Der Staat als Unternehmer (4) Privatwirtschaftsverwaltung

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Der Staat als Unternehmer (4) Privatwirtschaftsverwaltung SS 2009 Kurt Reindl Kurt Reindl, Der Staat als Unternehmer, SS 2009, 23.03.2009 1

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Der Staat als Unternehmer (4) Privatwirtschaftsverwaltung. SS 2009 Kurt Reindl. Kurt Reindl, Der Staat als Unternehmer, SS 2009, 23.03.2009. 1. Gliederung. Allgemeiner Teil Allgemeine Informationen Begriff des Öffentlichen Unternehmens Öffentliche Unternehmen und EG-Wettbewerbsrecht - PowerPoint PPT Presentation

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Der Staat als Unternehmer (4)

Privatwirtschaftsverwaltung

SS 2009Kurt Reindl

Kurt Reindl, Der Staat als Unternehmer, SS 2009, 23.03.20091

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Gliederung

Allgemeiner Teil

Allgemeine Informationen

Begriff des Öffentlichen Unternehmens

Öffentliche Unternehmen und EG-Wettbewerbsrecht

Rechtliche Grundlagen in Ö: Privatwirtschaftsverwaltung

Beweggründe für unternehmerisches Tätigwerden

Eigenunternehmen

Ausgliederungen

Verstaatlichung/Privatisierung

Rechtsschutz und Kontrolle

Regulierungsbehörden

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Privatwirtschaftsverwaltung

Privatrechtliche Handlungsalternative der Verwaltung (Nicht-hoheitliche

Verwaltung/“Privatwirtschaftsverwaltung“)

— Privatrechtliche Handlungsformen als Handlungsalternativen für Verwaltungsorgane

• Verwaltung kann sich aller Handlungsformen bedienen, die auch privaten Personen zukommt

• Sowohl für erwerbswirtschaftliche Zwecke, als auch für konkrete Staats- und Verwaltungszwecke

• Freie Entscheidung des Gesetzgebers nach Zweckmäßigkeitskriterien unter Beachtung des

Sachlichkeitsgebots ( Missbrauchsverbot: Wahl der privatrechtlichen Handlungsalternative zum

Ausschluss von Rechtsschutzmöglichkeiten ist verfassungswidrig!)

— Handlungsalternative ergibt sich aus dem Gesetz (uU mittels Gesetzesauslegung)

• Vorgesehene Form des Verwaltungshandelns (Verordnung und Bescheid: Hoheitsverwaltung; Vertrag:

nicht hoheitliche Verwaltung)

• Gem Judikatur im Zweifel nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln: Staatlicher Zwang bedürfe immer

einer gesetzlichen Grundlage

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung• Kritik von Binder: Rechtsschutzdefizite; Hoheitsrecht bedeutet nicht immer tatsächlichen Zwang

(Leistungsverwaltung) Auslegungsregel sollte sich am Zweck orientieren (erwerbswirtschaftl. Zwecke:

nicht hoheitliche Verwaltung; öffentliche Verwaltungszwecke: hoheitliche Verwaltung)

• Gemeinde: Soweit Gesetz Tätigkeiten der Hoheitsverwaltung nicht vorbehält, hat sie im Bereich der

schlicht-hoheitlichen Verwaltung Wahlfreiheit zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Verwaltung

• Obwohl also die schlichte Verwaltungstätigkeit etwa der Müllabführ im Hinblick auf die öffentlichen

Zwecke der hoheitlichen Gemeindeverwaltung zuzählt, dürfte idS die Gemeinde auch eine eigene

juristische Person begründen, die dann als sog „ausgegliedertes Unternehmen“ die Müllabführ im

eigenen Namen anstelle der Gemeinde durchführt

— Handlungsalternative ergibt sich aus dem tatsächlichen Verwaltungshandeln

• Erkennbare Form des Verwaltungshandelns (Verordnung und Bescheid: Hoheitsverwaltung; Vertrag:

nicht hoheitliche Verwaltung)

• Schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln: Auslegung (erwerbswirtschaftlicher Zweck des gesetzten

Verwaltungshandelns: nicht-hoheitliche Verwaltung; konkreter öffentlicher Verwaltungszweck:

hoheitliche Verwaltung)

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

Die Gebietskörperschaften als Träger von Privatrechten

— Bund, Länder und Gemeinden sind rechts- und vermögensfähig

• Sie sind eigene Rechtspersönlichkeiten

• Sie verfügen über eigenes Vermögen

— Bund, Länder: Art 17 B-VG

• „Durch die Bestimmungen der Art. 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung wird die Stellung des

Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt.“

— Gemeinden: Artikel 116 Abs 2 B-VG

• „Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und

Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu

betreiben …“

Gesamtstaat „Österreich“ wird keine Rechtspersönlichkeit verliehen

— „Österreich“ ist daher nicht rechts- und vermögensfähig

— § 1 Abs 1 des VerstaatlichungsG, BGBl 1946/168 idgF: Anteilsrechte an den verstaatlichten Gesellschaften

gehen in das Eigentum der „Republik Österreich“ über gemeint ist „Bund“

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Rechtliche Grundlagen in Ö

Privatwirtschaftsverwaltung

Vertretungsbefugnis nach außen

— Hoheitliches Organisationsrecht bestimmt, welches konkrete staatliche Verwaltungsorgan für die

rechtsgeschäftliche Vertretung nach außen zuständig ist

— Bund:

• Art 104 Abs 2 B-VG: Verwaltung des Bundesvermögens obliegt dem (gem BMG, BGBl 1986/76 idgF)

zuständigen Bundesminister

• Auftragsverwaltung: Übertragung der Geschäfte in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung an

den LH und ihm unterstellte Behörden, zB

• Bundeswasserbauverwaltung durch VO BGBl 1969/280

• Förderung der Erwachsenenbildung durch VO BGBl 1975/523

• Keine verfassungsgesetzlich ausschließlich gebotene Zuständigkeit Einräumung rechtsgeschäftlicher

Vertretungsbefugnis durch einfaches Bundesgesetz auch an andere Bundesorgane möglich

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Rechtliche Grundlagen in Ö

Privatwirtschaftsverwaltung

— Land:

• Landeshauptmann vertritt das Land gem Art 105 Abs 1 B-VG

• auch rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis

— Gemeinden:

• Regelungen in Gemeindeordnungen und Stadtstatuten

• idR Bürgermeister (vgl § 58 Abs 1 OÖ GemO, LGBl 1990/91 idgF)

• Sondergesetzliche Anordnungen: zB Vertretungsbefugnis im Rahmen wirtschaftlicher

Unternehmungen (Eigenbetriebe)

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Rechtliche Grundlagen in Ö

Privatwirtschaftsverwaltung

Rechtswirksames Handeln

— Erste Phase:

• Inhaltliche Entscheidung nach öffentlich-rechtlichen Kriterien des Organisationsrechts

— Zweite Phase:

• Umsetzung der Entscheidung durch zivilrechtliches Handeln

• Ausübung einer Zuständigkeit des hoheitlichen Organisationsrechts durch das nach außen

vertretungsbefugte Organ der Gebietskörperschaft

• Zivilrechtliche Stellvertretung grundsätzlich möglich; Stellvertreter nimmt aber keinesfalls eine

organschaftliche Zuständigkeit der Gebietskörperschaft wahr

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Rechtliche Grundlagen in Ö

Privatwirtschaftsverwaltung

— Beispiel Gemeinde

• § 69 Abs 5 Oö GemO: „Die gänzliche oder teilweise Veräußerung von wirtschaftlichen Unternehmungen

der Gemeinde, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen, ist nur auf Grund eines mit

Zweidrittelmehrheit gefassten Gemeinderatsbeschlusses zulässig. Als derartige wirtschaftliche

Unternehmungen gelten insbesondere kommunale Einrichtungen der Wasser- und Energieversorgung,

der Abwasser- und Müllentsorgung sowie Bildungs-, Gesundheits-, Kultur- und Sozialeinrichtungen

sowie Kinderbetreuungseinrichtungen.“

• Vertretungsbefugnis nach außen gem § 58 Abs 1 Oö GemO: „Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde

nach außen.“

Beispiel Land

• Art 55 Abs 1 Oö L-VG: „Die Landesregierung verwaltet das Landesvermögen.“

• Vertretungsbefugnis nach außen gem Art 50 L-VG: „Der Landeshauptmann vertritt das Land;…“

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Rechtliche Grundlagen in Ö

Privatwirtschaftsverwaltung Artikel 17 B-VG

— Kompetenzverteilung der Art 10 bis 15 B-VG gilt gem Art 17 B-VG nicht für den Bund und die Länder als

„Träger von Privatrechten“

— Bundes- und Landesgesetzgeber sind uneingeschränkt für die Regelung aller privatrechtlichen Handlungen

ihrer Gebietskörperschaften zuständig

— Statutargesetze:

• Bindung der nicht-hoheitlichen Verwaltung „von innen“

• Vorschriften des Organisationsrechts der Gebietskörperschaft

• Richten sich ausschließlich an die Verwaltung

• Begründen keine Rechte und Pflichten für staatsverschiedene Privatpersonen bzw private

Wirtschaftssubjekte

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Rechtliche Grundlagen in Ö

Privatwirtschaftsverwaltung— Verwaltungsprivatrecht:

• Bindung der nicht-hoheitlichen Verwaltung „von außen“

• Richten sich an die Allgemeinheit

• Außenrechtswirksame Gesetze, die das privatrechtliche Handeln der Verwaltungsorgane regeln,

• Uneingeschränkte Einräumung privatrechtlicher Ansprüchen gegen privatrechtlich handelnde

Gebietskörperschaft, die am Rechtsweg vor den Zivilgerichten betrieben werden können

• In den Sachmaterien, für die die Gesetzgebung kompetenzrechtlich zuständig, sind im

Verwaltungsprivatrecht auch subjektiv öffentliche Rechte gegen die privatrechtlich handelnde

Gebietskörperschaft (dh Durchsetzung im Verwaltungsprozess) zulässig

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Privatwirtschaftsverwaltung

Artikel 116 Abs 2 B-VG

— Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde gem Art 118 Abs 2 B-VG verfassungsrechtlich geschützt:

• „Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle

Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde

verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer

örtlichen Grenzen besorgt zu werden.“

• Gem VfSlg 17.557/2005 entfällt Bezeichnungspflicht: Unternehmen können kraft Verfassung nicht

anders als im eigenen Wirkungsbereich geführt werden

— Gemeinde ist „selbstständiger Wirtschaftskörper“

• Art 116 Abs 2 B-VG: Gemeinde „hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und

Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche

Unternehmungen zu betreiben …“

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung• Konkretisierung in Gemeindeordnungen und Stadtstatuten

• zB § 69 Abs 1 Oö GemO 1990: „… Wirtschaftliche Unternehmungen sind auf Dauer angelegte

Wirtschaftseinheiten aus dem Gemeindevermögen, die sich aus der allgemeinen

Gemeindeverwaltung organisatorisch herausheben und deren Aufgaben in den Formen der

Privatwirtschaftsverwaltung besorgt werden. Wirtschaftliche Unternehmungen können geführt

werden: 1. als Eigenunternehmungen, die von der Gemeinde im eigenen Namen in einer

besonderen Organisationseinheit betrieben werden und 2. als ausgegliederte Unternehmungen,

die in der Form einer eigenen Rechtspersönlichkeit betrieben werden.“

• § 69 Abs 2 Oö GemO: „Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmungen nur errichten und

betreiben, … wenn die Unternehmung nach Art und Umfang unter Beachtung der Grundsätze und

der Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit in einem angemessenen

Verhältnis zum voraussichtlichen Bedarf und zur voraussichtlich dauernden Leistungsfähigkeit

steht.

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

— Unternehmerische Betätigung der Gemeinde darf gem Art 116 Abs 2 B-VG durch spezielle Bundes- oder

Landesgesetze nicht unterbunden werden

• Besondere Statutargesetze und besonderes Verwaltungsprivatrecht für Gemeinden sind unzulässig

— Gesetzgeber darf die Gemeinden gem Art 116 Abs 2 B-VG zur wirtschaftlichen Subsidiarität in der negativen

Bedeutung nicht verpflichten (siehe auch weiter unten)

• Regelungen, die Gemeinde zu wirtschaftlicher Betätigung nur berechtigt, wenn private Wirtschaftstreibende Sachgüter und

Leistungen am Markt nicht oder nicht hinreichend anbieten können, sind verfassungswidrig; Gemeinde darf nicht schlechter

gestellt werden als andere Rechtssubjekte („innerhalb der Schranken der allgemeinden Bundes- und Landesgesetze“)

— Beschränkung auf „örtliches Interesse“ gem Art 118 Abs 2 B-VG

• Nur im Falle der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben (Leistungsverwaltung) in privatrechtlicher Form

• Im Erwerbswirtschaftlichen Bereich keine Einschränkung der nicht-hoheitlichen Gemeindeverwaltung

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung— Wirtschaftliche Unternehmungen der Gemeinde dürfen nur Agenden der gemeindlichen

Privatwirtschaftsverwaltung umfassen: konkrete Verwaltungstätigkeiten dürfen nur wahrgenommen werden,

wenn der Gemeinde die nicht-hoheitliche Besorgung dieser Verwaltungsaufgabe rechtlich möglich ist

• Verwaltungstätigkeit durch Gesetz dem nicht-hoheitlichen Vollzugsbereich der Gemeinde zugewiesen

(ausdrücklich, durch Interpretation, in Anwendung einer Zweifelsregel); Achtung: Vollzug durch

hoheitliche Rechtssätze (Verordnung, Bescheid) ist immer Hoheitsverwaltung!

• Zwar schlicht-hoheitlicher Vollzug gesetzlich vorgesehen, aber Gemeinde nicht (ausdrücklich oder durch

Interpretation) dazu verpflichtet Wahlfreiheit, hoheitliche Wahrnehmung zu unterlassen und Aufgabe

statt dessen privatwirtschaftlich zu erledigen

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

Legalitätsgrundsatz gem Art 18 Abs 1 B-VG

— hL: Art 18 Abs 1 B-VG nur für Hoheitsverwaltung relevant (vgl Öhlinger Verfassungsrecht, 7. Aufl 2007, Rz 594)

— aA Binder: Verpflichtung des Gesetzgebers zur Regelung nicht-hoheitlichen Handelns (vgl Binder,

Wirtschaftsrecht2, Rz 0757 ff)

• Art 18 Abs 1 B-VG: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt

werden.“

• Handeln der Verwaltung in der Form des Privatrechts ist Verwaltungshandeln

• gem Wortlaut in Art 18 Abs 1 B-VG auch nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln iSd

Gesetzmäßigkeitsgebotes an gesetzliche Grundlagen gebunden

• Nach innerem Organisationsrecht des Staates wird die Willensbildung der nicht-hoheitlichen Verwaltung

durch generelle Regelungen des Gesetzgebers vorherbestimmt, die Verwaltung führt diese generellen

Regelungen in den Formen des Privatrechts aus.

• Ohne gesetzliche Regelung darf die Verwaltung nicht handeln, eine zu allgemeine und nicht hinreichend

determinierte gesetzliche Grundlage wäre verfassungswidrig.

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung• Argumente (vgl Binder, Wirtschaftsrecht2, Rz 758):

• Identitätstheorie (Staat ist immer ein und dieselbe Organisation des Hoheitsrechts unabhängig

davon, ob er in Formen des Hoheitsrechts oder in Formen des Privatrechts handelt)

• Politische Dimension: Bedeutende „demokratiefreie Räume im Staatsgefüge“ würden offen

bleiben

• Wahlfreiheit zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Gesetzesvollzug

— Art 116 Abs 2 B-VG: „innerhalb der Schranken der Gesetze“

• Zusätzliches Argument für die Geltung des Legalitätsprinzips für die nicht-hoheitliche

Gemeindeverwaltung, weil gleiche Bedeutung wie „auf Grund der Gesetze“ in Art 18 Abs 1 B-VG

• Gesetzmäßigkeitsgrundsatz gilt für Gemeinden aber nicht in voller Strenge für die nicht-hoheitliche

Gemeindeverwaltung (arg „innerhalb der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze“) Gemeinden

dürfen nicht anders gestellt werden, als sonstige Privatpersonen (Diskriminierungsverbot) Verbot

sonderzivilrechtlicher (außenwirksamer) Vorschriften, die sich speziell auf Gemeinden beziehen

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

• Regelung der (innenwirksamen) Voraussetzungen und Modalitäten des privatrechtlichen Handelns iSd

Legalitätsprinzips aber geboten

Beispiel:

Bundesgesetzgeber darf Gemeinden generell oder einzelnen Gemeinden die Beteiligung an Kapitalgesellschaften nicht

untersagen. Die näheren Voraussetzungen und Modalitäten von solchen Beteiligungen dürfen bzw müssen iSd

Legalitätsprinzips jedoch „innerrechtlich“ festgelegt werden.

• Aufgrund des „Rechts“ auf Selbstverwaltung, also auf nicht-hoheitliche Betätigung, ist Gesetzgeber

verpflichtet, für Gemeinden die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit sie sich

im Gleichstellung mit anderen natürlichen und juristischen Personen des privaten und des öffentlichen

Rechts nicht-hoheitlich betätigen können (siehe dazu zB die gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen,

Genehmigungspflichten und Aufsichtsrechte in der Oö GemO)

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

Determinierung

— Zu allgemeine bzw nicht hinreichende Determinierung ist verfassungswidrig

— Differenzierte Legalitätsprinzip: Determinierungsgrad Ist nicht für jeden Gesetzgebungsakt gleich, sondern

richtet sich nach

• allgemeinpolitischer und wirtschaftspolitischer Bedeutung

• Rechts(schutz)staatlicher Erforderlichkeit

• tatsächlicher Machbarkeit bzw Möglichkeit

(vgl Binder, Wirtschaftsrecht, Systematische Darstellung, 2. Aufl 1999, Rz 760 ff)

— Hohe Regelungsdichte in der hoheitlichen Eingriffsverwaltung wegen des Zwangscharakters des

Hoheitsrechts

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

— Regelungsdichte der Gesetze der Privatwirtschaftsverwaltung kann vielfach schon wegen des fehlenden

staatlichen Zwangs geringer sein, sofern nicht-hoheitliche Handlungen in der Verwaltung in ihrem Ergebnis

staatlichem Zwang nicht gleichkommen

— VfGH: gesetzliche Regelung wirtschaftlicher Tatbestände darf nicht überspannt werden (VfSlg 8813/1980)

— Im Zusammenhang mit erwerbswirtschaftlicher Betätigung von Gebietskörperschaften reichen oft die

allgemeinen Regeln der Rechts- und Verfassungsordnung aus

— Entscheidendes Kriterium: wirtschaftliche Zweckmäßigkeit (Gleichheitssatz und Rechnungshofvorschriften

des Art 126b B-VG)

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit

— „Besondere Verhaltensregel“ der nicht hoheitlichen Verwaltung in der Bundesverfassung

• „innere“ Willensbildung der wirtschaftstreibenden Gebietskörperschaft ist daran, wie auch an alle anderen

bezüglichen Bestimmungen der Bundesverfassung, daran gebunden

— Art 51a Abs 1 B-VG: „Der Bundesminister für Finanzen hat dafür zu sorgen, dass bei der Haushaltsführung zuerst die

zur Erfüllung fälliger Verpflichtungen erforderlichen Ausgaben und sodann die übrigen vorgesehenen Ausgaben …

unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit geleistet werden.“

— Art 119a Abs 2 B-VG: „Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit,

Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur

Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses

getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.“

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung— Art 126b Abs 2 iVm 5 B-VG: „Der Rechnungshof überprüft weiter die Gebarung von Unternehmungen, an

denen der Bund allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden

Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die der Bund

allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist

die Beherrschung von Unternehmungen durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder

organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Die Zuständigkeit des Rechnungshofes erstreckt sich auch auf

Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz vorliegen. “

„Die Überprüfung des Rechnungshofes hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit

den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu

erstrecken.“ (Bund)

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung— Art 127 Abs 1 und 3 B-VG: „Der Rechnungshof hat die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder

fallende Gebarung sowie die Gebarung von Stiftungen, Fonds und Anstalten zu überprüfen, die von Organen

eines Landes oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von Organen eines

Landes bestellt sind. Die Überprüfung hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den

bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gebarung

zu erstrecken; sie umfasst jedoch nicht die für die Gebarung maßgebenden Beschlüsse der

verfassungsmäßig zuständigen Vertretungskörper.

Der Rechnungshof überprüft weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen das Land allein oder

gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit

mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die das Land allein oder

gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Hinsichtlich des Begriffes der finanziellen Beteiligung

gilt Art. 126b Abs. 2 sinngemäß. Die Zuständigkeit des Rechnungshofes erstreckt sich auch auf

Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz vorliegen.

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung— Art 127a Abs 1 und 3 B-VG: „Der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegt die Gebarung der Gemeinden

mit mindestens 20 000 Einwohnern sowie die Gebarung von Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von

Organen einer Gemeinde oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von

Organen einer Gemeinde bestellt sind. Die Überprüfung hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die

Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und

Zweckmäßigkeit der Gebarung zu erstrecken.“

„Der Rechnungshof überprüft weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen eine Gemeinde mit

mindestens 20 000 Einwohnern allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes

unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder

die die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Hinsichtlich des

Begriffes der finanziellen Beteiligung gilt Art. 126b Abs. 2 sinngemäß. Die Zuständigkeit des Rechnungshofes

erstreckt sich auch auf Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem

Absatz vorliegen.

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung Subsidiarität der wirtschaftlichen Betätigung des Staates?

— Problem:

• Staat verfügt aufgrund seiner Abgabenhoheit im Vergleich zu Privaten über unbeschränkte Finanz- und

Finanzierungsmittel

• Staat bestimmt Hoheitsrecht

• Staat verfügt über wirtschaftliche Macht (zB Auftragsvergabe)

— Konkurrenz zu privaten Wirtschaftstreibenden?

• Berechtigung des Staates zu wirtschaftlicher Betätigung nur, wenn private Wirtschaftstreibende Sachgüter und

Leistungen am Markt nicht oder nicht hinreichend anbieten können (Negative Bedeutung des

Subsidiaritätsprinzips)

• Lässt sich aus Ö Verfassungsordnung nicht ableiten

• kann jedoch für Bund bzw Länder durch einfachgesetzliches Sonderprivatrecht oder Statutargesetze

vorgesehen werden, wegen der umfassenden Formulierung in Art 116 Abs 2 B-VG aber nicht für

Gemeinden (wäre im Übrigen auch unzulässige gemeindespezifische Regelung)

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung— Verpflichtung des Staates zu wirtschaftlicher Betätigung, wenn private Wirtschaftstreibende Sachgüter und

Leistungen am Markt nicht oder nicht hinreichend anbieten können (Positive Bedeutung des

Subsidiaritätsprinzips)

• kann der Ö Verfassungsordnung unterstellt werden (vgl Binder, Wirtschaftsrecht2, Rz 0782)

• Verpflichtung des Staates, gem dem Sozialstaatsprinzip in allen seine Handlungen und Aktionen auf

eine lebenssichernde Versorgung der Menschen mit Sachgütern und Leistungen bedacht zu sein

• Voraussetzung: Betätigung des Staates als adäquates Mittel zur Beseitigung des Mangels

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung Äquidistanzpflicht

— Staat darf im Wirtschaftsverkehr seine politische, wirtschaftliche und rechtliche Macht weder für sich

unsachlich ausnutzen, noch darf er mit dieser Macht ungerechtfertigt andere Wirtschaftstreibende fördern

oder benachteiligen

— Wirtschaftsrechtliche und wirtschaftspolitische „Neutralität“ zu privaten Wirtschaftstreibenden

— Machtmissbrauchsverbot

— Sachlichkeit in wirtschaftsrechtlichen und wirtschaftspolitischen Angelegenheiten

— Gilt auch für ausgegliederte Unternehmen: mit der Ausgliederung muss eine Gebietskörperschaft ihr

ausgegliedertes Unternehmen gleich jedem anderen privaten Unternehmen behandeln

Rechtliche Grundlagen in Ö

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Privatwirtschaftsverwaltung

„Fiskalgeltung“ der Grundrechte

Grundrechtsschutz nicht nur gegen den hoheitlich, sondern auch gegen den nicht hoheitlich handelnden Staat

— Grundrechte schützen gegen den Staat und die Handlungen seiner Organe

— Gleichheitssatz:

• Verwaltungsorgane müssen (auch) ihre nicht-hoheitlichen Handlungen immer sachlich rechtfertigen

• Allgemeines Willkürverbot für die Verwaltung

Rechtliche Grundlagen in Ö