Rescue« -Gebietes(nicht in libyschen territorialen Gewäs-sern) durchführte. Auch hier wurde deut-lich, dass das Ziel der Marine vor allem in der völkerrechtlich untersagten Fern-haltung von Flüchtlingen und irregulärenMigranten vom EU-Territorium liegt.

Auf meine Frage nach dem Verbleib derim Zuge der Operation geretteten Flücht-linge erhielt ich widersprüchliche Ant-worten. So wurde mir von maltesischenMarine -Kommandeuren mit Bedauernversichert, dass es noch nicht möglich

sei, Flüchtlinge nach Libyen zurückzu-schieben. Stattdessen würden die

Migranten auf Hoher See davor »ge-warnt«, illegal in die EU einzu-

8 EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

»Wir sind ein Frontstaat« Ansichten aus Malta

Flüchtlingslager Hal Far auf Malta

reisen. Mit Gewalt aufhalten würde mansie jedoch nicht. Wenn das Boot in See-not sei, würden die Insassen gerettet undnach Italien oder Malta gebracht. Dage-gen berichteten mir zwei Mitarbeiter desIM fast stolz, dass 700 Flüchtlinge nachLibyen zurückgebracht worden seien.

HAFT UND UNMENSCHLICHEUNTERBRINGUNG

Die Flüchtlinge auf Malta stammen über-wiegend aus Somalia, Sudan, Eritrea undÄthiopien, also aus Kriegs- oder Krisen-gebieten, und sind dementsprechendschutzbedürftig. Nichtsdestotrotz werdenalle ankommenden Flüchtlinge und irre-gulären Migranten bis zu 18 Monate langeingesperrt. Unbegleitete minderjährigeFlüchtlinge müssen gemeinsam mit Er-wachsenen zum Teil wochenlang in denüberfüllten Haftzentren ausharren, bis ihrAlter festgestellt wird.

Auch während des Asylverfahrens blei-ben Schutzsuchende in Haft. Bis zur Er-stanhörung beträgt die derzeitige Warte-zeit bis zu einem Jahr. Ist bis dahin nochkeine Anhörung erfolgt, werden Asylsu-chende aus der Haft entlassen. Wird ne-gativ entschieden, bleiben die Migrantenweiterhin inhaftiert. Von zum Teil uner-träglichen Zuständen in der Haft berichte-te mir Paul Pace, Direktor des JesuitenFlüchtlingsdienstes auf Malta. Trotz zahl-reicher Beanstandungen unter anderemdurch das Europäische Parlament wer-den Männer und Frauen immer noch ge-meinsam inhaftiert. Es gibt keinerlei Be-schäftigungsmöglichkeiten. Die medizini-sche Versorgung ist unzureichend, dasEssen schlecht, die Räume überfüllt.

Immerhin 50 Prozent aller Asylanträgewerden positiv entschieden, entwederdurch die Erteilung des Flüchtlingsstatusoder subsidiären Schutzes. Doch auchdie anerkannten Flüchtlinge dürfen dieInsel nur manchmal in Richtung andereEU-Länder verlassen.

Nicht oder noch nicht anerkannte Flücht-linge und abgelehnte Migranten werdennach Ablauf der maximalen Haftdauer in

so genannte open centres – Zeltstädte –verlegt, die ich besuchen konnte. Die Ver-hältnisse in der Zeltstadt Hal Far mit 700Bewohnern hätte ich in Europa nicht fürmöglich gehalten: In den Zeltplanen, un-ter denen es im Winter sehr kalt und imSommer sehr heiß werden kann, sindgroße Löcher. 24 Personen sind in einemZelt untergebracht. Es gibt keine Rück-zugsmöglichkeiten, Frauen sind regelmä-ßig sexuellen Belästigungen ausgesetzt.Auch wenn es einigen gelingt, Arbeit undeine Wohnung zu finden, ist die Inte-gration in die maltesische Gesellschaftäußerst schwierig. Viele empfinden Maltadeshalb lediglich als eine weitere Zwi-schenstation auf ihrer oft jahrelangenReise.

Verschiedene Berichte des EU-Parlamentsund von Nichtregierungsorganisationenhaben bestätigt, dass die Situation fürden Inselstaat und vor allem für dieFlüchtlinge und Migranten dort untragbarist. Malta selbst hat bereits mehrere Ap-pelle und Überlastungsanzeigen an dieEU-Kommission und die anderen Mit-gliedsländer gerichtet. Dennoch habendie europäischen Staaten bisher keinerleiMalta entlastende Änderungen am euro-päischen Zuständigkeitssystem, der Dub-lin II-Verordnung, in Angriff genommen. ■

FRONTEX OPERATIONEN ZUR ÜBERWACHUNG DER SEEGRENZEN IN 2007

Operation: Poseidon, Einsatzgebiet: ÄgäisBeteiligte EU-Staaten: DEU,AUT, BEL, BGR, CYP, ESP, FRA, GRC, NLD,

ITA, LVA, MLT, PRT, UK, ROU, SWE, Budget (Euro): 2,3 Millionen,

Personen »intercepted/diverted« (aufgebracht/abgedrängt)*: 3.405/422

Operation: Nautilus, Einsatzgebiet: Kanal von Sizilien

Beteiligte EU-Staaten: DEU, FRA, GRC, ITA, MLT, PRT, ROU, UK

Budget (Euro): 5 Millionen, Personen »intercepted/diverted«: 3.173/k.A.

Operation: Minerva, Einsatzgebiet: Südöstliche Mittelmeerküste Spaniens

Beteiligte EU-Staaten: AUT, BEL, DEU, ESP, FRA, ITA, NLD, POL, PRT, ROU, UK

Budget (Euro): 450.000, Personen »intercepted/diverted«: 1.260/1.105

Operation: Hermes, Einsatzgebiet: Mittelmeer zwischen Algerien und Sardinien

Beteiligte EU-Staaten: DEU, ESP, FRA, GRC, ITA, PRT, ROU, UK

Budget (Euro): 1,9 Millionen, Personen »intercepted/diverted«: 30/k.A.

Operation: Indalo, Einsatzgebiet: Südöstliche Mittelmeerküste Spaniens

Beteiligte EU-Staaten: DEU, ESP, ITA, FRA, MLT, PRT, ROU

Budget (Euro): 1,7 Millionen, Personen »intercepted/diverted«: 309/k.A.

Operation: Hera (in 4 aufeinanderfolgenden Operationen),

Einsatzgebiet: Atlantik (zwischen Kanaren und Senegal bzw. Mauretanien)

Beteiligte EU-Staaten: DEU, ESP, FRA, ITA, LUX, NL, PRT, SWE, UK

Budget (Euro): 8,2 Millionen, Personen »intercepted/diverted«: 8.910/4.686

FRONTEX OPERATIONEN ZUR ÜBERWACHUNG DER SEEGRENZEN IN 2007(Quelle: FRONTEX Press Kit »Sea Border Operations 2007«)

9EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

■ Der Leitfaden enthält auf aktuellemStand alles, was Haupt- und Ehrenamt-

liche über das Asylverfahren wissen sollten.Erläutert werden Rechtswege, Fristen, dieGrundlage des materiellen Asylrechts in einerauch für Nicht-JuristInnen verständlichen Form.Hinweise zu den Einzelthemen: Flughafenver-fahren, Abschiebungshaft, Zustellungsfrage,Datenschutz und vieles mehr. Neben ausführ-lichen Hilfestellungen, Formularen etc. sindauch alle relevanten Gesetze wiedergegeben.

■ Bestellmöglichkeit auf Seite 48

Hubert Heinhold»Recht für Flüchtlinge«6. vollständig überarbei-tete Neuausgabe 2007

* »intercepted/diverted«:

Die präzise Bedeutung der

Begriffe bleibt im Unklaren.

AUT Österreich

BEL Belgien

BGR Bulgarien

CYP Zypern

DEU Deutschland

ESP Spanien

FRA Frankreich

GRC Griechenland

ITA Italien

LVA Lettland

LUX Luxemburg

MLT Malta

NLD Niederlande

POL Polen

PRT Portugal

ROU Rumänien

SWE Schweden

UK Großbritannien

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Kerstin Böffgen

■ Beim Thema Zuwanderung setztSpaniens Regierung zunehmend

auf die Zusammenarbeit mit afrikani-schen Herkunftsländern und orientiertsich dabei am eigenen Arbeitskräftebe-darf. Im Bestreben um eine funktionie-rende Abschottung einerseits und eine»geordnete« – und auch aus demographi-scher Sicht notwendige – Migration nachSpanien andererseits arbeitet die jüngstim März 2008 im Amt bestätigte Regie-rung Zapatero mit Hochdruck an einemFlickenteppich aus bilateralen Abkommenmit den Herkunfts- und Transitländern in Nord- und Westafrika – ungeachtet der Menschenrechtslage vor Ort. Es be-stehen bereits Vereinbarungen mit demSenegal, Mauretanien, Marokko, Guinea-Conakry und Guinea-Bissau, Gambia undMali. Hierüber soll einerseits die Rück-übernahme der jeweiligen Landsleutegarantiert – das heißt, ihre Abschiebungaus Spanien erleichtert – werden. Vielentscheidender dürfte jedoch für die Spa-nier sein, dass die Verträge Maßnah-men zur Flucht- bzw. Migrationsverhin-derung auf afrikanischer Seite vorsehen.Im Gegenzug verpflichtet sich Spaniengegenüber den Partnern zu einer erleich-terten Visavergabe, sowie finanziellenZuwendungen bzw. Schuldenerlassen. ImHerbst 2006 hat die EU beispielsweiseder marokkanischen Regierung 76 Millio-

nen Euro für die Verschärfung der Grenz-kontrollen zugesichert. Zwischen Ma-rokko und Spanien existiert seit vielenJahren zudem ein besonderes Rücküber-nahmeabkommen, das auch die Abschie-bung Minderjähriger vorsieht.

GEMEINSAM GEGEN IRREGULÄRE MIGRATION

Der spanische Innenminister führte inseiner im Januar 2008 veröffentlichten»Bilanz über den Kampf gegen die ille-gale Einwanderung« den Rückgang derBootsflüchtlingszahlen unter anderem auf»die erfolgreiche Zusammenarbeit mitden afrikanischen Nachbarstaaten« zu-rück. So werden beispielsweise an dermarokkanischen, mauretanischen oderkapverdischen Küste immer mehr Men-schen von den jeweiligen Polizei- undGrenzkontrolleinheiten an der Ausreisegehindert. Über 8.000 waren es im Jahr2007 laut FRONTEX allein in mauretani-schen und senegalesischen Küstenge-wässern. Auch spanische Beamte sindvor Ort und kontrollieren – die Grenzenund vermutlich auch die Effektivität dermit spanischen Steuergeldern finanzier-ten Arbeit der afrikanischen Kollegen.

Unbestritten werden dadurch nicht weni-ge Menschen an einer Überfahrt RichtungKanaren gehindert. Im letzten Jahr sind

nach dem »Rekordjahr« 2006 mit rund33.000 Bootsflüchtlingen laut Innenmi-nisterium nur noch rund 12.000 ange-kommen, ein »Erfolg«,der auch der FRON-

TEX-Operation Hera zugeschrieben wird.Durch das Verschieben der Abschottungs-aktivitäten und letztlich der Verantwor-tung auf die Transit- und Herkunftsländerwird die »irreguläre Migration« jedochlangfristig kaum verhindert werden kön-nen. Lediglich ihre (Todes-)opfer werdendamit aus dem Blickfeld der Öffentlich-keit gerückt. Was mit Flüchtlingen zumBeispiel in einem Land wie Marokko, daspermanent die Menschenrechte miss-achtet, geschieht, interessiert anschei-nend nicht. Dies zeigt unter anderem dieSituation an der Grenze zu Melilla, wospanische Polizisten zusehen, wie wehr-lose Menschen bei dem Versuch, nachSpanien zu gelangen, von den marokkani-schen Kollegen geprügelt und schwermisshandelt werden.

ARBEITSMIGRATION ALS ENTWICKLUNGSHILFE

Dennoch mögen auch durchaus humani-tär begründete Überlegungen hinter demBestreben Spaniens nach einer Regu-lierung der Migration stehen – zumindestweiß Präsident Zapatero es so zu dekla-rieren. Bei jeder sich bietenden Gelegen-heit betont er, dass der Massenexodus

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

D IE GUTEN INS TÖPFCHEND IE GUTEN INS TÖPFCHENSpanien betreibt

Einwanderungspolitik nach wirtschaftlichem Interesse

und schreckt dabei auch vor menschen-rechtlich fragwürdigen Maßnahmen nicht zurück

Spanien betreibt Einwanderungspolitik

nach wirtschaftlichem Interesse und schreckt dabei auch vor menschen-

rechtlich fragwürdigen Maßnahmen nicht zurück

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aus Afrika nur durch eine nachhaltige Ent-wicklungspolitik gestoppt werden könne.Während die meisten EU-Politiker sich imZusammenhang mit irregulärer Migrationauf immer neue Forderungen und Phan-tasien zur militärischen Aufrüstung derGrenzen beschränken, ermahnt Zapaterodie europäischen Staaten zu mehr Ent-wicklungszusammenarbeit und Chancen-verbesserung in Afrika, insbesondere imArbeits- und Bildungsbereich. Neben derdirekten Finanz- und Strukturhilfe strebtSpanien – wenn auch alles andere als un-eigennützig – eine »indirekte« Existenz-sicherung durch zeitlich begrenzte Ar-beitsverträge an. So sind im Rahmen dero.a. bilateralen Abkommen auch Kontin-gente für eine temporäre Arbeitsmigra-tion aus den entsprechenden afrikani-schen Ländern festgelegt worden. Rund200.000 Visa für Arbeiterinnen und Ar-beiter aus »Entwicklungsländern« warenetwa im Jahr 2007 vorgesehen. Sie soll-ten überwiegend als Saisonarbeiter inder Landwirtschaft und im Baugewerbeeingesetzt werden. Wer sich bewährt,darf vielleicht im darauf folgenden Jahrwiederkommen. Eine Chance, dauerhaftin Spanien bleiben zu können, erhaltendie Betroffenen jedoch nicht.

Noch stehen bürokratische Hürden einerreibungslosen Umsetzung dieser rotie-

renden Arbeitsmigration entgegen, es istaber nur eine Frage der Zeit, bis legal Ein-gereiste die »Illegalen« im Inland auf demArbeitsmarkt abgelöst haben. Für diejeni-gen, die sich seit Jahren auch ohne Auf-enthaltspapiere in Spanien über »heimli-che« Arbeit finanzieren, wird dies wohl dieAussicht auf eine mögliche Legalisierungihres Aufenthaltes zerstören.

KEINE ARBEIT – KEIN AUFENTHALTSRECHT

Spaniens striktere Gangart in Bezug aufeine geregelte Einwanderung geht Handin Hand mit einer Verschärfung der Ab-schiebepraxis. Die Rückübernahmeab-kommen mit afrikanischen Staaten ha-ben die Abschiebezahlen von Jahr zu Jahransteigen lassen. Rund 56.000 warenes laut Innenministerium im Jahr 2007,davon allein 16.000 von den Kanarenaus. 33 Millionen Euro hat sich der Staatdies kosten lassen. Damit wurden u.a.75 Flüge gechartert. Insgesamt 92 % der im gleichen Jahr aufgegriffenen »inmi-grantes irregulares«, über 46.000 Men-schen, wurden in ihre Herkunftsländer ab-geschoben. Mit über 370.000 Abschie-bungen habe die jetzige Regierung, soverkündete Innenminister Rubalcaba imJanuar 2008 stolz, während ihrer ersten

Legislaturperiode 43 % mehr »Illegale«aus Spanien abgeschoben als die Vor-gängerregierung. Rubalcaba macht auchkeinen Hehl daraus, dass mit der ver-schärften Abschiebepraxis ein zusätzli-cher Abschreckungseffekt bei »Migra-tionswilligen« in den Herkunftsländern er-zielt werden soll.

Offensichtlich hat sich nicht nur daspolitische Vorgehen bei der Durchsetzungder Ausreisepflicht »Papierloser« ver-schärft, sondern auch das Vorgehen derbeteiligten Polizisten: Im Sommer 2007erstickte ein 23- jähriger Nigerianer wäh-rend seiner gewaltsamen Abschiebung an einem widerrechtlich angelegten Kne-bel kurze Zeit nach dem Abflug. Da ersich nach Angaben der verantwortlichenPolizeistelle in Madrid gegen seine Ab-schiebung gewehrt haben soll, war er zuvor gefesselt und geknebelt worden.Osamuyi Aikpitanyi ist das erste Todes-opfer einer Abschiebung unter spani-scher Regie. Gleichzeitig ist er einer vonTausenden Menschen, denen die rigo-rose, menschenrechtswidrige Flüchtlings-und Migrationsabwehrpolitik im SüdenEuropas zum Verhängnis geworden ist. ■

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Afrikanische Arbeiter in den Gewächshausanlagen bei Almeria

■ José Palazón und Maite Echartevon der Menschenrechtsorganisati-

on PRODEIN setzen sich in der spanischenEnklave Melilla seit Jahren für Flüchtlingeund unbegleitete Migranten-Kinder ein.Für ihre mutige Arbeit erhielten sie 2007den Menschenrechtspreis der Stiftung PROASYL. Breiti hat die beiden Preisträgerwährend ihres Aufenthalts in Deutschlandim September 2007 getroffen und inter-viewt (Interview gekürzt).

Herzlichen Glückwunsch zum Menschen-rechtspreis von PRO ASYL! Was bedeuteter für eure Arbeit?Maite: Der Preis bedeutet uns sehr viel.Zum einen stellt er eine persönliche Aner-kennung dar. Zum anderen wird dadurchunsere Arbeit öffentlich gemacht. Melillaist eine ziemlich kleine und rassistischeStadt. Daher ist es für uns sehr wichtig,dass PRODEIN ausgezeichnet wurde unddadurch Andere davon erfahren, wie wiruns gegen Menschenrechtsverletzungenwehren.

Wie muss man sich das vorstellen, in ei-ner Stadt zu leben mit einem sechs Meterhohen Grenzzaun?

Maite: Melilla liegt direkt an der Grenzezu Marokko und ist zum Meer hin kom-plett vom Grenzzaun umgeben. Man lebtein bisschen wie in einem Käfig.

Egal, wo man lang läuft: Der Zaun istimmer präsent. Offiziell hat Melilla etwa70.000 Einwohner. Dann gibt es weite-re 30.000 ohne Aufenthaltspapiere. Siekönnen nicht raus aus der Stadt, dennsonst würden sie nie mehr reinkommen.Sie verbringen ihr ganzes Leben in einemGefängnis unter freiem Himmel – ohneRechte, ohne Bewegungsfreiheit und ohnemedizinische Hilfe.

Was passiert mit Flüchtlingen, die ver-suchen, über den Zaun zu gelangen?José: Sobald du von der marokkanischenSeite aus den Zaun berührst oder drübersteigen willst, schießen die marokkani-schen Grenzbeamten. Wenn du es den-noch schaffst, über den ersten Zaun zukommen, fällst du in einen Zwischenraummit gespannten Drahtseilen. Und wer dasüberlebt, muss noch einmal sechs Meterhoch über den nächsten Zaun. Eigentlichhaben die Flüchtlinge das Recht, einenAsylantrag zu stellen. Doch die Spanierversuchen, die Leute wieder auf die ma-

rokkanische Seite rüber zu schicken, undvertreiben sie sogar mit Gummigeschos-sen. Wir wissen, dass selbst Verletztegegen Bestechungsgeld den marokkani-schen Grenzwächtern übergeben wurden.

Was war eure ursprüngliche Motivation?José: Wir konnten einfach nicht mit anse-hen, dass Menschen sterben, die nichtbewaffnet waren. Sie haben schließlichkeine Straftaten begangen, sie haben nurversucht, den Zaun zu überwinden. Reinrechtlich ist dies eine »Ordnungswidrig-keit«, wie wenn man sein Auto falschparkt und dafür ein Bußgeld zahlen muss.Doch viele Menschen haben dies mit ih-rem Leben bezahlen müssen.

Was war für euch das ausschlaggebendeMoment, für euer Engagement?Maite: Unsere Arbeit hat damit angefan-gen, dass wir einen marokkanischen Stra-ßenjungen kennengelernt haben, den wirspäter adoptiert haben. Erst durch ihnwurde uns diese Wirklichkeit in Melillabewusst. Es lebten damals circa 80 Ju-gendliche auf der Straße, ohne jeglicheHilfe, ohne die Schule besuchen zu dür-fen, ohne medizinische Versorgung.

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BREITI, GITARRIST DER TOTEN HOSEN

IM GESPRÄCH MIT JOSÉ PALAZÓN UND

MAITE ECHARTE VON DER SPANISCHEN

MENSCHENRECHTSORGANISATION

PRO DERECHOS DE LA INFANCIA (PRODEIN)

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME12

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Wir begannen nachzufragen, welche Rech-te Flüchtlingskinder haben und sind beiden Behörden immer wieder an Grenzengestoßen. Man wollte offensichtlich, dasswir uns da raushalten. Rechtsanwälte ha-ben uns geraten, einen Verein zu grün-den, damit wir nicht alleine dastehen. Soentstand PRODEIN.

Wie ging es danach mit eurer Hilfsarbeitweiter? Was konntet ihr bewirken?José: Wir haben Flüchtlingskindern ko-stenlosen Unterricht an unserer kleinenAkademie gegeben. Sie kamen alle frei-willig zu uns. Die eigentlich für die Kinderzuständige Behörde forderte mich auf,damit aufzuhören. Dies sei illegal. Ein Be-amter sagte zu mir: »In einem Jahr sindSie deswegen vielleicht im Gefängnis!«Doch es kam anders: Im nächsten Schul-jahr durften alle Kinder in die normaleSchule gehen.

Zudem haben wir erreicht, dass einkindgerechtes Aufnahmesystem für dieMinderjährigen geschaffen wurde.

Es wäre wichtig, solche Aufnahme-standards auch für Erwachsene einzufüh-ren. Flüchtlinge, die nach Melilla kom-men, müssen in jedem Fall Zugang zumAsylverfahren, zu medizinischer Versor-gung und Unterkunft bekommen.

Warum verlassen Menschen überhaupt ihreHeimat?José: Die Minderjährigen stammen mei-stens aus Marokko. Die erwachsenenFlüchtlinge kommen zum größten Teil ausMali, Kamerun, Elfenbeinküste oder Se-negal, in letzter Zeit auch aus Bangla-desch und Pakistan. Sie kommen nachMelilla, weil sie in ihrer Heimat keine Le-bensgrundlage haben. Ich war letztesJahr in Mali. Die Menschen dort leben vorallem von der Landwirtschaft, aber Euro-pa macht seit einiger Zeit die Märktedicht. Frankreich hat seine Baumwolle z.B. früher in Mali eingekauft. Jetzt gibtes die Baumwolle günstiger in Südameri-ka und Mali bleibt seitdem auf ihr sitzen.Und Baumwolle kann man nun mal nichtessen.

Wie viele Menschen arbeiten für PRODEIN?Wie sieht eure tägliche Arbeit aus?José: PRODEIN hat zurzeit 82 Mitglieder,darunter etwa 15 aktive. Wir haben aller-dings auch Unterstützer in der Bevölke-rung, die unerkannt bleiben wollen: Polizi-sten, Guardia Civil, Lehrer etc. Eigentlichsind wir so etwas wie eine Guerilla-Grup-pe.

Wenn wir erfahren, dass jemand ab-geschoben werden soll, dann stelle ichmich mit der Presse vor den Eingang desFlüchtlingslagers. Es gibt Tage, an denendie Polizei daraufhin wieder wegfährt.Wenn ein Kind von Polizisten geschlagenwird oder abgeschoben werden soll, ge-hen wir dazwischen. Wir müssen die Ge-setze allerdings sehr genau kennen, umuns zu wehren. Denn die Polizei wartetnur darauf, uns anzuzeigen.

Wurdest du denn schon mal angezeigt?José: Ja, mehrfach. Im Jahr 2005 z.B.,nachdem ich öffentlich ausgesagt hatte,dass am Grenzzaun Menschen von Polizi-sten umgebracht worden seien. Man be-zichtigte mich daraufhin der Lüge. Seit-dem mache ich immer Beweisfotos. Ichwar damals auch in den marokkanischenWäldern, habe die Toten fotografiert undZeugen interviewt.

Wie kann man Eure Arbeit unterstützen? José: Wir brauchen Öffentlichkeit, damitdie Welt erfährt, dass in Melilla die Men-schenrechte verletzt werden. Erzählt denLeuten, was hier passiert! Obwohl es ander Grenze immer noch Tote gibt, berich-

tet die Presse kaum mehr darüber. DiePostkartenaktion von PRO ASYL im März2007 war sehr wichtig, denn viele Men-schen haben sie unterstützt. Dadurchwurde das Thema wieder in die Öffent-lichkeit gebracht.

Woher nehmt ihr trotz der Enttäuschungenund Gefahren die Motivation weiterzuma-chen?José: Es ist die Empörung darüber, dasssie Freunde von dir töten. Wir haben siein den Wäldern kennen gelernt, haben ih-nen Essen und Medikamente gebrachtund viel mit ihnen über ihr Leben geredet.Im nächsten Moment rufen sie dich anund erzählen dir, dass jemand umge-bracht wurde. So etwas schlägt ein wieeine Bombe. Das macht dich so wütend,dass du einfach handeln musst. Das istder Grund, warum wir die Arbeit machen,egal wie groß die Angst ist.

Was könnte die Europäische Union tun, da-mit sich etwas ändert?José: Das Problem ist, dass die Flücht-linge ihre Länder überhaupt verlassenmüssen. Die Leute würden daheim beiihren Familien bleiben, wenn wir ihneneine echte Chance gäben, ihre Länder sozu bestellen, wie sie es gerne möchten.Wir brauchen dafür keine Grenzzäuneund Festungsanlagen, sondern nur einehumanitäre, ehrliche Politik. ■

13EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Gerda Heck

■ Freitag, 26. Oktober 2007. Mor-gens zwischen vier und sechs Uhr.

Die marokkanischen Behörden führenzwei groß angelegte Razzien in der Haupt-stadt Rabat und der Grenzstadt Oujdadurch. Mehr als 100 subsaharische Mi-grantinnen und Migranten werden festge-nommen, in Bussen abtransportiert undüber die Grenze ins algerische Niemands-land abgeschoben. Dies ist nicht daserste Mal, dass marokkanische Sicher-heitskräfte so brachial gegen subsaha-rische Transitmigranten vorgehen. SeitEnde 2006 finden regelmäßig Razzien,Festnahmen und Deportationen in Rabat,Casablanca, Laâyoune und Nador statt.Dabei werden Frauen, Kinder und Männerfestgenommen, ganz gleich, ob sie gülti-ge Papiere besitzen oder nicht. Sie wer-den zeitweise interniert, dann an die al-

gerische Grenze deportiert und gezwun-gen, diese zu überqueren.

Die Universitätsstadt Oujda ist seit 1999Durchgangsstation für Migranten ausdem subsaharischen Afrika. Jährlich rei-sen mehrere Tausend nach Marokko. Siekommen aus Sierra Leone, Liberia undder Elfenbeinküste; seit der Jahrtausend-wende auch verstärkt aus Nigeria, Gha-na, Sudan und Kamerun. In jüngster Zeitpassieren auch Migranten aus asiati-schen Ländern wie Indien, Pakistan oderBangladesh das nordafrikanische Land.Offiziellen Angaben zufolge leben derzeit12.000 Menschen aus der Subsahara imLand. Ein Großteil von ihnen hat bereitseine lange Reise von bis zu zwei Jahrenhinter sich.

DAS MIGRANTEN-CAMP IN OUJDA

In Oujda angekommen gingen die Migran-ten bis vor kurzem zur Universität undwarteten hier auf eine Möglichkeit zurWeiterreise. In der Regel campierten 50bis 100 Menschen auf dem Gelände.Seit Ende 2006 hat sich mit den regel-

mäßig stattfindenden Großrazzien in Ma-rokko die Situation in der Grenzstadt aller-dings zugespitzt. Die nach Algerien ab-geschobenen Migranten wandern meistüber die Grenze zurück nach Oujda, umvon dort aus erneut die Küste oder Groß-städte zu erreichen. Aufgrund der ver-schärften Kontrollen von Bussen undBahnen wird die Weiterreise allerdingsextrem erschwert.

Von Januar bis Juli 2007 existierte aufdem Gelände der Universität von Oujdadas größte selbst organisierte Migranten-Camp Marokkos. Zeitweise lebten dortbis zu 700 Menschen. Seitdem das La-ger von Polizei und Militär Ende Juli ge-räumt und zerstört wurde, halten sich dieMigranten in kleinen Gruppen in Mini-camps in den Außenbezirken der Stadtund in den Wäldern nahe der Grenze auf.Manche dieser so genannten Tranquiloskönnen innerhalb von Minuten ab- undanderswo wieder aufgebaut werden. »Sohaben die Menschen eine Chance, derpermanenten Verfolgung durch Behördenund Militär zu entgehen«, berichtet derLiberianer Moses Janneh. Fast täglichzerstören die marokkanischen Behördenein Tranquilo und deportieren alle Bewoh-

14 EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Die Deportation von

Transitmigranten in die

Grenzregion von Oujda

»Marokko macht die Drecksarbeit

für Europa.«

Im September 2007 war Gerda Heck zusammenmit Miriam Edding zu einer Recherche in Oujdaund hat dort mit Menschenrechtsaktivisten undMigranten gesprochen. Die Namen der Migran-ten sind auf eigenen Wunsch hin geändert.

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nerinnen und Bewohner über die algeri-sche Grenze. »Jeden Tag, jeden Tag, diekennen keine Schonzeit, sie jagen unsweit weg in die Wüste«, sagt Moses Jan-neh. Die Abschiebestrategie der Polizeierscheint sinnlos, da die Abtransportier-ten nach ein paar Tagen wieder in Oujdaauftauchen. Seit vier Jahren lebt MosesJanneh bereits in Marokko. Drei Mal hater versucht, in die spanische ExklaveMelilla zu kommen, drei Mal endete seinVersuch in der Grenzregion zwischen Ma-rokko und Algerien.

ABWEHR »ILLEGALER« MIGRATION

Die marokkanischen Behörden behaup-ten, seit Januar 2007 bereits mehr als80.000 Migranten ohne gültige Aufent-haltserlaubnis abgefangen zu haben. Be-trachtet man die Zahl der sich im Landaufhaltenden Transitmigranten, dann er-scheint dies kaum glaubhaft. Die marok-kanische Regierung versucht durch über-höhte Zahlen ihr rigides Vorgehen gegendie Transmigration gegenüber der Euro-päischen Union unter Beweis zu stellen.»Die zählen jede Festnahme, jeden Auf-griff, viele der Migranten sind allerdingsschon drei- bis fünfmal festgenommenund abgeschoben worden«, betont HichamBaracka von der Menschenrechtsorgani-sation »Association Beni Znassen pour laCulture, le Développement et la Solidari-té« (ABCDS) in Oujda. »Marokko machtdie Drecksarbeit für Europa, die EU hatihre Grenzen nach außen verlagert. Ma-rokko spielt die Rolle des Gendarmen fürEuropa.«

Seitdem die Europäische Union die wirt-schaftliche Zusammenarbeit mit Marok-ko intensiviert hat, geht die marokkani-sche Polizei verstärkt gegen Migrantenvor. Im November 2003 wurde ein Gesetzüber Einreise und Aufenthalt von Auslän-dern auf marokkanischem Territorium er-lassen, das auch die Strafverfolgung vonPersonen vorsieht, die Menschen ohneAufenthaltsgenehmigung bei sich aufneh-men oder ihnen bei der Durchreise behilf-

lich sind. Im August 2006 Jahres verab-schiedete eine europäisch-afrikanischeMigrationskonferenz in Rabat einen um-fassenden Aktionsplan gegen die »ille-gale« Migration von Afrika nach Europa.In diesem Zusammenhang garantiertedie EU Marokko 67 Millionen Euro für denKampf gegen Einwanderer.

»BANALISIERUNG DER ABSCHIEBUNGEN«

Die Mitarbeiter von ABCDS schätzen,dass sich derzeit 1.500 Migrantinnenund Migranten in Oujda und Umgebungaufhalten. ABCDS unterstützt sie mit Le-bensmitteln, Kleidung und Medikamen-ten und versteht sich darüber hinaus alsihr politisches Sprachrohr. Mit Sorge ver-folgen sie die Entwicklungen der letztenMonate. »Das ist die Banalisierung derVerdrängung, die Banalisierung der Ab-schiebungen«, so Mohammed Talbi vonABCDS über die Angriffe auf die Transmi-granten in der Region. »Mit ihren perma-nenten Attacken veralltäglichen die Be-hörden die Gewalt gegen die Migrantenund lassen sie ›Normalität‹ werden.« Un-ter den Bedingungen permanenter Re-pression wird es schwierig, eine nicht ge-rade große Solidaritätsbewegung gegendiese Attacken aufrechtzuerhalten und zumobilisieren. Darüber hinaus suggeriert

die Veralltäglichung der Repressalien,dass diese Maßnahmen gerechtfertigtseien. Trotz der Kontrollen, Strapazenund Schikanen lassen sich die Menschennicht ihr Recht auf Bewegung nehmen.Sie organisieren sich selbst auf ihrer Rei-se, errichten Strukturen und Netzwerke,geben wichtige Information an andereweiter. In einem Interview beschreibt derKameruner Jean-Marie Kalla das so: »DasSpiel funktioniert wie dieses Katz-und-Maus-Spiel. Die Katze jagt die Maus unddie Maus ist immer schneller. Und so istes auch mit uns. Machen sie den einenWeg zu, nehmen wir eben einen anderen.In Afrika ändert sich momentan nichts.Also werden wir von unseren Familien los-geschickt auf die Reise, die uns so verän-dert, dass wir nicht mehr zurück können.«

Grenzen sind nicht statisch, sie sind dynamisch. Mit veränderten Grenzsitua-tionen gibt es einen flexiblen Umgang.Neue Fluchtrouten werden gefunden,neue Wege begangen, manchmal auchum den Preis des eigenen Lebens. Diesbetont auch Mohammed Talbi:

»Die Migration wird nicht aufhören, sienimmt täglich zu. Auch die repressivePolitik Europas wird das nicht stoppen.Bei uns sagt man nicht: Ich werde Dok-tor, ich werde Pilot – nein, ich werde Mi-grant! Migrant, das ist der neue Beruf.« ■

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Verstecken sich vor Übergriffen im Wald:subsaharische Flüchtlinge in Marokko

Bernd Mesovic

■ Der Hohe Flüchtlingskommissarder Vereinten Nationen, António

Guterres, hat es Ende 2007 deutlich ge-sagt: Die Welt wird in Zukunft neue undkomplexere Formen von Flucht, Vertrei-bung und Migration erleben. Ohne ein-greifende Maßnahmen werden Klimawan-del, Umweltverschmutzung und Naturka-tastrophen das Leben in vielen Teilen derErde unmöglich machen und Ressourcen-konflikte heraufbeschwören.

Dabei gibt es Umweltflüchtlinge schonjetzt. Seit 20 Jahren weisen wissenschaft-liche Studien darauf hin, dass sich hintervielen Migrationsprozessen und Flucht-bewegungen auch massive ökologischeProbleme verbergen. In Asylverfahren vonFlüchtlingen werden diese jedoch bislangnicht als Fluchtgründe anerkannt:

So schildert ein Flüchtling aus Bangla-desh, der sich auf seiner Flucht vor derökologischen Krise in seiner immer häufi-ger überschwemmten Heimat nach Spa-nien begeben hat, seinen Hintergrund

eher beiläufig: »Asyl? Wozu? – Ich will ar-beiten… . Mein Vater ist arbeitslos. Ichbin der Älteste. Ich muss Geld verdienen,damit sie leben können. In Bangladesh… gibt es keine Arbeit. Die Überschwem-mungen machen immer wieder alles ka-putt. Wir haben keine Lebensgrundlage…« Ausweichstrategien innerhalb Ban-gladeshs sind kaum denkbar. Viele Trink-wasserbrunnen sind in den letzten Jah-ren bereits durch Versalzung unbrauch-bar geworden. Anbauflächen für Reis undandere Agrarprodukte gehen verloren.Tier- und Pflanzenarten verschwinden.Mit dem Artenschwund droht der Zusam-menbruch des gesamten ökologischenGleichgewichts. Die Metropole Dhaka,schon jetzt eine überbevölkerte Region,wird die entstehenden Wanderungsbewe-gungen nicht auffangen können.

FLUCHT ALS FOLGE ÖKOLOGI-SCHER ZERSTÖRUNG

Viele von den Folgen ökologischer Zer-störung Betroffene bleiben bislang inihrer Herkunftsregion. Oft steht der Ver-

lust der lokalen Lebensgrundlage am Be-ginn eines längeren Migrationsprozes-ses, der zunächst in die Metropolen desHerkunftslandes, dann erst in die Nach-barstaaten führt. Eher schemenhaft wer-den Umweltflüchtlinge bislang als die zu versorgenden Opfer akuter Katastro-phen wahrgenommen, die nach kurzermedialer Aufmerksamkeit aus der öffent-lichen Wahrnehmung verschwinden. Erstdurch die Beschleunigung des Verlustesder natürlichen Lebensgrundlage werden Umweltflüchtlinge immer häufiger sicht-bar.

Migrationsexperten aus Bangladesh for-dern die Vereinten Nationen und UNHCRauf, Pläne für den globalen Umgang mitumweltbedingter Migration zu entwickelnEin pragmatischer Experte aus Bangla-desh schlägt vor, jedes Land solle sichum einen bestimmten Anteil der Klima-flüchtlinge kümmern und sie aufnehmen.Die Aufnahmequote sei von der – aktuel-len und früheren - Menge der Treibhaus-gasemission des jeweiligen Landes ab-hängig zu machen.

16 EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

FluchtursacheKlimawandelFluchtursacheKlimawandel

17

Einige der Inselstaaten des Pazifiks se-hen sich bereits gezwungen, mit anderenStaaten über eine mögliche organisier-te Aufnahme der Bevölkerung zu verhan-deln. Mit dem Ansteigen des Meeres-spiegels durch die globale Erwärmungkönnten einige von ihnen spätestens ineinigen Jahrzehnten verschwunden sein.Dem Untergang voraus geht ein Szenario,das zum Verlassen des Landes nötigt. DieBöden versalzen, ebenso das Trinkwas-ser, Land geht durch Fluten verloren. DieAnfälligkeit gegen die Folgen von Wirbel-stürmen wird größer. Verzweifelt versuch-ten die Vertreter der Inselstaaten, so beider Klimakonferenz in Nairobi im Novem-ber 2006, auf ihre Lage aufmerksam zumachen. »Was wird die Geschichte vonuns sagen, wenn wir Beschlüsse fällen,die ganze Länder verschwinden lassen?Das hat es im UN-System noch nie gege-ben«, so ein Delegierter von Tuvalu. Tat-sächlich: Ökologisch verursachte Staa-tenlosigkeit hat es in der Geschichtenoch nicht gegeben.

Im Jahr 2007 hat der wissenschaftli-che Beirat der Bundesregierung »GlobaleUmweltveränderungen« ein umfassendesGutachten mit dem Titel »Welt im Wandel:Sicherheitsrisiko Klimawandel« vorgelegt.Es enthält dringliche Empfehlungen an

die politischen Entscheidungsträger. Eineder zentralen Thesen: Der Klimawandelverstärkt Mechanismen, die zu Unsicher-heit und Gewalt führen. Wenn der Klima-schutz jetzt scheitere und die Begrenzungdes Temperaturanstiegs auf 2°C nichtmöglich sei, werde sich die Politik auf kli-mabedingte Konflikte vorbereiten müs-sen. Spätestens ab Mitte des Jahrhun-derts sei bei einem Negativszenario einstarkes Umsichgreifen solcher Konfliktebis hin zu einer Destabilisierung des in-ternationalen Systems und einer Gefähr-dung der weltwirtschaftlichen Entwick-lung zu erwarten. Die Entwicklungspolitiksehe sich bereits zuvor mit den Folgenvon Wasser- und Nahrungsmittelkrisensowie von Sturm- und Flutkatastrophenkonfrontiert.

VÖLKERRECHTLICHE LÖSUNGERFORDERLICH

Die Gutachter warnen, dass die umwelt-verursachte Migration nicht dauerhaftvon der Politik ausgeblendet und zu La-sten der Betroffenen ignoriert werdendürfe. Sie stellen fest, dass bis heuteweder spezifische Pflichten der Staatenin Bezug auf die Behandlung von Um-weltmigranten/-flüchtlingen noch sonsti-ge rechtliche Schutzmechanismen existie-ren, weil der geltende völkerrechtlicheFlüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlings-konvention auf sie keine Anwendungfinde. Nötig sei nach Auffassung des Bei-rats eine die Rechtstellung von Umwelt-migranten regelnde übergreifende Kon-vention.

Das allerdings setzt einen sehr schnellenBewusstseinswandel voraus. Es bedarfeines globalen ökologischen Verantwor-tungsbewusstseins. Entgegen der in denIndustriestaaten verbreiteten Meinungsind es nämlich keineswegs vorrangig sie selbst, die von Umweltschäden be-troffen sind. Die Entwicklungsländer sindaufgrund ehemaliger und teilweise nochaktueller Abhängigkeiten nicht nur ökono-misch unterentwickelt, sondern auch öko-logisch fehlentwickelt. Armut und wach-

sende Bevölkerung engen die Möglich-keiten einer Folgenbegrenzung ein. DieVernichtung landwirtschaftlicher Nutzflä-chen und die Zerstörung der Bodenfrucht-barkeit sind in vielen Regionen der Weltbereits weit fortgeschritten. Die ländli-che Selbstversorgungswirtschaft mit ei-ner Vielfalt von Produkten ist oftmals zer-stört. Die Folgen der Monokulturen sindlängst sichtbar: Überdüngung, Zerstörungdes Wasserhaushaltes, umweltbelasten-de Folgen der Agrochemie usw. Die Folgender Umweltveränderung treffen dieseStaaten weitaus dramatischer als es dieFolgen von Naturkatastrophen je könn-ten. Die reichen Industriestaaten müssensich zu ihrer Verantwortung bekennenund menschenrechtliche Instrumente in-itiieren, die die Umweltflüchtlinge schüt-zen.

Auf ganz andere Weise haben sich elfpensionierte Admirale und Generäle derUS-Streitkräfte dem Problem angenähert.Die Ausgangssituation ihres Papiers »Na-tionale Sicherheit und die Bedrohung desKlimawandels« vom April 2007 ist: DerKlimawandel wird bereits existierendeKrisenregionen in Afrika und Asien sowieim Nahen Osten weiter destabilisieren.Zu erwarten seien Verteilungskämpfe umRessourcen, Rebellion und Flüchtlings-ströme. Sie empfehlen militärische Lö-sungen: Weitere Aufrüstung und emissi-onsärmere Militärfahrzeuge.

Auch angesichts solcher Aussichten sindwir gut beraten, jetzt humanitäre und völ-kerrechtliche Lösungen in Angriff zu neh-men. ■

EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Marei Pelzer

■ Die Europäische Union missachtetdas internationale Flüchtlingsrecht,

indem sie ihre Grenzen immer weiter vorverlagert. Sie überträgt die Grenzab-schottung Staaten, in denen Asylsuchen-de nicht vor Rückschiebungen in den Ver-folgerstaat sicher sind. Am östlichenRand nimmt diese Rolle unter anderemdie Ukraine ein, die im Zentrum vieler Mi-grationsrouten liegt. Das Ziel: Die Ukrainesoll die im EU-Jargon pauschal als »ille-gale Migranten« bezeichneten Menschenvon der Weiterreise in die EU abhalten.

In einer Mitteilung vom 13. Februar2008 hat die EU-Kommission erneut ihrefinanzielle und logistische Unterstützungbei der Grenzüberwachung in Aussicht ge-stellt. Dabei soll auch die GrenzagenturFRONTEX zum Einsatz kommen und bisEnde 2008 einen »Bericht über die beste-hende und benötigte Überwachungsinfra-struktur in ausgewählten benachbartenDrittländern« erstellen.

Die EU lässt dabei das Thema Flücht-lingsschutz bewusst außen vor. AlleinigesZiel ist es »illegale Migration« abzuweh-ren. Dabei wird verschwiegen, dass essich bei einem wesentlichen Teil der irre-gulär einreisenden Personen um schutz-bedürftige Flüchtlinge, etwa aus Afghani-stan, Irak oder Tschetschenien, handelt.Die EU nimmt die Missachtung der Rechtevon Flüchtlingen bei ihrer Politik der Stell-vertreterabschottung bewusst in Kauf.

Konsequenz dieser vorverlagerten Ab-schottung ist es, dass Asylsuchende kei-nen Zugang zur EU mehr erhalten. Wer esbis in die Ukraine schafft, kann nur ver-suchen, dort asylrechtlichen Schutz zufinden. Allerdings ist das Land weit davonentfernt, gegenüber Flüchtlingen interna-tionale Verpflichtungen und menschen-rechtliche Standards einzuhalten. Es gibt(noch) kein rechtsstaatliches Asylsystemin der Ukraine. Asylsuchende werden un-ter unmenschlichen Bedingungen in Ge-wahrsamsanstalten festgehalten.

Human Rights Watch zufolge werdensie dort von den Sicherheitskräften ge-schlagen, erpresst und ausgeraubt. AmEnde steht nicht selten die Abschiebungin den Verfolgerstaat. Ein weiteres Pro-blem ist der massive gesellschaftlicheRassismus. Immer wieder kommt es zuÜbergriffen, wie z.B. im Sommer 2007,als ein irakischer Flüchtling an den Fol-gen eines solchen Angriffs starb.

MENSCHENRECHTSKOMMISSAR:EU VERLETZT MENSCHENRECHTE

Dass dennoch Flüchtlinge aus der EU indie Ukraine zurückgeschoben werden, istaus menschenrechtlicher Sicht unvertret-bar. In seinem Bericht vom September2007 zur Situation in der Ukraine hat derMenschenrechtskommissar des Europa-rats, Thomas Hammarberg, den EU-Staa-ten Slowakei und Polen vorgeworfen,

unter Verletzung des Refoulementver-bots Asylsuchende an die Ukraine zurück-gewiesen und der Kettenabschiebung inden Verfolgerstaat ausgesetzt zu haben.Denn dies stellt nicht nur einen eindeuti-gen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlings-konvention, sondern auch gegen die Euro-päische Menschenrechtskonvention dar.Dass die Ukraine tatsächlich Schutzbe-dürftige ihren Verfolgern ausliefert, stelltder Fall von zehn Usbeken unter Beweis,die im Februar 2006 zwangsweise nachUsbekistan abgeschoben worden sind.Neun der Männer waren beim UNHCR-Büro in Kiew als Asylbewerber registriert,der zehnte wollte einen Asylantrag stel-len. Laut amnesty international droh-ten den Abgeschobenen in Usbekistanschwere Menschenrechtsverletzungenwie Inhaftierung ohne Kontakt zur Außen-welt, Misshandlungen und Folter oder eineklatant unfaires Gerichtsverfahren (ai,Jahresbericht 2007). Dennoch scheintdie EU von den fatalen menschenrechtli-chen Auswirkungen ihrer Abschottungs-politik nichts wissen zu wollen. ■

18 EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Ukraine: Türsteher der EU zur Abwehr von Flüchtlingen

Der Bruch des internat ionalen F lücht l ingsrechts durch die Grenzpolitik der EU

Ukraine: Türsteher der EU zur Abwehr von Flüchtlingen

Flüchtlingslager in Pawschino (Ukraine)

Heiko Kauffmann

■ Im Juli 1938 trafen in Evian-les-Bains am Genfer See Abgesandte

von 32 Nationen sowie jüdischer Hilfs-organisationen zusammen, um über dasProblem der jüdischen Flüchtlinge ausDeutschland und Österreich zu beraten.Das Ergebnis war enttäuschend: KeinLand erklärte sich bereit, die Aufnahme-bedingungen zu lockern. Auch wenn inden nächsten Monaten einzelne Staatenihre Tore dann doch vorübergehend fürkleinere Flüchtlingszahlen öffneten, hattedie internationale Staatengemeinschaftin Evian doch die Chance vertan, gemein-sam Lösungen zu finden, die dem Aus-maß des Flüchtlingsproblems annäherndgerecht geworden wären. In der Folge wur-den unter nationalsozialistischer Herr-schaft befindliche Gebiete immer mehrzur Falle für die Verfolgten.

Als Reaktion auf das millionenfacheFlüchtlingsleid, das nationalsozialistischeDiktatur und Krieg über Europa gebrachthatten, kam es in den Nachkriegsjahrenzu Bemühungen, die Flüchtlingsrechteauf internationaler Ebene zu schützen.So gelten bis heute die Genfer Flücht-lingskonvention von 1951 und die Euro-päische Konvention zum Schutz der Men-schenrechte und Grundrechte von 1950als Basis europäischer Flüchtlingspolitik.Angesichts des tausendfachen Sterbensan den Außengrenzen der EuropäischenUnion wird die EU ihren humanitärenGrundsätzen heute jedoch kaum mehrgerecht. Vielen Menschen, die auf der

Flucht sind, gelingt es nicht mehr, nachEuropa zu kommen.

Die Lehren aus dem Zweiten Weltkriegsind 70 Jahre nach Evian wieder in Ver-gessenheit geraten. Damals verwiesenDelegierte der in Evian versammeltenLänder auf die Grenzen der Aufnahmeka-pazität, die Gefahr der Zunahme des Anti-semitismus durch die hohe Zahl aufzu-nehmender Personen, auf die Belastungder Wirtschaft. Potenzielle Aufnahmelän-der nahmen die Konferenz zum Anlass,letzte Lücken in ihren Einwanderungsbe-stimmungen und bei den Grenzkontrollenzu schließen. Wie sich Bilder und Argu-mente gleichen!

ELEMENTARE MENSCHENRECHTSSTANDARDS AUFGEGEBEN

Auch heute sehen die verantwortlichenPolitiker der Europäischen Union Schutz-bedürftige als Gefahr und Bedrohung.Die Reaktionen auf die Flüchtlingskrisean den EU-Außengrenzen erinnern fatalan den unerbittlichen Abwehrkurs gegen-über Flüchtlingen vor 70 Jahren.

Die EU-Staaten sind dabei, elementa-re Menschenrechtsstandards aufzuge-ben und als oberstes Ziel nicht mehr denSchutz von Flüchtlingen, sondern denSchutz Europas vor Flüchtlingen anzu-streben: durch eine Politik der »Externa-lisierung« und »regionale Schutzzonen« in den Herkunfts- bzw. Transitländern, indie Flüchtlinge zurückgeschoben werden

können; durch Abfangmaßnahmen bei»out of area«-Einsätzen weit vor den TorenEuropas unter Frontex-Kommandos, durchdie Einbindung von menschenrechtlichproblematischen Staaten in die Abschot-tungspolitik und ihre Instrumentalisierungals Hilfspolizisten Europas; zusammen-gefasst: durch den absoluten Vorrangordnungspolitischer Sicherheits- und mili-tärischer Abwehrinteressen vor völker-rechtlichen und humanitären Verpflichtun-gen, Mitmenschlichkeit und Solidarität.

Flüchtlings- und Menschenrechtsorgani-sationen und die sozialen Bewegungensind gefordert, nicht zuzulassen, dassdie Gleichgültigkeit gegenüber den Op-fern von Krieg, Verfolgung und Terror 70Jahre nach Evian wieder ins Unermessli-che steigt, weil die Europäische Unionmit der militärischen Abschottung ihrerAußengrenzen die Grundlagen von Men-schenwürde, Menschenrechten und De-mokratie gefährdet. ■

19EUROPAS AUSSENGRENZEN: MENSCHENRECHTSFREIE RÄUME

Von Evian nach Brüssel

Das Scheitern der Konferenz von Evian 1938 und die Krise der europäischen Asylpolitik 2008

Die internationale Flüchtlingskonferenz von Evianim Juli 1938 steht für das Versagen der damali-gen Staatengemeinschaft angesichts der Not jüdi-scher Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischenDeutschland. Wie wird die Europäische Union heute ihren huma-nitären und völkerrechtlichen Verpflichtungen ge-recht? Das Buch »Festung Europa. 70 Jahre nachEvian – Menschenrechte und Schutz von Flücht-lingen« stellt Fragen an die gegenwärtige Praxisund Zukunft europäischer Flüchtlingspolitik.

Hg. Wolfgang Benz, Claudia Curio, Heiko Kauffmann, mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin; von Loeper Literaturverlag, kart., ca. 200 S., ca. 19,90 Euro, ISBN 978-3-86059-523-7 Bestellmöglichkeit ab Juli 2008 über www.vonLoeper.de

Von Evian nach Brüssel

Das Scheitern der Konferenz von Evian 1938 und die Krise der europäischen Asylpolitik 2008

Marei Pelzer

■ Immer mehr Menschen geraten inHaft allein aus dem Grund, dass

sie einen Asylantrag gestellt haben. Daswar hierzulande noch vor kurzem so nichtvorstellbar. Es galt: Wer als Asylsuchen-der nach Deutschland gekommen ist, ver-fügt für die Dauer seines Asylverfahrensüber eine Aufenthaltsgestattung und darfgrundsätzlich nicht in Abschiebungshaftgenommen werden. Dies hat sich seitder Anwendung europäischer Zuständig-keitsregelungen nun grundlegend geän-dert. Zahlreiche Flüchtlinge finden sich indeutschen Gefängnissen wieder, obwohlsie Schutz suchen. Häufig sind es Irake-rinnen und Iraker, die über Griechenlandnach Deutschland geflohen sind. Statt Si-cherheit und ein faires Asylverfahren er-warten sie die engen Mauern deutscherHaftanstalten.

Eine Ursache für diese verschärfte Praxisim Umgang mit Asylsuchenden ist dieDublin II -Verordnung, nach der geregeltwird, welcher EU-Mitgliedstaat für dieDurchführung des Asylverfahrens zustän-dig ist. Meistens ist es derjenige, überden die Flüchtlinge in die EU eingereistsind.

Asylsuchende, die z.B. über Polen,Tschechien, Griechenland oder Italiennach Deutschland kommen, müssen da-mit rechnen, dass sie entweder unmittel-bar hinter der Grenze oder am Flughafenvon der Bundespolizei aufgegriffen und in Abschiebungshaft genommen werden.So soll sichergestellt werden, dass sie in die »zuständigen« EU-Länder an denAußengrenzen der EU zurückgeschicktwerden können. Mehr Effizienz durcheine systematische Inhaftierung – das istdie Devise, unter der deutsche Beamtedas Dublin-System anwenden. Wie un-liebsame Pakete schieben die EU-Staa-

ten Asylsuchende hin und her und lagernsie in Gefängnissen zwischen.

Dass das Inhaftieren von Asylsuchen-den sich immer mehr zum Standard ent-wickelt, ist ein flüchtlingspolitischer Skan-dal. Flucht ist kein Verbrechen – eineInhaftierung von Asylsuchenden ist inak-zeptabel. Viele Flüchtlinge haben in ihremHerkunftsland Haft und Folter erlebenmüssen. Ein erneuter Gefängnisaufent-halt kann für sie retraumatisierend wir-ken und daher sehr schwerwiegende ge-sundheitliche Folgen haben. Eine Inhaf-

20 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Flucht ist kein VerbrechenAsylsuchende geraten im Dublin-Verfahren immer häufiger in Haft

HERR S. AUS DEM IRAK: VOR VERFOLGUNG GEFLOHEN,IN DEUTSCHLAND IN HAFT

■ Am 21. November 2007 kam derIraker Herr S. am Frankfurter Flug-

hafen an. Seine Fluchtroute hatte überdie Türkei zunächst nach Griechenlandgeführt. Dort wollte er jedoch nicht blei-ben, weil die Anerkennungschancen imAsylverfahren in Griechenland bei 0 % lie-gen. In Deutschland werden seit 2007über 70 % der irakischen Asylsuchendenanerkannt. Für S. war es also nicht gleich-gültig, wo er seinen Asylantrag stellte.Den notwendigen Schutz erhoffte er sichin Deutschland. Doch es kam anders: Un-

mittelbar nach seiner Ankunft wurde ervon der Bundespolizei kontrolliert und –trotz Asylantragstellung – in Haft genom-men. Einen Tag später bestätigte dasAmtsgericht Frankfurt die Rechtmäßigkeitder Inhaftierung und ordnete eine drei-monatige Haft an. Die Begründung: DerBetroffene könne sich wegen des vorhe-rigen Aufenthalts in Griechenland nichtauf das Asylrecht berufen, so dass seinAsylbegehren der Verhängung von Siche-rungshaft nicht entgegenstehe. Das Amts-gericht berief sich dabei auf das »Dub-liner Übereinkommen«, obwohl dies garkeine Geltung mehr hat, sondern schon2003 von der »Dublin II-Verordnung«, beider es sich um Gemeinschaftsrecht und

nicht um Völkerrecht handelt, abgelöstwurde. Die Unterschiede beider Regu-larien sind gravierend. Einem Gericht,das nicht einmal die Rechtsgrundlageseiner Entscheidung kennt, ist wenigrechtsstaatliches Vertrauen auszuspre-chen.

Herr S. saß bis zu seiner Abschiebungnach Griechenland Ende Januar 2008in Abschiebungshaft. In Athen angekom-men, wurde er erneut inhaftiert – ob-wohl sich Herr S. nun im für sein Asylver-fahren angeblich zuständigen Staat wie-derfand. Monatelang hat der vor akuterVerfolgung geflohene S. von Europa nurGefängnisse von innen gesehen. ■

Zelle in der Abschiebehaftanstalt Berlin-Köpenick

tierung in derartigen Fällen ist inhumanund stellt eine entwürdigende Behand-lung für die Betroffenen dar.

Die EU-Kommission bestätigt in ihremEvaluierungsbericht über das Dublin-Sys-tem1 vom Juni 2007, es gebe eine zu-nehmende Tendenz der Inhaftierung vonAsylbewerbern. Sie fordert die Mitglied-staaten auf, Freiheitsentziehungen nurals »letztes Mittel« anzuwenden. Mit die-sen mahnenden Worten aus Brüssel istallerdings nicht viel gewonnen. Notwen-

dig wäre es vielmehr, die Inhaftierungvon Asylsuchenden auf EU-Ebene zu ver-bieten.

Mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz,das am 28. August 2007 in Kraft getre-ten ist, wurde die monatelange Inhaftie-rung von Asylsuchenden ermöglicht. Derentsprechende § 14 Absatz 3 AsylVfGsieht die Möglichkeit zur Inhaftierungwährend der gesamten Zuständigkeits-prüfung – bis zu 11 Monate – vor. Zuvorgalt eine zeitliche Obergrenze von maxi-mal vier Wochen. Für die Betroffenen be-deutet die Haft eine extreme Belastung.Zudem gehen ihnen durch die lange In-haftierungszeit wichtige Integrationschan-cen verloren. Sie sind getrennt von ihrenFamilien, können sich weder um einen Ar-beitsplatz oder Sprachkurse bemühen,noch soziale Kontakte knüpfen.

Das konzertierte Zusammenwirken vonGesetzgeber, Bundespolizei, Ausländerbe-hörden und Gerichten hat dazu geführt,dass sich die Inhaftierung von Asylsu-chenden in Deutschland zu einer – auchim EU-weiten Vergleich – »worst practice«etabliert hat. ■

1 Bericht der Kommission an das Europäi-sche Parlament und den Rat zur Bewertungdes Dublin-Systems, KOM (2007) 299 end-gültig.

21

AUSSTELLUNGSPROJEKT »AUF GEPACKTEN KOFFERN« –LEBEN IN DER ABSCHIEBE-HAFT

■ Im Abschiebungsgewahrsam inBerlin-Köpenick leben aktuell

ca. 100 Menschen auf gepackten Kof-fern. Die Abschiebehaftanstalt kanndie letzte Station eines langjährigenAufenthalts in Deutschland sein – et-wa nach der Flucht aus dem Heimat-land. Sie kann aber auch der erste Ortsein, den ein Flüchtling oder Migrantnach der Ankunft in Berlin kennen lernt.Es ist fraglich, ob er oder sie dannnoch etwas anderes von Deutschlandsehen wird, als dieses spezielle Ge-fängnis.

»Auf gepackten Koffern« ist ein Projektdes Flüchtlingsrates Berlin in Zusam-menarbeit mit der Initiative gegen Ab-schiebehaft.

Kooperationspartner sind der Jesui-ten-Flüchtlingsdienst, PRO ASYL unddie CIMADE Paris.

Die Ausstellung soll Abschiebehäftlin-gen Gelegenheit geben, mit der Öffent-lichkeit über Fotos und Berichte zukommunizieren und somit aus der Iso-lation herauszukommen. Die Betroffe-nen sollen nicht als Opfer, sondern alsselbstbewusste Akteure in das Projekteinbezogen werden.

Die Ausstellung wird am 19. Juni2008 in der Bundeszentrale von ver.di(Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin)aus Anlass des Internationalen Tagesdes Flüchtlings eröffnet.

■ Weitere Informationen hierzu gibt esbeim Flüchtlingsrat Berlin unter:www.fluechtlingsrat-berlin.de.

■ Die neue Broschüre von PRO ASYL informiertumfassend über die Auswirkungen der EU-Zu-

ständigkeitsverordnung »Dublin II« und setzt sich kri-tisch mit ihren Folgen auseinander. So hat das Dub-lin II-System dazu geführt, dass die EU im Umgang mitFlüchtlingen zu einem Verschiebebahnhof gewordenist. Die Zuständigkeit wird in der Regel rein formal da-nach bestimmt, wo der Flüchtling die EU erstmals be-treten hat. Die Abschiebung in den »zuständigen«Staat erfolgt selbst dann, wenn der Flüchtlingsschutzdort missachtet wird – wie etwa in Griechenland, woweder der Zugang zum Asylverfahren noch ein adä-quates Aufnahmesystem garantiert sind.

Die Broschüre stellt den rechtlichen Rahmen der Dublin II-Verordnung ausführlichdar und gibt einen Überblick über die Probleme, die sich in der Praxis daraus fürFlüchtlinge ergeben. Einzelfalldarstellungen und Statistiken machen die Folgen derDublin II-Verordnung zusätzlich anschaulich.

■ Bestellmöglichkeit auf Seite 47

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

TIEFSTAND DER ANTRAGSZAHLEN

Im Jahr 2007 erreichten die Asylantragszahlen in Deutschlandeinen neuen historischen Tiefstand. Mit 19.164 Erstanträgen istdie niedrigste Zahl seit 1977 zu verzeichnen. Daraus ist jedochnicht etwa zu schließen, dass es weniger Flüchtlinge in der Weltgibt, sondern, dass es immer weniger Menschen gelingt, die eu-ropäischen Außengrenzen zu überwinden und nach Deutschlandzu gelangen. Nachdem die Asylantragszahlen bereits von 2005auf 2006 um 27 % zurückgegangen waren, bedeutet dies für2007 einen weiteren Rückgang um ca. 9 %. Die Zahl der Asyl-erstantragsteller gibt allerdings keineswegs die der zur Antrag-stellung nach Deutschland einreisenden Personen wieder. Denn3.174 Asylanträge, also etwa jeder sechste Antrag, wurden imJahr 2007 von Amts wegen für ein neugeborenes Kind gestellt,dessen Eltern in Deutschland als Asylsuchende leben.

HÖHERE ANERKENNUNGSQUOTE

Zwar haben sich hierzulande die Chancen auf einen Schutz-status im letzten Jahr etwas verbessert, doch angesichts derniedrigen Zugangszahlen ist die Tatsache, dass die Schutzquotegestiegen ist, ein schwacher Trost. Das Bundesamt hat im ver-gangenen Jahr 28.572 Asylentscheidungen getroffen. Die Ge-samtschutzquote betrug unter Einbeziehung der Folgeanträ-ge 27,5 %. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes wurden 304(1,1 %) Anträge anerkannt, in 6.893 (24,1 %) Fällen wurde ein

Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 60 Absatz 1Aufenthaltsgesetz) gewährt, 673 (2,4 %) Mal wurde ein men-schenrechtliches Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 2, 3, 5oder 7 wegen drohender Gefahr für Leib und Leben festgestellt.

Die höheren Anerkennungsquoten sind insbesondere auf dieveränderte Entscheidungspraxis des Bundesamtes bei Irakflücht-lingen zurückzuführen, wo vor allem Angehörige der christlichen,der yezidischen und der mandäischen Minderheit bessere Aner-kennungschancen haben. Nach heftiger Kritik von PRO ASYLund einer kritischen Debatte im Bundestag hat das Bundesamtauch seine Entscheidungspraxis bezüglich Flüchtlingen aus Bir-ma geändert. Auch Eritreer sind eine Flüchtlingsgruppe mit rela-tiv hohen Anerkennungsquoten.

Die meisten Asylerstantragstellerinnen und -antragsteller kamenim vergangenen Jahr aus dem Irak (22,6 %), mehr als doppelt so viele wie in 2006. Zweitstärkstes Herkunftsland ist Serbien(10,4 %). An dritter Stelle steht wie auch im Jahr zuvor die Türkeimit 7,5 % der Anträge.

Die Zahlen der Jahre 2005 (51,1 %) und 2006 (45,5 %) zeigen,dass knapp die Hälfte aller Asylerstanträge von Minderjährigenbzw. von Amts wegen für Minderjährige gestellt wird. Dieses inder Asylerstantragstellerstatistik nicht aufgeführte Faktum be-legt, dass es in einer großen Zahl von Fällen Kinder sind, die alsvon der Verfolgung Mitbetroffene das Flüchtlingsschicksal derEltern teilen.

22 ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

ZAHLEN UND FAKTEN 2007

ENTSCHEIDUNGEN DES BUNDESAMTES 2007ÜBER 19.164 ASYLANTRÄGE

(nicht enthalten: »formelle Entscheidungen«)

menschenrechtlicher

Abschiebungsschutz 3,3 % Anerkennung 34,9 %

Ablehnung 61,8 %

Que

lle: B

AMF;

Gra

fik: P

RO

ASYL

VERHINDERTER SCHUTZ DURCH DUBLIN II

Trotz der inzwischen sehr geringen Zahl von Asylanträgen übtDeutschland starken Druck auf die europäischen Nachbarländeraus, Flüchtlinge im Rahmen der Dublin II-Zuständigkeitsverord-nung zurückzunehmen. Die Zahl der von der Bundesrepublik anandere EU-Staaten gerichteten Übernahmeersuchen (5.390)liegt inzwischen deutlich höher als die Zahl derer, die Deutsch-land im Gegenzug aus der EU erhält (3.720). Auch die Zahl dernach Übernahmeersuchen durchgeführten Überstellungen ausder EU an Deutschland nimmt seit 2005 mit jedem Jahr ab (sie-he Grafik). Die Bundesrepublik nutzt die Dublin II-Regelung, umdie Flüchtlingszahl im eigenen Land weiter zu senken – ungeach-tet der Tatsache, dass Asylsuchende in einigen EU-Staaten wie

zum Beispiel Griechenland nach der Überstellung keine men-schenrechtskonforme Behandlung zu erwarten haben. Bei übereinem Viertel aller Asylanträge (28,1%) überprüft das Bundes-amt inzwischen, ob sie nicht in einem anderen Land bearbeitetwerden können.

23ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Abschiebungen: Deutschland . /. andere EU-Staaten

Übernahmeersuchen: Deutschland . /. andere EU-Staaten

Asylantragszahlen im Verhältnis zu Dublin-Verfahren

Asylerstanträge Übernahme- Anteil derin Deutschland ersuchen an Dublin-Fälle

andere EU-Staaten in Prozent

2007 19.164 5.390 28,1 %

2006 21.029 4.996 23,8 %

2005 28.914 5.527 19,1 %

2004 35.607 6.939 19,5 %

2003 50.563 4.883 9,7 %

SCHUTZ ENTZOGEN STATT GEWÄHRT

Nach wie vor hoch ist die Zahl der Asylwiderrufe im Jahr 2007. Das Bundesamt hat13.784 Entscheidungen über Widerrufsverfahren getroffen. Insgesamt 6.025 Perso-nen wurde dadurch der Flüchtlings- oder Schutzstatus entzogen. Inzwischen scheintdas Bundesamt mehr Energien darauf zu verwenden, Flüchtlingen ihren Schutzstatuszu entziehen als zu gewähren: In den letzten fünf Jahren hat die Behörde insgesamt20.676 positive Entscheidungen getroffen und einen Schutzstatus erteilt. Im gleichenZeitraum wurde demgegenüber jedoch in 51.250 Fällen der Schutzstatus per Wider-rufsverfahren entzogen. Zum 31. Dezember 2007 lebten in Deutschland 26.540 Per-sonen, deren Asylrecht oder Flüchtlingsschutz bereits widerrufen oder entzogen wordenwar. Die meisten von ihnen, 12.843, sind serbische Staatsangehörige, 8.380 Betroffe-ne stammen aus dem Irak und 1.568 aus der Türkei.

Die relativ hohe Anerkennungsquote für irakische Flüchtlinge (knapp 75 %) belegt, dassdie jahrelang verfolgte Politik, irakischen Staatsangehörigen den Flüchtlingsschutz zuwiderrufen, unverantwortlich war. Eine Bereitschaft zur Korrektur der Fehlentscheidungin fast 20.000 Fällen aus den letzten fünf Jahren haben Bundesinnenministerium undBundesamt bislang nicht erkennen lassen (Siehe auch Seite 30).

HERKUNFTSLÄNDER VON FLÜCHTLINGEN BEISPIELE FÜR EINE BESTE-HENDE SCHUTZBEDÜRFTIG-KEIT IM SINNE DER GENFERFLÜCHTLINGSKONVENTION

■ Unter den Deutschland und die EU-Staaten erreichenden Flüchtlingen

gibt es nach wie vor viele Opfer von Ver-folgung im Sinne der Genfer Flüchtlings-konvention (GFK). Sie sind aus begrün-deter Furcht vor Verfolgung wegen ihrerRasse, Religion, Nationalität, Zugehörig-keit zu einer bestimmten sozialen Grup-pe oder wegen ihrer politischen Über-zeugung geflohen. Das einseitige Bildvon Wirtschafts- oder Armutsflüchtlingen,wurde von der EU zur Diskreditierung vonFlüchtlingen instrumentalisiert. Die Asyl-systeme der EU-Staaten, hieß es, seien

24 ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

ZAHLEN UND FAKTEN 2007

HAUPTHERKUNFTSLÄNDER 2007ASYLERSTANTRÄGE IN DEUTSCHLAND

gesamt 19.164

Indien 2,2 %

Nigeria 2,6 %

Russische Föderation 4,0 %

sonstige 35,8 %

Serbien 10,4 %

Irak 22,6 %

Libanon 3,1 %

Iran, Islam. Republik 3,3 %

Syrien, Arab. Republik 3,3 %

Vietnam 5,2 %

Türkei 7,5 %

Que

lle: B

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RO

ASYL

überbelastet von Problemen, die mit der GFK nichts zu tun hät-ten. Die politische Diskussion wurde von Anfang an nicht mitdem Ziel einer Erweiterung des Kreises der möglicherweiseSchutzbedürftigen und in Richtung auf die Schaffung hierfürtauglicher Instrumente geführt, sondern ist als der Versuch zuverstehen, sich der GFK und der daraus resultierenden Verpflich-tungen zu entledigen.

BEISPIEL AFGHANISTAN:

■ Der »Krieg gegen den Terror« hat Afghanistan bisher wederFrieden noch Demokratie gebracht. In weiten Landesteilenherrscht wieder offener Krieg. Lokale Kommandeure werden fürzahllose Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.Die mit ihnen konkurrierende Regierung, eine machtlose undkorrumpierte Justiz sowie die häufig selbst für Menschenrechts-verletzungen verantwortliche Polizei der Zentralregierung bietenkeinen wirksamen Schutz. Gewalt gegen Frauen wird nach wievor von weiten Teilen der Gesellschaft toleriert und angewandt,auch wenn Mädchen inzwischen einen besseren Zugang zu Bil-dung haben. Millionen Afghanen sind in den letzten Jahren insAusland geflohen. Viele erhielten einen Flüchtlingsstatus. Nach-dem die Nachbarstaaten afghanische Flüchtlinge mit Repressio-

nen zur Rückkehr gezwungen haben, wollen auch EU-Staaten siezunehmend abschieben.

BEISPIEL SOMALIA:

Das Land zerfällt in umkämpfte Machtbereiche von Clans undWarlords. Relative Ruhe zwischen den Phasen des Bürgerkrie-ges beschränkt sich auf einige Landesteile und wird regelmäßigabgelöst durch Kampfhandlungen. Die Installation einer Über-gangsregierung für Gesamtsomalia ist gescheitert. Nach der Er-oberung der Hauptstadt Mogadischu durch die Union islami-scher Gerichte im Jahr 2006 marschierte die äthiopische Armeein Somalia ein. Die heftig aufflammenden Kämpfe trieben er-neut Hunderttausende in die Flucht. Die Zahl der Binnenflücht-linge wird auf mehr als eine Million geschätzt. Allein in Kenia hal-ten sich seit Jahren Hunderttausende somalischer Flüchtlingeauf. Immer wieder ertrinken Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegs-land, wenn überfüllte Boote, mit denen sie die Küste Jemens er-reichen wollen, im Golf von Aden kentern.

BEISPIEL ERITREA:

■ Das 1991 unabhängig gewordene Eritrea befindet sich in ei-ner politischen und wirtschaftlichen Dauerkrise, die durch densinnlosen Grenzkrieg mit Äthiopien 1998 bis 2000 verschärftwurde. Die aus der Befreiungsbewegung EPLF hervorgegange-nen Kader haben sich als totalitäres Regime in einer durchmili-tarisierten Gesellschaft etabliert. Gegen jede interne Oppositionwird brutal vorgegangen. Die Verfolgung trifft auch Religionsge-meinschaften, die für nicht linientreu gehalten werden. Brutalgeht der Staat gegen Menschen vor, die aus der Armee oderdem sogenannten Sozialdienst desertieren. Eritreische Flücht-linge waren in den vergangenen Jahren in großer Zahl unter den»boat people«, die versuchten, über Libyen Italien oder Malta zuerreichen. Nach der Abschiebung von ca. 200 Flüchtlingen ausMalta wurden viele gefoltert.

BEISPIEL DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO:

■ Die Zentralregierung hat seit langem ihre Macht in großen Tei-len des Landes eingebüßt. Während Infrastruktur, Verwaltungund Wirtschaft des Landes am Boden liegen, gelingt es bewaff-neten Gruppen, die von den Nachbarstaaten unterstützt werden,insbesondere im rohstoffreichen Osten Machtbereiche zu hal-ten. Bewaffnete Gruppen werden aus Mitteln alimentiert, dieaus der Vermarktung der Rohstoffe in Zusammenarbeit mit inter-nationalen Konzernen stammen. Von 1998 bis heute sind nachSchätzungen etwa 4 Millionen Menschen bei gewaltsamen Aus-

25ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

HERKUNFTSLÄNDER V0N FLÜCHTLINGEN

einandersetzungen getötet worden. Die DR Kongo gilt als zerfal-lender Staat, in dem die Menschenrechte nicht geachtet wer-den. Die meisten Flüchtlinge leben als Binnenvertriebene inner-halb des Landes oder in den Nachbarstaaten.

BEISPIEL TUNESIEN:

■ Auch wenn Touristen wenig davon mitbekommen: PolitischeRepression ist in Tunesien an der Tagesordnung. Menschen wer-den unter der Beschuldigung, Islamisten zu sein, teilweise vieleJahre lang in Isolationshaft gehalten. Auch gewaltlose politischeGefangene werden nach unfairen Gerichtsverfahren über Jahrehinweg in Haft gehalten. Nichtregierungsorganisationen werdenan der Arbeit gehindert und drangsaliert. Kritische Journalisten

werden eingeschüchtert. Die säkularen Bekleidungsvorschriftenwerden mit Drangsalierung gegen Frauen durchgesetzt. Flücht-linge aus Tunesien befinden sich immer wieder unter den Boots-flüchtlingen, die nach Italien zu gelangen versuchen. Die EU-Staaten, insbesondere Italien, kooperieren mit Tunesien seitlangem bei der Aufrüstung des Grenzschutzes. Tunesien unter-hält Abschiebehaftzentren, deren Lage zum Teil nicht bekanntist.

BEISPIEL IRAK:

■ Jeder achte Iraker ist auf der Flucht. Mehr als zwei MillionenMenschen leben als Flüchtlinge in den Nachbarstaaten, geflo-hen vor Gewalt, Bombenanschlägen, aber auch systematischerVerfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen/reli-giösen Minderheit. Ebenso viele Menschen leben im Irak alsBinnenvertriebene unter denkbar schwierigsten Umständen.UNHCR konstatiert inzwischen eine Hinwendung großer Teile derBevölkerung zu streng islamischen Werten, was insbesonderedie Lage der Frauen verschlechtert hat. Zwei Drittel der Bevölke-rung sind auf Lebensmittelrationen angewiesen. Aber auch fürdiejenigen, die seit längerer Zeit in den Nachbarstaaten unterge-kommen sind, wird die Situation immer schwieriger. Ihre Mittelsind häufig aufgebraucht und die meisten können weder auf so-ziale Unterstützung noch einen festen Aufenthaltsstatus zählen.

BEISPIEL ÄTHIOPIEN:

■ Äthiopien, eines der ärmsten Länder der Welt, führt Krieg anverschiedenen Fronten. Mit dem Einmarsch in Somalia hat dieäthiopische Armee die Lage nochmals verschärft. Der Grenzkon-flikt Eritrea schwelt weiter – mit der Gefahr zu eskalieren. Men-schen fliehen aus Äthiopien vor den Folgen jahrelanger Misswirt-schaft und Kriegen. Viele haben erlebt, wie das Regime nachden Wahlen im Mai 2005 gegen die Opposition vorging: durchEinschüchterung, Entlassung aus Jobs, mit willkürlicher Fest-nahme und in einigen Fällen mit Mord.

26

HERKUNFTSLÄNDER V0N FLÜCHTLINGEN

ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

Schweden (1)Frankreich (2)

Vereinigtes Königreich (3)Griechenland (4)Deutschland (5)

Italien (6)Österreich (7)

Belgien (8)Schweiz (9)

Spanien (10)Polen (11)

Niederlande (12)Zypern (13)

Norwegen (14)Irland (15)

Ungarn (16)Slowakische Rep. (17)

Dänemark (18)Tschechische Rep. (19)

Finnland (20)Malta (21)

Bulgarien (22)Rumänien (23)Slowenien (24)

Luxemburg (25)Portugal (26)Litauen (27)

Island (28)Lettland (29)Estland (30)

ASYLBEWERBERZUGÄNGE IM VERGLEICH IN AUSGEWÄHLTEN EUROPÄISCHEN STAATEN 2007

36.20735.207

27.90325.113

19.16414.050

11.87911.11510.387

7.4777.1167.1026.7896.508

3.9853.4192.6432.2261.8781.5051.379975659427426

22311642349

Quelle: IGC, UNHCR, nat; Grafik: PRO ASYL

■ Am 9. November 2007 erhielt der Unterstützerkreis derFamilie Makitu aus Husum vom Flüchtlingsrat Schleswig-

Holstein den »Leuchtturm des Nordens«, eine Auszeichnung fürantirassistisches Engagement.

Familie Makitu sollte in die Demokratische Republik Kongo ab-geschoben werden. In ein Land, in das zur gleichen Zeit Bundes-wehrtruppen geschickt werden sollten. Vor elf Jahren kam Kisi-ta Makitu als Kriegsflüchtling aus dem Kongo nach Deutsch-land. Seine Ehefrau Antoinette kam aus Ruanda, ihre Familiewar bei einem Massaker ermordet worden. Der gemeinsameSohn Jeremy wurde in Husum geboren. Herr Makitu war siebenJahre lang erwerbstätig, als die zuständige Ausländerbehördeihm im Jahr 2006 die Arbeitserlaubnis entzog und die Familiezur Ausreise in die D.R. Kongo aufforderte.

Eine engagierte Husumer Jugendinitiative nahm sich des Schick-sals der Familie Makitu an. Sie haben mit ihrer Empörung überdie Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit viele andere aufgerüt-telt und mobilisiert. Über eine engagierte Öffentlichkeitsarbeitund mit Hilfe der Härtefallkommission haben sie schließlich er-reicht, dass die Familie in Deutschland bleiben darf.

■ »Wir alle zusammen haben es geschafft, dass die Familie Makitudas Menschenrecht des Asyls in unserem Land endlich wahrnehmenkann. Wir freuen uns darüber, dass wir ein Zeichen dafür setzenkonnten, dass man sich niemals abfinden darf mit der Ungerechtig-keit und Unmenschlichkeit, die auch unsere Gesetzgebung in sichträgt. Auch wenn uns das während unserer Arbeit nicht bewusstwar, haben wir gezeigt, dass man trotz allem mit Solidarität, ge-sundem Menschenverstand und einer passenden Portion Mut anden richtigen Stellen viel erreichen kann.« ■

(aus der Rede des Unterstützerkreises)

27FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

■ Das Bundesamt für Migration undFlüchtlinge hat auf Betreiben von

PRO ASYL einen Großteil seiner internenDienstanweisungen über Asylverfahrenherausgegeben. PRO ASYL hatte dasBundesamt vor dem VerwaltungsgerichtAnsbach unter Berufung auf das Informa-tionsfreiheitsgesetz verklagt und die Her-ausgabe der Dienstanweisungen sowieder Herkunftsländerleitsätze verlangt.

In der Gerichtsverhandlung am 22. Janu-ar 2008 lenkte das Bundesamt teilwei-se ein: Die im Asylbereich eingesetztenDienstanweisungen, die bisher als Ver-

schlusssache eingestuft waren, wurdenPRO ASYL übergeben. Die Sammlung um-fasst rund 300 Seiten und ist unterwww.proasyl.de zugänglich. Darunter fin-den sich zum Beispiel 54 Seiten zur Aus-gestaltung des Dublin-Verfahrens sowiedie Anweisung, wie eine Anhörung durch-zuführen ist. Neu ist etwa die Erkennt-nis, dass der Vortrag des Asylbewerbersdurch Zeugenvernehmungen in der An-hörung untermauert werden kann. Dieswurde in der Praxis bisher von Bundes-amtsseite verhindert. Nun können sichFlüchtlinge auf die Dienstanweisung be-rufen.

Neben den Dienstanweisungen hattePRO ASYL auch die »Herkunftsländerleit-sätze« herausverlangt, die für die Asyl-sachbearbeiter als Leitlinie für die Fragedienen, ob in einem bestimmten Her-kunftsland Verfolgung droht. Diese Leit-sätze wurden PRO ASYL komplett verwei-gert. Das Verwaltungsgericht Ansbachhat diese Geheimhaltungspolitik nun erst-instanzlich abgesegnet. PRO ASYL undder Deutsche Anwaltverein, der ebenfallseine Klage eingereicht hatte, haben ge-gen das Urteil Berufung eingelegt. ■

Klage von PRO ASYL gegen das Bundesamt auf mehr Transparenz

Preis für flüchtlingssolidarische Aktivitäten – Der »Leuchtturm des Nordens«

Timmo Scherenberg

DIE KAMPAGNE

Dem Beschluss der Innenminister – undder später folgenden gesetzlichen Rege-lung – war eine lange Kampagne für einBleiberecht vorausgegangen, die feder-führend von Flüchtlingsorganisationen,Wohlfahrtsverbänden und den Kirchen in-itiiert worden war. Man kann guten Ge-wissens behaupten, dass es ohne dieseKampagne wohl bis heute keine Bleibe-rechtsregelung gegeben hätte. Es ist ge-lungen, auch über den Kreis der »übli-chen Verdächtigen« hinaus viele Men-schen für das Thema zu gewinnen. DiePolitik konnte nicht mehr länger über dieSituation der Langzeitgeduldeten hinweg-sehen, als Schulklassen, Sportvereine,Dorfgemeinschaften auf die Straße gin-gen und sich quer durch die RepublikKommunalparlamente für ein Bleiberechtaussprachen. Dieser »Druck von unten«setzte sich über die politischen Entschei-dungsträger vor Ort bis auf die Landes-und Bundesebene fort.

Sicher entspricht das Ergebnis nicht un-bedingt den ursprünglichen Forderungen,doch dass es überhaupt eine Regelunggibt und dadurch einige zehntausendMenschen einen relativ sicheren Aufent-haltsstatus bekommen werden, ist alsErfolg zu werten.

Es erhalten jedoch letztlich nur diejeni-gen, die Arbeit haben, auf Dauer aucheine Aufenthaltserlaubnis (AE). Geradedie besonders Schutzbedürftigen, Alte,Kranke und arbeitsunfähige Personenbleiben von der Regelung ausgeschlos-sen. Es ist zudem wieder nur eine Stich-tagsregelung, d.h. wer diese auch nur um einen Tag nicht erfüllt, fällt raus. DieKettenduldungen werden also erhaltenbleiben, aus dem Kessel wird nur etwasDruck abgelassen.

DER BESCHLUSS UND DIE UMSETZUNG

Der Bleiberechtsbeschluss der IMK sahim Groben vor, dass Einzelpersonen achtJahre und Familien mit Kindern sechsJahre Aufenthalt in Deutschland vor-weisen mussten, ihren Lebensunterhaltselbst sichern konnten und integriert wa-ren, was vor allem an Sprachkenntnissengemessen wurde. Ausgeschlossen wer-den sollten diejenigen, die über ihre Iden-tität getäuscht oder ihre Abschiebung ver-hindert hatten oder die zu einer Strafevon mehr als 50 Tagessätzen (90 für aus-länderrechtliche Straftaten wie Residenz-pflichtverletzungen) verurteilt worden wa-ren. Wer den Lebensunterhalt noch nichtgesichert hatte, erhielt eine Duldung zur Arbeitssuche bis zum 30. September2007. Die gesetzliche Regelung beinhal-tet in etwa die gleichen Kriterien, einzigeErleichterung: Die Betroffenen erhaltenjetzt eine AE, um damit bis spätestens

Ende 2009 Arbeit zu finden und ihrenLebensunterhalt zu sichern. Soweit zurTheorie.

In der Praxis kochte jeder Länderinnen-minister sein eigenes Süppchen, denndie konkrete Umsetzung der recht allge-mein gehaltenen Regelung lag in der Ent-scheidungshoheit der Bundesländer. Beider gesetzlichen Bleiberechtsregelung istdies übrigens nicht viel anders. Ob je-mand ein Bleiberecht bekommt oder nicht, hing demnach unter anderem da-von ab, in welches Bundesland er vor Jah-ren umverteilt worden war. Wie liberal dieRegelung in den jeweiligen Bundesländernausgelegt wurde, lag dabei erstaunlicher-weise quer zu den Parteibüchern der In-nenminister. So wiesen die in der Auslän-derpolitik als eher restriktiv bekanntenBundesländer Bayern oder Hessen sehrviel großzügigere Auslegungen auf alsz.B. Berlin oder Schleswig-Holstein. Alsgrößte Probleme bei der Umsetzung er-wiesen sich die Fragen der Passbeschaf-fung und der Mitwirkungspflicht. Hier botsich den Behörden jedoch auch der größ-te Ermessensspielraum. So reicht dieSpanne im Verhältnis der Ablehnungenzu den erteilten AE nach der im Novem-ber veröffentlichten abschließenden Sta-tistik des IMK-Bleiberechts von eins zueins (etwa so viele AE wie Ablehnungen)in Bremen, Hamburg oder Berlin bis zufünf zu eins in Bayern oder Hessen. Einweiteres Problem stellt die Bearbeitungs-dauer der Anträge dar: Über bundesweit

28 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Am 17. November 2006 wurde

auf der Innenministerkonferenz

(IMK) in Nürnberg die Bleiberechts-

regelung für langjährig geduldete

Flüchtlinge beschlossen.

Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.

Was ist geblieben vom Bleiberecht?

Was ist geblieben vom Bleiberecht?

29

fast 20.000 Anträge nach IMK-Beschlusswar zum Ende der Regelung noch nichteinmal entschieden worden. Zwar gibt esjetzt für den Großteil der Betroffenennoch eine zweite Chance durch das ge-setzliche Bleiberecht, doch denjenigen,die durch die leicht veränderten Kriteriennicht mehr unter die gesetzliche Rege-lung fallen, bringt das herzlich wenig. Undauch die ersten Erfahrungen mit der ge-setzlichen Bleiberechtsregelung sind eherernüchternd. In den ersten vier Monatenwurden lediglich gut 11.000 AE erteilt –und gerade die Länder, die schon bei derIMK-Regelung schlechte Bilanzen vorwie-sen, tun dies auch jetzt wieder. Hamburgz.B. hat erst 12 % der gestellten Anträgepositiv beschieden, jedoch schon 15 %abgelehnt – und drei Viertel der Anträgenoch nicht bearbeitet.

AUSBLICK

Durch IMK- und gesetzliche Regelungzusammen haben bis Ende 2007 etwa30.000 Geduldete eine AE erhalten.

Wenn alle Anträge bearbeitet sind,werden vielleicht noch einmal 10.000

hinzukommen. Dies entspricht knapp ei-nem Viertel der Geduldeten, die zum Zeit-punkt der Verabschiedung der Regelun-gen in Deutschland lebten – weit weniger,als es die Versprechungen der Politikererwarten ließen. Den Verbliebenen wirdder Wind jetzt noch ein wenig härter insGesicht blasen, denn mit Verabschie-dung des Bleiberechts postulierten dieInnenminister auch, diejenigen verstärktabschieben zu wollen, die kein Bleibe-

recht erhalten. Zudem wird sich erst Ende2009, wenn die Verlängerung der AE an-steht, zeigen, wie vielen Menschen dieseRegelung tatsächlich langfristig geholfenhat. Doch da die Kettenduldungen immernoch nicht abgeschafft sind, könnte diesauch der richtige Zeitpunkt sein, um aufsNeue eine Kampagne zu starten – füreine Regelung, die den unwürdigen Sta-tus der Duldung endgültig der Vergangen-heit angehören lässt. ■

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

»Abgefertigt« – eine Installation von Kurt Fleckenstein unter Mitwirkung von »Jugend ohne Grenzen (JOG)« und der Aktion »Hier geblieben!« zur Innenministerkonferenz am 31 . Mai 2007 auf dem Pariser Platz in Berlin. Die Aktion richtete sich gegen die Verschärfung der Abschiebepraxis.

SIE BLEIBEN: YILDIZ KURTER UND IHRE FAMILIE – EIN ERFOLG DER BLEIBERECHTSKAMPAGNE

■ Nach 15 Jahren hat Familie Kurter endlich ein Bleiberecht bekommen. Es warein langer Weg für die christlich-aramäische Familie aus der Türkei. Im Asylver-

fahren abgelehnt verbrachte sie lange Jahre in zermürbender Ungewissheit und Angstvor der Abschiebung.

Ungeachtet dessen fassten die Kinder in Deutschland schnell Fuß. ErfolgreicherSchulbesuch, Ausbildung oder Studium, hervorragende Deutschkenntnisse – vorbild-liche Integration. Trotzdem sah es auch nach der Bleiberechtsregelung zunächst soaus, dass nur zwei der erwachsenen Kinder eine Aufenthaltserlaubnis bekommensollten. Den Kindern, die noch zur Schule gingen und die somit noch nicht ihren Le-bensunterhalt sichern konnten, sowie der alleinerziehenden Mutter drohte nach wievor die Abschiebung.

Die hartnäckigen Bemühungen der Familienmitglieder und ihrer Unterstützer führtenschließlich doch noch zum Erfolg – und damit zum Bleiberecht. Seit Anfang diesenJahres haben alle Familienmitglieder eine Aufenthaltserlaubnis. Tochter Sari darf nunwie ihre ältere Schwester Meryem ihre Ausbildung zur Krankenschwester zu Ende ma-chen. Sohn Daniyel wird Altenpfleger und die 23- jährige Yildiz kann sich mit ihremStudium voraussichtlich bald ihren Herzenswunsch erfüllen, Lehrerin zu werden. ■

Marei Pelzer

■ War da was? Das Bundesamt tutso, als sei nichts gewesen und

plant die Einleitung von 40.000 Wider-rufsverfahren. Laut Gesetz hat das Bun-desamt bis Ende 2008 Zeit, um unter al-len jemals in Deutschland anerkanntenFlüchtlingen diejenigen herauszusuchen,bei denen der Flüchtlingsstatus widerru-fen werden soll. Prinzipiell kommen dafürrund 250.000 Personen in Betracht. Dasist die Zahl der Menschen, die als aner-kannte Flüchtlinge in Deutschland leben.Da jedoch bei alten Verfahren keine Aktenmehr vorhanden sind, hat das Bundes-amt die Fälle, in denen die Anerkennungvor dem 1. Januar 1995 erfolgte, von derWiderrufsaktion ausgenommen (etwa150.000). Außerdem soll bei den Perso-nen kein Widerruf eingeleitet werden, beidenen der Verlust des Flüchtlingsstatuskeine aufenthaltsrechtlichen Konsequen-zen haben würde. Vor allem Personen miteiner Niederlassungserlaubnis dürftenalso sicher sein. Insgesamt ist die Zahlder avisierten Widerrufe dennoch sehrhoch. Nach ersten internen Rechnungensoll dies bis zu 40.000 Flüchtlinge betref-fen. Der von PRO ASYL vor einigen Jahrenerhobene Vorwurf, das Bundesamt habesich mit dem Massenwiderruf eine riesi-ges Arbeitsbeschaffungsprogramm aus-gedacht, hat sich in der Praxis – leider –voll und ganz bestätigt.

Es könnte alles nach Plan verlaufen, hät-te nicht das Bundesverwaltungsgerichtam 7. Februar 2008 einen Beschluss ge-fällt und die Frage, ob die Widerrufsver-fahren rechtmäßig sind, dem Europäi-schen Gerichtshof vorgelegt. Die Richterin Luxemburg sollen klären, unter wel-chen Voraussetzungen eine Flüchtlings-anerkennung wieder entzogen werdendarf. Nach der deutschen Praxis wirdbisher lediglich vorausgesetzt, dass dieursprünglichen Verfolgungsgründe weg-gefallen sind und keine neuen Verfol-gungsgefahren entstanden sind. UNHCRerhebt seit längerem den Vorwurf, dassdie deutsche Praxis gegen die GenferFlüchtlingskonvention verstößt. Das Bun-desverwaltungsgericht fragt nun, ob nachArtikel 11 der EU-Qualifikationsrichtlinieweitergehende Voraussetzungen vorlie-gen müssen, wie es der UNHCR fordert.Dies könnten beispielsweise eine allge-meine ausreichend stabile Sicherheitsla-ge oder »eine prinzipiell schutzmächtigeHerrschaftsgewalt im Heimatstaat« sein.Außerdem will das Bundesverwaltungs-gericht wissen, ob bei der Prüfung, inwie-fern eine (neue) Gefährdung des Flücht-

lings im Herkunftsland zu erwarten ist,weniger strenge Beweismaßstäbe als imAsylverfahren gelten.

Relevant sind die dem EuGH vorgelegtenFragen etwa für Flüchtlinge aus dem Irak.20.000 irakischen Flüchtlingen wurde derStatus entzogen, weil angeblich mit demWegfall des Saddam Hussein Regimeskeine Verfolgung mehr drohe. Nicht be-achtet wurde, dass der Irak weit entferntdavon war und ist, seinen Bürgern Schutzvor allgemeinen Gefahren zu bieten. Zwarhat das Bundesamt im Jahr 2007 dieWiderrufe gegenüber Minderheiten ausdem Zentralirak gestoppt und auch dieAnerkennungen deutlich erhöht. Allerdingsstehen nach wie vor tausende Iraker aufder Widerrufsliste des BAMF. Relevantwird die EuGH-Entscheidung auch fürFlüchtlinge aus Afghanistan oder auchder Türkei sein.

Bis der EuGH ein Urteil spricht, könnenmehrere Jahre verstreichen. Das Bundes-verwaltungsgericht hat in dem ihm vor-liegenden Fall das Revisionsverfahrenausgesetzt. Daraus folgt, dass auch alleanderen Widerrufsverfahren, für die dievorgelegten Fragen relevant sind, ausge-setzt werden müssen. Sowohl das Bun-desamt als auch die Verwaltungsgerichtedürfen über Widerrufe nicht mehr ent-scheiden, solange nicht klar ist, welchereuroparechtliche Maßstab anzuwendenist. ■

30 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Verstößt die deutsche Widerrufs- praxis gegen Europarecht?

WÄHREND DAS BUNDESAMT

40.000 WIDERRUFSVER-

FAHREN PLANT, PRÜFT DER

EUROPÄISCHE GERICHTSHOF

(EUGH) DIE VEREINBARKEIT

MIT DER EU-QUALIFIKATIONS-

RICHTLINIE.

■ Der kirchliche Flüchtlingsdienstübt Kritik am Umgang mit unbeglei-

teten minderjährigen Flüchtlingen, denenam Frankfurter Flughafen die Einreiseverweigert wird. Sie werden in Gewahr-sam genommen und müssen das soge-nannte Flughafenverfahren durchlaufen.Dieses beschleunigte Asylverfahren fin-det im Transitbereich des Flughafensstatt. Nach der Gesetzesverschärfung imJahr 2007 dient die Flughafenunterkunftauch als Abschiebungshaftanstalt.

Sie arbeiten seit vielen Jahren für den kirch-lichen Flughafensozialdienst am FrankfurterFlughafen. Wie hat sich die Situation deruntergebrachten Minderjährigen im Flugha-fenverfahren in jüngster Zeit entwickelt?Obwohl wir seit Jahren darauf hinweisen,dass die Unterbringung am FrankfurterFlughafen für Minderjährige nicht geeig-net ist, sind die Zahlen der untergebrach-ten Minderjährigen konstant hoch geblie-ben, im Verhältnis zur Gesamtzahl sogartendenziell angestiegen. In den letztenfünf Jahren waren hier 400 Minderjährigeuntergebracht. In mehr als 50 % der Fällewaren sie jünger als 16 Jahre. Seit gut ei-nem Jahr stellen wir fest, dass in Einzel-fällen sogar unter 14-Jährige im Flugha-fentransit länger als vorher festgehaltenwerden. Dies ist eine Verschärfung derPraxis, die 1999 eigentlich als überwun-den galt.

Warum halten Sie die Unterbringung derMinderjährigen im Flughafentransit fürfalsch?Die Unterkunft ist für Minderjährigeschlicht nicht geeignet. Die Kinder undJugendlichen werden weder ausreichendpädagogisch betreut noch können sie zurSchule gehen oder die staatliche Unter-stützung erhalten, die ihnen als Min-derjährigen zustehen würde. Sie werden

zusammen mit Erwachsenen unterge-bracht. Hinzu kommt, dass seit Augustletzten Jahres die Unterkunft als Abschie-bungsgewahrsam für abgelehnte Asyl-bewerber fungiert. So gesehen befindensich die Jugendlichen in einer Haftan-stalt. Im letzten Jahr wurde bei einem 15-jährigen Jugendlichen aus Ghana für dreiMonate Haft angeordnet. Mit dem Kin-deswohl ist dies nicht vereinbar.

Welchen Einfluss haben die Asylrichtliniender EU auf die Problematik?Die EU-Richtlinie für die Aufnahmebedin-gungen sieht einige Standards vor, dieam Frankfurter Flughafen missachtet wer-den. Jugendliche und Kinder, die jüngerals 16 Jahre sind, dürfen zum Beispielnicht in einer Einrichtung für Erwachseneuntergebracht werden. Sie sollen vorran-gig bei Verwandten, Pflegefamilien oderspeziellen Einrichtungen für Minderjähri-ge untergebracht werden. Außerdem ha-ben Minderjährige nach der Richtlinie ei-nen Anspruch auf Zugang zum Bildungs-system. Der Schulbesuch darf nicht län-

ger als drei Monate nach Asylantragsstel-lung verweigert werden. In der Praxis hat-te dies leider noch keine Konsequenzen.Rechtlich gesehen ist das aber nicht hin-nehmbar.

Und was ist mit den über 16-Jährigen –dürfen sie wie Erwachsene behandelt wer-den?Auch sie haben ein Recht auf Schulunter-richt. Die Unterbringung im Flughafentran-sit unterschreitet die Standards der mei-sten anderen Länder der EU. Die Kom-mission hat in ihrem Bericht über dieUmsetzung der Aufnahmerichtlinie fest-gestellt, dass nur drei Mitgliedstaatender Union – Deutschland, Schweden undPortugal – Über-16-Jährige in Erwachse-neneinrichtungen unterbringen.

Ich denke, dass Deutschland nicht längerSchlusslicht in der EU bei der Beachtungdes Kindeswohls sein darf. Kinder undJugendliche müssen raus aus dem Flug-hafentransit und ihren Bedürfnissen ent-sprechend behandelt werden. ■

31FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

»Deutschland ist Schlusslicht in der EUbei der Beachtung des Kindeswohls«Interview von Marei Pelzer mit Javad Adineh vom kirchlichen Flüchtlings-dienst am Frankfurter Flughafen

Innenhof der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen

Andrea Kothen

■ Ehe und Familie sind ein hohes Gut.Ihr Schutz ist in der Allgemeinen

Erklärung der Menschenrechte, der Euro-päischen Menschenrechtskonvention unddem deutschen Grundgesetz verankert.Sind Ehegatten oder Eltern von ihren Kin-dern getrennt, sieht das Aufenthaltsge-setz für die Angehörigen im Ausland dieMöglichkeit des Familiennachzugs nachDeutschland vor. Dieses Recht gilt abernicht für alle. Im Paragrafendickicht desGesetzes wird – abgestuft nach Staatsan-gehörigkeit, Aufenthaltsstatus und sozia-len Voraussetzungen – streng unterschie-den, wer mit seiner Familie in Deutschlandzusammenleben darf und wer nicht. Dabeilaufen selbst anerkannte Flüchtlinge, diezu den beim Familiennachzug privilegier-ten Gruppen gehören, Gefahr, am Kleinge-druckten zu scheitern.

Seine Mutter und Geschwister werden

von den eritreischen Behörden entdeckt

und inhaftiert. Der 17- jährige Adal schafft

die Flucht aus Eritrea in den Sudan al-

lein. Im Mai 2007 beantragt der Junge

ein Visum für den Familiennachzug zu

seinem Vater in Deutschland. Auch im

elenden sudanesischen Flüchtlingslager

fürchtet Adal die Schergen des eritrei-

schen Regimes.

Adals Vater, in Deutschland anerkann-

ter Flüchtling, hat im Krieg einen Unter-

schenkel verloren. Trotz seiner schwe-

ren Behinderung arbeitet er und verdient

rund 600 Euro monatlich – zu wenig, um

von Sozialleistungen völlig unabhängig

zu sein. Nur in den ersten drei Monaten

nach der Anerkennung hat ein Flüchtling,

der Sozialhilfe bezieht, einen Rechtsan-

spruch auf Familiennachzug. Adal wird

die Erlaubnis, zu seinem Vater zu ziehen,

verweigert.

Tücken im Gesetz und restriktive Ausle-gungen durch die Behörden machen denFamiliennachzug in vielen Fällen zu einerlangwierigen und bürokratischen Angele-genheit.

TROTZ SCHUTZBEDÜRFTIGKEITKINDERNACHZUG VERWEIGERT

Zu Fuß auf der Flucht, kann die hoch-

schwangere Eritreerin Lucia B. 2004 nur

den älteren ihrer beiden Söhne mitneh-

men. Der Zweijährige A. muss in der Obhut

der Großmutter zurückbleiben. Im Sudan

findet B. ihren ebenfalls geflohenen Ehe-

mann wieder, gemeinsam gelingt ihnen

die Weiterflucht nach Malta. Die Eheleute

werden als Flüchtlinge anerkannt und an-

schließend von der Bundesrepublik aufge-

nommen. Endlich in Sicherheit, beantragt

Lucia B. 2007 für den mittlerweile fünf-

jährigen A. den Familiennachzug. Die Aus-

länderbehörde lehnt eine Zustimmung

ab. Der Grund: Die Eltern B. wurden zwar

als Flüchtlinge anerkannt, aber nicht in

Deutschland. Hier haben sie mit § 22 Auf-

enthG ein gesichertes Aufenthaltsrecht,

aber eben keinen Flüchtlingsstatus. Für

sie sieht das Gesetz hohe Hürden beim

Familiennachzug vor. Die Eltern B. sollen

vor dem Nachzug ihres Kindes ein gesi-

chertes Einkommen nachweisen.

Trotz nachgewiesener Schutzbedürftigkeitkein Recht auf Familiennachzug – das giltauch für Menschen, die wegen Gefahr für Leib und Leben, drohender Folter oder menschenrechtswidriger Behand-lung ein Aufenthaltsrecht erhalten (§ 25III AufenthG). Die legale Einreise ihrer An-gehörigen wird oft nicht ermöglicht. Einedeutliche Absage ans Familienleben trifftdiejenigen, die aus humanitären Grün-den oder auf Grundlage der Bleiberechts-regelung ein Aufenthaltsrecht erhalten (§ 25 V, § 23 I, § 104a Nr. 1 S. 1 und § 104 b AufenthG). Ihnen wird ein Famili-ennachzug laut Gesetz schlicht »nicht ge-währt«.

Eine gesetzliche Neuerung trifft sogarDeutsche: Seit August 2007 müssen aus-ländische Ehepartner, die über den Fa-miliennachzug nach Deutschland kom-men wollen, mindestens 18 Jahre altsein und deutsche Sprachkenntnissenachweisen, in der Regel durch einenTest beim Goethe-Institut. Davon aus-genommen sind reiche Unternehmer, An-gehörige bestimmter Staaten, Hochgebil-dete mit »erkennbar geringem Integra-tionsbedarf« und unter Umständen auchanerkannte Flüchtlinge – sofern sie nichtschon eingebürgert sind:

32 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Artikel 16 Nr. 3 AEMR

Die Familie ist die natürlicheGrundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutzdurch Gesellschaft und Staat.

Familiennachzug für Besserverdienende

Familiennachzug für Besserverdienende

33

Die Iranerin P. möchte zu ihrem in

Deutschland als Flüchtling anerkannten

und inzwischen eingebürgerten Mann zie-

hen. Um das Visum zu erhalten, muss sie

zunächst eine Deutschprüfung in Teheran

ablegen. Deutschkurse gibt es an ihrem

Wohnort nicht. Mit Hilfe eines Internet-

programms versucht P. monatelang, eigen-

ständig Deutsch zu lernen. Teheran ist

800 km entfernt, die Reise ist teuer und

der Test schwierig: Sie fällt durch.

Nur 40 -50 Prozent der Geprüften beste-hen den obligatorischen Test, bilanziertdas Goethe-Institut laut »FR-online« vom17.1.2008. Insbesondere Frauen ausländlichen Gebieten, wo es kein Sprach-kursangebot gibt, verfügen oft wederüber die Mittel noch über eine entspre-chende Vorbildung, um vor Ort Deutschzu lernen. Eine Reise oder gar der Umzugin die Nähe des Goethe-Instituts beraubtdie Betroffenen nicht selten ihrer Ver-dienstmöglichkeit. Hinzu kommen unterUmständen politische Probleme:

Um seinen Deutschkurs zu absolvieren,

muss der Kenianer H. im Januar 2008

rund 450 km nach Nairobi reisen und

eine zusätzliche Wohnung anmieten. Auf-

grund der Unruhen in der Hauptstadt wird

der Deutschkurs verschoben. Die Sicher-

heitslage ist fragil, eine Alternative hat H.

aber nicht.

Rund 700 Euro beträgt die Kursgebühr inAnkara, 450 Euro in Belgrad. Dabei liegtder Durchschnittslohn in Serbien monat-lich bei 200 -250 Euro, so Bastian Wredevom Flüchtlingsrat Niedersachsen. »Uman den empfohlenen Kursen teilzuneh-

men, benötigt man ein Jahr. Vorausge-setzt, es bestehen keine Konflikte zwi-schen Kurszeit und Arbeitszeit, dann istman auf teuren Privatunterricht angewie-sen.«

Mit dem obligatorischen Deutschtestverfolge die Bundesregierung »einen prä-ventiven Ansatz zur Verhinderung vonZwangsverheiratungen« (BT-Drucksache16/8121) – eine Maßnahme zum Opfer-schutz also? Zweifel sind angebracht.Denn die aufenthaltsrechtliche Stärkungvon zwangsverheirateten Frauen, wie sieSachverständige und sogar der Bundes-rat gefordert haben, findet sich nicht im Konzept der Bundesregierung. Gegen-über den Betroffenen argumentiert manmit Integration: »Die Neuregelung wird zueiner schnelleren und besseren Integra-

tion der Antragsteller in das deutsche All-tagsleben beitragen« steht zum Beispielauf dem Merkblatt der deutschen Bot-schaft in Pristina. Die freundliche Einla-dung unterschlägt, dass zunächst derUmzug zur Familie auf eine kostspieligeund quälend lange Bank geschoben, viel-fach sogar verunmöglicht wird.

Zum Inkrafttreten des Richtlinienumset-zungsgesetzes Ende August 2007 ist dieZahl der erteilten Visa für den Ehegatten-nachzug abgestürzt, der Rückgang be-trug mehr als 50 %, aus der Türkei sogarzwei Drittel. Rechtsanwälte und Expertenbeurteilen die Regelung als »klar verfas-sungswidrig«, erste Klagen laufen vor demVerwaltungsgericht Berlin.

Und der Schutz von Ehe und Familie? Unzumutbare Anforderungen für dasDeutschlernen vor der Einreise, Ausnah-men für Reiche und Gebildete, sozialhilfe-rechtliche Vorbehalte bei Schutzbedürf-tigen, bürokratische Widerstände sogarbeim Kindernachzug – hier wird deutlich:Das Recht auf Familie wird dem staat-lichen Interesse an einer sozialen Aus-lese bei der Visavergabe untergeordnet.Auch wenn Familien getrennt bleiben: Un-erwünschte Zuwanderer sollen draußenbleiben. ■

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

■ In der Begründung zur Verleihungheißt es: Für ihr »außerordentli-

ches Engagement, mit dem sie seit 1997in einer jährlichen Bestandsaufnahmezur Lage der Bürger- und Menschenrech-te in Deutschland Defizite, aber auch diepositiven Entwicklungen, aufzeigen unddamit die Verfasstheit unseres demokra-tischen Gemeinwesens einer durch Sach-verstand belegten schonungslosen Realitätsprüfung unterziehen«, wurde den Herausge-bern des Grundrechte-Reports, die neun Bürger- und Menschenrechtsorganisationen ver-treten, am 12. April 2008 die Theodor-Heuss-Medaille verliehen. PRO ASYL ist seit 2002Mitherausgeber des Grundrechte-Reports.

Angesichts dessen, dass Flüchtlinge und Migranten zumeist besonders massiv von Grund-rechtsverletzungen betroffen sind, bleibt die Mitarbeit am Grundrechte-Report auch in Zu-kunft für PRO ASYL eine wichtige Aufgabe.

■ Der Grundrechte-Report 2008 zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschlandkann auf Seite 47 bestellt werden.

PRO ASYL ERHÄLT ALS HERAUSGEBER DES »GRUNDRECHTE-REPORTS« DIE THEODOR-HEUSS-MEDAILLE

34

An Würde und Rechten gleich geboren …In Deutschland um das Existenzminimum geprellt

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Bernd Mesovic

■ Alle Menschen werden frei und anWürde und Rechten gleich gebo-

ren. So proklamiert es Artikel 1 der Allge-meinen Erklärung der Menschenrechte.Man könnte zynisch darauf hinweisen,dass es »geboren« heißt. Nach der Ge-burt geht es ungleich schlechter weiter.

Mit der Einführung des Asylbewerberleis-tungsgesetzes 1993 brach das Parla-ment erstmals mit den Grundsätzen derSozialhilfe als des letzten einheitlichenNetzes der sozialen Sicherung. Seitdemgibt es zweierlei Existenzminima für Ein-heimische und Flüchtlinge. Das Leistungs-niveau des Asylbewerberleistungsgeset-zes – für Asylsuchende und andere Flücht-linge und Migranten – lag von Anfang andrastisch unter dem der Sozialleistungenfür Einheimische. Und der Abstand wirdständig größer.

Seit 15 Jahren sind die Leistungen nichterhöht worden. Sie liegen inzwischen über35 % unter dem Niveau der Sozialhilfe.Jeder weitere Anstieg der Verbraucher-preise vergrößert das Problem. In der Ant-wort auf eine Kleine Anfrage der Bundes-tagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

(BT-Drucksache 16/7365) stellt die Bun-desregierung fest, dass die Preise seitInkrafttreten des Gesetzes um 22,5 % ge-stiegen sind, erklärt aber gleichzeitig, dieBeträge auch künftig nicht erhöhen zuwollen. Die systematische Mangelversor-gung soll erklärtermaßen andere von derInanspruchnahme des Grundrechts aufAsyl abschrecken. Diese sozialpolitischeGeneralprävention trifft nur bei einerMinderheit der Parlamentarier auf Gewis-sensprobleme. Betroffen von der Minder-versorgung und systematischen Verelen-dung nach dem Asylbewerberleistungsge-setz sind fast 50.000 Kinder.

ÖKONOMISCHER RASSISMUS

Die Einführung des Asylbewerberleistungs-gesetzes war der Einstieg in einen Klas-senkampf von oben. Mochte sich nochmancher deutsche Arme 1993 durch dieSchlechterstellung von Flüchtlingen pri-vilegiert gefühlt haben, so hat er seitHartz IV gelernt: Auch seine Menschen-würde steht zur Disposition. Dass diedauerhafte Entrechtung von Flüchtlingenin den sogenannten bürgerlichen Kreisenbreite Zustimmung findet, hängt damitzusammen, dass auch die Situation gro-ßer Teile der Mittelschicht von prekärenLebensverhältnissen und Abstiegsangstgeprägt ist. Darüber hinaus gibt es inganz Europa längst einen Extremismusder Besserverdienenden. Dieser ökono-misch geprägte Rassismus zieht die sub-tile Ausgrenzung und strukturelle Gewaltder offenen Gewalttätigkeit vor. Sach-statt Geldleistung, verordnete Abfütte-rung statt Selbstbestimmung, Zuteilungstatt Bedarfsdeckung – so werden Men-schen entmündigt. Zielobjekt sind längstnicht mehr nur Flüchtlinge. Sein »Rasse-merkmal« ist das Geld: »Wer es hat, derist kein Fremder, wem es abgeht, wird

zum Fremden und wäre er auch von hier«(Karl Markus Gauss).

Der Ausschuss für wirtschaftliche, sozia-le und kulturelle Menschenrechte der Ver-einten Nationen in Genf hat in seinem all-gemeinen Kommentar Nummer 12 dasMenschenrecht, sich zu ernähren, erläu-tert: Das in Artikel 11 des Internationa-len Paktes über wirtschaftliche, sozialeund kulturelle Menschenrechte garan-tierte Menschenrecht, bedeutet mehr als die Zurverfügungstellung einer bestimm-ten Menge an Kalorien und den bloßenSchutz vor dem Verhungern. Es erfor-dert, dass die individuellen Bedürfnisseder Menschen berücksichtigt werden.Minderwertige Lebensmittelpakete bre-chen dieses Recht. Die Abfütterungs- undAbschreckungspolitik, bei der Nahrungals Mittel wirtschaftlichen und sozialenDrucks verwendet wird, ist schlicht ver-boten. ■

Ein Flüchtling erhält 224,97 Euro/Monat, Familienangehörige weniger.Diese Leistungen sollen in Form vonSachleistungen, also Kleidungs- undLebensmittelgutscheinen, bisweilenauch Lebensmittelpaketen, erbrachtwerden. Lediglich 40,90 Euro wer-den als Bargeld gewährt. Damitkann der monatliche Bedarf z. B. anFahrscheinen, Telefon, Porto, Schul-bedarf der Kinder nicht abgedecktwerden. Für den Rechtsanwalt, ohneden die Betroffenen im Verhau desdeutschen Asylrechts verloren sind,bleibt erst recht nichts übrig. ■

Entschädigungen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Asyl-bewerberleistungsgesetzes – im Jahr 1993: 5.300 Euro/Monat– im Jahr 2008: 7.339 Euro/Monat

Grundleistungen nach § 3 Asylbewer-berleistungsgesetz für Alleinstehende: – 224,97 Euro plus 40,90 Euro

»Taschengeld«/Monat. Von 1993 bis 2008 unverändert. ■

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Beate Selders

■ Rajid El Masai* ist ein vorsätz-licher Serien-Straftäter. Bis vor

Kurzem wusste er noch nichts davon.Der Libanese lebt seit zehn Jahrengeduldet in Berlin und fällt unter dieBleiberechtsregelung, so dachte erzumindest. Aber die Ausländerbe-hörde hält ihm fünf Verurteilungenwegen Verstoßes gegen die Residenz-pflicht vor. Insgesamt 120 Tagessät-ze Strafe dafür, dass er ohne Erlaub-nis den Geltungsbereich der Auslän-derbehörde verließ, in seinem Fallden Stadtstaat Berlin. Bei anderensind es der zugewiesene Landkreis,eine kreisfreie Stadt, oder die Gren-zen der Kommune, die sie über Jahrenur in Ausnahmefällen verlassen dür-fen. Rajid El Masai fällt also raus ausder Gruppe derer, die eine Chanceauf Normalisierung ihres Lebens ha-ben. Sein Zukunftshorizont wird wei-ter nur bis zur nächsten Duldung rei-chen, überschattet von der drohendenAbschiebung.

Ähnlich erging es dem Rom Amri Avdjenaus dem Kosovo. Seit 1995 lebt er mitseiner Familie in einem niedersächsi-schen Landkreis, zunächst als Asylbewer-ber, dann geduldet. Im letzten Jahr bean-tragte er eine Aufenthaltserlaubnis. Aberstatt des ersehnten Papiers kam eineAusweisungsverfügung. Auch ihm werdenfünf Verstöße gegen die Residenzpflichtmit Verurteilungen zu insgesamt 270 Ta-gessätzen vorgehalten. Das macht ihn zueinem Straftäter, der »die öffentliche Si-cherheit und Ordnung der Bundesrepu-

blik Deutschland beeinträchtigt« und aus»generalpräventiven« Gründen ausgewie-sen gehört, schreibt die Behörde. Bei sol-chen Worten denkt man an Messerste-chereien oder terroristische Verschwörun-gen, nicht an die Überschreitung einerLandkreisgrenze.

Das Aufenthaltsgesetz und das Asylver-fahrensgesetz enthalten Bestimmungen,die aus »normalem« Verhalten Straftaten,aus arglosen Menschen Kriminelle ma-chen können. Die Anzahl der Tagessätzewegen solcher Straftaten, die zum Aus-schluss aus der Bleiberechtsregelungführt, liegt mit 90 höher als für »norma-le« Vergehen (50 Tagessätze) – Augen-wischerei für El Masai und Amri Avdjen,denn beide Grenzen sind sehr niedrig.

Nicht selten scheitert der Antrag auf ei-ne Aufenthaltserlaubnis an aufaddiertenStrafen wegen verschiedener Bagatell-delikte, wie etwa dem Fahren ohne Füh-

rerschein und einem wiederholtenVerstoß gegen die Residenzpflicht,weiß Andrea Würdinger vom Republi-kanischen Anwältinnen- und Anwalt-verein. Es gibt Amtsgerichte, die be-reits beim ersten Strafbefehl wegenResidenzpflichtverletzung zu 90 Ta-gessätzen verurteilen. Oft ist denStrafrichtern – wie auch Flüchtlingenund ihren Anwälten – nicht bewusst,welche aufenthaltsrechtlichen Konse-quenzen eine solche Verurteilung hat.

Der Rom Avdjen ist seit dem Schrei-ben der Ausländerbehörde verschwun-den. Den Kontakt zu seiner Familiehat er abgebrochen. Er will die Chan-cen seiner Kinder, eine Aufenthaltser-laubnis zu bekommen, nicht gefähr-den. Die Bleiberechtsregelung enthältnämlich eine Bestimmung, die anSippenhaft erinnert: Bei Ausschlusseines Familienmitglieds wegen Straf-taten erfolgt grundsätzlich der Aus-schluss der gesamten Familie.

Darin sieht Andreas Müller einen Grund-gesetz-Verstoß. Der Jugendrichter am Ber-nauer Amtsgericht (Brandenburg) weiger-te sich, einen 17- jährigen Kurden zu ei-ner Jugendstrafe zu verurteilen, weil erdamit die Vorentscheidung zur Abschie-bung der gesamten Familie getroffen hät-te. Der Staatsanwalt ging in Revision, dasErgebnis ist offen. Eine Verfassungskla-ge gegen diesen Teil der Bleiberechts-regelung steht aus.

Die skandalöse und für die Betroffenenunerträgliche Verweigerung der Freizügig-keit durch die Residenzpflicht ist dage-gen nur noch politisch zu bekämpfen. Allejuristischen Wege sind ausgeschöpft. Inder Verantwortung für das Gesetz stehtdie Bundesregierung. Unter Druck und inBewegung gerät sie nur von unten. ■

* alle Namen zum Schutz der Personen geändert

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Wenn Selbstverständliches zur Straftat wird. Die schwerwiegenden Folgen der Residenzpflicht

Artikel 13 Nr. 1 AEMR

Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu

bewegen und seinen Aufenthalts-ort frei zu wählen.

Das Motiv ist vierfarbig als Postkarte erhältlich. Bestellmöglichkeit auf Seite 47

Angelika von Loeper

■ »Ich fühle mich hier wie im Gefäng-nis. Alles ist reglementiert. Wir ha-

ben sowieso Probleme mit unserer Hei-mat und dann kommen wir hier her undmüssen uns an einen ganz neuen Le-bensstil anpassen.«

Was Maasila*, eine junge Flüchtlingsfrauaus Sri Lanka berichtet, haben auch vie-le andere Flüchtlinge so oder ähnlich er-lebt, die in der Landesaufnahmestelle fürFlüchtlinge des Landes Baden-Württem-berg (LASt) untergebracht sind. Einge-zäunt mit nach innen geneigtem Über-steigschutz liegt das Sammellager an ei-ner der großen Ausfallstraßen Karlsruheszwischen Autobahndreieck, Bahnlinieund Kleingartensiedlung. Wer Maasilaoder andere Flüchtlinge besuchen will,muss das hermetisch abgeriegelte Ge-lände durch eine Personenschleuse be-treten, den Namen des Flüchtlings nen-nen und seinen Ausweis beim Pförtner

der Wach- und Schließgesellschaft abge-ben.Durchschnittlich nur noch ca. 200 bis300 Flüchtlinge sind in der »LASt« unter-gebracht. Große Teile der in den 1990erJahren noch für bis zu 1.200 Menschenausgelegten Unterbringungskapazität sindmittlerweile der Verwaltung zugeschlagenworden. So gibt es hier mittlerweile mehrArbeitsplätze als Flüchtlinge. Dies ist denniedrigen Zugangszahlen von Flüchtlingenin Deutschland geschuldet. »Es ist schwie-rig, psychisch stabil zu bleiben. Beson-ders am Anfang«, so schildert Maasilaihre Situation, die sie mit den anderenteilt. »Was wird als nächstes passieren,fragen wir uns immer wieder.« Zweifel amLeben bleibt die vorherrschende Stim-mung. »Das Verfahren ist nicht gut, dieUnterbringung, das Essen. Wir sind dasnicht gewohnt.«

Bis zu drei Monate müssen Flüchtlingedirekt am Anfang des Verfahrens in Auf-nahmeeinrichtungen verbringen. In dieser

Zeit finden die entscheidenden Schrittedes Asylverfahrens statt. Flüchtlinge, diegerade erst die Strapazen der Flucht hin-ter sich gebracht haben, sehen sich ei-nem komplizierten Verfahren voller Fall-stricke gegenüber, auf das sie nicht imGeringsten vorbereitet werden.

»Ich hatte keine Ahnung, wie das Asylver-fahren funktioniert«, berichtet uns Maasi-la »Sie gaben uns nur den Anhörungs-termin. Nur eine Information in Tamil beider Antragstellung. Keinen weiteren Hin-weis.« Unabhängige qualifizierte Sozial-beratung auf dem Gelände gibt es seit1991 nicht mehr, Verfahrensberatung so-wieso nicht. Man ist der Meinung, daswerde vom Bundesamt für Migration undFlüchtlinge erledigt. Vom Land angestell-te Sprachkundige geben den Flüchtlingenim Infocenter Auskunft über Transfer undteilen Essensmarken aus. Lediglich im in unmittelbarer Nähe befindlichen Men-schenrechtszentrum Karlsruhe findet vonehrenamtlich Engagierten organisiert Be-

Leben hinter verschlossenen Türen

Leben hinter verschlossenen Türen

36 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

NO RIGHTS - NO REPUTATION

37FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

gegnung und Beratung statt. Doch davonerfuhr Maasila erst nach ihrer Anhörung.Seit 2005 wird diese Beratung einmalwöchentlich durch einen von der Evangeli-schen Kirche Baden finanzierten Rechts-anwalt unterstützt. Wer jedoch davon pro-fitieren kann, ist meist dem Zufall über-lassen.

Die Anhörung selbst ist für die Flüchtlingeschwer durchschaubar und lässt sie invölliger Ungewissheit. So erging es auchMaasila: »Zunächst wurden 25 Fragengestellt. Dazu wurde gesagt, dass jedeFrage beantwortet werden müsse. Aberich weiß, dass jeder auch das Recht hat,eine Aussage zu verweigern, wenn da-durch möglicherweise jemand anderesgefährdet wird.

Der Anhörer hat mich nicht ernst ge-nommen. Er fragte, ob ich nicht eher zumHeiraten gekommen sei. Solche Fragenempfinde ich wie eine Beleidigung. MeinInterview dauerte sehr lange und ichmerkte auch schon, dass der Anhörermüde war. Daher fragte er mich, ob ichauf die Rückübersetzung verzichten wür-de, er habe alles aufgenommen. Ich habedann gesagt, ich wisse, dass er michnicht übervorteilen wolle. Woraufhin er

sagte, ja das ist hier nicht wie in Sri Lan-ka. Auch das empfand ich wie eine Belei-digung. Nach dem Interview konnte ichnächtelang nicht schlafen. Und das Pro-tokoll meiner Anhörung habe ich bis heu-te, vier Monate nach dem Termin, nichterhalten. Jetzt mache ich mir doch Sor-gen.«

Höchst problematisch empfand Maasilaauch ihre Dolmetscherin: »Die Übersetze-rin lebt schon 20 Jahre oder länger inDeutschland. Sie ist nicht mehr so in un-serer Sprache drin, auch kann sie Fach-begriffe nicht richtig übersetzen. So hatsie bei rechtlichen Begriffen Problemegehabt. Deshalb wollte ich das dem An-hörer auf Englisch erklären. Das hat die-ser aber nicht akzeptiert.«

Die Flüchtlinge, viele davon traumatisiert,werden mit ihren Gedanken, Sorgen undProblemen völlig allein gelassen. Sie sindzum Nichtstun verdammt. »Zwischen sie-ben und acht Uhr morgens gibt es Früh-stück,« erzählt Maasila »dann gibt esTermine, Asylantrag, Anhörung, Gesund-heitsuntersuchung. Mittagessen ist umein Uhr, da gibt es auch schon das Essenfür abends als Kaltverpflegung. Viele ver-tragen das Essen nicht. Es müsste aufdie verschiedenen Flüchtlingsgruppen ab-gestimmt sein.

Tagsüber ist nichts zu tun, wenn dieFormalien erledigt sind, keine Arbeit. Wirhaben zu viel Zeit zum Nachdenken. Esgibt nichts zu tun, nur die Probleme. Wirkamen wegen der Probleme. Immer dar-über nachdenken ist nicht gut. Es gibtkeine Entspannung, das ist weit entfernt,obwohl die Menschen das brauchen.«

Auch medizinische Hilfe wird für die aufengstem Raum Untergebrachten nur alsMinimalversorgung gewährleistet. Essen,Kleidung und Hygieneartikel gibt es in der Regel als Sachleistungen per Waren-gutschein, Chipkarte oder sie werden inForm von Esspaketen oder Warendepotsausgegeben. Während des Aufenthal-tes in der Aufnahmeeinrichtung herrschtArbeitsverbot. Während der folgendenvier Jahre gibt es allenfalls einen nach-rangigen Zugang zum Arbeitsmarkt, wasfaktisch einem Arbeitsverbot gleich-kommt. Zum Erhalt der Einrichtung kön-nen 1 Euro-Jobs vergeben werden. MitKleidung und Hygieneartikeln wird ge-geizt: »Das ist oft ein Problem«, erläutertMaasila. »Es gibt keine Auswahl an Grö-ße und Farbe. Am Anfang gibt es nur ein-mal neue Kleidung, danach nur nochSecond-Hand-Ware. Aber es gibt jetzt imWinter keine Handschuhe oder Schals,nur zwei Paar dünne Socken, und dieSchuhe sind auch nicht für den Winter ge-eignet. Hygieneartikel wie Seife und Da-menbinden gibt es nur einmal pro Monat.Das wird alles genau aufgeschrieben undwenn eine Frau vor Ablauf des Monatsneue braucht, gibt es Probleme. Was unsauch zu schaffen macht, ist oft die feind-selige Einstellung des Personals. Stän-

»We have no reputation as a people.

We always feel, we are refugees, we have no rights,

we are not empowered.«

(Maasila* aus Sri Lanka)

Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe

38

dig gibt es Verständigungsschwierigkei-ten. So konnte sich beispielsweise eineFrau aus Nordkorea nicht verständlichmachen. Sie hat dann gar nichts bekom-men und musste sich ihre Hygienebindenvom Taschengeld kaufen. Die Angestell-ten erwarten, dass die Flüchtlinge per-fekt deutsch sprechen. Woher sollen wiraber deutsch können? Wir sind doch neuin Deutschland und hier im Lager gibtman uns auch nicht die Möglichkeit,deutsch zu lernen.«

Obwohl die Zahl der Flüchtlinge durch diemassiven Abschottungsmaßnahmen derEU in den letzten Jahren radikal zurück-gegangen ist, wird an den so genann-ten anreizmindernden Maßnahmen wei-terhin festgehalten. So werden in eini-gen Bundesländern die Aufnahmeeinrich-tungen auch nach dem Durchlaufen des Verfahrens nach drei Monaten als Ge-meinschaftsunterkunft genutzt. AndereBundesländer betreiben in der Aufnahme-

einrichtung gar gleichzeitig ein Ausreise-zentrum. In der Karlsruher Einrichtung, inder sich auch die für aufenthaltsbeenden-de Maßnahmen zuständige Abteilung desRegierungspräsidiums befindet, findensogar Botschaftsvorführungen statt. Fürdie dort befindlichen Flüchtlinge, die sichim Schutz vor dem Verfolgerstaat glaub-ten, muss dies besonders irritierend sein.

Maasila hat sich mit ihrer eigenen Situa-tion und der der anderen Flüchtlinge je-doch noch längst nicht abgefunden. Vie-les könnte verbessert werden, wenn dieBehörden es nur wollten. »Wir müsstenetwas zu tun haben. Kleine Programme,um deutsch zu lernen. Es ist wichtig,dass man beschäftigt ist. Es müsstemehr Informationen geben … « Vielleichtwürde Maasila sich dann auch nichtmehr wie im Gefängnis fühlen. ■

* Name von der Redaktion geändert

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

■ Das vorliegende Handbuch fürdie Praxis erläutert das gesam-

te Sozialrecht differenziert nach demjeweiligen Aufenthaltsstatus.

Dargestellt werden die Ansprüchevon Migrantinnen und Migranten aufLeistungen zum Lebensunterhalt nachdem SGB II, dem SGB XII und dem Asyl-bewerberleistungsgesetz einschließ-lich der Sozial(hilfe)leistungen zur me-dizinischen Versorgung.

■ Bestellmöglichkeit auf Seite 48

Zähle die Tage meiner Flucht …Gottesdienstmaterialien, Gebete und Impulse zum Themenfeld Flucht und Asyl

Herausgegeben von Fanny Dethloff und Verena Mittermaier in Zusammenarbeit mit der Bundes-arbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und demFörderverein PRO ASYL

■ Bestellmöglichkeit auf Seite 48

■ Seit 25 Jahren gibt es die Kirchenasylbewegung in Deutschland. DieserBand, mitherausgegeben von der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der

Kirche und PRO ASYL, legt eine Fülle von Materialien, Gebeten und Impulsen vor,mit denen man Gottesdienste zum Themenfeld Flucht und Asyl gestalten kann. Un-ter dem Motto »Gib uns Zeit, Gott« werden Gestaltungsmöglichkeiten aus verschie-denen Städten vorgelegt. Unter die Bitte »Hilf, dass wir aufstehen für die Mensch-lichkeit« werden Gebete von Herbert Leuninger, Hildegard Grosse, Martin Affolder-bach, Fanny Dethloff, Karl-Helmut Barharn und Andreas Hämer gestellt. »Am Ortder Ohnmacht wächst die Kraft« ist Thema für Andachten und Gottesdienste imKontext von Abschiebungshaft. Aus der Perspektive der Arbeit mit Flüchtlingen wirddie Bibel neu meditiert: »Denn ihr seid auch Fremde gewesen …« Andachten undDenkanstöße zum voneinander Lernen und miteinander Leben sowie zahlreicheneue Fluchtgeschichten ergänzen den Band.

Georg ClassenSozialleistungen für MigrantInnen und Flüchtlinge

39

Ellen Könneker

■ Bevor am 3. August 2005 in derThüringer Landeshauptstadt Erfurt

das Kirchenasyl einer langjährig gedul-deten kurdischen Familie begann, hattesich bereits ein kleines Netzwerk von Un-terstützerinnen und Unterstützern um siegebildet. Was anschließend geschah, isteine Erfolgsgeschichte der Vernetzungs-arbeit und beispielhaft für Thüringen, woes oft an migrations- und flüchtlingsspezi-fischer Infrastruktur und Sensibilität fehlt.

STATIONEN AUF DEM WEG ZUM BLEIBERECHT

Im Frühjahr 2005 besucht eine Vertrete-rin des Flüchtlingsrat Thüringen e.V. dieSchulklasse des ältesten Sohnes der vonAbschiebung bedrohten vierköpfigen Fami-lie und informiert über die Situation lang-jährig geduldeter Flüchtlinge und Möglich-keiten, sie persönlich zu unterstützen.Sofort macht sich die Schulklasse für ihren Mitschüler stark, wendet sich anden Thüringer Petitionsausschuss, die Er-furter Ausländerbehörde und das Innen-ministerium.

Mit dem Beginn des Kirchenasyls AnfangAugust 2005 findet sich ein fester Unter-stützerkreis aus Politikerinnen und Politi-kern, Engagierten in der Flüchtlingsarbeit,Nachbarn, Kirchenvertretern und Gemein-demitgliedern u.a. zusammen.

Im Herbst 2005 startet der Kreis eineUnterschriftensammlung für ein Bleibe-recht der Familie und für eine generelle,großzügige Bleiberechtsregelung für lang-jährig geduldete Flüchtlinge. 900 Unter-schriften kommen dabei zusammen.

Im April/Mai 2006 thematisiert derUnterstützerkreis das Kirchenasyl beiVeranstaltungen im Vorfeld der Oberbür-germeisterwahl in Erfurt und bittet dieKandidatinnen und Kandidaten um öf-fentliche Stellungnahme.

Etwa ein Jahr später verabschiedet derStadtrat aus Anlass des Jahrestages desKirchenasyls eine Bleiberechtsresolutionfür langjährig Geduldete.

Der Kreis der Unterstützerinnen und Un-terstützer führt zu verschiedenen Anläs-sen regelmäßig Straßenaktionen durch,so zum Beispiel zum »Tag der Einheit der Menschen« am 3. Oktober 2006, amInternationalen Tag gegen Rassismus,beim Weihnachtsmarkt und beim Stadt-teilfest. Im April 2006 findet ein Benefiz-konzert für die Familie in der Kirche statt.

Der Einsatz hat schließlich Erfolg: DasKirchenasyl wird positiv beendet. SeitMai 2007 besitzt die Familie ein Aufent-haltsrecht.

BEISPIELHAFTES ENGAGEMENT

Die Arbeit des Unterstützerkreises desKirchenasyls ist ein Beispiel für zivilge-sellschaftliches Engagement gegen Dis-kriminierung und für die Wahrung derRechte von Flüchtlingen in Deutschlandsowie für ein faires Miteinander. Die Be-mühungen um ein Bleiberecht der kurdi-schen Familie führen zu einer außerge-wöhnlich breiten Vernetzung, die von derEvangelischen Kirche und deren Gemein-demitgliedern, verschiedenen zivilgesell-schaftlichen Akteuren, Flüchtlingsinitiati-ven, Privatpersonen bis hin zu parteiüber-greifendem Engagement reicht. Damit istes gelungen, die Öffentlichkeit für die Le-benssituation von geduldeten Flüchtlin-gen zu sensibilisieren sowie die Auswir-kungen asyl- und aufenthaltsrechtlicherEntscheidungen auf die Betroffenen zuthematisieren.

Dieses Engagement kostet viel Zeit,Mühe und Geduld. Aber es ist wichtig, da-mit Menschen, die bei uns Schutz suchen,auch Schutz finden und damit unsere Ge-sellschaft menschenwürdig bleibt. ■

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Flüchtlinge brauchen Öffentlichkeit! –Unterstützerkreis eines Erfurter Kirchenasyls setzt sich erfolgreich

für das Bleiberecht einer kurdischen Familie ein

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Tillmann Löhr

AUSSCHLUSS VON SOZIALENRECHTEN

Wer sich ohne Aufenthaltsstatus inDeutschland aufhält, muss im Falle derEntdeckung damit rechnen, abgescho-ben zu werden. Die Betroffenen tun da-her alles, um nicht in Kontakt mit staat-lichen Stellen zu geraten. Gleich ob Ge-sundheitsamt, Schule oder Gericht: JederBeamte oder Angestellte im öffentlichenDienst ist nach dem Aufenthaltsgesetzverpflichtet, die Ausländerbehörde zu in-formieren, sobald er von einem illegalenAufenthalt in Deutschland Kenntnis hat.Diese amtsübergreifende Denunziations-pflicht gibt es in keinem anderen euro-päischen Staat. Sie schließt Statuslosevon der Gesundheitsversorgung aus.Rein rechtlich hätten sie einen Anspruchauf Leistungen nach dem Asylbewerber-leistungsgesetz. Nehmen sie diesen aberwahr, so wird das zuständige Sozialamtder Ausländerbehörde Meldung machen.Aus Angst vor Entdeckung verzichten da-her viele auf ihre Ansprüche und weichenstattdessen auf informelle Netzwerkeaus. In vielen Städten haben sich Kirchen,Wohlfahrtsverbände und private Initiati-ven zusammengeschlossen, um den Be-troffenen – an offiziellen Wegen vorbei –

zu einem Mindestmaß an gesundheitli-cher Grundversorgung zu verhelfen.

Statuslose mit Kindern sehen sich miteinem weiteren Problem konfrontiert: Wokann ein Kind ohne Aufenthaltsstatus zurSchule gehen? Das Recht zum Schulzu-gang ist in Deutschland als Schulpflichtausgestaltet. Es liegt in der Entschei-dungshoheit der Länder, die den Schul-zugang in Landesgesetzen regeln. In denmeisten Bundesländern erfasst dieSchulpflicht nur Kinder mit Aufenthalts-status oder solche, bei denen mit einemlängeren Aufenthalt im Land zu rechnen ist – was bei Kindern ohne Status verneint wird. Bayern und Nordrhein-Westfalen hingegen kennen eine Schul-pflicht auch für Statuslose. Doch selbst wenn ein Kind in Bayern sein Recht auf Schulzugang wahrnimmt oder ein Kind in Hessen das Glück hat, dass die Schul-leitung einer einzelnen Schule es, an der

Schulpflicht vorbei, beschulen möchte –das Schulpersonal unterliegt der Pflicht,das Kind bei der Ausländerbehörde zumelden. Aus Angst vor Entdeckung sehendaher viele Eltern vom Versuch ab, ihrenKindern den Schulzugang zu ermöglichen.

Zuletzt müssen viele Statuslose illegal ar-beiten. Wenn der ihnen zustehende Lohnnicht bezahlt wird, ist es oft schwierig,ihn einzuklagen. Nach dem Arbeitsrechtwäre das trotz fehlenden Arbeitsvertra-ges möglich. Nach dem Aufenthaltsrechtindes wäre der Richter oder die Richterinverpflichtet, die Ausländerbehörde zu in-formieren.

AUFENTHALTSRECHT STATTMENSCHENRECHTE

Das Recht auf Gesundheitsversorgungzählt zu den universell anerkannten Men-schenrechten. Es ist im InternationalenPakt über wirtschaftliche, soziale und kul-turelle Rechte garantiert. Der zuständigeAusschuss der Vereinten Nationen hathierzu bereits im Jahr 2000 festgestellt:

»Medizinische Einrichtungen und ärztliche Betreuung

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Frankfurt am Main, Abenddämmerung. Eine Fahrradfahrerin überquert in einer unüber-sichtlichen Kurve die Straße. Ein abbiegender Wagen erwischt die Frau von links, siestürzt. Der Fahrer des Wagens bietet an, einen Krankenwagen zu rufen, Adressen aus-zutauschen oder den Unfall in Gegenwart der Polizei aufzunehmen. Die Frau wiegeltab. Sofort danach ist sie im angrenzenden Park verschwunden. Ob sie verletzt ist, weißder Fahrer des Wagens nicht – und ebenso wenig, warum sie so schnell verschwunden ist.

Nicht ausgeschlossen, dass sie zu denen gehört, für die bereits die Offenbarung ihrerPersonalien eine Gefahr bedeutet: Menschen ohne Aufenthaltsstatus, auch irreguläreMigranten genannt. Allein in Frankfurt sollen etwa 25.000 bis 40.000 von ihnen leben. Wie viele es bundesweit sind, ist unklar – manche gehen von 500.000 aus,manche von 1 Million.

Keine Papiere – Keine Rechte?

müssen für alle, insbesondere für die be-sonders schutzbedürftigen und an denRand gedrängten Gruppen der Bevölke-rung, de jure und de facto ohne Ver-letzung des Diskriminierungsverbots zu-gänglich sein.« Was diese Aussage fürMenschen ohne Aufenthaltsstatus be-deutet, stellte das Deutsche Institut fürMenschenrechte 2007 unmissverständ-lich klar: »Dass zu den ›besonders schutz-bedürftigen und an den Rand gedrängtenGruppen der Bevölkerung‹ auch irregu-läre Migrantinnen und Migranten zählen,ist offensichtlich.«

Ebenso stellt auch der Ausschluss vonSchulbildung einen offenen Bruch mitgrund- und menschenrechtlichen Ver-pflichtungen dar. Das von Deutschlandunterzeichnete Zusatzprotokoll zur Eu-ropäischen Menschenrechtskonventiontrifft in Art. 2 eine deutliche Aussage:

»Das Recht auf Bildung darf nieman-dem versagt werden.« Auch das Grund-gesetz garantiert das allgemeine Persön-lichkeitsrecht. Hierzu zählt die Persön-lichkeitsentwicklung des Kindes, die denSchulbesuch mit seinen Bildungs- undSozialisationserfahrungen umfasst.

Gleichzeitig gibt es den verfassungs-rechtlichen allgemeinen Gleichheitssatz,der diskriminierende Ungleichbehandlungverbietet. Aus beidem ergibt sich Folgen-des: Sobald der Staat Schulen bereithält,müssen deren Tore für alle Kinder gleich-berechtigt offen stehen.

Nun mag man einwenden, der Aus-schluss von statuslosen Kindern sei we-gen ihres nicht legalen Aufenthalts ge-rechtfertigt. Doch gelten besonders hoheVoraussetzungen, wenn der Anknüpfungs-punkt für eine Ungleichbehandlung vomBetroffenen nicht selbst verursacht ist.Kinder sind meist nicht aufgrund eigenerEntscheidungen, sondern aufgrund einerEntscheidung ihrer Eltern ohne Aufent-haltspapiere in Deutschland. Dennochwird versucht, auf ihrem Rücken das aus-länderpolizeiliche Interesse an der Been-digung des Aufenthalts durchzusetzen.Das steht in keinem Verhältnis zum an-gerichteten Schaden: Die Kinder versäu-

men Bildungs- und Sozialisationsprozes-se, die sie lebenslang nicht wieder aufho-len können. Das widerspricht dem ver-fassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeits-grundsatz.

Nichts anderes gilt für die prekäre Lage,in der sich um ihren Lohn geprellte Sta-tuslose befinden, die sich aus Angst vorEntdeckung nicht vor Gericht wagen.Auch sie stellt einen ungerechtfertigtenAusschluss von der Durchsetzung der ei-genen Rechte dar.

WAS TUN?

2007 hätte sich mit dem zweiten Ände-rungsgesetz zum Zuwanderungsgesetzeine Gelegenheit geboten, die Rechtsla-ge der Betroffenen zu verbessern. Die Si-tuation von Menschen ohne Aufenthalts-status jedoch wurde ignoriert. Im selbenJahr legte das Bundesministerium des In-

nern (BMI) den so genannten PrüfberichtIllegalität vor, mit dem untersucht wurde,ob die gegenwärtige Rechtslage einer Än-derung zugunsten der Betroffenen be-darf. Das ebenso eindeutige wie untrag-bare Ergebnis des BMI lautete jedoch:Änderungsbedarf bestehe nicht.

Diese Signale lassen kaum auf schnelleVerbesserungen hoffen. Umso mehr giltjedoch, was im Bereich der Menschen-rechte stets gegolten hat: Menschenrech-te müssen erstritten werden. Die Haltungdes BMI darf daher nicht als entmutigendgedeutet werden, sondern muss als offe-ne Einladung zum Streit verstanden wer-den – eine Einladung, die die Zivilgesell-schaft nicht ausschlagen darf. ■

Das Plakat zum Tag des Flüchtlings 2008 ist vierfarbigim Format DIN A3 bei PRO ASYL erhältlich.Für die Bestellung verwenden Sie bitte das Formular auf Seite 47.

41FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

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Matthias Weinzierl

E INE EINFACHE IDEE …

Mittels einer kommunal ansetzendenKampagne wollen wir erreichen, dassDeutschland Flüchtlinge im Rahmen ei-nes Resettlement-Programms aufnimmt.Dieses Aufnahmeverfahren ist nicht neu.Immer wieder nehmen Staaten, vor allemdie USA oder Kanada, aber auch einewachsende Zahl europäischer Staaten,Flüchtlinge aus akuten Krisensituatio-nen auf. Deutschland hat das zuletzt mit vietnamesischen Boatpeople undBürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien so-wie aus dem Kosovo getan. Resettle-ment ist sicher nicht die Lösung der welt-weiten Flüchtlingsproblematik, aber fürnicht wenige bietet es eine Perspektive.Es darf auf keinen Fall als Ersatz zumAsylrecht verstanden werden, denn nachwie vor müssen Flüchtlinge grundsätzlichdas Recht haben, in Europa Schutz undAsyl zu suchen. Es könnten dadurch aberfür einige lebensgefährliche und teureFluchtwege vermieden werden. Unser An-liegen wird vom UNHCR unterstützt, derin ganz Europa um Beteiligung an Resett-lement-Programmen wirbt. Laut UNHCRbesteht derzeit ein weltweiter Bedarf anca. 120.000 Aufnahmeplätzen für beson-ders schutzbedürftige Flüchtlinge.

POSITIVE IMPULSE SETZEN – DESHALB SAVE ME – EINE STADT SAGT JA!

Flüchtlingskampagnen der letzten Jahrewaren davon geprägt, Missstände zu kri-tisieren. Die kontinuierliche Verschlechte-rung der Lage von Fliehenden hat unsüberrollt, und so befindet sich der Flücht-lingsschutz in einer Sackgasse. Die EUhat sich effektvoll abgeschottet. Die we-nigen Flüchtlinge, die Deutschland errei-chen, werden durch Wohnsitzauflagenund Lagerunterbringung von der Bevöl-kerung ferngehalten. In der öffentlichenWahrnehmung sind Flüchtlinge anschei-nend kein Thema mehr. Rückläufige Asyl-antragszahlen verstärken diesen Ein-druck.

Wir reagieren hierauf mit einer Kampa-gne, die positive Signale setzt. Deshalb:Eine Stadt sagt Ja. Ein deutliches Ja! von Gesellschaft und Politik. Ein Ja! zueinem menschenwürdigen Umgang mitFlüchtlingen. Ein Ja! zu echtem Flücht-lingsschutz und ein Ja! zu einer offenen,lebenswerten und mutigen Stadt. Ein Ja!zu globaler Verantwortung.

GLOBAL DENKEN – LOKAL HANDELN

Um diesem Ziel näher zu kommen, setztSAVE ME auf die Städte und Kommu-nen. Hier soll kreativ und konkret für dieAufnahme von Flüchtlingen geworbenwerden. Gelingt es der Kampagne, eineVielzahl von Bürgerinnen und Bürgern zu überzeugen, dann kann sich auch die Politik dem Thema Flüchtlingsschutznicht mehr verschließen. Schließlich sindStädte und Kommunen diejenigen, dieeine Aufnahme von Flüchtlingen zu bewäl-tigen hätten. Ein positives Votum derStädte kann skeptische Bundes- undLandespolitiker mitreißen.

SAVE ME – EINE STADT SAGT JA!

Am 2. Februar 2008 wurde deshalb inMünchen die SAVE ME -Kampagne ins Le-ben gerufen. Ein heterogener Unterstüt-zerkreis, bestehend aus den MünchnerKammerspielen, dem Bayerischen undMünchner Flüchtlingsrat, dem MünchnerAusländerbeirat, Refugio München e.V.,Attac München, der Münchner Aidshilfe,

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Szenen aus »SAVE ME – Die Galashow«.Damit richteten die Münchner Kammer-spiele am 2. Februar 2008 den Auftakt

der SAVE Me-Kampagne aus.

Tausende Menschen sterben auf der Flucht. Eine Chance, Schutz zufinden, haben in der Regel nur jene,die über Geld, Einfluss, Zähigkeitund Glück verfügen. Alte, Kranke,Kinder und alleinstehende Frauenbleiben meist zurück. Den Schutzdieser besonders verletzlichen Per-sonen hat die SAVE ME-Kampagnezum Ziel.

Europa macht dicht – wir holenFlüchtlinge in die Stadt

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amnesty international, PRO ASYL und ei-nigen mehr, verfolgt seitdem das ehr-geizige Ziel, zum 850. Geburtstag Mün-chens die Stadt dazu zu bringen, 850schutzbedürftige Flüchtlinge aufzunehmen,um ihnen einen Neuanfang in Sicherheitzu ermöglichen. Aber wie?

PATINNEN UND PATEN GESUCHT!

Desinteresse und eine latent ablehnen-de Haltung gegenüber Flüchtlingen ist eines der größten Probleme, mit denen die Flüchtlingsarbeit zu kämpfen hat.

Die SAVE ME-Kampagne will versu-chen, breite gesellschaftliche Kreise zugewinnen. Dabei darf sie sich jedochnicht auf Unterschriftenlisten und Infoti-sche beschränken. Die Unterstützer müs-sen aktiv eingebunden werden. Deshalbwirbt die Kampagne um Paten. Die Kam-pagne erhält ihr Gesicht dadurch, dasssich diese auf der Homepage namentlicheintragen, ein Statement abgeben undmit einem Bild »Gesicht zeigen«. Zudemerklären sie sich bereit, als Integrations-lotsen ankommenden Flüchtlingen dieStadt zu zeigen oder bei Behördengän-gen zu helfen.

Bei SAVE ME München klappt das hervor-ragend! Im ersten Monat der Kampagnetrugen sich bereits über 300 Patinnenund Paten ein, unter ihnen Menschen un-terschiedlichster Altersstufen, Berufs-gruppen und sozialer Herkunft. Auch Pro-minente wie die Literaturnobelpreisträge-rin Elfriede Jelinek sind dabei. Einige, diesofort aktiv werden wollten, vermittelten

wir an bereits bestehende Flüchtlingspro-jekte.

SAVE ME lässt sich vielfältig umsetzen:Neben dem konkreten Ziel der Aufnahmevon Flüchtlingen schlägt die Kampagneeine Brücke zur Situation außerhalb Eu-ropas. So lässt sich das Schicksal derFlüchtlinge in Lagern am Rande von Kri-sengebieten wie auch die aktuelle euro-päische Abschottungspolitik zum Themamachen. In München zum Beispiel wurdedie Kampagne mit einer Quizshow an denstädtischen Kammerspielen gestartet.Dramaturgen und Schauspieler setztenauf spielerische und satirische Weise daseuropäische Grenzregime in Szene. In ei-ner Podiumsdiskussion nahmen Stadträ-te Stellung zur Kampagne und den Mög-lichkeiten ihrer Umsetzung. Ein Stadtrats-beschluss zur Aufnahme von Flüchtlingensoll auch die Bereitschaft der lokalen Ent-scheidungsträger signalisieren. Die Zu-sammenarbeit mit kulturellen Einrichtun-gen ist äußerst fruchtbar. Sind etabliertestädtische Institutionen im Kampagnen-Boot, dann fällt es entschieden leichter,die lokale Prominenz anzusprechen undden Kreis der Mitstreiter zu erweitern.

MÜNCHEN KANN NUR EIN ANFANG SEIN: SAVE ME-KAMPAGNEN IN GANZ DEUTSCHLAND

Wir wollen mit dem Beispiel in Münchenerreichen, dass sich Gruppen in mög-lichst vielen Städten, Kommunen undLandkreisen zusammenfinden, um eige-ne SAVE ME-Kampagnen zu starten. In

lokalen Bündnissen soll das ThemaFlüchtlingsschutz und Resettlement indie Öffentlichkeit getragen werden mitdem Ziel, eine möglichst breit gefächertegesellschaftliche Basis zu gewinnen. Einebundesweite SAVE ME-Kampagne kannden Druck auf die Innenminister deutlichsteigern.

WIR MACHEN ES IHNEN EINFACH

SAVE ME braucht viele Städte, Kommu-nen und Landkreise mit eigenen Kam-pagnen. Um den Start vor Ort zu erleich-tern, wird PRO ASYL eine bundesweiteKampagnenseite mit Hintergrundinforma-tionen und Materialien zu Resettlementund zur Kampagne bereitstellen. Dortwerden alle SAVE ME-Kampagnen ver-linkt (www.save-me-kampagne.de).

Zudem kann für alle Gruppen undBündnisse, die in ihrer Stadt eine SAVEME-Kampagne starten wollen, eine eige-ne Internetpräsenz im Erscheinungsbildder Kampagne bereitgestellt werden.

Unter save-me-augsburg.de, save-me-berlin.de, save-me-hamburg.de, save-me-koeln.de usw. könnten so schon bald wei-tere lokale SAVE ME-Kampagnen folgen.Sämtliche Städtekampagnen werden mit-einander vernetzt und gewinnen dadurchan öffentlichem Gewicht.

PRO ASYL regt an, zum Beispiel in derInterkulturellen Woche und zum Tag desFlüchtlings die SAVE ME-Kampagne inVeranstaltungen aufzugreifen. Insbeson-dere die Stadtparlamente sind dazu auf-gerufen, die Aufnahme von Flüchtlingenzu thematisieren und nach Möglichkeitender Umsetzung zu suchen. ■

FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

44 FLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Helga Groz

■ Weshalb machen sich so vieleMenschen aus Afrika auf den Weg

nach Europa? Und warum auf solch ris-kante Weise? – Eine Projektgruppe desLeibniz-Gymnasiums in Östringen hat ei-nen besonderen Versuch unternommen,sich diesen Fragen zu nähern. Hinter-grundinformationen lieferten Flüchtlingeaus Togo, die zu den Projekttagen einge-laden waren.

Die Schülerinnen und Schüler haben dasSpannungsfeld Afrika – Europa, die riskan-ten Fluchtrouten durch die Wüste und überdas Meer, die Situation am Grenzzaunund das Leben in der Illegalität plastischnachgestellt, indem sie quer durch dasKlassenzimmer den Zaun von Melilla sym-bolisch nachgebaut haben. Eine Seitestellte Afrika und die für viele Menschendort bestehenden Existenznöte dar, dieandere Europa mit seinen Verlockungen,aber auch mit seinen widrigen Lebensbe-dingungen für Flüchtlinge. Der Zaun hattezwei Türen: eine illegale, durch die keine

sichere Ankunft garantiert war, und eineoffizielle. Dort haben drei »korrupte Be-amte« gefälschte Visa für Spanien ausge-stellt. Wer von den Besuchern durch die-se Tür nach »Europa« wollte, musste 50Cent bezahlen. Mit den Einnahmen hatdie Klasse ihre Auslagen für die Präsen-tation bestritten.

Die Realität ist unbeschreiblich, aber einganz kleines bisschen mulmig wurde ei-nem schon, wenn man ins Klassenzim-mer trat und sich plötzlich mit einemGrenzzaun konfrontiert sah. ■

■ Mitglieder, Spenderinnen und Spen-der wissen, dass PRO ASYL mit

ihren finanziellen Zuwendungen äußerstsorgfältig umgeht. Daher ist es für vielevon großem Interesse, eine wirkungsvolleund menschenrechtlich orientierte Flücht-lingsarbeit auch weit über den Tag hinausmit PRO ASYL abzusichern. Diese Auf-gabe erfüllt die STIFTUNG PRO ASYL.

Die STIFTUNG PRO ASYL wurde im Jahr2002 gegründet. PRO ASYL reagierte da-mit auf eine Vorgabe des Gesetzgebers,laut der Stiftungen Vermögen bilden unddessen Erträge im Sinne der Stiftungs-satzung einsetzen dürfen. Eine Stiftungkann daher rechtlich abgesichert die Ver-wendung der ihr anvertrauten Gelder lang-fristig planen und steuern. Damit istdurch die STIFTUNG PRO ASYL eine erfolg-reiche Flüchtlingsarbeit auf lange Sichtmöglich.

Insbesondere Menschen, die dem Schick-sal von Flüchtlingen tief verbunden sind,suchen in dem ein oder anderen Fallnach sehr individuellen Möglichkeiten, dieArbeit von PRO ASYL substanziell zu si-chern. So wurde der STIFTUNG PRO ASYLvor kurzem eine Immobilie vermacht. Ne-ben diesem Beispiel sind jederzeit vieleandere Formen der Unterstützung – unteranderem als Zustiftung, Vermächtnis oderauch als eigene Stiftung möglich.

Für alle, die am Einsatz der STIFTUNGPRO ASYL und eventuell auch an einempersönlichen finanziellen Engagement in-teressiert sind, haben wir nun ein neuesInformationsblatt aufgelegt. Sie könnenes mit dem Formular auf Seite 48 beiPRO ASYL anfordern.

Weitere Informationen finden Sie unter www.stiftung-proasyl.de.

Die STIFTUNG PRO ASYL: Alternative Zuwendungsmöglichkeiten für Interessierte

Grenzzaunim Klassenzimmer

Projekttage zum Thema Afrika

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BUNDESWEITE ORGANISATIONEN

AKTIONCOURAGE e.V.Kaiserstr. 201, 53113 Bonn

Tel.: 0228/21 30 61, Fax: 0228/26 29 78

Homepage: www.aktioncourage.org

E-Mail: [email protected]

amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.Büro Bonn: Heerstr. 178, 53111 Bonn,

Büro Berlin: Greifswalder Str. 4,

10405 Berlin

Tel.: 0228/98 373-0, Fax: 0228/63 00 36

Homepage: www.amnesty.de

E-Mail: [email protected]

Arbeiterwohlfahrt – Bundesverband e.V.Heinrich-Albertz-Haus, Blücherstr. 62/63,

10961 Berlin, Tel.: 030/26 309-0

Fax: 030/26309 -32 599

Homepage: www.awo.org

E-Mail: [email protected]

Die Beauftragte der Bundesregierung fürMigration, Flüchtlinge und IntegrationBundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1,

10557 Berlin, Tel.: 030/18 400 -1640,

Fax: 030/18 400 -1606,

Homepage: http://www.bundesregierung.de/

Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Beauftragte

fuerIntegration/beauftragte-fuer-integration.html

E-Mail: [email protected]

Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e. V.Lindenstr. 85, 10969 Berlin

Tel.: 030/25 89 88 91

Fax: 030/25 89 89 64

Homepage: www.kirchenasyl.de

E-Mail: [email protected]

Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.Nymphenburger Str. 47, 80335 München

Tel.: 089/20 24 40 13

Fax: 089/20 24 40 15

Homepage: www.b-umf.de

E-Mail: [email protected]

Connection e.V.Gerberstr. 5, 63065 Offenbach

Tel.: 069/82 37 55-34

Fax: 069/82 37 55-35

Homepage: www.Connection-eV.de

E-Mail: [email protected]

Deutscher Caritasverband e.V.Referat Migration und IntegrationKarlstraße 40, 79104 Freiburg

Tel.: 0761/200 -0, Fax: 0761/200 -755

E-mail: [email protected]

Deutscher FrauenratAxel-Springer-Str. 54a, 10117 Berlin

Tel.: 030/20 45 69-0, Fax: 030/20 45 69-44

Homepage: www.frauenrat.de

E-Mail: [email protected]

Der Paritätische – GesamtverbandFlüchtlingshilfe und MigrationssozialarbeitOranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin

Tel.: 030/24 636-330, Fax: 030/24 636-110

Homepage: www.paritaet.org

E-Mail: [email protected]

Deutsches Institut für MenschenrechteZimmerstr. 26/27, 10969 Berlin

Tel. 030/259 359-0, Fax: 030/259 359-59

Homepage:

www.institut-fuer-menschenrechte.de

E-Mail: [email protected]

Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekre-tariat – Team Migration und IntegrationCarstennstr. 58, 12205 Berlin

Tel.: 030/85 404-122, Fax: 030/85 404-451

Homepage: www.drk.de

E-Mail: [email protected]

Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.– Hauptgeschäftsstelle –Stafflenbergstr. 76, 70184 Stuttgart

Tel.: 0711/21 59-0, Fax: 0711/21 59-288

Homepage: www.diakonie.de

E-Mail: [email protected]

Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.Postfach 2024, 37010 Göttingen

Tel.: 0551/49 90 60, Fax: 0551/58 028

Homepage: www.gfbv.de

E-Mail: [email protected]

Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.Ludolfusstr. 2-4, 60487 Frankfurt/M.

Tel.: 069/71 37 560, Fax: 069/70 75 092

Homepage: www.Verband-Binationaler.de

E-Mail: [email protected]

Informationsverbund Asyl e. V. Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin

Fax: 030/46 79 33 29

Homepage: www.asyl.net

E-Mail: [email protected]

Interkultureller Rat in Deutschland e.V.Göbelstr. 21, 64293 Darmstadt

Tel.: 06151/33 99 71

Fax: 06151/39 19 740

Homepage: www.interkultureller-rat.de

E-Mail: [email protected]

Internationale Liga für MenschenrechteHaus der Demokratie und MenschenrechteGreifswalder Str. 4, 10405 Berlin

Tel.: 030/39 62-122, Fax: 030/39 62-147

Homepage: www.ilmr.org

E-Mail: [email protected]

Internationaler Sozialdienstim Deutschen Verein für öffentliche und private FürsorgeMichaelkirchstr. 17-18, 10179 Berlin-Mitte

Tel.: 030/62 980-403, Fax: 030/62 980-450

Homepage: www.iss-ger.de

E-Mail: [email protected]

Kirchenamt der EKDHerrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover

Tel.: 0511/27 96-0, Fax: 0511/27 96-707

Homepage: www.ekd.de

E-Mail: [email protected]

Komitee für Grundrechte und DemokratieAquinostr. 7-11, 50670 Köln

Tel.: 0221/97 26-930,

Fax: 0 221/97 26-931

Homepage: www.grundrechtekomitee.de

E-Mail: [email protected]

Kommissariat der Deutschen BischöfeHannoversche Str. 5, 10115 Berlin

Tel. 030/28 878-0, Fax: 030/28 878-108

Homepage: www.kath-buero.de

E-Mail: [email protected]

medica mondialeHülchrather Straße 4, 50670 Köln

Tel.: 0221/93 18 98-0,

Fax: 0221/93 18 98-1

Homepage: www.medicamondiale.org

E-Mail: [email protected]

medico internationalBurgstr. 106, 60389 Frankfurt/Main

Tel.: 069/94 438-0, Fax: 069/43 60 02

Homepage: www.medico.de

E-Mail: [email protected]

Netzwerk FriedenskooperativeRömerstr. 88, 53111 Bonn

Tel.: 0228/69 29 04, Fax: 0228/69 29 06

Homepage: www.friedenskooperative.de

E-Mail: [email protected]

ADRESSEN

ADRESSEN

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Ökumenischer Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche/Woche der ausländischen MitbürgerPostfach 160646, 60069 Frankfurt/M.

Tel.: 069/23 06 05, Fax: 069/23 06 50

Homepage: www.interkulturellewoche.de

E-Mail: [email protected]

pax christi-Bewegung, Sekretariat der deutschen SektionPostfach 1345, 61103 Bad Vilbel

Tel.: 06101/20 73, Fax: 06101/65 165

Homepage: www.paxchristi.de

E-Mail: [email protected]

PRO ASYLPostfach 160624, 60069 Frankfurt/M.

Tel.: 069/23 06 88, Fax: 069/23 06 50

Homepage: www.proasyl.de

E-Mail: [email protected]

TERRE DES FEMMESKonrad-Adenauer-Str. 40, 72072 Tübingen

Tel.: 07071/79 73-0, Fax: 07071/79 73-22

Homepage: www.frauenrechte.de

E-Mail: [email protected]

terre des hommes Deutschland e.V.Ruppenkampstr. 11a, 49084 Osnabrück

Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 0541/70 72 33

Homepage: www.tdh.de

E-Mail: [email protected]

UNHCR-Regionalvertretung für Deutschland,Österreich und die Tschechische RepublikWallstraße 9-13, 10179 Berlin

Tel.: 030/202-202-0, Fax: 030/202-202-20

Homepage: www.unhcr.de

E-Mail: [email protected]

UNO-Flüchtlingshilfe e.V.Wilhelmstr. 42, 53111 Bonn

Tel.: 0228/62 986-0, Fax: 0228/62 986-11

Homepage: www.uno-fluechtlingshilfe.de

E-Mail: [email protected]

Verband für Interkulturelle Arbeit VIAHochemmericher Str. 71, 47226 Duisburg

Tel.: 02065/53 346, Fax: 02065/53 561

Homepage: www.via-bundesverband.de

E-Mail: [email protected]

LANDESWEITE FLÜCHTLINGSRÄTE

Wer Informationen und Auskünfte benötigt,

Referentinnen und Referenten sucht, in Flücht-

lingsinitiativen mitarbeiten will, wende sich

bitte an die regionalen Flüchtlingsräte.

Baden-Württemberg: Flüchtlingsrat

Urbanstr. 44, 70182 Stuttgart

Tel.: 0711/55 32 834

Fax: 0711/55 32 835

Homepage: www.fluechtlingsrat-bw.de

e-mail: [email protected]

Bayern: Flüchtlingsrat

Augsburger Str. 13, 80337 München

Tel.: 089/76 22 34, Fax: 089/76 22 36

Homepage: www.fluechtlingsrat-bayern.de

E-Mail: [email protected]

Berlin: Flüchtlingsrat

Georgenkirchstr. 69-70, 10249 Berlin

Tel.: 030/24 34 45 76-2,

Fax: 030/24 34 45 76-3

Homepage: www.fluechtlingsrat-berlin.de

E-Mail: [email protected]

Brandenburg: Flüchtlingsrat

Rudolf-Breitscheid-Str. 164, 14482 Potsdam

Tel. + Fax: 0331/71 64 99

Homepage:

www.fluechtlingsrat-brandenburg.de

E-Mail: [email protected]

Bremen: Ökumenische Ausländerarbeit

Bremen, Berckstr. 27, 28359 Bremen,

Tel.: + Fax: 0421/80 07 004,

E-Mail: [email protected]

Hamburg: Flüchtlingsrat

c/o Werkstatt 3, Nernstweg 32-34,

22765 Hamburg

Tel.: 040/43 15 87, Fax: 040/43 04 490

Homepage: www.fluechtlingsrat-hamburg.de

E-Mail: [email protected]

Hessen: Flüchtlingsrat

Leipziger Str. 17, 60487 Frankfurt

Tel. 069/97 69 87 10, Fax: 069/97 69 87 11

Homepage: www.fr-hessen.de

E-Mail: [email protected]

Mecklenburg-Vorpommern: Flüchtlingsrat

Postfach 11 02 29, 19002 Schwerin

Tel.: 0385/58 15 790, Fax: 0385/58 15 791

Homepage: www.fluechtlingsrat-mv.de

E-Mail: [email protected]

Niedersachsen: Flüchtlingsrat

Langer Garten 23 B, 31137 Hildesheim

Tel.: 05121/15 605, Fax: 05121/31 609

Homepage: www.nds-fluerat.org

E-Mail: [email protected]

Nordrhein-Westfalen: Flüchtlingsrat

Bullmannaue 11, 45327 Essen

Tel.: 0201/89 908-0, Fax: 0201/89 908-15

Homepage: www.fluechtlingsrat-nrw.de

E-Mail: [email protected]

Rheinland-Pfalz: Arbeitskreis Asyl

Kurhausstr. 8, 55543 Bad Kreuznach

Tel. 0671/84 59 152, Fax: 0671/84 59 154

Homepage: www.asyl-rlp.org

E-Mail: [email protected]

Saarland: Flüchtlingsrat

Kaiser-Friedrich-Ring. 46, 66740 Saarlouis

Tel.: 06831/48 77 938

Fax: 06831/48 77 939

Homepage: www.asyl-saar.de

e-mail: [email protected]

Sachsen: Flüchtlingsrat

Henriettenstr. 5, 09112 Chemnitz

Tel.: 0371/240-12 32 /-46 88

Fax: 0371/35 52 105

Homepage:

www.saechsischer-fluechtlingsrat.de

E-Mail: [email protected]

Sachsen-Anhalt: Flüchtlingsrat

Schellingstr. 3-4, 39104 Magdeburg

Tel.: 0391/53 71 279, Fax: 0391/53 71 280

E-mail: [email protected]

Schleswig-Holstein: Flüchtlingsrat

Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel

Tel. 0431/73 50 00, Fax: 0431/73 60 77

Homepage: www.frsh.de

E-Mail: [email protected]

Thüringen: Flüchtlingsrat

Warsbergstr. 1, 99092 Erfurt

Tel.: 0361/21 72 720, Fax: 0361/21 72 727

Homepage: www.fluechtlingsrat-thr.de

E-Mail: [email protected]

ADRESSEN

Weitere Materialien finden Sie auf der nächsten Seite.

Bitte Absender/-in und Unterschrift nicht vergessen (Kein Postfach ! ).

Aktuelle Materialien immer unter www.proasyl.de.

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»STOPPT DAS STERBEN!MENSCHENRECHTE ACHTEN –

FLÜCHTLINGE SCHÜTZEN« TAG DES FLÜCHTLINGS 2008

_____ Expl. des Materialheftes zum Tag des Flüchtlings 2008(48 Seiten, DIN A4, 2,50 € pro Expl.,

ab 10 Expl. 1,50 €, ab 100 Expl.

1,25 €)

_____ Expl. des Plakats zum Tag des Flüchtlings 2008Format DIN A3 (0,20 € pro Expl., ab

10 Expl. 0,15 €, ab 100 Expl. 0,10 €)

_____ Expl. des Aufrufs mit Unterschrif-tenliste »Jahr für Jahr TausendeTote an Europas Grenzen – Stopptdas Sterben!« (kostenlos)

CD/DVD

_____ Expl. der CD »ON THE RUN« (11,80 € pro Expl. inkl. Versand)

_____ Expl. der DVD »LET’S BREAK –Adil geht« von Esther Gronenborn

(Label: Neue Visionen, 2005,

96 min. plus Bonus-tracks,

Dolby Digital 2.0, 14,00 € pro Expl.)

_____ Expl. der DVD »Zusammenprall derZivilisationen« Ereignisse in Melilla

(Spanien) im Jahr 2005 (Produktion:

PRODEIN, 35 min., Melilla 2005, Dt.

mit span. UT oder franz./span. UT,

12,00 € pro Expl.)

_____ Expl. der DVD »Leben im Zwischen-raum« ein Film über den Alltag von

Flüchtlingskindern in Deutschland,

von Mischa Wilcke und Patrick Protz

(2007, ca. 30 min.,8,00 € pro Expl.)

EUROPÄISCHE ASYLPOLITIK

_____ Expl. der Broschüre »The truthmust be bitter but it must be told«Oktober 2007 (44 Seiten, DIN A4,

5,00 € pro Expl., ab 10 Expl. 4,50 € )

_____ Expl. der Broschüre »Flüchtlinge im Verschiebebahnhof EU«März 2008 (56 Seiten, DIN A4,

4,00 € pro Expl., ab 50 Expl. 2,50 €,

ab 300 Expl. 1,50 €)

_____ Expl. der Broschüre »Verantwor-tung lässt sich nicht abschieben«März 2006 (31 Seiten, DIN lang,

kostenlos)

ASYL IN DEUTSCHLAND

_____ Expl. der Broschüre »Widerrufs-verfahren«, Zahlen, Fakten & Hintergründe, Rechtliche Grund-lagen, Praktische Erfahrungen;

August 2005 (59 Seiten, DIN A5,

1,00 € pro Expl.)

_____ Expl. des Faltblattes »Die irakischeFlüchtlingskatastrophe«Mai 2007 (DIN A4, gefalzt, kostenlos)

_____ Expl. des Faltblattes »Flüchtlingevor Gericht«, Beispiele für den

Rechtshilfefonds November 2007

(DIN A4, gefalzt, kostenlos)

_____ Expl. der Postkarte »Für Flüchtlinge hat Deutschlandunzählige Grenzen.« (kostenlos)

_____ Expl. der Postkarte »Es wird gegessen, was vom Amt kommt.« (kostenlos)

UNTERRICHTSMATERIAL

_____ Expl. der CD-ROM »Unterrichts-material zum Thema »Bleibe-recht« für die Klassenstufen 6 -13,

Oktober 2005 (5,00 € pro Expl.)

_____ Expl. der CD »Hier geblieben«,Songs aus dem Theaterstück »Hier geblieben« (4,00 € pro Expl.)

_____ Expl. der DVD »Hier geblieben«,Filmdokumentation über die Aktivitäten des Aktionsbündnisses»Hier geblieben« (5,00 € pro Expl.)

BÜCHER

_____ Expl. des Taschenbuches »Grundrechte-Report 2008«,

Hg.: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh,

E. Steven, J. Kühn, J. Micksch,

W. Kaleck, M. Kutscha, R. Gössner,

U. Engelfried. Fischer Taschenbuch

Verlag, Mai 2008 (ca. 250 Seiten,

9,95 € pro Expl.).

_____ Expl. des Buches »Recht für Flüchtlinge«Ein Leitfaden durch das Asyl- und

Ausländerrecht für die Praxis von

Hubert Heinhold, Hg.: PRO ASYL,

von Loeper Literaturverlag,

6. vollständige überarbeitete Auflage

2007, September 2007

(328 Seiten, 16,90 € pro Expl.)

_____ Expl. des Medienpakets »DISPLACED – Flüchtlinge anEuropas Grenzen« von Leona

Goldstein, Hg.: PRO ASYL,

von Loeper Verlag, Dezember 2007

(128 Seiten Fotobuch, 29,90 €

pro Expl.)

DVD Bestandteil:»Au clair de la lune«

Dokumentarfilm Bukina Faso,

Elfenbeinküste, Mali, 40min;

»Le Heim«, Dokumentarfilm

Deutschland, 16 min.

Alle Preise zzgl. Versandkosten(außer CD »ON THE RUN«)

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BÜCHER

_____ Expl. des Buches »Sozialleistungenfür MigrantInnen und Flüchtlinge«Handbuch für die Praxis von

Georg Classen, Hg.: PRO ASYL,

von Loeper Verlag, 1. Aufl. 2008

(304 Seiten, 14,90 € pro Expl.)

_____ Expl. des Buches »Zähle die Tage meiner Flucht« Gottesdienst-

materialien, Gebete und Impulse

zum Themenfeld Flucht und Asyl

(Hg.: F. Dethloff und V. Mittermaier

in Zusammenarbeit mit der BAG Asyl

in der Kirche und PRO ASYL e.V.,

von Loeper Verlag, Juni 2008

(ca. 135 Seiten ca. 12,90 € pro

Expl.)

_____ Expl. des Buches »Ende einerRettungsfahrt – Das Flüchtlings-drama der Cap Anamur« von Elias

Bierdel (Verlag Ralf Liebe, September

2006, 229 Seiten, 19,80 € pro Expl.)

_____ Expl. des Buches »Vom Fliehen undAnkommen« Flüchtlinge erzählen

(Hg.: PRO ASYL e. V., von Loeper

Verlag, September 2006, 142 Seiten,

19,90 € pro Expl.)

_____ Expl. des Buches »Wer bestimmtdenn unser Leben? Beiträge zurEntkriminalisierung von Menschenohne Aufenthaltsstatus«,

Hg. Klaus Jünschke und Bettina Paul,

PRO ASYL; von Loeper Verlag 2005

(254 S., 16,90 € pro Expl.)

_____ Expl. des Buches »Der ersteAugenblick entscheidet – Clearing-verfahren für unbegleitete minder-jährige Flüchtlinge in Deutsch-land«, Hg.: A. Riedelsheimer u.

I. Wiesinger, von Loeper Verlag 2004

(135 Seiten, 13,50 € pro Expl.)

_____ Expl. des Buches »Abschiebungs-haft in Deutschland«, von Hubert

Heinhold, 2. Auflage, Hg.: PRO ASYL,

Republikanischer Anwältinnen-

und Anwälteverein, Januar 2004

(346 Seiten, 19,90 € pro Expl.)

_____ Expl. des Taschenbuches »Book of Solidarity. Unterstüt-zung für Menschen ohne Papierein Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Großbritan-nien«, Hg.: PICUM, PRO ASYL und

Freudenberg-Stiftung, 2004

(156 Seiten, 10,00 € pro Expl.)

_____ Expl. des Karikaturenbuches »Herzlich Willkommen«,

mit Karikaturen von Gerhard Mester,

Thomas Plaßmann, Klaus Stuttmann,

Hg.: PRO ASYL, September 2002

(100 Seiten, 8,00 € pro Expl.)

ÜBER PRO ASYL

_____ Expl. der Broschüre »Jede Fluchtist ein Zeichen. Die Arbeit des Fördervereins PRO ASYL«,

DIN A4, 12 Seiten, kostenlos

_____ Expl. des Faltblattes »Letzter Aus-weg Flucht. Helfen heißt Handeln«,

Dezember 2004 (DIN lang, kostenlos)

_____ Expl. des »Tätigkeitsberichtes PRO ASYL 2007/2008«,

Juli 2008 (DIN A5, kostenlos)

STIFTUNG PRO ASYL

_____ Expl. der Broschüre »Es ist Ihre Entscheidung«,

Ratgeber rund um das Thema Erben

und Vererben, Januar 2004

(DIN A4, 15 Seiten, kostenlos)

_____ Expl. des Flyers »Schutz und Hilfe für verfolgteMenschen. Heute und morgen«April 2008 (DIN A4, gefalzt, kostenlos)

Alle Preise zzgl. Versandkosten

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Unterschrift _________________________________________________________________✗Bitte zurücksenden an Förderverein PRO ASYL e.V., Postfach 160624, 60069 Frankfurt/M.Oder per Fax an: 069-230650

IMPRESSUM

Hrsg.: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.Oldenburger Str. 25 • D-24143 KielT. 0431-735 000 • www.frsh.de • [email protected]: 152 870 • EDG-Kiel • BLZ 210 602 37

Das PRO ASYL-Heft zum Tag des Flüchtlings 2008 erscheint in Schleswig-Holstein als Nr. 44 des flüchtlingspolitischen Magazins Der Schlepper.

Redaktion der Schleswig-Holstein-Beilage: Andrea Dallek, Martin Link (V.i.S.d. P.)

ISBN: 3-9811429-9-3 978-3-9811429-9-0Der Schlepper im Internet: www.frsh.de/schlepp.htm

DER FLÜCHTLINGSRAT SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V.

■ versteht sich als landesweite, parteiunabhängige und demo-kratische Vertretung derjenigen, die sich für Flüchtlinge und Ausländer in Schleswig-Holstein einsetzen,

■ koordiniert und berät die Arbeit von Flüchtlingsinitiativen und fördert das Verständnis für Flüchtlinge und Ausländer in der Öffentlichkeit,

■ setzt sich politisch für die Rechte der Flüchtlinge und die Ver-besserung ihrer Lebensverhältnisse ein, durch Kontakt mit derRegierung, Verwaltung und parlamentarischen Gremien in Schleswig-Holstein,

■ arbeitet bundesweit eng zusammen mit der ArbeitsgemeinschaftPRO ASYL e.V. und den anderen Landesflüchtlingsräten.

AN DEN FLÜCHTLINGSRAT SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V.

Oldenburger Str. 25 • 24143 KielTel.: 0431-735 000 • Fax: 0431-736 077Email: [email protected]

Ich interessiere mich für die Arbeit und bitte um weitere Informationen.Ich möchte Mitglied beim Flüchtlingsrat werden und hiermit meinen Beitritt erklären:

als individuelles Mitgliedals delegiertes Mitglied der Gruppe/Organisation:

________________________________________________________

Mein jährlicher Mitgliedsbeitrag beträgt:den Regelbeitrag von 18,40 Euroden ermäßigten Beitrag von 9,20 Euro den mir genehmen Beitrag von ________________ Euro ich beantrage eine beitragsfreie MitgliedschaftIch ermächtige den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. diesen Beitrag von meinem Konto abzubuchen.

Konto-Nr.: _________________________________________________________

BLZ: ______________________________________________________________

Bankverbindung: ___________________________________________________

Absender: _________________________________________________________

Name: ____________________________________________________________

Anschrift: _________________________________________________________

Telefon/Fax: _______________________________________________________

E-mail: ____________________________________________________________

Datum: ___________________________________________________________

Unterschrift: _______________________________________________________

PRO ASYLFörderverein PRO ASYL e.V.

HERAUSGEGEBEN ZUM TAG DES FLÜCHTLINGS AM 3. OKTOBER 2008

Herausgeber: PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge

mit freundlicher Unterstützung von: Deutsche Stiftung für UNO-Flücht-

lingshilfe e.V., Deutscher Caritasverband e.V., Interkultureller Beauftragter der

Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Interkulturellen Woche/Woche der ausländischen Mitbürger (28. September bis 4. Oktober2008) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Öku-menischen Vorbereitungsausschuss zur Woche der ausländischen Mit-bürger vorbereitet.

Bei PRO ASYL arbeiten mit: Javad Adineh, Frankfurt/M.; Veronika Arendt-

Rojahn, Berlin; Karin Asboe, Düsseldorf; Herbert Becher, Bonn; Günter Burk-

hardt, Frankfurt/M.; † Jean-Claude Diallo, Frankfurt/M.; Julia Duchrow, Berlin;

Sigrid Ebritsch, Hannover; Winfrid Eisenberg, Herford; Wolfgang Grenz, Bonn;

Hubert Heinhold, München; Jost Hess, Weiden; Volker M. Hügel, Münster; Hei-

ko Kauffmann, Düsseldorf; Stefan Keßler, Berlin; Herbert Leuninger, Limburg;

Andreas Lipsch, Frankfurt/M.; Harald Löhlein, Berlin; Dr. Jürgen Micksch,

Darmstadt; Siegfried Müller, Büdingen; Victor Pfaff, Frankfurt/M; Albert Rie-

delsheimer, Donauwörth; Dirk Sabrowski, Bonn; Joachim Schäfer, Wetzlar; An-

dreas Schwantner, Neu-Isenburg; Hans-Dieter Walker, Berlin; Gunnar Wörpel,

Bonn.

Behrouz Asadi (Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz); Bernhard Dahm (Saarländi-

scher Flüchtlingsrat); Brigitte Derendorf (Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen);

Stephan Dünnwald (Bayerischer Flüchtlingsrat); Judith Gleitze (Flüchtlingsrat

Brandenburg); Cornelia Gunßer (Flüchtlingsrat Hamburg); Grit Gurol (Flücht-

lingsrat Sachsen-Anhalt); Doreen Klamann (Flüchtlingsrat Mecklenburg-

Vorpommern); Martin Link (Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein); Angelika von

Loeper (Flüchtlingsrat Baden-Württemberg); Britta Ratsch-Menke (Verein Öku-

menischer Ausländerarbeit im Lande Bremen); Ingrid Röseler (Flüchtlingsrat

Thüringen); Timmo Scherenberg (Hessischer Flüchtlingsrat); Johanna Stoll

(Sächsischer Flüchtlingsrat); Jens-Uwe Thomas (Flüchtlingsrat Berlin); Kai

Weber (Flüchtlingsrat Niedersachsen).

Berater: Dr. Gottfried Köfner, Berlin

Ständige Gäste: Christel Gutekunst, Berlin; Hans-Dieter Schäfers, Freiburg

Redaktion: Kerstin Böffgen, Angelika von Loeper, Günter Burkhardt

Redaktionsschluss: April 2008

Layout: Wolfgang Scheffler, Mainz; Herstellung: VARIO Medienproduktions

GmbH, Flinschstr. 61, 60388 Frankfurt/M.; Titelbild: Dieter Klöckner/Peter

Schäfer, Frankfurt/M.; Titelfoto: Olivier Jobard, Sipa Press

Fotonachweis: Elias Bierdel: S. 4; Kerstin Böffgen: S. 30; Günter Burkhardt:

S. 2, 6; Andrea Dallek: S. 27; Udo Dreutler: S. 37; dth.com: S. 13; Stephan

Dünnwald: S. 18; Flüchtlingsrat Berlin: S. 28, 29; Birgit Geiger: S. 3 oben links

und Mitte; Leona Goldstein: S. 20; Kid Graebling: S. 32; Helga Groz: S. 44;

Andrea Huber: S. 42, 43; Bernhard Karimi: S. 24; Ellen Könneker: S. 39;

Karl Kopp: S. 5; Andrea Kothen: S. 33 unten; Sven Lüders: S. 33 oben; José

Palazón Osma: S. 3 oben rechts, 7, 10 -12, 14 -17, 19, 40; PRO ASYL: S. 31;

Myriam Thyes: S. 8; Angelika von Loeper: S. 36

Förderverein PRO ASYL e.V.Postfach 160624 · 60069 Frankfurt/M.Telefon: 069/23 06 88 · Telefax: 069/23 06 50www.proasyl.de · E-Mail: [email protected]. 8047300, Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 370 205 00IBAN: DE62 3702 0500 0008 0473 00 · BIC: BFSWD33XXX