Der Spiegel: Zurück auf Los

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  • 8/8/2019 Der Spiegel: Zurck auf Los

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    Alle hat er vorgestellt. Die Ministe-rin, den grnen Oberbrgermeis-ter, den Bahnexperten, den jun-gen Rothaarigen vom Aktionsbndnis.Nur einen hat der alte Mann vergessen.Wahrscheinlich vor Aufregung, die Ver-anstaltung wird ja live bertragen.

    Also lacht Stefan Mappus ein wenighilflos, aber herzhaft, sein Kopf wird rot,die Augen klein. Heiner Geiler hat esversumt, ihn vorzustellen. Ausgerechnetihn, den Ministerprsidenten von Baden-Wrttemberg.

    Es ist kein gutes Omen fr das Drama,das derzeit im Stuttgarter Rathaus auf -gefhrt wird. Regie fhrt der 80-jhrigePolit-Veteran Geiler. Er diktiert die Re-geln beim groen Faktencheck zumumstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21.Bitte keine Angriffe und keine Emotio-nen, stellte Geiler gleich am vergange-nen Freitag klar: Es geht jetzt um dieSache. Und nicht um Personen.

    Geiler hat die undankbare Aufgabe,mit seinen Schlichtungsgesprchen dieaufgewhlte Auseinandersetzung um dasmilliardenteure Megavorhaben politischzu befrieden. Doch was das Ergebnis der

    Gesprche sein wird, ist unklar. Wenndiese Phase der Schlichtung vorbei ist,sagt Geiler, muss jede Seite ihre eige-nen Konsequenzen ziehen.

    Doch welche? Die Landesregierung hatneben dem ursprnglichen Plan A auchandere mgliche Szenarien durchgespielt.Und verworfen. Drei Varianten haben dieStrategen in der Villa Reitzenstein, demStuttgarter Regierungssitz, identifiziert:

    Den sofortigen Ausstieg. Sollte manvon heute auf morgen smtliche laufen-den Vertrge kndigen, wrde das nachBerechnungen der Bahn 1,4 MilliardenEuro kosten. Darin enthalten wren dieAusgaben fr bereits begonnene Bauauf-trge, die Rckabwicklung von Grund-stcksverkufen inklusive Verzinsungund die Vorplanungskosten. brig blie-ben ein sanierungsbedrftiges Gleisfeldund ein maroder Kopfbahnhof.

    Zwar bestreiten die Gegner des Pro- jekts die gewaltige Summe, die BahnchefRdiger Grube genannt hat. Doch auchsie rumen ein, dass ein Ausstieg zum jet-zigen Zeitpunkt teuer wrde.

    Das Volk soll entscheiden. Nach einerSPIEGEL-Umfrage wnschen sich zweiDrittel der Baden-Wrttemberger diese L-sung, die von den Grnen und inzwischenauch der SPD gefordert wird. Doch in derStaatskanzlei hlt man dies fr juristischproblematisch. Die Landesverfassung er-ffnet keinen Weg zur Volksabstimmungber Stuttgart 21, hat Mappus erklrt undberuft sich auf ein entsprechendes Gutach-ten des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof.Die SPD will am Dienstag ein Gegengut-achten vorlegen, das wenig ber-raschend zu dem Ergebnis kommt, dasses rechtlich zulssig wre, das Volk berdie finanzielle Beteiligung des Landes ent-scheiden zu lassen.

    Die alternativen Konzepte. Das Ak-tionsbndnis gegen Stuttgart 21 favori-siert das Projekt K21, das die Umge-staltung des alten Kopfbahnhofs vorsieht.Doch es gibt noch weitere Ideen. Der Ei-senbahnexperte Rudolf Breimeier schlgtim Fachblatt Eisenbahn-Revue Interna-tional vor, den jetzigen Hauptbahnhofin der Stadtmitte nur noch als Regional-haltestelle zu nutzen und stattdessen dieDurchgangsstation Bad Cannstatt zu ei-nem Fernbahnhof auszubauen.

    Solche Alternativen sollen ebenfalls inden Gesprchen mit Geiler diskutiertwerden. Das Problem: Auf lange Sichtwren sie vielleicht kostengnstiger, dochknnten sie nicht zeitnah verwirklichtwerden. Fr das jetzige Groprojekt wur-den im Zuge der Planfeststellungsverfah-ren mehr als 10000 Einwnde abgearbei-tet, ein halbes Dutzend Gerichtsverfahrendurchgefochten und Hunderte ffentlicheDiskussionen gefhrt.

    Fr K21 gibt es nichts: keine Planung,keine Finanzierung, keine Genehmigung,keine Linienfhrung, sagt Mappus. DieEntscheidung fr ein solches Alternativ-konzept bedeute zurck auf Los undwieder bei null anfangen inklusive 16-

    jhriger Planungsphase. Zudem gingenwohl bereits genehmigte rund 200 Millio-nen Euro EU-Subventionen verloren, dieimmer nur fr eine bestimmte Frderpe-

    riode erteilt werden. Fr Stuttgart 21 en-det diese Frist 2013. Was bis dahin nichtabgerufen wird, ist weg, heit es imStuttgarter Verkehrsministerium.

    Zudem msste die Landesregierungauch bei Alternativprojekten mit heftigenBrgerprotesten rechnen. Die K-21-Trasseetwa wrde durch dichtbesiedeltes Gebietgefhrt werden, inklusive zweier neuerBahnbrcken ber den Neckar. Die ersteBrgerinitiative hat fr diesen Fall bereitsihren Widerstand angekndigt.

    Nach Abwgung aller drei Variantenkommen die Planer in der StuttgarterStaatskanzlei denn auch zum Ergebnis,dass Plan B zwingend mit Plan A iden-tisch sein muss egal, wie die Schlich-tungsgesprche ausgehen. Fr sie gibt eskeine Alternative zu Stuttgart 21.

    So bleibt Mappus nur die schwacheHoffnung, die Gegner von den Vorteilendes Projekts zu berzeugen und alle Zwei-fel auszurumen. Scheinbar demtig be-teuert er inzwischen, nun genau hin -hren zu wollen, wenn konstruktiveVorschlge fr Korrekturen, Vernderun-gen und Verbesserungen zu Stuttgart 21unterbreitet werden. Wie die Regierungwirklich denkt, machte CDU-Frak-tionschef Peter Hauk klar. In der Frage,ob Stuttgart 21 letztlich gebaut werde,kann es am Ende keinen Kompromissgeben. S K

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    B E R N D W E I S S B R O D / D P A

    Schlichter Geiler, Ministerprsident MappusPlan B ist Plan A

    V E R K E H R

    Zurckauf Los

    In Baden-Wrttemberg haben dieSchlichtungsgesprche im Streitum Stuttgart 21 begonnen. Doch

    Alternativen kommen fr dieLandesregierung nicht in Frage.