Der Spiegel 1964

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AUSTAN0__

OSTBI.OC K

NATJONAI-KOMMUNISMUS

On the sunny side{siehe Titelbiid-}

| )cilmuit auI den Fingetndgeln.I Z) klarn i,u I den Lippen. enlsteigtder hochbeinige Tlven

-imozelot-ge-

sprenkelten Bikini mit Farah-Diba-Frisur den Fiuten des Sirandbades, lli8tsich neben einem Kof{erradio ia einenLiegestuhl fallen und ziehi mit geiibterHand den Lidstrich in der Ar-lgenhdhlenach. An diesern Abend mull die Landes-polizei den in die Stadt zuriickfiie8en-den r\utostrom des Jl'ochenendver]<ehlsei:stmals von llubschraubeln aus diri-gieren.

So gesdrehen in diesen Sorrmer-icht zr.,.ischen Travemiinde und l{arn-

burg. sondern (am 21. .Tuni) zr.vlschenPlattensee und Budapest in der hommn-

nistischen Volksrepublik Ungarn.,4.u1 den-r Weg zur Frrihmesse in dei:

Johannes-Kathedrale werden der durch-reisende US-Justizministei' RoberiKennedl-. Bruder des toten Prisidenten,und seine Frau E,thel. Mutter' \ion achtKindern. von 3000 Kennedy-Fans um-ringt. die im Chor singen: ,.Er mrigehtindert Jahre leben. . . ". und die erstRr-lhe geben. a1s das Ehepaar l(ennedrvzu einer Kurz-Ansprache auf das Dachseiner Limcusine klettert-

So geschehen in diesem Scmrner-icht im irischen Stanmland der Kenne-

dys, sondern (am 28. Juni dleses .Iahres;ln Warschari in der koromunistischenVolksrepublik Po1en.

Da-s tfiibe Deckenlicht erlischt: ein

Spot-Sctreinn'erfer strahlt auf das Phc'tcdes haibnackten amerikanischen Beat-nik-Dichters A11en Ginsberg. An dentrVdnden hangen monstrrise Draht-verhau-Plastiken; aus einem Laut-sprecher dringen metallische Gereusdxe.Ein Beainik in Sandalen und Ringel-hemd erklimmt das Podium. driicktseine Zigarette aus und zitiert llitheiserer Siimme Ginsberg-tr-1'rik;,.WleMajakcrvsklt+ Selbstrncrd beging. umF"ufiiand zu meicien."

So geschehen in dleseirr Soirmer-icht ina ]r{era' Yorker Kunstiervier:tel

Greenrvich Village, sondern {am 1?. Junidieses Jahres) in der Plager WeinstubeXriola in der kommunistischen Tschecho-slos.akei.

Die I,iS-Regierung hat elner au-sldnrii-schen 1\{acht dle Lierer ung von z\\ o!

Atomkraft*'erken (ie 500 000 Kiloq'attLeistung; zr-lgesagt. und .,1'enige Wochendanach. arn 28. Juli. empfing Flank-reidrs Gerreral-Staatschef Charies rieGaulle den Regierungsctrel .jener Nationim El.r's€e-Pa1ast. Der Franzose be-schlyol die,.ethnlsche Verbundenheit"za'ischen beiden Vriikern: ..Wir als la-teinische Eriider." Der Besucher liiihelte.

So geschehen in diesem Sommel-icht aus der- -vestlichen Hemisphiirer

stamn-rte der lateinische tsruder undAtomkraftu'erk-Empfdnger, sondernaus Bi-lkarest: Ion Gheorghe Maurer.61, Ministerpr6sident der kon-lrnunisti-schen Volkslepubiik Rurnanien.

'Junge R[rm5n€n ald voikseigenerl ${olor-l:cler'1 t lr dern PfesiehDlli a:{: G-.m ,tsLt-karester ScintEia-P1atz: iiniis: t,enin*DeDk-mai.

1'+ Wladilnir Majakotvsli{' (1394'Dis 1S30). so-s'.i rti:ehei Rel'olutioils-Dichtef .

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In diesem langen hei8en Sommer'. der'Amerika an den Abgrund des Birrger'-kriegs zlvischen ScLrwarz und WeiB ge-triekren irat. spielt sictr hinter dem Elser-nen Vorhang im Satelliten-Reich der9,6rn'jgt-Union ein nicht so blutiges, abernicirt weniger ungeheuerliches Dramaab: Der Ostblock zerbrricl<elt und zer-f:illt. lvird von innen zersetzt und dchztunter Spannungen, gegen die der Kom-munismus kein Rezept kennt.

Was Amerikas ermoldeter FldsiCentJohn F. Kennedy zu seinen Lebzeitena1s erster Staatsmann des Westensprophezei.te: ..Wir r.l'erden in diesernJahrzehnt den Zeliall des Ostblocks

erleben". ist Gegenwart ger'vorden.Ii-n ehen-ialigen Konigsschlo8 von

Wilanor".' i:ei Y,/a,rschau beugte sichNikita Chruschtscleow letzten Monat beieinem Besuch in Polen den For:derungenseiner Satelliten-Flilsten: Der Kreinlr*riil das noch 1957 und 1960 verkiindeteDogma von der ..fiihrenden Ro1le derso.,t'jei-l'nion" fallenlassen und d.eGleichberechtigung ailer konrrr;;nisti-schen Parteien anerkennen,

,,Es gibt keinen kommunigtisclaenBioci< mehr", verkiindete FrankreichsGeneral-Staatschef de Gaulle. .,sondernnur noch kommunistische Ldnder." trnallen Satelliten-Staaten hat der Natio-nalkorrrmunismns sein Haupt erhoben.Und nur in dem chinesischen Vorpostenhlbanien und der Zone des Moskau-htirigen Ulbricht ist die kommunistischeWirklichireit noch frei I'on westlich-europ5ischen Einfliissen.

Eln Territorium zrvischen Ostsee r-rndSchwarzem Meer, so grol3 r.vie die Bun-desrepultrlik und Frankreich zusammen{fast eine Million Quadratkilomeier),bevrohnt von 120 Miilionen Menschen,

das nach Ende ','on Weitkrieg Itr ii-nIvliindungsfeuer der Exekr-rtlonskone-rna.ndos zu einem monolithlschen BioclizusarnmengeschlveiBt n'urde. zeridiliu ieder in seine Einzelteile.

i> Politisch wird der Umbrurh dui'cheine neue Flihrungsschich,i verkor-pert: Die im TroB der Roten Armeelir ihi'e Lbnder heimgekehrten Mos-kau-Emigranten

-Bierut in Polera,

RSkosi und Gerrj in Ungarn. Anna

Wochenende in Ungorn {Plciiensee} ,,,Wie schmeckt Coccr-Colo?"

Polen'Besr;clrer-Kennedy in Worschsu; ,,Es gibt keinen komnrunisiisciren Biock irel r

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ACF{T KON4MUTd!STISCt-{E STAATEN

rnlt insgesomt 120 Millionen Einwol'inei'n, deren Grenzen nur noch teilweiseder 1919 in Versoilles geschoffenen Osieuropo-Ordnung entsprechen. bilden

heute zwischen Ostsee und Mittelmeer einen ideologischen Flickenteppich,der von den bijndnislosen Jugoslowen bis zu Cen pro-chinesischen Albonernolle kommunistischen Scholtierungen enthcilt:

Alhcnien, 29 000 qkm; 1,8 Mill. Einwohner; KP-Chef : Enver Hodscho; Regie-rungschef : Mehmet Shehu; Streitkrofte: 35 000 Monn-

Buigcrien. 110000 qkm;8 Mill. Einrarohner; KP- und Regierungschef: TodotSchiwko{f ; Streitkrcifte: 155 000 Monn.

DER, 108000 qkm; 17 Mill. Einwohner; Stqats- und Pqrteichel: Wolter Ulbricht;Streitkrcif te: 115 000 Mqnn.

lugoslowien,256000 qkm;19 Mill. Einwohner; Stocts- und KP-Chef: JosipBroz-Tito; Streitkrcifte: 300 000 Monn.

Polen, 208 000 qkm; 31 Mill. Einwohner; KP-Chef : Wlodyslow Gomuiko;Regierungsch ef -. J6zel Cyronkier,vicz; Streitkrcitte: 257 000 Monn.

Runriinien, 238 000 qkm; 19 Mill. Einwohner; KP-Chef : Gheorghe Gheorghiu-Dej; Regierungschef : lon Gheorghe Mourer; Slreiikrc!fte: 227 000 Monn.

Tsthechoslowokei, 128 000 qkm; 14 Mill. Einwohner; KP-Chef : AntoninNovotny; Regierungschef : lozef Lencrt; Streitkrcifte: 185 000 Monn.

tlng<rrn, 95 000 qkm; 10 Mill. Einwohner; Porlei- und Regierungschef : )6nosK6d6r; Streitkrcifte: 99000 Msnn.

AUSLAfiD---_

geduldeter Patriolisn-rus dcch keinel'remdherrschaf t zr-i.

Folens Nationalkornn-runist Wiadysiar,r'Gon-rulka, im April 1956 auf frelen Fu[Jgesetzt, verkiindete: ,,Die Russen durfenunser Land nich,t ais 16. Sowjetrepublihbehandeln."

Zrvei Monate sp:iter zogen in Posen

polnische Arbeiter aui die Stral3e:,,Schlu6 mit der Sowjetbesatzung !"Gomulka iibernahm die Macht. NachJugoslar,vien rvar die zrveite national-kommunistische Revolution gelungen.Und d.er Sturmrvind der Geschichte trugdas Feuer weiter, nach Ungarn.

Zr,var n'urde in Budapest im Herbst1956 der Aufstand des Volkes von russi-schen Panzern noch einmal in Blut er-stickt, rveil rn'eltpolitische Interessender Sowjet-Union auf dem Spiel stan-den. Aber auch in Ungarn vollzogsich mit Einwilligung Nloskaus dieMachtergreifung de]: Nationalkommu-nisten. Um die Lage zu stabilisieren.setzte Chruschtschor.v als Regierungs-chef den Ex-Partisanen und Stalin-Hdft-

ling J6nos K6d5r ein, der kein WoriRussisch spricht.Der einst n-ionolithische Ostblock tvies

d.ie ersten Risse auf. Da begann Mos-haus Ringen mit Pei<lng um die Fiihtr-ingder Weltrevolution. und im Kampf derTitanen zerbrach der Rest der Kreml-Herrschaf t im Satelliten-Reich.

Wahrend Albaniens Stalinist EnverHodscha zurn ersten Pekinesen Europasrvulde. ersetzte die ehemalige Dienst-boten-Nation Europas, die Tschecho-slowakei, ihren Ministerprdsidenten,den Ex-Emigranten Vitiam Sirokl',durch den trx-Partisanen Jozef Lenart.Und r-rngleich lautloser als Polen unc{Ungarn, abel lvomdgllch noch rigoroser.schiittelte jetzt Rumdnien die sorvje-tische Vcrmundschaft ab.

Schon w:ihi:end der l{uba-Krise -ro;:

zu.ei Jahren hatte die rumdnische Regie-rung in Washington gefragt, ob die USAbereit wdren, Rumanien im Fa11e einessorvjetisch-amerikanischen Krieges ais

,,neutra1" anzusehen.Gleichzeitig begann die rumdnische

Regierung entgegen ausdrr.ickllcherComecon-Order den Ausbau des Landeszum modernen Industriestaat mit rn'est--ticher Hilfe. Die Regierung rief B00

rvesteuropAische Ingenieure ins Landund kaufte a11ein im vergangenen Jahlfiir 1.6 Mitiiarden Mark irn Westen ein.Aile Sor'vjet-Divisionen zogen ab.

In der rumAnischen Armee macht dieantisowjetische SAuberung auch vor den

Ehebetten niclet halt. JederOffizier,

der nach 1945 eine Russin geheiratet hat.so1l sich scheiden lassen oder den Dienstquittieren. Rund 10 000 politische Hdft-linge rvurden in den letzten Monatenaus den GefAngnissen entlassen.

Statt russischer Geisteshelden feierrdie run-rdniscleen Kulturfunktiontireheute den Pariser Avantgardisten des

absurden Theaters Eugdne Ionesco (,,Die

Nashorner") als literarischen Hero:ihrer Nation. Anstelle der Stachanow-Standbilder prelsen sie den 1957 in Parlsverstorbenen modernistischen BildhauerConstantin Brancusi a1s gro8en Sohndes Volkes.

,.Es gibt keine und kann auch keineVater-Sohn-Parteien geben, keine Par-

teienerster und zweiter Ordnung", sc

clrohte Rumiiniens KP in diesem Frtih-jahr in einer 10 000-Wtirter-Erkliirungdem Kreml: ,.Es gibt nur eine gro6e

Farniiie der gleichberechtigten komneu-nistischen Arbeiterparteiera."

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AUSIAND

der Beginn r,var. eine Art kommunisti-scires Commonu.'ealth gtreichberechtigterStaalen zri begriinden.

Die Voraussetzungen dafrir hat NikitaChruscirtschow selbst geschaffen. Nadtdem Tode Stalins suchte Chruschtschowdem Kommunismus neue Impulse zugeben. Der Kommunismus war zwar alsstaatliche Organisationsform {iir unter_entwickelte

Nationen noch attraktiv. Inaufgekltirten Industrienationen abertaugte die rrerstaubte philosophischeLehre des Dr. Karl Marx aus delrr ver*gangenen JaLrrhundert nicht liinger a1sErsatzreligion. Stalin hatte das pioblemgelcist, indem er alle kommunlstischenUntertanen elnem Terror-Regime u.nter_warf, vor dem es kein Entiinnen gab.

Chruschtschow und seine Genossen-waren giewillt, d-en Terror zu brechen:sie erscht.r.sen dessen per.son ilizierung.49" Geheimpollzisten Beriia. Ab;Chrr-rschtsckrow war sicir zugleigh klar,da6 er nun den Kommunismus auf eineneue Basis stellen mu8te: Er unternahmden Versuch der Wiederherstellung vonRechtssicherheit und Menschenririrdeim russischen Reich.

Zur Menschenwrirde gehrirte: mehrGeistesfreiheit ftir die Tnteiligenz, hdhe_rer Lebensstandard fiir die Massen. InRu8land. gelang das Experiment, diekommunistische Lehre dem Zeiigeista_nzupassen, Cer lr,reltweit auf bi"irger_iichen rl/ohlstand und individu-e'ilenLebensgenu8 gerichtet ist. Fiir die ost*europ:iischen Satelliten-Staaten war esjedoch ein gefehrliches Rezept. DennGeistesfreiheit hielS dcrt: Besinnu.ngauf westliche Kultur. Und hcihereil-ebensstandard beinhaltete: Vergleichmit westlichem Luxus. Mit Genossenaber, die Kafka lesen und Opel fahrenmdchten, ist kein dlktatorischer korn-munistischer Staat mehr zu machen.

In den lebenshungrigen Metropolenan Moldau, Weichsel und Donau warenbei Ausbruch des Krieges die Lichterausgegangen. Und als sie im Westenwieder aufflammten, blieb es in denI{auptstddten Osteuropas dunkel.

Baid Ahneite Budapest mehr Charkou,-als Paris; die einst ,,goldene Stadt,, pragglidr den traditionslosen Industrie-slddten in der Sowietukraine: dasslumpfe Gt'au, das War.schau einhiillle.Iturde nul von Parlci-Transparenten.Crpsmonumenten [,nd. roterr SowjetsLer-nen durchbrochen.

Heute schwingen au-f den Tennispldt-zen von Bukarest junge Mdnner inPerr3r-lism4pn wied.er. Dunlop-.Schkiger.

Jugendliche in Bukorest, prog; Mit

Im Pa,latinr,rs-Bad. auf der BudapesterMargareteninsel tummeln sich Hunderteiunger Mddchen in Bikinis und mit ge-lackten Ful3n:igeln, wdhrend bereits amVormlttag Twist aus dem Radio schallt.

In Sofia lassen Ladenbesitzer ihr-^Anziige rvieder Jreirrr MaBschneider an-fertigen; im Prager Hotel ,,Jalta,, tragendie Kellner wieder Fracl< und Smoking.Uber dem Bukarester Boulevard ,,BaI-cescu" locl<t der Busen Sofia Lorens die '

Rumdnen in den Film ,,Madame Sans-G€nes". Und im Prager Nachilokai,,A1hanbra" am Wenzelsplatz triiliern

sechs Chorgiris, rr,'iihrend sie in pariserRevuekostdmen durch das parkett zie-hen, den ,,My Fair La,Cy,,-Song: ,,Icould have danced a1l night.,,

Der Ostblock hat den Sex entdeckt.Die Tirelbilder der meisten komrlunisti-schen Illustrierten zeigen, genau .,vie inWestdeutschland, we,ibliche Reize. DieStrip-tease-Vorftihrungen in Budapestkdnnten unverAndert ins prograhmvom ,,Crazy Horse" in Paris iibernom-men werden. In den Ausldilderhotelsailer osteuropdischen Metropolen ste-hen soziaiisiische Playgirls zur Verfi_i-gung. Und als die Photographen desUS-Magazins ,,Playboy,, aufbrachen,rrm in diesem Frr-ihjahr pin-up-pholos

vcn jenseits des Eisernen Vorhangs zuerlangen, hatten sie in Warschar,i undBudapc,et

-im Gegensatz zu Rulj-

land-

Mr-ihe, den jungen l\dodeli-Darnen klarzumachen, daf3 man auchin U,sA nicht a,lles r'ercjffentiichen kann,

Amerikanische, itali.enische und fran-zcisische Fil.me haLren die Moskauer Zel-luloid-Produktion fast vcillig verdrdngt.In Warschau und Budapest hhngenwestliche Zeitr-rngen in rjffentlichen Lese_hallen. Die Theatei: im Ostblock spielenfast alle modernen u'esilichen Stucke,von Osbornes,,Entcltainer.. bis Iones-

cos ..Nashcirner". In prag wird FranzKafka-

noch im vergangenen Jahr ein,,unerrviinschter Autor,,

-aufgeftihrt,

und prompt lief Edward Albees Strick,,Wer hai Angst vor Virginia Wooif?,, inder Tschechren-Hauptstadt unter dernTltel ,.Wer hat Angst vor Kafka?,.. Aufungarischen Hochschulen u/ird keinproietarischer Ahnennachweis rnehrveriangt.

Die Nlode ist bei Goldsand-aien undbeim nahtlosen Nylonstrumpf angelangt.Vor der alten Prager Gaststritte .,ZumKeich", wo sich einst der Ar-rtor des,,braven Soldaten Schrvejk,,. JaroslavHaSek, sc-ne Rritrsche altl rank. bleibenhcute dic Ptenrrigabsrirze r.orbeihaslerr-

Pilzkopfen und Goldscrncjolen

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Beotle-Bond, Twist-Tdnzer in Prog; Bei l-iu1ly-Gully rncl Mcrdisc,n

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und mit dem elementarsten Grundsatzjeder Musik brach: dem konkreten Ton.

Der Komponist schrieb den Streichernnur vor, .,so hoch wie rnciglich" oder ,,inmittlerer Lage" oder ,,auf der anderenSeite des Stegs" zu spielen. Er legte nurfest, wie die Tdne zu spielen sind -icht, welche gespielt werden sollen.

Absurd, selbst fiir rvestliche Begriffe,aber bezeichnend fiir den Zuschnitt dercistlichen Avantgardisten, die glauben,zu lange Versiiumtes im Exze8 nach-holen zu mtissen.

Die gleiche Unrast hat die Jugend'aller osteuropdischen Staaten erfaBt.

Unbewu8t hat sie bel der Aufl.risung desOstblocks von i.nnen eine Star-Rolleiibernommen.

So wie die Schlachten zwischen Modsund Rockers in England im Grunde nurein Aufbegehren gegen die Langeweileder bestehenden Gesellsctraften sind, sosuchen Teenager und Twens der Volks-demokratien im Rhythmus von Twist undHully-Gully die Fesseln der Ordnungzu sprengen, in der sie aufgewachsensind. Ihre iiberkommene Ordnung aberist der Kommunismus. Und wie einstim Dritten Reich die unpolitisdre Swing-Jugend nur aus jugendlichem Obstruk-tionsgeist langes lfaar und Regen-sclrirme trug und dennoch schlielS-lich als Volkssctriidiinge politisclr ver-

folgt wurde, so hat audr der jugendlicheJazz-Fanatismus im Osten plcitzlichpoiitiscJre Bedeutung erhalten.

Sdrwarze Kunstlederjacken in War-schau, Beatle-Frisuren in Prag und dieTwist-Orgien in den Budapester Halb-starken-Lokalen,,Pipacz" und,,Anna"sind zu Demonstrationen gegen die Ein-tdnigkeit des kommunistischen Jugend-betriebs geworden.

Gesdrichter als einst die Hitler-Jugendversuctrt etwa in Ungarn die kommu-nistische Jugendorganisation,,Kisz" diemusikalische Oppositionswelle abzu-fangen.

Im Ifjus6gi-Park unter der BudaerBurg veranstaltet sie gegen geringenEintritt Tanzabende mit US-Musik.

Hunderte kommen. Zwei Kisz-Ordnermit sdrmalen roten Armbinden wachenam Eingang: Schltiger-Typen oder Jung-Genossen ohne Krawatte haben keinenZutritI.

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,,Wie schmeckt Coca-Cola? Haben SieBrigitte Bardot schon mal gesehen?Elvis Presley? Trini Lopez? DieBeatles?" Die Fragen rumdnisctrer Jun-gen prasselten kiirzlich auf den,,Newsweek"-Korrespondenten YorickBlumenfeld nieder, ais er Bukarest be-suchte. Jedes westliche Touristen-Auto

- vor allem Sportwagen und Luxus-limousinen, etwa ein Mercedes 230 SLoder ein Cadillac

-wird von Jugend-

lidren umringt und inspiziert, sobald eshelt.

West-Touristen sind Bevcilkerung undRegierungen der osteurop5ischen Staa-

ten gleictrerma8en willkommen. Siebringen Devisen und befliigeln dieTrAume von einem besseren Leben. InPrag haben ausldndische Besucher aufdem beschrAnkten Piatz am ,,GoldenenKreuz" in diesem Jahr das bis dahin inder Tschechoslowakei unbekannte Senk-recht-Parken eingefilhrt.

An der Schwarzmeer-Kiiste vonRum5nien und Bulgarien entstehenimmer mehr Hotels fiir ausldndischeTouristen. Vor sechs Jahren waren diemodernen Ferien-Oasen in Bulgariennoch unwegsarrer Dsdrungel. Uirr diedort hausenden Scjrlangen auszurotten.setzten die Hotelplaner zuniichst Tau-sende von Stachelschweinen aus, dieTodfeinde der Vipern. Dann erst kamendie ,

Bulldozer.An Sdraufenstern in den gro8en Ge-schiiftsstra6en der osteuropdischenHauptstddte kdnden Hinweisschilder,,On parle frangais", ,,Engiish spoken"und ,,Man spridrt Deutsctr". Doch wdh-rend in Prag das daneben klebendeseJrwarzrotgoldene Abziehbild noch mitHammer und Zirkel gesctrmiid<t ist,fehlt schon in Budapest das DDR-Emblem auf den deutschen Farben.

Alle osteurop5ischen Staaten haben lnden letzten Monaten ihre Wedrselkursezugunsten der Touristen geiindert, umnoch mehr Reisende anzulocken. Unddie Devisen, die sie dabei einnehmen,stellen sie nidrt mehr, wie einst verord-net, der zentralen wirtschaftlichen Pla-

nungsbehrirde des Ostblocl<s, dem Come-con, zur Verfiigung.

Denn wie beim einzelnen Biirger, sohat sidL auch in den Regierungen dernationalkornmunistischen Staaten der

Wohnblocks in Bukoresi: Irsi Zuckerbockers] il, dcrnn Wolkenkrotzer

.iL,)LeNi--

WunscJr zur Tat verdichtet, nicht ldngerzuerst an das Heii der Weltrevolutionzu denken, sondern vor al1em an daseigene Wohl.

Die Comecon-Zentrale, die sich inMoskau im ehemaligen Bankpalast desBarons von Meck etabliert hat, war15 Jahre lang das Instrument, mit demder Kreml die Volkswirtschaften aller

Satelliten-Staaten fiir sictr einspannte.1949 wurde Comecon als Pendant zumMarshall-Plan gegriindet. Aber wiihrenddie Amerikaner bis 1951 mit rund52 Milliarden Mark Europas Wiederauf-bau finanzierten, pre8te Moskau einVielfaches dieser Summe in Form vonReparationslieferungen an die Sowjet-Unrion aus den Ostblockstaaten.

. Seit 1956 entwicl<elte der ,,Rat fiirgegenseitige Wirtschaftshilfe,' dannPldne fiir eine ,,sozialistisdre Arbeits-teilung" im Ostbloclc. Ziel war es, denSatelliten ein Verbundsystem aufzu-zwingen, das sie in gegenseitige Abhiin-gigkeit und damit in Abhiingigkeit vonMoskau brachte.

Schuhsolon, Porfiimerie in Budopesl

Westliche Einfliisse im OstblockErsi, ,,Es lebe die Arbeii!" . . .

Modenschou in Wqrschou

Diirrenmott-Premiere in Worschou

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