Der Spiegel0313

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  • D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 3 3Im Internet: www.spiegel.de

    Hausmitteilung14. Januar 2013 Betr.: Antisemitismus, Titel, Dein SPIEGEL

    Der Name Augstein ist mit dem SPIEGEL verbunden, untrennbar. Rudolf Aug-stein war Grnder, Chefredakteur und Herausgeber. Und sein Sohn JakobAugstein ist im SPIEGEL-Verlag in zwei Funktionen ttig: Als Journalist schreibter eine Kolumne auf SPIEGEL ONLINE, als Miteigentmer vertritt er die Aug-stein-Erben. Auf die Berichterstattung der Redaktion hat Augstein keinen Einfluss.Wie sehr die ffentlichkeit dennoch Augstein dem SPIEGEL zurechnet, erfuhrenjetzt die SPIEGEL-Leute Susanne Beyer und Erich Follath. Sie hatten Dieter Grau-

    mann, den Prsidenten desZentralrats der Juden, zumStreitgesprch mit JakobAugstein gebeten. Es ging umdie Frage, ob Augsteins Kritik an Israel statthaft istoder wie das Simon Wie-senthal Center meint Aus-druck antijdischer Ressen -timents. Zur Begrung undnur halb im Scherz sagteGraumann, das sei ja drei

    gegen einen. Doch das war es nicht. In der Diskussion gingen die SPIEGEL- Redakteure natrlich auf gleiche Distanz zu beiden. Zum einen, weil das der jour-nalistische Standard ist, von Rudolf Augstein fr SPIEGEL-Streitgesprche so ge-setzt. Zum anderen, weil das Gesprch sonst womglich vorzeitig beendet wordenwre so hitzig gingen die Gesprchspartner miteinander um (Seite 122).

    Seit Jahrzehnten ist Thomas Gottschalk dafr bekannt, dass er ber jedes Themareden kann. Auch als der SPIEGEL jetzt mit ihm ber dubiose Vertrge ausseiner Wetten, dass ..?-Zeit sprechen wollte, sagte er zu und wenige Stundenspter pltzlich ab. In dieser Sache sollte sein Anwalt sprechen. Die SPIEGEL- Redakteure Jrgen Dahlkamp, Gunther Latsch und Jrg Schmitt waren auf Vertrgegestoen, in denen klar geregelt ist, wie lange etwa ein Mercedes in der Sendunggezeigt werden und dass Gottschalk auf der Bhne nicht das schne Auto verdeckensollte. Schleichwerbung ist der Samstagabend-Show mehrfach vorgeworfen worden,das gebhrenfinanzierte ZDF hatte stets Besserung gelobt. Ausgerechnet jetzt, dawieder einmal ber die Fernsehgebhren gestritten wird, stellt sich heraus: Gesche-hen ist wohl zu wenig. Dass die Markenrechte an ,Wetten, dass ..? in diesemUmfang extern vermarktet wurden, lag auch daran, dass Gottschalk fr den Senderdamals so wichtig war, sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut dem SPIEGEL-Redak-teur Markus Brauck. Der neue Moderator Markus Lanz ist an noch laufende Vertrgegebunden, prsentierte die Fahrzeuge bislang aber weniger aufdringlich (Seite 56).

    Vokabeln, Geschichtszahlen, Mathe-Formeln: Schlermssen sich jede Menge merken. Dein SPIEGEL, dasNachrichten-Magazin fr Kinder, erklrt, wie das Gedcht-nis des Menschen funktioniert. Wer Spa am Lernen hat,klar, merkt sich die Inhalte leichter. Aber auch bei lang -weiligeren Stoffen gibt es Tricks fr junge Leser, wie mandas Gelernte nicht so schnell vergisst. Auerdem im Heft:Kindheit im Dritten Reich wie vor 80 Jahren Adolf Hitler an die Macht kam. Und: was fr und was gegen einWahlrecht fr Kinder spricht.

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    Titel

    Thomas und Christoph Gottschalkmachten Wetten, dass ..? zur Werbebhnefr zahlende Unternehmen ............................ 56Wie es zu Samuel Kochs verhngnisvoller Auto-Wette kam ............................................. 64

    Deutschland

    Panorama: Erschossene PKK-Frauen hattenVerbindung nach Deutschland / Union fordert gleiches Gehalt fr Mnner und Frauen / Braune Zonen in Ostdeutschland ................... 13Hauptstadt: Misswirtschaft am neuen Flughafen die Vorwrfe der Architekten ..... 18Geschichtsschreibung: Mssen Angela MerkelsSMS wie Akten archiviert werden?................. 22FDP: Philipp Rslers Gegner verzweifeln, weil er nicht abtreten will .............................. 24Energie: Der Umbau der deutschenStromnetze stockt, nun knnten sie verstaatlicht werden ....................................... 30Duelle: Sahra Wagenknecht und Katja Kippingkmpfen um die Macht bei den Linken .......... 32Comeback: Christian Wulff schmiedetZukunftsplne ................................................ 36CSU: Wie Markus Sder zum gefhrlichsten Herausforderer Horst Seehofers wurde .......... 37Gesundheit: Interview mit Frank UlrichMontgomery, Chef der Bundesrztekammer,ber korrupte Mediziner ................................ 38Auenpolitik: Berlin blockiert Zugestndnisse an Grobritannien ................. 40Medizin: Die Festnahme eines Transplantations chirurgen setzt ein Zeichen gegen kriminelle Machenschaften bei der Organspende ...................................... 42Terrorismus: Handelte es sich beim Bonner Bombenfund berhaupt um einen Anschlagsversuch von Islamisten? ................. 44Katholiken: Wie sich die Bischfe und der Kriminologe Pfeiffer zu Lasten der Missbrauchsopfer berwarfen ......................... 46Debatte: Annett Meiritz ber die Frauenfeindlichkeit in der Piratenpartei ......... 48Geheimdienste: Wie ein Historiker die Vita des BND-Chefs Gehlen schnte .......... 52

    Medien

    Trends: Software-rger bei der Tagesschau /Wallraffs Eigentor .......................................... 55Konsum: Mode-Bloggerinnen setzen Trends und lassen sich von der Industrie bezahlen .... 67

    Wirtschaft

    Trends: Cromme soll zurcktreten / Zetsche darf lnger bleiben / Mehdorns Fluchtvor dem Sparprogramm ................................. 68Karrieren: In Vorstnden und Aufsichtsrtensteigt der Anteil der Frauen ........................... 70Finanzmrkte: Haben Investmentbankennoch eine Zukunft? ......................................... 73Dienstleistung: In Fhnbars wird nur gestylt,nicht geschnitten ............................................ 77

    Ausland

    Panorama: Junge Europer aus Krisenstaatenbleiben lnger im Elternhaus /Das Castro-Regime will die JugendmusikReggaeton verbieten ....................................... 78Europa: EU-Hilfen fr das Fluchtgeldparadiesrussischer Milliardre? .................................... 80Der zyprische Finanzminister Vassos Shiarly ber die Schulden unddas Geschftsmodell seines Landes ................ 82Nordirland: Die Unzufriedenheit der Jungenund die Proteste in Belfast ............................. 85

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    In diesem Heft

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    Die Frauen- Offensive Seite 70Die Zahl der Frauen in Fh-rungspositionen der Wirt-schaft wird in diesem Jahrweiter steigen: In den Dax-Konzernen werden so vieleAufsichtsratsmandate neu besetzt wie nie zuvor. Weib-liche Kandidaten werdendringend gesucht. Das seiauch im Interesse der Unter-nehmen, sagt die Regierungs -beraterin Daniela Weber-Rey.GA

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    Der Gejagte Seite 24Die FDP hat einige bung darin, ihre Vorsitzenden zu zermrben: NachGuido Westerwelle soll jetzt offenbar Philipp Rsler aus dem Amt gejagtwerden. Aber bislang trotzt der Wirtschaftsminister aller blen Nachrede.

    Schlaraffenland des Lernens Seite 106Das Internet ermglicht Elitebildung fr alle: Bereits Hunderttausende Studen -ten nehmen an kostenlosen Online-Kursen von Spitzen-Unis wie Harvard oder Princeton teil. Auch deutsche Professoren stellen Vorlesungen ins Netz.

    Wowereits Desaster Seite 18Wer ist schuld am Berliner Flughafendesaster? Er natrlich nicht, sagt der Regie -rende Brgermeister. Doch die Architekten erheben nun schwerste Vorwrfe gegen die Flughafengesellschaft und deren Aufsichtsratschef Klaus Wowereit.

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    Diplomatie: Deutschlands Schwierigkeitenmit Israel ........................................................ 86Israel: Benjamin Netanjahu einPortrt des Mannes, der zum dritten MalPremier werden knnte .................................. 88Japan: Der neue Kurs der nationalistischenRegierung Abe ................................................ 91Kasachstan: Mysteriser Massenmordin den Bergen ................................................. 92Global Village: Warum ein US-Vietnam-Veteranin Thailand seine Schuld abarbeitet ............... 95

    Gesellschaft

    Szene: Terrorbung unter Studenten / Interviewber die Psyche des Porsche-Kufers .............. 96Eine Meldung und ihre Geschichte ber dieKlage einer Theatergruppe gegen Coca-Cola ... 97Betrug: Wie ein Hilfsarbeiter als falscher Scheich Millionen erschwindelte ....... 98Ortstermin: In Kln wehren sich verarmte Rentner gegen teure Bahntarife .................... 103

    Wissenschaft Technik

    Prisma: Geschichte des Gartenzauns / Tierqulerei in deutschen Nerzfarmen ......... 104Internet: Der erstaunliche Erfolgder Online-Universitten .............................. 106Jagd: Kann ein Verbot der Bleimunition dieGiftbelastung im Wildbret senken? ............... 108Biotechnik: SPIEGEL-Gesprch mit dem amerikanischen Genforscher George Churchber das Klonen von Neandertalern und die Ausrottung der Virusinfektionen ...... 110Medizingeschichte: Die verborgenen Krankheiten berhmter Literaten ................. 114

    Sport

    Szene: Ausdauerathleten haben Rote Bete als Energiequelle entdeckt / Jan Ullrichs neuer Job als Reisebegleiter .......................... 115Fuball: Die absurden Gehlter der Profis des VfL Wolfsburg ........................................ 116Eiskunstlauf: Das spektakulreComeback des russischen SuperstarsJewgenij Pljuschtschenko .............................. 119

    Kultur

    Szene: Wie viel ist der Suhrkamp Verlag wert die Gesellschafter machen einanderAngebote / Eine Berliner Ausstellung mit Fotografien von Margaret Bourke-White ...... 120Debatte: SPIEGEL-Streitgesprchzwischen dem Journalisten Jakob Augsteinund dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, ber Antisemitismus in Deutschland ............. 122Der Antisemitismus-Vorwurf in der Politik ................................................. 128Kino: Django Unchained, der neue Filmvon Quentin Tarantino ................................. 130Autoren: Die Britin Hilary Mantel undihre historischen Romane ber Henry VIII.und Thomas Cromwell ................................. 132Bestseller ..................................................... 134Filmkritik: In seinem Regiedebt Quartett feiert Dustin Hoffman die Kraftdes Alters ..................................................... 135

    Briefe ............................................................... 8Impressum, Leserservice .............................. 136Register ........................................................ 138Personalien ................................................... 140Hohlspiegel / Rckspiegel ............................. 142Titelbild: Fotos dpa, dapdUmklapper: Foto imago

    Ein Biologe spielt Gott Seite 110Mit Hilfe der synthetischen Biologie will George Church Neandertaler klonenund virusresistente Menschen schaffen. Die Technik schreitet so rasant voranwie noch nie, sagt der amerikanische Genforscher im SPIEGEL-Gesprch.

    Foxx (l.) in Django Unchained

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    Milliarden fr die Steueroase? Seiten 80, 82Im Steuerparadies Zypern parken reiche Russen ihre Milliarden, auch sie wrden von einem EU-Hilfsprogramm fr die Banken des Inselstaats profitie-ren. Ein Dilemma fr die Euro-Retter, die jetzt weitere Reformen fordern.

    Showdownim Sden Seite 130In seinem neuen Film Djan-go Unchained mit LeonardoDiCaprio und Jamie Foxxschickt Regisseur Quentin Tarantino zwei Revolver-helden in die amerikani-schen Sdstaaten und lsstsie mit Plantagenbesitzernund Sklavenhndlern abrech-nen. Vor allem konservativeRepublikaner in den USAsind emprt.

    Beziehung voller Missverstndnisse S. 86, 122Das Verstndnis deutscher Politiker und Journalisten fr Israel nimmt ab,auch weil das Land unter Premier Netanjahu nach rechts gerckt ist. Wieviel Kritik ist angemessen, ab wann wird sie antisemitisch? Eine Debatte.

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  • Nr. 2/2013, Um Kopf und Kanzleramt

    Warum macht Peer Steinbrck so viel

    falsch?

    Abseilen, so schnell wie mglichPeer Steinbrck mangelt es an Grundvor -aussetzungen fr eine erfolgreiche Kanz-lerkandidatur: Er ist nicht sympathisch,kommt bei Frauen nicht an, und jugend-affin beziehungsweise besonders medien-kompatibel wirkt er auch nicht. Ein neuerGenosse der Bosse, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen verhlt, aberim Gegenzug mit seinem Rumgepolterdie Herzen der Menschen nicht erreicht.Traurig genug, dass die SPD auf diesenNotkandidaten setzen muss.

    VOLKER THOMS, BERLIN

    Was ntzt vorhandene Intelligenz, wennder Teller berschwappt?

    HARTMUT GIERSBERG, LBECK

    Steinbrcks naiver Kinderglaube, die Bes-ten, die am hrtesten arbeiten, verdientenam meisten, enthllt das ganze Elend unserer monetren Kultur: Nur so kannsie noch Wertschtzung ausdrcken,durch Steigerung des Gehalts; alles an -dere ist Vergangenheit. Er drckt aus,wor um es der selbsternannten Elite geht um nichts sonst. Und doch macht er etwasfundamental falsch: Er nimmt den Ekelnicht wahr, den viele vor diesem Abstiegin die kulturelle Armseligkeit unter-schwellig verspren. Und entsprechendwerden sie whlen. Nach menschlichemErmessen hat er also schon jetzt verloren.Deshalb noch ein Rat an die Grnen: Ab-seilen, so schnell wie mglich.

    PROF. DR. PETER FINKE, BIELEFELD

    Leider hat der groe Hamburger HelmutSchmidt dem vorlauten, eitlen BeamtenSteinbrck vorschnell die Kanzlerkandi-daturampel auf Grn gestellt.

    ROGER SCHRER, HERRLIBERG (SCHWEIZ)

    Es reicht. Das pausenlose Feuer des SPIE-GEL auf Peer Steinbrck nervt!

    HILDEGARD SCHMIDT, WIEFELSTEDE (NIEDERS.)

    Peer Steinbrck, der zu Beginn seiner No-minierung noch meine volle Zustimmunghatte, hat mit seinem unmglichen Faux-pas verspielt. Eine solche Person kannnicht Bundeskanzler, davon muss sie fern-gehalten werden.

    BERND NEUMEIER, KLN

    Steinbrcks Kanzlerkandidatur ist einGottesgeschenk fr Merkel und die bri-ge CDU!

    NORMAN SCHMITT, ERKRATH (NRW)

    Was von dem Kandidaten zu erwartenist, kann man in seinem Buch Zug umZug nachlesen. Dort postuliert Stein-brck: Nur eine Sozialdemokratie wirderkennbar erfolgreich darin sein knnen,zum Beispiel das Renteneintrittsalter auf67 zu erhhen, weil sie die Gegenwehraus dem Bereich der organisierten Ar-beitnehmerschaft und weit darber hin -

    aus auffngt. Und diese Arbeitnehmer-schaft, so erwartet die SPD, soll PeerSteinbrck ins Kanzleramt whlen. Ausmeinem Bekanntenkreis vernehme ich,dass kaum einer der berwiegend treuenSPD-Whler geneigt ist, diese Erwartungzu erfllen. Ich werde jedenfalls trotz fast40-jhriger Mitgliedschaft in der SPD vor -aussichtlich erstmals weder meine Parteinoch deren Kandidaten whlen.

    CHRISTOPH BURMESTER, LAUENBURG

    Eine solche Diskussion ber eine Bemer-kung Peer Steinbrcks zum Kanzler -gehalt kann es nur in Deutschland geben.Statt anzuerkennen, was ein Kanzler frdas Land leistet, egal welche Partei ge -rade den Regierungschef stellt, wird hier einer, der ausspricht, was Tatsache ist, ffentlich fertiggemacht. Missgunst, woman hinschaut.

    PETER TOMASCH, DARMSTADT

    Die Medien fordern Offenheit von Politikern. Gibt es einmal einen dieser seltenen Gattung, so setzt sofort der mediale Herdentrieb mit herabwrdigen-den Attacken ein. Dank Ihrer Gratiskam-pagne kann sich die Union den Wahl-kampf sparen.

    PETER SCHMITZ, MNCHEN

    Einen Peer Steinbrck, man mag ihn mgen oder nicht, als Dilettanten zu be-zeichnen ist an Arroganz nicht zu ber-bieten.

    CLAUS DRKE, KONSTANZ

    Wie kann es sein, dass ein Politiker, deragiert, anspricht und kritisiert, hagelndeKritik einstecken muss, whrend die Bun-deskanzlerin, die seit Jahren abwartetund laviert, fast schon dafr gelobt wird?

    MARCO MUSER, HEMSBACH (BAD.-WRTT.)

    Bisher hat Steinbrck wirklich alles falschgemacht, was man falsch machen kann,wie der Artikel trefflich zeigt. Dennochwre es zu wnschen, dass er die kom-menden Monate bersteht allein schondamit wir erleben knnen, wie sich Mer-kel in einem TV-Duell gegen Steinbrckschlagen wrde. Zwlf Punkte Rckstandhin oder her: Mit seiner Eloquenz kannSteinbrck Kanzler werden.

    NIKLAS SCHENK, MAINZ

    Briefe

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    SPIEGEL-Titel 2/2013

    Falsch ist nicht, dass ersagt, was er denkt. Peer Steinbrcks Fehlerist, dass er denkt,was er sagt.

    JOHANNES BUCKA, MSSINGEN (BAD.-WRTT.)

    Diskutieren Sie im Internetwww.spiegel.de/forum und www.facebook.com/DerSpiegel

    Titel Ist Schleichwerbung Betrug am Zuschauer?

    Antisemitismus Wie weit darf Kritik an Israel gehen?

    Flughafenbau Sollte Klaus Wowereit als RegierenderBrgermeister zurcktreten?

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    Kanzlerkandidat Steinbrck

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  • Nr. 1/2013, SPIEGEL-Gesprch mit

    der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht

    Auf die Barrikaden

    Ein Gesprch ber wirtschaftliche Zusam-menhnge auf hohem Niveau, bei demsich beide Seiten gut vorbereitet zeigten.Ich halte sehr viel von Frau Wagenknecht,nur leider ist sie offensichtlich in der falschen Partei. Wie sonst ist zu erklren,dass sie stndig versucht, groe Erfolgeeiner Volkswirtschaft mit der planwirt-schaftlichen und nicht leistungsbezogenenGleichmacherei der DDR zu vereinbaren?

    DR. CHRISTIAN BINSCH, ROSTOCK

    Mit ihrer schlssigen Argumentation warFrau Wagenknecht den beiden vorurteils-belasteten Redakteuren total berlegen.So luft das leider hufig ab, wenn Linkeinterviewt werden: Es ist den Journalistenlstig, sich mit ihren stichhaltigen Argu-menten auseinanderzusetzen.

    EUPHEMIA BENNINGHAUS, BERLIN

    Wagenknechts Argumente sind ziemlichunausgegoren, weltfremd und konfus undganz sicher nicht geeignet, junge Men-schen zur Selbstndigkeit zu motivierenund die Wirtschaft voranzubringen.

    ANNE HOFF, NEU-ISENBURG (HESSEN)

    Vielen Dank fr das entlarvende Inter-view. In der DDR wurde leider vielesnicht gelesen und gelehrt, was wichtigwar, sagt Frau Wagenknecht. Wenn dieMenschen in der DDR es wenigstens htten lesen knnen! Es war verboten,Wichtiges zu drucken, zu lesen und zuverbreiten. Um das zu kontrollieren, un-terhielt der Staat ein ganzes Ministerium.

    SIEGFRIED WITTENBURG, LANGEN BRTZ (MECKL.-VORP.)

    Sahra Wagenknechts Einordnung vonLudwig Erhard als Vorbild linker Ord-nungspolitik provoziert. Erhard hat eini-ges Positives bewirkt. Die Einfhrung derdynamischen Rente war allerdings ein ge-sellschaftlich erzwungener Kompromiss.Und das Konzept soziale Marktwirtschaftwar nicht seine Idee. Im Gegenteil, in sei-ner praktischen Politik nahm er Mller-Armack, der das Modell des gebndigten

    Kapitalismus prgte, nicht allzu ernst. Insgesamt war Erhard ein konservativerPolitiker, der die entfesselten Marktkrftebeschwor. Die neoliberal Angehauchtennutzen ihn zu Recht als Galionsfigur.Wenn er heute handeln wrde, gingenicht nur die Linke auf die Barrikaden.Mit der Parole Wohlstand fr alle for-derte er nicht die Abschaffung des Kapi-talismus. Es ging um die ideologische Le-gitimation systemischer Ungerechtigkeit.

    PROF. RUDOLF HICKEL, BREMEN

    Briefe

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    Sozialistin Wagenknecht

    Nr. 1/2013, Syrien: Acht Reisen durch

    die Hlle des Brgerkriegs

    Ich schme michMeinen grten Respekt vor dieser jour-nalistischen Arbeit. Noch nie hat micheine Reportage mehr bewegt.

    MARKUS WALTER, NEUSS

    In Zeiten von Internet und YouTube kannkeiner mehr behaupten, er habe nicht gewusst, was sich in Syrien tglich an unvorstellbaren Grausamkeiten abspielt.Ich schme mich fr diese passive Welt-gemeinschaft. Das syrische Volk fhlt sichim Stich gelassen, und das zu Recht!

    SMILLA HELLER, DORTMUND

    Was sind das fr heuchlerische sogenann-te demokratische Staaten, die stillschwei-gend zuschauen, wie ein ganzes Land sowie eine alte Kultur mit all ihrer Infra-struktur vernichtet werden.

    HENDRIK HSEL, TINIZARA (SPANIEN)

    Es wird in Syrien so kommen wie in Tunesien, Libyen, gypten: Der Westenbegeistert sich in Gutmenschenmanierfr einen demokratischen Frhling, denes so aber gar nicht gab. Die Drahtzieherbleiben verborgen, und alle sind erstaunt,wenn Islamisten nach dem Sturz der altenDiktatur eine neue errichten.

    HELMUT MACIEJ, MNCHEN

    Syrien-Korrespondent ist derzeit einer dergefhrlichsten Jobs der Welt, und trotz-dem fhrt Christoph Reuter immer wiederdorthin. Die Auszeichnung zum Repor-ter des Jahres ist mehr als gerechtfertigt.

    MATHIAS OTTO, BAD ZWESTEN (HESSEN)

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    Brgerkriegsopfer in Deir al-Sor

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    Nr. 1/2013, Der Mietenschock wird

    zum Wahlkampfthema

    Vermietung ist Enteignung Offensichtlich ist in Deutschland weit undbreit niemand in Sicht, der die Wohnungs-frage lsen kann oder will. Eine Besin-nung auf das Sozialgut Wohnung erfor-dert Konzepte, die das WirtschaftsgutWohnung nur sekundr im Fokus haben.

    GERHARD ROHDE, MNCHEN

    Warum kommt keiner auf die Idee, denvor einigen Jahren abgeschafften degres-siven Abschreibungssatz von anfnglichfnf Prozent fr den Neubau von Wohn-immobilien wieder einzufhren? Dasknnte das Angebot von Wohnungen er-hhen und die Mietpreisspirale entschleu-nigen. Steuerliche Anreize fr Investorensind auch fr den Staat immer noch bes-ser als fehlgeleitete Subventionen.

    THORSTEN GRNKE, HAMBURG

    Das Klagen der Politik ber den Woh-nungsmangel ist selbstverschuldet, insbe-sondere da es an willigen Investoren nunwirklich nicht mangelt.

    THOMAS DEPEWEG, HEIDELBERG

    Heute ist doch durch die berdrehte Mie-terschutzgesetzgebung und den fehlen-den Schutz des privaten Vermieters einZustand erreicht, bei dem Privatvermie-tung einer Enteignung sehr nahekommt.

    JRGEN RITSCHER, GARDING (SCHL.-HOLST.)

    Nr. 1/2013, SPIEGEL-Gesprch mit Marianne

    Frstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn

    Gehts noch?Frstin Wittgenstein verrt uns, wieman Feste feiert, und macht sich umdie gehobene Geselligkeit verdient auchohne Heerscharen unbezahlter Dienst -boten. Wo sind wir denn? Was ist mitmeinem SPIEGEL los?

    GERT ROMINGER, HECHINGEN (BAD.-WRTT.)

    Schade, dass in Ihrer Redaktion die Ab-schaffung der Adelsprivilegien, verkn-det am 11. August 1919 in der deutschenReichsverfassung, noch nicht angekom-men ist. Der Frstentitel ist ein Erstge-burtstitel. Den durften nur diejenigen, dieihn noch 1919 innehatten, weiterfhren als Bestandteil des Familiennamens.

    HANS MENDE, HAMBURG

    Liebe Freunde, gehts noch? Nur mal sozur Info: Mit der Kohle der Meisterinwre ich auch ein Top-Gastgeber, jedenMittag, jeden Abend, sozusagen: Gnniis in town.

    GNTER VOGEL, JLICH

    Die Redaktion behlt sich vor, Leserbriefe bitte mitAnschrift und Telefonnummer gekrzt und auch elek-tronisch zu verffentlichen. Die E-Mail-Anschrift lautet:[email protected]

    Nr. 51/2012, Ex-Kommissar John Dalli

    fhlt sich von der

    Tabakindustrie gemobbt

    Ehrgeizige RichtlinieDie Generalsekretrin und der Leiter desJuristischen Dienstes der EU-Kommissionhaben nicht unter Einfluss der Tabak -lobby persnlich in den Vorbereitungs -prozess des Richtlinienvorschlags ber Tabakerzeugnisse eingegriffen. Wie beider Vorbereitung aller Rechtsvorschriftenhatte die Kommission zu gewhrleisten,dass die notwendige Qualitt und rechtli-che Unangreifbarkeit sowie der geeigneteZeitpunkt im Jahr 2012 fr den Vorschlagzu Tabakerzeugnissen sichergestellt wur-den. Zu diesem Zweck hat das General-

    sekretariat zweimal im Jahr 2012 die zu-stndige Dienststelle eingeladen, offeneFragen vor der weiteren Abstimmung undpolitischen Annahme des Richtlinienent-wurfs zu klren. Hinsichtlich der Kontak-te und Konsultationen mit der Tabak -industrie sei erwhnt, dass die Kommissi-on durch die EU-Vertrge zu derartigenKonsultationen verpflichtet ist und diesin vollster Transparenz, mit smtlicheninteressierten Parteien und im Einklangmit den geltenden Regeln geschieht. Wiegeplant prsentierte die Kommission denEntwurf einer ehrgeizigen gesundheits -politischen Richtlinie ber Tabakerzeug-nisse noch im Jahr 2012 unabhngig vomRcktritt von Herrn Dalli am 16. Oktober.Herr Dalli stimmte mit dem Kommis -sionsprsidenten berein, dass seine Posi -tion politisch untragbar geworden war.

    PIA AHRENKILDE HANSENSPRECHERIN DER EU-KOMMISSIONAN

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    Demonstration in Hamburg

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    Aristokratin Wittgenstein

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  • D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 3 13

    Panorama Deutschland

    V E R B R E C H E N

    Spur nach DeutschlandZwei der drei in Paris erschossenen PKK-Aktivistinnen warenwichtige Funktionrinnen der kurdischen Arbeiterpartei inDeutschland. Gegen Sakine Cansiz und Leyla Sylemez er-mittelte der Generalbundesanwalt wegen Untersttzung einerterroristischen Vereinigung im Ausland. Cansiz galt als wich-tige Figur im Fhrungskader der PKK in Norddeutschlandund war Mitglied des Kurdischen Nationalkongresses in Brs-sel. Im Mrz 2007 war sie in einem Caf im Hamburger Schan-zenviertel auf Grundlage eines internationalen Haftbefehlsaus der Trkei festgenommen worden. Das Hamburger Ober-landesgericht entschied aber, sie nicht auszuliefern. Die Vor-wrfe seien zu vage, hie es. Etwa zeitgleich begann dieStaatsanwaltschaft Hamburg mit Ermittlungen gegen die Kur-din wegen ihrer Rolle in der PKK. 2008 bernahm der Gene-ralbundesanwalt die Ermittlungen. Cansiz war zeitweise eine

    enge Vertraute von PKK-Chef Abdullah calan, in der Trkeihatte sie zwlf Jahre im Gefngnis gesessen. 1998 erhielt sieAsyl in Frankreich. In jngster Zeit soll sie sich im Nordirakaufgehalten haben. Die ebenfalls vergangene Woche in Pariserschossene Leyla Sylemez war in den neunziger Jahrenmit ihrer Familie nach Deutschland geflchtet. Sie lebte inHalle, wo sie Architektur studierte und in der PKK-Jugend-bewegung aktiv war. Vor einigen Jahren brach sie ihr Studiumab, angeblich um sich ganz der politischen Arbeit zu widmen.Wer auch immer hinter den Anschlgen steckt: Der Drei-fachmord von Paris belastet zaghafte Entspannungsversuche.Erst am 2. Januar hatten zwei kurdischstmmige Abgeordnetedes trkischen Parlaments PKK-Fhrer calan auf der Ge-fngnisinsel Imrali besuchen drfen. Einige Wochen zuvorhatte sich sogar der Chef des trkischen Geheimdienstes MITmit calan getroffen. In beiden Gesprchen ging es um dieWiederaufnahme des festgefrorenen Dialogs zwischen derPKK und der trkischen Regierung. Ministerprsident RecepTayyip Erdogan lie erst im Dezember durchblicken, dassder seit 1999 inhaftierte Kurdenfhrer in den Friedensprozesseingebunden werden msse.

    Cansiz, calan 1995 Gedenkstelle fr ermordete Kurdinnen in Paris

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    Auf eine Tasse WeinEntgegen seiner bisherigen Darstel-lung hat SPD-Kanzlerkandidat PeerSteinbrck Angela Merkel noch nachdem Regierungswechsel vor gut dreiJahren zu einem Vieraugengesprchgetroffen. Das Abendessen auf Einla-dung Merkels fand im November 2009statt. Wie bereits bei anderen Gelegen-heiten hatte sich der ehemalige Bun-desfinanzminister vor zwei Wochen in

    einem Interview mit derFrankfurter AllgemeinenSonntagszeitung beklagt, essei nach dem Ende der Gro-en Koalition nie wiederzu einem solchen Austauschgekommen. Es gab keinenAnruf, keine Einladung, sag-te Steinbrck, dabei htte eres durchaus normal gefun-den, wenn sie in der Krisemal angerufen und gesagthtte, ich solle doch mal aufeine Tasse Wein herber-kommen. Die Bundeskanz-

    lerin hat da eine andere Erin-nerung, sagt nun ein Regie-rungssprecher. ber Detailsder Unterhaltung wolle Mer-kel sich nicht uern, da sieber persnliche Gesprcheund Begegnungen grund-stzlich keine Auskunft gibt.Steinbrck sagt, das Treffenstehe nicht im Widerspruchzu seinen bisherigen ue-rungen. Ja, an dieses Essenerinnere ich mich, da habenwir die Arbeit der GroenKoalition abgeschlossen.

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    Merkel, Steinbrck

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  • Panorama

    K O A L I T I O N S A U S S C H U S S

    Noch nicht eingeladen

    Das fr den 31. Januar geplante nchs-te Treffen des Koalitionsausschusses istin Gefahr. Zwar drngt die CSU auf Beratungen, vor allem ber die steigen-den Strompreise. Dennoch konnten bis-lang keine Einladungen versandt wer-den. Der Grund, so heit es in Unions-kreisen: Wegen der Fhrungskrise inder FDP sei zumindest bis zur Wahl inNiedersachsen nicht klar, wer von denLiberalen an dem Treffen teilnimmt.Fr die Freien Demokraten sind norma-lerweise der Parteichef und Vizekanz-ler Philipp Rsler, Fraktionschef RainerBrderle und die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger dabei.Zuletzt traf sich der Koalitionsaus-schuss im vergangenen November.

    B U N D E S T A G

    Rechtswidrige Bindung

    Die Bundestagsverwaltung hat berJahre hinweg Auftrge vergeben, ohnesie vorher auszuschreiben. Das gehtaus einem vertraulichen Prfberichtder Innenrevision hervor. Die Beam-ten nennen dort einen Auftrag berBindungen von Bundestagsdruck -sachen, stenografischen Berichten undBundesgesetzblttern. Die Vergabeder Arbeiten sei mindestens seit demJahr 2001 und bis zum Jahr 2008 so-wohl ohne schriftliche rahmenvertrag-liche Grundlage als auch ohne dievom Vergaberecht vorgesehene regel-mige Neuvergabe der Leistung er-folgt. Insgesamt flossen rund 200000Euro an die Bonner Buchbinderei Dor-magen, die im Februar 2008 noch ein-mal einen freihndig vergebenen An-schlussauftrag erhielt, der letztendlichrund 34000 Euro gekostet hat. Die Innenrevisoren kritisieren auch man-gelhafte Dokumentationen bei der Lie-ferung von 20000 Einwegkopfhrernsowie bei der Bereitstellung eines In-ternetzugangs zu Test- und Diagnose-zwecken. Die Verwaltung fhrt dieversumte Ausschreibung unter ande-rem auf eine zum damaligen Zeit-punkt unklare Zustndigkeitsvertei-lung und unzureichende Verfahrens -abstimmung zwischen den beteiligtenReferaten zurck.

    D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 3

    E N E R G I E

    Fr kleines GeldIndustrieunternehmen, die ihre Umlage zur Frderung der erneuerbaren Energienbegrenzen lassen wollen, mssen ab Februar Gebhren fr ihre Antrge beimStaat bezahlen. Das sieht eine Verordnung von Bundesumweltminister Peter Alt-maier (CDU) vor. Eine abschreckende Wirkung fr Antragsteller drfte von derneuen Gebhr allerdings kaum ausgehen, da sie nur einen Bruchteil der zu erwar-tenden Entlastung ausmacht. Ein energieintensives Unternehmen wie eine Papier-fabrik mit einem Jahresverbrauch von etwa hundert Gigawattstunden msste nachder Verordnung etwa 6500 Euro fr den Antrag entrichten; die Begrenzung selbstbrchte der Firma jedoch ein Plus von 5,1 Millionen Euro. Der grne EnergieexperteOliver Krischer hlt die neue Gebhrenordnung fr den albernen Versuch, inder ffentlichkeit den Anschein einer finanziellen Beteiligung der ansonsten befreiten Industrie zu erwecken.

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    Altmaier am Windpark Alpha Ventus

    Musterfassade des Stadtschlosses

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    H A U P T S T A D T

    Mit Brunnen undRossbndiger

    Modern oder historisch? Die Bundesre-gierung hat sich in die Diskussion umdas Erscheinungsbild der Hauptstadt-Mitte eingeschaltet. Es geht darum,wie die Auenanlagen des zuknftigenBerliner Schlosses gestaltet werden sol-len. Der Vertreter der Bundesregierungim Stiftungsrat, Bau-Staatssekretr Rai-ner Bomba, hat sich dabei fr die Tra-ditionalisten eingesetzt. Er warnt voreinem gestalterischen Bruch zwi-schen den das Stadtbild prgenden his-torischen Fassaden des Schlosses undder Umgebung. Nur ein harmonischesGanzes knne am Ende berzeugen,schrieb er an die Berliner Senatsbau -direktorin Regula Lscher, eine An -hngerin moderner Architektur. DieBefrworter der historischen Rekon-struktion im Preuen-Stil pldierenetwa fr die Rckkehr des Neptun-brunnens auf den Schlossplatz. Auchdie Rossbndiger sollen dort wiederaufgestellt werden, ein Geschenk desrussischen Zaren Nikolaus I.ST

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  • U N I O N

    Gleiches GehaltDie Unionsfraktion im Bundestag willUnternehmen knftig verpflichten,Mnner und Frauen fr gleiche Ttig-keiten gleich zu bezahlen. Fraktions-chef Volker Kauder (CDU) hat Fach -politiker damit beauftragt, dafr einenGesetzestext zu formulieren, und steu-ert damit auf einen Grokonflikt mitder Wirtschaft zu. Offen ist bislang, obsich die Union fr ein eigenes Entgelt-gleichheitsgesetz einsetzt. Einen ent-sprechenden Entwurf der SPD, der Fir-men verpflichten wrde, ihre Struktu-ren offenzulegen, hatte die Unionnoch im vergangenen Sommer als zubrokratisch abgelehnt. Als denkbargilt alternativ eine Verschrfung derRechenschafts- und Dokumentations-pflichten von Unternehmen. Zudem

    knnte im Betriebsverfassungsgesetzverankert werden, dass Betriebsrteknftig auch darber wachen, ob dieUnternehmen Mnner und Frauengleich bezahlen. Kauder ist jedochskeptisch, ob dies ausreicht, um eineAngleichung der Gehlter zu errei-chen. Familienministerin KristinaSchrder und die fr Arbeit und So -ziales zustndige stellvertretende Frak tionschefin Ingrid Fischbach (bei-de CDU) prfen derzeit verschiedeneVorschlge.

    15

    Deutschland

    J U S T I Z

    Weniger erbenViele Menschen hoffen auf ein groesErbe. Max Strau hingegen, ltesterSohn des ehemaligen bayerischen Mi-nisterprsidenten und CSU-Vorsitzen-den Franz Josef, kmpft darum, dassihm kein solches Erbe nachgesagtwird: Ihm ist es wichtig klarzustellen,dass sein Vater der Familie nicht 300Millionen Mark hinterlassen habe. Sowichtig, dass er in einer eidesstattli-chen Versicherung ausfhrt, das Ver-mgen seiner Eltern habe sehr vielweniger als zehn Prozent dieses Betra-ges umfasst. Hintergrund ist ein Verfahren, das jetztvor dem Landgericht Kln fortgefhrtwird: Max Strau klagt gegen denMnchner Autor Wilhelm Schlttererund einen im Stern erschienenen Ar-

    tikel auf Unterlassung. Schltterer hat-te bei Lesungen aus seinem BuchMacht und Missbrauch behauptet,Strau Erbe habe sich auf ebendiese300 Millionen Mark belaufen. Darauf-hin hatte sich Burkhard K., ein frhe-rer Banker des ehemaligen Bankkon-zerns Citicorp, gemeldet und berichtet,Max Strau habe 1992 bei der Citicorp-Filiale in Luxemburg angerufen und gefragt, ob er 300 Millionen Mark vonMnchen bar nach Luxemburg bringenknne; es handle sich um das Erbe seines Vaters. Der Zeuge will in dieserSache zweimal in der Kanzlei von MaxStrau angerufen und mit ihm berden Geldtransfer gesprochen haben. K. machte diese Angaben spter auchgegenber der Bochumer Staatsanwalt-schaft, der Stern berichtete im Juniber K.s Aussage. Diese Berichte passen dem Erbennicht: weil sie unwahr sein sollen undwomglich auch, weil dann erklrtwerden msste, wie die Eltern Strauauf legalem Weg an so viel Geld ge-kommen wren. Max Strau beteuertin einer eidesstattlichen Versicherung,die er fr ein vorgelagertes Verfahrenabgegeben hat, weder mit K. noch mitanderen Managern der Citicorp bereine Anlage des Erbes seines Vatersgesprochen zu haben. Das LandgerichtKln beschloss, Burkhard K. und dieStrau-Kinder Monika Hohlmeier undFranz Georg Strau als Zeugen zu h-ren. Max Strau mchte sich nach An-gaben seines Anwalts gegenber demSPIEGEL nicht zu dem Verfahren u-ern.

    Familie Strau, Sohn Max (r.) 1980

    20 Jahre

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    Stundenverdienst (brutto)Durchschnitt nach Alter, 2010

    Quelle: Statistisches Bundesamt

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  • D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 316

    PanoramaDeutschland

    D I P L O M A T I E

    Vershnliche GesteUS-Vizeprsident Joe Biden plant ei-nen offiziellen Besuch in der deut-schen Hauptstadt. Anfang Februar will

    die Nummer zwei der amerikanischenRegierung Bundeskanzlerin AngelaMerkel in Berlin treffen, entweder voroder nach seiner Teilnahme an derMnchner Sicherheitskonferenz. Ur-sprnglich sollte das Gesprch zwi-schen Biden und der deutschen Regie-rungschefin am Rande der Tagung

    stattfinden, Merkel wird jedoch nachjetzigem Stand nicht daran teilneh-men. Bidens Visite ist auch als ver-shnliche Geste zu verstehen Prsi-dent Barack Obama hatte Berlin in sei-ner ersten Amtszeit nicht besucht, wasauf deutscher Seite Verwunderung aus-gelst hatte.

    Insgesamt:2945 Stdte und Gemeinden;

    Quellen:Landeswahlleiter, StatistischesLandesamt des FreistaatesSachsen, Kamenz, 2012;

    Wahlen:Berlin 2011, Brandenburg 2009,Mecklenburg-Vorpommern 2011,Sachsen 2009, Sachsen-Anhalt 2011,Thringen 2009

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    Berlin

    Erfurt

    Dresden

    In Reinhardtsdorf-Schnahat die NPD mit 19,4 Prozentmehr als dreimal so vieleStimmen bekommen wiedie SPD.

    In Mecklenburg-Vorpommernhat die NPD in 25 Gemeindenmehr als 20 Prozent derStimmen bekommen.

    In Koblentz liegt der NPD-Stimmenanteil bei 33 Prozent.

    Vorpommern-Rgen ist derLandkreis, in dem KanzlerinAngela Merkel ihr Bundestags-direktmandat gewonnen hat.Hier erreicht die NPD in 11von 106 Gemeinden mehr als10 Prozent der Stimmen.

    Leipzig

    Potsdam

    Schwerin

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    19,4

    33

    Gemeinden mit NPD-

    Wahlergebnissen ab 3%

    bei den Landtagswahlen

    2009 bis 2011 (Zweitstimme)

    mehr als 24%

    3 bis unter 6 %

    6 bis unter 9 %

    9 bis unter 12 %

    12 bis unter 15%

    15 bis unter 18%

    18 bis unter 21%

    21 bis unter 24%

    Braune ZoneIn vielen Teilen Ostdeutschlands ist die NPD mehrals eine Randerscheinung. Eine Auswertung derErgebnisse vergangener Landtagswahlen zeigt,dass die Rechtsextremen in manchen Gegendenden Status einer Volkspartei genieen.In Mecklenburg-Vorpommern undin Sachsen sitzen sie im Landtag.

    Die NPD liegt ininsgesamt 5 von 60schsischen Wahl-kreisen vor der SPD.

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  • Klaus Wowereit machte einfach wei-ter, als wre nichts passiert. Erempfing den neuen Generalkon-sul der Trkei sowie den Brgermeistervon Turin, er beschftigte sich mit Fried-hofserweiterungsflchen, und er beehrtedie lokale Bauindustrie auf ihrem Neu-jahrsempfang mit seinem Besuch, gutge-launt wie immer. In Berlin werden starke Impulse gesetzt, schwrmte derRegierende Brgermeister ber seineStadt und sich selbst.

    Nur wenige Tage brauchte er, um sichzu fangen; um die Illusion zu hegen, dassseine Macht nicht beschdigt sei.

    Kaum aber schien nach der erneut ge-platzten Flughafenerffnung das Schlimms-te berstanden, da meldet sich der nchsteGegner zu Wort. Jetzt ist es Airport- Architekt Meinhard von Gerkan, der zumAngriff ansetzt.

    Seit 2004 hatte er mit seinem Team denGroflughafen BER geplant, dann wurdeer im vorigen Mai gefeuert und verklagt.Auf 99 Seiten nebst umfangreichen An-lagen haben seine Anwlte nun zusam-mengetragen, wie aus ihrer Sicht die Flug-hafengesellschaft unter Wowereits Regiedas Debakel in Schnefeld verursacht hat.

    Die Akte des Architekten gibt erstmalsdetailliert Einblick in eine lange Zeit ab-geschirmte, kleine Staatsfirma, die ange-treten war, aus eigener Kraft eines dergrten Infrastrukturprojekte Deutsch-lands zu stemmen und im Scheitern fastzwei Ministerprsidenten zu Fall brachte.

    Mit Gerkans Klageerwiderung gehtnun nach der politischen auch die juristi-sche Aufarbeitung in die nchste Runde:mit potentiell gewaltiger Sprengkraft.Folgt das Landgericht Potsdam, dem derSchriftsatz seit kurzem vorliegt, den Ar-

    gumenten, dann hat sich die Arbeit vonWowereits BER-Managern als gro -angelegte Tuschung herausgestellt.

    Bislang gilt mangelhaft geplanterBrandschutz als Hauptursache fr das Ter-min- und Kostenchaos das ist die Posi-tion der Flughafengesellschaft. GerkansGegen position ergibt ein vllig anderesBild: Wie Kinder beim Legospielen scho-ben die Bauherren demnach Kltzchenhin und her. Mal verrckten sie eine Flug-gastbrcke, dann wnschten sie sich eineVielflieger-Lounge, wo bereits ein nor-maler Wartebereich installiert war. DerBauablauf, heit es in der Akte, wurdedadurch regelrecht zerschossen.

    Die Suche nach Schuldigen beschftigtnicht nur die Justiz; auch politisch ist dieAuseinandersetzung mit dem BerlinerMisstrauensvotum vom Samstag nochnicht vorbei.

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    Die Akte des ArchitektenKaum ist die Flughafenerffnung erneut geplatzt, folgt die nchste Attacke

    vor Gericht: Airport-Planer Meinhard von Gerkan bezichtigt die Flughafengesell-schaft von Brgermeister Wowereit der groangelegten Tuschung.

  • D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 3 19

    Nach dem bisherigen AufsichtsratschefWowereit (SPD) rckt nun die Rolle vonPeter Ramsauer (CSU), der den Bund alsMinderheitsgesellschafter vertritt, insZentrum.

    Bereits am 19. Dezember, drei Wochenvor der offiziellen Terminabsage, liesich der Bundesverkehrsminister in sei-nem Amtssitz von Flughafen-TechnikchefHorst Amann persnlich Bericht erstat-ten. Das Ministerium und Amann best-tigen das Treffen. Natrlich haben wirber den Stand des Projekts gesprochen,ber was denn sonst, sagt Amann.

    Wenige Tage spter stellte Ramsauerin einem Zeitungsinterview als erster Ver-antwortlicher den Erffnungstermin Ok-tober 2013 in Frage und lste damit inBerlin und Brandenburg Verwunderungaus. Wusste der Minister vorab von denProblemen? War um ging Amann zu einem Minderheitsgesellschafter, statt seinen Aufsichtsratsvorsitzenden zu in-formieren?

    Seit Monaten nutzte der CSU-Mannjede Gelegenheit, um Wowereit zu scha-den. Nach dessen ffentlicher Blamagehat er sein Ziel offensichtlich erreicht.Jetzt erwgt er berdies, den Aufsichtsratund die Geschftsfhrung der Flughafen-gesellschaft auf Schadensersatz zu ver-klagen. Schnell vergessen ist offenbar seinVersprechen, der Erfolg des BER-Projektsliege ab sofort im gesamtstaatlichen Interesse.

    Eigentlich soll das Management derStaatsfirma zgig neu aufgestellt werden,

    stattdessen belasten nun juristische Pro-bleme die Sanierung. Denn auch ausSicht der Gerkan-Kanzlei CBH gibt esnur einen Schuldigen fr das Projekt, dasim vergangenen Mai blo vier Wochenvor der damals geplanten Erffnung ha-varierte: die Flughafengesellschaft.

    Es sei nicht nur fr die Probleme dervergangenen Jahre und das selbstange-richtete Terminchaos verantwortlich,sondern auch gnzlich ungeeignet, denBau zu einem erfolgreichen Abschluss zubringen. Selbstverstndlich, schreibenGerkans Anwlte, sei die Flughafengesell-

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    Probebetrieb am BER im Februar 2012: Gedrnge beim Check-in

    Sozialdemokrat Wowereit

    In Berlin werden starke Impulse gesetzt

    schaft mit dem ihr zur Verfgung ste-henden Personal nicht ansatzweise in derLage, den Flughafen in Betrieb zu neh-men oder auch nur genehmigen zu lassen.

    Die Angestellten der Staatsfirma seiendafr schlichtweg nicht ausgebildet; siehtten im Flughafenbau keine Erfah-rung. Tatschlich ruhen die Bauarbeitenin Schnefeld seit vielen Monaten.

    Ein hrteres Zeugnis ist kaum denkbarfr ein Unternehmen, das Wowereit seit2001 als Chefkontrolleur beaufsichtigt hat.Berlins Regierender Brgermeister per-snlich stellte als Geschftsfhrer RainerSchwarz ein, der nun fr das Debakel ver-antwortlich gemacht wird. Wowereit ver-traute darauf, dass seine Leute das Pro-jekt allein, ohne einen Generalunterneh-mer wie Hochtief, stemmen knnten; ersegnete Zeit- und Kostenplne ab undtrug alle strategischen Entscheidungenmit.

    Als Versager jedoch werden von Seitender Flughafengesellschaft seit Monatenimmer wieder die Architekten aus Ger-kans Bro gmp genannt. Sie sollen frmassive Fehlplanungen verantwortlichsein sowie fr ein technisch unausgereif-tes Design, insbesondere beim Brand-schutz.

    Mit diesem Argument erklrte der vonWowereit bis zuletzt protegierte Airport-Chef Rainer Schwarz die nicht abreien-de Pannenserie. Deshalb auch wurde dievon Gerkan und dem Frankfurter Archi-tekturbro JSK gebildete Planungsge-meinschaft pg bbi im Mai entlassen.

    Eine solche Lesart wollen sich die Ar-chitekten nicht lnger gefallen lassen. Inihrer Klageerwiderung zeichnen sie dasBild einer chaotisch aufgestellten, chro-nisch berforderten Flughafengesell-

    Deutschland

  • schaft: Jahrelang haben die Managerdemnach sich selbst und ihren Gesell-schaftern vorgemacht, sie knnten dasTerminal in Eigenregie pnktlich undgnstig fertigstellen. Und Wowereit liesie gewhren.

    Verheerende Folgen hatte vor allem dieEntscheidung, das neue Terminal zumShopping-Center auszubauen. ZahlreicheBoutiquen, Restaurants und Cafs solltenfr zustzliche Einnahmen sorgen. So hat-te es sich Schwarz mit seinem Geschfts-bereich Non Aviation ausgedacht.Wichtiger als das Abfertigen wurde nunoffenbar das Abkassieren der Passagiere:Alle Fluggste waren unmittelbar nachder Sicherheitskontrolle durch einen so-genannten Walk-Through-Shop zu fh-ren er wurde zum zentralen Angel-punkt des Terminals erklrt.

    Die Architekten mussten daraufhin diekomplette Abflugebene umplanen. Pro-fitable Flchen waren zu schaffen, unddas fhrte, so ihre Anwlte, zwingendzu einer Reduktion von Check-in-Schal-tern, Verkehrsflchen in der Halle unddamit einem Verlust an Abfertigungs -kapazitt. Im Klartext: Ist das BER- Terminal erst mal fertiggestellt, mssensich die Passagiere beim Check-in drn-geln, damit sie anschlieend entspanntshoppen knnen. Schon vor Jahren wie-sen die Planer darum ihre Auftraggeberdarauf hin, dass das Terminal infolgeder neuen Anforderungen zu klein undeine Erweiterung der Haupthalle erfor-derlich sei.

    Doch die Flughafengesellschaft lehntedas Ansinnen ab inzwischen gibt es

    kaum noch Zweifel, dass der neue Flug-hafen schon zur Erffnung seine Kapazi-ttsgrenze erreicht haben wird. Die Ent-scheidung sollte sich spter rchen: WeilFlchen fr gesetzlich neu vorgeschriebe-ne Sicherheitsbereiche fehlten, musstedas Terminal fr fast 200 Millionen Eurodoch noch erweitert werden. Auch derZeitplan geriet deshalb durcheinander.

    Das Shopping-Center war nicht dereinzige nderungswunsch der Airport-Manager. Bis Mai 2012 bombardierten siedie Architekten mit 286 Plannderungs-antrgen. Die fortdauernde Behinde-rung der eigenen Baustelle ist fr dieArchitekten eine der zentralen Ursachenfr das Debakel. Von Sommer 2010 anmusste der Bau betrieb deshalb fr neunMonate ruhen.

    Zahlreiche weitere Beispiele folgen inden Ausfhrungen von Gerkans Juristen.Sie legen nahe, dass Europas modernsterFlughafen (Eigenwerbung) wohl tglichneue Schlagzeilen produziert htte, wenner im vergangenen Juni wie geplant er-ffnet worden wre. So wren alle Park-huser geschlossen geblieben, da es keinefunktionierende Verbindung zu den Feu-erwachen gab. Auch die Notstromversor-gung im Terminal hatte noch keine Sach-verstndigenabnahme.

    Mglicherweise hat Gerkans Planungs-arbeit, wie die Flughafengesellschaft be-hauptet, erheblich zum Scheitern in Sch-nefeld beigetragen. Es wird Jahre dauern,bis Richter das geklrt haben.

    Politisch wichtiger ist die Frage, was derbisherige Chefkontrolleur Wowereit undseine Kollegen von diesen Vorgngen wuss-

    ten. Entweder sie waren informiert odersie haben sich leichtglubig tuschen lassen.Beides wre ein vernichtendes Urteil.

    Folgt man den Architekten, dann triffteher die zweite Variante zu, dann habendie Aufsichtsrte naiv Airport-ChefSchwarz vertraut und seine illusorischenZeit- und Kostenplne abgenickt.

    Sptestens im November 2008, heites in der Klageerwiderung, habe sich dieFlughafengesellschaft entschlossen, an-stelle einer klaren, erfolgversprechendenProjektstrategie mit Halbwahrheiten undunrealistischen Vorgaben zu arbeiten.Die Geschftsfhrung habe wider bes-seres Wissen gegenber ihrem eigenenAufsichtsrat und der ffentlichkeit sug-geriert, dass das Terminal pnktlich undinnerhalb des Wunsch-Budgets fertig wer-den knne.

    Studien lieen damals erstaunlichexakt, so die Anwlte, jene Kosten -explosionen und Terminprobleme erken-nen, die nun seit Monaten fr Aufregungsorgen. Ein Sprecher der Flughafengesell-schaft will die Vorwrfe wegen des lau-fenden Verfahrens nicht kommentieren.

    Wesentliche Kontrollmechanismen, soviel ist sicher, haben in der Vergangenheitversagt. Ntig ist nun ein radikaler Neu-anfang aber ist Matthias Platzeck dafrder richtige Mann? Der Potsdamer Minis-terprsident ist seit vielen Jahren stell-vertretender Aufsichtsratschef der Flug-hafengesellschaft; alle wesentlichen Ent-scheidungen hat er mitgetragen.

    Am Mittwoch soll er den Vorsitz vonWowereit bernehmen. Der Flughafenwird dann sein Problem: Wenn er es nicht

    Deutschland

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    5. September

    2006

    Erster Spaten-stich fr denneuen Haupt-stadtughafen

    2010

    7. Mai

    Richtfestfr den Terminal-rohbau

    25. Juni

    Erste Verschiebung

    des Erffnungsterminsvom 30. Oktober 2011auf den 3. Juni 2012

    2012

    8. Mai

    Absage des Erffnungs-termins, u. a. wegen gravierender Brand-schutzmngel

    16. Mai

    Neuer Er-

    ffnungstermin

    geplant fr den 17. Mrz 2013

    7. September

    Verschiebung auf den27. Oktober 2013 wegenweiterhin nicht funktio-nierenden Brandschutzes

    2013

    Absage des neuenErffnungstermins.Ein weiterer Terminwird nicht genannt.

    7. Januar

    Berliner Luftnummer

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    Minister Ramsauer, Schuble, Architekt Gerkan: Selbst angerichtetes Chaos

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  • in den Griff bekommt, wird er die Quit-tung bei der Brandenburger Landtags-wahl im Herbst 2014 erhalten.

    Fr Platzeck fiel die Entscheidung amvergangenen Montag bei einem Gesell-schaftertreffen im Roten Rathaus. EinVertreter des Bundesverkehrsministe -riums beantragte erneut, Airport-ChefSchwarz abzulsen. Wowereit stellte sichwie gewohnt dagegen; bislang war ihmPlatzeck darin stets gefolgt. Nun wech-selte er die Seiten. Brandenburg werdeSchwarz nicht lnger untersttzen, er-klrte er. Kurz dar auf bot ihm Wowereitden Vorsitz an.

    Platzeck muss jetzt die Vergangenheitabschtteln, so schnell es geht, er mussbeweisen, dass es mit ihm einen glaub-wrdigen Neuanfang im Aufsichtsrat ge-ben kann Schuble htte lieber einenpolitikfremden Fachmann als neuen Chef-kontrolleur gesehen.

    Schon auf der Rckfahrt nach Potsdamstellte der Mann, der whrend der Oder-flut 1997 als Deichgraf bekannt gewordenwar, auf Katastrophenmanagement um.In seiner Staatskanzlei soll es nun einenKrisenstab geben; seine Fachministerwies er an, ihm die besten Leute zur Ver-fgung zu stellen. Dem Aufsichtsrat solleine Expertenrunde zur Seite gestellt wer-den; auch der Bund soll im Kontroll -gremium mehr Verantwortung ber -nehmen.

    Und Wowereit? Als ihn am vorvergan-genen Wochenende die fatale Botschaftvom Airport erreichte, tauchte er erst malab. Sein Koalitionspartner Frank Henkel(CDU) fragte per SMS an, ob es Neuesvom Flughafen gebe der Brgermeisterantwortete nicht. Auch seine Kronprin-zen lie er im Unklaren: SPD-LandeschefJan St und der Fraktionsvorsitzendeim Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, er-fuhren die Nachricht nicht von ihm.

    Seit 2001 ist Wowereit im Amt. Wennsein Parteifreund Kurt Beck in dieser Wo-che abtritt, ist er der am lngsten regie-rende Ministerprsident. Aber auch seineZeit ist abgelaufen. Sobald sich die Berli-ner SPD auf einen Nachfolger geeinigthat, wird Wowereit das Rote Rathaus ru-men mssen. Es ist unwahrscheinlich,dass er den neuen Flughafen, das wich-tigste Projekt seiner Amtszeit, noch alsBrgermeister erffnen kann.

    Fr viele Berliner und ihre Besucherist das Airport-Debakel dagegen einegute Nachricht so knnen sie weiterhinden zentrumsnahen Flughafen Tegel nut-zen, der ebenfalls von Gerkan gebautwurde. So sehen es auch die Anwlte desArchitekten. Tegel funktioniert, schrei-ben sie in ihrem Schlusswort, der Flug-hafen Tegel gehrt aufgrund seiner klu-gen Planung, den realisierten kurzen Wegen und seiner ,Brgernhe zu denbeliebtesten Flughfen der Welt.

    FRANK HORNIG, ANDREAS WASSERMANN

    Ein Klick, ein Blick, ein schmales L-cheln. Fertig. Das ist Kanzlerinnen-Politik. So war es ffentlich zu sehen, als im

    Mrz 2011 Angela Merkel bei einem Auf-tritt auf der Computermesse Cebit in Han-nover von der Nachricht berrascht wur-de, ihr Verteidigungsminister Karl-Theo-dor zu Guttenberg wolle von seinem Amtzurcktreten: ein Druck auf die Handy-Taste mit dem Daumen, die Kanzlerinreicht mit zufriedener Miene das kleineDing Bildungsministerin Annette Scha-van neben ihr, die liest, gibt zurck, beideDamen wenden sich sichtbar erfllt vonHerrschaftswissen wieder dem Gang derDinge auf der Cebit zu.

    Und dann? Die Frage, was eigentlichmit den zahllosen SMS passiert, zwischender mchtigsten Frau Europas und all denWeisungsempfngern, Rivalen, Freundenund Kollegen, mit denen sie per Daumen-druck kommuniziert, treibt mittlerweileJuristen, Brgerrechtler, sogar die Archi-vare der Bundesregierung um. Das Kr-zel am kennzeichnet die harte Wh-rung im Berliner Politik-Betrieb, per

    short message service der Kanzlerinwerden politische Karrieren begrndetund beendet, Gegner ausgetrickst undStaatsmnner vershnt. Vermutlich, ge-nau wei man es eben nicht.

    Kann es angehen, dass die Kanzlerinihre weltbewegende Korrespondenz inder Handtasche verschwinden lsst?

    So jedenfalls ist die Praxis im Kanzler-amt. Dort nimmt bisher niemand die SMSzu den Akten.

    Doch nur wenn die SMS von und anam zu den Akten kommen, knnen siefr die Nachwelt in Archiven erhaltenwerden. Nur dann knnten sie, was dieRegierung natrlich noch viel wenigerwill, nach dem Informationsfreiheitsge-setz sogar von Brgern eingesehen wer-den, die sich ber Regierungshandeln in-formieren wollen.

    Dazu knnte es jedoch bald kommen.Neuere Urteile der Verwaltungsgerichtelassen ahnen, dass die Kanzlerin sich wo-mglich verpflichtet sehen wird, ihr elek-tronisches Nhkstchen aufzumachen.Denn das Informationsfreiheitsgesetz ver-langt, dass grundstzlich Infos, Dateien,

    Deutschland

    D E R S P I E G E L 3 / 2 0 1 322

    G E S C H I C H T S S C H R E I B U N G

    Regieren mit dem Daumen Wie privat sind die SMS der Kanzlerin?

    Juristen meinen, sie mssen in die Akten.

  • alles, was beim ffentlichen Geschft an-fllt, registriert und wohlsortiert bereit-gehalten wird.

    Jede Nachricht bleibt ja zunchst imHandy gespeichert. Nichts darf willkr-lich gar per Daumendruck gelscht wer-den. Da passen auch die strengen Samm-ler vom Bundesarchiv auf, die dafr zu-stndig sind, das Regierungsgeschft mglichst vollstndig der Nachwelt zu do-kumentieren. Michael Hollmann, Prsi-dent des Bundesarchivs, mahnt: Wennzum Beispiel mittels einer SMS eine frm-liche Weisung an das Bundeskanzleramtoder einen Bundesminister erteilt wird,gehrt diese SMS natrlich in die Akten.

    Fr Angela Merkels private Korrespon-denz gilt das freilich nicht. Aber darber,was privat und was dienstlich ist, lsstsich oft trefflich streiten. Da machte zumBeispiel im Frhjahr 2010 SPD-Chef Sig-mar Gabriel per SMS der Sehr geehrtenfrau bundeskanzlerin einen personal-vorschlag: Joachim Gauck solle Bundes-prsident werden. Ein Klick, ein Blick,

    * Am 1. Mrz 2011 in Hannover.

    die Antwort: Danke fuer die info undherzliche gre am.

    Der Wortwechsel war im SPIEGEL zulesen, nachdem Frau Merkel sich danndoch lieber fr Christian Wulff entschie-den hatte. Ein einmaliger Vorgang,schlichtweg ungeheuerlich und durchnichts zu erklren oder zu entschuldigen,hie es im Kanzleramt nicht zur Wulff-Wahl, sondern zur Verffentlichung derSMS. Man habe sich doch auf Diskretionam Telefon auch zwischen Regierung undOpposition stets verlassen knnen.

    Die elektronisch bermittelten SMS-Texte fallen zumindest nach dem Infor-mationsfreiheitsgesetz des Bundes andersals der Inhalt von Telefongesprchen un-ter die fr Brger bereitzuhaltenden Un-terlagen. Jede geordnete Datenmenge,die auf einem Datentrger verkrpertist, so der Freiburger Staatsrechtsprofes-sor Friedrich Schoch, Autor des einschl-gigen Gesetzes-Kommentars, sei grund-stzlich aktenpflichtig.

    Dass der Wunsch der Kanzlerin, dieDinge vertraulich zu halten, ihre Infosnicht vor dem Zugriff von Brgern undArchivaren schtzt, machten die Richterdes Berliner Oberverwaltungsgerichts derRegentin erst im vergangenen Jahr deut-lich. Es ging um das Geburtstagsfest frden damaligen Deutsche-Bank-Chef JosefAckermann. Merkel hatte es auf Staats-kosten 2008 im Kanzleramt ausgerichtet.

    Der Umweltaktivist und Publizist ThiloBode hatte Auskunft ber Bewirtungskos-ten der Ackermann-Sause, die Gsteliste,die Rede-Texte, schlielich sogar den Ter-minkalender der Kanzlerin verlangt ver-gebens. Erst das Berliner Obergericht gabBode im Mrz 2012 weitgehend recht. So-gar der Terminkalender der Kanzlerin,entschieden die Richter, falle unter dasInformationsfreiheitsgesetz.

    Als htten sie Angst vor der eigenenCourage bekommen, retteten die Verwal-tungsrichter mit einer aberwitzigen Volteden Kalender der Kanzlerin in diesemFall vor dem Zugriff Bodes: Eine Heraus-gabe, auch von Auszgen, knne die Si-cherheit des Bundes gefhrden.

    Ganz berraschend kommt das Trans-parenz-Urteil allerdings nicht. Ordent -licher Umgang mit schriftlichen Grund -lagen einer Entscheidungsfindung habeauch etwas mit Demokratie zu tun, ur-teilte schon 1988 das Bundesverwaltungs-gericht: Eine vollstndige Dokumentationsei Grundlage fr die parlamentarischeKontrolle des Exekutivhandelns.

    Das bringt allerdings einen Teil der Ber-liner Regierungspolitik in eine rechtlicheGrauzone. Die Nebenzimmer-Diplomatieund die Koalitions-Kungelrunden: allesin die Akten?

    Fr Hans-Peter Uhl, den innenpoliti-schen Sprecher der Unionsfraktion, istdenn der Gedanke an eine Archivierungs-pflicht fr Kurzbriefe via Handy ein

    Graus: SMS ersetzen Telefonate. Wenndie Demokratie mit weniger Sitzungenauskme, wrde die Kanzlerin sicher daspersnliche Gesprch bevorzugen.

    Auch beim politischen Gegner schtztman eher das Diskrete: Es muss in derPolitik Raum fr informellen Austauschgeben, sagt Uhls SPD-Kollege MichaelHartmann, SMS zu archivieren wrdediese Mglichkeit unzulssig einengen.

    Fr Offenheit nach auen pldiert derGrnen-Querdenker Christian Strbele:Warum sollten amtliche SMS geheimergehalten werden als Briefe? DienstlicheSMS der Kanzlerin mssten natrlichParlament und auf Verlangen im Rah-men der Gesetze auch der ffentlichkeitvorgelegt werden.

    Doch nicht nur einzelne Parlamenta-rier, auch Historiker erzrnt das Regierenaus der Handtasche mittlerweile. Merkelmacht ganz offensichtlich Politik per SMS,insofern ist es selbstverstndlich undzwingend, dass diese archiviert werden,fordert Hans Woller vom Institut fr Zeit-geschichte in Mnchen. SMS zu den Ak-ten: Das sei, so Woller, ein Gebot demo-kratischer Rechenschaftslegung.

    In den Vereinigten Staaten ist manschon weiter: Prsident Barack ObamasBlackBerry kann nicht benutzt werden,ohne dass alles im Archiv des WeienHauses registriert wird. Weil die Sitten

    in der ltesten funktionierenden Demo-kratie der Neuzeit so streng sind, hatteschon George W. Bush bei Amtsantritteine Mail an seine Dear Friends ge-schrieben: Dies sei seine letzte. Ab sofortnichts mehr via Handy.

    Beim Bundesbeauftragten fr Daten-schutz und Informationsfreiheit ist dasProblem inzwischen auch angekommen.Frau Merkel simse in einem rechtlichenGrenzbereich, heit es dort. Man werdesich mal im Kanzleramt ber die genau-en Umstnde erkundigen.

    Da werden die Informationsfreiheits-Experten kaum weiterkommen. Am vergangenen Freitag hatte die Regierungdie Fragerei satt: Aus grundstzlichenErwgungen, so ein Regierungssprecher,gebe man ber den Telefongebrauch derKanzlerin keine Auskunft. Selbstver-stndlich werde aber alles Relevante ingeeigneter Form veraktet.

    Was das bedeutet, wird sptestens ge-klrt, wenn die nchste Klage beim Ober-verwaltungsgericht gelandet ist.

    THOMAS DARNSTDT, AXEL FROHN,ANN-KATHRIN NEZIK, KLAUS WIEGREFE

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    Warum sollten

    amtliche SMS

    geheimer gehalten

    werden als Briefe?SMS-Empfngerin Merkel,

    Mitleserin Schavan*

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  • FDP-Chef Rsler

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    Im BambuswaldEigentlich drfte es Philipp Rsler als Parteichef nicht mehr geben. Seine Gegner

    machen ihn seit Wochen verchtlich, um ihn aus dem Amt zu jagen. Dass er nicht weichen will, treibt sie zur Verzweifelung. Von Jan Fleischhauer

  • Fr einen Mann, der gekpft werdensoll, wirkt Philipp Rsler ziemlichlebendig. Auf dem Spielplan stehtseine Hinrichtung, an diesem Wochenen-de in Stuttgart sollen die letzten Vorbe-reitungen getroffen werden. Aber nochluft Rsler im Smoking um seinem Tischherum und umarmt jeden, der sich ihmin den Weg stellt, auch wenn das bei ihmimmer so aussieht, als msse er dazu An-lauf nehmen. Er sagt: Ich bin sicher, dasswir einen schnen Abend verleben.Dann greift er sich seinen Stuhl, und dieBand spielt Guantanamera.

    Es ist die Ballnacht vor dem Dreik-nigstreffen der Liberalen, der Samstagvor dem Showdown. Am Morgen hat diePresse gemeldet, dass Entwicklungshilfe-minister Dirk Niebel den FDP-Parteivor-sitzenden herausfordern wolle. In vierLandesverbnden wird angeblich bereine vorzeitige Ablsung nachgedacht.Es gibt Umfragen, wonach nur noch 8Prozent der FDP-Whler Rsler fr denrichtigen Vorsitzenden halten. 76 Prozentwnschen sich Rainer Brderle, den Frak-tionsvorsitzenden im Bundestag.

    Und Rsler? Verspeist sein Ball-Men, plaudert mit

    der Hamburger Fraktionschefin Katja Su-ding, die man neben ihm platziert hatund die in ihrem roten De -signerkleid eine fabelhafte Figur macht. Dann erhebt ersich, weil er den Journalisten,die drauen warten, nocheine Antwort schuldet, war -um er nicht ans Aufhrendenkt. Trotz Putschgerch-ten, der Interviews von DirkNiebel und der verheerendenUmfragen.

    Apropos Umfragen: Wenner die Zahlen richtig gelesenhabe, dann seien unter dentausend Menschen, die manfr das Meinungsbild aus-whlte, vier Prozent FDP-Whler. Vier Prozent von tau-send macht 40 Befragte.Also 30 von 40 Leuten, mitdenen man gesprochen hat, wnschensich jetzt Rainer Brderle als Vorsitzen-den. Soll mich das besonders beeindru-cken? Warte nur, denkt sich mancher inso einem Moment.

    Die Lage ist bei der FDP inzwischenso, dass sich Medienvertreter wie Kata-strophentouristen fhlen, wenn sie zu ei-ner Veranstaltung wie dem Dreiknigs-treffen anreisen. Selbst Politikbeobachter,die viel hinter sich haben, blicken mit ei-ner Mischung aus Voyeurismus undSchauder auf die Partei, die in zehn Lan-desparlamenten sitzt und in vier Landes-regierungen und noch immer fnf Minis-ter im Bundeskabinett stellt.

    Eigentlich drfte es Rsler gar nichtmehr geben. Seit Monaten steht er kurz

    vor dem Aus, nahezu wchentlich wirdirgendwo sein Rcktritt angekndigt. DieVerchtlichmachungen aus den eigenenReihen haben ein Ausma erreicht, dasses alle verstehen wrden, wenn der FDP-Chef lngst das Weite gesucht htte. JederLandesvorsitzende kann sich inzwischenins Fernsehen setzen und seine Scherzetreiben, ohne dass es Folgen hat.

    Es gibt ein Muster fr diese Zermr-bung. Die Partei hat das Spiel schon ein-mal gespielt, vor zwei Jahren. Da hieder Parteivorsitzende Guido Westerwelle,und wie Rsler konnte auch er jeden Morgen in den Zeitungen lesen, was dieeigenen Leute von ihm hielten und wiesehr sie sich ihn wegwnschten. Am Endewar Westerwelle so ausgelaugt, dass einAnruf gengte, um ihn zur Aufgabe zubewegen.

    Doch diesmal funktioniert das Zermr-bungsspiel nicht. Rsler will einfach nichtweichen, und das macht manche Leutein der FDP schier verrckt. Ein Putschist schnell herbeigeschrieben, ihn erfolg-reich in Szene zu setzen schon sehr vielschwieriger.

    Nun soll der Whler besorgen, was dieeigenen Parteifreunde nicht schaffen.Wenn die FDP am kommenden Wochen-ende aus dem Landtag in Niedersachsen

    fliege, sei das Schicksal des Parteivorsit-zenden besiegelt, heit es. Es gibt jetztin der FDP fr die Wahl in Hannover alsozwei Hoffnungen: Die eine ist, dass siedort doch wieder in die Regierungkommt die andere, dass alles mit einemgewaltigen Rums endet.

    Politiker haben unterschiedliche Me-thoden, mit Angriffen fertig zu werden.Die meisten schlagen zurck, wenn mansie reizt. Anschlieend gibt es einen Ge-winner und einen Verlierer, das machtdie Sache bersichtlich. Rsler hingegenweicht dem Machtkampf aus. Er tritt ei-nen Schritt zur Seite, wenn er einen An-griff kommen sieht. So verringert er dieGefahr, zu Boden zu gehen, aber er wirktdadurch unentschieden und feige. Nie-

    mand mag Ausweichler, in der FDP nichtund bei der Presse schon gar nicht.

    Glaubwrdigkeit gewinnt man, indemman nicht wie Bambusrohre hin- und her-schwingt, sondern steht wie eine Eiche,hat Brderle im vergangenen Sommerauf einem Parteitreffen gesagt. Deswe-gen ist die Eiche hier heimisch und nichtdas Bambusrohr. Jeder wusste, wer ge-meint war, auch wenn Brderle anschlie-end das Offenkundige bestritt, wie eszum Zermrbungsspiel gehrt. Der Vor-teil an Bambus ist, dass er nicht bricht,wenn man ihn biegt, wie Rsler selbereinmal gesagt hat. Anders als im Eichen-wald, wo die einzelnen Stmme klar aus-zumachen sind, bt man im Bambus-hain auch schnell die Orientierung ein.

    Niebel hat jetzt die Nerven verloren.Er ist in der Partei nicht sehr beliebt, vielefinden den ehemaligen Fallschirmjger inseinem Auftritt eher tumb, aber seine Ar-beit als Entwicklungshilfeminister hat ihmber die Partei hinaus Respekt verschafft.

    Lange ist Niebel in Deckung geblieben.Hin und wieder lie er ein paar bsartigeBemerkungen fallen, aber das machenalle. Ende November hat er zum erstenMal den Kopf hinausgestreckt, indem erin einem Interview anregte, Parteivorsitzund Spitzenkandidatur zu trennen. Als

    Rsler ein paar kritische Be-merkungen kursieren lie,zuckte er zurck. Es war voneinem Missverstndnis dieRede. ber die Pressestelleder FDP lie Niebel eine Do-kumentation verteilen, die sei-ne Unschuld belegen sollte.

    Er htte nur abwarten ms-sen. Stattdessen trat er inStuttgart ans Mikrofon undhielt eine etwas konfuseRede, in der er eine neueMannschaftsaufstellung for-derte. Es war nicht ganz klar,an wen er dabei dachte, aberalle im Saal verstanden, dasser Rsler am liebsten soschnell wie mglich aus demAmt befrdern wrde.

    Jetzt hat er sich selbst in Gefahr ge-bracht. Wenn die Wahl in Niedersachsenschiefluft, gilt Niebel als einer der Schul-digen. Er kann nur darauf hoffen, dassdie Ablsung Rslers dann sehr schnellerfolgt und der Nachfolger ihn bei derAufarbeitung verschont. Umgekehrt istnicht ausgeschlossen, dass Rsler Rachenimmt, wenn die Wahl fr die FDP dochgut endet. Ein Parteivorsitzender kannniemanden entlassen, aber er kann dafrsorgen, dass jemand beim nchsten Par-teitag durchfllt, wenn er sich wieder umein Parteiamt bewirbt.

    Rslers grte Strke ist seine Leidens-fhigkeit. Er beklagt sich nie, auch nichtim kleinen Kreis, auch nicht nach demdritten Bier. Selbst fr Wolfgang Kubicki,

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  • den Beleidigungsknig aus dem Norden,findet er noch ein Satz des Verstndnisses.Wenn der Pressesprecher vor einem Hin-tergrundgesprch auf Vertraulichkeit be-steht, geschieht das eher pro forma. Alleswas Rsler sagt, knnte ohne Problemeso gedruckt werden.

    Er schimpft auch nie auf die Presse.Westerwelle war zum Schluss wund. Erhabe als Auenminister noch nicht einenschnen Tag erlebt, klagte er, wenn ersich in geselliger Runde dazu ermuntertfhlte. Solche Einblicke in seine Gemts-lage wrde Rsler nie zulassen, da ist erviel klter als der als herzlos geltende Au-enminister.

    Vor zwei Wochen fragte ihn bei einemPressegesprch eine Journalistin, ob erdenn keinen Zorn empfinde, keine Wut.Er hatte zu diesem Zeitpunkt 20 Minutenber die Lage der FDP referiert, immerbeherrscht, immer sachlich. Seine Be-herrschtheit wirkt manchmal geradezuunmenschlich.

    Oder haben Sie sich diese Gefhle ab-gewhnt?

    Man hrte aus der Frage die Fassungs-losigkeit darber hinaus, wie jemand an-gesichts der Angriffe auf sich so ruhigbleiben kann. Aber Rsler lchelte nur.Auch wenn ihn die Stuhlordnung an ei-nen Sitzkreis erinnere, schlage er die Ein-ladung zur Gruppentherapie aus. Dankeder Nachfrage.

    Es gibt noch eine andere Seite an Rs-ler, eine frhlichere, weniger kontrollier-te. Es ist schwer zu sagen, was seine Par-teifreunde mehr in den Wahnsinn treibt.

    Der frhliche Rsler sitzt im Regie-rungsflieger neben der Kanzlerin und sagtzu seinem Nebenmann: Keine Angst, ichhab geduscht. Er sagt ohne Mampf keinKampf, bevor es zum Essen geht, und

    wenn er sich auf Toilette verabschiedet:Ich muss mal fr kleine Minister. Derfrhliche Rsler hat auch stets einen Fotoapparat dabei. Er macht Aufnahmenim Kreml, auf Dienstreise nach Istanbul,vor dem Bro der Kanzlerin.

    Neulich zeigte Rsler auf einer Reisedie Handy-Fotos von einem neuen Bildherum, das im Kanzleramt hngt. Manmuss sich das plastisch vorstellen: Der Vi-zekanzler der Bundesrepublik sitzt alsovor dem Bro der Kanzlerin und machtAufnahmen von den Wnden, damit erdaheim zeigen kann, wie es bei AngelaMerkel am Arbeitsplatz aussieht. Putzig.

    Manchmal drngt es GeneralsekretrPatrick Dring, seinen Parteivorsitzen-den an den Armen zu packen und zuschtteln: Du bist Vizekanzler der gr-ten Industrienation Europas. Du bist derVorsitzende einer mittelgroen deut-schen Partei in Regierungsverantwortung.Benimm dich entsprechend. Einmal hater so etwas sogar gesagt. Aber daraufantwortete Rsler nur, er wolle sich nichtverbiegen lassen, was bei einem Men-schen, den andere mit einem Bambus-rohr vergleichen, ungewollt komischklingt.

    Inzwischen lsst Rsler wenigstens dieSpchen. Keine Witzeleien mehr berFrsche, die man langsam erhitzen muss.Manche sagen jetzt, dass ihm die Leich-tigkeit verlorengegangen sei, aber denLeuten in seiner Umgebung ist wenigerLeichtigkeit allemal lieber als Auftritte,fr die sie sich schmen mssen.

    Man wei sehr viel ber Rsler. Manwei, dass er Udo Jrgens so sehr mag,dass er mitsingen kann. Man wei, dasser gern zu McDonalds geht und seineSchwiegeroma Klrchen heit. Im De-zember war er mit seiner Frau wieder in

    der Bunten, diesmal, um ihre groeLiebe zu erklren.

    Andererseits bleibt er den Menschenmerkwrdig fremd. Irgendwie nett, sagendie Leute, wenn sie etwas Freundlichesber ihn ausdrcken wollen. Nett ist inder Politik nicht gut. Nett ist tdlich. Nettheit harmlos, und zu jemandem, derharmlos wirkt, sieht man nicht auf.

    Es gibt kein Rsler-Lager, keine Rs-ler-Verbndeten. Es gibt nur Allianzen.Weil keine verbindende Idee oder Auf-gabe existiert, halten diese Bndnisse im-mer nur so lange, wie sie den BeteiligtenNutzen versprechen.

    Die Allianz, die Rsler nach oben ge-bracht hat, einte der Vatermord. Im Winter 2010 waren die drei Nachwuchs-hoffnungen der FDP Christian Lindner,Daniel Bahr und Philipp Rsler unab-hngig voneinander zu der Auffassunggelangt, dass es mit Westerwelle an derSpitze nicht weitergehen knne. Bei einem langen Abend in der Kche vonDring fasste man den Entschluss zumSturz. Wer an die Stelle von Westerwelletreten sollte, blieb offen, aber es war klar,dass es einer der drei sein wrde.

    Lindner hat spter den Eindruck zu er-wecken versucht, er selbst habe nie Am-bitionen auf das hchste Parteiamt ge-habt. Aber das ist wohl nicht ganz dieWahrheit. Man telefonierte in den Wo-chen nach dem Kchentreffen viel mit -einander. Dring hielt man jetzt raus, da-fr war Hans-Dietrich Genscher immerim Bilde. Irgendwann stellten die drei jun-gen Mnner berrascht fest, dass jedervon dem Ehrenvorsitzenden zu einerKandidatur ermuntert worden war.

    Bei einem dieser Gesprche lie Lind-ner erkennen, dass er sich ebenfalls durch-aus fr geeignet halte, die FDP zu fhren,

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    Ehepaar Rsler: Viele Frauen von Spitzenpolitikern beklagen sich ber den Mangel an Zeit und Aufmerksamkeit

  • so erinnert es jedenfalls einer der anderenbeiden Beteiligten. Am Ende sprachendie Erfahrungen fr Rsler: Er war in Nie-dersachsen Landesvorsitzender und auchschon einmal stellvertretender Regie-rungschef. Auerdem war er Familienva-ter, das galt nach der Amtszeit des be-kennenden Homosexuellen Westerwelleals Rckkehr zu einer Normalitt, wieman sie sich nun fr den bergangwnschte.

    In den Zeitungen stand spter, bei derKonfrontation mit Westerwelle sei Rslernur ber das Telefon zugeschaltet gewe-sen, weil er in Hannover die Kinder htenmusste. So entstand der Eindruck, er seibei der Operation eher Zaungast geblie-ben. Aber auch das stimmt nur zur Hlf-te. Bevor sich Lindner und Bahr zur Woh-nung des Parteivorsitzenden aufmachten,rief Rsler bei ihm an und teilte ihm mit,dass er in jedem Fall antreten werde, not-falls in einer Kampfkandidatur. Damitwar Westerwelles Widerstand gebrochen.Danach ging es nur noch um die Modali-tten des Wechsels und die Frage, ob derGestrzte sein Amt als Auenministerbehalten drfe.

    Weil Rsler so viel lchelt, denken vie-le, er knne nicht grausam sein. Aber dasist ein Irrtum. Im Gegensatz zu Lindner,dem man viel mehr Hrte zutraut, hatRsler alle unangenehmen Gesprche ge-fhrt. Er hat nach Westerwelle auch BirgitHomburger verabschiedet, obwohl sie mitTrnen in den Augen um ihren Postenals Fraktionsvorsitzende kmpfte. Er hatdas entscheidende Gesprch mit Brderlegefhrt, als er sich entschlossen hatte,diesem das Amt des Wirtschaftsministerswegzunehmen.

    Viele Konflikte liegen in dieser Um-bruchzeit begrndet. Fast immer, wennsich heute Leute aus der Spitze ber Rs-ler beklagen, gibt es eine Vorgeschichte,die sie nicht vergessen knnen.

    Um im Nachhinein das Wahlverspre-chen einzulsen, das Entwicklungshilfe-ministerium abzuschaffen, wollten es dieNeuen an der Parteispitze im April 2011ins Auswrtige Amt eingliedern. So mach-te man sich Niebel zum Feind. Niebel hatden dreien bis heute nicht verziehen, dasssie ihn abschieben wollten, auch wenn eram Ende sein Ministerium erfolgreich ver-teidigte.

    Dann wollte Rsler unbedingt auf denPosten von Brderle. Rsler glaubte, erknne nicht Gesundheitsminister bleiben,weil er damit auf Dauer zu unbeliebt sei.Kurzzeitig hatte er erwogen, Westerwelledas Auenamt streitig zu machen, aberdas traute er sich dann doch nicht. Damitblieb nur der Griff nach der Wirtschaft.Das wiederum erboste Brderle, der mitseiner Berufung in dieses Amt einen per-snlichen Traum verwirklicht hatte.

    Rsler bleibt stets verbindlich. Er hebtnie die Stimme oder droht. Er ist auf pas-sive Weise autoritr. Unter denen, dieihm abrieten, sich mit Brderle anzule-gen, war Lindner. Auch praktisch sprachviel fr den Verbleib im Gesundheitsmi-nisterium: Mit Bahr hatte er einen exzel-lenten Staatssekretr, was ihm erlaubthtte, sich ganz auf den Parteivorsitz zukonzentrieren.

    Ich danke dir fr deine Einschtzung,aber ich habe mich anders entschieden,sagte er khl zu Lindner, als die Fragegeklrt werden musste. Damit hatte erauch deutlich gemacht, wie er sich dieAufgabenteilung mit seinem General -sekretr vorstellte: nicht lnger als Team,sondern Rsler in der Chefrolle undLindner als sein Zuarbeiter. Koch undKellner.

    So wie Lindner es sah, hatte sich dieBasis der Zusammenarbeit damit entschei-dend gendert. Westerwelle hatte er im-mer als Chef akzeptiert, aber Rsler? InInterviews hat Lindner spter gesagt, er

    fhle sich zu jung fr den Pos-ten des Vorsitzenden. Aber al-les, was er gegen sich selbstvorbrachte, galt auch fr denanderen. Sein Abgang im De-zember 2011 war der End-punkt dieser Entfremdung.

    Rslers Ehrgeiz wird oft un-terschtzt. Schon der Wechselnach Berlin war sein aus-drcklicher Wunsch. In denBerichten ber ihn hie es, erhabe mit Rcksicht auf die Fa-milie gezgert, als ihm dasGesundheitsministerium an-geboten wurde. In Wirklich-keit musste er nicht langeberlegen.

    Seine Frau Wiebke spieltbei der Karriereplanung einewichtige Rolle. Parteifreunde,die das Ehepaar kennen, sa-gen, dass Wiebke Rsler ihren

    Mann in allem untersttze, auch in sei-nem Aufstiegsdrang.

    Viele Frauen von Spitzenpolitikern be-klagen sich ber den Mangel an Zeit undAufmerksamkeit, den ein hohes Amt mitsich bringt. Das Wochenende besteht ausdem Samstag, der Sonntag gehrt schonwieder der Politik. Rsler hat das Glck,eine Frau zu haben, die dieses Lebennicht als Belastung empfindet, sonderndie daran Anteil nimmt.

    Sie liest seine Reden und schreibt anseinen Texten mit, sie zeigt sich gern anseiner Seite auf den gesellschaftlichenVeranstaltungen, zu denen man als Par-teichef eingeladen wird. Nicht wenige inder FDP glauben, dass es Wiebke Rslerist, die ihren Mann drngt durchzuhalten.

    Bei denen, die Rsler weghaben wol-len, richten sich jetzt alle Hoffnungen aufBrderle. Er ist der Einzige, auf den sichdie Partei sofort als Ersatz einigen knnte.Er hat sich, anders als Niebel, auch nichtszuschulden kommen lassen.

    Brderle ist ein gefhrlicher Gegner.In seinen Adern fliet die ntige MengeReptilienblut, um in diesem Spiel die Ner-ven zu behalten. Niemand wei, welcheAmbitionen er noch hegt.

    In dem Szenario, das seine Anhngerentwerfen, soll ein Sonderparteitag nachder Niedersachsenwahl fr Klarheit sor-gen. Wahlweise knnte auch der fr An-fang Mai vorgesehene Bundesparteitagin Nrnberg vorgezogen werden.

    Es gibt das Gercht, der Fraktionsvor-sitzende habe sich unlngst an seinem Fe-rienort mit Lindner getroffen und geklrt,dass er das Rsler-Erbe als Zwischenvor-sitzender verwalten werde, bis der andereso weit sei, die Nachfolge anzutreten.Wer um Besttigung bittet, erhlt selbst-verstndlich sofort ein Dementi.

    Die Situation ist derzeit etwas unber-sichtlich. Rsler lsst verbreiten, dass erunter keinen Umstnden zurcktretenwerde. Und die Regularien, das kann wie-derum der Generalsekretr besttigen,verhindern sowohl ein deutliches Vorzie-hen des regulren Parteitags wie auch dieWahl eines neuen Vorsitzenden auf ei-nem Sonderparteitag. Das eine scheitertan den Fristen fr die Satzungsnderungs-antrge, das andere am Grundsatz, nachdem auf auerordentlichen Parteitagennur ber Themen abgestimmt wird, nichtaber ber Personen.

    Es sieht so aus, als ob der Bambuswaldin den vergangenen Wochen noch einStck dichter geworden sei.

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    Rsler-Gegner Niebel: Die Nerven verloren

    Brderle ist ein gefhrli-

    cher Gegner. Niemand

    wei, welche Ambitionen

    er noch hegt.

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    Wenn es ein Kabinettsmitgliedgibt, von dem Philipp Rsler soetwas wie Mitleid erwartenkann, dann ist es Ilse Aigner. Die christ-soziale Verbraucherschutzministerin ent-wickelt beinahe mtterliche Schutzin-stinkte fr den bedrngten Vizekanzler.Sie mge ihn als Menschen sehr, gibtdie CSU-Frau zu Protokoll, die innerpar-teilichen Attacken gegen den FDP-Chefkritisiert sie ffentlich.

    Nun scheint auch diese Herzenswrmezu erkalten. Kurz vor Weihnachtenschrieb die bayerische Ministerin demlieben Philipp einen Brief, der sich wieein Frontalangriff auf den liberalen Wirt-schaftsminister liest: Sie forderte von ihmden Einstieg des Bundes bei den Netz-betreibern, sprich eine Teilverstaatli-chung der deutschen Stromnetze.

    Ein starker staatlicher Partner knnebeim Anschluss von Offshore-Windparksan das deutsche Stromnetz fr Sicher-heit sorgen, schrieb sie. Schon lange seider Vorschlag im Raum. Er solle ihn er-neut und umfassend prfen, drngelteAigner. Die Whler verstnden nicht,

    warum sie ber hhere Strompreise frRisiken der Energiewende haften sollten,whrend die Netzbetreiber eine hohegarantierte Rendite auf ihr Eigenkapitaleinstrichen.

    Seitdem herrscht Schweigen zwischenden beiden. Rsler lie den Brief unbe-antwortet. Lediglich in einem Interviewantwortete der Minister, er halte von Aigners Idee rein gar nichts.

    Doch die CSU-Frau hat einen wundenPunkt getroffen: Viele Experten in Wirt-schaft und Politik sind der Auffassung,dass Deutschland besser mit einem natio-nalen Stromnetz fahren wrde, das sichin Teilen oder sogar ganz in staatlichemBesitz befindet in einer Zeit, da derdeutsche Elektrizittsmarkt wegen derEnergiewende komplett auf den Kopf ge-stellt werden muss.

    Es wre die Korrektur eines histori-schen Fehlers: des Verkaufs der Strom-netze durch die groen Energiekonzerne.Dabei wurde das Kabelnetz des Landesin verschachtelten Regionen belassen(siehe Grafik). Gut vier Jahre ist es her,dass der Flickenteppich zementiert wur-

    de, vor Fukushima und vor dem Atom-ausstieg.

    Aigners Initiative, der sich die CSU ver-gangene Woche auf ihrer Klausurtagungin Wildbad Kreuth anschloss, bringt wei-tere Unwucht in den ohnehin schlingern-den Regierungskurs bei der Energiewen-de. Die Ministerin spielt der rot-grnenOpposition in die Hnde, die schon langeeine Art deutsche Netz AG fordert. Mitguten Argumenten, denn die Situation istdramatisch. Soll die Energiewende gelin-gen, muss das deutsche Stromnetz in Re-kordzeit aus- und umgebaut werden.

    Anders als in der Vergangenheit sollein groer Teil des Stroms nicht mehr inKraftwerken nahe den Ballungszentrenerzeugt werden. Stattdessen soll die Elek-trizitt aus Solaranlagen und Biogasfabri-ken sowie aus Windparks vor allem inder Nord- und Ostsee kommen. Sie sollensauberen kostrom produzieren, um gro-e Teile der Republik damit zu versorgen.Nur: Auf den Anschluss der Windparksund den Energietransport nach Sden istdas deutsche Stromnetz nicht vorbereitet.

    Allein 1550 Kilometer Hochspannungs-leitungen, so die aktuell von der Bundes-regierung genehmigte Planung, sollen inden nchsten Jahren von den vier Netz-betreibern in Deutschland gebaut werden,darunter mehrere Gleichstromtrassen vonNord nach Sd. Gleichzeitig mssen Dut-zende Windparks ber neue, milliarden-schwere Seekabel mit dem Stromnetz anLand verkoppelt werden. Diese Manah-men, klagen der Umwelt- und der Wirt-schaftsminister sowie die Industrie, mss-ten unverzglich angegangen werden,

    Leitungsbau in Sachsen

    ANDREAS TEICH / CARO

    E N E R G I E

    Kosmische KatastropheWeil der Umbau der deutschen Stromnetze stockt, wchst in der

    Regierung die Bereitschaft zu einer radikalen Wende: Der Staat soll das Leitungssystem ganz oder teilweise bernehmen.

    Deutschland

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    TransnetBW

    50Hertz

    TenneTTSO

    150 km

    Lange LeitungenWie der Windstrom von Nord nach Sd transportiert werden soll

    geplante

    Stromtrassen

    Stromnetz-

    betreiber

    Quelle: Netzentwicklungsplan

    wenn das Prestigeprojekt Energiewendein absehbarer Zeit gelingen soll. Dochdie Fortschritte sind eher klglich.

    Von den bereits seit Jahren geplantenStrippen sind bislang nicht einmal 250 Kilometer gebaut. Vor allem in der ent-scheidenden Nordregion stockt es. Netz-betreiber Tennet gelingt es nicht, die be-ntigten Anschlsse der von Grokon-zernen wie RWE oder E.on geplantenWindparks herzustellen.

    Banken und Versicherungen, die sol-che Projekte normalerweise finanzie-ren, ist das Risiko zu hoch. Selbstweitreichende Brgschaften undHaftungsgarantien des Bundeskonnten daran bislang nichts n-dern. Und da der niederlndischenBetreibergesellschaft offenbar so-wohl das richtige Management alsauch das notwendige Eigenkapitalfehlt, mssen Planung und Inbetrieb-nahme der milliardenschweren Parksimmer wieder verschoben werden.

    Selbst im industriefreundlichen Bun-deswirtschaftsministerium geht die Ge-duld mit Tennet zu Ende. Fr den 30. Ja-nuar hat die Behrde Vertreter des Un-ternehmens zum Rapport zitiert. Ministeraus den nrdlichen Bundeslndern undder Chef der Bundesnetzagentur, JochenHomann, werden kommen. Dann wol-len wir wissen, ob Investoren da sind odernicht, heit es aus der Regierung.

    Was geschieht aber, wenn Tennet wei-ter patzt? Denkbar wre, dass die Hol-lnder von den solventeren Netzbetrei-bern Amprion und 50Hertz geschlucktwerden. Die Bereitschaft der Gesell-schafter ist da, sagt der Energieexperteder FDP-Bundestagsfraktion, Klaus Breil.

    Warum dann nicht gleich die groe L-sung, eine deutsche Netz AG? Anders alsin vielen EU-Nachbarlndern gehren diewichtigsten Hochspannungskabel inDeutschland Gesellschaften, in denenVersicherungen, Banken, Kapitalfondsoder eben auch auslndische Betreiberwie Tennet das Sagen haben.

    Hochkartige Manager wie der dama-lige RWE-Chef Jrgen Gromann hattendie Bundesregierung vor einem Ausver-kauf der wertvollen Infrastruktur ge-warnt. Damals, so der energiepolitischeSprecher der Grnen, Oliver Krischer, seidie Chance leichtfertig vertan worden,eine deutsche Netz AG zu grnden.

    Mit dem Offshore-Geschft und einzel-nen, besonders aufwendigen Trassen, soKrischer, bestehe nun erneut die Chance,den Kern fr eine solche Gesellschaft zuschaffen. In diese Netz AG knnten dannZug um Zug auch andere Firmen ihre In-frastruktur einbringen und im GegenzugAnteile erhalten.

    Die Untersttzung fr eine solche Netz-gesellschaft ist breit. So fordert etwa dernordrhein-westflische SPD-Fraktions-chef Norbert Rmer eine Netz AG mit

    ffentlicher Beteiligung. Und selbst inden Stromkonzernen, die normalerweisestrikt gegen staatliche Eingriffe zu Feldeziehen, kann man sich offenbar mit einerffentlichen Beteiligung anfreunden.

    Eine Zusammenlegung, heit es etwabei E.on-Managern, htte zahlreiche Vor-teile. Heute gibt es vier Netzzonen mitunterschiedlichen Leitungspreisen sowieeigenen Leitstationen und Regelwarten.Wrden die Gesellschaften zusammenge-

    legt, lieen sich der Verwaltungsaufwandverringern und die Stromkosten senken.

    Felix Matthes, Stromexperte beim Frei-burger ko-Institut, pldiert fr ein ent-sprechendes Stufenmodell: Erst knnteeine Gesellschaft fr die drei neuen Hoch-spannungstrassen und die Offshore-An-bindung gegrndet werden mit den der-zeitigen Netzbetreibern als Mehrheitseig-nern und der staatlichen Kreditanstalt frWiederaufbau als Minderheitsbeteiligter.Schrittweise wrde der Bund seinen An-teil ausbauen. Das operative Geschft,Planung und Betrieb knnte eine neu ge-grndete Behrde bernehmen.

    Auch industrienahe Wissenschaftler ge-winnen einer Netz AG Vorteile ab. Ste-phan Kohler, Chef der Deutschen Ener-gie-Agentur Dena, hlt den Zustand frreformbedrftig. Ein landesweit operie-render Netzbetreiber msste aber nichtzwangslufig dem Bund gehren, son-dern privaten Investoren. Anstoenmsste so etwas der Staat, so Kohler.

    Der Prsident der Bundesnetzagentur,Homann, kann sich ebenfalls eine Netz-gesellschaft fr Gleichstromtrassen vor-stellen. Dies bedeutet nicht, dass derStaat unbedingt daran beteiligt seinmuss, sagt er. Viel lohnender ist es viel-mehr, die Idee einer Brgerbeteiligungan den Stromnetzen der Zukunft aktivweiterzuentwickeln.

    Damit schliet sich Homann einer In -itiative von Bundesumweltminister PeterAltmaier an, die in seinem Amt scherz-haft den Namen VEB Stromnetze trgt.Demnach sollten die Betreiber Anleihenzur Finanzierung der neuen Trassen her -ausgeben, die jeder Brger kaufen kann.

    Seine Vorschlge werden derzeit kon-kretisiert. Man gehe davon aus, dass min-destens zehn Prozent der fr den Netz-ausbau bentigten Summe fr Brger -anleihen zur Verfgung gestellt werdenknnten. Bei einer garantierten Verzin-sung von bis zu fnf Prozent drfte einesolche Anlagemglichkeit sehr attraktivsein, sagt Altmaier, der eine Verstaatli-chung von Stromnetzen ablehnt.

    Wenn die Leute schon neue Hochspan-nungsleitungen hinter ihrem Garten knis-tern haben, dann soll es zumindest in ihrem Portemonnaie klingeln.

    Nichts jedenfalls frchten Altmaier undseine Kabinettskollegen derzeit mehr alsden Zorn der Brger, vor allem den berstetig steigende Stromkosten.

    Ein Scheitern der Energiewende maltsich der Minister bereits als Katastrophekosmischen Ausmaes aus. Wenn es nichtgelinge, die Verteilernetze des Nordensund Sdens zu synchronisieren, dann wer-de es irgendwo in der Mitte Deutschlandszu einem groen Knall kommen.

    Der sei, so orakelt Altmaier, noch aufdem Mon