Der Spiegel 2014.09: Rechtsextremismus - Unter Reißwölfen

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D as große Holzhaus und ein paar Hütten leuchten ochsenblutrot auf der verschneiten Lichtung. Der Hof heißt „Snaret“, zu Deutsch „Ge- strüpp“. Vor zwölf Jahren zog es Michael von Dolsperg aus Niedersachsen hierher in die Wälder des schwedischen Bezirks Värmlands. Dreieinhalb Kilometer sind es bis zum Briefkasten an der Landstraße, 25 bis zum nächsten Bäcker in Filipstad. Nachts streunen manchmal Wölfe über den Hof. Wer seinem alten Leben den Rücken kehren möchte, kann kaum einen abgeschiedeneren Ort finden. Viele Jahre lang war Snaret für Dols- perg, 39, sein kleines Öko-Paradies. Ju- gendliche aus ganz Europa kamen zum Campen auf den Hof. Seit vergangenem Oktober ist das ent- spannte Aussteigerleben jedoch vorbei. Neben sein Bett hat Dolsperg einen Holz- knüppel gelegt. Nicht wegen der Wölfe, sondern wegen der deutschen Neonazis. Er fürchtet, dass sie Rache nehmen könn- ten. Denn bevor Michael von Dolsperg in die schwedische Wildnis zog, war er ein Spitzel des Bundesamts für Verfas- sungsschutz (BfV), Deckname: „Tarif“. Dolsperg, Vollbart, lange blonde Haare, steht neben dem gusseisernen Herd und steckt sich eine Zigarette an. Durchs Kü- chenfenster blickt er in den Wald. „Wir kommen bald“, erzählt er, habe ein An- rufer eines Abends ins Telefon geflüstert. Dolsperg hat daraufhin den Snaret-Weg- weiser an der Landstraße abgebaut. Aber das beruhigt ihn kaum. „Ich weiß von da- mals, wie gut die Kameradschaftsszene in Schweden vernetzt ist. Die wissen ge- nau, wo sie mich finden.“ Auch für den deutschen Inlandsgeheim- dienst ist das Outing seines einstigen Zu- trägers eine Katastrophe. Denn Tarif war nicht irgendein V-Mann. Seine Geschich- te wirft viele Fragen auf, die eng mit der Aufklärung der Mordserie des National- sozialistischen Untergrunds (NSU) ver- bunden sind. Doch womöglich bleibt manches für immer ungeklärt, weil Tarifs Akte unter dubiosen Umständen aus dem Archiv des BfV verschwand. Am Dienstag, dem 8. November 2011, um 15.14 Uhr loggte sich ein Referatsleiter der Abteilung Rechtsextremismus in das Computersystem des Verfassungsschut- zes ein. Der Mann mit dem Decknamen Lothar Lingen wählte aus 37 „Forschungs- und Werbungsfällen“ 7 Akten aus, die er für den Reißwolf bestimmte. Es war der Tag, an dem sich mittags Beate Zschäpe der Polizei stellte; vier Tage zuvor hatte Uwe Mundlos zuerst Uwe Böhnhardt und dann sich selbst mit einer Winchester erschossen. Es war also jene Zeit, in der Deutschland erfahren musste, dass es eine rechtsextreme Grup- DER SPIEGEL 9/2014 40 RECHTSEXTREMISMUS Unter Reißwölfen Michael von Dolsperg diente dem Verfassungsschutz jahrelang als Quelle aus der Neonazi-Szene. Als der NSU aufflog, schredderte der Geheimdienst seine Akte. Warum? Weil seine Informationen die Mordserie hätten verhindern können? FREDRIK NAUMANN / FELIX FEATURES / DER SPIEGEL Ehemaliger V-Mann Dolsperg auf seinem Hof in Schweden

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Michael von Dolsperg diente dem Verfassungsschutz jahrelang als Quelle aus der Neonazi-Szene. Als der NSU aufflog, schredderte der Geheimdienst seine Akte. Warum? Weil seine Informationen die Mordserie hätten verhindern können?

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Das große Holzhaus und ein paarHütten leuchten ochsenblutrot aufder verschneiten Lichtung. Der

Hof heißt „Snaret“, zu Deutsch „Ge-strüpp“. Vor zwölf Jahren zog es Michaelvon Dolsperg aus Niedersachsen hierherin die Wälder des schwedischen BezirksVärmlands. Dreieinhalb Kilometer sindes bis zum Briefkasten an der Landstraße,25 bis zum nächsten Bäcker in Filipstad.Nachts streunen manchmal Wölfe überden Hof. Wer seinem alten Leben denRücken kehren möchte, kann kaum einenabgeschiedeneren Ort finden.

Viele Jahre lang war Snaret für Dols -perg, 39, sein kleines Öko-Paradies. Ju-gendliche aus ganz Europa kamen zumCampen auf den Hof.

Seit vergangenem Oktober ist das ent-spannte Aussteigerleben jedoch vorbei.Neben sein Bett hat Dolsperg einen Holz-knüppel gelegt. Nicht wegen der Wölfe,

sondern wegen der deutschen Neonazis.Er fürchtet, dass sie Rache nehmen könn-ten. Denn bevor Michael von Dolspergin die schwedische Wildnis zog, war erein Spitzel des Bundesamts für Verfas-sungsschutz (BfV), Deckname: „Tarif“.

Dolsperg, Vollbart, lange blonde Haare,steht neben dem gusseisernen Herd undsteckt sich eine Zigarette an. Durchs Kü-chenfenster blickt er in den Wald. „Wirkommen bald“, erzählt er, habe ein An-rufer eines Abends ins Telefon geflüstert.Dolsperg hat daraufhin den Snaret-Weg-weiser an der Landstraße abgebaut. Aberdas beruhigt ihn kaum. „Ich weiß von da-mals, wie gut die Kameradschaftsszenein Schweden vernetzt ist. Die wissen ge-nau, wo sie mich finden.“

Auch für den deutschen Inlandsgeheim-dienst ist das Outing seines einstigen Zu-trägers eine Katastrophe. Denn Tarif warnicht irgendein V-Mann. Seine Geschich-

te wirft viele Fragen auf, die eng mit derAufklärung der Mordserie des National-sozialistischen Untergrunds (NSU) ver-bunden sind. Doch womöglich bleibtmanches für immer ungeklärt, weil TarifsAkte unter dubiosen Umständen aus demArchiv des BfV verschwand.

Am Dienstag, dem 8. November 2011,um 15.14 Uhr loggte sich ein Referatsleiterder Abteilung Rechtsextremismus in dasComputersystem des Verfassungsschut-zes ein. Der Mann mit dem Decknamen Lothar Lingen wählte aus 37 „Forschungs-und Werbungsfällen“ 7 Akten aus, die erfür den Reißwolf bestimmte.

Es war der Tag, an dem sich mittagsBeate Zschäpe der Polizei stellte; vierTage zuvor hatte Uwe Mundlos zuerstUwe Böhnhardt und dann sich selbst miteiner Winchester erschossen. Es war alsojene Zeit, in der Deutschland erfahrenmusste, dass es eine rechtsextreme Grup-

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R E C H T S E X T R E M I S M U S

Unter ReißwölfenMichael von Dolsperg diente dem Verfassungsschutz jahrelang als Quelle aus der

Neonazi-Szene. Als der NSU aufflog, schredderte der Geheimdienst seine Akte. Warum? Weil seine Informationen die Mordserie hätten verhindern können?

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Ehemaliger V-Mann Dolsperg auf seinem Hof in Schweden

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pe gab, die von den Sicherheitsbehördenunbemerkt neun Migranten und eine Poli-zistin hatte ermorden können.

Sieben Monate später gelangte dieSchredderaktion an die Öffentlichkeit.BfV-Chef Heinz Fromm musste zurück-treten, weil Akten von V-Leuten aus derrechtsextremen Szene mit Decknamenwie „Tinte“, „Tonfarbe“ und „Tusche“vernichtet worden waren, die an einerheiklen Kooperation zwischen dem Bun-desamt für Verfassungsschutz, dem Mili-tärischen Abschirmdienst und dem Thü-ringer Verfassungsschutz beteiligt waren.Benannt war die Zusammenarbeit, beider Informationen aus dem Umfeld desTerrortrios gesammelt wurden, nach ei-nem beliebten Wanderweg im ThüringerWald: „Operation Rennsteig“.

Michael von Dolsperg alias Tarif gehör-te zwar nicht zur Operation Rennsteig,doch Referatsleiter Lingen ließ auch TarifsV-Mann-Akte in jenen Novembertagenvernichten. Darunter waren Berichte überdie Treffen des Informanten mit seinemV-Mann-Führer vom Verfassungsschutz.

Dass es sich bei Tarif um eine wichtigeQuelle gehandelt haben muss, ergibt sichaus dem Honorar, das er für seine Dienstevon Ende 1994 bis 2002 erhielt: 66000Mark – mehr als alle anderen Spitzel, derenDeckname mit dem BuchstabenT begann. Es ist gängige Praxisbeim Verfassungsschutz, Akten,die „nicht mehr erforderlich“sind, nach bestimmten Fristenzu entsorgen. Es gibt eine Fünf-und eine Zehnjahresfrist. Doches ist Ermessenssache, ob einFall noch wichtig ist oder nicht.

Weder der vom Bundesinnen-ministerium eingesetzte Sonder-ermittler Hans-Georg Engelkenoch der NSU-Untersuchungs-ausschuss fanden heraus, war -um die Unterlagen vernichtetwurden. BfV-Referatsleiter Lin-gen berief sich auf sein Zeugnisverweige-rungsrecht. Die Schredderaktion verwun-dert besonders, weil der damalige Amts-chef Fromm drei Tage zuvor um „kriti-sche Durchsicht der Akten“ nach Bezü-gen zum NSU gebeten hatte.

Wesentliche Teile der Akte Tarif schei-nen auf ewig verloren. Umso erstaunli-cher ist, was Michael von Dolsperg überseine Vergangenheit als V-Mann berichtet.Folgt man seiner Darstellung, hatte derVerfassungsschutz ziemlich gute Gründe,den Reißwolf in Gang zu setzen.

Als Dolsperg beim BfV anheuerte, warer bereits tief in der militanten,

rechtsextremen Szene verwurzelt. Gebo-ren im thüringischen Leinefelde – MutterLehrerin, Vater Fernmeldetechniker –,hatte er sich als Jugendlicher zu DDR-Zeiten Neonazi-Gruppen angeschlossen.Nach der Wende ging er nach Niedersach-

sen, bandelte dort mit der 1995 verbote-nen Freiheitlichen Deutschen Arbeiter-partei (FAP) an. Braune Hemden, roteArmbinden, kurze Haare, Fascho-Tolle –sogar in einer SS-Uniform ließ sich Dols -perg ablichten. Er organisierte Veranstal-tungen mit Kriegsveteranen, vornehmlichaus den Reihen von SA und SS.

Gewalt und Agitation gegen Anders-denkende gehörten damals zum Lebendes Rechten wie Bomberjacke und Sprin-gerstiefel. Vor einer Discothek in Nord-hausen ging er im November 1991 zusam-men mit zwei weiteren Schlägern derartbrutal auf einen Vater und dessen Sohnlos, dass die Opfer mit lebensgefährlichenVerletzungen ins Krankenhaus kamen.Für den Gewaltexzess wurde er zu drei-einhalb Jahren Gefängnis verurteilt, abervorzeitig entlassen.

Wie ein Held, sagt Dolsperg, sei er imKnast empfangen worden, wo so viele Ge-sinnungsgenossen gewesen seien, „dassman Kameradschaftsabende hätte abhal-ten können“. Der damals 17-Jährige ließsich von nationalistischen Gefangenen-hilfsorganisationen betreuen, wurde Mit-glied des Internationalen Hilfskomiteesfür nationale politische Verfolgte (IHV).

Im Gefängnis begann die nächste Ra-dikalisierungsphase, in der Dolsperg auch

zu einem der strategischen Köpfe der Sze-ne wurde – und das Interesse des Referats„Forschung und Werbung“ des BfV weck-te. Nach seiner Haftentlassung organisier-te er Rudolf-Heß-Märsche, wurde Orts-gruppenführer der „Aktion sauberesDeutschland“ und des IHV. Eine der wich-tigsten Figuren der Neonazi-Szene, derniedersächsische FAP-Chef Thorsten Hei-se, wurde einer seiner engsten Vertrauten.Heises große Leidenschaft war es, mitMetalldetektoren auf Schatzjagd zu ge-hen. Und Dolsperg ging mit: „Wir fandeneinen Kochtopf mit Hakenkreuzen undNSDAP-Abzeichen.“ So drang der Thü-ringer in den Inner Circle vor, war weitüber Niedersachsen hinaus vernetzt.

Als die Polizei ihn 1994 präventiv inGewahrsam nahm, um seine Teilnahmean einer Demonstration zu verhindern,

* Fahndungsfotos von 1998.

will Dols perg zur Besinnung gekommensein. „Ich wollte einen Job suchen undaus allem raus“, erinnert er sich. In einemBrief an das Bundesinnenministeriumhabe er um Hilfe beim Ausstieg gebeten –und sich als Informant der Kamerad-schaftsszene angeboten.

Dolsperg lernte daraufhin „Alex“ vomVerfassungsschutz kennen, seinen späte-ren Duz-Kumpel und V-Mann-Führer. Ei-nes Abends im November 1994 habe derBeamte zusammen mit einem Kollegenvor ihm gestanden, vor einem Geschäftin Heiligenstadt. Sie luden ihn zum Essenein und fragten, ob er sich vorstellen kön-ne, für das BfV zu arbeiten. „Sie wolltennicht, dass ich aussteige, sondern dass ich weitermache“, sagt Dolsperg, „zuerstkonnte ich es gar nicht glauben.“

Dolsperg fragte: „Was ist, wenn das her -auskommt?“

Alex antwortete: „Wir haben Quellen-schutz und eine Fürsorgepflicht. NeuerName, neue Identität.“

Auch das „Sonnenbanner“, ein vonDolsperg herausgegebenes Nazi-Pam-phlet, sollte er weiterhin betreiben, habeAlex gesagt. Das sei eine gute Tarnung.

Der Dialog mit dem Geheimdienst-mann ist nirgendwo dokumentiert. Esgibt nur die Aussage von Dolsperg. Das

BfV wollte sich auf Anfrage zuDolspergs Darstellungen nichtäußern.

Unstrittig ist, dass der jungeNeonazi damals tatsächlich inder Szene blieb und insgesamt19 Ausgaben des „Sonnenban-ners“ produzierte, die meistendavon nach seinen Angaben un-ter den Augen des Verfassungs-schutzes. Das letzte Heft von2001 brachte ihm ein Ermitt-lungsverfahren wegen Volksver-hetzung ein.

„Das BfV bekam alle Ausga-ben von mir vorab“, behauptet

Dolsperg. Änderungswünsche habe es niegegeben. Nur einmal habe Alex, einschlanker, rotblonder Typ, der nicht vielälter war als er selbst, Bedenken ange-meldet. Es ging um ein Titelbild zur Dop-pelausgabe 14/15 aus dem Jahr 1998. Dols -perg wollte einen Galgen abbilden, andem ein Mann hängt: „Um den Hals truger ein Schild mit der Aufschrift ‚Kinder-schänder‘. Im Vordergrund stand einMann mit einer roten Armbinde, der ei-nen Namen auf einer Liste abhakte.“Alex habe gesagt: „Den Titel würde ichändern, sonst könntest du Ärger bekom-men.“ Daraufhin habe er ein harmlosesCover gewählt. Bezahlt habe er die Pro-duktion der Hefte zum Teil von seinen V-Mann-Honoraren, die monatlich zwi-schen 500 und 600 Mark gelegen hätten.

Der Vorwurf gegen das BfV wiegtschwer. Half das Amt tatsächlich bei derProduktion der rechtsextremen Propa-

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NSU-Trio Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos*: Um Unterschlupf gebeten?

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gandablättchen und gab ihnen seinen Se-gen? Der Einfluss des „Sonnenbanners“im Neonazi-Milieu war beträchtlich; eserschien drei-, viermal im Jahr, in unre-gelmäßigen Abständen.

Heute würde das BfV wohl nicht mehrdabei zusehen, wie einer seiner V-Män-ner die Szene mit Propaganda versorgt.Nach dem NSU-Debakel, heißt es intern,wäre das „undenkbar“.

Auch die damaligen BombenbastlerBöhnhardt und Mundlos gehörten offen-bar zur Leserschaft. 1998 stellte die Poli-zei ein Exemplar der Ausgabe 2 injener Jenaer Garage sicher, in derdie Terroristen Rohrbomben ver-steckt hatten. In dem Blatt ging esum „Strategien der Zukunft“. „Dassman uns sofort erkennt, wenn wiruns uniformieren oder in Skinhead-Klamotten rumrennen“, schrieb Dols -perg damals, „dürfte jedem vonEuch einleuchten. Logische Konse-quenz ist also, dass wir unsere Klei-dung so neutral wie möglich gestal-ten.“ In der Öffentlichkeit solle mansich prinzipiell jeder politischen Äu-ßerung enthalten, „zu Themen, diedurch die Medienhetze negativ be-lastet sind“. Der Ratschlag des „Son-nenbanners“: „Bilde Zellen durchZusammenschluss einiger Perso-nen.“ Im Nachhinein liest sich der Textwie eine Anleitung für das Leben im Un-tergrund, das Mundlos, Böhnhardt undZschäpe fast 14 Jahre lang führten. Siekleideten sich unauffällig, vertraten keineextremistischen Ansichten und bildeteneine Zelle.

Michael von Dolsperg hat auf dem Kü-chentisch in seinem tiefverschneiten HausFotos ausgebreitet. Es sind Bilder von„Liederabenden“, die er in den Jahren1996 und 1997 organisierte. In die Gast-stätte „Zum Grünen Wald“ in Weilrode

beispielsweise lud der V-Mann den Nazi-Barden Oliver P. von der Skinhead-BandHauptkampflinie.

Dolsperg sucht auf den Fotos nachBöhnhardt und Mundlos, die mindestensan einem Abend auch im „Grünen Wald“gewesen sein sollen. Er findet sie nicht,bleibt aber an einem Bild hängen, das ei-nen engen Kumpel von damals zeigt: An-dré K. Feist sitzt der Aktivist vom „Thü-ringer Heimatschutz“ und Organisatordes Nazi-Treffens „Fest der Völker“ inder Kneipe am Tisch.

„Wir haben damals viel telefoniert unduns gegenseitig eingeladen“, erinnert sichDolsperg, „ich fuhr zu Demos und Ver-anstaltungen nach Thüringen, und K.kam mit ein paar Jungs zu meinen Lie-derabenden.“

In einem Telefonat im Jahr 1998 –Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe warengerade abgetaucht – soll K. Dolsperg aufdie Gesuchten angesprochen haben, dieja auch auf einem seiner Liederabendedabei gewesen seien. K. habe dann ge-fragt, ob Dolsperg die drei verstecken

könne. „Ich bat um Bedenkzeit und riefmeinen V-Mann-Führer Alex an“, erin-nert sich Dolsperg. Dieser habe Rückspra-che mit Vorgesetzten halten müssen.

Wenn die Darstellung zutrifft, hätte dasBfV in den folgenden Stunden eine Ent-scheidung treffen können, die die Mord-serie des NSU vielleicht verzögert, viel-leicht verhindert hätte.

Grundsätzlich ist die Behauptung plau-sibel: Schon 1996 rechnete die Landes -polizei Thüringen Uwe Mundlos und An-dré K. laut einem internen Papier „zum

engeren Führungskreis der rechtenSzene Jena“. Später sammelte K.den Ermittlungen des Bundeskrimi-nalamts zufolge Geld für die Unter-getauchten und stimmte sich engmit dem als mutmaßlicher Helferangeklagten späteren NPD-Funktio-när Ralf Wohlleben ab. „Wenn ichdem Trio einen Unterschlupf be-sorgt hätte und es danach zu einerFestnahme gekommen wäre, wäreich womöglich als V-Mann enttarntworden“, sagt Dolsperg heute, „undder Verfassungsschutz hätte eineQuelle in der Szene verloren.“ Die-se Überlegung habe offenbar dasBfV getrieben. Alex habe jedenfallsangerufen und ihm eine Absage er-teilt.

K. bestreitet, Dolsperg damals um Hilfefür die drei gebeten zu haben. Zu demZeitpunkt habe er schon lange keinenKontakt mehr zu Dolsperg unterhalten.Dem widerspricht das Foto von K. beimLiederabend im „Grünen Wald“. Denndie Veranstaltung fand nur wenige Mo-nate vor dem Abtauchen des Trios statt.

Hatte das BfV damals tatsächlich dieChance, das NSU-Trio verhaften zu las-sen? Und ließ es diese Chance ungenützt?

Im BfV findet sich heute dem Verneh-men nach kein Hinweis auf Dolspergs

Deutschland

Neonazi K. 1997, „Sonnenbanner“-Ausgabe von 1994

Anleitung fürs Leben im Untergrund

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