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65 DER TAHLBAU Schriftleitung: Professor K. K 1 ö p p e l, Darmstadt, Hochschule Fernsprecher: Darmstadt 7711, Apparat 599 Professor W. Rein, Breslau, Technische Hochschule. - Fernsprecher: Breslau 421 61 Veröffentlichungsbeiträge an voranstehende Anschriften erbeten· Beilage zur Zeitschrift DIE BAUTECHNIK Fachschrift für das ge- samte Bauingenieurwesen Preis des Jahrganges 10 RM und Postgeld 14.Jahrgang BERLIN, 4. Juli 1941 Heft 14/ 15 Praktische Berechnung von Hängebrücken nach . der Theorie II. Ordnung. l) Einfeldrige und durchlaufende Versteifungsträger mit konstantem ..-.nd veränderlichem :Trägheitsmoment. Alle Rechie vorbehalten . · Von Kuo-hao Lie, Darmstadt.. 1. Abschnitt. Allgemeines über die Hängebrückenberechnung. In der Baustatik wird die in den meisten Fällen praktisch zulässige Annahme gemacht, daß die Verformung des Tragwerks infolge der Be- lastung sehr klein ist und vernac9lässigt werden kann (Theorie 1. Ordnung). Es gibt aber Systeme, bei denen die Auswirkμng der Syst@mverformung nicht als bedeutungslos betrachtet werden darf. Hierzu gehört in erster Linie die in der vorliegenden Arbeit zu behandelnde versteifte Hänge- brücke, deren Hängegurt im Boden verankert ist. Bei größeren. Trag- . werken dieser Art können die Schnittgrößen in ihrem Versteifungsträger durch die Berücksichtigung der Systemverformung im Kräftespiel (Theorie II. Ordnung) grö'ßenordnungsmäßig um 50°/ 0 vermindert werden, und infolgedessen ist die Anwendung der Theorie II. Ordnung in diesem Fall aus Wirtschaftlichkeitsgründen geboten. EJ 1 1 Bild 1. Das Kräftespiel in der Hängebrücke gehorcht zwei Grundgleichungen 2 ) (Bild 1). (1) (2) (E J r/')" = p + y" HP + H r;" und HP• E lpo +()(, 1 tl 1 + f y" r;dx=O. K K Darin sind (3a) . .(3b) f F 0 dx l- K - FK cos 3 'P L =( dx 1 cos 2 <p H die horizontale Komponente des Kabelzuges infolge der ständigen Last g und der Verkehrslast p sowie der Tempe- raturschwankungen ± t, Hg die horizontale Komponente des Kabelzuges infolge g bei normaler Temperatur und · HP= H-Hg. Weitere Bezeichnungen geben aus Bild 1 hervor. GI. (1) benutzt man zur Berechnung der Dutchbiegungen un:d Biege-' winkel sowie der Momente und Querkräfte des Versteifungsträgers 3 ) und GI. (2) zur Bestimmung des horizontalen Kabelzuges . . Schwierig bei der praktischen Berechnung' ist es, . daß H urid die Schnittgrößen des Versteifungsträgers komplizierte Funktionen voneinander 1 ) Auszug aus der von der Abteilung für Bauingenieurwesen der Technischen Hochschule Darmstadt genehmigten Dissertation. . Für die Anregung zu dieser Arbeit sei Herrn Prof. K. K 1öppe1, Darmstadt, bestens gedankt. . . · · 2 ) Die Ableitung der beiden Grundgleichungen enthält die unter der Fußnote 1 genannte Dissertation. 3 ) Falls der Versteifungsträger z. B. in den Seitenöffnungen· nicht am Kabel aufgehängt ist, so gilt hierfür statt GI. (1) die einfachere Differential- gleichung: (1 a) (E 1 1 r; 1 ")" = p. sind, so . daß die Lösung nur durch Annahme von H versuchsweise ge- funden werden kann. Es ist aber nicht leicht, die Größe von H sehr gut zu schätzen und 'mit geringem Arbeitsaufwand zu verbessern. Man nimmt gewöhnlich den aus der Näherungstheorie gewonnenen Wert als erste Näherung an. Dieser Wert weicht im allgemeinen auch nicht viel von dem genauen ab,. selten über 5%. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, daß sic;h alle statischen Größen nicht mehr durch lineare Funktionen von der p darstellen lassen, so daß das Superpositionsgesetz seine Gültigkeit verliert und infolgedessen keine eigentlichen allgemein gültigen Einflußlioien benutzt werden können . Um eine Schnittgröße zu ermitteln, muß aJi entweder zwei oder drei ;, beschränkte Einflußlinien" 4 ) anwenden f.ür eine näherungsweise ungünstigste Laststellung die Berechnung: . Eine weitere Schwierigkeit ergibt d-urch die Berücksichtigung der Veränderlichkeit des .d.er Versteifungsträger. Die Unannehmlichkeit des veränderliche_μ 1:tägl,ejtsmoments macht sich ja schon bei einfachen Balkentragwerl)en Aber bei der Berechnung von Hängebrücken wachsen die .d, aQu:tch entstehenden Schwierigkeiten und Umstände noch in weit Maße. Aus den vorstehenden geht hervor, daß ein praktisches Berechnungsverfahren Attforde.rungen zu erfüllen hat: 1. Der angenommen.e -1IQiizoit1:a1e Kabelzug H soll leicht und schnell berichtigt werden · 2. Für den FaH {ies V niit veränderlichem J soll ein Minimum an · 'Reclienad>elt erzielt werden. 3. Das Ver.fat;t.r :w · $011 und übersichtlich sein, um die Berechnung zu . u:nd die Fehler auszuschalten, was besonders beim 1J1it - '1.urchlaufendem Versteifungsträger zu beachten ist. 4. f-s soUeri .sich ferner die beschränkten Einflußlinien ermitteln lassen, um -die Größtwerte oder die ungünstigsten Laststellungen· der Sch-nj.Mgr;().ßen · iu bestimmen. J. Melan {1]5) als erster auf die Notwendigkeit, die System- vedorJ,nung b.ei d. er Berechnung der Hängebrücken zu berücksichtigen, -hingewiesen und dafür ein Berechnungsverfahren entwickelt hatte, sind dann viele Arbeiten und Verfahren 6 ) veröffentlicht worden. Aber ein befriedigendes praktisches Berechnungsverfahren konnte im einschlägigen Schrifttum noch nicht festgestellt werden. Diese Lücke schließen zu helfen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Im folgenden werden ein genaues und ein Annäherungsverfahren entwickelt, die sowohl für Hänge- brücken mit einfeldrigen als auch für solche mit durchlaufenden Ver- steifungsträgern sein sollen. Das genaue Verfahren soll zur Berechnung der Systeme mit Versteifungsträgern von öffnungsweise kon- stantem J dienen, während das Annäherungsverfahren für den Fall des veränderlichen Trägheitsmoments verwendet wird. · II. Ab s c h n i t t. Das genaue Verfahren zur Berechnung der Hängebrücken mit Versteifungsträgern von öffnungsweise konstantem J. 1. Grundlegende Betrachtungen. Bild 2 stellt drei Träger dar, die durch verschiedene Querlasten, aber gleich große Axialzugkraft H belastet sind. Es gilt für den Träger (b): (E J r;b")" = p + H r;b'· ', für den Träger_ (c): (E J 71/)" = y'' HP + H r;/. 4 ) Im folgenden wird dieser Ausdruck benutzt. Hierunter versteht man . die . nach der . Theorie II. Ordnung ermittelte Einflußlinie, deren Gültigkeit beschränkt ist (siehe später). 5 ). Die Zahl in der Klammer bezieht sich auf die am Schluß zusammen- gesteliten ·Veröffentlichungen. . · · 6 ) Wegen der Erörterung der verschiedenen sei auf die Dissertation (Fußnote 1) verwiesen. ·

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    DER TAHLBAU Schriftleitung:

    Professor ~r.=~ng. K. K 1 ö p p e l, Darmstadt, Technisc~e Hochschule Fernsprecher: Darmstadt 7711, Apparat 599

    Professor W. Rein, Breslau, Technische Hochschule. - Fernsprecher: Breslau 421 61 Veröffentlichungsbeiträge an voranstehende Anschriften erbeten·

    Beilage zur Zeitschrift DIE BAUTECHNIK Fachschrift für das ge-samte Bauingenieurwesen

    Preis des Jahrganges 10 RM und Postgeld

    14.Jahrgang BERLIN, 4. Juli 1941 Heft 14/ 15

    Praktische Berechnung von Hängebrücken nach . der Theorie II. Ordnung. l) Einfeldrige und durchlaufende Versteifungsträger mit konstantem ..-.nd veränderlichem :Trägheitsmoment.

    Alle Rechie vorbehalten. · Von ~t.='.Jng. Kuo-hao Lie, Darmstadt..

    1. Abschnitt. Allgemeines über die Hängebrückenberechnung.

    In der Baustatik wird die in den meisten Fällen praktisch zulässige Annahme gemacht, daß die Verformung des Tragwerks infolge der Be-lastung sehr klein ist und vernac9lässigt werden kann (Theorie 1. Ordnung). Es gibt aber Systeme, bei denen die Auswirkµng der Syst@mverformung nicht als bedeutungslos betrachtet werden darf. Hierzu gehört in erster Linie die in der vorliegenden Arbeit zu behandelnde versteifte Hänge-brücke, deren Hängegurt im Boden verankert ist. Bei größeren. Trag-

    . werken dieser Art können die Schnittgrößen in ihrem Versteifungsträger durch die Berücksichtigung der Systemverformung im Kräftespiel (Theorie II. Ordnung) grö'ßenordnungsmäßig um 50°/0 vermindert werden, und infolgedessen ist die Anwendung der Theorie II. Ordnung in diesem Fall aus Wirtschaftlichkeitsgründen geboten.

    EJ 1 1

    --~~~~~l~~~~-1

    Bild 1.

    Das Kräftespiel in der Hängebrücke gehorcht zwei Grundgleichungen 2) (Bild 1).

    (1)

    (2)

    (E J r/')" = p + y" HP + H r;" und

    HP• E lpo +()(,1tl1 + f y" r;dx=O. K K

    Darin sind

    (3a)

    . .(3b)

    f F0 dx

    l- K - FK • cos3 'P

    L =( dx • 1 • cos2

    elt erzielt werden.

    3. Das Ver.fat;t.r:w ·$011 .an~chaulich und übersichtlich sein, um die Berechnung zu ~

  • 66 Kuo-hao Lie, Praktische Berechnung von Hängebrücken nach der Theorie II. Ordnung DER STAHLBAU Beilage zur Zeltschrift .Die Bautechnik•

    Addiert man die beiden Gleichungen, so erhält · man mit r; . r;b + 'lc die Diff erentialgleichurtg der Biegelinie des Trägers (a) ~u

    (E J r;")" = p + y" HP + H 1;". Diese Gleichung ist identisch mit der Grundgleichung (1) der Hängebrücke. Hieraus folgt, daß man eine Hängebrücke statisch durch einen ihrem Versteifungsträger entsprechenden "stellvertretenden Träger" ersetzen kann, der durch die Querlasten p und y" HP und durch eine gedachte Axial-zugkraft H belastet ist 7). Ferner erkennt man, daß bei konstantem H auch für den stellvertretenden Träger das Superpositionsgesetz gilt, weil ja die Differentialgleichung linear ist. Hierauf kommen_ wir später noch zurück.

    Das angegebene Gedankenmodell des stellvertretenden Trägers ist von Nutzen, weil dadurch die schwer zu durchschauende Berechnung der Hängebrücken sehr leicht zu veranschaulichen ist und die P y"Hp verschiedenen Einzeleinflüsse H __ ;;;;;;;;!!l!!!!!!!!!!!e!m!!!!~---11 getrennt untersucht werden • rtJ können. Bei der Berechnung p eines solchen Trägers kommt 11--J!l!!!!!!!!!!!!!!!!!!.---------11 nur die Bestimmung des Hori- b) zontalzuges H für den betreffen- y"lfp den gesamten Lastfall hinzu. H ---j!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!~~~~~~-- f! Auch diese Aufgabe· kann man c) mit Hilfe des gedachten Trägers Bild 2 a bis c.

    folgendermaßen lösen. Aus der _ Bestimmungsgleichung (2) für HP ersehen wir, daß HP außer von den festen Größen des Systems . nur noch von dem unbekannten Ausdruck f y" r; d x, der den Einfluß der Verkehrslast umfaßt, abhängig ist. In diesem Ausdruck ist mit der üblichen Annahme, daß die Kabelkurve unter der Belastung von g die Form einer quadratischen Parabel annimmt, y" =konstant und kann vor das Integral gesetzt werden. Als einzige Unbekannte bleibt nun f r; d x. Dieses Integral stellt eine anschauliche Größe dar, nämlich die Fläche de·r Biegelinie des Ve~steifungsträgers Fr

    1•

    Diesen Wert kann man aber ohne weiteres auch am ged,achten Träger bestimm_en. Dai:nit ist die Hängebrücke hinsichtlich der statischen Unter-suchung vollkommen auf einen stellvertretenden Träger zurückgeführt.

    Wie schon erwähnt, gilt für den Träger mit konstantem H das Super-. positionsgesetz. Dadurch läßt sich jede komplizierte Belastung der Hänge-brücke in zwei oder drei Grundlastfälle zerlegen. Statt einer komplizierten unklaren Berechnung macht man zwei oder drei einfache Teilberechnungen.

    Bei Hängebrücken mit einfachen Versteifungsträgern werden die · statischen Größep des Versteifungsträgers immer als Summe aus zwei Teilzuständen p und y" HP ermittelt (Bild 2):

    _ { TJa . TJb + TJc• (4) Ma - Mb + M,,

    . Oa= Qb+ Qc.

    Oie Belastungsstrecke und die Laststellung von p sind jeweils sehr . ver-schieden, während y'' HP sich immer über die ganze Öffnung erstreckt.

    1 p y~Hp 2

    H~A A A --, h-11 Q,)

    11--[5. p

    & & 21.---h b) '

    M, (p) Mi (p) 11~[5. ) & ( ) -8._ ( A---11

    C) y~Hp

    11-- ---11 d) Bild 3 a bis d.

    Beim durchlaufenden Versteifungsträger -kommen noch die Stützen-momente hinzl;l. In diesem Fall empfiehlt es sich, die statischen Größen in drei Teilzuständen nach Bild 3 getrennt zu berechnen und daraus die Summe zu bilden:

    (5)

    An dieser Stelle wollen wir die Berechnung der Stützenmomente des stellvertretenden Trägers vorausschicken. · Wie beim Durchlaufbalken mit nur Querlast stehen uns hierzu_ auch die Kontinuitätsbedingung über den Stützen und das Superpositionsgesetz zur Verfügung. Ein Unterschied besteht nur darin, daß im vorliegenden Fall der Einfluß der axialen Zug-kraft H bei' der Ermittlung der Tangentendrehwinkel an den Trägerenden . qerücksichtigt werden muß.

    · 7) Qas H soll nur jeweils mit dem Hebelarm T/ ain Träger angreifen und keine Zugspannung im Versteifungsträger erzeugen.. Ferner ist zu beachten, daß y" HP · und H nur auf den am Kabel aufgehängten Teil des Versteifungsträgers wirken; weil für die nicht aufgehängten Teile GI. (1 a) gilt. .

    ·p M, /J ~ p

    [J K EJ, b,---lf

    ' ,- . -,-

    1 1 l ;.cl>E' l,--

    11~4- [J, 1 a,) ~l,---i-1 ____ _

    r-'>4,1 1(\

    lf;;~---~---11 -f

    n 1 c:=:- r-----~lf 11---~ b.

    -7T eJ r.

    Bild 4a bis e.

    Bild 4 möge z. B. einen dreifeldrigen symmetrischen Durchlaufträger mit Axialzug H darstellen. Aus der Kontinuitätsbedingung über den Stützen folgt unter Beachtung der Symmetrie

    Mi (ril + r;) + M2 Tk = - ~1 • M2 (i-; 1 + r;) + M 1 rk=-~.

    Addiert und subtrahiert man beide Gleichungen und beachtet, daß (Bild 4d und e)

    Ti + Tk = T und Ti - 7:k = 7: sind, so erhält man

    J M1 + M2 = - ~1 + ~2 = - ~1 + ~2 '

    . 7:;1 + 7: 'f'

    l M1 - M2 = ~ ~1 - ~! = - ~i - ~2 • 7:; 1 + 7: 'f' (6)

    Damit ist die Aufgabe gelöst. Beim Träger über mehr als drei Öffnungen kann man auf ähnli~he Weise verfahren. Es sind wie beim gewöhnlichen Durchlaufbalken dreigliedrige Gleichungen aufzustellen und zu lösen.

    II. Formeln für Momente, Querkräfte, Durchbiegungen, Biegeflächen und Tangentendrehwinkel.

    Nachstehend wird das Verfahren der unmittelbaren Integration der Differentialgleichung (1) angewendet, weil der Nachteil dieses Verfahrens,

    ;--a---· ~1p~~~~b~--;-I H---~~~~~-~-E.~J~~~---J.i---h

    A i --rB X'----i

    ----~~~-l -~~~1 .

    Bild 5.

    die Bestimmung der lästigen Integration'skonsfanten, durch die Zerlegung der Belastung in Teil-zustände wegfällt und eine un-

    empfindliche Bestimmungs-gleichung für HP entwickelt wer-den kann. Im folgenden soll das Verfahren an zwei · Lastfallen ge-zeigt werden.

    (1) Einzellast (Bild 5). Die Differentialgleichung eines durch Querlast p und Axialzug H be-lasteten Trägers heißt

    (E J TJ")" = p + _H r;". Durch zweimalige Integration geht diese Gleichung über in

    (7) „ MO t H T}

    r; =- EJ + EJ. Darin ist MO das Moment des Einfachbalkens (ohne H) infolge p, im vor-liegenden Fall infolge P. Mit den Abkürzungen

    (8) fJ = V Z und °' = ~ · ß lautet dann die Lösung der GI. (7)

    r für die Strecke a

    . 1 ( 1 d2 M O ') J 171 = A · 6in ß x + B ·

  • Jahrgang 14 Heft 14/15 4. Juli 1941 Kuo-hao Lie, Praktische Berechnung von Hängebrücken nach der Theorie II. Ordnung 67

    Die vier Integrationskonstanten A, B, C und D bestimmt man mit Hilfe der folgenden vier Bedingungen:

    (1) und (2): Für x = 0 und x = l ist TJ = 0.

    (3) und (4): Für x = a sind d d T/1 d T/2 un dx = dx · Rechnet man die Konstanten aus und setzt sie in Gl. (9) ein, dann erhält man nach-.,einer Umformung die Durchbh~g_ung _

    Jf .. d" St k M1 p . @;inb{J ~· ur te rec e ti T/i = -V - H · fl. ~in 2 °' · \;;Im fl x (10) l d f .. ct· St k b M1 p 6in a fl ~· fl ' un . ur te rec e TJ2 = -V - H · /1 • @;in 2 °' • \;;Im x ·

    Die Ausdrücke für M kann man entweder nach M = - E J TJ„ be-rechnen oder einfacher aus der Beziehung

    M =M0 -H.,., X X "I ermitteln. Hieraus folgt

    {

    für die Strecke a

    und für ~ie Strecke 4 (11)

    M =P· X

    M =P· X

    6in b fJ ß • 6in 2 °'

    6inaß

    ß • 6in 2 °'

    •@;in ß X

    · 6inß x'.

    Differentiiert man Gl. (11), so ergibt sich cjie Querkraft

    6in b {J Q x = p • 6in 2 °' .• ~of fl x

    Q = - p • 6~n a fl . ~of fl x'. X 6tn 2 cX .

    . ~ für die Strecke a (12)

    und für die Strecke b

    Die Biegefläche erhält man, indem man Gl. (10) integriert:

    Ja Jb , 1 [ . P ( 6in a fl + @;in b ß )] F"I= T/1dX + T/2dX = H FMo- {J2 1- 6in2°' . 0 0 .

    Darin bedeutet F Mo die Momentenfläche von, M 0 des gewöhnlichen Ein-

    fachbalkens. Im vorliegenden Fall ist F MO =-}·Pa b. Obige Formel

    geht nach einer Umformung über in

    (13) HF . p. ~ - !:___ (1--~of ( f -~ a) ß). 1/ 2 ß 2 ~of °' .

    Zur Bestimmung von HP braucht man nur F'IJ. Da in allen Lastfällen der Ausdruck für F'IJ das H im Nenner enthält, wird später zwecks der bequemeren Rechnung die Bestimmungsgleichung für HP so entwickelt, daß man den Ausdruck H F

    11 unmittelbar benutzen kann.

    Atrn H----~~---------E~J---------4----H --x

    und daraus ergeben sich wie in (1)

    (16) M =M . Sin{Jx . X S 6in 2 cX '

    (17) Q = M • ß • ~of fl X , X S 6in 2 cX

    (18a)

    ( p 1 ) M2s l (l _ %: °') . (18b) H-cb=Ms %g 2 °' -T und HFTJ . .... Da der Klammerausdruck der Biegefläche auch in anderen Formeln oft vorkommt, wird er zur Abkürzung8) gesetzt

    (19a)

    Damit ergibt sich

    (19)

    Im folgenden mögen noch die Formeln für vier andere wichtige Lastfälle zusammengestellt werden. Aus den Formeln · der sechs L~stfälle lassen sich diejenigen für andere beliebige Belastungen ohne weiteres ableiten.

    (3) Bild 7:

    (20a)

    (20b)

    (20c)

    (20d)

    (20e)

    (20f)

    a M = _!!__ (1 - 6in {J x' + ~of b .B • 6in ß X) X fJ2 6in 2 cX . . '

    b M _ _!!__ • ~of a ,8 - 1 • ~. R , x - ß2 6in 2 °' otn ~ X ,

    Q = - _!!__ ~ ~of a fl --.... 1 . ~of b {J, · a · ß @;in 2 °'

    J

    l . 2 p ( a · 6in . ; • ß · ~of ~ · {J )

    H F1/ =FMo- p 2- {J· ~of °' , p a2

    · F Mo= l2 (3 l - 2 a),

    H W. = Ao _ !!_ • ~of 2 °'.- ~of b fl, . . ß @;tn 2 °'

    H~=ßo_.!!_. ~of~{J~l. . {J 6tn 2 °'

    i---a c---b--. : Pi :

    11-* -4--11 r--m. ·"---1 1 • .:& :r' . :-.--x :r'--;

    1 1 i---~~~-l~~~--i-

    1 1 ' --~~~~-i-·~~~~ i--~~~~t~~~--t

    Bild 6. Bild 7. Bild 8.

    Differentiiert man Gl. (10) und setzt x = 0 und x' = 0, so erhält man die Tangentendrehwinkel an den Trägerende~. die wie die Belastungs-glieder des . gewöhnlichen Balkens mit deutschen Buchstaben bezeichnet werden. Da in den Ausdrücken der Tangentendrehwinkel infolge der Belastung und der Stützenmoment~ M

    5 = 1 das H im Nenner auftritt,

    kann man sie bei der Ermittlung der Stützenmomente unmittelbar in H-facher Größe benutzen, weil sich das H in der. Rechnung von ·selbst aufhebt. Die Belastungsglieder heißen also im vorliegenden Fall

    {

    H -ca = H W. = A 0 - P • :1_~: ~: , (14)

    H -Hm-Bo_p 6tna{J -c b - '

  • 68 DRR STAHLBAU Beilage zur Zeltschrift .Die Bautechnik• Ku o-h a o Li e, Praktische Berechnung von Hängebrücken nach der Theorie II. Ordnung

    (5) Bild 9:

    r M = _f!__ - (1-x ß2 (22 a) J ( l ~ ;, l -

    6 in ß x + 6in ß x') 6in 2 °'

    ~of (f- x) ß) ~of °' '

    oder

    p lf~~J!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!~J;L~!t

    • :i; x'-------1 ~----l~~~--;-

    Bild 9.

    (22b) p ~of ß x' - ~of ß x p

    Q x = 7J · ---

  • Jahrgang 14 Heft 14/15 4. Juli 1941 Kuo-hao Lie, Praktische Berechnung von Hängebrücken nach der Theorie II. Ordnung 69

    Stützenmomente bildet sich auch aus zwei Teilen; der erste rührt von der Belastung y" HP her und der zweite von der Verkehrslast p. Sie sollen getrennt berechnet werden.

    Bild 11 a möge den Versteifungsträger einer Hängebrücke darstellen. Die über den Innenstützen stehenden Pylonen und das Kabel sind der Einfachheit halber nicht eingezeichnet.

    Die H-fache Biegefläche infolge der Stützenmomente ergibt sich nach GI. ( 19) zu

    (34) H F11 = ~ ~ (Mi-l +Mi) li ki. Für die . im Bild 11 b skizzierte Belastung y''. HP läßt sich das Stützen-moment Mi in der Form

    Mi= HP µMi

    angeben, worin µ M .• wie es anschließend gezeigt wird, eine Funktion . l

    von den Systemgrößen /, f, J und dem Horizontalzug H darstellt und nicht direkt von p abhängig ist. Durch Einsetzen der obigen Gleichung in GI. . (34) ergibt sich der erste Teil von H F

    11 infolge der Stützen-

    momente zu

    (35)

    ~ M, 11-ii 2S

    ) -r- EJ, --,

    - .(],, ~z,----: Mz-1 Mi· 4 E0 4-~lt~

    Mi-#-1 Mn 2S Er h-..H -,- U71 -r--

    ~l ~ n . y/llp 2S K ll----~l!!!!!l!!!!!!!!!!l!!!!!!!!!!l!!!!!~K!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!:!!!!!!!!!!!~~~!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!h!!!!!l!!!!!!!!!!l!!!!!!!!!!!!!!!!!!l!-..ll

    p b) p

    A a 11---~r------•z--------.....11===----. ...... ------....====--h---11 C)

    Bild 11 a bis c.

    Der zweite Teil von H F11 infolge der Stützenmomente MP ist ab-hängig von der Größe und Stellung der -Verkehrslast p. Man muß für den betr~ffenden Lastfall zunächst MP nach dem im Unterabschnitt I des II. Abschnittes beschriebenen Gedankengang berechnen und dann nach GI. (34) die Biegefläche ermitteln. Es sei kurz bezeichnet:

    1 (36) H F11 (Mp) = T ~ (Mi-l + Mi) li ki. p

    Setzt man GI. (35), (36) u. (27) in die Ausgangsgle.ichung (26) ein . und löst sie nach HP auf, so ergibt sich mit der Abkürzung der GI. (28) die allgemein gültige Gleichung

    zo + __!_ ~ (M . 1 + M ·) /. k. 2 p l - l l l (37) HP= l

    N0-2~("Mi-l + µMi)liki Darin erstrecken sich die Summen im Zähler und Nenner über alle am Kabel aufgehängten Trägerteile. Aus obiger Gleichung läßt sich der Einfluß der Kontinuität des Versteifungsträgers auf den Horizontalzug im Kabel deutlich erkennen. Die obenstehende Gleichung ist ganz allgemein für über beliebig viele Öffnungen gespannte Hängebrücke abgeleitet. Aus ihr läßt sich z.B. die Bestimmungsgleichung für das dreifeldrige s y mm et ri s c h e System entwickeln 9):

    3 ~, l K ( 8) ,,:;., l H F11 (p) - 2 · - (~1 + ~2) + ß2 °'t t E Je L1 H . 'P --·

    P - 2 4 • f K0 ' K K' · E J 3 · J t + 3 · i 1 /1 1. - 8 • / • ß2 - 4 J · ---;;- + ß2 • E K F K · e L

    9) Wegen der Ableitungs. die unter Fußnote 1 angegebene Dissertation.

    Darin sind

    (39)

    (39') K' = k + '11 • ~ • k1 l und nach GI. (6) und Bild 4

    ßi 1 ( 40) 'P = H T + H Ti 1 = ß . ;r g IX + - - '

    '.tg 2 °'1 f 1 ( 41) ~1 + ~2 = H (~ 11 + fil) + H (~ + fil 1 , ) .

    Nebenbei zu bemerken ist, daß die vorhin erwähnte ,u M .-Funktion l

    beim vorliegenden System folgende Form hat:

    4/ K' µMi= ,uM2=-1- ·~·

    Sie ist also nur abhängig von Systemgrößen und H. Zur Bestimmungsgleichung (38) ist zu bemerken, daß man zur Be-

    stimmung von HP nur die H-fachen Biegeflächen und Belastungsglieder des entsprechenden statisch bestimmten Hauptsystems vom Versteifungs-träger infolge der Teilbelastung p benötigt. ferner ist der Nenner, wie schon erwähnt, stets von derselben Form. Weiter wird in der Gleichung '11 = 1, K0' = Ko und K' = K. wenn die vom Kabel aufgenommene ständige Last g über die ganze Brücke gleich ist.

    '-------l~-----i

    Bild 12.

    Soll H1 infolge der Temperaturschwankungen allein berechnet werden, · so sind die beiden ersten Glieder im Zähler gleich Null. Bei - t und .

    Vollast p in der Mittelöffnung allein erreicht HP das Maximum. Dabei ergibt sich der Zähler zu ·

    (42) maxZ= ~~3

    -pik ()2 + ~ · ~) + ß2 cx1tEJeL1• Im Anschluß mögen vollständigkeitshalber noch die Formeln für L

    und L1 angegeben werden. · Sie lauten· ·für Hängegurt mit konstantem Querschnitt Fk = FZ (Kabel) nach Bild 12

    ( /2 3 · " ) (43) L = l 1 + 8 · 12 + 2 · tg2 y0 + s1 • sec2 y1 + s2 • sec2 y2 ,

    (44) L1 = l ( 1 + 1; • ~: + tg2 y0) + s1 • sec y1 + s2 • sec y2•

    Für den Fall des veränderlichen, aber angepaßten Hängegurtquerschnitts Fk = F~ • sec 'P (Kette) hat man L = L1, und damit gilt GI. (44) für beide Größen.

    Bei vielfeldrigem System ist der erste Summan4. in obigen Gleichungen durch die Summe aus solchen Ausdrücken aller Offnungen zu ersetzen. Obige Formeln sind unabhängig davon, ob der Versteifungsträge·r statisch bestimmt ist oder nicht.

    · Zusammenfassung des II. Abschnitts. Am Eingang dieses Abschnitts wurde gezeigt, daß die Berechnung der Hängebrücken auf diejenige des stellvertretenden Trägers mit dem Axialzug H und den Querlasten p und y" HP zurückgeführt werden kann und daß sich die Querlasten in Teilzustände zerlegen lassen (Bild 2 u. 3). Weiter haben wir den stell-vertretenden Träger ausführlich behandelt und die Bestimmungsgleichungen für HP, damit auch H =Hg+ HP' der verschiedenen Hängebrücken-systeme entwickelt. Damit ist das Problem der Hängebrückenberechnung vollkommen gelöst. Hinsichtlich der praktischen Anwendung des Ver-fahrens sei auf die nähere Erläuterung und die Beispielrechnung in der Dissertation verwiesen. (Schluß folgt.)

    Alle ({echte Yorbehalten. Mitteilungen über einen neuen, nach dem Thomasver~ahren erschmolzenen hochwertigen Mangan-Phosphor-Baustahl. 1)

    Von ~r.:~ng. habil. Roland Wasmuht, Dortmund.

    Durch die Rohstofflage gezwungen, hat sich das Interesse der Stahl-verbraucher in jüngster Zeit immer mehr dem Thomasstahl zugewandt. Der Zwang, deutsche Eisenerze zu verarbeiten, und die bestehende Schrottknappheit läßt die Bedeutung des Thomasstahls volkswirtschaftlich besonders in den Vordergrund rücken. Dem Thomasstahl haften nun, durch -seine Herstellungsweise bedingt, gewisse Nachteile gegenüber dem SM-Stahl an, die zu überbrücken eine besondere Aufgabe für die Metallurgen darstellte. Einen besonderen Nachteil des Thomasstahls stellte der höhere Stickstoffgehalt und die hierdurch bedingte Eigenschaft des Thomasstahls, im Anschluß der Kaltverformungen zu verspröden, dar. Es hat nicht an V.ersuchen gefehlt, gerade den Stickstoffgehalt des Thomasstahls möglichst niedrig zu halten. Diese Versuche sind auch

    1) Vortrag, gehalten auf der Sitzung des Deutschen Ausschusses für Stahlbau am 28. 2. 1941 in Weimar.

    von Erfolg gekrönt gewesen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf den von den Vereinigten Stahlwerken in jüngster Zeit herausgebrachten HPN-Stahl hinweisen. Bei der Herstellung dieses Stahles konnte durch bestimmte metallurgische Maßnahmen der Stickstoffgehalt des Thomas-stahls nennenswert gesenkt werden. Auch fehlt es nicht an erfolgreichen Untersuchungen, durch Beruhigung des Thomasstahls eine weitgehende Verbesserung zu erzielen. Durch die Aluminiumzugabe gelingt es dabei ebenfalls, neben anderen Wirkungen, den schädlichen Stickstoff in ge-wissem Umfange abzubinden. So ist es gelungen, dem Thomasstahl eine große Anzahl von Verwendungsgebieten zuzuführen, die früher dem Siemens-Martin-Stahl vorbehalten waren.

    Für die gewichtsparenden, hochwertigen Baustähle, deren wichtigster Vertreter St 52 ist, ist man bisher nach wie vor auf Siemens-Martin-Stahl angewiesen. Bei den vielseitigen .Ansprüchen, die an St 52 gestellt werden, ist es auch zweifelsohne richtig, diesen in Zukunft nur als

  • 70 Was muht, Mitteilungen über einen neuen hochwertigen Mangan-Phosphor-Baustahl DER srAHLBAU

    Beilage zur Zc1ti;.chrlft .Die Bautechnik•

    St 48, 0,13% P, beruhigt.

    St 37, 0:083% P, unberuhigt. Bild 1. Baumann-Abdrücke von St 48 und St 37 unberuhigt.

    Siemens-Martin-Stahl zu verwenden. Es wäre jedoch von Bedeutung, worauf auch schon H. Hau ttm a nn ~) hingewiesen hat, wenn zwischen dem normalen St 37 und dem hochwertigen St 52 ein Stahl eingeschaltet werden könnte, etwa mit den physikalischen Anforderungen des alten St 48, der in solchen Fällen zur Anwendung gelangen könnte, wenn die Verwendung des hochwertigen St 52-SM-Stahls nicht unbedingt erforder-lich ist, aber trotzdem Gewichtsersparnis gegenüber der Verwendung von St 37 wünschenswert erscheint. Dabei sollte es möglichst angestrebt werden, einen solchen Stahl als Thomasstahl zu erzeugen.

    Die erhöhten physikalischen Werte des St 48, also 48 kg/mm2 Festig-keit und 29 kg/mm2 Streckgrenze, lassen sich naturgemäß nur durch irgend-eine zusätzliche Legierung erreichen. Von der Legierung durch Kohlen-stoff, die am naheliegendsten erscheinen würde, wurde von uns bewußt abgesehen, da sie ja die Grundlage des alten St 48 darstetlte, der sich nicht bewährt hatte und deshalb fallen gelassen wurde. Eine Legierung durch Erhöhung des Kohlenstoffgehalts ersch_eint insbesondere wegen der zu fordernden guten Schweißbarkeit bedenklich. Das gleiche gilt für eine Legierung mit Silizium. Wir haben deshalb in Anlehnung an ältere Arbeiten, über die bereits im Jahre 1936 von A. Rist o w, K. Da e v es und E. H. Sch u 1 z3) berichtet wurde, die Festigkeitssteigerung des neuen Stahls durch Legierung mit Mangan und Phosphor erreicht. Gleichzeitig wurde der Stahl mit Silizium und Aluminium beruhigt und so als aus-gesprochener Feinkornstahl hergestellt. Über die Eigenschaften dieses neuen Stahles will ich Ihnen in der Folge berichten.

    Ich bin nun darauf gewappnet, von Ihrer Seite die größten Bedenken zu hören, daß wir einen mit Phosphor legierten Stahl als Baustahl vor-schlagen. Ich kann hierzu nur sagen, daß gerade dieser Stahl den besten Beweis darstellt für die. Feststellung, daß es sich bei der Sorge um hohen Phosphor-Gehalt um ein altes Vorurteil handelt. Ich gebe zu, daß bei dem früheren Stand der Metallurgie dieses Vorurteil seine Berechtigung hatte. Es steht aber heute fest, daß metallurgisch einwandfrei erschmolzene Stähle ohne weiteres Phosphor-Legierungen in Sonderfällen bis zu 0,3% P enthalten können, ohne daß sie die dem Phosphor nachgesagten bedenk-lichen Eigenschaften aufweisen. Der Phosphor ist gerade dann ein besonders glücklich gewähltes Legierungselement, wenn man den Stahl aus der Thomasbirne erzeugt. Wenn dieser Stahl durch Abfangen der Charge hergestellt wird, so sind die hohen Phosphorgehalte die beste Gewähr dafür, daß der Stahl nicht zu lange geblasen wurde, und daß er daher keinen Sauerstoff aufnehmen konnte. Das Abbrechen der Charge bei hohen Phosphorgehalten bewirkt, daß der Stahl ungewöhnlich sauer-stoffrein bleibt, da· während des Durchblasens der Frischluft der Phosphor das Eisen zunächst gewissermaßen vor der Verbrennung schützt, so daß die Bildung von Oxyden verhindert wird. Der Phosphor konnte aber nur dann schädlich werden, wenn er in Verbindung mit Sauerstoffgehalten im Stahl auftritt. Das ist meist bei niedrigen oder mittleren Phosphor-gehalten der Fall. Bei hohen Phosphorgehalten liegt der Phosphor al Legierungselement vor, welches bei einem zwangsläufig sauerstofffreien Stahl nur günstig wirken kann. Hinzu kommt, daß die Beruhigung des Stahles mit Silizium und Aluminium und die Legierung mit Mangan auch noch in Richtung eines besonders sauerstofffreien . Stahls hinwirken.

    Nun könnte man noch einige Bedenken gegen den Phosphor-Mangan-Stahl haben, nämlich wegen der bekannten Nei~ung qes Phosphors zur Bildung von Seigerungen. Diese Erscheinung des Auftretens starker Kon-zentrationsunterschiede im gle~chen Querschnitt ist ja bekannt und man weiß, daß der Phosphor zur Ausbildung solcher Seigerungen besonders neigt. Dies gilt aber vor allem für den normalen, unberuhigten Thomas-stahl, bei dem sich der Phosphor in den inneren Querschnitten beträcht-lich gegenüber dem äußeren Querschnitt anreichert. Wird der Stahl jedoch stark beruhigt, so wird die Phosphorseigerung weitgehend unter-drückt, so daß mit einer verhältnism~ßig gleichmäßigen Verteilung des Phosphors im ganzen Querschnitt gerechnet werden kann. Diese Zu-sammenhänge werden anschaulich durch Bild 1, das einmal die Phosphor-verteilung in einem unberuhigten Thomasstahl mit 0,080/n P darstellt und das andere Mal die Phosphor-Verteilung bei einem beruhigten Thomas-stahl mit 0,1350/o P zeigt.

    2) St. u. E. 1941, Heft 6, S. 129 bis 136 und Heft 7, S. 164 bis 170. 3) St. u. E. 1936, Heft 32, S. 889 bis 899 und Heft 33, S. 921 bis 930.

    Die Phosphor-Seigerung braucht also, falls man keine allzu großen Ausgangsblöcke wählt, kein Hinderungsgrund für die Verwendung beruhigter Phosphor-Mangan-Stähle zu . sein. Stellt man nun weiterhin diese Stähle nach dem eingangs erwähnten HPN-Verfahren, also mit möglichst niedrigem Stickstoff, her, so ist zu erwarten, daß ein derartiger Phosphor-Mangan-Stahl verhältnismäßig günstige „physikalische Werte auf-weist. Die Untersuchung einer A.nzahl nach diesen Gesichtspunkten erschmolzener_ Chargen hat diesen Überlegungen Recht gegeben.

    Zahlentafel 1 zeigt beispielsweise die von Versucnsstähleti bei ver-schiedener Zusammensetzung erreichten Festigkeitseigenschaften. Als ein besonders günstiger Phosphorgehalt hatte sich bei früheren Untersuchungen, über die hier aus Raummangel nicht berichtet werden kann, der Gehalt von 0, 13 bis 0, 15 °lo P herausgestellt. Die im Lichtbild gezeigten Schmelzen weisen alle einen Phosphorgehalt in dieser Größenordnung auf; sie unter-scheiden sich lediglich durch den Kohlenstoff- und Mangangehalt. Aus Bild 2 geht hervor, daß bei gleichbleibendem Phosphorgehalt mit st~igendem Kohlenstoff- und Mangan-Gehalt Streckgrenze und FesUgkeit weiter an-steigen. Die für St 48 zu fordernde Streckgrenze von 29 kg/mm2 wird bereits bei Gehalten von (C + Mn) von 0,7°/0 erreicht. Will man aber auf jeden Fall auf Festigkeiten über 48 kg/mm 2 kommen, so muß der (C + Mn)-Gehalt 10;0 übersteigen. Die Streckgrenze ist in solchem Falle auf im Mittel 34 kg/mm2 weiter angestiegen. Aus Zahlentafel 1 und Bild 2 geht hervor, daß diese neuen Stähle ein gutes Streckgrenzenverhältnis von

    etwa 65 bis 700/o aufweisen. Wir haben uns auf Grund dieser ersten Versuche dann entschlossen, den Stahl zunächst mit etwa O, l 0/ 0 C und 0,9°/0 Mn herzustellen. Derartige Stähle würden demnach Festigkeits-eigenschaften gemäß Zahlentafel 2 aufweisen. Im Walzzustand beträgt die Zugfestigkeit 48 bis 52 kg/mm2, die Streckgrenze im allgemeinen über

    Zahlentafel 1. Mechanische Gütewerte der untersuchten Schmelzen, St 48.

    Bezeic/lnung Zustand Streckgrenze kg/mm1 Zugfestigkei t

    kg/mm1 Slre~renzen-"erh1J 1nis %

    Oehnu'Jj, l l •5d)

    Einschniirung %

    Kerbschlogzilh!ß:,!.-e1l OVMR mkg. cmZ

    A Analyse c 0.06 Anlieferung J2, 1 V6, 7 10 Si 0.11/ Mn. 0.66 Normalisierf J0.5 fl.S,7 67 p am s 4052

    Ehnkorn 6-8

    8 Analyse

    c 0.08 Anlieferung J6.Z 118.J 15 Si 0.11 Mn, 0..13 Normalisierf · J.15 1/13 71 p 0.1.15 s QIJ.11

    Ehnl

  • Jahrganc 14 Heft 14/15 4. Jull 1941 Wasmuht, Mitteilungen über einen neuen hochwertigen Mangan-Phosphor-Baustahl 71

    Bild 4. Faltproben nach DIN 160S, St 48.

    Stahl in seiner Kerbschlagzähigkeit im atlgemeinen günstiger liegt als die üblichen· unberuhigten St 37 Thomas- und auch Siemens-Martin-Stähle, während er die hohe Kerbschlagzähigkeit des aus beruhigtem Feinkorn-Siemens-Martin-Stahl erschmolzenen St S2 bei sehr tiefen Temperaturen nicht erreicht.

    Schließlich wurde der Stahl auch mU dem Faltversuch nach DIN 160S untersucht. Der Faltversuch wird ohne weiteres erfüllt, wie aus Bild 4 hervorgeht.

    Aus diesen Angaben ist ersichtlich, daß die alten Lieferbedingungen für St 48 bei diesem neuen Stahl übernommen werden könnten, mit einziger Ausnahme natürlich der Analyse (Zahlentafel 2).

    Zahlentafel 2. Festigkeitseigenschaften eines beruhig(en Thomasstahles.

    ZJefesfigl

  • 72 Wasm uh t, Mitteilungen über einen neuen hochwertigen Mangan-Phosphor-Baustahl DER STAHLBAU

    Bella1e zur Zeltschrift .Die Bautechnlt•

    Außerdem wurden auch Kerbschlagzähigkeitsuntersuchungen nach DIN A 122 in der Schweißnaht vorgenommen (Zahlentafel 4). Aus diesen Untersuchungen ging hervor, daß in der Schweißnaht in allen Fällen be-friedigende Kerbschlagzähigkeiten vorgefunden werden konnten. Eine nennenswerte Härtungszone entsteht beim Schweißen nicht, da der Stahl insbesondere wegen seines · niedrigen Kohlenstoff-Gehaltes nicht zur Härtung neigt.

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    Bild 6. Schweißraupenbiegeprobe, St 48.

    Weiterhin wurden Aufschwelßbiegeversuche nach Komme r e 11 mit Proben aus Platinen von 20, 30 und 50 mm Dicke ausgeführt. Wie aus Bild 6 hervorgeht, konnten, besonders in normalgeglühtem Zustande, in allen Fällen hohe Biegewinkel erreicht werden. Der Biegewinkel der 30 mm dicken Proben betrug etwa 90°. Die Aufschweißbiegeproben mit Dicken über 30 mm sind jedoch nicht so einwandfrei in ihrem Aussehen und nicht so streuungsfrei, wie man es von normatgeglühten Aufschweißbiegeproben aus Stahl St 52 gewohnt ist. Auf Grund dieser Untersuchungen mit der Schweißraupenbiegeprobe schlagen wir die Verwendung dieses neuen Stahles nur bis zu Abmessungen von 30 mm Dicke vor.

    Das Aussehen von 30 mm dicken Schweißraupenbiegeproben zeigen Bild 7 u. 8. Die Proben sehen verhältnismäßig gut aus. Verformungs-lose Brüche bei niedrigen Biegewinkeln sind in keinem Falle zu beob-achten. Im Anlief erungszustand können bei hohen Biegewinkeln zu-weilen größere Anrisse in das Material hinein eintreten (Bild 7). Im normalisierten Zustand ist ein solches Einreißen aber nicht zu beobachten. Das Aussehen der Probe entspricht dann Bild 8.

    7

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    Bild 7. Schweißraupenbiegeprobe, St 48, 30 mm, Anlieferung.

    Zahlentafel 5. Dauerfestigk e itseigenscha.ften von St 48 im Ver g 1 eich zu St 37 und St 52.

    Sfahlarf Beuiclmung Zerreißfestigkeit BiegewecMel - Zug -Orock- Fesfigkeil Zug - Ursprungs -

    kg/mmt festlgkeil kg/mml fesllgkell kg/mm1 N• fO x 1011 N-2 x106 kg/mm1 N• 2x106

    StJ7 y. >J7 t Z2 /Jis t Zll :t f7 12 t 12

    Anlieferung 1/41/ t27 ±21

    A 15 :t 15

    St Normalisiert 1/5, 1 .t 28 tto

    1/8

    A~lleferung S~5 .± 21

    c t 29 145 t 15,S Normallslerl 5~6 .t 22

    St 52 ;/. >52 t JI) fJl.s t JZ :f !.J f6 .t 16 •

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    sind die bekannten Herabsetzungen ,der Dauerfestigkeltseigenschaften zu erwarten: Entsprechende Untersuchun-gen sind zur Zeit in Arbeit, worüber später berichtet werden soll. Nach den bisherigen Untersuchungen würde sich also das Zugdruckdauerfestigkeitsschau-bild des neuen Stahles im Vergleich zu demjenigen des St 37 und des St 52 gemäß Bild 9 darstellen. Die Werte für den Phosphor-Mangan-Stahl liegen, wie schon erwähnt, zwischen den für den St 52 und St 37 bekannten Werten. I ,/ lt j • 0

    ~ -1/ ::s

    +'I .,.9 f 72 t16 t• 'O .,.zl/ f28 132 „JQ „ '10 fll'I 1118 f52 tS6 .,. Zusammenfassend kann festgestent werden, daß aus den Versuchen mit beruhigtem Phosphor-Mangan-Stahl aus der Thomasbirne ein Baustahl h~orgegangen ist, der gute physikalische Eigenschafte'n zwischen denen des St 37 und des St 52 aufweist. Die Walzbar-keit des Stahles ist, Wie allgemein bei Phosphorstählen, eine gute, das Ober-flächenaussehen trotz der Beruhigung zu-friedenstellend. Der Stahl hat infolge seines niedrigen Kohlenstoffgehalts den Vorteil, gut schweißbar zu.sein. Außer-dem verleiht der hohe Phosphorgehalt ein besonders gutes Verhalten gegenüber

    ~ -8 1„ ·/. ,- milflere Spannung /n kg/mm2

    ,' ,, 1:::1 lS -12

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    Bild 8. Schweißraupenbiegeprobe, St 48, 30 mm, normalisiert.

    Bild 9. Zug-Druck-Dauerfestigkeit von St 48 im Vergleich zu St 37 und St 52.

    St 48 ausgezogene Kurve, St 52 äußere gestrichelte Kurve, St 37 innere gestrichelte Kurve.

    Zum Abschluß mögen noch einige Angaben über die Dauerfestigkeits-eigenschaften des beruhigten Phosphor-Mangan -Thomasstahls gebracht werden. In Zahlentafel 5 sind einige Feststellungen über die Biege-wechselfestigkeit, die Zugdruckwechselfestigkeit und ·die Zugursprungs-festigkeit am glatten Stab angeführt. Es kam mir bei dieser Darstellung vor allem darauf an, die Größenordnung der Dauerf estigkeitseigenschaften im Vergleich zu derjenigen von St 37 einerseits und St 52 andererseits darzustellen. Aus dieser Zahlentafel ist ersichtlich, daß die Dauerfestig-keitswerte zwischen den für St 37 · und St 52 bekannten Werten liegen. In den untersuchten Beispielen ist einmal eine Schmelze mit Zerreißfestig-keit an der unteren Grenze und einmal eine solche gewählt worden, deren Zerreißfestigkeit an der oberen Grenze lag. Aus diesen Unter-suchungen ergibt es sich, daß die Biegewechselfestigkeit zwischen ± 27 kg/mm2 und ± 29 kg/mm2, die Zugdruckwechselfestigkeit zwischen ± 20 und ± 22 kg/mm2 und die Zugursprungsfestigkeit bei etwa 30 (15 ± 15) kg/mm2 liegen. Bei Stäben mit Walzhaut oder bei gelochten Stäben

    Korrosion durch Atmosphärilien. Sowohl die Warm- als auch die Kalt-verarbeitungsergebnisse können als bester Beweis dafür gewertet werden, daß das alte Vorurteil gegen hohe Phosphorgehalte bei ernwandfrei metallurgisch erschmolzenen Stählen durchaus unbegründet ist. Der Phosphor-Mangan-Stahl St48 wäre deshalb als eine Zwiscltenstufe zwischen den Stählen St 37 und St 52 zu betrachten. . Er wird ·Clen Vorteil auf-weisen; als Thomasstahl herstellbar zu sein, verhältnismäßig gute Festig-keitseigenschaften, gute Schweißbarkeit und ein gutes Korrosionsverhalten zu besitzen.

    INHALT i Praktische Berechnun1 von Hl.ngebrilcken nach der Theorie II. Ord~uar. -Mlttellungen Ober einen neuen, nach dem Thomasverfahren e11chmol1eneo hochwerUgeo .Maogan· Phosphor-Baustahl.

    Verantwortlich filr den Inhalt: Profe11or i>r.•3ng. K. KIGpp,1, Darmstadt. Verlag: Wiiheim Ernst A Soho, Verlag filr Architektur und technische Wl11enscbaften, BerUn W9.

    Druck: Buchdruckerei Oebrilder Em1t, Berlla SW68.