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Der Wald ohne Wiederkehr DSA-News-Abenteuer 3 12.03.04 – 11.01.05 FESTGEHALTEN VON: FRANK WILLBERGER KORRIGIERT VON: CHRISTIAN BOETTGER

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Der Wald ohneWiederkehr

DSA-News-Abenteuer 312.03.04 – 11.01.05

FESTGEHALTEN VON: FRANK WILLBERGERKORRIGIERT VON: CHRISTIAN BOETTGER

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DAS SCHWARZE AUGE und AVENTURIEN sind eingetragene Warenzeichen der Firma Fantasy Productions. Copyright (c) 1997. Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Dokument enthält nicht-offizielle Informationen zum Rollenspiel Das Schwarze Auge und zur Welt Aventurien. Diese Informationen können im Wider-spruch zu offiziell publizierten Texten stehen; bei Fragen zu dieser Website wenden Sie sich bitte an [email protected].

Es handelt sich bei diesem Dokument um das Log aus der Newsgroup z-netz.frei-zeit.rollenspiele.dsa zum DSA-Basis-Abenteuer 2 „Der Wald ohne Wiederkehr“. Das Log wurde an einigen Stellen behutsam verändert, um den Lesefluss zu verbessern und Fehler zu korrigieren.

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InhaltVon Thalusa nach Khunchom......................................7

Neue Gefährten............................................................8Zu Hilfe!........................................................................16Bei den Köhlern............................................................21Lager im Wald...............................................................25

Die ersten beiden Räuber..........................................25Der letzte.....................................................................26Nach dem Kampf.......................................................28

Wohin?...........................................................................33Zur Schlossruine...........................................................41Erkundung der Schlossruine......................................49Hinein ins Schloss........................................................56Im Untergeschoss.........................................................63Alriks Befreiung............................................................73Auf der Suche................................................................76

Die Folterkammer......................................................76Dunkle Gänge...............................................................83

Sackgasse.....................................................................83Eine Tür......................................................................85Skelette........................................................................90Die Gruft.....................................................................92

Mysterium......................................................................94Die erste Mumie.........................................................95Die zweite Mumie......................................................96

Murgol..........................................................................103Seline............................................................................119

Rückweg....................................................................121Die Waffenkammer..................................................125Wieder in de Folterkammer....................................129Weinkeller.................................................................133

Nachspiel.....................................................................138

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PersonenDer Erzähler / Meister Michael Dahms

Die HeldenFrumol Pellocke Streuner Andreas Bruns

Ingalf Wedmannsson Thorwaler Helmut Hochheimer, Ludwig Hartmann, Rüüüdscher (Rüdiger Ellinghaus)

Randirion ya Calmatin Stutzer Kai Rosenthal, Marc Jürgensen, Ludwig Hartmann, Andreas Wölk

Sephyra Lunor Gauklerin Christian Böttger

Die MeisterpersonenDer Eremit

Alrik & Seline Die Kinder des Müllerehepaars

Murgol Der Magier der Nacht

Anunt Ribesell Schneidergeselle aus Beilunk

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Von Thalusa nach Khunchomuf der Küstenstraße von Thalusa nach Khun-chom sind zwei dem geneigten Leser wohlbe-

kannte Menschen unterwegs: Frumol und Sephyra. In der Küstenbrise und dem milden Sonnenschein gehen sie wohlgemut dahin.

A

Rechts von ihnen befindet sich das blaue Meer. Links von ihnen erstrecken sich Felder und Pinienwälder. Sie sind bereits den zweiten Tag auf dem Weg nach Khunchom. Übernachtet haben sie in einem der Gast-häuser an der Straße.

Wie sind die beiden hierher gekommen, und wie kommt es, dass die beiden ein wenig anders aussehen, als wir sie von Bord der „Königin von Festum“ her kennen?

Sephyra erinnert sich, dass es in der Geschäftigkeit, als ihr Schiff in Thalusa festgemachte, gar nicht auffiel, dass die beiden Abenteurer gar nicht an Oberdeck waren, um dem Manöver beizuwohnen.

Während die Anderen ihre Einkäufe machten, schulterten auch Sephyra und Frumol ihre Rucksäcke und verließen das Schiff. Ihre ersten Schritte waren schwankend, als hätten sie zuviel getrunken. Lachend machten sie sich auf den Weg und erkundeten die Stadt. Interessantes gab es an allen Ecken zu bestaunen, so dass die Beiden kaum zum Einkaufen kamen.

Sie kosteten von den leckeren und fremdländischen Gerichten, tranken Wein und andere Spezialitäten.

Sie blieben nie lange an einem Ort, bogen in diese Gasse, Nebenstraße und ruhten sich kurz auf dem einen oder anderen Platz aus.

Es gab hier so vieles zu sehen: die komische Bauweise der Gebäude mit den weiß getünchten Wänden und den kleinen Fenstern. Sie bestaunten die Kleidung mit den gebundenen Turbanen, oft aus schwarzem Stoff - aber auch in anderen Farben.

Bis spät Abends waren sie unterwegs, müde vom un-gewohnten Herumlaufen, lenkten aber ihre Schritte nicht zurück zum Schiff.

Die Zeit in Thalusa vergeht für Sephyra wie im Fluge: Einkaufen, was und soviel das Herz begehrt. Denn schließlich sind die Finanzen derzeit völlig im grünen Bereich.

Kurz entschlossen ist Sephyra nun wirklich daran in-teressiert, endlich ihre Stiefel zu bekommen, die sie beim letzten Aufenthalt nicht erstehen konnte. Daher schleift sie Frumol quer durch die Stadt, über alle Ba-sare, Märkte und in jede Schuster-Hütte, die sie finden kann. Aber so groß das Angebot auch ist, nichts will ihr so richtig zusagen: zu groß, zu klein, zu weit …

Frumol weiß schon gar nicht mehr, wie lange sie eigentlich schon auf der Suche sind. Und dann, end-lich nach unzähligen Stunden - so scheint es - sind sie gefunden: ein Paar passende, schöne Wildlederstiefel-chen.

Aber Sephyra wäre nicht Sephyra, wenn alles so einfach wäre: hier stimmt der Preis nicht: "Was? Ihr wollt wieviel Silber dafür, guter Mann?" echauffiert sie sich. "Nein, ausgeschlossen!" ganz entschieden will sie die Stiefel, "… aber nicht zu diesem Wucherpreis!" hört man sie immer wieder. Mag der Händler auch noch so über seine zahlreichen Sprösslinge und deren Unterernährung, Gebrechen, Missbildungen sowie weitere Familienangehörige klagen, beide wollen das Geschäft machen.

Nach einer weiteren Stunde hat Sephyra ihn auf an-nähernd die Hälfte herunter gehandelt. 'Damit kann ich leben' sagt sie sich, zieht die neuen Stiefel gleich an und ergreift Frumols Hand. Und so schlendern sie durch die Stadt, und immer wieder geht Sephyras Blick stolz nach unten auf ihre Füße und die neuen Stiefel daran …

Ach was ist Thalusa doch für eine aufregende Stadt! Frumol denkt gerne an die Zeit zurück, die er mit Se-phyra dort verbracht hat. Keine Sorgen, immer ein reich gedeckter Tisch, ein sonniger Tag und durch die Stadt zu spazieren und am Abend ein Würfelspiel bei einem Becher Wein.

Nachdem sie die "Königin von Festum" verlassen hatten, tauchten sie in eine fremde Welt ein, die sie gefangen hielt. Frumol verschwendete keinen Geden-ken mehr an das Schiff. Mit Sephyra an seiner Seite erkundetet er die Stadt. Sie quartierten sich in einem Gasthaus ein und lebten in den Tag.

Neben ihren Einkäufen erkundeten sie auch ein wenig die Stadt. Der Fürstenpalast in strahlendem Weiß mit vergoldeten Gittern vor den Fenstern übte schon eine besonderen Reiz aus. Ein wenig seltsam war der große Platz vor dem Palast. In allen anderen Städten wäre hier ein geschäftiges Treiben, aber in Thalusa hielt sich jeder Einwohner anscheinend nur so kurz wie möglich auf dem Platz auf. Ob das wohl an den grimmigen Wachen mit ihren Doppelkhun-chomern vor dem Palasttor lag?

Auffällig war noch das vergitterte Loch im Platz, wel-ches von allen Tulamiden gemieden wurde.

Frumol leistete sich ein neues, weißes Rüschenhemd und ein zweites, etwas gröberes Leinenhemd. Hinzu kommt eine Weste und ein Paar leichte Stiefel aus feinem Leder, welche ihn das warme Klima einfacher ertragen lassen. Etwas sauberen Stoff vervollständigt

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seinen Besuch beim Tuchhändler, schließlich will er nicht eins seiner neuen Hemden wie auf dem schwarzen Schiff zur Wundversorgung opfern.

Ferner stand ein Besuch beim Barbier und im Bade-haus an, um seine schulterlangen Haar zu stutzen lassen, und sich das Salz der Seereise und den Schmutz des schwarzen Schiffes und den Staub der Untoten abzuwaschen.

Ein Besuch bei einem kleinen Waffenhändler war für ihn ein großer Erfolg: Hier erstand er etliche Wurfdol-che. Auf ein besonderes Angebot ging er ebenfalls ohne zu zögern ein: So wurde ihm ein Schultergurt für die Wurfdolche maßgeschneidert. Da Sephyra und er kein festes Ziel hatten, vielen ein paar Tage für die Fertigung gar nicht weiter ins Gewicht.

Des weiteren konnte er sich einen lang ersehnten Wunsch erfüllen: Ein eigenes Kartenspiel mit handge-zeichneten Bildern.

Nachdem gut zwei Wochen in Thalusa verstrichen waren, richteten sie sich auf die Weiterreise nach Khunchom ein. Sephyra drängt darauf, nach Khun-chom zu reisen, da dies der legendäre Ort der Gauklerspiele ist, die gerüchtehalber bald anfangen werden. Und da Frumol dem nichts entgegensetzten kann - vor allem weil ihn dieses Ereignis selbst auch brennend interessiert ist ihr nächstes Ziel klar ge-steckt.

So erworben sie noch eine notwendige Dinge wie Schlafsäcke, einen Feuerstein, einen Schlauch - prall gefüllt mit köstlichem Wein - und einige andere Le-ckereien. Auf weitere Rationen und Tagesverpfle-gungen verzichteten sie - schließlich soll es an der Küstenstraße ausreichend Gasthäuser und Höfe ge-ben.

Neue GefährtenDie Küstenstraße liegt vor den beiden Wanderern, welche in guter Stimmung einen Fuß vor den anderen setzen. Frumol pfeift leise vor sich hin und schaut mal nach links oder rechts und ist immer wieder vom An-blick des Meeres begeistert.

Selten zuvor fühlte er sich so frei, so ungebunden. Es kann kommen was will - er nimmt es mit Humor. Er weiß noch nicht, wo er heute Nacht schlafen wird, ob in einem Bett, oder im Stall eines Bauernhofes. Es ist ihm auch egal - Sephyra ist bei ihm und gemeinsam streben sie auf Khunchom zu, wo sich die Gaukler treffen werden.

Man - das wir ein Fest!

An einem netten Plätzchen machen die beiden Mit-tagsrast. Die Bäuerin/Gutsherrin/Dienerin - so genau war das bei der zurückhaltenden schönen Frau, die kein Wort sprach, nicht auszumachen - hatte ihnen

noch eine schöne Wegzehrung mitgegeben, inklusive einem Krug leichten Weines.

Sie wollen sich gerade ein wenig im Schatten ent-spannen, da es zu Mittag doch recht warm wird, als sie gewahr werden, dass sie auf der Straße nicht allein sind: Aus Richtung Thalusa kommt ein Reiter. Unge-wöhnlich hier in der Gegend. Und er führt noch ein Packpferd mit sich.

Frumol hat seinen Rucksack abgesetzt und wollte sich gerade ein wenig abseits in das spärliche und trockene Gras fallen lassen.

'Ein Schluck des leckeren Weins ist nach so langem Marsch gar nicht verkehrt.'

Als der die Hufe der Pferde hört. Interessiert wendet er sich der Straße zu und schaut dem Reiter entgegen.

Frumol konnte den Reiter während seiner Annä-herung schon mustern und ordnet ihn vorerst in die Kategorie 'wohlhabend' ein. Da Sephyra und er nach ihrem Aufenthalt in Thalusa auch nicht wie Strauch-diebe aussahen, war ein wenig Höflichkeit angebracht. Vielleicht spielte oder würfelte dieser gute Mann ja gerne …

Er reitet auf einem Apfelschimmel und führt ein be-ladenes Packpferd am Zügel mit sich.

Beim Näherkommen zügelt der Reiter seine Tiere, erhebt sich etwas aus dem Sattel, zieht seinen Hut und spricht Frumol und Sephyra auf sehr höflichem Garethi an.

"Die Zwölfe und Aves zum Gruße, werte Reisende. Verzeiht, versteht Ihr diese Sprache?"

"Die Zwölfe zum Gruß, ehrenwerter Herr!" Mit dieser Floskel ist Frumol auch schon fast am Ende seiner Etikette angelangt.

"Wir verstehen nicht nur Eure Sprache, sondern spre-chen Sie sogar!" antwortet Frumol mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Auch er ist froh, einen Fremden zu treffen, der 'seine' Sprache beherrscht. Zwar konnte er sich in Thalusa mit Sephyras Hilfe einige Brocken des hiesigen Kauderwelschs aneignen - Der Großteil dieser Sprache blieb ihm jedoch verschlossen …

Der Blick der beiden wandert von den ledernen Reit-stiefeln mit breiten Stulpen höher, über eine wildle-derbesetzte schwarze Reithose, und bleibt dann an Gürtel und Waffenscheiden hängen, denn die aus letzteren herausragenden Griffe des Rapiers und der Linkhand scheinen betont passend zueinander gefertigt worden zu sein. Abgelenkt wird der Blick von dem Griff einer Schusswaffe, der aus einem Futteral am Sattel ragt und auf dem leicht die schlanken, in weichen ledernen Reithandschuhen steckenden Finger des Reiters ruhen, um sich dann über sein lang-armiges grünes Wams, welches verschwenderisch mit goldenen Borten und Knöpfen verziert ist, sowie einen

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über die Schulter gebundenen Ärmelrock gleicher Machart und schließlich den breiten Spitzenkragen eines Seidenhemds dem Haupt des Reiters zuzu-wenden. Unter dem schwarzen, säuberlich im Nacken zusammengebundenen Haar blitzen grüne Augen un-ternehmungslustig, und die glatt rasierten Züge formen sich zu einem freundlichen Lächeln.

'Eine imposante Erscheinung' macht sich Frumol einen Gedanken. 'Er scheint etwas Geld zu haben. Ob er die Waffen zur Zierde trägt?'

"Ah, wie angenehm und überaus glücklich dieses Zu-sammentreffen doch ist. Gestattet, dass ich mich vor-stelle: Cavaliere Randirion ya Calmatin."

Mit einer selbst im Sattel formvollendeten Bewegung zieht der Kavaliere noch einmal seinen breitkrem-pigen Hut mit der buschigen Feder, und führt ihn vor die Brust.

Frumol kommt es gar nicht in den Sinn, solche äf-fische Vorstellung auf eine ebensolche Weise zu er-widern. Und was für einen Namen der trägt: 'Kavaljä-re Randirijon ja Kalmatien' Das klingt fast wie die hiesige Sprache.

"Da wir ja scheinbar in dieselbe Richtung ziehen, dürfte ich um die Ehre und die Freundlichkeit bitten, mir den Genuss Eurer Gesellschaft zuteil werden lassen? Meine Zunge, die sich als den unbarmher-zigen Lauten des Tulamidischen nicht gewachsen erwiesen hat, dürstet es nach einer Unterhaltung in einer Sprache der sie mächtig ist. Einer Unterhaltung, die aus mehr als dem unwürdigen Feilschen um Lebensmittel besteht und mehr als das Aufzählen von erfundenen verhungernden Kindern zum Thema hat. Würdet Ihr mir diese Gefälligkeit erweisen?"

Freundlich lächelt er den Reiter an: "Mein Name ist Frumol Pellocke. Und meine liebe Begleiterin heißt Sephyra Lunor. Eure Gesellschaft wird sicher angenehm. Ihr scheint von weit her zu kommen."

Randirion schwingt sich aus dem Sattel, und macht eine weitere Verbeugung.

"Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen, Herr Pellocke. Und die Eurer entzückenden Begleitung rettet mir gar den Tag vollends."

Er nimmt Sephyras freie Hand in die seine und gibt dem Handrücken einen gehauchten Kuss.

Leicht erröten ihre Wangen und sie entzieht die Hand schnell dem Griff von Randirion - mit formvollendeter Eleganz, versteht sich.

'So was!'

"Wir sind hocherfreut." bringt Sephyra heraus.

Sie setzt sich dann neben Frumol und nimmt den Weinbecher entgegen, trinkt aber nur angemessen kleine Schlucke - ob der Hitze erscheint das klug …

Etwas kritisch beäugt Frumol den Fremden. 'Wie der sich aufführt! Und immer das 'Herr Pellocke' - wie das klingt!' Er ist schon versucht, ihm das 'Frumol' anzu-bieten - doch weiß er nicht, ob sich das in den feinen Kreisen gehört. Somit nimmt er vorerst mit dem 'Herr Pellocke' vorlieb.

Weiteres wird sich später ergeben.

Frumol hat aber keine Lust gleich weiter zu mar-schieren - So hat es den Anschein, denn der Reiter macht keine Anstalten von seinem Ross zu steigen.

Seine Füße habe sich eine Pause verdient.

"Wir waren gerade im Begriff eine Rast einzulegen. Ihr müsst wissen, dass es sich in der Mittagshitze schlecht reisen lässt. Gesellt Euch zu uns und trinkt einen Becher Wein mit uns, während wir die prächtige Aussicht auf das Meer genießen."

"Ah, diese Einladung nehme ich gerne an. Ich habe allerdings nur noch ein paar Früchte und etwas Wasser, das ich zu diesem Anlass beisteuern kann, so dass ich mich in Eurer Schuld fühle. Darf ich als kleinen Ausgleich die Dame und den Herrn im nächs-ten Gasthof zum Diner einladen?"

Mit einem Seufzer fügt er hinzu: "Oder zu dem, was man hierzulande darunter versteht …"

'Das kling doch schon besser.' denkt Frumol. "Zu freundlich. Dagegen können wir nichts einwenden." ergänzt er.

"Dann sei dies abgemacht, und mein Gewissen fühlt sich schon besser."

Er bindet die Pferde an, und holt aus einem Beutel an seinem Sattel ein paar Früchte und einen Wasserschlauch.

"Um auf Ihre Frage nach meiner Herkunft zurückzu-kommen, ja, ich bin schon einige Meilen unterwegs, allerdings bis Thalusa mit dem Schiff. Leider hat der Kapitän schon dort, anstatt erst in Khunchom, beschlossen, dass er genügend Ware eingekauft habe, und den Heimweg anzutreten beabsichtigte. So muss-te ich wohl oder übel in Thalusa von Bord gehen.

Ah, Pardon, ich stamme übrigens aus Bethana im Al-ten Reiche.

Einen Pfirsich, meine Dame?

Herr Pellocke, Ihr vielleicht?"

"Gerne." antwortet Frumol und greift zu. Er greift im Gegenzug nach dem Weinschlauch und kramt ihre eigenen Becher hervor.

"Würdet Ihr mir Euren Becher reichen, Herr Kavaljä-re? Dann würde ich Euch einschenken." Frumols Ausdrucksweise ist etwas plump.

Innerlich schmunzelnd geht der Cavalliere zum Pack-pferd und kramt in einer der dort befestigten Reiseta-

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schen, bis er nach einigem Suchen schließlich einen fein verzierten Zinnbecher zum Vorschein bringt.

Diesen reicht er mit einer angedeuteten Verbeugung Frumol, bevor er sich mit Blick auf Meer neben die beiden auf den Boden setzt - möglichst auf eine nur wenig staubige Stelle.

'Warum verbeugt sich der Kerl bloß immer? Hier ist doch nichts weiter.' fragt sich Frumol. 'Oder will er da-mit etwas bestimmtes zum Ausdruck bringen?'

Vorsichtig schenkt er dem Fremden ein und füllt da-nach ihre eigenen, hölzernen Becher. Nachdem er den Weinschlauch wieder verkorkt und in den Schatten gelegt hat, reicht er Sephyra einen der Becher.

"Ein wundervolles Fleckchen Dere, mit einer wirklich herrlichen Aussicht habt Ihr ausgesucht; und in der Tat, der Schatten tut gut …"

"Ja, da habt ihr recht. Nicht so feucht und kalt wie in Havena - Obwohl die Hitze hier ziemlich träge macht." plaudert er drauf los.

"Havena? Stammt Ihr aus dieser Stadt?"

Randirion sieht sich besorgt nach seinen Pferden um - ein bisschen Schatten haben sie ja auch, aber gibt es hier irgendwo Wasser für die Armen?

In Blickweite gibt es keinen Bach oder Teich. Ein Glück, dass auf dem Rücken des Packpferdes zwei Wasserschläuche befestigt sind.

'Die werde ich gleich mal tränken - nicht jetzt, man soll Pferde nicht direkt nach der Anstrengung tränken, aber in einer halben Stunde …'

Randirion kostet - nach einem kurzen Heben des Be-chers in Richtung seiner Gastgeber - sehr vorsichtig den Wein. 'Na, ein Yaquirtaler wird es ja hier wohl nicht sein, mal probieren …'

Der rote Wein ist deutlich schwerer und süßer, als es Randirion gewöhnt ist.

… was zu einem Heben der Augenbrauen führt.

"Mmhmmhmmhmm. Ein sehr - ähm - voll-mundiger Tropfen. Stammt er aus dieser Gegend hier?"

'Thalusaner Rotwein meiden! Merken.'

Randirion wird von jetzt an nur noch sehr kleine Schlückchen nehmen.

"Ich denke schon. Unsere Wirtin gab ihn uns zum Ab-schied mit. Ein leckerer Tropfen nicht wahr?". Bei diesen Worten muss er an Uribert denken, von dem sie sich nun nicht einmal mehr verabschiedet haben.

Etwas missmutig und voller Schuldgefühle starrt er in seinen Becher.

"Und, wo begann der Weg, der Euch hierher führte? Und wisst Ihr schon, wohin er Euch bringen wird?"

"Auch unser Weg führte mit dem Schiff nach Thalusa, wo wir einige Bekannte verließen, die noch eine

wichtige Aufgabe zu erledigen hatten. Wir verlebten eine schöne Zeit in dieser aufregenden Stadt." erzählt er weiter und krempelt seine Ärmel hoch. Dann ergreift er seinen Becher und prostet den beiden zu, bevor er einen Schluck des Weins trinkt.

"Jetzt sind wir auf dem Weg nach Khunchom. Dort soll in Kürze wieder das große Fest der Gaukler statt-finden. Dorthin sollen uns die Füße tragen." ergänzt er.

"Das Fest der Gaukler? Vergebt, was ist dies?"

Randirion wirkt ehrlich interessiert.

'Vielleicht sollte ich mir das auch mal ansehen, das wird bestimmt spannend …'

Jetzt verschluckt sich Frumol fast an seinem Wein. Wie gut, dass er eben das Hemd hochgekrempelt hat, sonst wäre der blutrote Tropfen auf eben dieses gefallen und nicht auf seinen blanken Unterarm. Wie seine Mutter damals immer schimpfte, wenn er sich schmutzig gemacht hatte. Und was er sich anhören musste, wenn er mit zerrissener Hose nach Hause kam!

'Das Fest der Gaukler - was ist daran so schwer zu ver-stehen? Ein Fest, eine Zusammenkunft auf der gefei-ert wird - nicht von irgendwelchen Handwerken, nicht von Kämpfern oder Söldnern, nicht von Ge-lehrten - Nein, von Gauklern.' Frumol ist sich nicht ganz sicher, was er davon halten soll und überlegt, ob er überhaupt weiter darauf eingehen soll …

"Ja, ich komme aus Havena." antwortet er um eine peinliche Pause zu überbrücken. "Was stellt ihr Euch denn unter so einem Fest vor, Herr Kavaljäre?"

Randirion denkt nach.

"Das, Herr Pellocke, hängt doch nun sehr von den Feiernden und den Gegebenheiten ab, oder? Ohne es in allen Fällen aus eigener Erfahrung zu wissen, gehe ich davon aus, das der Kronball in Vinsalt, ein Hexen-fest im Finsterwald, ein Elfenfest, eine Zwergenfeier, ein Stammesfest bei den Mohas oder ein Gelage bei den Thorwalern jeweils sehr unterschiedlich sind."

Randirion nippt vorsichtig an seinem Wein und legt die Beine auf einen Stein, während er sich an einen Baumstamm lehnt.

"Da aber Feiern in aller Regel ein äußerst amüsanter Zeitvertreib ist, bin ich sehr interessiert und willens, mir dieses Fest der Gaukler anzusehen - falls mir dies gestattet ist."

"Daher meine Frage … dürfen nur Gaukler anwesend sein? Wenn dem so wäre, müsste ich schließen, dass auch Ihr zum ehrenhaften fahrenden Volk gezählt werden würdet. Wenn dies aber nicht der Fall ist, und ein Jeder mitfeiern darf, wird es dennoch Regeln ge-ben, ungeschriebene vielleicht, aber nichtsdestotrotz wichtige. Regeln, die eben den Unterschied machen

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zwischen dem Kronball und einem Thorwaler Ge-lage."

Randirion scheint kurz nachzudenken.

"Ein Gauklerfest - nun, ich stelle mir vor, dass es auf jeden Fall Spaß machen dürfte … Bestimmt gibt es Feuerspeier an jeder Ecke, Akrobaten, die überall her-umturnen, Zelte mit Wahrsagern und Kartenlegern …"

"Wart Ihr bei schon einmal bei diesem Gauklerfest, Herr Pellocke? Oder Ihr, Madame Lunor? Würde es Euch etwas ausmachen, mir davon zu erzählen, damit ich mir ein besseres Bild machen kann?"

Randirion lauscht gebannt …

"Ihr habt sicher recht mit Euren Überlegungen, Herr Kavaljäre", da sein Gegenüber ständig eine förmliche Anrede benutzt, tut Frumol es ihm gleich. Er dreht den Pfirsich in seiner Hand, beißt schließlich hinein. 'Zu Hause gab es sowas nur selten. Meine Schwester ekelte sich immer vor dieser pelzigen Haut. Ganz pingelig musste immer alles geschält werden.' erinnert er sich. Süß schmeckt der Pfirsich.

"Lecker." kommentiert Frumol den Geschmack. lang-sam beißt er sich um den Stein herum und wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab.

"Ich schätze, dass das Gauklerfest so etwas wie ein großer Jahrmarkt ist. Wie ihr schon bemerktet, mit Akrobaten, Feuerspuckern und anderen Darstellern. Vielleicht auch Löwenbezwinger und eine Schlangen-frau. Wer weiß das schon." Er macht eine Pause, um noch einmal vom Pfirsich abzubeißen.

"Aber wie kommt ihr zu der Annahme, es dürften nur Gaukler daran teilnehmen? Wem sollen denn dann die Kunststücke vorgeführt werden? Das klingt mir wenig plausibel. Ihr wart doch sicher schon einmal auf einem Jahrmarkt, oder, Herr Kavaljäre? Wen habt ihr denn dort alles gesehen? Ich denke, Ihr mach Euch grundlos Sorgen."

"Vielmals Dank für diese Beruhigung, Herr Pellocke. Fremde Länder - fremde Sitten; daher wollte ich kein Missfallen erregen."

Für einen Augenblick konnte man Unsicherheit hin-ter dem Gehabe des weltgewandten Adligen erkennen, und scheinbar zum ersten Mal fällt Frumol und Se-phyra auf, wie jung Randirion eigentlich ist: er kann allerhöchstens 19 Götterläufe zählen.

Frumol ist sich nicht sicher, ob er erzählen soll, dass Sephyra dieser Zunft angehört. Nie wieder hat sie mit ihm über den Vorfall in der Kajüte gesprochen. Es ist ihm auch egal, was sie für ein Geheimnis hütet. Wenn sie es für richtig hält, wird sie es ihm anvertrauen. Aber er ist ein wenig unsicher, was er erzählen kann. Sicher - seine Lippen sind verschlossen, aber wenn er nun doch was falsches sagt?

Seine Gedanken schweifen ab und beschäftigen sich intensiv mit seiner Freundin. Bei ihrer ersten Begeg-nung erzählte sie von merkwürdigen Dingen und Ko-bolden. Mittlerweile hat er viele Wesen kennengelernt, welche er vorher nur für Märchen hielt … Da steckt mehr dahinter, das weiß er. Doch er drängt nicht auf sie ein, sondern genießt jeden Tag mit ihr an seiner Seite.

Der Pfirsichkern holt seine Gedanken wieder in die Gegenwart. Das ganze Fleisch ist abgenagt. Achtlos wirft er den Stein beiseite.

"Noch einen Schluck Wein?" bietet er den Schlauch zuerst dem Gast, dann Sephyra an. "Vielleicht im Tausch gegen einen Pfirsich", fügt er augenzwinkernd in Richtung des Kavaliere hinzu.

"Habt Dank, doch noch ist mein Becher nicht mal zur Hälfte leer."

Randirion hat etwas Respekt vor diesem schweren Wein - da muss man vorsichtig sein.

"Aber nehmt Euch noch von den Früchten, Herr Pel-locke."

Auf solch eine Aussage hat Frumol nur gewartet und greift ungeniert erneut zu. Da Sephyra bisher auch nur an dem Wein nippte, legt er den Weinschlauch wieder in den Schatten.

Wieder beißt er in einen leckeren Pfirsich und spürt, wie ihn die Haut am Gaumen und auf der Zunge kitzelt.

"Seit ihr schon weit herum gekommen?" fragt er. Er selbst ist offensichtlich kaum älter als sein Gegenüber. "Wo liegt Eure Heimat, Herr Kavaljäre?"

"Ihr stammt aus Havena, nicht wahr? Ich selbst kom-me aus dem schönen Bethana im Alten Reiche."

Vom Alten Reich hat Frumol schon einmal etwas ge-hört. Bethana hingegen ist ihm nicht wirklich ein Be-griff. Haben Seeleute einmal davon gesprochen?

'Warum muss er sich ständig wiederholen? Ich habe doch schon gesagt, dass ich aus Havena komme.' wundert sich Frumol.

Randirion beißt in seinen Pfirsich, erfolgreich vermeidend, auch nur einen Spritzer Saft abzu-kriegen.

"Herum gekommen - hmm, eigentlich bisher nur wenig. Wisst Ihr, ich beginne gerade erst, mir die Welt anzusehen …"

Randirion bekommt einen verträumten Gesichtsaus-druck.

"Fremde Länder zu sehen, mit fernen Völkern zu sprechen und dann denen daheim davon berichten zu können …"

Seine Augen glitzern vor Begeisterung.

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"Und woher stammt Ihr, Frau Lunor?" versucht er, Se-phyra in das Gespräch miteinzubeziehen.

Sephyra erscheint abwesend, sie starrt einfach gerade-aus in die Landschaft. Offensichtlich geht ihr etwas im Kopf herum.

'Ahrg, Männer! Plappern einfach nur so, als hörten sie sich gern reden!'

"Ist Bethana eine Stadt?" fragt er. Frumol ist sich nicht bewusst, dass seine Gegenfrage unhöflich sein könnte, da Sephyra angesprochen wurde.

"Wenn ihr noch weit herum kommen wollt, solltet ihr Euch von Orks fernhalten" murmelt er leise. Vielleicht mehr zu sich selbst als zu dem Fremden.

Mit einem Mal ist sie gedanklich wieder bei den beiden anderen und meint: "Äh, Entschuldigung. Bin gleich wieder da!" Damit steht sie auf, verschwindet im Gebüsch und ist für ein paar Minuten außer Sicht.

Frumol schaut ihr noch kurz hinterher und widmet sich dann wieder dem Pfirsich, den er schon die ganze Zeit über in der Hand hält. Nicht dass der feine Herr noch den Eindruck bekommt, Frumol möge seine Früchte nicht.

Als sie zurückkehrt, setzt sie sich wieder auf ihren Platz, trinkt einen Schluck Wein aus dem Becher, den sie stehen gelassen hatte und fragt: "Herr - ähh - Ka-waljere war der Name, richtig? Also, Herr Kawaljere, wo ist eigentlich Euer Knappe? Durchlauchtigkeiten wie die Eure fahren doch für gewöhnlich nicht ohne, ist es nicht so?"

Dabei kann sie sich ein Grinsen kaum verkneifen und zwinkert Frumol kaum merklich zu, darauf achtend, dass dieser es auch mitbekommt.

Nun kann sich Frumol ein Schmunzeln nicht ver-kneifen. 'Neckisch ist sie. Aber sie hat Recht. Wo ist nur der Knappe?' Glücklicherweise kann er noch ein-mal in die süße Frucht beißen, bevor der Herr Kaval-järe seine Belustigung mitbekommt. Feine Leute füh-len sich schnell angegriffen. So nimmt er noch schnell einen Schluck Wein hinterher.

Die Antwort erwartend lehnt sie sich zurück an einen Baumstamm und trinkt langsam ihren Becher Wein aus.

Randirion lächelt.

"Ein Knappe? Ich bitte Euch, meine Dame, ein Knappe braucht nur derjenige, der in Eisen gerüstet durch die Lande reist und aufgrund seiner Kübelrüs-tung nicht in der Lage ist, allein auf sein Ross zu steigen - ganz zu schweigen davon, sich allein wieder aus seiner Schale befreien zu können. Nein, Domna Sephyra, ich habe einen Knappen genau so wenig nö-tig wie Ihr einen Schönheitszauber - weshalb wir auch beide darauf verzichten können."

Randirion hebt freundlich sein Glas in Sephyras Rich-tung.

Sephyra übergeht die Schmeicheleien des Kawaljere einfach, auch sie lächelt und prostet mit dem mitt-lerweile leeren Becher dem anderen zu.

Frumol hört den Ausführen interessiert zu. Er muss dem Fremden zugestehen, dass dessen Ausführung einleuchtend sind. Aber schließlich musste er, Frumol - welcher in den Gassen der Städte zu Hause war, be-vor er sein Glück in der Ferne suchte - sich bisher nicht mit diesen Dingen beschäftigen.

Allerdings verengen sich seine Augen bei dem letzten Satz. Ein Schatten überzieht kurz sein bisher fröhli-ches Gesicht. 'Domna Sephyra' Frumol kennt zwar nicht die Bedeutung des Wortes 'Domna', aber ihm ist nicht die vertraute Anrede entgangen. Er hat sie zwar mit vollem Namen vorgestellt, aber bisher wurde viel Wert Herr Pellocke und Frau Lunor gelegt - den Sitten der Vornehmen entsprechend.

'Woher kommt der plötzliche Wandel?' überlegt er, wobei ihm auch der letzte Halbsatz missfällt.

'Ich glaube, ich schenke uns nicht noch mehr ein.' Er lächelt Sephyra zu und lehnt sich gemütlich zurück. Wenn sie alleine wären, würde er gerne seinen Kopf in ihren Schoss legen, aber das schickt sich jetzt nicht.

Während die drei so daher plaudern und versuchen, sich gegenseitig "auszuhorchen", kommt, zunächst unbemerkt von den dreien, eine große Gestalt die Straße herauf. Ein Hüne nicht gerade, aber groß genug, um Eindruck zu schinden. Vor allem in Kom-bination mit seinen, für einen jungen Burschen wie ihn durchaus beachtlichen, Muskeln. Die blonden Haare hängen in 2 Zöpfen mit eingeflochtenen roten Bändern über die Schultern, der Bart, noch recht flau-mig, ist gegabelt. Die Arme werden an den Oberar-men und den Handgelenken von Metallreifen geziert, die Fellweste gibt den Blick auf die noch spärlich be-haarte Brust frei. Der rechte Arm ist von Schulter bis Handgelenk mit komplizierten Knotenmustern in Blau und Schwarz verziert, den linken Oberarm ziert eine weitere Tätowierung, die noch nicht zu erkennen ist.

Im breiten Gürtel steckt gut sichtbar eine kleine Axt, eine große Streitaxt liegt locker über der rechten Schulter, über der linken liegt der Gurt eines großen Seesacks.

Als der Wanderer die drei entdeckt, bleibt er einen kleinen Moment stehen und runzelt die Stirn, dann hellt sich seine Miene beim Anblick der beiden Pferde auf und er tritt auf die drei zu.

"Na, wenn dat nich der feine Herr mit seine 2 Hotties is'", dröhnt er schon aus einigen Metern Entfernung.

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Randirion stutzt. Sollte er diesen - "Herrn" - kennen? Sicherheitshalber zieht er den Hut und nickt grüßend in die Richtung des Neuankömmlings.

"Ebenfalls die Zwölfe zum Gruße."

'Kenne ich ihn vielleicht vom Schiff? Ich bin mir si-cher, dass wir einander nicht vorgestellt wurden. DAS hätte ich bestimmt nicht vergessen …'

"Swafnir zum Gruße, ihr 3, und die 12 gleich mit. das ist ein Zufall, dass ich den da wiedersehe, das wohl! Kennt ihr euch schon länger? Wo wollt ihr denn hin? Habt ihr noch was zu trinken?" sprudelt es hervor, während der große Mensch seine Trinkflasche vom Gürtel löst und Anstalten macht, sich dazuzugesellen.

'Noch so ein Plappermaul!' stöhnt Sephyra innerlich, lässt sich aber nichts anmerken und schaut lediglich mäßig interessiert auf. Gerade lange genug, um die Gestalt zu mustern, die sich da nähert und Anstalten macht, Platz zu nehmen. 'Aber soll der Kawaljere doch sprechen, der redet sowieso am liebsten …'

Freundlich lächelnd neigt sie den Kopf leicht zu Gruße, sagt aber nichts.

Frumol mustert den Fremden interessiert. Bisher hatten sie auf der Küstenstraße kaum einen weiteren Reisenden getroffen, und nun sind es in kürzester Zeit gleich Zwei! 'Ob hier wohl ein Gasthaus in un-mittelbarer Nähe ist?' drängt sich der Gedanke auf.

Er beißt noch ein letztes Mal in seinen Pfirsich, um nicht antworten zu müssen. Soll der feine Herr Kaval-järe dies doch tun. Das lenkt ihn auf jeden Fall von Sephyra ab …

"Bei Rahjas Zitzen, so guckt 'nen feiner Mann sich also die Leutchens an, die um ihn 'rum schuften."

Ob der Frechheit ist Kavaliere Randirion ya Calmatin erst einmal völlig sprachlos.

Aber nur kurz, dann beschließt er, diesen Blasphemie zu ignorieren.

Er verbeugt sich übertrieben höflich und zieht dabei einen imaginären Hut. "Ingalf Wedmansson, See-mann, Bootsführer, Faust- und Axtkämpfer, Saufkum-pan und Bilderstecher in einem. - Mann, hab ich nen Brand." Er nimmt einen Zug aus seiner Feldflasche, verzieht angewidert das Gesicht "Wuah, warmes Wasser, zum Abgewöhnen!", befestigt sie wieder am Gürtel, legt seinen Seesack zu Boden und entnimmt ihm einen Weinschlauch. "Mal sehen, was die hier so können." Er schüttet sich einen guten Schluck in den Mund, prüft kurz, nimmt einen zweiten und urteilt: "Trinkbar!" und bietet den Schlauch den anderen an.

'Die scheinen sich zu kennen' stellt Frumol fest. Ihm soll es recht sein, so kann er sich ein wenig zurückhal-ten. Das Gespräch mit vornehmen Personen ist ganz schön anstrengend.

Den angebotenen Weinschlauch lehnt er mit einem leichten Kopfschütteln ab, schließlich ist sein Becher noch nicht leer. Diesen hebt er nun zum Mund und trinkt einen Schluck - abwartend, wie sich das Gespräch der beiden entwickelt. Deswegen verzichtet er auch auf eine Vorstellung. Die kann ja der feine Herr Kavaljäre übernehmen …

'Warum sollte sich jemand Vornehmes wie der Kaval-järe mit einem Seemann wie Ingalf abgeben? Oder ist der Herr Kavaljäre gar nicht so vornehmen?' überlegt er weiter.

An Frumol: "Hast du noch etwas Wasser für mich, Liebster? Mich dürstet." ahmt sie die Sprache des anderen nach. 'Lächerlich, einfach lächerlich', denkt sie dabei.

Ihre Betonung auf Frumols Ansprache sollte den beiden "Neuzugängen" nicht entgangen sein. 'Na, das müsste doch deutlich genug gewesen sein, sollte der Kawaljere wirklich die Bildung haben, die er vorgibt!' denkt sie sich.

Frumol war ganz auf den Neuankömmling fixiert und wird nun von Sephyras Worten in das Hier und Jetzt zurückgerufen. Gerade noch kann er eine her-abfallende Kinnlade verhindern - so hat ihn Sephyra bisher noch nie angesprochen.

Nach einem kurzen Zögern - er muss diese Sache erst verdauen - antwortet er: "Aber sicher doch, Liebste!" Rasch stellt er seinen Becher ab und greift nach dem Weinschlauch im Schatten. Mit einer angedeuteten Verbeugung gießt er ihr langsam den Wein ein.

Noch bevor Frumol zu Gießen anfängt: "Äh, Frumol, bitte Wasser, der Wein ist mir bei dem Wetter etwas zu schwer." antwortet Sephyra.

"Sehr wohl, Gnädigste" antwortet dieser mit ernstem Gesicht und verschließt den Weinschlauch wieder. Dann schaut er sich suchend nach dem Wasserschlauch um. Er findet ihn unter einem Ruck-sack begraben.

Vorsichtig zieht er ihn hervor und schenkt Sephyra ein. "Wohl bekommt's" wünscht er.

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen wendet er sich an die beiden anderen Herren: "Ihr noch einen Schluck Wein, Herr Kavaljäre? Oder Ihr Herr See-mann?"

"Och nö, Wasser trinken wemman Wein hat, was ne Verschwendung! Nachher geht'r noch umm." Ingalf nimmt noch einen Schluck aus seinem Weinschlauch. "Un', ihr Turteltäubchen, wat macht ihr hier? Der feine Herr will bestimmt die Familiengüter besichtigen, wa?" meint er mit einem schmunzelnden Zuprosten zum Kavaljäre.

"Au contraire - ich reise der Bildung wegen in die Fremde. Und Ihr, Herr Wedmansson?"

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Randirion übernimmt die Vorstellung, nachdem er ja neuerdings Herrn Wedmansson kennt …

"Darf ich übrigens vorstellen? Herr Ingalf Wed-mansson, der scheinbar auf demselben Schiff wie ich gereist ist. Frau Sephyra Lunor und Herr Frumol Pel-locke, die die Freundlichkeit hatten, Ihren Wein mit mir zu teilen."

Langsam klingen Frumol die Ohren von den hochge-stochenen Ausrücken und den fremdartigen Worten. Er verliert ebenfalls die Lust an diesem Spiel, und würde jetzt gerne einfach weiterziehen, doch Sephyra hat noch einen vollen Becher Quellwasser, so dass er sich in Geduld fasst.

Der Seemann hingegen scheint viel umgänglicher zu sein als der feine Herr.

Woher die beiden sich nur kennen? Könnte der See-mann so etwas wie ein Diener sein? Nein, dann würde der fein Herr anders mit ihm sprechen. Vielleicht ein Verwandter eines Dieners?

"Wir sind auf dem Weg nach Khunchom" antwortet Frumol, der die Frage von Ingalf - solche Anrede ist Frumol viel sympathischer - nicht überhören möchte. "Zum dortigen Gauklerfest", fügt er erklärend hinzu.

"Hmm, Gauklerfest," Ingalf nimmt noch einen tiefen Zug, "Gauklerfest klingt gut. Wenn jemand außer uns Thorwalern Feste zu feiern weiß, dann werden es wohl die Gaukler sein. Das klingt wie eine Zeit und ein Ort, an dem ich sein will." Er hebt seinen Wein-schlauch zum Toast. "Abgemacht, wir gehen nach Khunchom zum Gauklerfest!"

'Ein Thorwaler - ich habe es befürchtet', Frumol muss seufzen. Ihm fallen all die Dinge ein, die er über diesen Menschenschlag gehört - aber auch gesehen hat. Sie sollen unerschrockene Seefahrer sein in ihren merkwürdigen Schiffen - Langboote nennen sie sie wohl. An Land jedoch kennen sie kaum etwas anderes als Saufen und Prügeln. In den Hafenschänken Ha-venas waren sie unbeliebte Gäste, denn der Wirt durf-te nach solch einem Saufgelage meistens die Schänke schließen und den nächsten Tischler aufsuchen, um ihn mit neuem Inventar zu beauftragen.

"Ja, tun wir das." antwortet Sephyra. Sie trinkt ihren Becher mit dem Wasser aus und verstaut ihn danach im Rucksack. Dann macht sie sich reisefertig. "Warten wir noch die Mittagshitze ab und brechen später auf oder machen wir uns gleich auf den Weg?" fragt sie in die Runde.

Als Sephyra nach der Sonne schaut, bemerkt sie, dass die Gruppe doch länger Rast gemacht hat als geplant. Außerdem stellen alle fest, dass ein leichter Wind auf-kommt, so dass es nicht zu warm zum Weiterwandern sein sollte.

Frumol ist überrascht, wie schnell die Zeit vergangen ist. Die Luft ist angenehm, nicht zu warm zum Wei-terwandern.

Randirion tränkt noch schnell die Pferde mit dem Wasser vom Packsattel.

"Würde es Euer Vorwärtskommen nicht erleichtern, wenn Ihr Eure Rucksäcke auf dem Braunen dort befestigen würdet?" bietet Randirion an.

Gerne nimmt Frumol dies Angebot an und lässt sei-nen Rucksack aufladen.

Wenn die Gefährten einwilligen, wird ihr Gepäck auf dem Packpferd verstaut, dieses aber nicht überladen. Randirion wird im weiteren zu Fuß gehen, und das Reitpferd am Zügel führen.

"Herr Pellocke, würdet Ihr wohl den Braunen am Zügel nehmen? Ein Pferd an jeder Hand ist doch dem Gespräche hinderlich …"

"Äh, ja, gern." antwortet Frumol, obwohl er kaum Erfahrung mit Pferden hat.

Damals, vor über einem Jahr, hatte er ein Packpferd über den Pass zu führen. Das war in dem Treck, der Rast an diesem merkwürdigen Rasthaus machte. Der Name hat sich auf ewig in seinem Kopf eingebrannt: "Wirtshaus zum schwarzen Keiler". Obwohl dies der Beginn für den gemeinsamen Weg mit Sephyra war, denkt er nur ungern an die Kellergewölbe und darin verborgenen Gefahren zurück … Ob das Haus noch existiert? Ob es dort noch Silber gibt?

Seine Gedanken kehren zu dem Pferd zurück. Lang-sam nähert er sich ihm von vorn und streicht ihm vor-sichtig über die Nase. 'Wir groß Pferde doch sind' be-merkt er wieder. "Sei artig, dann bekommst Du heute Abend leckeren Hafer" verspricht er dem Pferd. Hof-fentlich erfüllt sich sein Wunsch.

Das Pferd ist offensichtlich friedlich. Es lässt sich gern streicheln und schnaubt dabei freundlich.

"Oh Mann, dem Gespräche, was ne Sprache du hast! Aber gut is die Idee trotzdem." Er nimmt seinen See-sack, geht damit zum Packpferd und zurrt ihn fach-männisch auf dem Packsattel fest. Dann schultert er seine Axt und guckt die anderen erwartungsvoll an. In einer Hand den Weinschlauch, in der anderen die Axt marschiert Ingalf die Straße entlang, und, wenn die anderen ihn lassen, erzählt er davon, wie toll er täto-wieren kann, wie bald er sein eigenes Langboot haben wird, was für ein mutiger und geschickter Krieger er ist und wie überhaupt alle Mädchen seiner Otta ihm schöne Augen gemacht haben; mit anderen Worten, er gibt an wie 10 nackte Mohas.

Frumol geht still neben dem Pferd her - es ist nicht ganz klar, wer hier wen führt. Er lauscht den Gesprä-chen und Angebereien der anderen, hängt dabei sei-nen eigenen Gedanken nach.

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Was ist dies doch bloß für ein zusammengewürfelter Haufen? Das ist der vermeintlich adelige Bursche, der sich selbst so gern geschwollen reden hört. Frumol könnte versuchen, ihn heute Abend beim Würfelspiel etwas zu erleichtern, der Bursche scheint genug Geld zu haben. Ansonsten sicher seine Eltern - darauf deu-tet doch auch schon sein Name hin: Kavaljäre. Und die beiden Pferde.

Dann dieser Seefahrer. Er trinkt schon die ganze Zeit über aus dem Weinschlauch. Nun gut, die Sonne brennt nicht gerade erbarmungslos auf die Reisenden herab, aber trotzdem. Er erinnert Frumol ein wenig an Uribert: Groß und ungestüm, lustig und erzählt viel.

Er hat sicher schon viel von Dere gesehen. Mit ihm wird der Weg sicher spaßig werden, auch wenn Frumol sich vornimmt, nicht die Hälfte von dem zu glauben, was er sagt.

Und dann ist da noch die hübsche Gauklerin mit ih-rem dunklen Geheimnis.

Und der Streuner. Wie haben die beiden es nur wieder geschafft, das gemeinsame Ziel vorzugeben? Die beiden fremden Reisenden haben, ohne zu zögern, das Gauklerfest angenommen, obwohl sie weder gefragt wurden und sicher auch eigene Ziele hatten!

Immer wieder wirft er einen Blick zu Sephyra und lä-chelt ihr zu.

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Zu Hilfe!ie nächsten paar Tage vergehen wie im Fluge. Trotz ihrer deutlich ausgeprägten Unterschied-

lichkeit kommen die Reisegefährten besser mitein-ander aus, als der eine oder andere von ihnen insge-heim erwartet hat.

D

Randirion wird - nachdem der erste Kulturschock abgeklungen ist - auch Ingalf sehr interessiert nach seinem woher und wohin und vor allem nach seinen bisherigen Abenteuern ausfragen (Was sich scheinbar als nicht allzu schwierig erweist …).

Ansonsten wird deutlich, dass Randirion zwar einen anderen Stil, aber keine Berührungsängste hat. Er wird genauso zu Fuß gehen wie die anderen auch, da-mit man sich besser unterhalten kann. Er wird spitze Bemerkungen und mildere Blasphemien einfach igno-rieren und darüber hinweggehen. Und er ist weder hochnäsig noch arrogant, selbst wenn es häufig sehr danach klingt …

Wenn man ihn fragt, wird auch er erzählen, seine Ge-schichten sind allerdings meist im Lieblichen Feld angesiedelt und handeln von kleineren amourösen Abenteuern …

"… doch stellt Euch meine Überraschung vor, als ich statt der Erwarteten eine mir völlig fremde Dame im Schlafzimmer vorfand!"

"Und was habt Ihr dann gemacht?"

"Nun, ich habe mich der anwesenden Dame höflich vorgestellt …"

Außerdem wird schnell deutlich, dass Randirion kein Wort Tulamidisch versteht …

Zwischendrin führt der Weg auch immer mal wieder durch Wald, der ganz angenehme Kühle spendet.

Übernachtungsmöglichkeiten gibt es immer wieder, sei es ein Gasthaus, ein Gutshaus oder auch eine der vielen Windmühlen, die man hier an der Küste immer wieder findet. In Bandur, an der Mündung des Onga-lo in das Perlenmeer gelegen, gibt es sogar einen kleinen Markt, wo die Helden noch das eine oder andere erstehen können. Insbesondere den Wein der Region gibt es in den verschiedensten Variationen.

Frumol mustert die Umgebung interessiert, unter-scheiden sich doch die Bäume und Pflanzen von den-jenigen, die er aus Havena kennt. Er schlägt den neu-en Gefährten am Abend ein gemütliches Würfelspiel vor. Er trinkt dabei ein wenig Wein.

Er genießt die Tage und Abende - obwohl, wenn er ehrlich wäre, viel lieber mit Sephyra allein unterwegs wäre. Ingalf kann reichlich nerven mit seinen über-triebenen Geschichten, und der Herr Kavaljäre ist so furchtbar glitschig - alle Spitzen oder Anspielungen

scheint er gar nicht zu hören. Er wäre bestimmt eine guter Gesprächspartner für Banjew.

Ingalf probiert alles, was Land und Geldbeutel hergeben, ohne sich jedoch wirklich zu betrinken.

'Ja ja, die Thorwaler. Wie sagte doch mal einer: 'Man ist solange nicht betrunken, wie man auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten!' - ich glaube, das trifft auf alle zu …' innerlich stöhnt sie bei dem Ge-danken an die Zukunft in Begleitung dieses, dieses - äh - wandelnden Alkoholmissbrauchs …

Eine Stunde hinter Bandur wird deutlich, dass dies-mal ein großer Wald vor den Reisenden liegt. Er er-streckt sich von der Küste bis weit ins Land hinein. Und hinter ihm sind Berge zu erkennen.

Auf einer Anhöhe links des Weges erhebt sich, noch deutlich vor dem Wald, eine kleine Anhöhe, und dar-auf steht eine Windmühle. Vor der Mühle sprechen eine Frau und ein Mann aufgeregt miteinander. Die Frau weist immer wieder in den Wald. Als sie der Reisenden gewahr wird, stürmt sie mit klagenden Rufen den Hügel hinunter, wirft sich vor ihnen in den Staub und überschüttet sie mit immer wieder von Schluchzern unterbrochen Worten.

Sephyra vermag aus dem tulamidischen Wortschwall nur Wort wie "Kinder … verschwunden … Wald … herzallerliebsten … zu Hilfe" herauszuhören.

Erstaunt betrachtet Frumol das Geschehen, die wenigen Worte Tulamidia, die er beherrscht, wählt die aufgebrachte Frau leider nicht. Warum nur wirft sie sich in den Dreck? Dass sie Hilfe braucht scheint deutlich, aber Hilfe welcher Art? Sein Blick wandert zu Sephyra: "Verstehst Du, was sie sagt?"

Er geht neben der schluchzenden Frau in die Hocke. "Steht auf, gute Frau! Geht es Dir nicht gut?" bemüht er sich, sie zu beruhigen.

Ingalf blickt wie ein lebendes Fragezeichen von der Frau zu Sephyra, dann zu den beiden anderen Männern.

Während sie der Frau auf die Beine hilft, erklärt sie den Gefährten über die Schulter: "Sie ist sehr aufge-bracht, aber ich verstehe nicht alles. Es geht irgendwie um im Wald verschwundene Kinder. Ich werde sie erst mal beruhigen, damit wir mehr Informationen be-kommen können und ihr vielleicht helfen können."

Dann wendet sie sich wieder der Frau zu.

"Äh, sagt bitte, verehrte Madame Lunor, was will uns diese Frau erzählen? Ist sie krank? Braucht sie Hilfe?"

Randirion ist mal wieder am Ende seiner tulami-dischen Sprachkenntnisse angelangt.

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Sephyra geht in die Hocke und hilft der Frau beim Aufstehen und auf Tulamidia fragt sie (so gut sie eben kann): "Beruhige dich! Ich verstehe besser, wenn du langsam sprichst …" Dann wartet sie auf eine Reakti-on der Frau, hält sie noch immer am Ellbogen gefasst, um ihre eigene Ruhe zu übertragen.

Der Schwall der Worte steigt eher an, sie wirft die Arme in die Höhe, und Sephyra versteht immer weniger.

Mittlerweile ist aber auch der Mann den Hügel her-untergekommen. Vom Aussehen her ein Mittelländer. Er trägt weiße Kleidung, wohl damit der Mehlstaub, der überall an ihm haftet, nicht zu sehr auffällt.

Verlegen dreht er eine Mütze in seinen Händen und spricht: "Verehrte Dame, geehrt Herren, bitte verzeiht meiner guten Ehefrau ihren Auftritt. Wisst ihr, unsere Tochter Seline - Stern unserer Tage - und mein Sohn Alrik - Stolz der Eltern - sind gestern Abend vom Beerensammeln im Wald nicht zurückgekehrt. Und nun befürchtet meine Mirhiban - Travia möge sie segnen-, dass ihnen im Walde etwas zugestoßen ist, denn sie sind noch nie über Nacht weggeblieben."

"Sei er sich unsrer Hilfe gewiss, guter Mann!"

Frumol blickt auf. Er glaubt seinen Ohren nicht zu trauen!

Was sind denn das für Umgangsformen? Einfach über die Köpfe von Mitreisenden - mehr sind sie ja nicht - eine Entscheidung zu fällen! Das können wohl nur Magier oder der Adel! Wie gut das Frumol nur ein einfacher Mann ist …

Ein Blick auf die Gefährten überzeugt Randirion (hoffentlich), dass diese ebenso gewillt sind, dem Mül-ler zu helfen.

Erstaunen sieht Randirion in Frumols Gesicht. Und Missbilligung.

Klar, die Frau und der Müller brauchen Hilfe. Die Kinder vielleicht auch. Wo findet man eigentlich Pilze?

"Ähm, …" beginnt Frumol, bricht aber ab.

Er geht einen Schritt auf diesen zu und fasst vorne an die Hutkrempe in einem angedeuteten Hut ziehen.

"Cavalliere Randirion ya Calmatin. Bitte gebe er uns alle Hinweise, die wir brauchen könnten, seine Kinderlein wieder zu finden."

Randirion lächelt.

"Und sage er auch seiner Frau, dass sie sich nicht sorgen solle. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun."

Noch ein Blick auf die Gefährten.

"Nicht wahr?"

Der Edle hat vor den Göttern die Pflicht, die Schwa-chen zu beschützen und ihnen zu helfen wider alle

Fährnisse! Mal sehen, ob meine neuen Gefährten dies ebenso sehen.'

"Ähm, …" noch einmal setzt Frumol zu einer Er-widerung an, doch bricht erneut ab. 'Wie kommt der Kerl bloß zu solchen Annahmen?'

Der Müller übersetzt seiner Frau Randirions Angebot ins Tulamidische - soviel kann Sephyra verstehen. Darauf wird die Frau plötzlich ganz ruhig.

Tränen rinnen ihr Gesicht hinab. Sie fällt vor Randiri-on auf die Knie, küsst ihm die Hand.

Randirion ist gerührt. "Bitte, Frau Müllerin, erhebe sie sich …"

Dann geht sie zu Frumol, und bevor der sich's ver-sieht, hat sie auch seine Hand ergriffen und geküsst. Dankbare Augen schauen in die seinen, und sie sagt etwas, was er nicht versteht. So etwas hat er noch nie erlebt: Echte Dankbarkeit, und er hat noch nichts ge-tan.

Frumol ist ein wenig unwohl zumute. Nicht, weil er nicht helfen wollte. Im Gegenteil, er wollte gern hel-fen. Doch nun ist ihm seine Kleinkariertheit, mit der er die einzig richtige Entscheidung des Kavaljäre kri-tisiert hat, unangenehm.

Auch Ingalf lässt die Prozedur über sich ergehen. Zum Schluss kommt die Frau des Müllers wieder zu Sephy-ra, schaut sie erst dankbar an und küsst sie dann auf beide Wangen. Dann sagt sie langsam auf tulami-disch: "Rastullah wird Deine Wege behüten, Schwester, und die Deiner Kinder. Gepriesen sind die Helfer der Familie! Wer aus freien Stücken hilft, dem wird das Paradies zuteil werden."

Randirion versteht mal wieder nichts, lächelt aber und wendet sich wieder an den Müller.

"Nun, es gilt, keine Zeit zu verlieren. Kann er mir sagen, wo die Kinder zuletzt gesehen wurden oder wo sie normalerweise in den Wald gehen? Und was ist so schlimm an dem Wald, dass er nicht selber nach sei-nen Kindern sieht? Oder hat er dies schon getan, je-doch ohne Erfolg? Und bitte, kann er seine Kinder beschreiben? Insbesondere ihre Kleidung?"

Während dieses Fragenschwalls greift Randirion nach der merkwürdigen Schusswaffe an seinem Sattel und lädt sie mit geübten Bewegungen. 'Was kann Kindern in einem hiesigen Wald denn zustoßen?'

"Ah, noch etwas, gibt es wilde Tiere in diesem Wald, oder unlauteres Gesindel von dem er weiß?"

'… wir sind ja hier schließlich nicht in zivilisierten Gegenden.'

"Was soll ich sagen edler Herr", entgegnet der Müller und kratzt sich am Kopf, "die Kinder suchen norma-lerweise am Waldrand nach Beeren, aber in letzter Zeit sind sie etwas mutiger geworden. - Nun ja, Seline, Perle des Meeres, ist mit ihren fünfzehn Göt-

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terläufen ein rechter Wildfang geworden", er lächelt verklärt, "und stiftet den Buben, 12 Götterläufe hat er bislang erleben dürfen, immer wieder zu Streichen an. Aber die Götter haben ein Auge auf die beiden."

Plötzlich redet er seine Frau kurz, fast barsch an. Se-phyra versteht nur "Wein, Dame, Herren, Wasser, Pferde". Die Frau des Müllers läuft sofort zur Mühle.

Sephyra blickt ihr nach. 'Also, da soll uns wohl die be-rühmte Gastfreundschaft entgegengebracht werden …'

Dann fährt der Müller fort: "Vor einem Zehntag war der Köhler mit seinem Sohn hier; sie hatten in Bandur ihre Holzkohle verkauft. Und der hat die Kinder wohl in einem launigen Moment zu einem Besuch einge-laden. Eineinhalb Stunden Wegs Richtung Khun-chom und dann den Pfad in den Wald hinein - von der Küste weg - liegt ihr Meiler von hier. Wir haben den beiden immer verboten, allein so weit in den Wald zu gehen, aber irgendwann musste es so kommen. Deswegen waren wir gestern zur Nachtstunde auch nicht besonders besorgt, als die beiden nicht wieder da waren. Aber jetzt haben wir fast Mittagsstunde, und sie sind immer noch nicht zurück!"

Er verschnauft ob der langen Rede. "Ich selbst habe zu mahlen. Die Zeiten sind nicht so gut." er weist auf die Mühle, und als die Reisenden genauer hinschauen, se-hen sie, dass doch eine Reihe von Reparaturen nötig wäre. "Und seit ich meine rechte Hand an das Mahl-werk verloren habe, sind sie nicht besser." Erstreckt einen Stumpf mit Hakenwerkzeug vor, den er bis jetzt unauffällig verborgen hatte. "Was nützt es uns, wenn die Bauern ihr Korn zur nächsten Mühle bringen und wir alle des Hungers sterben müssen? Das war üb-rigens der Streit, den wir hatten, als Ihr, von Praios ge-sandt, kamt."

Den Rest der Fragen scheint er vergessen zu haben.

Randirion steckt die Balestrina in seinen Gürtel, lo-ckert Rapier und Linkhand, und wendet sich zu sei-nen Gefährten um.

"Nun denn, meine Gefährten, wer von Euch ist willens, sich für eine gute Sache im Geiste Travias zu engagieren? Wer kann in die Augen dieser Leute se-hen und 'Nein, danke.' sagen? Wer von Euch wird mich begleiten, um diesen armen Menschen ihre Kinder zurückzubringen?"

'Muss das immer so geschwollen sein? Kann er nicht einfach sagen, was er will?' verflucht Frumol still den Moment, an dem sie den Kavaljäre trafen.

Während er zum Tisch mit den angerichteten Speisen geht, blickt er sich zum Waldrand um. 'Wo würde ich hier als Kind spielen?', fragt er sich dabei. Er muss sich allerdings eingestehen, dass ihm der Wald immer noch fremd ist. Seine Kindheitstage verbrachte er in

den Straßen und am Hafen: Dort kennt er sich aus - nicht im Wald.

Ingalf, durchaus gerührt durch die überschwängliche Dankbarkeit der Müllersfrau, hat den Dialog der beiden aufmerksam verfolgt." Mensch Kavaljäre, nu mach ma nich so'n Aufstand mit dem neumodischen Kriegsspielzeug, wir sollen Kinderchens finden, keine Seeschlangen bekämpfen." Er lächelt den Müller kurz entschuldigend an. "Nu sach an, wo sin se denn meis-tens innen Wald rein, die beiden Früchtchen?"

Der Müller zuckt die Achseln: "Mal hier, mal da, mein Herr, in letzter Zeit sind sie meistens zuerst ein biss-chen den Weg hinein gelaufen."

Dann erinnert er sich an eine von Randirions Fragen: "Seline hat sich fast zu einem Abbild meiner geliebten Frau entwickelt, und Alrik hat meine Haarfarbe geerbt - und meine Nase." Er fasst sich an seine schmale Na-se. "Und ihre Kleidung hat Mirhiban auch ge-schneidert. Nicht so nordländisch wie eure, sondern südländisch wie unsere." Er zeigt auf seine Pumphosen. "Die sind bei Wärme auch luftiger."

Nachdem eine kurze Pause im allgemeinen Gespräch über die Kinder, ihren Weg in und durch den Wald, den Köhler etc. eintritt, erklärt Sephyra den anderen: "Wir stehen hier noch immer mitten auf der Straße, der gute Herr Müller hat seine Frau nach einer Erfri-schung geschickt. Ich würde vorschlagen, wir bespre-chen das alles in Ruhe, am Besten im Schatten der Mühlenflügel. Denn mir ist heiß, wir stehen hier in der prallen Sonne und ein Schluck Wasser täte jetzt gut."

Randirion verbeugt sich leicht in Richtung auf Sephy-ra.

"Ein weises Wort, gemessen ausgesprochen, Madame Lunor."

Randirion führt ebenfalls sein Pferd Richtung Mühle.

"Ja, kommt mit!" Der Müller ist erfreut.

Auch Ingalf trottet mit.

Während des Hochgehens ergänzt er noch: "Von besonderen wilden Tieren haben mir die Köhler eigentlich nie erzählt, und von Räuberpack auch nicht. Deswegen sind wir ja so überrascht. Vielleicht weiß Abmal aber mehr."

Ingalf schaut etwas verdutzt. "Wer is nu schon wieder Abmal?"

"Entschuldigt, der Herr! Abmal ist der Köhler." Der Müller macht eine entschuldigende Verbeugung.

Als die Gruppe oben angekommen ist, ist die Müllers-frau schon dabei, ein einfaches Mahl zu richten: Brot, Käse, Wasser, Wein. Besonders wohlhabend scheint der Müller nicht zu sein - aber auch nicht arm.

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Beim Anblick des Essens, und insbesondere des Weins, läuft ein zufriedenes Grinsen über Ingalfs Gesicht. Er schaut sich nach einer Sitzgelegenheit um.

An den beiden Längsseiten des einfachen Holztisches, auf dem die Müllersfrau das Mahl richtet, stehen zwei Bänke, auf denen die vier gut Platz haben.

Sephyra folgt den anderen und sieht sich noch einmal in beiden Richtungen der Straße um, aber es scheint nichts zu sehen zu sein …

Bei der Mühle angekommen setzt sie sich auf eine der Bänke an die Außenkante und klopft mit der Hand auffordernd auf den freien Platz neben ihr: "Hier, Frumol."

"Das sollte für uns ein wohlschmeckendes Mahl werden und eine willkommene Erfrischung." sagt sie dann zu den anderen, nachdem sich Frumol gesetzt hat.

Nachdem Sephyra und Frumol schon Platz genom-men haben ('Unter Missachtung jeglicher Etikette, tss tss tss!'), wird auch Randirion sich hinsetzen, nach-dem er dem Müller und seiner Frau gedankt hat.

Während des Essens (doch niemals mit vollem Mund!) wird er noch Antworten auf weitere Fragen vom Müller erbitten: "Seit wann genau sind die Kinder verschwunden? Gestern Abend vor oder nach Sonnenuntergang?"

Der Müller übersetzt die Fragen ins Tulamidische, wartet auf die Antworten seiner Frau und übersetzt dann zurück ins Garethi: "Gestern im Laufe des Nachmittags sind sie Beeren sammeln gegangen, und seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen."

"Ist der Wald licht genug, dass man die Pferde mit hinein nehmen könnte?" - 'Vielleicht sind die beiden ja unter einem umgestürzten Baum verklemmt, und man könnte die Kraft der Rösser brauchen …'

"Im allgemeinen ist der Wald doch ziemlich dicht, es gibt aber ein paar Wildwechsel und Jägerpfade."

"Wir sind Fremde hier, verzeiht unsere Unwissenheit: wie groß ist der Wald und gibt es - außer dem Köhler - andere Menschen oder Siedlungen darinnen?"

"Der Weg erstreckt sich einige Stunden 'gen Khun-chom durch den Wald. Zum Gebirge hin sind wir noch nie gegangen. Man erzählt sich Geschichten, dass am Fuße der Berge früher eine Burg gestanden hat. Vielleicht gibt es da noch alte Wege", sinniert der Müller.

Das Mahl verläuft in einer ruhigen Atmosphäre. Zwi-schendrin versorgt die Müllersfrau auch die Pferde.

"Habt vielen Dank." richtet Randirion durch den Mül-ler aus. "Wir werden uns jetzt besser auf den Weg ma-chen."

Randirion richtet das Wort an die Gefährten: "Sagt, haltet Ihr es für sinnvoller, die Pferde mitzunehmen,

oder sie hier zu lassen? Sollten wir sie mitnehmen, könnten wir uns im Wald eventuell ihre Kraft zunutze machen. Lassen wir sie hier, sind wir im dichten Walde mobiler. Was denkt Ihr?"

Für Frumol hat die Situation etwas Ungewohntes - völlig Neues.

Obwohl zwei Kinder vermisst werden und die Eltern sich große Sorgen machen, sitzen sie alle hier in ge-mütlicher Runde bei Speis und Trank im Schatten.

Ohne Frage, das Essen ist gut, doch verschwenden sie nicht wichtige Zeit?

Vermutlich ist den beiden Kleinen gar nichts ge-schehen, sie sind sicher beim Köhler und vergaßen beim Spielen die Zeit - so wie er früher auch oft.

Die Beschreibungen des Müllers sind wichtig, aber mussten sie deshalb gleich den Tisch decken? Die Bräuche sind hier schon fremdartig. Aber er könnte sich sicher daran gewöhnen.

Da keiner mehr isst, steht er auf und blickt in die Runde: "Fangen wir an, oder wollen wir hier bis zum Abend sitzen bleiben?"

Er geht zum Waldrand und schaut abwechselnd in die eine und die andere Richtung. 'Wo sollten wir anfangen?' Unentschlossen geht er zurück zu dem Packpferd und dem Gepäck.

"Sollten wir das Packpferd nicht besser hier lassen? Es könnte uns mehr behindern als nützen, Herr Kavaljä-re." fragt er zögernd.

"Nun, nachdem das mit den Pferden geklärt ist - ich denke doch dass wir die Suche dort beginnen sollten, wo die Kinder immer den Wald betreten haben, und uns zeigen lassen, wo die Beeren wachsen …"

Der Müller ergreift noch einmal das Wort: "Meine Dame, edle Herren, vielleicht sind die beiden ja auch noch bei den Köhlern. Davon habe ich vorhin schon mein Weib zu überzeugen gesucht. Und in dem wäre alle Mühe des Suchens unnötig."

"Ich denke, wir sollten uns auf den Weg zu dem Köh-ler machen." antwortet Frumol.

Sephyra nickt zustimmend und wird Frumol folgen, nachdem sie ihr Mahl beendet hat und zum Aufbruch bereit ist.

"Zum Köhler kommt man problemlos zu Pferde, glaube ich", wirft der Müller ein, "aber ihr könnt sie gern hier lassen."

"Ich werde mein Pferd jedenfalls hier lassen und Schusters Rappen bemühen" antwortet Frumol fröh-lich.

Randirion stellt noch kurz sicher, dass die Pferde gut versorgt werden, nimmt noch einige Dinge an sich und folgt dann den Gefährten Richtung Waldrand.

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Ingalf lacht kurz und schallend auf. "Dein Pferd, Mann wat geht das schnell bei dir! Machen wir uns auf zum Köhler." Er steht auf und schultert seine Axt. "Herr Kavaljäre, pass man gut auf deine Spielzeuge auf, nicht dat du noch versehentlich den Köhler damit verletzt."

"Ah, macht Euch keine Gedanken, Herr Ingalf. Falls dennoch, werden wir den Köhler bestimmt mit dem ganzen Holz versöhnen können, dass Ihr zweifellos vorhabt, mit Eurer Holzfälleraxt zu schlagen."

Randirion zwinkert Ingalf zu.

Breit grinsend nimmt Frumol seinen Rucksack vom Lastpferd und schultert diesen. Er wendet sich dem Weg zu und geht langsam zur Köhlerhütte voran.

Das Müllerehepaar winkt den Helden in spe hin-terher. "Rastullah und die Zwölf seien mit Euch!" ruft der Müller noch. Dann beginnt der ungeplante Teil der Reise.

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Bei den Köhlernach etwa einer Stunde Weges durch den über-raschend dichten, und damit kühlen, Wald

treffen die Gefährten auf die vom Müller angekündig-te Abzweigung. Es ist ein Trampelpfad, gesäumt von Unterholz. An verschiedenen Spuren ist aber zu er-kennen, dass hier ab und zu wohl auch Pferde oder Esel oder Maultiere langgehen.

N

Während die vier langsam tiefer in den Wald eindringen, fällt auf, dass die größeren Bäume einen knorrigen Wuchs haben. Der Weg wird ein wenig steinig. Ein beklemmendes Gefühl kommt auf, als ob tausend unsichtbare Augen beobachten würden. Ab und zu ertönt ein heiserer Vogelschrei, sonst herrscht seltsamerweise Totenstille. Nur die verkrüppelten Bäume scheinen Leben auszustrahlen. Sephyra vermeint sogar, in ihren knorrigen Stämmen Gestalten oder Gesichter zu sehen.

Die Erkenntnis ist für Sephyra beängstigend und sie sieht sich immer wieder um. 'Unheimlich ist es hier!' denkt sie sich. Sie ertappt sich dabei, wie sie immer wieder unwillkürlich mit einer Hand nach der Frumols sucht, kann sich jedoch immer wieder rechtzeitig beherrschen, so dass den Gefährten wohl nichts aufgefallen sein dürfte, da Gegenstand des all-gemeinen Interesses die unmittelbare Umgebung sein sollte.

Frumol schaut sich immer öfter um. Dieser Wald jagt ihm Angst ein - vor allem, da er bisher kaum Wald kennt. Wäre er jetzt in einer Stadt in irgendwelchen Gassen, dort wurde er sich auskennen. Doch hier - es ist so merkwürdig still, dass er meist sein Herz klopfen zu hören. Ob Sephyra es auch hört? Er vermeidet, sie oder einen der beiden anderen anzusehen, denn sie könnten seine Stimmung in seinem Gesicht ablesen.

So starrt er weiter an den seltsamen Bäumen vorbei und geht stumm den Weg entlang, wobei er immer wieder nervös die Riemen seines Rucksacks zurecht-rückt.

'Warum nur singen die Vögel nicht mehr? Vorhin auf der Küstenstraße, als wir rasteten, waren sie doch nicht zu überhören!' fragt er sich.

Der Trampelpfad knickt an einer Stelle scharf nach links ab, aber Frumol und Sephyra sehen jeder für sich sofort, dass hier auch schon mal jemand geradeaus weitergegangen ist.

Wenige hundert Schritte nach dem Knick öffnet sich der Weg zu einer kleinen Lichtung, auf der eine kleine Hütte gebaut ist. Daneben rauchen drei Meiler. Den Geruch hatten alle schon deutlich vorher bemerkt. Die Hütte ist nicht besonders groß und macht einen ärmlichen Eindruck.

Niemand ist zu sehen.

"Nun, das sieht für mich wie die Hütte der Köhler aus." sinniert Sephyra. "Oder wüsstet ihr noch je-manden, der solch rauchende 'Holzstapel' in seinem Vorgarten hat?" ergänzt sie mit einem leicht belustig-ten Unterton. "Herr Kawaljere, Ihr seid doch ein weit-gereister Mann und wisst um die Geheimnisse sess-hafter Leute in einsamen Gegenden, oder?"

Ein breites Grinsen macht sich auf Ihrem Gesicht breit.

'Sieht einsam aus', stellt Frumol fest. Alles was er sieht, gibt keinen Anlass wieder froh aufzuatmen. Hier ist alles so bedrückend …

Er fasst sich ein Herz und sagt in die Stille: "Hallo, ist jemand da?" Erschreckt hält er inne, seine Worte klingen viel lauter als beabsichtigt - oder liegt es nur an dieser merkwürdigen Stille, die alles verdeckt?

Die Tür geht auf, und ein kräftiger Tulamide in schmutzig-dunkler Kleidung mit schwarzem Vollbart erscheint. Er trägt eine schwere Axt.

Er ruft den Angekommenen etwas zu. Sephyra ver-steht: "Wer seid ihr, was wollt ihr?" und übersetzt dies sofort den Gefährten.

'Was für ein unangenehmer Zeitgenosse' ist Frumols erster Eindruck.

Die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Tulamiden, welche er so sehr schätzen gelernt hat, steht in Kon-trast zu dem Gebaren des Köhlers.

Er ist sich sicher, dass der Mann nicht davor zurück-scheut, die Axt zu benutzen.

'Vielleicht wird man so, wenn man länger in diesem Wald wohnt. Der ist auch nicht gerade einladend.' fällt Frumol ein.

Frumol muss mit seiner ersten Einschätzung jedoch falsch liegen, da der Müller und seine Frau, die von of-fenem und freundlichem Schlag sind, offenbar große Stücke auf den Köhler halten. Er muss von nettem Gemüt sein, wenn sie ihre Kinder bei ihm in Si-cherheit wähnen, und die beiden Kleinen ihn aus eigenen Stücken besuchen würden …

Dennoch bringt Frumol vorerst keinen Ton über die Lippen, so erstaunt ihn dieser »herzliche« Empfang.

Randirion reagiert auf Sephyras Übersetzung und nickt dem Köhler freundlich zu.

"Die Zwölfe zum Grüße, Köhler Abmal. Der Müller vermisst seine beiden Kinder, und wir helfen dem ar-men Manne und seiner Frau, selbige wiederzufinden. Hat er oder sein Sohn vielleicht die Kinder des Mül-lers seit gestern gesehen?"

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(Natürlich stecken sämtliche Waffen in ihren Scheiden, so dass Randirions Hände leer sind und er friedlicher aussieht.)

Der - offensichtliche - Köhler schweigt für einen Moment. Er wirkt ein wenig verwirrt. Dann antwortet er auf Garethi mit misstrauischem Gesichtsausdruck: "Ich Köhler Abmal. Wer ihr? Wo kennt Müller?"

"Ah, er gestatte, dass ich mich vorstelle: Cavalliere Randirion ya Calmatin aus dem Alten Reich. Dies sind meine Gefährten Madame Sephyra Lunor, Herr Frumol Pellocke und Herr Ingalf Wedmansson."

Randirion deutet bei der Nennung der Namen auf die jeweilige Person.

"Wir wanderten auf der Küstenstraße, als das Müllers-Paar uns um Hilfe bat, die wir selbstverständlich nicht ablehnten. Kennt er die Kinder der beiden? Hat er sie vielleicht gar seit gestern gesehen?"

Der Köhler will gerade antworten, da ertönt von hin-ter den Angekommenen ein kurzer scharfer Ruf. Se-phyra versteht etwas von "Waffen fallen …!"

Alle Köpfe schwingen herum.

Da ist ein jüngeres Ebenbild des Köhlers zu sehen. Und er trägt einen gespannten Kurzbogen in der Hand. Und die Pfeilspitze zielt auf die Gefährten.

Frumol dreht sich um und erstarrt. Zwar hat er schon einige bedrohliche Situationen erlebt, er ist mit Waffen angegriffen worden und hat sogar schon mit seinem Messer getötet - Doch noch nie wurde er mit einem Bogen bedroht. Stocksteif bleibt er stehen und hofft, dass die Pfeilspitze nicht auf ihn zeigt. Natürlich auch nicht auf Sephyra, da schon besser auf ihn.

Randirion ist sichtlich genervt ob dieses Zwergenauf-standes.

"Ah, ich nehme an, Herr Köhler Abmal, das ist sein Sohn … Auch ihm die Zwölfe zum Gruße. Herr Abmal, könnte er ihn wohl davon überzeugen, dass wir niemandem etwas Übles wollen?"

"Mann, Mann, Mann, so'n Kurzer sollte besser man nich mit sowas rumspielen, nachher tut sich noch je-mand weh." Auch Ingalf scheint den Jungen nicht wirklich ernst zu nehmen. "Aber nu sach mir doch ma jemand, warum wir hier so empfangen werden. Hä, Abmal, bisse immer so misstrauisch oder habter schlechte Erfahrungen gemacht in letzter Zeit?"

Sephyra ist ob der Entwicklung der Dinge erst einmal sprachlos. Aber die entspannte Reaktion von Randiri-on und Ingalf führen dazu, dass der Sohn auf ein Wort seines Vaters hin seinen Bogen sinken lässt Der Pfeil bleibt aber aufgelegt.

"Abmal ich bin, das mein Sohn Abmok ist und böse Menschen im Wald leben. Wenn ihr wisst die Namen der Kinder, dann ich euch glauben kann", erwidert der Köhler nach einigem Nachdenken.

'Böse Menschen leben im Wald? Der Müller hatte die Frage doch verneint.' fällt es Frumol ein. Das Ganze ist doch sehr merkwürdig.

"Seline und Alrik heißen sie", spricht Frumol - leise und mit zitternder Stimme. Er ist sehr froh darüber, dass der Pfeil nur noch die Käfer am Boden bedroht.

"Wenn dies alles ist - Seline ist der Name des Mäd-chens, fünfzehn soll ihr Alter sein, und Alrik der des Knaben von zwölf Götterläufen."

Randirion stutzt.

"Was für böse Menschen?"

Der Köhler atmet erleichtert aus. Sephyra fällt auf, dass ihm der Schweiß auf der Stirn steht. Er gibt sei-nem Sohn ein kurzes Kommando, worauf der den Pfeil von der Sehne nimmt und auf die Gruppe zugeht.

"Verzeih die Dame, verzeih die Herren. Böse Men-schen, ihr sagt" - er überlegt einen Moment - "Räuber, wohnen seit Wochen im Wald. Sie uns haben alles Geld genommen. Wir vorsichtig. Seline, Alrik verschwunden, ihr sagt. Böse Sache!"

Er übersetzt für seinen Sohn, und der reagiert mit einem Schwall Worte.

Sephyra vermag nur zu verstehen, dass es um eine Sa-che vom gestrigen Abend ging. Der Köhler erklärt: "Mein Sohn recht hat. Wir gestern Abend Schrei im Wald gehört haben. Abmok gestern gesagt hat, Seline hat geschreit. Ich nicht geglaubt habe. Jetzt ich sicher bin: Räuber sie gefangen haben!"

Randirion wendet sich an seine Begleiter: "Nun denn, meine Gefährten, ich denke, unser Ziel ist ebenso eindeutig wie edel: es gilt die Kinderchen aus den Händen der Räuber zu befreien!"

'Moment. Ein paar Kindern nachzulaufen für Gottes-lohn ist eine Sache - sich mit einer ausgewachsenen Räuberbande anzulegen eine gänzlich andere!'

"Sage er, Köhler Abmal, kennt er die Zahl der Räuber? Und aus welcher Richtung ertönte jener Schrei?"

Der Köhler tauscht sich kurz mit seinem Sohn aus. Dann erläutert er: "Drei hier bei uns waren. Sie sich wohl sehr sicher fühlen. Sie immer den großen Weg gehen. Spuren gut zu sehen." Dann redet er noch ein-mal schnell mit seinem Sohn und ergänzt: "Schrei nicht Richtung klar kommen. Wald verfluchter!"

"Swafnir steh uns bei! Verflucht, was heißt dat? Was passiert im Wald? Wer hat ihn verflucht? Rede Mann!" Ingalfs Stimme hat einen leicht panischen Unterton angenommen.

Der Köhler druckst ein wenig herum. Dann erläutert er: "Wenig Vögel im Wald sind. Ganz leise es im Wald ist. Und Du schon die Bäume angeschaut hast? Ganz krumm. Aber sie gute Kohle machen."

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Frumol hört den Ausführungen still zu. Bei der Erwähnung, dass ein Fluch auf dem Wald liegt, läuft ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Es über-rascht ihn nicht, fühlte er sich doch von Anfang an hier im Wald unwohl. Es erinnert ihn vielmehr an das verfluchte schwarze Schiff mit seiner untoten Piraten-Besatzung. Alte Gefühle der Angst und Furcht lassen seinen Körper kurz schaudern. Was bleibt, ist das Ge-fühl, einen Freund gerettet und wieder verloren zu haben. Er muss Uribert unbedingt einmal besuchten.

Er atmet tief durch: "Dann lasst uns zu dem Weg zu-rück gehen und nachschauen, wohin er führt." schlägt er vor. "Kommt ihr mit, um die Kinder Eures Freundes zu befreien?" fragt er den Köhler und dessen Sohn.

Der Köhler übersetzt die Frage gar nicht für seinen Sohn: "Edle Dame, edler Herr. Wir zutiefst bedauern. Aber wir unser Kohleholz nicht allein lassen können." Dem Köhler ist seine abschlägige Antwort sichtlich unangenehm. Auch sein Sohn macht einen verlegenen Eindruck.

"Ach, Herr Pellocke, lasst doch die armen Leute hier ihr Tagewerk tun. Wir sind Manns" - ein kurze Ver-beugung Richtung Sephyra - "und Frau genug, selber mit ein paar feigen Räubern fertigzuwerden. Überlegt einmal: wer sich an Kindern vergreift, der scheint nicht der Mutigste zu sein. Solch Pack wird wohl ein paar standhaften Bewaffneten wenig Widerstand ent-gegenzusetzen haben."

'Schon wieder dieser Satz: nur ein paar feige Räuber! Sehe ich vielleicht wie eine Amazone aus?'

Langsam ist Sephyra etwas verärgert über den Enthu-siasmus der Gefährten, endlich ein paar Köpfe einzu-schlagen. 'Aber Frumol wird das doch nicht gefallen? Oder? Nein!'

Ingalf springt vor Frumol, sichtlich aufgebracht. "Halt halt halt halt, was ist mit dem Fluch, Seeschlangen-undgezüchtnochmal? Ich setzte keinen Fuß vor den anderen in diesen götterverlassenen Wald wenn der da nicht mal so langsam mit der Sprache raus rückt! Ich hab ja nicht so einen Schiss vor ein paar Räubern, wenn man mit denen nich reden kann, kann man immer noch den Stahl sprechen lassen, aber mit Flü-chen is nich zu spaßen. Mein Ururururgroßonkel Wetlaf wurde mal von einer Hexe verflucht, und noch immer reden die Leute von der Otta wie ihm sein …, sein …, nun ja, sein Dings halt immer weiter an-schwoll und schließlich platzte. Und der Urururur-ururururgroßvater eines Freundes eines Bekannten wurde von einer Hexe in einen Otter verwandelt, di-rekt in einem Meeresabschnitt, in dem es von hungrigen Haien nur so wimmelte. Und mein anderer Freund kennt selbst jemanden, der jemanden kennt, der wegen eines Fluchs 2 Wochen nicht austreten konnte und schließlich geplatzt ist. Und erst die

ganzen Langboote, die von einem Fluch begleitet aus-liefen und nie zurück kamen. Flüche sind verdammt gefährlich." Er verschränkt die Arme vor der Brust und schaut, als habe er ja wohl genug gesagt. Dann schaut er den Köhler fragend an.

Der Köhler zuckt sichtlich zurück. "Herr verzeih!" antwortet er dann in zögerlichem Tonfall. "Ich nicht alles verstanden habe. Verfluchter Wald eine alte Ge-schichte ist. Vor vielen Jahren Burg am Berg über diesen Wald herrschte. Diese lange vor der Geburt meines Vatersvaters zerstört wurde. Keiner wie ge-schehen weiß. Leute nicht gerne hierher kommen. Krumme Bäume, wenige Vögel. Aber für Köhler gut." Jetzt grinst er sogar kurz. "Und dann die Kinder verschwinden. Darum ich 'Wald verfluchter' gesagt habe. Wir hier gut leben."

Sephyra kann trotz des Ernstes der Situation ein Grinsen kaum unterdrücken und erklärt dem Köhler in Tulamidia, dass der "große Ingalf" einfach an jede "Schauer-Mär" glaubt, das ihm über den Weg läuft - so auch Flüchen jeder Art.

Randirion klopft Ingalf auf die Schulter.

"Nun kommt, Herr Ingalf, ein paar alte Sagen werden doch einen Kämpen wie Euch nicht schrecken. Und was Hexen und ähnliches betrifft, so möchte ich meinen ehemaligen Sergeanten zitieren, der meinte: <Egal, wie subtil ein böser Zauberer auch sein mag - ein Armbrustbolzen in der Brust wird seinen Stil ernsthaft ruinieren!> Dies könnte man, denke ich, auch auf ein Axtblatt anwenden."

"Da hörst Du es, Ingalf", erklärt Frumol. "Keine Sorge. Der Wald ist gar nicht verflucht. Gut, die Bäume sind krumm, und die Vögel singen wenig - aber außer den gesetzlosen Schurken droht keine Gefahr."

Er macht eine kurze Pause bevor er weiterspricht.

"Und wenn seine Gnaden, der Herr Kavaljäre, mit wehender Fahne diesen Schurken entgegen tritt sollte es für Ihn kein Problem sein, sie in die Flucht zu schlagen …"

Er wirft einen Blick auf die mächtige Axt des See-mannes.

"… Was nicht heißen soll, dass Du nicht auch zum Zuge kommen wirst. Du musst Dich nur ein wenig beeilen."

Frumol wundert sich über den 'Anfall' des Thorwa-lers. 'Sollte es wahr sein, was er erzählt? Dass da was geplatzt ist?' Er will es nicht hoffen, nimmt sich vor, später noch einmal mit Ingalf darüber zu sprechen.

Sephyra schaut Frumol von der Seite an. 'außer den gesetzlosen Schurken droht keine Gefahr - das sind ja ganz neue Töne - aber schöne - so … männlich.' geht ihr durch den Kopf. Sie sagt aber nichts, sondern wartet nur darauf, dass einer der Männer voran geht.

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Frumol spürt förmlich ihren Blick und wendet seinen Blick von Ingalf ab.

Er sieht sie an und lächelt ihr verstehend zu.

Daraufhin lächelt Sephyra zurück und schultert den Rucksack neu, der ihr in der ganzen Aufregung ver-rutscht ist. Sicherheitshalber prüft sie den Sitz der Wurfdolche und streicht liebevoll über den Griff ihres Rapiers.

Nur um die Hand auf dem Knauf ruhen zu lassen: 'nur ein paar Räuber' geht ihr immer wieder durch den Kopf …

"Nun denn, nachdem dies zur allgemeinen Zufrie-denheit geklärt ist - wollen wir los?"

Randirion sieht selbstsicher lächelnd in die Runde.

"Kein Fluch also, meint ihr? Wenn mir hinterher doch was wichtiges fehlt, fehlt es allen hier …" er blickt zu Sephyra "oder was entsprechendes. Also gut, auf gehts." Er schwingt die Axt prüfend durch die Luft. "Mann Kavaljäre, musst dich schon nen büschen beei-len, wennste mir was voraus haben willst." er lacht schallend auf, die Aussicht auf einen guten Kampf gegen ein paar Halunken hat ihn den Gedanken über üble Flüche vergessen lassen. "Und du, Abmal, willst deinen Kurzen wohl nich allein lassen, oder kommste doch mit?"

"Das leider nicht möglich ist, aber unser Dank Euch gewiss ist, wenn die Räuber vertrieben sind", entgegnet Abmal mit leichter Verbeugung.

"Vielleicht ich euch zum Weg führen darf, den die Räuber genommen haben." Er macht eine einladende Geste.

Ingalf schaut sich kurz unsicher um, zuckt mit den Schultern und nimmt seinen Seesack auf. Dann folgt er dem Köhler mit geschulterter Axt.

Frumol rückt seinen Rucksack zurecht und folgt ih-nen.

'Hoffentlich geht das gut', denkt er bei sich und beschließt sich bei einem möglichen Kampf im Hin-tergrund zu halten und Ingalf und dem Kavaljäre den Ruhm zu überlassen. Ermutigt hat er sie dazu schon genug.

Abmal führt die Gruppe zum Knick im Pfad. "Hier die Räuber verschwunden sind", erläutert Abmal und weist auf den fast-Trampelpfad Richtung Nordwesten.

"Na dann los, ihr Landratten, wollen wir?"

Ingalf geht gefolgt von den anderen auf den Trampel-pfad. Nach wenigen hundert Schritten ändert sich langsam das Bild des Waldes. Die knorrigen Bäume werden höher und ihre Kronen dichter, und das wird Unterholz immer weniger. Schließlich bewegen sich die Helden auf etwas, was wie ein breiter, mit tro-ckenem Laub bedeckter Weg aussieht, der schnurge-rade durch den anscheinend uralten Wald führt. Es ist überraschend kühl unter dem Laubdach. In dem Laub sind die Spuren der Räuber gut zu erkennen.

Und dann biegt die Spur nach rechts in den Wald ab.

Und alle folgen ihr, Ingalf, Randirion und Frumol vor-neweg, Sephyra scheint direkt danach zu folgen.

Randirion überprüft vielleicht zum zwanzigsten Male ob seine Balestra durchgeladen ist. Etwas Nervosität scheint sich so bemerkbar zu machen, wird aber in Stimme oder Gehabe nicht deutlich.

Frumol lässt sich zurückfallen. Sollen sich doch die Beiden in einen Kampf stürzen. Frumol möchte nicht wirklich darin verwickelt werden.

Als Sephyra zu ihm aufgeschlossen hat, stupst er sie neckend an und lächelt ihr zu.

Sephyra erwidert das durch ein Nicken, aber ihre Konzentration gilt eindeutig der Umgebung.

Bis auf einen gelegentlichen Vogelruf ist nichts zu hö-ren.

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Lager im Waldie vier Gefährten folgen der Spur, die vom Hauptweg abgeht. Sie windet sich ein wenig

und führt immer da entlang, wo die Bäume etwas wei-ter auseinander stehen.

D

Nach einiger Zeit sehen die vier, kurz nachdem sie einen Bach überquert haben, dass sich voraus eine Lichtung befindet. Und darauf stehen um eine Feuer-stelle drei Zelte. An einem Baum dahinter hängen zwei ungerupfte Fasane und ein Reh, offensichtlich die Jagdbeute der hier Lagernden. Es ist aber niemand zu sehen.

Randirion zieht seine Balestrina, versucht leise zu sein und gestikuliert zu seinen Gefährten, dies ebenso zu halten.

Dann schleicht er zum nächstliegenden Zelt, um dort zu lauschen.

Ingalf lässt möglichst leise den Seesack zu Boden glei-ten, zeigt dann auf Sephyra, auf seine Augen und auf den Sack. Anschließend folgt er mit der Axt in beiden Händen Randirion so leise er kann.

Frumol blickt sich aufmerksam um. Sein Blick streift die Gefährten mit ihren Vorbereitungen: 'Sie wollen wirklich kämpfen! Warum nur?'

Unverständlich schüttelt er den Kopf und blickt sich weiter um. Auch den Weg, den sie gekommen sind, suchen seine Augen nach etwas Ungewöhnlichem ab.

Er macht keine Anstalten, den Rucksack abzulegen oder eine Waffe zu ergreifen.

Als Randirion und Ingalf den Rand der Lichtung er-reichen, ertönt von irgendwoher ein schriller Pfiff.

Zwei Männer mit ziemlich abgerissener Kleidung und diesen typischen südländischen Säbeln, die Khun-chomer genannt werden, stürzen aus einem der Zelte auf Randirion und Ingalf zu.

Die ersten beiden RäuberRandirion setzt sofort auf das erste dieser anstür-menden ungewaschenen Subjekte einen Schuss ab und trifft. Die Ladung Bleikugeln trifft den Anstür-menden voll im Gesicht und am Oberkörper und stoppt ihn erst einmal. Sein Kumpan stürmt aber wei-ter voran und erreicht Randirion, kurz nachdem dieser die Balestrina in die andere Hand genommen und sein Rapier gezogen hat. Es ist nicht einmal nötig, dabei einige Schritte zurück gehen, um die für das Ziehen nötige Zeit zu gewinnen. Äußerlich macht Randirion den Anschein, distanziert und völlig unbe-teiligt zu sein. Er nimmt sich sogar noch die Zeit, Frumol zuzurufen: "Herr Pellocke, der Pfiff! Wo kam der her?"

Dass Frumol sich schon längst darum kümmert, be-kommt er nicht mit.

Und dann muss sich Randirion um seinen Gegner kümmern. Nach ein paar Schlagwechseln gelingt Randirion ein sauberer Stich gegen einen Schenkel seines Gegners. Das erste Blut fließt! Aber in der Gegenattacke zieht im der Räuber eine sengende Schramme über die Rippen.

Randirion kämpft dessen ungeachtet weiter und verletzt seinen Gegner nach wenigen Sekunden ein weiteres mal. Der kommt bei seinem Paradeversuch so ins Stolpern, dass Randirion noch einmal unbedrängt zustechen kann und den Gegner noch einmal verletzt.

Ingalf hat Randirions erste Aktionen mitbekommen und …

"Swafnir steh den Hammerhaien bei, Huuaaaaah!"

Mit einem markerschütternden Brüllen stürzt Ingalf auf die Räuber zu. Er versucht einen seitlichen Schlag im Vorbeilaufen auf Randirions Gegner, …

… der aber in's Leere geht, …

… letztendlich will er aber den gestürzten Räuber erwischen.

Randirion nimmt wahr, dass Ingalf an ihm vorbei läuft, um es mit dem zweiten Gegner aufzunehmen und greift den seinigen wieder an. Hin und und her wogt der Schlagabtausch. Keiner der Kämpfer kann einen Treffer anbringen. Als Randirion einmal stolpert hat er es nur seinem Glück zu verdanken, dass ihn sein Gegner nicht trifft.

Randirion verlegt sich auf eine andere Strategie: Er versucht seinen Gegner mit überraschenden Bewe-gungen zu verwirren, verzichtet auch mal auf eine Attacke und zieht sich stattdessen drei Schritte zurück. Dabei verletzt er seinen Gegner noch zweimal leicht, muss aber eine weitere Schramme einstecken.

Randirion verzieht bei dem Treffer gequält das Gesicht, bleibt ansonsten aber äußerlich ruhig und be-herrscht.

Währenddessen geht es in seinem Inneren heiß her: 'Au! Dieses impertinente Pack! Kein Wunder, dass es mit den hiesigen Gegenden seit Jahrhunderten bergab geht - die lokalen Machthaber haben Land und Leute nicht unter Kontrolle … Konzentriere Dich! Jetzt! Ri-poste, Finte, Terz, Quart … und jetzt noch ein Stück-chen nach links … '

Schließlich hat er seinen Gegner da, wo er ihn haben wollte – zwischen den Zeltschnüren. Und da ergibt sich die Gelegenheit: Randirion fintiert, und der Räu-ber will einen Schritt zurück machen, stolpert aber über eine Schnur und fällt hin. Das ist Randirions

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Chance: Er sticht mit aller Gewalt zu und erwischt den Gegner im Bauch.

Der gurgelt nur noch und erschlafft.

Randirion tritt die Waffe des Räubers etwas von diesem weg, und entspannt sich dann etwas. Dann sieht er sich um, wo noch geholfen werden kann.

Am Waldrand scheint es einen größeren Kampf gege-ben zu haben. Zwei blutüberströmte Räuber liegen am Boden. Sephyra, Frumol und Ingalf stehen, sind aber auch voller Blut.

Ingalf erreicht den Räuber, als der gerade hochkommt. Ohne, dass er eine Chance zum parieren hat, trifft ihn Ingalfs Schlag. Tief fährt die Axt in die linke Schulter des Räubers. Der lässt seine Waffe fallen, dreht sich um und flieht. Ingalf ist einen Moment perplex, dann macht er sich an die Verfolgung.

Der verletzte Räuber hat nicht gemerkt, dass er in die Richtung läuft, wo sich Sephyra, die Ingalfs Seesack doch liegen gelassen hat und Frumol gefolgt ist, ge-rade aufhält. Die sieht den Räuber auf sich zukom-men. Da sie ihren Wurfdolch in der Hand hält, wirft sie ihn ohne nachzudenken und trifft ihn in die Brust. Der Dolch bleibt aber nicht stecken, sondern fällt zu Boden.

Erschreckt wechselt der angeschlagene Räuber seine Richtung, um der anscheinenden Übermacht zu ent-kommen. Durch diese Bremsung glaubt Ingalf, ihn er-reicht zu haben, und schlägt noch einmal zu. Er zer-teilt aber nur die Luft.

Der Räuber flüchtet Richtung Waldrand, und irgend-wo da, weiß Sephyra, ist Frumol.

"Arrgh feiger Lump!" Ingalf nimmt die rechte von der Axt und zieht den Schneidzahn, den er in einer fließenden Bewegung dem Räuber nachwirft.

Der Wurf geht knapp fehl.

Ohne den Erfolg/Misserfolg der Aktion abzuwarten schaut er sich nach weiteren Gegnern um.

Ingalf sieht Randirion im Kampf mit seinem Gegner, und es sieht so aus, als ob es grundsätzlich keine Pro-bleme gibt.

Während er sich umgeschaut hat, ist Sephyra am ihm vorbei gelaufen - dem flüchtenden Räuber hinterher. Und da vorn am Waldrand scheint ein weiterer Kampf stattzufinden. Ingalf trabt in die Richtung los.

Der letzteSephyra versteht Ingalfs Geste so, dass sie auf die Sa-chen achtgeben soll. 'Na gut'

Für den Kampf zieht Sephyra die letzte Reihe der "Kämpfer", zieht ihren Wurfdolch Nr. 1 und bereitet sich darauf vor, einem bedrängten Freund zu Hilfe zu eilen bzw. zu werfen … Dann zieht sie das Rapier und bleibt auf Selbstverteidigung bedacht.

Als der Pfiff ertönt wirbelt Frumol herum. Von wo kam der?

Frumol ist sich nicht ganz sicher, aber der Pfiff kam nicht aus der direkten Nähe. Eher von der anderen Seite der Lichtung.

Mit den beiden Männern sollen der Kavaljäre und In-galf sich beschäftigen, das schaffen die schon.

Er streift schnell seinen Rucksack ab und fragt Sephy-ra dabei: "Weißt Du, woher der Warnpfiff kam? Da muss mindestens noch einer sein."

Sephyra kann die Herkunft des Pfiffes auch nicht ge-nauer orten.

Ihm ist nicht wohl bei der Idee, den übrig gebliebenen allein zu suchen, noch weniger gefällt ihm die Vorstel-lung, wenn dieser dazu noch einen Bogen hat … Außerdem können die Müllerkinder in Gefahr sein.

'Warum habe ich vorhin nicht das Geschirr für die Wurfdolche angelegt?' verflucht er sich nun. Die ganze Zeit war es ihm unangenehm, so sichtlich be-waffnet auf der Küstenstraße zu wandern. Bei der Wärme hatte er ja schließlich die Jacke abgelegt und so hatte er das gute Stück ebenfalls im Rucksack verstaut …

So zieht er dann sein Rapier und sein Wurfmesser aus dem Gürtel.

"Er scheint von dort drüben gekommen sein" fügt er hinzu und deutet auf die gegenüberliegende Seite der Lichtung.

"Kommst Du mit?" fragt er sie mit leicht schief geleg-tem Kopf.

Sephyra schüttelt nur den Kopf und beobachtet die Umgebung. 'Na toll, das haben wir jetzt davon!' geht ihr ständig durch den Kopf.

Dann stürmt er los, leicht geduckt, immer am Rand der Lichtung entlang. Bis zu dem Punkt von dem er annimmt, dass dort jemand steht.

'Mutig ist er schon …' und fast gerät sie ins Träumen, aber der Kampf auf der Lichtung hält sie ab.

Frumols Fokus verengt sich auf das was vor ihm liegen könnte. Und tatsächlich, da vorn steigt gerade jemand von einem Baum herab. Noch so ein Tulamiden-Räu-ber.

Frumol konzentriert sich auf den Räuber und läuft ge-radewegs auf ihn zu. Als er ihn erreicht droht er ihm mit fester und lauter Stimme:

"Halunke! Wirf die Waffen weg und tritt auf die Lich-tung. Sonst werde ich dich wie einen Ork töten!" 'Dazu war nur ein Stoß mit dem Messer nötig', setzt er in Gedanken hinzu.

Frumol hebt drohend den Rapier und nickt mit dem Kopf in Richtung Lichtung. Er hofft, dass ihn der Tu-

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lamide versteht, zumindest seine Absicht aus Tonfall und Gesten herauslesen kann.

Der Räuber greift sofort an, aber Frumol pariert. Frumol will gerade einen Schritt zurück machen, da prallt jemand von hinten gegen ihn.

Frumol geht zu Boden und er merkt, dass noch je-mand auf ihm liegt.

'Bei Phex - was ist denn das?' Während Frumol fällt, ist er sich sicher, keinen Baumstamm übersehen zu haben.

'Da muss noch einer sein!' schießt es ihm durch den Kopf. Klare Gedanken kann Frumol nicht mehr fassen, die Angst nimmt überhand.

Schließlich wollte er doch gar nicht kämpfen!

Er lässt sein Rapier los und versucht sich aus seiner misslichen Lage zu befreien, indem er versucht, sei-nen Gegner in eine festen Griff zu bekommen.

Und das gelingt ihm: Frumol schafft es, sich herum-zuwinden und den Räuber zu umklammern. Und der schafft es nicht, sich zu befreien.

Frumol gelingt es allerdings auch nicht, den Räuber herumzuwinden.

Frumol möchte dem Patt, das sich in diesem Kampf eingestellt hat ein Ende bereiten. So stößt er den Tula-miden kräftig mit dem Dolch, den er immer noch in der Linken hält, an. Er hat nicht vor, ihn mit dem Dolch ernsthaft zu verletzen, eher möchte er ihn zum Aufgeben bewegen.

"Hör endlich auf, dich zu wehren" zischt er ihm zu.

Das scheint der Räuber nicht verstanden zu haben, denn er versucht weiterhin, sich loszureißen - und hat damit Erfolg. Er bekommt seinen Oberkörper frei, richtet sich auf, und diese Gelegenheit nutzt Frumol, ihm den Dolch in den Bauch zu stoßen. Der Räuber reißt die Augen auf und kippt zur Seite weg.

Frumol bekommt noch mit, dass Sephyra ankommt, dann hört er Kampfgeräusche, und dann kommt auch Ingalf mit "Lass mich!" an. Der Räuber versucht verzweifelt, sich aus Frumols Griff zu befreien …

Sollte der Räuber nicht seinem Wunsch nachkommen und sich weiter wehren, so wird er ein zweites Mal kräftig zustoßen - dieses Mal wird sicher Blut fließen.

Offensichtlich droht ihm von dem zweiten Gegner keine Gefahr mehr. Sephyra ist doch ein wahrer Engel! Dies ist aber kein Grund sich bis in alle Ewig-keit mit diesem Gegner zu beschäftigen – vor allem, das Frumol unter ihm liegt …

Aus Sicht Ingalfs stellt sich die Sache so dar: Er ver-folgt seinen verletzten Gegner, erreicht aber nicht (mit zweihändiger Orknase läuft es sich halt wesentlich schwerer als ohne), bis dieser schon fast am Waldrand gegen Frumol prallt, der offenbar gerade mit einem dritten Räuber kämpft. Frumol und der Verletzte ge-

hen zu Boden. Der verletzte Räuber kommt dabei auf Frumol zu liegen.

Sephyra erreicht den Ort des Zusammenstoßes deut-lich vor Ingalf, der dem Flüchtenden zuerst mit sei-nem Schneidzahn verfehlt und sich dann erst einmal umgeschaut hatte.

Als Sephyra Frumols "Missgeschick" bemerkt, denkt sie nicht nach, sondern stürzt mit gezogenem Rapier und einem Schrei: "Frumol!" auf ihn zu. Sobald sie ihn erreicht, versucht sie, den einen der Räuber mit einem galanten Ausfallschritt und vorgehaltenem Ra-pier aufzuspießen.

Einer der Räuber liegt auf Frumol und wird aber von ihm festgehalten, also greift Sephyra den anderen Räuber an. Ihr Stoß geht fehl, aber die Konterattacke nicht. Sephyras linker Oberschenkel wird schwer ge-troffen.

"Aaarrrghh!!" entringt es Sephyras Kehle bei dem Treffer. 'Verdammt! Was musste ich mich hier auch ins Getümmel stürzen!' geht es ihr für Sekundenbruchtei-le durch den Kopf, bevor sie sich wieder auf den Gegner konzentrieren kann.

Fast bis auf den Knochen geht der Schlag durch. Sie beißt aber die Zähne zusammen und greift weiter an. Nach ein paar weiteren Schlagwechseln gelingt Se-phyra ein guter Stoß in den Unterleib des Räubers.

Und dann ist Ingalf heran, der sofort Sephyras Verletzung bemerkt und mit dem Kommando "Lass' mich!" den Kampf übernimmt.

Auf den Ruf des Freundes hin weicht Sephyra sofort nach hinten aus und hält sich mit der freien Hand die Wunde zu, damit nicht zu viel Blut austritt: 'Meine schöne neue Hose.' jammert sie innerlich.

Im folgenden Schlagwechsel wird für den kundigen Leser wieder einmal deutlich, dass eine Axt zwar eine hervorragende Angriffswaffe, aber wenig zum Pa-rieren geeignet ist: Der Räuber verletzt Ingalf am lin-ken Unterarm.

Bei seinem nächsten Schlag bleibt Ingalf fast das Herz stehen: Er schlägt mit voller Kraft quer in die Luft, da er nicht ganz sicher steht, gerät sein Körper in Dre-hung, und er wendet seinem Gegner den ungeschütz-ten Rücken zu. Verzweifelt beschleunigt er die Dre-hung, und wie ein Segelbaum kommt die Axt herum und trifft den Räuber voll in die Seite. Rippen kra-chen, der Räuber bricht zusammen, und reißt die in ihm festsitzende Axt mit sich. Ingalf muss sie los-lassen, um nicht selbst hinzufallen.

Nach dem KampfIhre Waffe lässt sie sinken und stützt sich schwer mit dem Rücken gegen einen Baum und versucht, den Schmerz zu ignorieren, nur mit mäßigem Erfolg. Dabei sieht sie Ingalfs Treffer und schlagartig muss sie

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ob der blutigen Angelegenheit würgen, so grässlich ist der Anblick.

"Alles in Ordnung, meine Dame, meine Herren?"

Randirion kommt, leicht verletzt und besorgt ausse-hend hinzu.

"Dieses kriminelle Pack, dieses impertinente Gesindel hat uns eine Falle gestellt!"

Randirion kann es noch immer nicht fassen.

Frumol zieht nicht einmal mehr den Dolch aus dem toten Körper, stößt ihn einfach von sich, und richtet sich auf.

Überall sieht er Blut. Er selbst ist blutverschmiert aber glücklicherweise nicht von dem eigenen. Als er sich umblickt sieht er noch mehr. Der Tote ist übel zugerichtet - und nicht nur von seinem Dolchstoß. Et-was weiter liegt der zweite, Ingalfs mächtige Axt steckt noch in seinem Körper.

Auch Ingalf ist blutbesudelt, er scheint am Arm verletzt zu sein.

Und Sephyra lehnt an einem Baum, sie ist ziemlich bleich und hält sich ihr linkes Bein. Ihre Hände und Hose sind blutverschmiert!

Einen Moment braucht Frumol um alles zu verarbei-ten, dann scheint sein Herz einen Schlag auszusetzen: Sie ist verletzt!

Er hechtet zu ihr, geht neben ihr in die Knie. "Lass mich mal sehen" versucht er möglichst ruhig zu sagen. Er sieht, dass sie Schmerzen hat, also muss es schlimm sein. Sanft berührt er ihre Hände, damit sie die Wunde freigibt.

Das erinnert ihn wieder an das schwarze Schiff, als er Ouroborox nach dem Kampf in der Weinkammer ver-binden musste. Auch er musste mehrere schwere Treffer einstecken.

Dies hätte nicht geschehen müssen - Sephyra wollte ihm doch nur helfen. Und er hat sich leichtsinnig mit zwei Turbanträgern angelegt!

Die Berührung lässt sie kurz zusammenzucken, dann aber nimmt sie die blutigen Hände weg und stützt sich damit am Baumstamm ab, rutscht diesen mit dem Rücken langsam hinab, bis sie mit dem Rücken dagegen gelehnt sitzen bleibt. Sie presst die Zähne zu-sammen und lässt Frumol die Wunde untersuchen.

In der Hose ist ein ein halben Spann langer Schnitt zu sehen. Drum herum ist Blut, aber glücklicherweise keine Fontäne. Zum Versorgen der Wunde muss Frumol Sephyra die Hose ausziehen, und da Frumol weiß, dass Sephyra bestimmt nicht zur Prüderie neigt, bittet er sie kurzerhand sich hinzusetzen, damit er ihr die Hose ausziehen kann.

"He, ich sitze doch schon!" gibt sie zurück. 'Na toll, jetzt soll ich mich auch noch ausziehen, das darf doch alles nicht wahr sein! Aber bevor er das Hosenbein ab-

schneidet … Nein, was sollen der Kawaljere und In-galf denken?'

Sephyra sieht sich um, ob die anderen weit genug weg sind. Wenn ja, lässt sich Sephyra Frumols Jacke geben, die dieser ausgezogen hatte, bindet sich die Ärmel um die Hüfte, so dass die Jacke vorn zusätzlich über den Beinen liegt und zwängt sich aus der Hose. Die Schmerzen sind stark, die Bewegungen fallen ihr sichtlich schwer, jedoch lehnt sie jede angebotene Hil-fe ab und müht sich lieber.

Dann ist es geschafft, Sephyra hat die Hose ausgezo-gen und sitzt nun mit dem Rücken am Baum, Frumols Jacke über dem Schoss und lässt das Bein nur so weit wie notwendig darunter hervor gucken, damit Frumol die Wunde verbinden kann.

Die Wunde selbst scheint nicht bis auf den Knochen gegangen zu sein. Gut verbunden sollte sie in zwei Tagen verheilt sein. Frumol überlegt, was er zum Ver-binden nehmen kann und bemerkt in diesem Moment den hinzugekommenen Randirion. Er hat aber nicht mitbekommen, was dieser gesagt hat.

Frumol nimmt zur Kenntnis, wie tapfer seine Freun-din ist und schaut ihr mit gemischten Gefühlen zu. Gerne würde er ihr helfen - doch seine Hilfe hat sie abgelehnt. Setzt er sich darüber hinweg wird sie ihm kräftig auf die Finger hauen sobald sie wieder aufrecht steht. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit den Finger zu ringen und ihren Wünschen nachzukom-men.

Als er seine Jacke holt, bringt er auch gleich seinen Rucksack mit und holt daraus das Verbandszeug her-vor.

"Das ist gar nicht so schlimm" beruhigt er Sephyra als er die Wunde untersucht. Behutsam sucht er nach Verunreinigungen und Stoffresten im Inneren der Wunde. Vorsichtig wischt er das Blut von ihrem Bein und verbindet sie möglichst sanft.

Als der Verband fertig ist, ist Frumol richtig mit sich zufrieden. Die Wunde sollte schon morgen früh im wesentlichen verheilt sein.

"Ha, du hast leicht reden!" presst Sephyra zwischen den Zähnen hervor, denn die ganze Aktion ist nicht nur anstrengend, sondern auch recht schmerzhaft. 'Aber wer wird denn jammern?' denkt sie sich. Inter-essiert sieht sie Frumol bei seiner Tätigkeit zu: 'Na ja, wenigsten scheint er zu wissen, was er da tut.'

Als Frumol den Verband fertig hat, bewegt Sephyra vorsichtig das Bein. Dann zieht sie die Hose wieder an und gibt Frumol anschließend die Jacke zurück, reicht ihm die Hand und wartet darauf, dass er ihr auf die Füße hilft. Dabei bemerkt sie dann: "Scheint ein guter Verband zu sein, nicht zu fest, verrutscht aber auch nicht." Als sie steht, haucht sie ihm ein Bussi auf die Wange: "Danke", sagt sie schlicht.

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"He, nicht so schnell", weist er sie an: "Die Behand-lung ist noch nicht beendet." So nimmt er sie fest in den Arm und drückt sie an sich. Er ist froh, dass ihr nichts Schlimmeres widerfahren ist.

Ingalf schaut sich gehetzt um, aber alle unmittelbare Gefahr scheint gebannt. Dann steht er schwer atmend über seinem erschlagenen Gegner, für den Betrachter scheint er tief in Gedanken, fast in Trance. Doch in ihm brennt ein weiterer Kampf zwischen Verstand und Instinkt. Tief im Unterbewusstsein registriert sein Verstand das Ende der Schlacht und einen leichten Schmerz am linken Arm, aber noch rauscht zuviel Ad-renalin durch seinen Körper um sich mit einer solchen Bagatelle abzugeben. Wo sind die anderen zu er-schlagenen Feinde, wer bettelt um einen schnellen, gewaltsamen Tod? Sein Instinkt scheint nach mehr Blutvergießen zu gieren. Nur langsam gewinnt der Verstand die Überhand, Ingalf scheint aus seiner Tran-ce zu erwachen. Er sieht sich ein wenig desorientiert um, entdeckt seine Axt noch im Körper des toten Räu-bers und ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht.

'Mutters Axt, meine Waffe.' Er macht einen Schritt auf den Räuber zu, nimmt den Axtstiel in die Hände, stellt den linken Fuß auf den Gegner und zieht mit einem leicht schmatzenden Geräusch die Axt aus dem leblosen Körper. Er betrachtet sie fast liebevoll und wischt dann mit einem Stofffetzen, den er seinem ehe-maligen Gegner abreißt, das Blatt und den Stiel sorg-fältig ab.

Er sieht Frumol bei Sephyra, Randirion scheint noch zu stehen; er nickt allen freundlich zu und macht er sich noch scheinbar ein wenig benommen und milde lächelnd auf die Suche nach seinem Wurfbeil.

Er findet es nach kurzer Suche.

Ingalf bückt sich, nimmt das Beil und verstaut es wieder im Gürtel. Langsam kehrt die Realität wieder komplett in sein Bewusstsein zurück, und damit auch der Schmerz, sein Unterarm brennt wie Feuer. 'Eigentlich nur ein etwas tieferer Kratzer, ein einzelner Treffer, aber na ja, auch der letzte Hieb war ein einzel-ner Treffer, und der hat den Kerl sein Leben gekostet.' Er grinst ein klein wenig.

"Ein guter Kampf, nicht wahr?" fragt er die anderen.

Randirion spricht Ingalf an.

"Sagt, Herr Ingalf, kommt es Euch nicht auch so vor, als wäre dies eine Falle gewesen? So schnell hat doch niemand eine Waffe zur Hand und ist im vollen Laufe …"

"Falle? Nun ja, wahrscheinlich war'n wir nich grad leise. Keine Ahnung, scheinen ja nich alle drauf ge-gangen zu sein, fragen wir sie ma'."

Er schaut sich die Wunde an seinem Arm etwas ge-nauer an. Eine tiefe Fleischwunde ist es schon, das wird eine hübsche Narbe werden. In seinem Geiste

fragt er sich kurz wie man dies in ein gutes Hautbild einbringen kann, doch dann werden seine Gedanken wieder praktisch. "Hat jemand nen halbwegs sauberen Lappen, den ich da drum mach kann? Un' wenn mir dann noch jemand hilft, mit einer Hand halten die Dinger nich' so tolle."

Während Ingalf wartet, dass ihm jemand bei der Wunde hilft, fällt sein Blick auf die seltsame Kopfbe-deckung eines der Getöteten. Die sieht aus, als ob sie aus einem längeren Stoffstreifen gewunden ist.

Wenn Sephyra wieder beisammen ist:

"Sagt, werte Madame Lunor, wärt Ihr so gut, die Kriminellen nach dem Verbleib der Kinder zu fragen?"

Randirion macht unbestimmte Bewegung zu den liegenden Räubern. Durch die damit verbundene Dre-hung werden ihm seine Verletzungen schmerzhaft be-wusst.

"Ja, werde ich tun. Später." antwortet Sephyra. Zu-nächst hebt sie den Wurfdolch auf, der vom Räuber abgeprallt war und verstaut ihn wieder an seinem Platz.

Als Sephyra sich anschließend die Räuber genauer an-schaut, stellt sie fest, dass Frumols und Randirions Gegner noch atmen. Randirions Gegner ist bewusst-los, Frumols Gegner hat aber die Augen auf. Er schaut sie angstvoll an.

Was zu einem schmerzhaft verzogenen Gesichtsaus-druck führt und zu "Und - ähm - Herr Pellocke? Ihr scheint Euch auf das Verbinden von Wunden zu ver-stehen. Dürfte ich Euch um einen großen Gefallen bitten?"

Mit einem Seufzer löst Frumol die Umarmung. Wie gern hätte er Sephyra noch weiter festgehalten, doch die Stimme des Herrn Kavaljäre bringt ihn in die Wirklichkeit zurück.

"Seid ihr auch verletzt, Herr Kavaljäre?" fragt er ihn - obwohl die blutigen Flecken seiner Kleidung dieses nahe legen.

Als Frumol sich Randirion anschaut, sieht er, dass Randirions Wams an zwei Stellen wohl von je einem Hieb getroffen ist. Und es ist Blut zu sehen.

Während Frumol noch auf eine Antwort des Herrn Kavaljäre wartet, mustert er den heran getretenen In-galf. 'Oh nein! Nicht noch einer' stöhnt er innerlich auf.

"Sehr geehrte Herren!" beginnt er als würde er eine Ansprache halten wollen. "Die Praxis des hohen und einzig verfügbaren Leibarztes, des großen und beein-druckenden Herrn Frumol Pellocke ist nun geöffnet! Darf ich die bedürftigen Herren bitten, einzeln vorzu-treten - dann werde ich mich sofort um Ihre Wehweh-chen kümmern, so dass diese alsbald kuriert und

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vergessen sein sollen." Er beendet seine Ausführungen mit einer ausschweifend einladenden Geste.

Währenddessen ruft er sich in Erinnerung, dass sein Vorrat an Verbandsmaterial nach diesen Behand-lungen wohl erschöpft ist. Hätte er das geahnt, hätte er sicherlich etwas mehr eingekauft.

Randirion kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Wenn Ihr gestattet, gelehrter Herr der Medizin, würde ich gerne Ihre Dienste in Anspruch nehmen."

Randirion verbeugt sich schwungvoll, schnappt aber dabei schmerzhaft nach Luft.

"Ihre Fähigkeiten, Herr Pellocke, wären in der Tat von höchstem Nutzen!"

Frumol fordert Randirion auf, sich Wams und Hemd zu entledigen.

"Sehr wohl, hoher Herr." Spielt Frumol das Wortspiel etwas weiter.

"Kommt heran", fordert er ihn mit einer Handbewe-gung auf. "Gestattet mir, hoher Herr, dass ich Euch bitte, Euren Oberkörper frei zu machen."

Was Randirion ohne große Scheu tut.

Mit einem schelmischen Seitenblick auf Sephyra ergänzt er: "Falls es Euch unangenehm sein sollte, wird die Dame sicherlich schicklich ihren Blick auf eine wohlriechende Blume wenden."

"Aber Herr Pellocke, ich bin sicher, die Dame kann selbst entscheiden was schicklich ist - und was inter-essant."

Randirion zwinkert Sephyra zu.

Sephyra spielt mit und wendet demonstrativ den Blick auf einen herunter hängenden Ast und riecht daran: "Hmm, wunderbar, dieser Duft!" und grinst. Dann wendet sie sich ab und befragt die Halunken.

Die 2 Hiebe sind längst nicht so tief wie bei Sephyra. Die Wunden sind leicht zu versorgen. Allerdings ver-braucht Frumol einen Großteil seines Leintuches, um Randirion zu verbinden.

Frumol wischt hier und drückt dort ein wenig und verbindet schließlich die beiden Wunden und ver-knotet den Verband.

"Hervorragende Arbeit, habt vielmals Dank, Herr Pel-locke!"

"Fertig, hoher Herr." entlässt er seinen Patienten. "Als Entlohnung geht die Zeche meiner Assistentin und meiner Bescheidenheit in dem nächsten Gasthof auf Euch."

"Akzeptiert. Sagt, Herr Pellocke, bitte, frischt mein Gedächtnis auf - wer von uns hatte den Eindruck ver-mittelt, dass es nur um ein paar Kinder gehe und nicht in den Kampf? Ich hätte meinen Küraß gut ge-brauchen können, der jetzt relativ nutzlos in des Mül-lers Scheune auf meinem Packsattel liegt …"

"Ich denke ihr habt die Worte des Müllers ebenso ge-hört wie alle anderen auch. Außerdem habt Ihr, Herr Kavaljäre, selbst entschieden, was ihr in der Obhut des Müllers zurücklasst. Dass ich den Rucksack mitnahm, hat sich als richtige Entscheidung herausgestellt." ant-wortet ihm Frumol ehrlich.

"Außerdem - wozu braucht ihr eine Rüstung, wenn ihr kämpfen könnt?" fügt er kritisch hinzu. Er hat zwar noch nie eine Rüstung getragen, weiß aber, dass sie ziemlich einengend sind. Und unbequem dazu.

Er wendet sich an Ingalf. "Komm zu mir, Sohn des Meeres. Hab keine Scheu."

Ingalf prustet bei dieser Anrede unterdrückt los.

"Nee, wat praktisch, dat du Arzt bis'" staunt Ingalf, als er diese überraschende Neuigkeit erfährt. "Hätt ich so nit gedacht, aber immer gut, einen zum Zusammen-flicken zu haben."

Bei Ingalf ist es überhaupt kein Problem, die Wunde zu verbinden. Frumol schätzt, das bereits am nächsten Morgen nur noch etwas Schorf an die Wunde erinnern wird.

"Keine Sorge, morgen Abend habt ihr die Wunde vergessen", entlässt er ihn aus seiner Fürsorge. Mit einem deutlichen Blick auf Sephyra fährt er fort: "Ihr sorgt für einen bequemen und lauschigen Schlafplatz für meine Assistentin und mich in der nächsten Her-berge."

"Na klar Mann, wir suchen uns ne nette Ecke im Schlafsaal, wenn wa 'ne Kneipe finden, da können 'mer noch ein bissen klönen … falls wir nich mit'm Kopp auf'm Tisch ratzen." Ingalf lacht vor Vorfreude auf das Saufgelage.

Bei diesen Worten muss Frumol unwillkürlich schmunzeln.

'Damit wären Speis' und Unterkunft erstmal gesi-chert.'

'Morgen …' Frumol fällt auf, dass es bereits deutlich Nachmittag ist.

Frumol blickt sich um und nimmt sein Rapier vom Boden auf. Er säubert es an der Kleidung eines Toten. Den Dolch lässt er im Bauch des Mannes stecken, schließlich will er ihm nicht noch mehr Schmerzen bereiten.

Er kann ihn auch später noch an sich nehmen.

"Wie schnell doch Praios über den Himmel wandert", murmelt er vor sich hin.

"Sephyra - Könntest Du bitte den Schurken hier nach den Kindern befragen? Die Müllers sorgen sich be-stimmt."

Sephyra knöpft sich den weniger Verletzten vor und fragt zunächst auf Garethi: "Wer seid ihr, was macht ihr hier?"

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Der antwortet auf Tulamidia: "Verstehe nicht."

Sollte das nicht erfolgreich sein, wiederholt sie die Fragen in Tulamidia mit den darin üblichen Aussch-mückungen, Flüchen und Verwünschungen … ("… Du Sohn einer …")

Die Befragung gestaltet sich ein wenig schwierig, was wohl nicht nur an der nicht ganz perfekten Sprach-kompetenz Sephyras liegt. Aber mit der Zeit und ein paar Drohungen kriegt Sephyra aus ihm heraus, dass die drei Freischaffende sind, denen der Boden in be-wohnteren Gebieten etwas zu heiß geworden ist.

Auf die Kinder angesprochen überrascht der Räuber Sephyra mit völligem Unverständnis.

"Nun, Madame Lunor, was spricht dieses aggressive Gesindel? Wo befinden sich des Müllers Kinderlein?"

Randirion versucht, die ruinierten Reste seiner teuren Kleidung einigermaßen wieder zurecht zu zupfen.

Er wendet sich an Sephyra, die mit der Befragung fertig zu sein scheint.

"Was hat er gesagt?"

"Nun, diese hier scheinen über die Kinder nichts zu wissen. Es sind 'ganz normale' Wegelagerer" antwortet Sephyra mit einem Schulterzucken.

"Das ist keine gute Wende der Ereignisse." antwortet ihr Frumol.

Dann geht er zu dem Verletzten, um dessen Wunden zu untersuchen.

'Ich kann sie hier doch nicht einfach liegen und sterben lassen.'

Vorsichtig nähert er sich dem Mann, um ihn nicht zu verschrecken.

Der schaut ihn nur angstvoll an, sagt aber nichts wei-ter. Er sieht übel aus mit der tiefen Schulterwunde, die Ingalfs Axt geschlagen hat. Über der linken Braue hat er eine Platzwunde, wohl das Ergebnis von einer der Bleikugeln Randirions. Und dann ist da noch der Dolch, der tief in seinem Bauch steckt.

'Für Dich kann ich nichts tun, Freischaffender. Bei je-dem in Deinem Zustand wäre ich machtlos.' stellt Frumol traurig fest. Dennoch schafft er es, ihn auf-munternd anzulächeln.

Er reißt von seinem neuen Hemd die Ärmel ab. Die Blutflecken würden sich sowieso nie wieder heraus waschen lassen. Mit einem Ärmel verbindet er, eher notdürftig, die Schulterwunde.

'Vielleicht hilft es ihm auf dem Weg zu Boron', recht-fertigt er seine Bemühungen in Gedanken.

Frumol ändert seine Entscheidung und greift vor-sichtig nach dem Dolch um ihn langsam aus der Wunde zu ziehen. Anschließend benutzt der seinen zweiten Hemdsärmel und notfalls auch den Rest des

ruinierten Hemds um den Straßenräuber zu ver-binden.

Als Frumol mit dem Verband fertig ist schaut er auf, was die anderen so treiben. 'Oh, großes Palaver' kom-mentiert er die etwas weiter stehende Gruppe. Etwas Hilfe hätte ich mir schon erhofft.

Er erhebt sich langsam und schaut zu dem zweiten Verwundeten, dem Bewusstlosen, hinüber. Zwar hat er nichts mehr zum Verbinden, aber es wird sich schon etwas finden lassen …

Dieser Räuber ist von einer Vielzahl kleiner Wunden übersät. Und dann gibt es noch eine tiefe Bauch-wunde. Eventuell könnte man Turban und Hemd des Verletzen selbst zum Verbinden nehmen, was Frumol auch tut. Nun ist der Tulamide in der Hand der Göt-ter.

"Nun, das sind schlechte Neuigkeiten."

Randirion ist verwirrt.

"Und was jetzt?"

Randirion schaut sich um: Er sieht seine Gefährten, die Räuber, drei Zelte, die Feuerstelle, den Wald drumherum.

"Na, weitersuchen, nur wo?" Ingalf kratzt sich nach-denklich am Kinn. "Die Kinners sinn rin innen Wald, so viel war ma' sicher, oder? Un' beide Räuber sinse nich', sagen die. Gucken wir uns doch erstma' die Zeltchen hier an, un' dann kömm'er immer noch anderswo hingehen." Ingalf schultert die große Axt und spaziert auf die Zelte los, bleibt jedoch einige Schritt vor dem ersten stehen und ruft: "Wenn da nu noch sonne Halunken drinnen sind, kommt ma besser raus, sonst gibbet noch heftigere Haue als für eure Kumpels."

Da sich daraufhin nichts rührt, nimmt er die …

… Axt in beide Hände und schlägt mit dem Fuß die Eingangszeltplane des ersten Zeltes zur Seite.

Ein Schlafplatz, bestehend aus ein paar Decken, einige schmutzige und einige saubere Kleidungs-stücke, ein bisschen Geschirr, ein Lederriemen.

Das ist alles. Es gibt nichts, was auch nur im entfern-testen auf die Kinder hindeutet.

In den anderen beiden Zelten ist es ähnlich. Die drei Räuber scheinen ziemlich arme Hunde zu sein. Geld ist in keinem der Zelte zu sehen.

Randirion denkt laut nach.

"Also, wenn die Kinder nicht beim Köhler angekom-men sind, und auch nicht abgebogen und hier ge-landet sind, müssen sie sich abseits der Wege seitwärts in den Wald geschlagen haben, oder?" Er versucht sich zu erinnern. "Oder haben wir eine Abzweigung über-sehen?"

Er wendet sich an die anderen.

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"Oder geht meine Logik fehl ob des Blutverlustes? Ehrenwerte Gefährten, mein Bosparano ist fast am Ende."

Sephyra blickt fast abwesend in den Wald und denkt nach. 'Wenn die Kinder nicht hier waren, wir keine Abzweigung fanden und die Räuber sie nicht gesehen haben - wo sind sie dann?' … Nach einer kleinen Weile, in der sie gedankenverloren mit dem aufge-hobenen Wurfdolch gespielt hat, dreht sie sich zu den anderen um und fragt: "Was ist, wenn die Kinder gar nicht hier in den Wald gegangen sind?" und deutet dabei den Pfad zurück, den die Gruppe genommen hat. "Vielleicht sind die beiden ja irgendwo den Hoppelhäschen hinterher gelaufen?"

"Hm. Dann haben wir ein Problem. Versteht sich ir-gendeiner der Dame und Herren auf die hohe Kunst des Spurendeutens?"

"Hmm, aber wo ich jetzt so darüber nachdenke … es gab doch vorhin eine Wegkreuzung mit einem alten, fast verschwundenen Waldpfad. Vielleicht finden wir dort etwas …"

Währenddessen wird seine Klinge an einem Stück Stoff sauber gewischt und in die Scheide gesteckt. Randirion sieht wieder fast so tadellos aus wie immer.

"Ach, Herr Kawaljere, wären Sie so freundlich, mir später vielleicht ebenso geschickt bei der Restauration meines Gewandes zu helfen? Mit Nadel und Faden haben Sie das Loch in der Hose sicher schnell geflickt …" fragt sie mit honigsüßem Lächeln.

"Madame Lunor, zu meiner Schande muss ich ge-stehen, dass ich die flinke Kunst der Nadel nicht be-

herrsche, auch mein Wams habe ich nur etwas zurecht gezupft. Doch was Eure Hose betrifft, so muss ich sagen, dass dieser Schnitt die Schönheit Eurer Beine positiv akzentuiert - es wäre geradezu schade, dieses Loch schnöde zu stopfen!"

Randirion verbeugt sich.

Sephyra ignoriert den Einwurf und die Schmeichelei-en und antwortet schlicht: "Schade, dann eben nicht."

"Also dann los, worauf warten wir?" fragt sie.

"Euch zu folgen, Madame Lunor, ist mir stets eine besondere Freude."

Randirion verbeugt sich zu Sephyra, nimmt seinen Krempel, lädt die Balestrina und ist bereit.

Und dann ist auch Frumol mit dem zweiten verletzten Räuber fertig.

Frumol erhebt sich und reibt die Hände aneinander. Er sammelt seinen Rapier und die Wurfdolche ein. Dann öffnet er den Rucksack und entnimmt diesem den maßgeschneiderten Schulterriemen mit den passenden Dolchen, welchen er sich umschnallt. Dann prüft er schnell den richtigen Sitz und zieht sich seine lederne Jacke über. Schließlich muss er nicht mit nacktem Oberkörper durch diesen Wald laufen.

Die anderen sind offensichtlich mit ihrer Untersu-chung der Zelte und der Lichtung fertig. Da sie sich auf ein weiteres Vorgehen geeinigt haben, gesellt er sich zu ihnen und wartet auf eine Reaktion. Als die Gruppe aufbricht, folgt er ihnen.

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Wohin?ephyra führt die Gefährten den Trampelpfad zurück und kommt wieder an die Stelle, wo sie

beim letzten mal der abknickenden Spur gefolgt waren.

S

Aus dieser Perspektive wird es deutlicher als vorhin:

Es scheint ein breiter Weg durch den Wald zu führen, der kaum benutzt wird. Nach links sind noch ein paar Spuren zu sehen. Dort geht es zum Köhler - und zur Mühle.

Nach rechts ist der Boden von trockenen Blättern be-deckt. Ohne jede Spur, aber fast schnurgerade. Zwei Fuhrwerke könnten einander ohne Mühe passieren.

"Na, zurück wolln 'mer ja wohl nich', oder? Dann bleibt ja nur noch der hier." Er zeigt auf den scheinbar unbenutzten Weg und geht los.

Eine gute Stunde lang bewegt sich die Gruppe durch den unheimlichen Wald. Keine Spur ist zu sehen, kein Laut, bis auf einen gelegentlichen Vogelschrei, ist zu hören.

Der Weg - ganz offensichtlich handelt es sich um einen - hat in den letzten Minuten eine leichte Links-kurve gemacht, und rechter Hand steigt das Gelände leicht an. Sephyra hat ein gewisses Gespür für die Wildnis (unter Blinden ist die Einäugige Königin), und so fällt ihr an einer Stelle etwas auf: Am Weges-rand liegen drei faustgroße Steine im Dreieck anein-ander, und obendrauf liegt ein vierter.

"Da, seht!" ruft sie aus. "Hier ist ein Zeichen, Steine im Dreieck, die einen Pfeil für die Richtung oder auch eine Wegmarkierung sein könnten."

Sie kauert sich hin, um die Steine genauer zu betrach-ten, ohne sie jedoch zu berühren.

Randirion sieht kurz hin, kann jedoch Sephyras Inter-esse nicht verstehen.

"Faszinierend."

… und wartet höflich, bis es weitergeht.

Es ist ein Haufen aus vier Steinen. Mehr nicht. Aber so, wie sie liegen, können sie hier nicht zufällig hinge-kommen sein.

"Hmm" überlegt Sephyra laut, "ich weiß nicht so recht, aber das muss einfach ein Zeichen sein, was meint ihr?" fragt sie.

"Da stimme ich Dir zu. Aber vielleicht ist es nur eine alte Markierung, von damals, als der Weg noch häu-figer benutzt wurde …" In diesem Wald ist ihm un-wohl zumute, und er wünscht sich, schnell wieder hier heraus zu sein.

In diesem Moment hört Frumol aus dem Wald rechts des Weges ein leichtes knack, als ob ein dünner mor-

scher Ast durchgebrochen wird. Er schaut hoch und sieht eine haarige Gestalt mit Stab in der Hand und zerrissener graubrauner Robe. Die Gestalt - ein alter Mann? - hält an, sieht Frumol direkt ins Gesicht, reißt erschreckt die Augen auf, dreht sich um und läuft mit raschen Schritten zwischen den Bäumen den Abhang hinauf.

Gleich wird die Gestalt außer Sichtweite sein!

'Ein Druide!?' überrascht blickt Frumol den Alten an. Dann fallen ihm die alten Schauergeschichten über die geheimnisvollen Druiden wieder ein.

Mit dem Wald verbündet sollen sie ein. Und Kinder klauen sie - so erzählte es ihm immer die Oma. Er hatte nie viel darauf gegeben, denn Druiden kommen nur selten in die Stadt.

"He, Alter Mann!" ruft er dem Fremden hinterher, während er ihm schon nach setzt.

"Warte!"

Als Frumol so plötzlich im Wald verschwindet und den Weg verlässt, sieht sich Sephyra verdutzt um: "He, Herr Kawaljere, was ist denn da los? Ist Euch irgend etwas aufgefallen?"

"Ja, ein sich verdächtig verhaltendes Subjekt! Kommt, Domna!"

Randirion setzt hinterher und darauf, dass Sephyra nun ebenfalls folgt.

"Halte er ein, alter Mann! Im Namen der Zwölfe, wir wollen Euch nichts Böses!"

Sephyra ruft dann noch: "Frumol, wo willst du denn hin, warte!"

Frumol hält nicht an.

"Ha, was?" Ingalf schaut kurz verdutzt drein, dann sprintet er Frumol und dem seltsamen Mann hin-terher.

Und dann rennt auch noch Ingalf los.

Aber sie folgt ihm nicht. 'Ganz toll! Jetzt rennen die beiden auch noch in den Wald hinein, als ob wir nicht genug Probleme hätten …' kommentiert sie in Ge-danken Ingalfs Verschwinden.

… und Randirion rennt auch noch hinterher.

Randirion schafft es gerade eben, ohne allzu sehr zu stolpern in Sichtkontakt mit Ingalf zu bleiben.

Allein bleibt Sephyra auf gar keinen Fall. Sie rückt den Rucksack zurecht und folgt dem Kavaljäre …

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Der Mann ist nicht besonders schnell, aber er scheint sich genau auszukennen - im Gegensatz zu Frumol und Ingalf. Während er mit keinem einzigen Ast kollidiert, über keine einzige Wurzel stolpert, kämpfen seine Verfolger mit den Tücken des Waldes.

"Autsch. He du, nu wart doch ma'! Wir … Mist … wollen gar nix schlimmes, nur … verdammt … was fragen. Donnerwetter noch ma'! Nu bleib doch ma' steh'n."

Ingalf versucht so schnell es geht, dem Mann hin-terher zu kommen.

Frumol senkt den Kopf und hebt schützend die Arme, so dass sein Gesicht von den Zweigen und Ästen ge-schützt wird. Seine Lederjacke bewahrt die Arme vor den schmerzhaften Kratzern, nur seine Hände sind ungeschützt. Da er den Rucksack nicht abgesetzt hat, wird dieser zu einem Hindernis, da sich hier Zweige verfangen. Bisher waren sie allerdings nicht kräftig genug um seinen Lauf aufzuhalten.

Sein Blick ist auf den Boden gerichtet um nicht zu stolpern, dabei schielt er immer wieder nach oben, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Hinter ihm läuft Ingalf, dann kommt Randirion und zum Schluss Sephyra.

Es geht nun deutlich bergauf, und der Alte scheint je-den Stein und jeden Ast zu kennen. Aber die Jugend der Verfolger führt dazu, dass er nicht endgültig außer Sichtweite verschwinden kann.

Schließlich erreicht die Jagd eine Lichtung vor einem steilen Felsen, der hoch über die Bäume hinausragt. Am Fuß des Felsens ist eine mit Fellen verhangene übermannsgroße Öffnung zu erkennen, in der der Alte verschwindet.

Als Frumol vor der Öffnung ankommt, hat er Seiten-stechen. Als er kurz anhält, schließt Ingalf zu ihm auf.

Schwer atmend bleibt Frumol stehen. Er hält sich die Seite und bemüht sich, gleichmäßig und nicht allzu hastig zu atmen. Dabei beugt er sich etwas vor um die Last der Rucksacks zu mindern.

Während so da steht, der Schweiß über sein Gesicht rinnt und ein Windhauch ihn nach dieser Hetztour angenehm kühl umströmt, lässt er den Höhlenein-gang nicht aus den Augen.

'Das muss ein Druide sein!'

Hinter sich hört er jemand den Hügel - oder ist das schon ein ausgewachsener Berg? - hinauf schnaufen. Kurz blickt er sich um und erkennt Ingalf der ihm ge-folgt ist. Ein ganzes Stück weiter unten müht sich der Herr Kavaljäre mit dem Aufstieg ab. Und Sephyra?

Er kann sie noch nicht zwischen den Bäumen er-kennen.

Zögernd richtet er sich wieder auf, die Stiche in seiner Seite lassen langsam nach.

Als Randirion näher herankommt, ist in einigem Ab-stand hinter ihm auch Sephyra zu sehen.

Frumol ist erleichtert als er Sephyra sieht - hatte er doch schon befürchtet, dass der Aufstieg ob ihrer Verletzung zu beschwerlich sein würde.

Beim Umherschauen sehen die Ankommenden, dass auf der Lichtung anscheinend ein kleiner Garten angelegt ist. Dort wachsen Beeren, Kohl, Schnittlauch und andere Kräuter und Gemüse.

Als Sephyra die Lichtung erreicht, schnauft sie tief durch und dann erst merkt sie eigentlich, dass sie große Schmerzen im Bein hat: 'Ach, meine Wunde! Verdammter …' Sie presst die Zähne zusammen und hält die Hand auf die Wunde, damit diese nicht even-tuell noch aufgeht oder zu bluten beginnt.

Dann sieht sie sich um und bemerkt die kultivierten Beete, 'mitten im Wald, komisch, wer haust denn hier? Freiwillig?!'

Frumol hat gerade eben etwas zu einer durch Felle verhängten Öffnung im Felsen gesagt. Was, das hat Sephyra nicht richtig mitgekriegt. Die Antwort aber schon. Da ist ein leichtes Zittern in der Stimme des Unsichtbaren.

Ohne auf die Anderen zu warten geht Frumol zu dem verhängten Eingang.

Dort angekommen spricht er laut und deutlich "Die Götter zum Gruße, alter Mann!"

Sofort ertönt von hinter dem Vorhang eine keifende Stimme: "Bleibt zurück, ihr von den Zwölfen verlassenen Wichte, oder mein Fluch soll euch treffen!"

Frumol weicht erschreckt einen Schritt zurück.

'Es ist wirklich ein Druide!' Böse sollen sie sein, flüstern sich die Menschen hinter vorgehaltener Hand. Vor Menschenopfern sollen sie nicht zurück-schrecken - Für ihre Rituale. Am liebsten Jungfrauen oder unschuldige Kinder.

Was soll er tun?

"Wir sind keine von den Zwölfen verlassene Wichte." stammelt Frumol unsicher.

'Glauben Druiden an die Zwölf? Oder verehren sie andere Götter' Frumol weiß es nicht.

"Ich bin Frumol." fährt er zögernd fort.

'War das klug, seinen Namen zu nennen? Kann der Druide jetzt Macht über ihn erlangen? In den Ge-schichten kommt so etwas vor …'

"Wir suchen jemand. Kannst Du uns helfen?"

"Ich habe mit euresgleichen nichts zu schaffen. Haut ab! Ich bin mit schrecklichen Waffen gerüstet!" kommt nach einer kurzen Zeit die Antwort.

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Frumol will sich schon wieder umdrehen und den vermeintlichen Druiden in seiner Höhle zurück-lassen: 'Mit schrecklichen Waffen gerüstet? Wozu?'

In den Erzählungen des fahrenden Volkes ist nie von bewaffneten Druiden die Rede gewesen. Sie haben einen Stock und ein Messer, aber keine schrecklichen Waffen!

Mit einem schnellen Schritt ist er wieder bei dem Vor-hang.

In diesem Moment ertönt Randirion "Ähm, guter Mann! Ich bin Cavalliere Randirion ya Calmatin aus dem Alten Reiche. Ich weiß nicht, wen Er mit 'eures-gleichen' meint, aber ich denke, wir sind es nicht. Wir kommen in Frieden, und wollen Ihm kein Leid. Im Namen Travias und Hesindes, höre Er uns an!"

'Möge Hesinde diesem Waldschrat etwas Hirn leihen, auf dass Er merke, wer hier steht!'

'Phex, halte Deine schützende Hand über mich und lass mich keine Dummheit begehen', fleht er.

Dann streckt er die linke Hand aus um den Vorhang mit einem Ruck zur Seite zu ziehen, damit das Licht von Praios Antlitz in die Höhle scheinen kann. Si-cherheitshalber bleibt er nicht in der Öffnung stehen sondern geht mit dem Vorhang zur Seite, sich halb da-hinter versteckend. Man weiß ja nie …

Das Licht fällt auf den Alten, der mit beiden Händen einen rostigen Dolch umklammert hält und ihn den Vieren entgegenstreckt. "Tu-Tut mir nichts, dann tue ich euch auch nichts", stammelt er.

'Was für schreckliche Waffen soll ein solcher Greis schon haben, die ich nicht mit Mutters Orknase über-treffen könnte? Schwachsinn!' Ingalf macht einen Schritt in die Höhlenöffnung hinein und bleibt dann stehen, damit seine Augen sich an die geänderten Lichtverhältnisse gewöhnen können.

Ingalf sieht in der geräumigen Höhle außer dem Al-ten, der ihn aus schreckgeweiteten Augen anschaut, roh gezimmerte Möbel - ein Tisch aus Birkenstämm-chen, zwei Holzschemel und eine Truhe aus Hasel-stecken. Im Hintergrund ist eine einfache Schlafstätte zu sehen: Auf einer dicken Laubschicht liegen mehre-re Felle übereinander.

Unwillkürlich muss Frumol grinsen: Das ist ganz be-stimmt kein Druide.

Ein alter Mann, der um sein Leben bangt.

Freundlich blickt er den Alten an. "Ich bin Frumol. Hab keine Angst. Keiner wird Dir etwas tun."

"Ich habe aber gar kein Geld", kommt die Antwort.

Frumols Grinsen wird noch breiter. 'Der Alte denkt wirklich, wir wollen ihn ausrauben.'

Bevor er jedoch antworten kann, fällt Ingalf gleich mit dem Tor in die Scheune.

"Schade für dich, aber eigentlich nich' schlimm? Hast hier ja alles, wat man so braucht." Ingalf grinst. "Nu steck' ma dat Messerchen wech, wir woll'n nur wissen, ob du was vonne Kinders vom Müller weiß'." Er schaut den Alten fragend an.

Während des Gesprächs hat sich Sephyra wieder et-was erholt und die Verletzung tut wieder weniger weh. Dann erst bemerkt sie, dass die Freunde bereits die Höhle betreten haben und sich mit deren Einwohner unterhalten. Den Inhalt des Gesprächs hat sie - selbst wenn gehört - nicht verfolgt.

Auch sie betritt nun die Höhle: "Sei gegrüßt!" spricht sie in einer kurzen Redepause der anderen den Alten an und wirft sehnsüchtige Blicke auf einen der roh ge-zimmerten Stühle, denn mit der Wunde nicht auf der Erde zu sitzen, wäre schon eine tolle Sache. 'Ob ich mich einfach setze? Oder sollte ich lieber fragen?'

Während sie so nachdenkt, stützt Sephyra sich unbe-wusst schwer an der Höhlenwand ab und greift wieder nach der verbundenen Wunde, die wieder heftiger nach der Bewegung schmerzt.

"Ihr wollt mich wirklich nicht ausrauben?" Der Alte entspannt sich ein wenig und lässt den Dolch halb sinken. "Von was für Kindern und von welchem Mül-ler sprichst Du?"

Randirion, der jetzt ebenfalls den Kopf durch den Höhleneingang steckt, kriegt die beiden Sätze gerade noch mit.

"Ah, Er scheint nicht weit herum zu kommen. Der be-wusste Müller ist sozusagen Sein Nachbar, und seine Kinder sind im Walde verschollen, und hinter diesen sind wir her. Nicht hinter Seinen" Randirion blickt belustigt über die offensichtliche Ärmlichkeit der Höhle "Reichtümern",

"Daher würde es mich freuen, wenn Er uns sagen könnte, ob und wo Er die Kinder gesehen hat …"

Der Alte lässt den Dolch endgültig sinken. "Müller … Kinder", sinniert er. Dann fängt er an zu erzählen: "Lange war ich allein in diesem Wald. Es tat gut nach … Aber das tut nichts zu Sache. Der Köhler geht nicht sehr tief in den Wald. Das ist gut so." Er denkt noch etwas nach.

In diesem Moment kommt auch Sephyra herein, aber der Alte reagiert nicht auf Sephyras Gruß.

Dann fährt er fort: "Kinder, ja Kinderlachen habe ich manchmal am Westrand des Waldes gehört. Früher. - Vor fast drei Wochen kam das Gesindel. Hat mich ge-jagt, sind aber dumm im Wald. Können die Zeichen nicht sehen. Dachte, ihr wärt auch Gesindel. Aber Sorgen bereitet etwas anderes. Da ist etwas im alten Schloss …" Der Alte schaut sehr besorgt, sagt aber nichts weiter.

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Dann besinnt er sich. Er schaut auf einmal zu Sephy-ra und spricht sie direkt an: "Mädchen, bist Du verletzt? Kann ich Dir helfen? Setz Dich doch!"

"Ja wie, was jetzt? Das sind doch nur ein paar Kratzer, die laufen nich' wech. Was is nu mit dem Schloss, und mit den lachenden Kindern?"

Sephyra nickt dankend und nimmt Platz.

Der Alte schaut Ingalf vorsichtig an. Dann strafft er sich und fragt: "Höflichkeit ist Deine Stärke nicht, junger Mann, oder?" Dann geht er zu Sephyra und führt sie zu einem der Stühle. "Setz Dich, Mädchen, ich habe eine Suppe für Dich."

Frumol steht stumm am Höhleneingang.

'Das führt schon wieder in eine ganz andere Richtung. Was haben die Götter mit uns vor?' sinniert er über die Worte des Alten. Sie sollten doch nur den Kindern nachgehen …

Zu spät um sie zu stützen bemerkt er Sephyras Schmerzen. Der Alte ist schneller und bietet ihr neben einem Stuhl auch noch Suppe an! Vermutlich hat er sehr lange keine Frau mehr gesehen. Es ist gut, wenn sich Sephyra ein wenig ausruht, doch er wird den Al-ten im Auge behalten, nicht dass es doch noch ein Druide ist, der Böses im Schilde führt. Praios behüte!

Ingalf verdreht leicht genervt die Augen, stellt seinen Seesack ab und lehnt die Axt dagegen. Dann verschränkt er die Arme vor der Brust und wartet dar-auf, dass Sephyra verarztet worden ist, um dann von dem Alten mehr über das rätselhafte Schloss zu erfah-ren.

Im Hintergrund der Höhle entfacht der Alte eine bis-lang im Dunkeln gelegene Feuerstelle. Und kommt dann mit einem schwarzen Kessel in der Hand auf In-galf zu. "Gehe links am Felsen entlang den Abhang hinab! Dort ist eine Quelle. Fülle den Kessel halb mit Wasser! Und komm dann wieder."

Der resolute Mann drückt Ingalf den Kessel in die Hand.

"Was, du musst das erst noch kochen? So viel Zeit haben wir nun wirklich nicht, Alterchen. Wir können hier doch nun wirklich kein gemütliches Beisammen-sein veranstalten, wenn ihr auf der Suche nach 'n paar verängstigten Kinderchens sind."

"Wenn Du nicht in Eile bist, dann kannst Du eilen!" entgegnet der Alte kryptisch.

Falls keiner der anderen Ingalf bei seinem Protest un-terstützt, zuckt er mit den Achseln und macht sich auf den Weg zu der Quelle.

Ingalf findet die Quelle leicht. Das Wasser sprudelt klar aus dem Felsen.

Ingalf füllt den Kessel etwa ein Viertel voll mit Wasser, schwenkt den Kessel aus und schüttet das Wasser aus,

dann füllt er ihn zur Hälfte mit Wasser und geht zu-rück zu den anderen.

"Wartet ein wenig", spricht der Alte die anderen an. "Ich hole noch etwas von draußen. Nehmt einfach Platz."

Wenige Minuten später ist der Alte mit Blättern, Knollen und Wurzeln wieder da. "Möchtet ihr auch etwas? Es ist nicht mehr lang hin bis zur Abend-stunde."

Randirion, etwas überrumpelt von der plötzlichen Ak-tivität und Gastfreundschaft des Alten, findet seine Stimme wieder.

"Äh, guter Mann, wir sind Ihm sehr zu Dank ver-pflichtet ob der Gastfreundschaft, die Er uns anbietet. Wir würden auch gerne bleiben und uns an der sicher-lich leckeren" - Randirion blickt etwas zweifelnd auf das Unkraut - "Mahlzeit laben. Doch leider sind wir bereits im Dienste Travias auf dem Weg, um eine un-glücklich zerrissene Familie wieder zusammenzufüh-ren."

"Dieser Dienst an Travia ist ein Ehrendienst, ihr werdet ihn aber heute nicht mehr erfüllen können", erwidert der Alte ernsthaft.

Randirion holt etwas Luft, die Wunde an der Seite schmerzt auch noch etwas dabei.

"Wie Er sich sicherlich erinnert, waren wir auf der Su-che nach den beiden vermissten Kindern des Müllers vom Westrand des Waldes. Mit jeder Stunde, die wir verlieren, wächst die Sorge der Eltern. Und was auch immer den Kindern zugestoßen sein mag, es wird si-cherlich mit verstreichender Zeit nicht besser. Wäre es möglich, dass Er, um uns zu helfen, erzählt, was Er weiß? Die Dankbarkeit der Müllersleute wird Ihm ge-wiss sein, wie auch die unsere."

"Die Sorge der Eltern wird weiter wachsen, egal was ihr tut," erklärt der Alte fest, "denn ihr werdet die Kinder heute nicht mehr finden. Wenn sie irgendwo im Wald verloren wären, wüsste ich es. Die Krähen und Aasfresser sind untrügliche Zeichengeber für den, der lesen kann."

Der Alte fängt an, das Gemüse auf dem Tisch zu zer-kleinern. In diesem Moment kommt Ingalf zurück. "Hänge das Wasser dort an dem Dreibein auf, mein Junge", weist der Alte Ingalf an. Dann fährt er mit sei-ner Erklärung fort: "Wenn die Kinder nicht mehr im Wald sind, dann sind sie entweder wieder wohl behal-ten bei ihren Eltern. - Oder sie sind" – er senkt sein Stimme - "in der Burgruine."

'Hmm, lecker, Wurzeleintopf …' stöhnt Sephyra in-nerlich. Die Wunde am Bein schmerzt etwas, jedoch weniger, seit sie sitzt.

Plötzlich erscheint vor ihrem inneren Auge ein Bild: an einem Baum hängen zwei ungerupfte Fasane und ein Reh.

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Nach einem kleinen Moment ergänzt er: "Dort würde ich zur Nacht besonders mit Wunden, die noch nach Blut riechen, nicht hingehen."

"Na toll, hausen da etwa blutdurstige Untote Piraten?" fragt sie halb im Scherz, besinnt sich aber sofort wieder und ergänzt: "Entschuldigung, so war das nicht gemeint."

"Mit untoten Piraten würde ich nicht rechnen", er-widert der Alte ungerührt und werkelt weiter.

"Was erwartet uns denn dort?" fragt Frumol frei her-aus. 'Ich hatte mir Abenteuer interessant und spannend vorgestellt - jedoch nicht, dass wir ständig in Lebensgefahr schweben.'

Der Alte schüttet das klein gehackte Gemüse in das Wasser und erklärt dann: "Das weiß ich nicht. Ich war noch nie dort. Es gibt nichts, was mich zu den Ruinen zieht. Aber Kinder sind neugierig."

Er lächelt. "Ja, Kinder. - Was mir aber ein Sorge berei-tet, ist, dass beim letzten Vollmond vom Schloss ein unheimliches Geheul zu hören war. Außerdem sind über dem Sumpf vermehrt Irrlichter aufgezogen. Ir-gendwas geht da vor sich. Und wie ihr alle wisst, jagen Ungeheuer kleine Kinder."

Der Alte rührt die Suppe um.

Bei diesen Worten fröstelt es Frumol unwillkürlich. Das hört sich ganz nach einem Ort an, an dem er nicht sein möchte … Doch die Götter lenken die Schritte der Menschen - und Phex hat seine schützende Hand auch auf dem schwarzen Schiff mit all seinen Schrecken und vorher in den Kellern der Wirtshauses über ihn gehalten. In all dieser Zeit hat er - im Gegensatz zu seinen Gefährten - keine schweren Verletzungen hinnehmen müssen.

"Vertraue auf Phex und Travia!" murmelt er leise.

Sephyra zieht den Duft der Suppe tief in die Nase und überlegt: 'Na, ob ich je soviel Hunger haben kann …?'

Randirion hat resigniert und versucht nun, mit möglichst guter Miene die Suppe zu überleben. 'Ist es wirklich schon zu spät, um jetzt noch irgendwohin zu reisen? Wenn ja, wo sollten wir übernachten? Keine Herberge weit und breit, mehrere Stunden zurück zu den Müllern …'

Ansonsten hört sie interessiert dem Alten weiter zu. Dabei versucht sie, die Gesichter der Gefährten zu lesen. 'Haben sie ebensolche Furcht?' geht es ihr durch den Kopf. 'Schließlich hatten Ingalf und der Kawaljere noch nicht das "Vergnügen" mit untoten was-auch-immer-bloß-keine-Piraten. Ganz im Gegensatz zu Frumol und mir.'

Randirion hat diese Aussage gar nicht ernst genom-men und durch ein leidendes Augen verdrehen lautlos kenntlich gemacht. 'Untote? Ammenmärchen.'

Er ist jedoch zu höflich, um direkt zu widersprechen.

Der Alte fügt noch das eine oder andere Gemüse dem Eintopf hinzu. An den leichten Brennnesselgeruch ge-wöhnt man sich auch mit der Zeit, und dann erinnern sich Sephyra und Frumol daran, was sie im letzten Jahr alles schon essen mussten. Die Zeiten waren nicht immer so gut, wie sie jetzt sind.

Frumol mustert kurz den Eintopf. So übel sieht er gar nicht aus, und an den Geschmack kann er sich ge-wöhnen. Er hat schon ganz andere Dinge essen müssen, an die er nicht gern zurückdenkt.

Ingalf harrt der Dinge, die da essenstechnisch auf ihn zukommen, er ist zum Teil übelsten Fraß gewöhnt, und ein Gemüseeintopf hat zwar bedauerlicherweise meist weder Fleisch noch Alkohol, aber sonst … wenn's satt macht und nicht übel ist.

"Wie kommt ihr vier Nordländer eigentlich dazu, hier im Süden nach verschwundenen Kindern zu suchen?" fragt der Alte nach einem Moment des Schweigens?

"Och, das ist eine lange Geschichte, und leider noch nicht lange genug her." antwortet Sephyra etwas unbe-stimmt. Es ist offensichtlich, dass sie dazu nicht mehr sagen wird und wechselt vielsagende Blicke mit Frumol.

Diesen Part überlässt Frumol gerne dem Kavaljäre oder einem anderen.

Der hochnäsige Kavaljäre sieht nicht so aus, als würde er von dem Eintopf probieren wollen. Dann soll er wenigstens reden. Das tut er ja eh dauernd.

"Na ja, bin von Bord gegangen, um … ja … um man ein büschen von der Welt zu sehen, was nich' direkt am großen Wasser liegt." Ein leicht wehmütiger Un-terton schleicht sich in Ingalfs Stimme. "Jetzt bin ich auf jeden Fall hier, und die Kinnerchens müssen ja auf jeden Fall gefunden werden, wenn da im Schloss Wölfe und" er macht das Zeichen gegen den bösen Blick, "Irrlichter oder gar Geister sind. Wie war das jetzt mit toten Piraten? Was denn für Piraten?" Ingalf blickt ein wenig verständnislos in die Runde.

"Was sollen tote Piraten in einer Schlossruine? Tote Räuber oder Schlosswächter sind näher liegend", erläutert der Alte trocken.

"Nicht tote Piraten, sondern untote Piraten. Da besteht ein kleiner Unterschied, den Du Dir mal bei Gelegen-heit von - ähh – Banjew, unserem erklärten 'Lieblings-Magus', erklären lassen solltest." ergänzt Sephyra auf Ingalfs Frage. "Nein, im Ernst, wir hatten vor kurzem unangenehme Erfahrungen mit derlei Gelichter und ein alsbaldiges Wiedersehen mit Etwas, das mehr als nur tot ist - darauf habe ich wirklich keine Lust!"

Der Alte hat Sephyra wohl gehört, zieht es aber vor, darauf nicht einzugehen. Ein aufmerksamer Beobach-ter sieht allerdings ein leichtes Hochziehen der Augenbrauen.

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Schließlich ist das Essen fertig und der Alte tischt allen den Gemüseeintopf auf. Nach einem kurzen Moment der Einstellung auf den Geschmack erweist er sich als durchaus wohlschmeckend - und sättigend.

Ingalf langt mächtig zu.

Zuerst etwas verhalten, dann aber mit wachsender Be-geisterung löffelt auch Sephyra die Suppe. 'Hm. Gar nicht übel. Hatte wirklich schon Schlimmeres.'

Als der Eintopf endlich fertig ist kommen ihm doch die anderen Nahrungsquellen in den Sinn: Im Ver-gleich dazu könnte man den Eintopf fast als Festsch-maus bezeichnen. Außerdem hat er gar nicht bemerkt, wie hungrig er ist. So verschlingt er fast den Eintopf.

Randirion, der in dem suspekten Essen nur höflich herum gestochert hatte und allenfalls einen oder zwei Bissen in den Mund befördert hatte, fühlt sich durch die Stille nach des Alten Frage und durch Frumols Blick ermuntert, die Suppe beiseite zulegen und zu er-zählen.

"Ah, nun, so lasst mich erzählen! Mein Name ist Ran-dirion ya Calmatin aus dem Alten Reich. Ich machte mich auf, die Ferne zu sehen und fremde Länder zu besuchen, und mein erster Halt auf diesem Wege war Thalusa.

Dort verließ ich unser Schiff, voll bester Laune und frohem Herzen. Leider jedoch bin ich des Tulami-dischen nicht mächtig, was meinen Genuss an dieser Stadt etwas schmälerte. Nach einigen Tagen in dieser Stadt beschloss ich daher, mich nach dem fernen Khunchom zu begeben, da es in dieser Stadt vieles zu sehen gäbe, und man dort bestimmt auch Menschen meiner Zunge fände.

Und siehe da, schon wenige Meilen außerhalb der Stadt treffe ich ein überaus freundliches Pärchen. Zum einen Herrn Frumol Pellocke, ein absolutes Fak-totum, der Wunden verbinden kann wie der beste Kusliker Heiler, mit seinem Rapier kämpft wie ein Vinsalter Gardist und ohne Zweifel noch viele weitere unentdeckte Talente aufweist."

Eine leichte Verbeugung Richtung Frumol beschließt dessen Vorstellung.

"In seiner Begleitung befand sich die damals wie jetzt zauberhafte Madame Sephyra Lunor, deren Lächeln einen sämtlichen Staub der Küstenstraße vergessen lässt, und deren scharfer Verstand nur noch durch ihre Anmut und Grazie übertroffen werden. Sie verdiente, von einem besseren Dichter als mir unsterblich ge-macht zu werden."

Eine Verbeugung und ein Lächeln an Sephyra.

"Diese beiden boten mir gastfreundlich von ihrem Mahle und ihrem Weine an. Unfähig, diesen beiden guten Menschen Gleiches angedeihen zu lassen, lud ich sie zur nächsten Mahlzeit ein. Doch noch bevor wir damals unsere Speisen wieder verstaut hatten, traf

Ingalf Wedmansson auf uns, der ebenfalls von Thalu-sa auf dem Wege nach Khunchom war. Wie Ihr si-cherlich erkennen könnt, ist Herr Wedmannsson vom Volke der Thorwaler, einer ihrer mächtigsten Krieger und wagemutigsten Seeleute! Ein Schiff, auf dessen Planken er steht, wird jedem Sturme trotzen; und wenn er seine Axt im Kampfe schwingt, weiß man, warum die Hjaldinger stets die gefürchtetsten aller Seefahrer waren."

Eine Verbeugung in Richtung auf den eifrig löffelnden Ingalf schließt die Vorstellungsrunde ab.

"Von der Reise nach Khunchom gibt es zunächst wenig zu erzählen, als dass wir, nachdem sich das ge-meinsame Ziel Khunchom herausgestellt hatte, beschlossen, diesen Weg in einem Land, in dem wir alle Fremde waren, gemeinsam zu bestreiten. So er-reichten wir die Grenzen dieses Waldes, und sahen mit eigenen Augen den Schmerz und das Leid der ar-men Müllersleute, die da um ihre Kinder trauerten.

Natürlich taten wir, was jeder anständige Mensch in dieser Lage getan hätte: wir boten dem Müllerspaar unsere Hilfe an. Und so drangen wir in diesen Wald ein. Wir trafen auf den Köhler Abmal, der glaubte, die Kinder im Wald gehört zu haben, und uns eine Rich-tung wies. Dort wurden wir heimtückischerweise von kriminellen Wegelagerern angegriffen, die jedoch vor des Herren Ingalfs Axt nicht bestehen konnten. Doch auch sie hatten die Kinder nicht gesehen. Und so suchten wir weiterhin den Wald ab - und trafen auf Ihn, der ohne Gruß im Walde zu entschwinden such-te. Uns erschien Sein Verhalten sehr verdächtig. Jetzt, wo wir Seine Gäste sind, bitten wir umso mehr um Vergebung für die Hatz."

Randirion verbeugt sich leicht (allerhöchstens ein Kopfnicken) in Richtung auf den Alten.

Der Alte nickt gütig zurück.

"Wir konnten ja nicht wissen, dass hier ein göttertreu-er Mensch sein Heim gefunden hat. Noch weniger konnten wir wissen, dass Er so viel über diesen Wald weiß. Was ist das denn nun für eine Ruine, dass Er glaubt, die Kinder seinen dort, doch wir sollten heute Nacht nicht mehr hingehen?"

"Wie ich vorhin beim Kochen schon Deinem Ge-fährten mit den Dolchen sagte", der Alte schaut kurz zu Frumol, "weiß ich nicht, was in der Ruine ist. Ich war noch nie dort. Es gibt nichts, was mich zu den Ruinen zieht. Ich möchte einfach nur meine Ruhe. Beim letzten Vollmond war vom Schloss ein unheim-liches Geheul zu hören, und über dem Sumpf sind vermehrt Irrlichter aufgezogen. Da würde ich nicht des Abends oder Nachts hingehen. Wer weiß, was für Ungeheuer dort umgehen."

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'Eben dies hat er vorhin gesagt' stellt Frumol fest. Der Alte scheint wirklich nichts zu wissen, oder will es nicht sagen.

Die Zeit vergeht, und die Esser merken, wie sich eine leichte Müdigkeit breit macht, ganz so, wie es nach einem reichlichen Essen üblich ist.

In das gesättigte Schweigen hinein fragt der Alte plötzlich: "Es hat nicht einer von euch zufällig einen Schnaps dabei?" Ein sehnsüchtiger Ausdruck er-scheint in seinen Augen.

"Dann schlage ich vor, dass wir rasten und morgen früh zur Ruine aufbrechen." schlägt Frumol vor, ob-wohl ihn nichts dorthin zieht.

'Travia, lass uns bald die Müllerskinder finden und wohlbehalten zurückbringen.'

"Wenn ihr mögt, könnt ihr hier gern nächtigen", bietet der Alte an.

"Einmal alle zehn Götterläufe etwas Gesellschaft zu haben, sollte sogar der große Jäger schätzen."

"Ich danke für Dein Angebot." erklärt Frumol. 'So muss Sephyra nicht noch laufen und kann ihr Bein schonen. Ingalf und der Herr Kavaljäre ebenso. Wer weiß was uns morgen erwartet in der Ruine …

"Betten habe ich allerdings keine, aber ein paar Felle", ergänzt der Alte.

"Fein. Das ist besser als auf dem harten Boden." Frumol ist sichtlich erfreut über dieses Angebot. 'Mehr Ungeziefer als auf dem kalten Boden wird da hoffent-lich nicht drin rumkrabbeln.'

Freundlich nickt er dem Alten zu und wendet sich an Sephyra: "Wie geht es Dir?" fragt er mit einem besorg-ten Unterton.

"Ja, geht schon." antwortet sie kurz angebunden. Da-nach sucht sie sich ein ruhiges Plätzchen und streckt sich lang aus.

'Komisch, dass sie sich nicht Laub aus dem Wald als Unterlage holt', wundert sich der Alte, sagt aber nichts.

"Einmal alle 10 Götterläufe, Mann Mann Mann, da muss'te ja wunderlich werden. Schnaps hab ich keinen, aber Wein!" Ingalf holt den Weinschlauch und seinen Becher heraus und schaut dann den Alten fragend an. Wenn dieser auch einen Becher vorzeigen kann, schüttet er auch ihm ein.

Der Alte reagiert sehr erfreut und holt einen Holzbe-cher aus dem hinteren Bereich der Höhle. Ingalf schüttet ihm ein.

"Auf die Götter, und ne zünftige Wolfsjagd morgen. Prost!" und trinkt den Becher in einem Zug leer, schüttet nach und fragt in die Runde "Noch jemand?"

"Auf die Götter!" spricht auch der Alte. "Besonders auf Dich, großer Jäger", fügt er fast unhörbar hinzu.

Sephyra schüttelt nur den Kopf und bemerkt dabei, wie hart der Untergrund hier ist. Sie steht auf und greift sich ihren Rucksack von vor der Höhle, holt die Decke heraus und kehrt mit dem Rucksack in der zweiten Hand zurück.

Draußen ist die Sonne dabei, unterzugehen.

"Könnte ich wohl eines der angebotenen Felle haben?" fragt sie den Alten, während der noch mit Ingalf be-chert.

"Sehr gerne!" antwortet der Alte und holt ein Fell. Es hat rötlich braune ziemlich kurze Haare und ist dem Geruch nach offensichtlich ungegerbt.

Sie legt sich das Fell unter, stopft sich den Rucksack in den Rücken und lehnt sich mit einem leisen Seufzer gegen die ansonsten harte Felswand. Sie deckt sich zu und ist bald in einen leichten Schlummer gefallen.

"Gerne", antwortet Frumol auf Ingalfs Frage und holt seinen Becher aus dem Rucksack. Auch den angebro-chenen Weinschlauch nimmt er mit. Den Rucksack hingegen gibt er Sephyra. "Vielleicht kannst Du Deinen Kopf drauf legen" schlägt er ihr vor. 'Es muss sehr anstrengend für sie sein, wenn sie sich schon jetzt zur Ruhe legt. Aber auch wir sollten nicht mehr allzu lange aufbleiben, schließlich müssen wir wieder früh hoch.'

Dann begibt er sich zu Ingalf und dem Alten und lässt sich einschenken.

"Wie nennst Du Dich?" fragt er den Alten.

"Ähh." Der Alte ist sichtlich überrascht. Er denkt einen Moment nach, und dann scheint ihm sein Name einzufallen: "Firan, ja so heiße ich. Aber bevor Du weiter fragst, junger Mann: Meine Geschichte ist lange vorbei, und das ist auch gut so."

Frumol trinkt langsam seinen Becher aus und hängt seinen Gedanken nach. Der Alte will offensichtlich nicht mehr erzählen. Was soll's? - Was auch immer sie morgen in der Burg finden werden, sie müssen die Kinder finden.

Nachdem er seinen Becher geleert hat, bittet Frumol den Alten um eines seiner Felle und begibt sich zur Ruhe.

Möglichst leise, um Sephyra nicht zu stören, breitet er das Fell neben ihr aus und legt er sich nieder, nach-dem er den Gurt mit den Messern neben sich abgelegt hat. Vorsichtig kuschelt er sich nah an Sephyra, den Kopf auf seinem angewinkelten Arm gelegt.

'Was mag dort sein? Was wird sie erwarten?', über diesen Gedanken schläft er schließlich ein.

Auch der Alte schweigt versonnen.

'Langweiler!' denkt sich Ingalf, sagt aber nichts weiter zu dem Thema, sondern bittet um ein Schlaffell, deckt sich mit seinem Umhang zu und versucht zu schlafen.

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"Ein Schaffell habe ich leider nicht, aber das hier sollte auch reichen", erwidert der Alte und gibt ihm ein röt-lich braunes Rehfell. Da Ingalf es gewöhnt ist, auf hartem Untergrund (Schiffsplanken) zu schlafen, ist er schnell im Traumreich Borons.

Randirion erbittet ebenfalls ein Fell, und hat dann eine wenig erholsame Nacht, in der er sich auf hartem

Grund hin und her wälzt. Irgendein Kiesel oder Fels-vorsprung drückt immer gegen die Rippen …

Außerdem hat er den Verdacht, dass in seinem Fell außer ihm noch einige weitere, deutlich kleinere Wesen wohnen, die leider überhaupt nicht schlafen …

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Zur Schlossruinem nächsten Morgen werden alle vom Alten ge-weckt. Die Gefährten haben überraschend gut

geschlafen. Auch ist der Heilungsprozess bei allen Verwundungen überraschend gut fortgeschritten.

A

Frumol reckt sich ausgiebig. Schon lange hat er nicht mehr so gut geschlafen. Er reibt sich den Schlaf und die Müdigkeit aus den Augen und hilft Sephyra zu-vorkommend auf die Beine.

Randirion wundert sich, doch irgendwie Schlaf ge-funden zu haben, kommt aber nicht umhin, über sich selbst die Nase zu rümpfen.

"Wenn ihr euch erleichtern wollt, geht bitte rechts her-um", bekommen die Helden bei der Morgentoilette noch mit auf den Weg.

Sephyra streckt sich, gähnt und erhebt sich unter Rücksichtnahme auf die Verletzung. Überrascht stellt sie fest, dass die Wunde sich über Nacht vollständig geschlossen hat und nur unangenehm juckenden Schorf zurückließ.

Sie folgt dem Rat des Alten und macht sich - von den anderen getrennt - für den Tag und seine Abenteuer bereit. Als sie fertig ist, kehrt sie zurück und fragt nur: "Frühstück? - Ich habe einen Bärenhunger!"

Voller Tatendrang erledigt er zuerst seine Morgentoi-lette und untersucht dann Sephyras Beinverletzung. "Die ist wirklich gut geheilt", stellt er fest.

Frumol nimmt ihr den Verband ab, da sie ihn gar nicht mehr braucht.

Sofern die Wunden der übrigen ebenfalls so gut verheilt sind, nimmt er auch deren Verbände wieder an sich und wäscht sie vor dem Aufbruch im sauberen Wasser der Quelle aus.

Der Alte hat Wasser von der Quelle geholt und of-fensichtlich auch Beeren gesammelt, so dass alle ge-sättigt werden.

"Ich habe wirklich gut geschlafen. Und ihr?" fragt er die übrigen beim Frühstück. "Die Beeren sind echt le-cker" ergänzt er, an den Alten gewandt.

"Er sei bedankt für Seine Traviagaben!" freut sich Ran-dirion über das Frühstück.

Er wird allerdings noch vor dem Aufbruch Gebrauch von der Quelle machen, um sich irgendwie zu reinigen, da er sich sehr verlottert fühlt.

Vor dem Aufbruch legt er sich wieder den Messergurt um und überprüft den richtigen Sitz. Obwohl er nicht beabsichtigt, davon Gebrauch zu machen, fühlt er sich besser, sicherer. Wer weiß schon, was ihnen noch be-vorsteht.

Schnell überprüft er seine Ausrüstung, dann legt er seine Decke zusammen und verstaut sie wieder im

Rucksack. Alles hat seine Ordnung, so auch Frumols Rucksack. Die Decke wird nicht einfach oben hinein gestopft, sondern so verstaut, dass er rasch und ohne Mühe an sein Werkzeug, unter anderem seine Dietri-che, herankommt.

Als er damit fertig ist, setzt er sich den Rucksack auf.

"Ich bin soweit. Meinetwegen können wir los." Und an den Alten gewandt: "Habt Dank für Eure Gastfreundschaft."

"Besucht mich mal wieder in ein paar Jahren", ruft der Alte den vieren hinterher, als sie aufbrechen. Den Weg zu Schlossruine hat er ihnen gewiesen: "Den Abhang hinunter bis zu meiner Markierung - ich übersehe den Einstieg immer wieder, und dann müsst ihr nur dem alten Weg folgen, den ihr gekommen seid."

So kommt es, dass die Helden noch am frühen Vor-mittag den Waldrand erreichen. Ein 3 Schritt breiter Steinweg geht voraus durch einen 10 Schritte breiten Streifen hüfthoch stehenden, grobblättrigen Grases, der den Wald von einem Sumpf trennt.

Noch in Sichtweite steigt hinter dem Sumpf das Ge-lände wieder an, und dort scheint sich eine Ruine zu erheben.

'Uh, grausig anzuschauen, selbst im Morgensonnen-schein!' denkt sie.

Frumol schaut mit schwerem Herzen auf die Land-schaft. Das Gelände erscheint ihm wenig einladend. 'Da wollen wir also hin. Warum laufen Kinder nur an einen solchen Ort?' Da fällt ihm ein, was er noch alles vor einigen Jahren - und auch noch später - angestellt hat.

Dennoch zögert er, weiterzugehen - ist doch hier alles so unbekannt. Es gibt nur diesen einen, breiten Weg der zum Ziel führt. Unwillkürlich seufzt er auf.

"Nun, das wird wohl unser Ziel sein. Welches Ge-schlecht baute wohl mitten im Tulamidenland solche Burgen - und noch dazu tief im Walde?" denkt Randi-rion laut.

Der Steinweg ist im Sumpf teils von Wasser überflutet. Es sieht aber so aus, als ob man da hindurch kommt. Rechts und links des Weges stehen direkt am Sumpf-rand zwei alte Weiden.

Sephyra verlässt sich auf die anderen und folgt ihnen.

Die hiesige Flora findet bei Randirion - so sie weder aggressiv noch hübsch ist - nicht wirklich Beachtung …

Nach dem kurzen Moment des Zögerns rafft sich Frumol wieder auf. Er rückt den Rucksack auf dem Rücken zurecht.

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"Na, dann lasst uns eilen, damit wir den Bub und das Gör schnell finden." sagt er zu seinen Gefährten. In Gedanken fügt er noch hinzu: 'Und vor Einbruch der Dunkelheit am besten wieder aus der Ruine heraus sind.'

Noch einmal nestelt er an den Riemen, dann geht er auf dem Steinweg auf den Sumpf zu.

Neben ihm geht Randirion, direkt dahinter kommen Ingalf und Sephyra.

Auf halbem Weg zum Sumpfrand löst sich ein großer Vogel aus der rechten Weide. Es ist eine Eule, und sie fliegt direkt auf Frumol zu.

Als Frumol den großen Vogel auf sich zufliegen sieht bleibt er erschreckt stehen. Es ist schon beeindru-ckend, wie groß und lautlos ein solcher Vogel fliegen kann. In Havena hat er bisher meist nur einige Käuze gesehen, die ein ganzes Stück kleiner waren.

"Seht nur, ist dies nicht ein faszinierendes Schauspiel, wie elegant und lautlos diese Vögel daher gleiten …" meint Randirion während des Anflugs, dann erschro-cken: "Obacht, Pellocke!"

Die Eule kommt immer näher, und dann greift sie ihn an. Im Vorbeiflug versucht sie, mit ihren Krallen Frumols Gesicht zu zerkratzen, verfehlt ihn aber.

Als die Eule immer weiter auf ihn zugeflogen kommt, ohne ihren Kurs zu ändern, wird Frumol ganz mul-mig im Bauch. Schnell duckt er sich weg um nicht von den scharfen Krallen verletzt zu werden. Dabei dreht er sich um, so dass er den Flug der Eule beob-achten kann.

Sie steigt wieder auf dreht hinter den Gefährten eine Schleife und kommt zurück. Diesmal direkt auf Se-phyra zu.

Mit katzenhafter Gewandtheit duckt sich Sephyra im richtigen Moment und zieht in fließender Bewegung ihr Rapier, um dem Vogel den Anflug durch ein wildes Gefuchtel mit der Waffe zu erschweren.

Er zögert.

'Wie kann man so ein Vieh nur vertreiben? Das sind doch Tiere der Nacht!'

Er könnte ein Büschel von dem langen Gras ab-schneiden, und in der Luft hin und her schwingen. Andererseits drängt sich ihm folgender Gedanke auf: 'Das kann doch nur eine Warnung sein. Wir sollen hier nicht weiter gehen.'

Wenn dies der Fall ist, so müsste sich die Eule beru-higen, wenn sie wieder in Richtung Wald davon gehen …

So ruft er seinen Gefährten zu: "Wir müssen zurück in den Wald, beeilt Euch!". Mit diesen Worten beginnt er zurück in Richtung Wald zu laufen.

Als er Sephyra erreicht hat, will er sie am Arm fassen und mit sich ziehen, aber Sephyra hat ihr Rapier gezo-gen und fuchtelt damit herum. Zu seiner eigenen Si-cherheit hält Frumol Abstand.

"Madame Sephyra, ich möchte höflich vorschlagen, den Kopf einzuziehen … die hiesige Fauna ist uns of-fenbar feindlich eingestellt"

Plötzlich sagen Randirion und Frumol gleichzeitig et-was. Dadurch versteht sie keinen von beiden. Sie kon-zentriert sich nur auf die Eule, der direkt auf sie zu-hält, sie am Haar erwischt, ohne sie aber weiter zu verletzen, weiter fliegt und wieder wendet - diesmal auf Randirion zu.

… und zieht und lädt die Balestrina.

Das braucht ein wenig Zeit, in der Randirion nicht so richtig mitbekommt, was gerade passiert. Die anderen sehen aber, wie die Eule ihn anfliegt. Frumol und Se-phyra sind zu weit weg, etwas Entscheidendes zu ma-chen, aber Ingalf ist da. Er wirft seinen Schneidzahn in die Bahn der Eule, verfehlt sie aber. Der Schneid-zahn landet auf dem Weg.

'Verdammt und zugenäht, was für ein hartnäckiges Biest.'

Jetzt ist die Eule bei Randirion heran. Ingalf ruft "Pass auf, Mann!" und reflexartig lässt sich Randirion zur Seite fallen. Die Balestrina-Kugeln fallen auf den Weg.

Frumol dreht sich erneut um. "Was macht ihr denn da? Zurück zum Wald!" ruft er den anderen zu und läuft wieder in Richtung Wald.

Sephyra hört Frumol jetzt und versteht. Sie folgt auf dem Fuße (oder läuft vorweg, sollte Frumol stehen bleiben, bis sie den Waldrand erreicht hat. Dort sieht sich sich aufmerksam um.

Ingalf nimmt die Orknase fest in beide Hände, stemmt die Füße in den Boden, hält die Axt auf Hüft-höhe wie den Schläger beim Schlagballspiel, und erwartet den Anflug der Eule. Frumol und Sephyra haben die Flucht ergriffen, Randirion liegt am Boden, also müsste er das nächste Ziel der Eule sein.

Und er ist das nächste Ziel. Bevor die Eule ihn er-reicht, schlägt Ingalf zu. Wutsch! Das war's. Heute Mittag könnte man Eulenbraten machen.

Ingalf spielt kurz mit dem Gedanken 'Nein, wir haben noch genug, und man muss nicht alles essen.'

"Schussbereitschaft könnte nützlich sein", murmelt Ingalf zu Randirion als er seinen Schneidzahn holt.

Als Frumol den Waldrand erreicht, dreht er sich um und sieht den Kavaljäre am Boden liegen und Ingalf etwas vom Boden aufheben. Dann hört er auch den Ruf Ingalfs.

Dann ruft er zu Frumol und Sephyra: "Alles klar, ihr Schisser!"

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Zu Sephyra sagt er: "Das war bestimmt ein Zeichen. Eine Warnung der Götter. Wir sollen diesen Weg nicht nehmen! Lass uns einen anderen Weg zu der Burg su-chen."

Frumol und Sephyra schauen nach rechts und links. Soweit das Auge reicht ist Sumpf zu erkennen, durch den Grasstreifen vom Wald abgetrennt. Ob es weitere Wege durch den Sumpf gibt, ist nicht zu sehen.

Sephyra steckt das Rapier wieder weg und überlegt laut: "Hmm, mag gut sein. Aber das glaube ich eigent-lich weniger, da es hier kaum einen anderen Weg zu geben schein."

'Sollte er Recht haben? Sind wir hier nicht erwünscht, sogar von den Zwölfen? Nein, die Götter können kaum wollen, dass den Kindern nicht geholfen wird!'

"Dann müssen wir wohl doch hier lang." erwidert Frumol. Sorge schwingt in seiner Stimme mit. Er greift nach Sephyras Hand und geht mit ihr zu den beiden Kämpfern zurück.

'Was steht uns als nächsten bevor?' fragt er sich.

Dann fragt er in die Runde "Was, in Swafnirs Namen, könnte so ein Vögelchen bei Tag zum Angriff auf 4 ausgewachsene Menschen bewegen?"

Eine Antwortet auf diese Frage vermag Frumol nicht zu geben, da er sie nicht gehört hat.

Als er mit Sephyra wieder zu den beiden aufge-schlossen hat, fragt er mit besorgter Stimme: "Wollen wir weiter?"

Randirion rappelt sich auf, beäugt skeptisch ein paar neue Flecke auf seiner Hose und sammelt seine Sa-chen vom Weg auf.

"Habt Dank für den Warnruf, Meister Wedmannsson!" sagt er zu Ingalf.

Während er seine Balestrina lädt (aus Schaden wird man klug!), fragt er noch in die Runde "Ich nehme nicht an, dass dieses Verhalten für die hiesige Vogel-welt typisch ist, oder, meine Dame, meine Herren? Wir sollten uns vielleicht vor weiterem selbstmörde-rischen Geflügel in Acht nehmen."

Da Randirion den 'Aberglauben' von Frumol mitbe-kommen hat, wird er seine Vermutung, dass hier ir-gend jemand Vögel verhext, nicht laut aussprechen. (Aber wer gut Minen lesen kann, wird seine Besorgnis erkennen.)

Sehr wohl wird er aber (unter Zuhilfenahme eines Steckens oder Zweiges, anfassen will er das eklige Dings nicht) die Überreste der Eule begutachten, die an zwei Stellen verteilt auf dem Boden liegen.

'Vielleicht haben die sowas wie einen Kontrollier-Vo-gelring an? Das wäre ein Hinweis …'

Da ist nichts besonderes dran zu sehen. Kein Amulett, keine besondere Färbung. Nichts.

'Was kann an einem toten Vogel so interessant sein? Er ist tot, von einer Axt in zwei Teile gehauen.' Frumol schaut distanziert zu, wie der Kavaljäre die beiden Hälften das Kadavers mit einem Stecken hin und her dreht und interessiert betrachtet.

"Sucht ihr was?" fragt er ihn. "Sonst lasst uns weiter gehen. Die Ruine wartet und wir sollten uns beeilen." treibt er die Gruppe zum Weitergehen an.

"Ja, lasst uns gehen." meint Sephyra leise und zieht Frumol, der noch immer ihre Hand hält, mit sich.

Ohne Widerstand zu leisten, lässt sich Frumol mitzie-hen. Und so gehen die beiden Hand in Hand auf dem gepflasterten Weg dem Sumpfgebiet entgegen.

Der kurze Moment der Ruhe verfliegt sofort, denn als die beiden, gefolgt von Randirion und Ingalf, zwi-schen den an der Sumpfgrenze stehenden Weiden an-kommen, passiert etwas für alle vollkommen Über-raschendes: Die Äste beider Weiden kommen in Be-wegung und schlagen nach Sephyra und Frumol.

Sephyra kann dem auf sie zufliegenden Ast auswei-chen. Instinktiv duckt sie sich, lässt Frumols Hand los und rennt nach vorne. Auf der ersten Steinplatte im Sumpf kommt sie zum stehen.

Frumol, war wohl etwas zu sehr in romantischen Ge-danken. Ein Ast erwischt ihn voll vor der Brust, und er wird dadurch nach hinten gegen Ingalf geschleu-dert.

Uff. Benommen rutscht Frumol zu Boden, seine Brust schmerzt und er muss erst einmal seine Lungen wieder mit Luft füllen.

"Oho, nicht nur die hiesige Vogelwelt ist aggressiv, auch die Flora ist sehr aktiv. Äußerst ungewöhnlich." kommentiert Randirion und versucht ein schnelles Durchhuschen.

Zwar kommt ihm einer der Zweige bedrohlich nahe, aber Randirion schafft es, zu Sephyra zu kommen, ohne getroffen zu werden. Sephyra macht unwillkür-lich einen Schritt auf die nächste Steinplatte.

Langsam erhebt er sich wieder, stützt sich dabei auf den Steinen ab. Nach dem er wieder auf den Füßen ist betrachtet er nachdenklich die beiden Weiden und wischt sich den Sand und Dreck von den Händen.

'Es kann nur eine Warnung der Götter sein! Aber jetzt müssen wir weiter.'

Damit fasst er wieder die Äste der Weide ins Auge und unternimmt einen weiteren Anlauf, unbeschadet an ihnen vorbei zu kommen.

Unter Aufbietung seiner gesamten Körperbeherr-schung schafft es Frumol, zwei Schlägen nachein-ander auszuweichen, und er kommt heil beim Beginn des Sumpfes an.

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"Wo gibt es denn um sich schlagende Bäume? Da-hinter versteckt sich bestimmt einen böses Geheim-nis." murmelt Frumol.

Ingalf weicht den Ranken fast lässig aus. Wie immer, wenn der Körper das Regiment übernimmt, gibt es keine Zeit für Aberglauben.

Die vier überblicken jetzt den vor ihnen liegenden Sumpf in aller Klarheit. Die Schlossruine scheint auf einer Landzunge zu liegen, die in den Sumpf hinein-reicht. Nirgendwo in Sichtweite ist der Weg über den Sumpf kürzer als hier. Die Trittsteine des Weges bilden ein zusammenhängendes Muster, welchem leicht zu folgen ist.

"Gehen wir weiter?" fragt Frumol und macht vor-sichtig die ersten Schritte.

"Ja, lasst uns gehen. Mir ist diese Gegend unheim-lich." antwortet Sephyra. "Wo die Steine liegen, sollten wir vor Morastlöchern o.ä. Dingen sicher sein, meint ihr nicht auch?" fragt sie mit Blick auf den Weg. 'Oder ist das nur eine Falle für harmlose Wanderer wie uns?' der ängstliche Unterton ihrer Stimme spricht Bände.

"In der Tat, weiteres Verweilen hat wenig Sinn. Ich bin ja beinahe gespannt, was dieses Schloss uns als nächs-tes schickt - nach selbstmörderischen Nachtvögeln zur Tageszeit und Bäumen mit Schüttelfrost …"

Randirion versucht mit etwas Humor, die Stimmung wieder zu heben.

"Seht Euch vor, Madame Lunor, als nächstes kommt bestimmt ein Bluthund ohne Fährte! Oder eine wasserscheue Sumpfschildkröte. Habt Acht, es könnte auch - eine mordlüsterne Maus sein!"

Randirion zwinkert und geht diesmal vor, und warnt die anderen vor Tücken des Weges (so er sie bemerkt).

"Vorsicht Madame Lunor, dieser Stein ist ein wenig glitschig!"

'Wenn der Kerl nicht gleich den Mund hält, schubse ich ihn eigenhändig in den Sumpf!' Frumol kann sich mächtig über die dämlichen Kommentare des Kaval-järe ärgern. Ist er eifersüchtig?

Der Weg durch den Sumpf ist völlig unproblematisch. Das Wetter ist angenehm, und ein Frosch quakt im Hintergrund. Randirion geht so flott, dass er ein paar Schritt Abstand vor Frumol und Sephyra gewinnt. In-galf geht ganz am Ende.

Plötzlich erscheint etwas aus dem Sumpf, ein widerwärtiges Sumpfmonster taucht auf. Es handelt sich um ein grün braunes menschenähnliches Mons-trum mit Klauen und Schwimmhäuten, einem großen Maul mit entsetzlichen Reißzähnen und einer dicken, gummiartigen Haut voller Pusteln. Trotz seiner Größe scheint das Monster geradezu über dem Sumpf zu schweben. Blitzschnell nähert es sich dem völlig un-vorbereiteten Randirion und fällt über ihn her.

Es beißt ihn in die linke Schulter und reißt zusätzlich einen Oberschenkel auf. Der Schock mach Randirion schwanken, aber er schafft es, bei Bewusstsein zu bleiben.

Frumol hält Sephyra zurück und will gerade ein bissigen Kommentar wie "Da ist ja schon Eure mord-lüsterne Sumpfmaus!" abgeben. Als er jedoch sieht, wie das Sumpfwesen über den Kavaljäre herfällt, er nicht einmal die Chance einer Gegenwehr hat, kom-men keine Worte mehr über seine Lippen. Hastig reißt er das Rapier von der Seite und zieht mit der lin-ken Hand noch den ersten Dolch aus dem Brustgurt.

Und nun kommt das Monster auf die Nachfolgenden zu.

Randirion schluckt schwer, versucht, die Nebel des Schmerzes aus seinem Blickfeld zu schütteln, geht auf ein Knie und zielt mit der Balestrina auf den Rücken des Sumpfmonsters. Er versucht, beim Schießen die anderen nicht in der Schussbahn zu haben.

"Etwas Blei, mein amphibischer Attentäter?" murmelt er halblaut - und drückt ab.

"Zurück!" zischt er Sephyra zu und stellt sich vor sie - wild entschlossen, sie vor diesem Wesen zu schützen.

"Kröten und Schlangenpest, komm her, du Kreatur der Höllen und lass meine Axt dein verrottendes Fleisch kosten!" Ingalf lässt den Seesack fallen, nimmt die Axt fest in beide Hände und stellt sich leicht breit-beinig auf, bereit mit festen Stand und einem wohl ge-zielten Hieb das Monstrum zu töten oder in die Flucht zu schlagen. Auf jeden Fall will er sich nicht so leicht erwischen lassen wie Randirion.

Und da ist das Monster schon heran. Das Monster kommt ohne Probleme an Frumols Rapier vorbei und beißt ihm in den Brustkorb.

Erstaunt und vor Schmerz reißt Frumol die Augen auf. Ein Schmerzensschrei entfährt seiner Kehle. Er hatte noch nicht einmal eine Chance den Hieb abzu-wehren.

'Hoffentlich hat es Sephyra nicht erwischt' kann er noch klar denken, bevor die Welle des Schmerzes seine Gedanken vernebelt. Schweißtropfen perlen auf seiner Stirn.

Gleichzeitig langt es um Frumol herum und schlägt nach Sephyra. Die will ausweichen, was ihr aber nicht gelingt, da sie nicht in den Sumpf springen will. Die Klaue des Monsters erwischt sie im Gesicht. So fühlt es sich als an, wenn die Wange bis auf die Knochen aufgerissen wird!

Sephyra kann vor Schmerz nicht einmal das Gesicht verziehen: 'Hoffentlich bleibt da keine Narbe zurück, wäre wirklich schade!' geht ihr bei dem Treffer durch den Kopf. 'Aua! Wenn ich schon so etwas denke, dann muss ich wirklich schwer getroffen sein.' geht ihr wei-ter durch den Sinn.

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Trotz der Schmerzen erkennt Frumol seine Chance. Wie in Zeitlupe sieht er das Wesen zurückweichen und beginnt, ohne zu zögern, einen Angriff.

Das Monster springt kurz zurück, und will an-scheinend einen riesigen Satz machen, da erwischt es Frumol mit einem sauberen Stoß seines Rapiers. Tief dringt sein Rapier ein.

"Ja, gib's ihm!" feuert sie Frumol an.

Randirion, der jetzt hinter dem Monster steht, ist in diesem Moment zum Schuss bereit. Er sieht, wie die Klinge Frumols auf der Rückseite des Monsters wieder austritt und da drückt er ab, denn seine Gefährten sind weitestgehend durch das Monster gedeckt. Mag es an seinem überhasteten Schuss liegen, seiner Verletzung oder anderen Ursachen: Die Ladung fliegt über das Monster und seine Gefährten hinweg.

Randirion zischt wütend, lässt die Balestrina fallen und zieht Rapier und Linkhand, um den Gefährten zu helfen. Etwas schwankend sucht er sicheren Stand im Sumpf und geht vorwärts …

"O Hesinde, erleuchte mich, O Rondra führe meine Klinge …" murmelt er halblaut.

Als Frumol die Klinge zurückzieht, ist sie unbefleckt.

Ungläubig starrt Frumol seine Klinge an. Das kann doch nicht sein.

Er hat gefühlt, wie seine Klinge tief in des Sumpf-wesen eingedrungen ist. Selbst wenn grüner Schleim in seinen Adern fließt, hätte dieser an der Klinge kleben müssen.

'Bei den Zwölfen - wir hätten nicht hierher kommen sollen'.

Er hebt das Rapier wieder an und dreht sich um. Bei einem Blick in Sephyras hübsches Gesicht bleibt ihm das Herz stehen.

'Sie ist entstellt, vielleicht blind. Nie wieder wird sie so auf dem Jahrmarkt auftreten.'

Und dann macht das Monster tatsächlich einen Satz über Frumol und Sephyra hinweg und greift Ingalf an. Da er vorbereitet ist, hat er sogar den ersten Hieb, und tief, fast widerstandslos, dringt die Klinge seiner Axt in den Körper des Monsters ein. Dessen ungeach-tet wird auch Ingalf schwer von Zähnen und Klauen am Bauch getroffen. Er hat das Gefühl, dass ihm die Gedärme herausgerissen werden. Dann bricht er be-wusstlos zusammen.

Überall in ihrem Gesicht ist Blut, die Klauen haben sie entstellt und tiefe blutige Wunden hinterlassen.

"Sephyra" ruft er laut aus und jagt mit einem Auf-schrei auf das Wesen zu, welches gerade Ingalf zu Boden geschickt hat. Er kann nicht mehr klar denken, Wut und Schmerz mischt sich mit Trauer und Rache. Das unbekannte Wesen hat Sephyra entstellt!

Ohne zu wissen, was er eigentlich tut, greift er das Wesen aus dem Sumpf an. Der Rapier ist zielgerichtet erhoben, das Messer bereit zum Zustechen - notfalls würde er mit Händen und Füßen gegen das Wesen antreten.

Er sticht zu, und wieder kommt sein Rapier unbesch-miert aus dem Körper des Monsters heraus. Und dies-mal beißt und fetzt das Monster als Antwort ihn ganz allein. Sein Schmerz ist fast unerträglich, als dass Monster ihm das linke Bein fast abreißt, aber er will Sephyra schützen und so lässt er Dolch und Rapier fallen und geht dem Monster selbst mit zu Klauen ge-krümmten Fingern an die Gurgel. Wenn er es nicht erstechen kann, dann kann er es vielleicht erwürgen.

In dem Moment wird auf einmal alles ganz anders.

Das Monster verschwindet. Frumols Schmerz verschwindet ebenfalls schlagartig. Er schaut sich an. Er ist unverletzt. Keine einzige Verwundung ist zu se-hen.

Eben noch hat er gegen dieses Wesen einen hoff-nungslosen Kampf geführt und vor Schmerzen ge-schrien. Und jetzt ist es weg.

Einfach so. Erstaunt sackt Frumol zu Boden und be-tastet das Bein, welches in den Klauen des Sumpf-wesens steckte. Es ist alles heil.

Kein Blut, keine Schramme.

Vorsichtig erhebt er sich wieder und tastest Arme und Brust ab.

Au - die Brust schmerzt und er verzieht ein wenig das Gesicht. Doch an jener Stelle hat ihn vorhin der Weidenast getroffen.

'Wohin ist das Wesen so plötzlich verschwunden?'

Ein wenig zögernd dreht er sich zu den Gefährten um - hofft dass es ihnen ebenfalls gut geht.

Sein Blick fällt auf Ingalf. Der liegt nur da und scheint zu schlafen. Der Oberkörper auf einer Steinplatte, die Beine im morastigen Wasser.

Und noch während er vorwärts geht, dabei nach Lücken in der Deckung oder in der Panzerung su-chend, fallen ihm einige Dinge auf:

'Un moment … Pellockes Klinge, die ja komplett durch den Körper der Kreatur gedrungen ist, war komplett sauber! Das Monster schwebt über dem Sumpf! Wedmanssons Axthieb durchdrang es, ohne Wirkung zu zeigen! Dieses Wesen ist irgendwie un-stofflich … Doch die Treffer tun weh!'

Randirion bleibt stehen, und versucht diese Hypothese kurz zu verarbeiten - bleibt aber verteidigungsbereit, denn er ist sich nicht sicher …

'Und wenn es ein Geist oder sowas ist - wie wird man es los? Vergehen diese Nachtwesen nicht normaler-weise im Lichte Praios'? O Hesinde, gib mir Geist!'

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Randirion denkt scharf nach:

Er ist vollkommen auf seine Überlegungen kon-zentriert und vergisst alles um sich herum.

'Wenn die Kreatur keine Substanz hat - dann auch ihre Zähne nicht. Dann wären auch die Wunden nicht echt.'

Randirion fasst sich an seine frischen Wunden und führt die Hand vor die Augen. Floss sein Blut?

Es floss. Und die Wunden tun verdammt weh.

Außerdem wird er nach weiteren Hinweisen auf "nicht echt" suchen. Hat das Wesen einen Schatten? Ist die Wunde von Frumol erkennbar? Hinterlässt es Fußabdrücke im Sumpf? Wie sehen die Wunden der anderen aus?

Als er hoch schaut, ist das Monster plötzlich verschwunden. Sein eigener Schmerz auch. Es ist auch kein Blut mehr auf seiner Hand zu sehen. Die anderen scheinen auch unverletzt zu sein.

Vom Entsetzen über diesen Anblick wie gelähmt, kann Sephyra sich nicht bewegen. Der Zustand dauert gerade lange genug an, damit den beiden noch nicht gefallenen Freunden ihr Zustand auffallen könnte. Dann rappelt sie sich innerlich auf und ruft: "Ingalf, nein!" 'Wir müssen ihm und uns helfen, aber was können wir bloß tun? Unsere Waffen zeigen keine Wirkung. Und das Monster ist viel schneller als wir, so dass wir auch zu nicht zurück in den Wald fliehen können, wenn wir Ingalf tragen müssen!

Aber ihn zurücklassen und dann alle gemeinsam sterben?'

Im gleichen Moment, in dem das Monster verschwindet, verschwindet auch der Schmerz bei Se-phyra.

Und Sephyra? Er hastet auf sie zu, blickt ihr in das unverletzte Gesicht und lächelt sie erleichtert an.

Auch Sephyra lächelt, sie kann es noch gar nicht fassen. Langsam und vorsichtig betastet sie ihr Gesicht mit der "Wunde".

'Keine Verletzung. Wie kann das sein?' Er hebt die Hand und streicht ihr sanft über die Wange, fährt mit dem Finger zärtlich die Kontur ihrer Lippen nach, ganz so als müsse er sich dessen versichern, was er sieht.

Dann umarmt er sie freudig und fest, gibt ihr einen Kuss auf Mund und Wange. "Ich bin so froh, dass Dir nichts passiert ist." flüstert er erleichtert, streicht dabei sanft über ihre blonden Haare. Nie wieder möchte er sie loslassen - um nichts um der Zwölfe Willen.

Die Umarmung ist Sephyra mehr als willkommen. Sie legt ihren Kopf an Frumols Schulter und vergisst die Umgebung völlig.

Um ihn herum ist alles vergessen - die Gefährten, der Sumpf, die Kinder. Für ihn gibt es nur Sephyra.

Und für Sephyra gibt es in diesem Moment nur Frumol. Dann sieht sie Ingalf wieder aufstehen und flüstert Frumol ins Ohr: "Lass uns schnell von hier verschwinden, ich habe so ein Gefühl, dass es noch nicht vorbei ist!"

Frumol entlässt sie widerstrebend aus seinen Armen. Wie viel Zeit ist vergangen? Er weiß es nicht und kon-zentriert seine Gedanken wieder auf die Gegenwart: "Du hast recht, wir sollten hier verschwinden. Ich glaube jedoch nicht, dass die Müllerskinder hier sind."

"Trugbilder! Illusionen!" ruft Randirion erleichtert.

"Wir haben gegen nichts als Luft gekämpft!"

Randirion steckt seine Waffen weg und ist - mit einem Lächeln an den Liebenden vorbeigehend - an der Sei-te des bewusstlosen Ingalf.

"Kommt zu Euch, Gefährte Wedmansson! Alles ist vorbei!"

Ingalf öffnet leicht verkatert die Augen …

Ingalf ist im ersten Augenblick noch benommen, er schüttelt den Kopf, um in klar zu bekommen, dann kehrt die Erinnerung schlagartig zurück: mit einem kurzen Aufschrei fahren seine Hände auf den Bauch, den Bauch, der vorhin aufgeschlitzt wurde, dem die Gedärme entrissen wurden. Doch wie kam das? "Swafnir und den Zwölfen sei dank!" keucht Ingalf. "Ein Wunder, ich lebe und bin unversehrt." Er blickt sich um, und sieht zum ersten Mal die Gefährten, Randirion steht unverletzt neben ihm, Frumol und Sephyra liegen sich in den Armen, ebenfalls bei scheinbar bester Gesundheit. "Was ist passiert? Wer oder was ist uns zu Hilfe gekommen gegen dieses Un-getüm der Niederhöllen, und hat uns dann auch noch geheilt?" fragt er fassungslos in die Runde.

"Keine Ahnung, was passiert ist", Frumol klingt etwas gereizt.

"Sephyra hat recht, wir sollten uns sputen."

Er nimmt seine Waffen wieder auf und wischt sie flüchtig ab. Den Dolch steckt er wieder in den Brust-gurt, das Rapier wieder an den Gürtel. Unbewusst legt er seine Hand auf dessen Griff - was sonst nicht seine Angewohnheit ist.

Damit geht er weiter in Richtung der Ruine. Er hält abwechselnd wachsam die Augen auf den Sumpf und die Ruine gerichtet.

Ingalf blickt Frumol zunächst fassungslos nach, dann verdunkelt sich seine Miene, er rappelt sich auf und nimmt seine Axt und den Seesack auf. "Na wunder prächtig, Herr Frumol. Ich höre sozusagen Golgaris Schwingen rauschen und nun ist der werte Herr zu beschäftigt, mir Antwort zu geben." Ingalf scheint sich mehr oder weniger in Rage zu reden. "Grad vorhin

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noch hingst du an Sephyras Rockschößen und wolltest auf keinen Fall einen Schritt Richtung Schloss ma-chen, nur weil ein Vögelchen erst den Verstand und dann das Leben verloren hat, und nun hast du nicht mal die Zeit, mir zu erklären wie ich den Angriff eines leibhaftigen Dämons überlebt habe?"

Seine Stimme wird immer lauter und ärgerlicher. "Was ist denn schon ein Dämon? Nichts gefährliches, nein! Aber eine angreifende Eule … Huh, rette mich wer kann. Sephyra, zu Hilfe …"

Frumol bietet ihm die Stirn. Er lässt sich nicht gern anschreien. Und schon gar nicht von einem daher ge-laufenen Seemann.

"Ich habe es doch schon gesagt. Ich … weiß … es … nicht!" Die letzten Worte spricht er deutlich - und laut. Seine Finger schließen sich um den Griff des Rapiers. Seine Muskeln spannen sich an, seine Haltung wird abwehrbereit.

"Ich bin froh, dass alle unverletzt sind und Golgari niemanden mitgenommen hat. Ich bin nur der An-sicht, dass wir nicht hier sein sollten, die Zeichen sind doch deutlich genug: Erst die Eule, dann die Bäume, und jetzt ein Dämon, eine Illusion oder ein Hirnge-spinst - mir ist es gleich, was es war."

Auch Frumol redet sich langsam in Rage. Er soll Se-phyra gefälligst aus dem Spiel lassen.

"Auch denke ich, dass wir die Müllerskinder hier nicht finden werden. Wie sollen sie denn hierher gekom-men sein? Verängstigte Kinder laufen nicht einfach an peitschenden Bäumen vorbei!"

Langsam und tief atmet er ein, versucht sich zu beru-higen. 'Es ist nicht gut, wenn ich mich so provozieren lasse.'

"Was Sephyra betrifft bist Du nur neidisch." stellte er nüchtern fest. Diesen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen. Nur mit Mühe kann er sich davon abhal-ten, ihn noch weiter auszuführen. Nun geht es ihm aber besser, seine innere Anspannung ist fast augen-blicklich verschwunden.

Auch Sephyra bleibt angesichts dieser Tirade stehen und dreht sich zu Ingalf um. Wenn ihre Blicke töten könnten, würde Ingalf nach seinem letzten Satz um-fallen wie ein Sack Reis auf Maraskan …

Dann reißt sie sich innerlich zusammen und macht lediglich einen bissigen Kommentar: "Toll, wenn das so weitergeht mit euch beiden, dann braucht der nächste 'Dämon' nur noch zuzusehen und sich zu freuen, wie ihr euch gegenseitig zerfleischt, oder was?" Damit greift sie an Frumols linkes Ohr und verdreht es schmerzhaft, so dass er ihr folgen muss.

"Au!" ruft Frumol. "Was soll denn das?"

Er lässt sich führen - ganz brav.

Mit ihm im Schlepptau stiefelt sie auf Ingalf zu und versucht, mit der freien Hand dessen Ohr zu erwi-schen. 'Hoffentlich komme ich da ran!' denkt sie auf dem Weg dorthin. Aber mit ihrem akrobatischen Ge-schick ist das kein Problem. Auch Ingalfs Ohr erfährt eine halbe Drehung: "Los ihr Kerle, gebt euch die Hand und vertragt euch!" lautet ihre unmissverständ-liche Anweisung an die beiden.

"Könntest Du mich wenigstens vorher loslassen?" fragt er Sephyra.

Jedenfalls streckt er bereitwillig die Hand in Richtung Ingalf aus. Schließlich hat er nichts gegen den Seefah-rer.

"Aua! Was …?" Ingalfs Muskeln spannen sich an, dann erschlaffen sie wieder und er murmelt: "Na-wennsdennseinmuss …" und reicht Frumol leicht widerwillig die Hand. Nachdem Sephyra sein Ohr frei gegeben hat richtet er sich auf, reibt sich das Ohr und grinst Frumol an. "Na da hasse dir ja eine gesucht. Eure Kinners heißen alle Sephyrasson … oder Sephy-rasdottir." ergänzt er noch schnell an Sephyra gewandt und bedeckt das ihr zugewandte Ohr.

"Na bitte - Du erinnerst dich schon jetzt an sie." gibt Frumol grinsend zurück. Auch er reibt sich sein Ohr.

Dann dreht er sich um und marschiert über die Steine weiter zur Burg.

Aus Gerechtigkeitsgründen heraus lässt Sephyra erst los, wenn sich beide die Hand gereicht haben. Dann meint sie: "Geht doch!"

Randirion, der die ganze Zeit über ruhig lächelnd zugesehen hatte, verbeugt sich leicht.

"Wundervoll, Madame Lunor! Wollt Ihr nicht vielleicht doch eine Karriere im diplomatischen Dienst in Erwägung ziehen?"

Entgegen aller Erwartung ist der weitere Weg voll-kommen unproblematisch, und die Gefährten kom-men schließlich von Süden vor der düster wirkenden Ruine an. Sie erhebt sich auf festem Boden, macht aber einen ziemlich verfallenen Eindruck. Vor der mehreren Schritt hohen und wohl mehr als 50 Schritt breiten Südmauer liegt im westlichen Bereich das Tor-haus mit einem vier Schritt breiten offenen Torbogen, auf den die Gefährten gerade zukommen. Rechts neben dem Torhaus ist der Torturm mit schmalen Schießscharten zu sehen, von dem nur noch die un-teren Stockwerke stehen.

Das Gelände vor der Mauer ist mit Steinen übersät.

"Sieht finster aus. Und verlassen." murmelt Frumol mehr zu sich selbst als zu den Gefährten. "Ein richtiger Kinderspielplatz!"

Er bleibt stehen und mustert die Burg nach Anzeichen von Bewohnern.

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"Was meint ihr, wie kommen wir da am besten rein?" fragt er. "Durchs Tor oder lieber hinten 'rum?"

Die Burg macht einen unbewohnten Eindruck.

Sephyra sieht sich die Mauern an und geht ein paar Schritte daran entlang.

Sie geht nach rechts und links jeweils bis zum Ende der Mauer, die insgesamt gut 30 Schritt misst.

Als sie um die Ecke herum schaut, sieht sie, dass die Mauer jeweils rechtwinklig um die Ecke geht. So 20 Schritt voraus ist jeweils ein runder Turm in der Mau-er, die Obergeschosse zerstört.

Auf der rechten Burgseite, d.h. im Osten, ist die Mau-er an einer Stelle eingebrochen. Da sollte man in die Burg eindringen können.

Sephyra nach dem Blick: "Hier könnten wir durch die Mauer schlüpfen, ohne dass das auffällt."

"Ich stimme dem zu. Bei den Haustieren, die sich der Burgherr zu halten scheint, ist etwas Diskretion si-cherlich angebracht …"

Randirion ist vorsichtig und hält die Balestrina ge-spannt.

Vorsichtig nähern sich die Helden der nieder gebro-chenen Stelle der Mauer und schauen ins Innere der Burganlage. Eine Vielzahl von Gebäuden, viele sogar mit weitgehend intakten Dächern, sind zu sehen; die meisten sind fensterlos. Auf der gegenüberliegenden Seite der Anlage erhebt sich das Haupthaus; das scheint aber einiges an Zerstörungen mitbekommen zu haben.

Rechts und links des Durchbruchs befinden sich zwei flache Gebäude.

Beim rechten ist auch eine geschlossene Tür zu sehen. Es scheint mit dem Haupthaus verbunden zu sein.

"Schaut mal" Frumol deutet auf die Tür. "Warum fangen wir nicht einfach da an zu suchen?" Gesagt ge-tan, er ist schon auf dem Weg zu der geschlossenen Tür.

Mit katzenhafter Gewandtheit schmiegt sich Sephyra neben der Tür an die Wand und lauscht …

So weit ihm katzenhafte Gewandtheit zur Verfügung steht, nutzt Ingalf sie, um Sephyra zu folgen. "Un', hörste was?" flüstert er.

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Erkundung der Schlossruines ist nichts zu hören. Als daraufhin Sephyra ver-sucht, die Tür am vorhandenen verrosteten

Knauf aufzuziehen, gibt sie nicht nach, obwohl sie of-fensichtlich nach außen aufgeht. Auch kräftiges Zie-hen führt zu keinem Erfolg. Ein Schlüsselloch gibt es nicht.

E

Etwas ratlos steht Sephyra vor verschlossener Tür und überlegt. Dann, nach kurzer Pause, fragt sie: "Hier geht's nicht weiter, wie kommen wir hinein? Das Haupthaus direkt versuchen?"

Randirion ist ebenso wie Ingalf den beiden gefolgt und schaut sich wachsam um, die Balestrina in der Hand. Auf Sephyras Frage bemerkt er: "Das ist na-heliegend, Frau Lunor. Hier werden die Kinder nicht hinein gegangen sein."

Vorsichtig bewegt sich die Gruppe zwischen den Ge-bäuden aufs Haupthaus zu. Dort führt eine halb in den Angeln hängende Doppeltür ins düstere Innere. In dem Gang zwischen zwei kleineren Gebäuden sind noch zwei Türen auszumachen. Weiter geradeaus geht es da zum Schlosstor. Dort deutet sich ein herun-ter gelassenes Fallgitter an.

|\ Haupthaus | \ zweistöckig| einstöckig _|__| \_TT__________|____________| | verschlossen | |_____T________|<---Mauer ______ _________| | | | T T | | | | Mauerdurchbruch ---> | |_ _| ______ | | | ____________ | | | | __| | zum _| | | V Tor

"Kleine Kinder spielen immer gerne im Stall. Ich werde mir mal die beiden kleinen Gebäude ansehen."

"Aber nur, wenn dort das Heu duftet und Tiere sind. In dieser Ruine können sie überall sein. Ich wüsste nicht, wohin es mich als erstes zieht." gibt Frumol zu bedenken.

Er schaut sich interessiert um. Sein Blick hängt am Schlosstor.

"Vielleicht dort drüben", und deutet auf das Tor. "Am Tor ist es immer interessant, oder in einer Kammer, wo es Schränke und Regale zu untersuchen gibt, oder …", Er bricht ab, da ihm noch tausend Möglichkeiten einfallen.

"Vielleicht sollten wir laut nach Ihnen rufen. Wenn sie nicht zu verängstigt sind kommen sie bestimmt her-aus. Hunger müssten sie inzwischen jedenfalls haben."

Randirion sieht sich auch mal auf den Wegen um, eventuell sieht man ja Spuren von Kinderfüßen.

Und schon ist er auf dem Weg.

Ingalf folgt.

Frumol schaut sich draußen weiter um. Langsam schlendert er in Richtung Burgtor.

Sephyra bleibt an Frumols Seite und geht nicht hinter dem Kawaljere her. 'Wozu auch, soll der doch sich da umsehen …!' denkt sie.

Sephyra bleibt an Frumols Seite und nicht bei Randi-rion, der gerade dabei ist, den Untergrund des Burg-hofs etwas genauer zu betrachten.

Frumol und Sephyra überblicken den vorderen Teil des Burghofs. Das Gebäude, an dem sie entlanggehen, hat offenbar noch eine Tür an der Südseite. Sie ist angelehnt. Auch beim dritten kleinen Gebäude gibt es eine Südtür. Das relativ große Gebäude im Südosten hat eine breite Gittertür, durch die aber nichts weiter aus der Entfernung erkennbar ist. Das verrostete Fall-gitter des Torbogens ist offensichtlich herunter ge-lassen. Zwei Aufgänge zum Wehrgang auf der Burg-mauer sind noch zu sehen. Von den Kindern keine Spur.

Plötzlich ertönt aus dem Gebäude, an dessen Ecke Frumol und Sephyra stehen, eine barsche Stimme. Se-phyra versteht nur: "Wollt ihr?" Und Ingalf schnauzt zurück: "Wat, wer seid ihr denn? Wo sinn die Kinners ihr Halunken?" Das ist auch in den 8 Schritt Entfer-nung gut zu verstehen.

Als Randirion den Untergrund betrachtet, erinnert er sich daran, dass es in der Offiziersausbildung auch einmal einen Kurs in Fährtensuchen für angehende Erkunder gegeben hat. Das hat ihm schon damals nicht gelegen.

Er findet überhaupt keine Hinweise, ob hier in letzter Zeit schon mal irgendjemand war.

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Burgmauer| | ______ _________ ^| | |RI| | || T T | Norden| | | | | | |_________| ______| | | | ____________| | | | | || |____T_| |____T_| | || FS || || G| ||A |__|_________FF____________A_________________Burgmauer

Randirion schaut zuerst in das von rechte Gebäude. Die Tür lässt sich leicht aufstoßen, sie quietscht aber so vernehmlich. Das Flachdach hat ein paar Löcher und im Süden gibt es eine weitere Tür, so dass Randi-rion im Halbdunkel einen einigermaßen Überblick hat.

Dieses Einraum-Gebäude war offensichtlich mal eine Unterkunft, denn er ist mit Doppelstockbetten und Spinden, die sich jetzt in verschiedenen Stadien der Verfalls befinden, voll gestellt. Das Ganze sieht Randi-rion aber nur nebenbei, denn seine ganze Aufmerk-samkeit wird von drei finsteren Gestalten gefangen ge-nommen, die offensichtlich in der hintersten Ecke des Raumes mit irgendetwas zugange waren.

Die Gestalten zeichnen sich durch verwahrloste Tula-miden-Kleidung und wilden Bartwuchs aus. Der nicht gerade anheimelnde Eindruck wird durch ihre Bewaffnung - Randirion sieht im ersten Moment Sä-bel, Krummschwert und Wurfbeil - verstärkt. Die drei wenden sich Randirion zu und ziehen ihre Waffen. Und dann bellt einer der drei etwas in barschem Ton-fall.

Randirion versteht kein Wort.

Ingalf auch nicht, aber Tonfall und Gestik sind wohl nicht misszuverstehen. Er lässt schnell seinen Seesack zu Boden gleiten.

Ingalf schnauzt zurück: "Wat, wer seid ihr denn? Wo sin' die Kinners ihr Halunken?"

Die Antwort ist zuerst nur ein Knurren. Dann blickt der Wortführer zu seinen Kumpanen und sagt halb-laut etwas. Daraufhin kommen die drei auf die Tür zu, in der Randirion und Ingalf gedrängt nebenein-ander stehen.

Sie kommen nebeneinander in gemessen-gespannter Bewegung. Dabei steigt einer schon mal über ein zerbrochenes Bett. Die Hände sind um die Waffengrif-fe gespannt. Der Gesichtsausdruck der drei ist nicht freundlich.

Von den Rufen aufgeschreckt, wendet sich Sephyra von ihrer derzeitigen Umsicht ab und sieht zu dem vom Kawaljere und Ingalf untersuchten Gebäude hin.

Auf das Wort "Halunken" von Ingalf hin, schwant ihr nichts Gutes und sie legt die Hand auf den Rapier-griff. Langsam geht sie auf die beiden, in der Tür stehenden, Gefährten zu und sagt zu Frumol über die Schulter: "Komm, ich glaube, wir sollten uns da mal mit umsehen. Vielleicht gibt es Ärger!"

"Das hört sich nicht sehr freundlich an." antwortet Frumol. "Du hast Recht", und folgt Sephyra.

"Vielleicht hat er auch nur einen alten Kumpel getrof-fen" witzelt er breit grinsend. Seine Hände gestiku-lieren dabei - wie immer - aufgeregt.

Jedoch macht er keine Anstalten, nach einer Waffe zu greifen.

Randirion lässt seinen Kampfarm in der Nähe des Ra-piergriffs und versucht, mit dem anderen Ingalf etwas zurückzudrängen, raus aus der Tür.

"Ich glaube hier wollen die Kinder bestimmt nicht spielen."

"Diese Fremden sprechen nicht mal eine zivilisierte Sprache!"

Die drei setzen nach. Frumol und Sephyra hören Ran-dirions Äußerung ebenso wie Ingalf.

Ingalf hält die Axt nun fest in beiden Händen. Er hat bereits von ganz allein den langsamen Rückzug ange-treten, Randirions Hand ist also überflüssig. Zwischen den Zähnen murmelt er "Genau, lass sie uns direkt vor der Tür empfangen, hier drinnen könnten sie uns zu leicht einkesseln."

Ermutigt von dem Zurückweichen der beiden Kämpfer setzen die verwegenen Gestalten den beiden nach, aber Ingalf passt genau den Moment ab, als der erste Gegner direkt in der Tür erscheint, attackiert mit seiner Orknase und triff ihn am Arm. Neben einem überraschten "Argh!" ist von drinnen ein weiterer Aus-ruf zu hören, den Sephyra als 'rück' versteht.

Ingalfs Gegner zieht sich wieder ins Gebäudeinnere zurück. Da es draußen viel heller als drinnen ist, ist nicht zu erkennen, was die drei da drinnen machen.

"Das hört sich wirklich an, als hätten die beiden wieder Ärger gefunden." bestätigt Frumol Sephyras

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Verdacht. Er beschleunigt seine Schritte. Seine Hand ruht auf dem Griff des Rapiers.

Und dann erscheint eine verwegene Gestalt im Ein-gang, die aber mit einem raschen Schlag Ingalfs wieder zurück ins Gebäude getrieben wird.

"Euch kann man nicht allein lassen!" sagt Sephyra zur Begrüßung. "Eben meinte einer etwas von Rückzug oder so ähnlich." Nach einer kurzen Pause fällt ihr ein, dass es ja dahinten noch eine weitere Tür gab: "Ähh, nicht dass sie uns in den Rücken fallen, da hin-ten war eine zweite Tür, die ebenfalls in diesen Raum führen könnte. Das sollten wir mal prüfen."

Gesagt, getan. Sie zieht vorsichtshalber einen Wurf-dolch und schleicht an der Wand entlang zu der ent-deckten Tür im Süden.

Sephyra will an der Tür lauschen, immer …

… darauf gefasst, dass die Tür plötzlich aufgehen und die Gestalten herauskommen könnten…

Schon kurz vor der Gebäudeecke hört sie, dass die Tür aufgeht und jemand herauskommt. Sie sieht aber nichts, da sie noch vor der Ecke ist. Und um die Ecke kommt überraschenderweise niemand.

Sephyra steckt den Dolch weg und zieht so leise wie möglich das Rapier. Immer lauscht sie dabei ange-strengt, ob sie Schritte oder das Scharren von Metall (gezogene Waffen, klappernde Waffengurte etc.) ver-nehmen kann.

Sephyra hört. Sie hört vorsichtige Schritte, leises Flüstern. Die Tür knarrt ein bisschen.

Ohne einen Laut von sich zu geben oder ihre Auf-merksamkeit von der Ecke zu nehmen, presst sie sich fest gegen die Wand und geht nicht weiter. Mit der dann freien Hand winkt sie den Gefährten. 'Hoffent-lich bemerkt Frumol das!' denkt sie noch. Sie will sich auf gar keinen Fall zu den Freunden umdrehen, um nicht überrascht zu werden.

Die Geräusche werden leiser, entfernen sich.

Als Frumol bei Ingalf und dem Kavaljäre eintrifft, sieht er sie vor einer offenen Tür stehen. Ingalf hat sei-ner Axt kampfbereit in den Händen.

"Was habt ihr entdeckt?" fragt er sie.

"3 ungewaschene, dreckige Unholde die sich in einer nicht zivilisierten Sprache unterhalten haben und uns anscheinend bedrohen wollen!"

Rasch dreht sich er sich um und zischt den Beiden ein leises "Psst!" zu.

Als er ihre Aufmerksamkeit hat, legt er den Finger senkrecht über die Lippen und deutet auf sich und an-schließend auf Sephyra, welche scheinbar versucht, in der gemauerten Wand zu versinken.

Danach begibt er sich leise zu Sephyra; seine Hand liegt am Rapier und sorgt dafür, dass dieser nicht ir-gendwo anstößt.

Fragend schaut er Sephyra mit einem Du-wolltest-doch-nachschauen-gehen-Blick an.

Und jetzt ist nichts mehr zu hören.

Leise und behutsam dreht sie sich zu Frumol um und flüstert: "Die verdrücken sich!"

"Dann lass uns mal nachschauen." kommentiert Frumol.

Fest umfasst sie den Griff des Rapiers und versucht, vorsichtig um die Ecke zu spähen. Sobald sie einen kurzen Blick getan hat, zieht sie den Kopf sofort wieder zurück, um kein Ziel für Bogenschützen oder Messerwerfer zu bieten, geht in die Knie und wirft einen erneuten kurzen Blick um die Ecke.

Während Sephyra überaus vorsichtig um die Ecke späht, ist Frumol weniger vorsichtig. Wenn sich je-mand verdrückt ist dessen Aufmerksamkeit mehr nach vorne gerichtet.

So schaut er ohne Scheu um die Ecke, ohne dass er eine Gefahr erwartet.

Er versucht die 'Flüchtenden' auszumachen und wei-tere Einzelheiten zu erkennen.

Es ist niemand zu sehen!

Da alles ruhig ist geht Frumol auf die Tür zu, durch die die Unbekannten das Gebäude offensichtlich verlassen haben.

Die Tür steht halb offen.

Er blickt sich vorsichtig um und blickt hinein.

Für einen kurzen Moment durchzuckt es Frumol: Feind! Aber dann ist es klar: Randirion ist durch die obere Tür in das Gebäude eingedrungen. Von den Gestalten keine Spur.

"Ingalf, wollen wir reingehen und nachschauen, wo sie bleiben, diese Schurken? Vielleicht halten Sie die Kinder gefangen und wollen Auslöse!"

"Nun dann, für die Kinder!"

Rapier gezogen und rein in den Raum, bereit jederzeit von Unholden angegriffen zu werden.

In seiner Konzentration auf den zu erwartenden Kampf vergisst er, alle bisher gegenüber den Ge-fährten gepflegten Sprachgewohnheiten und stößt nur hervor:

"Ingalf, nu' komm!"

Schnell überblickt Randirion die Szene. Keine Landstreicher mehr zu sehen. Die Tür am anderen Ende des Gebäudes steht halb offen. Aber da erscheint jemand in der Tür. Frumol.

Ingalf folgt mit schlagbereiter Orknase.

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Auch Ingalf stellt fest, dass die Vögelchen ausgeflogen sind.

Frumol stößt die Tür gänzlich auf, um dem Tageslicht die Möglichkeit zu geben, die Dunkelheit zu ver-treiben.

Flüchtig schaut er sich in dem Raum um, entdeckt aber nichts Interessantes. Was soll sich inmitten des ganzen Gerümpel schon Wertvolles verbergen? Außerdem hätten die Gestalten, die hier waren, es si-cher schon längst mit genommen, oder?

"Nimm endlich Deinen Stocherdegen 'runter. Und hör auf, überall Leute aufzuschrecken - wir haben eine Aufgabe!" sagt er amüsiert zu Randirion.

"Und wir haben nicht viel Zeit" ergänzt er ernst.

"Deswegen bin ich ja hier. Nachher haben diese dre-ckigen Unholde die Kinder entführt!"

"Und wo sind dann Eure dreckigen Unholde? Ich sehe hier keine!" ruft er über die Schulter zurück.

"Aber geh ruhig wieder zu Sephyra. Ingalf und ich werden die Halunken schon aufstöbern."

Vielleicht hat er die schon gar nicht mehr gehört. Je-denfalls reagiert er nicht darauf.

Damit dreht er sich wieder um und blickt auf die anderen Gebäude. 'Wohin mögen sie gelaufen sein?'

Da sieht er die einzige Möglichkeit: Zwischen diesem Gebäude und der Mauer gibt es einen zwei Schritt breiten Zwischenraum.

Frumol winkt Sephyra heran: "Komm mit."

Dann läuft er langsam über die Straße zu dem Zwi-schenraum.

Sephyra folgt ihm auf dem Fuße, steckt aber die Waffe nicht weg.

Tatsächlich kann man hier an der Mauer entlang um das Gebäude herum gehen. Weiter hinten ist eine Ecke des Haupthauses zu sehen, und noch weiter hin-ten (wohl 20 Schritt von hier) verbirgt der nach innen vorgewölbte Westturm die weitere Sicht. Von den Gestalten ist niemand zu sehen.

'Mist! Die sind weg!' Frumol ist enttäuscht - aber auch froh, das sich dies Problem von alleine gelöst hat.

Missgelaunt schiebt Randirion sein Rapier wieder in die Scheide.

… und folgt Frumol und Sephyra zur Südseite des Gebäudes. Ingalf schließt sich an.

"Sagt, werte Gefährten, kann es sein, dass diese Kinderchen wahre Meister darin sind, sich dort her-umzutreiben, wo sie besser nicht sein sollten?"

"Und wir wissen noch nicht einmal, ob die Kinder hier irgendwo sind", ergänzt Ingalf.

"Wohl wahr, Herr Wedmansson …"

"Wo würdest Du denn hier als Knabe hingehen?" be-antwortet Frumol die Frage mit einer Gegenfrage.

Seine Balestrina lässt Randirion aber sicherheitshalber geladen in der Linken.

"Unzivilisierte Gegend …" murmelt er halb zu sich, während er überlegt, welche der sicherlich un-angenehme Überraschungen enthaltenden Türen als nächstes zu überprüfen ist.

"Da hinten ist ein Turm. Wir könnten uns von oben einen Überblick verschaffen", schlägt Frumol vor.

"Denn man tau", nimmt Ingalf den Vorschlag auf: "Aus dem Krähennest hat man immer den besten Aus-guck", und geht, immer an der Mauer entlang, bis zum Westturm vor.

Während des Gehens nehmen die Gefährten die wahrhaft beeindruckenden Abmessungen des Haupt-hauses wahr. Von den drei Gestalten ist nichts mehr zu sehen

Der Turm ist auch hier auf der Westseite in die Mauer, die etwas weiter voraus noch einen Durchbruch hat, integriert. Und er besitzt eine Holztür zu ebener Erde.

| || |D | einstöckigD |__| _| || || || || | \ | T | | | | | / | / || ___|| | _ Haupthaus| | | \ zweistöckig|| |__| \_TT__________|||<---Mauer| ______ _________| | | | || | T T || | | | | | | | |_________| | | | | | || |____T_|

"Hier rein?" fragt Ingalf.

"Ich schätze schon." antwortet Frumol, da ihm kein anderer Zugang aufgefallen ist. Er tritt auch schon an die Tür heran um sie zu öffnen.

Da es keine Anzeichen der Gestalten mehr gibt, steckt Sephyra das Rapier wieder weg und konzentriert sich intensiv auf ihre Umgebung. Dazu sieht sie auch an der Mauer entlang und am Turm nach oben.

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Der obere Bereich der Mauer ist teilweise zerstört. Einzelne Zinnen fehlen. Steinbrocken liegen auf dem Grund des Burghofs. Auf der Außenseite des Turmes sind größere Bereiche des äußeren Mauerwerks her-ausgebrochen.

Sieht da vielleicht jemand aus einer Schießscharte oder einem Fenster? Hat der Turm überhaupt Fenster?

Der Turm hat im oberen Bereich ein Fenster zum Burghof hin. Nach außen sieht Sephyra von ihrer Po-sition aus zwei Schießscharten.

Jedenfalls tritt sie hinter Frumol ein und versucht, den Recken der Gruppe in einem eventuellen Kampf in der Enge des Turms nicht im Wege zu stehen …

Die Tür klemmt ein wenig, aber dann kriegt Frumol sie auf. Im ersten Moment er scheint der Innenraum ganz dunkel. Als Frumol in die Tür tritt und sich sei-ne Augen an die Düsternis gewöhnt haben bietet sich ihm ein katastrophaler Anblick. Die halbe Decke zum nächsten Geschoss ist eingestürzt und hat im südli-chen Teil des Raumes, der anscheinend den gesamten Turmdurchmesser umfasst, ist alles unter einem Berg von Trümmern begraben. Auch im nördlichen Teil, in dem sich die Tür befindet, liegen so viele Steine und Quader herum, dass man kaum gehen könnte. Eine Treppe ist nicht zu sehen.

Als Frumol etwas länger schaut, bemerkt er, dass sich in den Trümmern der Südseite die Überreste einer Treppe befinden.

Frumol bleibt in der Tür stehen und mustert erschreckt das Innere des Turms und die Reste der Treppe.

'Da kommen wir nicht hoch', zieht er ein gedankliches Fazit.

"Das war wohl nichts." sagt er zu den Gefährten wäh-rend er sich umdreht. "Da ist kein Durchkommen.

Die Decke ist fast gänzlich eingestürzt. Vielleicht kommen wir am Tor besser voran."

So geht er voran Richtung Tor. Die Turm-Tür lässt er offen stehen.

Ingalf schaut selbst in den Turm hinein, kommt aber zur gleichen Beurteilung wie Frumol. Er scheint nicht ganz einverstanden mit Frumols Richtung. "Woll'n wir nicht erstmal ganz um das Schloss rumgehen?" ruft er Frumol hinterher. "Dann ham' wir doch auch 'nen ganz guten Überblick."

Frumol bleibt stehen. "Wenn Du meinst." Er zuckt kurz mit den Schultern und kehrt zu der Gruppe zu-rück.

Frumol nutzt einen Moment, um seinen Blick erneut über die überwiegend zerstörten Gebäude der ehema-ligen Burg zu lenken, mit dem Ergebnis, dass seine Gedanken abschweifen.

Ohne Zweifel war dies einst eine stolze Burg. Er versetzt sich in vergangene Zeiten und vor seinem geistigen Auge verwandeln sich die Trümmer in einen belebten Straßenzug. Ein Hirte treibt sein Vieh durch die Gasse, das große Gebäude ist festlich geschmückt. Von irgendwoher ertönt lustige Musik, der Duft ge-bratenen Fleisches wird von einem schwachen Wind herüber geweht. Kinder laufen spielend an der Burg-mauer entlang. Über allem erhebt sich der Turm im Westen. Aufmerksam patrouillieren Soldaten auf dem Wehrgang - gekleidet in unverwechselbare Wappenrö-cke.

Welche Gründe wohl zu ihrem Untergang führten? Ein Kampf oder gar ein Krieg? Eine Epidemie? Oder sind die Bewohner einfach weggezogen?

Welcher Grund es auch gewesen sein mag, der Zerfall hat diese Anzeichen im Laufe der Zeit unter sich be-graben.

__________________ ___________________| \ / ||A \____T A|| ____________ || | | GGGGGGGGGGGGG|| | | G G|| |S TWWWWWWWWWWWWWWG G|D | einstöckig | G G|D |_____ ____| GGGGGGGGGGGGG|| ____| |______ __ || | |_| | || | ____| || | | __ || | |_| | || | ____| | \ | | __ _____________ / T | Haupthaus |_| | | | T | | zweistöckig ____| | einstöckig | | | | | | / | | | / | | ||<---Mauer

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Die vier machen sich, geführt von Ingalf, zu einem Burgrundgang auf.

Am Durchbruch vorbei geht es, und dann kommt auch die nördliche Mauer in Sicht. Kurz davor geht ein Aufgang hoch zum Wehrgang. Rechterhand wird das zweistöckige Haupthaus von einem einstöckigen Anbau abgelöst, der von einem mächtigen Schornstein gekrönt wird.

Auf dem Weg zum Nordturm fällt ein Plattenweg auf, der von einer Tür des Anbaus bis zu einem Areal führt, welches mit etwas Phantasie als ehemaliges Gärtchen aufgefasst werden kann. Verwilderte Bäume und Büsche stehen dort.

"Sieh an, immerhin verstanden die Bewohner etwas von Kultur." meint Randirion beim Anblick des Gartens.

"Allerdings könnten wir dieses ehemalige Plätzchen der Besinnung auch schnöde nutzen, um einmal her-auszufinden, wann hier zuletzt ein Gärtner gewaltet haben mag."

Randirion ist beileibe kein Gärtner, aber man ist doch schon in so einigen Gärten gelustwandelt …

Daher traut er sich zu, abzuschätzen:

welcher Stil Garten mag es gewesen sein (bospa-ranisch-streng, methumisch aufgelockert …)

wie dick/alt mögen die jüngsten offensichtlich von Menschen angepflanzten Bäume sein,

wie dick/alt die ältesten Wildwüchse?

Randirion wird sich allerdings mit Rücksicht auf seine Kleidung nicht ins Dickicht selbst hinein begeben.

Als sich Randirion dem Gartenbereich nähert, wird ihm sofort klar, dass in dem Nutzgarten hier mindes-tens seit einer Generation niemand mehr gewirkt hat, so dick und knorrig sind die ältesten Obstbäume. Bei Großvater Corvallo stand so ein uralter Apfelbaum. "Hat mein Großvater gepflanzt, Dein Ururgroßvater!" Randirion vermeint sogar den Klang der Stimme sei-nes Großvaters zu hören.

Büsche - 'Ist das Thymian? Ja, riecht so.' - sind verwildert, und Gras hat sich überall ausgebreitet, aber nur innerhalb des fußhohen Mäuerchens, das den ganzen Garten umgibt.

Frumol bedenkt den Kavaljäre mit einem verständnis-losen Blick. Er wusste zwar schon vorher, dass der Mann etwas seltsam ist, aber dies?

Er schüttelt leicht den Kopf. 'Das ist doch nur ein Garten, verwildert und ungepflegt. Was erhofft er sich?'

Frumol hingegen interessiert sich mehr für den Auf-gang zum Wehrgang.

Sofern er diesen als sicher einschätzt, wird er zum Wehrgang hinaufsteigen.

Da scheint lange niemand hinaufgestiegen zu sein, aber Stein ist Stein.

Vom Wehrgang, der zur Innenseite der Burg keine Brüstung hat, hat man nach Westen eine schöne Übersicht über den Sumpf sowie nach Norden einen guten Blick auf den den hinter der Burg ansteigenden Wald. Es ist aber weiter nichts besonderes zu er-kennen.

Als Frumol den Blick nach innen wendet, sieht er, dass das Dach des Haupthauses an einigen Stellen eingestürzt ist. Von den Räubern ist nichts zu sehen.

Ingalf, der mitgekommen ist, bemerkt: "Kein Zugang zu den Türmen vom Wehrgang aus. Scheiß-Logistik."

"Meinst Du?" entgegnet ihm Frumol, aber er ist nicht auf eine Diskussion aus. Viel wichtiger ist es, dass von den Räubern nichts zu sehen ist - es sei denn, sie he-cken was aus.

Einen Moment lang beobachtet er Randirion, dann schweift sein Blick zurück zu dem Haupthaus. 'Wir sollten und das mal ansehen, bevor es ganz einstürzt.'

"Ich glaube nicht, dass die Kinder hier sind", sagt er abschließend zu Ingalf und begibt sich wieder in den Hof.

Ingalf folgt ihm achselzuckend.

Sephyra beschattet mit der Hand die Augen und macht im Hof stehen bleibend einen Rundumblick. 'Hm, nichts Interessantes. Eben eine Burgruine.' Nicht dass Sephyra davon schon viele gesehen hätte. 'Hat man eine gesehen, hat man alle gesehen', zitiert sie im Stillen ihren alten Ohm.

Als Frumol zurückkehrt, fragt sie: "Sehen wir uns um?"

Frumol schaut sie an und Sephyra kennt diesen Blick. Eine Mischung aus Schalk und Abenteuerlust, Mut und Leichtsinn blitzt in seinen Augen. Dazu sein schiefes, typisches Lächeln und die zuckenden Mund-winkel.

"Gerne. Lasst uns das Hauptgebäude ansehen, bevor es zusammenfällt." schlägt er vor.

"Es sind schon Teile der Decke eingebrochen." ergänzt er seinen Vorschlag.

"Vorn herein oder hier von hinten?" fragt Ingalf und weist auf die Tür des Anbaus.

Sollte der Kavaljäre sich nicht von der bezaubernd verwilderten Botanik in dem Garten losreißen können: "Herr Kavaljäre - meint ihr es sei an der Zeit eine Rast einzulegen? Einen Schluck Wein und die Füße ausstrecken? Ein passendes Plätzchen Urwald für ein Picknick habt ich ja schon gefunden." spricht er den feinen Herren mit einem breiten Grinsen an.

"Durch diese Tür!" entscheidet Frumol für die Gruppe.

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"Kommt Ihr, edle Sephyra?" und bietet ihr nach einer angedeuteten Verbeugung seinen Arm an um auf dem Plattenweg entlang zu flanieren.

Mit einer elegant angedeuteten Verbeugung hakt sich Sephyra unter und schlendert mit Frumol in die angegebene Richtung. Jedoch trotz aller Späße hat sie immer einen Blick auf die Umgebung.

Frumol bemerkt, dass sie unter ihrer nach außen hin lockeren Art eine Spannung hält und ständig bereit ist, zu reagieren.

Die Tür, an die die beiden kommen, ist mit (jetzt grünspanigem) Kupfer beschlagen, was dem Holz wohl nicht besonders gut getan hat: Als Frumol am Griff zieht, kommt ihm die Tür entgegen.

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Hinein ins Schlossie Gefährten betreten eine riesigen Raum, der durch wenige Löcher im Dach nur schwach

erhellt ist. Aber auch das wenige Licht macht deutlich, dass hier wohl früher mal die Schlossküche war. Arbeitstische stehen in der Mitte des Raumes, Regale an den Wänden - teilweise umgestürzt. Auf dem Boden des Raumes liegen allerlei Küchenutensilien herum: kupferne und eiserne Kochtöpfe verschiedener Größen, Holzlöffel, Teller, eine Riege großer Messer - sämtliche schartig und/oder verrostet.

D

"Hier scheint schon länger nicht mehr gekocht worden zu sein", stellt Frumol überflüssigerweise fest, während er das langweilige Inventar mustert.

Randirion meint nach kurzem Rundblick grinsend: "Also, wenn die Küche so aussieht, werde ich mir sehr überlegen, in diesem Hause ein Mahl zu bestellen …"

Schräg links, zwei Schritte vor der Tür, ist im Boden eine ummauerte Öffnung von eineinhalb Schritt Durchmesser zu sehen.

"Aha, und dies ist wohl der Ort für Gäste, die sich beschweren …"

Randirion tritt etwas näher an die Öffnung heran, um hineinzusehen.

"Möchtet ihr es herausfinden?" fragt Frumol mit schelmischem Lächeln. Dabei deutet er ein schnellen Stoß ihr Richtung Randirion an.

"Oha! Ihr seid der hiesige Koch?!" Randirion macht den Scherz mit, und täuscht ein Taumeln an - geht dann aber wieder etwas vom Rand der Grube zurück.

Der Schacht geht unabsehbar weit in die Tiefe. Zwei Körperlängen von der Oberkante entfernt gibt es in der Schachtwand eine mehr als schulterbreite Öff-nung, durch die Licht in den Schacht fällt.

Sephyra greift sich eins der herumliegenden rostigen und schartigen Küchenmesser und tritt an die Öff-nung heran. Mit einem Blick in die Tiefe legt sie den Zeigefinger der freien Hand vor den Mund und macht: "Psst!"

Als alles ruhig ist, lässt sie das Messer in die Tiefe fallen und zählt in Gedanken die Sekunden mit, bis ein Geräusch des Aufpralls zu hören ist. 'So hat das zumindest immer ein gelehrter Mann gemacht, an den ich mich erinnern kann. Aber wie war das jetzt. Der Schacht ist dann 3 Sekunden tief? Mir will einfach nicht einfallen, wie die Zeit mit der Tiefe in Zusammenhang steht. Na ja, je länger - je tiefer …'

Sephyra sieht in die Tiefe und zählt immer weiter. Als sie bei zehn angekommen ist, ist immer noch nichts zu hören. Ihre Augen haben sich mit der Zeit immer besser an das Halbdunkel der Küche gewöhnt und so

fällt ihr auch die seitliche Öffnung in 2 Körperlängen Tiefe im Schacht auf. Durch die fällt Licht. Unter der Erde. Licht!

Sephyra dreht sich zu den anderen um und berichtet: "Also wie ihr vielleicht vorstellen könnt, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Da unten ist in etwa 4 Metern Tiefe ein Schacht, durch den ein Lichtschein fällt. Da sollte es weiterge-hen.

"Wieso sollte es da weitergehen?" Ingalf scheint verwirrt. "Wie sollen die Kinder dahin gekommen sein?"

Die schlechte Nachricht ist, dass das Loch so tief ist, dass ich da lieber nicht den Halt verlieren möchte. Denn der Fall nach unten dürfte so lange dauern, dass unser Thori hier unterwegs sein Thurghild Lied - oder wie das heißt - singen könnte, ohne durch den Aufprall unterbrochen zu werden."

Ingalf entgegnet würdevoll: "Ich habe keine Ahnung, was Du mit dem Begriff 'Thori' meinst. Und ich will es auch gar nicht wissen."

Dabei macht sie eine wegwerfende Handbewegung und fügt hinzu: "Hat jemand ein Seil?"

Ingalf entgegnet nur trocken: "Das hätte er aber wirklich gut versteckt."

"Du willst da runter klettern?" fragt Frumol verblüfft. "Die Kinder sind da ganz bestimmt nicht runter ge-klettert! Und hineingefallen sind sie sicher auch nicht."

"Ja, schon gut. Ich vergesse immer wieder, dass du nicht so wagemutig bist, wie du immer tust!" versucht Sephyra, Frumol zu necken.

"Ach. Und Madame ist gar nicht ängstlich?", in ge-spielter Empörung stützt er der Hände in die Hüften. "Vermutlich musst Du jemandem imponieren …"

Frumol wirft einen Blick in die Tiefe, um sich von Se-phyras Worten zu überzeugen. Dann zuckt der mit den Schulten: "Siehst Du ein Seil?"

"Nein, darum frage ich ja."

"Und wo sollen wir dann eins her bekommen? Wir haben nicht mal einen Stecken - sonst könnte Banjew daraus sicherlich ein Seil machen." erklärt er.

"Die Gören spielen sicher Verstecken im Verlies. Da sollten wir nachschauen!" gibt Frumol zum Besten, während er sich abwendet.

"Was meinen denn die anderen dazu? Ich wäre fürs Klettern." antwortet Sephyra.

"Bei Swafnir, irgend etwas oder irgend jemand ist da unten, sonst gäbe es da kein Licht. Interessieren würd

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's mich schon. Aber wie kommen wir da runter? Einen Tampen habe wir ja leider nicht."

"Und falls wir hier ein Seil oder etwas ähnliches finden sollten, ist es sicher nicht mehr zu gebrauchen." Mit seiner Handbewegung führt er eine alles um-fassende Geste aus.

"Was da unten auch sein mag, es gibt bestimmt noch einen anderen Zugang." Für ihn ist diese Diskussion beendet. Hier gibt es offenbar nichts von Interesse.

Frumols schweifender Blick fällt auf eine Tür, die ih-rer Lage nach ins Haupthaus führen sollte.

"Vielleicht spielen die Kinder auch dort drinnen." Frumol deutet auf die Tür.

Seine Äußerung ist anscheinend ins Leere gesprochen, denn die anderen drei sind völlig damit beschäftigt, herauszufinden, wie sie in die Tiefe kommen können.

Nach einem Rundblick bleibt Randirions Blick an den Kochtöpfen hängen.

"Sagt, werte Gefährten, hängen große Kessel nicht üb-licherweise an Ketten über dem Feuer? Sollte es dann nicht hier irgendwo diese Ketten geben, die wir dann anstelle eines Seiles benutzen könnten, um dort unten hin zu gelangen?"

Im hinteren Bereich der Küche befindet sich die mächtige Feuerstelle, jetzt völlig erkaltet, und dort hängen eine Reihe von verrosteten Ketten aus dem Rauchabzug. Eine der Ketten ist herabgefallen. Die Glieder sind so dick wie Randirions kleiner Finger. Und sie ist wohl 5 Schritt lang.

Neben der Feuerstelle stehen auch ein paar durchge-rostete Blecheimer, und an der Wand hängt ein aufge-rolltes Seil. Knochentrocken.

Randirion lächelt und verkündet dann: "Ich habe mich geirrt. Dieses Haus bietet doch eine ange-messene Gastfreundschaft - und sogar Seile bei Be-darf" Er nimmt das Seil, und während er zurück zum Schacht geht: "Oder wünscht einer der Herren die erhöhte Sicherheit einer ausgewachsenen Kette?"

Randirion wirft, …

… als er wieder zurück ist, …

… noch einen weiteren Blick in den Schacht.

Ist das Licht flackernd oder stabil, sieht es nach Tages-licht oder nach Kerzenschein aus?

Das Licht scheint ein ganz bisschen zu flackern, und es ist gelblich. Für Tageslicht nicht hell genug. Und dann ist da noch etwas irritierend.

Randirion schaut noch einmal genau hin. Der Wider-schein des Lichtes im Schacht unterhalb der Öffnung hat sich verändert. Moment. Da kommt etwas den Schacht hoch. Randirion kann zwei stumpfe blauschwarze Arme erkennen, die sich gegen die Schachtwand drücken, dann drei, dann vier.

"Mes dieux!" Er weicht zurück, lässt das Seil fallen, "Vorsicht, meine Dame, meine Herren - wir kriegen Gesellschaft!" und bereitet die Balestrina vor. "Da kommt etwas den Schacht hinauf! Verteilen und ein-kreisen?"

In 2-3 Meter Abstand vom Schacht wird er, Rapier in der Linken, die Balestrina im ausgestreckten rechten Arm im Anschlag das Wesen erwarten.

Vom Ruf des Kawaljere gewarnt, macht Sephyra einen Satz nach hinten und zieht das Rapier. Sie versucht, möglichst einen der schweren und vielleicht umge-stürzten Tische zwischen sich und den Schacht zu bringen.

Sollte dann noch nichts aufgetaucht sein, wechselt sie die Waffe in die andere Hand und zieht einen Wurf-dolch, immer den Blick auf die Öffnung im Boden konzentriert.

'Auch sie will tatsächlich kämpfen!' stellt Frumol fest.

"Manchmal ist's besser einem Kampf aus dem Weg zu gehen", spricht Frumol zu Sephyra, "besonders, da Du es vorhin schon mit dem Küchenmesser beworfen hast."

Frumol ist auf dem Weg zu Tür verharrt. Seine Hand liegt ruhig am Griff des Rapiers. Für Sephyra - die ihn schon länger kennt - ein sicheres Zeichen seiner An-spannung.

"Was da auch in der Tiefe lebt, es ist bestimmt nicht erfreut über unseren Besuch!" Frumol wirft einen wei-ten Blick auf die Zwischentür.

"Lasst uns gehen und später wiederkommen, wenn sich hier alles beruhigt hat." Er macht einige Schritte in Richtung Tür und hofft, dass die anderen folgen werden.

Sephyra sieht sich nach Frumol um. Sie zweifelt an ihrem "Mut", sich dem, was da den Schacht herauf kriecht, entgegenzustellen. 'Hier bekommt man eine Gänsehaut, dass einem das Blut in den Adern gefriert.' Von einem Impuls getrieben ruft sie plötzlich aus: "Ich glaube, Frumol hat Recht! Wir sollten hier so schnell als möglich verschwinden!"

Mit diesen Worten springt sie mit einem Satz auf die Tür nach draußen zu, an Frumol vorbei und ins Freie.

Frumol ist etwas überrascht, dass Sephyra in's Freie läuft. Schließlich hatte er die andere Türe angepeilt.

"Kommt ihr?" ruft er Ingalf und Randirion zu und flüchtet auf dem gleichen Weg wie Sephyra aus dem Raum. Draußen angekommen blinzelt er erst einmal im hellen Sonnenlicht und schaut dann nach seiner teuersten Gefährtin.

"Wo bleiben die beiden anderen?" fragt Sephyra aufge-regt, als Frumol allein in der Tür erscheint. "Die wollen doch nicht etwa gegen dieses, … dieses, … Ding kämpfen?" Außer sich ruft sie laut: "Kawaljere,

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Ingalf, raus da! Wenn ihr kämpfen wollt, erwartet es in der Tür, sonst ergeht es uns schlecht!"

Frumol steht mit Sephyra vor der Tür im hellen Glanz der Praiosscheibe.

Durch die offene Küchentür kann er im schummrigen Licht kaum etwas Klares erkennen.

Die Kampfgeräusche dringen bis vor die Tür. Das Singen der von Ingalf geschwungenen Axt ist nicht zu überhören.

"Was treiben die da drinnen?" fragt Sephyra mit kri-tischem Blick auf Frumol. Dann hält es die Neugier nicht zurück. Sie wirft einen Blick durch die Tür und bleibt wie angewurzelt stehen. Auf Frumols unausge-sprochene Frage hin, dessen Blick sie förmlich in ih-rem Rücken spüren kann, antwortet sie leise und sto-ckend: "Ja, … es … ist … wieder …" dann bricht sie ab. Noch immer unfähig, sie zu bewegen.

Da weder Ingalf noch Randirion auf Sephyras Ruf antworteten, beschließt er nach einer angemessenen Zeitspanne, vorsichtig nach dem Rechten zu sehen.

Ingalf hält seine Orknase in beiden Hände, schaut zu Randirion und dann gleich wieder zum Schacht, wo in diesem Moment die Spitze der ersten Tentakel er-scheint. 'Solange der Kavaljäre nicht zurückweicht, weiche ich auch nicht, bei Efferd!' denkt er und packt seine Orknase fester.

Während Frumol sich im Lauf kurz an die beiden Standhaften am Loch wendet, sieht er wie sich lang-sam etwas aus dem Loch tastet. Dieses Etwas schwankt ein wenig hin und her, aber nicht so wie Blumenranken im Wind, eher gezielt suchend wie ein Tentakel. Diese Spitze erinnert ihn leicht an einen Tintenfisch. 'Wenn dem so sein sollte, muss das Ge-schöpf wirklich sehr groß sein.' fällt ihm dazu ein.

Ingalf schaut Randirion fragend an und macht einen halben Schritt rückwärts in Richtung Tür. "Swafnir steh' uns bei! Was jetzt?" stößt er hervor. "Das Ding ist riesig."

'Swafnir, gib mir die Kraft, gegen die Diener Deiner Feinde und der Feinde Deines Vaters zu bestehen. Möge meiner Klinge Deine Kraft innewohnen, auf dass ich Deine Feinde in den Raum zurück schleu-dern kann, in den sie gehören.' auch wenn Ingalf Schwierigkeiten hat, sich in die schwülstige Wortwahl der Geweihten einzufinden, kommt das Stoßgebet doch aus tiefstem Herzen.

'Was macht ein tentakeltragendes Etwas so weit vom Wasser entfernt?' schießt es ihm durch den Kopf. 'Wenn es ein Geschöpf der Ersäuferin ist, ist es vom Wasser getrennt viel schwächer.' "Sephyra hat recht, empfangen wir es an der Tür und hauen es in Stücke, damit es Dere nicht mehr länger mit seiner Anwesen-heit verpesten kann." ruft er Randirion zu und weicht weiter zurück.

Widerstrebend weicht Randirion zurück, immer noch die Balestrina im Anschlag.

"Seid Ihr sicher, Ingalf Wedmannsson? Hier könnten wir es zwischen uns halten …

Doch vertraue ich Eurem Rat: Tentakelwesen sind Wasserwesen, und mit diesen habe ich keine Erfah-rung …"

Weicht also zusammen mit Ingalf zur Tür zurück.

Erst ein, dann zwei, immer mehr mehrere Schritt lange, am Ende unterarmdicke und dann immer stär-ker werden Tentakel werden aus dem Schacht ge-schoben. Sie tasten wild umher.

Als der erste Arm Ingalf zu ertasten droht, schlägt er zu. Tief dringt seine beidhändig geschwungene Axt ein und trennt den Tentakel sogar ganz ab.

Eine ölige dunkle Flüssigkeit ergießt sich aus dem abgetrennten Tentakel. Dann wir er schlaff.

*Twäng*

… macht der die Eisensehne von Randirions Balestri-na. Er hat kaltblütig gewartet, bis ein zweiter Tentakel für einen Moment einigermaßen ruhig stand. Und dann hat er auf die breiteste Stelle direkt am Schachtrand gezielt. Die massive Kugel reißt auch diesen Arm ab.

Randirion legt die Waffe ab und nimmt sein Rapier in die rechte Hand.

Währenddessen rückt Ingalf gegen einen weiteren Arm vor. Er trifft zwar, aber diesmal schafft er es nicht, den Arm abzuhacken. Dieser umschlingt daraufhin seinen Oberkörper samt Armen. Ingalf ist gefangen und kann nicht mehr kämpfen!

Ohne weiter nachzudenken greift Randirion ein. Glücklicherweise kann man ein Rapier eingeschränkt auch als Hiebwaffe nutzen, und so legt er los. Da er gleichzeitig aber einem weiteren Tentakel ausweichen muss, ist er nicht sofort erfolgreich. Mit seinem zwei-ten Schlag ist Ingalf aber befreit.

Ingalf schüttelt seine Benommenheit ab und will wieder angreifen, da stockt ihm der Atem: Der Körper/Kopf des Tentakelwesens mit einem schwarzen, dreiteiligen auf- und zuklappenden Schnabel, der genau zwischen acht Tentakeln sitzt, erhebt sich über den Rand des Schachts.

Zwei Tentakel sorgen für Halt im Schacht, drei sind bereits gekappt und damit nutzlos, aber drei greifen jetzt nach den beiden Kämpfern.

"Bei Swafnirs mächtigen Flossen! Stirb du Missge-burt! Aaah!" Alle Vorsicht vergessend stürzt Ingalf sich auf ein Tentakel und versucht es abzutrennen.

Er wird, von Jähzorn und Kampfesrausch übermannt, versuchen, solange Tentakel abzutrennen, bis er seine Orknase direkt in den Körper des Ungetümes versen-

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ken kann. Dieses Wesen darf nicht weiter auf Dere wandeln.

Mit mächtigem Schlag trennt Ingalf einen weiteren Tentakel ab, aber dann wird er wieder ergriffen. Dies-mal aber nur am Bein, und statt zu versuchen, sich herauszuwinden, schlägt er direkt wieder zu. Mit zwei Schlägen ist auch dieser Tentakel abgehackt.

Der letzte sichtbare Tentakel hat sich währenddessen um Randirions Schwertarm gewunden und zieht diesen auf das schreckliche Maul zu, aber Ingalfs Axt ist die perfekte Waffe, gegen so ein Wesen. Auch dieser Tentakel hält der Orknase nicht stand.

Mit ungläubigem Blick verfolgt Sephyra den Kampf. Sie ist starr vor Entsetzen, erneut ein solches Wesen zu erblicken. Erinnerungen an den halb überfluteten Raum in dem namenlosen schwarzen Schiff (zu-mindest hat Sephyra die Kenntnis des Namens mitt-lerweile erfolgreich verdrängt) kommen wieder in ihr Gedächtnis zurück. 'Nein!' ist alles, was sie denken kann.

Frumol ist wie erstarrt vor Schreck. "Was im Namen der Zwölf ist das?" fragt er geistesabwesend.

Als er sich von dem ersten Schock erholt hat und In-galf sowie Randirion zu Hilfe eilen will, …

… da lässt sich der Krakenmolch - die Helden erfah-ren diesen Namen später von Sephyra - in die Tiefe fallen. Sechs seiner acht Arme verloren zu haben, ist wohl für ihn zu viel. Etwas später ertönt aus der Tiefe ein platschendes Geräusch.

Schwer atmend und bisweilen undefinierbare Grunz-laute ausstoßend bleibt Ingalf stehen, die Axt noch zum Zuschlagen erhoben. Seine Schultern heben und senken sich bei jedem Atemzug, und es sind ge-murmelte/gezischte Satzfetzen vernehmbar "… was du verdient … nicht standgehalten … stinkender Dä-mon … Swafnirs Kräfte … mächtige Axt …"

Dann spannt sich sein Körper, er reckt die Axt mit beiden Armen in die Höhe und ein gutturaler Schrei entrinnt seiner Kehle "Aaaaaaaaarrrrgggghhhhh-haaaaaa!", der in dem Gemäuer unheimlich widerhallt. Langsam sinken seine Arme herab, er dreht die Axt, setzt sie mit dem Blatt nach unten auf den Boden und stützt sich schwer ab. Dann dreht er sich um und lächelt matt: "Dem hab'n wir's aber ge-zeigt, wa?!"

Randirion massiert - noch etwas schwer atmend - sei-nen Waffenarm.

"Zweifelsohne, Herr Wedmansson …" Dann muss auch er grinsen, nimmt das Rapier in die Linke und streckt Ingalf die Rechte entgegen.

"Hervorragend gekämpft! Und habt Dank für den formidabelen Hieb vorhin!"

"Gleichfalls!" Ingalf reckt die Schultern, ergreift sei-nerseits Randirions ausgestreckte Rechte, drückt kräf-tig zu und ergänzt: "Der Weg nach unten sollte jetzt frei sein."

Randirion verzieht ein wenig das Gesicht bei der Kraft des Händedrucks. Dann zieht er ein Stofftuch aus sei-nem Gürtel und wischt säuberlich das Rapier sauber, bevor er es in die Scheide schiebt. Auch die Balestrina wird wieder eingesammelt und in den Gürtel gesteckt.

"Nun, nachdem unser Schnabel- und Tentakelfreund aus dem Weg ist …" er tritt ein Tentakelstück aus dem Weg, bückt sich und hebt das Seil auf, welches er eben hat fallengelassen, "können wir doch mal nachsehen, wer da unten das Licht hat brennen lassen, oder?" Er grinst unternehmungslustig in die Runde.

"Seid ihr verletzt?" ruft er den Gefährten besorgt von der Tür aus zu.

"Sieht nicht so aus," entgegnet Ingalf trocken. "Ihr könnt wieder reinkommen."

Erleichterung durchströmt sie und Tränen der Freude brechen hervor. Ohne ein Wort zu sagen, geht sie langsam auf Ingalf zu und klopft ihm nach thorwaler Manier fest auf die Schulter. Dann lässt sie sich einfach auf den Boden sinken und bleibt dort einfach sitzen.

Frumol folgt Sephyra wieder in die Küche hinein. Hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte er es für unmöglich gehalten: Sowohl, das so ein schreckliches Wesen überhaupt auf Dere wandelt, als auch, dass zwei Männer es mit Axt und Rapier in die Flucht schlagen konnten.

Die beiden Kämpfer haben nichts Besseres zu tun, als gleich wieder wagemutige Pläne zu schmieden: Sie wollen doch tatsächlich immer noch in das Loch steigen.

Diese ganze Ruine jagt ihm Angst ein. Er kann es nicht in Worte fassen, aber die ehemalig Burg ist nicht normal. Die Gefahr versteckt sich förmlich an jeder Ecke - Das ist keine normale verfallene Burg, keine Ruine, die einen zum Spielen anlockt.

"Was ist mit den Kindern?" fragt er schlicht? Dann setzt er sich neben Sephyra auf den Boden und legt ihr einen Arm um die Schulter. Leicht zieht er sie an sich.

Ingalf schaut Frumol verdutzt an. "Ja die Kinder … Was wenn sie hierher gekommen sind und von diesem … äh … Ding in den Brunnen verschleppt worden sind? Oder wenn das das Wachtding von jemandem gewesen sein sollte, der da unten Licht gemacht hat?" Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht Frumol fragend an.

Ingalf, der sich provokativ vor Frumol aufgebaut hat, wird kaum beachtet. Seine Gedanken sind ganz bei Sephyra, welcher er tröstend in seinem Arm hält.

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"Wenn die Müllerskinder von dem verschleppt worden sind, werden wir wohl kaum etwas von ihnen finden", murmelt Frumol halblaut eine Antwort.

Randirion hört nur am Rande zu. Er überlegt, wie er alle vier durch die Öffnung im Schacht bekommt, ohne das oben jemand steht, das Seil oder die Kette zu halten.

"Eines dürfte immerhin feststehen: das Tentakeltier hat da unten bestimmt keine Fackeln anzündet."

Randirion schätzt einen der Arbeitstische ab - könnte man den quer über den Schacht legen, das Seil darum binden und sich an der Seite vorbei herunter lassen? Dazu müsste der Tisch länger als der anderthalb Schritt durchmessende Schacht sein; ein Schritt auf jeder Seite als Auflagefläche sollte reichen. Und er sollte stabil genug sein, um dann als Brücke dienen zu können.

Die Tische sind teilweise zerschlagen. Die anderen machen einen recht morschen Eindruck. Randirion geht umher. Auch die übriggebliebenen Regale sind nicht allzu Vertrauen erweckend. Aber da fällt sein Blick auf etwas, was ganz sicher passt. Ein wohl drei Schritt langer, nur wenig angerosteter Bratspieß liegt vor dem Kamin auf dem Boden. Der würde wohl auch einen ganzen Ochsen tragen.

Ohne den starren Blick vom Boden zu wenden, lehnt sich Sephyra an Frumol und legt den Kopf an seine Schulter. Ganz in Gedanken versunken bleibt sie still so sitzen. Offensichtlich hat dieses Erlebnis eben mehr schlechte Erinnerungen wachgerufen, als sich die Ge-fährten vorstellen können.

Keine zehn Pferde kriegen ihn in dieses dunkle Loch hinunter - es sei denn, Sephyra geht mit Ingalf und Randirion. Ihm wäre es viel lieber, sie würden endlich die verdammten Gören finden und dann von diesem Ort verschwinden.

So sitzen Sephyra und Frumol einfach zwischen den Überresten der zerfallenden Küchenutensilien und der abgetrennten Greifarme des Krakenmolchs. Auch auf die Aktionen von Ingalf und des Kawaljere hin macht Sephyra keine Anstalten, ihre Position auf-zugeben …

Frumol sitzt einfach neben Sephyra und streichelt sie leicht - beruhigend. Er sagt nichts, weiß dass er Se-phyra nicht bedrängen darf. Die dunklen Schatten der Erinnerung muss sie erst besiegen.

Den Handlungen Randirions bemerkt er nur am Rande. Er kann nicht verstehen, wieso die beiden da hinunter wollen. Es gibt doch sicherlich noch einen anderen Weg. Doch er ist sich sicher: Was auch immer da unten sein mag: Die Bengel sind es nicht!

So weiten sich Frumols Augen vor Überraschung, als er Randirion mit dem Bratspieß im Schlepptau sieht.

"Marvellieux!"

Randirion bückt sich und schleift den Spieß hinter sich her und wird ihn quer über die Öffnung des Schachts legen. Dann reicht er Ingalf ein Ende des Seiles.

"Herr Wedmansson - wärt Ihr so freundlich, einen Eurer hervorragenden Seemannsknoten anzuwenden, um dieses Seil an dieser Stange zu befestigen?" wäh-rend Randirion selbst die Länge des Seiles abmisst und nach einer gewissen Länge einen Kessel oder so am anderen Ende des Seils festknotet. Dieser soll, so sein Plan, als Stopper etwa auf der Höhe des Bodens des erleuchteten Ganges sein und so ein Durchrut-schen verhindern.

"Kein Thema", entgegnet Ingalf. Als er das Seil in die Hand nimmt, wird er aber ein wenig nachdenklich. "Wir sollten diesen Tampen in jedem Fall doppelt nehmen. Ein bisschen morsch ist er schon. Aber dann kann der Knoten keinesfalls aufgehen." Gesagt, getan.

Als Randirion mit einem Wassereimer ankommt, schaut Ingalf erst verdutzt. Dann sagt er ab nur: "Lass mich mal!" und verknotet den Bügel des Wassereimers in ungefähr passender Länge. Danach ziehen die beiden den Bratspieß zum Schacht und lassen das Seil hinab. Passt!

Sich durch die körperliche Nähe zu Frumol beru-higend, ist Sephyra bald wieder in Ordnung. Sie steht auf und klopft sich den Staub und Schmutz von den Sachen 'wie konnte ich mich hier nur her setzen, alles ist schmutzig geworden. Und Zeit zum Waschen ist auch nicht …!'

Interessiert schaut sie den beiden Arbeitern zu: "Ihr wollt doch nicht da hinunter?" fragt sie bestürzt.

"Doch, genau da hin, Träumerin. Kannst ja hier auf uns warten." Ingalf prüft mit einigen kräftigen Rucken das Seil. Wenn er es für fest genug erachtet, legt er Seesack und Orknase ab und macht sich vorsichtig an den Abstieg.

Vier Schritt lässt Ingalf sich vorsichtig am Doppelseil hinab rutschen.

Randirion beobachtet kritisch den Bratspieß, der sich aber kaum durchbiegt. Da es mit dem Eimer einen effektiven Halt für Ingalfs Füße gibt, ist es für ihn ein Leichtes, durch das Loch in der Schachtwand zu kommen. Ingalf schaut sich um.

"Nun Herr Wedmansson," fragt Randirion, während er seine Balestrina erneut nachlädt, "irgendwelche erwähnenswerte Opposition?"

Ingalf geht zum Schacht zurück und ruft leise rauf: "Keine Seele hier, nur ne gut gefüllte Vorratskammer. Hier leben Menschen, und es gibt Ausgänge aus dem Raum, wahrscheinlich kommt man auch auf anderem Weg hierunter, für diejenigen, die sich das nicht trauen mit dem Seil, mein ich."

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Nach dem Laden der Balestrina wird Randirion mit dieser in der Linken das Seil herunterrutschen, wobei ihm ebenfalls der Eimer und seine Lederhandschuhe gute Dienste leisten.

"Das ist doch verrückt!" sagt Frumol zu Sephyra, als auch der Kavaljäre in dem Loch verschwindet.

Die Sache hat sich Randirion einfacher vorgestellt, als sie ist. Mit Schwung rutscht er das Doppelseil hinab, als er aber unten durch den Eimer gestoppt wird, ent-gleitet das Seil seinem Griff. Seine Überlebensin-stinkte gewinnen Überhand, und so lässt Randirion seine Balestrina los, um sich seiner Linken festzuhal-ten. Nur seiner überragenden Körperbeherrschung ist es zu verdanken, dass er mit der Rechten die nun fallende Balestrina im letzten Moment auffängt.

"Hmm, haste schonmal ne Karriere als Gaukler in Erwägung gezogen? Nicht übel die Nummer." grinst Ingalf, nachdem ihm klar ist, dass Randirion sich außer einem Schrecken nichts getan hat.

Der gemauerte Schacht durchläuft die Mitte eines rechteckigen überraschend kühlen Raumes, der von Norden nach Süden wohl zehn Schritt und von Osten nach Westen etwas weniger breit ist. Die Decke kann Ingalf auch mit ausgestrecktem Arm nicht erreichen. zwei Türen, eine an der West-, die andere an der Ostwand, führen in den Raum. Neben jeder Tür brennt an der Wand eine Öllampe.

Unter der Decke verlaufen zwei Balken über die ganze Breite des Raumes.

An den Unterseiten hängen Haken; an zwei davon hängt je ein Schinken. An einer Wand steht ein großes Regal, auf dem Brot und Käse liegt. Daneben stehen Tontöpfe. Zwei Fässer und zwei Tonkrüge, die auf dem Boden stehen, ergänzen das Inventar des Raum-es.

Die Vorräte füllen den Raum bei weitem nicht.

Als er neben Ingalf steht und sich in der Vorrats-kammer umsieht, meint er: "Ah, es steht zumindest fest, dass hier lebendige Menschen wohnen - oder ist euch eine andere Kreatur bekannt, Herr Wedmansson, die Räucherschinken an Haken an der Decke auf-hängt und Brot und Käse in Regalen lagert?"

Er wendet sich nochmal zum Schacht und ruft hin-auf: "Madame Lunor, Herr Pellocke - falls Ihr etwas zu Eurer Kräftigung beitragen wollt: wir haben eine gut gefüllte Vorratskammer gefunden!"

"Nu schrei doch nich so, wir wollen doch nicht unbe-dingt die Türglocke läuten, oder? Aber sag ihnen, sie sollen meine Ausrüstung vorsichtig mit dem Eimer runter lassen."

Leise antwortet Sephyra: "Ja, schon. Aber nicht so ver-rückt wie hier allein zu bleiben!"

Nachdem der Kawaljere seine halsbrecherischen Kunststückchen beendet und das Seil verlassen hat, ergreift Sephyra wortlos das Seil und in ihrer bekannt grazilen Art (und ihres hervorragenden akrobatischen Geschicks) klettert sie am Seil bis zum Eimer hinab. Dabei lässt sie sich nicht wie die beiden anderen rut-schen, sondern "hangelt" abwärts, wie das beim Seil-klettern eigentlich richtig gemacht wird. 'Angeber!' denkt sie nach Kawaljeres Abstieg. 'Nicht mal richtig klettern können aber "Fang' die Armbrust" spielen.' Unwillkürlich muss sie lächeln. Das sieht im Halb-dunkel jedoch keiner der Gefährten.

Mit dem Rucksack an den Schultern geht das Klettern bis an ihre Kraftgrenzen, aber glücklicherweise nicht darüber hinaus.

Auf der Höhe des Schachts angekommen, schwingt sie gekonnt hinein und sieht die von Ingalf be-schriebene Umgebung an. Unwillkürlich bildet sich eine Gänsehaut auf ihren Armen und dem Rücken.

Ja. Es ist wirklich seltsam, im Untergeschoss einer Ruine einen teilweise gefüllten Vorratsraum zu finden. Auf den Regalen ist sogar Staub geputzt!

Sicherheitshalber zieht sie einen Wurfdolch und rückt den Rucksack zurecht.

Jetzt ist nur noch Frumol sowie Ingalfs Seesack und Orknase oben.

Frumol seufzt leise und schüttelt den Kopf. Er erhebt sich langsam und schwerfällig. 'Jetzt laufen wir ir-gendwelchen Hirngespinsten nach - immer tiefer in dieses verfluchte Gemäuer.'

Er schaut sich um und sieht noch die Ausrüstung von Ingalf neben dem Loch liegen. Es dämmert ihm, dass Ingalf vorhin irgend was aus dem Loch herauf gerufen hat, was Frumol nicht zur Kenntnis nahm. Sicher wollte Ingalf seine Sachen haben …

Welchen Sinn hat es, da herunter zu steigen? Das birgt doch nur Gefahren! Unten angekommen gibt es vielleicht kein zurück mehr - Hier laufen auf jeden Fall die Räuber herum. Oder in den Tiefen des Schachts lebt noch so ein schreckliches Wesen. Ganz bestimmt hausen hier noch andere Lebewesen. Je länger er darüber nachdenkt, desto mehr fällt ihm ein - Vampire sollen zum Beispiel in alten Burgen residieren!

Ihm gefällt es immer weniger in das Loch hinab zu steigen, doch er wird Sephyra folgen. Nicht dass sie noch schlecht von ihm denkt! Nur ein Narr begibt sich in unbekanntes Gelände wenn der Rückweg unsi-cher ist! Das war eine der ersten Lektionen, die er in den Gassen lernte!

Und so zieht er seufzend den Eimer hoch und lässt nacheinander sowohl Ingalfs Sachen als auch seinen Rucksack hinab. Alles wird unten sicher von Ingalf

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übernommen. Dann macht sich Frumol an den Ab-stieg.

Wie es Phex will, geht etwas schief. Frumol rutscht ab und landet mit Schwung auf dem Eimer. Das Seil knirsch vernehmlich, und dann merkt Frumol, wie sich der Eimer langsam abwärts bewegt.

Als der vermeintlich sichere Stand auf dem Eimer nachgibt, rutscht vor Schreck sein Herz in die Hose. Er sieht sich schon in den dunklen Schacht hin-einfallen - tief unten wartet das schreckliche Mons-trum!

Einen kurzen Moment ist er nicht in der Lage zu Handeln. Dann versucht er sich panisch irgendwo festzuhalten, doch seine Hände greifen ins Leere.

Im letzten Moment kann sich Frumol an Ingalfs Arm festhalten und wird von ihm in den Vorratsraum hin-eingezogen.

Ein kritischer Blick aufs das Seil offenbart: Hier will keiner mehr wieder hochklettern.

Jetzt ist es soweit, der Rückweg ist ihnen versperrt! Er hat es gewusst! Vor Schreck und diese Erkenntnis bleich lehnt er sich schwer gegen die Wand. Er schließt die Augen ohne den Raum weiter zu beach-ten.

Fürsorglich nimmt Sephyra Frumol in den Arm und versucht, ihn zu beruhigen. "Ssscchhhhh, ist ja alles gut." flüstert sie ihm ins Ohr.

Sanft wiegt sie seinen Kopf an ihrer Schulter. Sie will ihm all den Trost geben, den er ihr immer hat zuteil werden lassen, wenn die Zeiten schwierig waren, oft durch seine bloße Anwesenheit und ein Lächeln.

Nachdem er sich ein wenig beruhigt hat öffnet er sei-ne Augen wieder. "Danke", bedankt er sich bei dem Seefahrer und schaut sich als letzter in dem Raum um. Er halt dabei einen sicheren Abstand zu dem Loch in der Wand, …

… dessen Unterkante sich in ein Schritt Höhe über dem Fußboden befindet.

Wenn er es nicht besser wüsste, könnte er den Ein-druck haben, dass er hier im Keller eines ganz norma-len bewohnten Hauses ist.

"Oh, wie schade … es war eine so gelungene Idee …"

Randirion ist nicht wirklich betrübt, vielmehr hat ihn, deutlich sichtbar die Abenteuerlust gepackt.

"Dann sollten wir vielleicht eine der beiden Türen ausprobieren …"

Gesagt, getan.

"Komm!" fordert sie ihn auf. "Lass uns den einmal be-schrittenen Weg nun auch mit ganzem Mut gehen." - 'Das klingt aber ganz schön platt' denkt sie sich. 'Na ja, Hauptsache es hilft …'

Dann steht sie vor Frumol und nickt mit dem Kopf in Richtung der Tür. "Los geht's!"

Frumol lächelt sie dankbar an und schickt sich an den Raum zu verlassen.

Endgültig wird der ihn hinter sich lassen.

Als er an Sephyra vorbei geht, dreht er sich spontan zu ihr um und kitzelt sie ein wenig. Nachdem er von ihr angelassen hat drückt er ihr einen Kuss auf die Wange.

Dann schreitet er voran - Randirion und Ingalf hin-terher. An der Tür lässt er Sephyra mit einer angedeu-teten Verbeugung wieder den Vortritt.

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Im Untergeschossandirion öffnet vorsichtig die ihm nächst-liegende Tür. Ingalf, dessen Orientierungssinn

hier unten anscheinend ungestört funktioniert, denkt: 'Osttür'.

R

Hinter der Tür ist ein kurzer Gang, der auf einen Quergang trifft. An der Ecke brennt eine Fackel.

Ein Blick nach links: Fünf Schritt weit kann man im Fackelschein gut schauen. Dahinter wird es schnell immer dunkler.

Ein Blick nach rechts: Nach fünf Schritten knickt der Gang nach rechts ab. Dort brennt wieder eine Fackel.

Es ist nichts weiter besonders zu sehen oder zu hören.

Ingalf, Orknase in der Hand und Seesack auf der Schulter, folgt Randirion dicht auf. "Norden zuerst?" fragt er leise und deutet in den linken Gang.

Vorsichtig macht er ein paar Schritte in den immer weniger beleuchteten Bereich. Seine Augen passen sich an, und so erkennt er, dass sich in wenigen Schritten Entfernung am Ende dieses Gangstückes eine Holztür befindet.

Sephyra, die als Dritte in der Reihe folgt, nimmt einfach die Fackel aus dem Halter und führt so eine Lichtquelle mit. 'Wenn schon nicht Banjew und sein toller Stecken dabei sind, muss man das eben auf die schlichte Art machen!'

"Hier, versucht es damit." fordert sie Ingalf auf, indem sie ihm auf die Schulter tippt und dabei schon fast auf Zehenspitzen stehen muss.

Im Licht der Fackel ist zu erkennen, dass die Tür über einen einfachen Holzriegel verschlossen ist.

"Was ist denn da vorne" fragt Frumol, der als letzter im Gang steht und die Tür nicht sieht.

"Ne Tür, ich mach ma auf …" Ingalf schiebt den Riegel zurück, öffnet die Tür vorsichtig einen Spalt und lugt durch. Er nimmt die Fackel und hält sie vor den Spalt und zieht dann die Tür ganz auf. "Och da is nix, nur der Keller von 'nem Turm, aber is alles voller Staub, hier war schon lang keiner mehr." Er klingt ein wenig enttäuscht. "Lasst man erstmal in die andere Richtung gucken."

Dadurch, dass sich jetzt alle umdrehen, ist Frumol auf einmal ganz vorn.

Beleuchtet von Sephyras Fackel macht er sich auf den Weg geradeaus. Dann geht es rechts, dann wieder links. Und dann gabelt sich der Gang. Es geht gerade-aus weiter und nach rechts. Sowohl voraus als auch rechts sind in einiger Entfernung wieder Fackeln zu sehen, genauso wie an jeder vorigen Biegung.

Die erste Fackel, die Frumol an der Frumol vorbeige-kommen ist hat er aus der Halterung genommen. Schließlich ist es besser, zwei Fackeln zu haben.

An der Gabelung angekommen bleibt er stehen und verkündet "Hier zweigt ein Gang ab." Dann zeigt er mit dem Zeigefinger auf einen der Gänge, seine Lippen bewegen sich stumm, während er einen Ab-zählreim aufsagt.

Sein Zeigefinger zeigt zum Schluss auf dem abzweigenden Gang: Also schlägt er ohne weitere Fragen diesen ein.

Nach fünf Schritten kommt wieder eine Fackel, voraus ist noch eine zu sehen. Die Gruppe geht geführt von Frumol weiter darauf zu. Diese Fackel markiert eine Tür ähnlich der letzten. Kurz vorher geht ein Gang nach rechts ab. Der ist aber dunkel.

Den unbeleuchteten Gang ignoriert Frumol. Schon der letzte hat sich als uninteressant erwiesen. Of-fensichtlich sind die beleuchteten Gänge auch benutzt - wenn sie bisher glücklicherweise auch niemanden getroffen haben. So konzentriert er sich auf die Tür.

Nach dem üblichen Lauschen schiebt Frumol den Riegel zurück und öffnet die Tür und leuchtet in die Dunkelheit.

Wieder ein runder Raum, aber diesmal gibt es einen kleinen Unterschied: Eine Wendeltreppe führt nach oben.

Er tritt ein und schaut sich um. 'Hier können wir wenigstens wieder hoch', fällt ihm beim Anblick der Wendeltreppe ein.

"Wir sind wohl in einem Turm" sagt er zu der Gruppe. Dies schleißt er aus dem runden Grundriss.

Interessiert schaut er sich die Treppe an - nicht dass sie in ähnlich schlechten Zustand ist wie die letzte …

Vor der untersten Treppenstufe liegen einige Steine. Als Frumol hoch leuchtet und anschließend die ersten Stufen hochgeht, sieht er, dass mit zunehmender Höhe immer mehr Steine auf den Stufen liegen. Im oberen Bereich ist die Treppe vollkommen durch zu-sammengefallene Mauersteine blockiert.

"Und, kommen wir hier im Fall der Fälle wieder nach oben?" fragt Sephyra.

Dann nimmt sie die Fackel fester in die Hand und leuchtet die Wände ab. 'Vielleicht entdecke ich ja et-was Interessantes …' denkt sie.

Die unverputzten Wände sind in einem guten Zu-stand. Nichts auffälliges.

"Och Mädel, irgendwo muss es hier doch hochgehen, schließlich putzt hier jemand regelmäßig. Der is be-

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stimmt nicht immer den Schacht ruff un runner ge-kraxelt." versichert Ingalf voll Zuversicht.

'Und wenn doch?' meldet sich eine kleine ungewollte Stimme in seinem Hinterkopf. Ein wenig mulmig ist ihm doch bei dem Gedanken, den Weg aus diesem Verließ noch nicht zu kennen. 'Wenigstens haben wir Vorräte, das gibt uns Zeit zum Nachdenken, und die Kleine kann ja ganz gut klettern. Bei Swafnir, das pa-cken wir schon.' Auch innerlich ein wenig beruhigter schaut Ingalf nach vorn.

'Das war wohl nichts' stellt Frumol betrübt fest.

Mit hängenden Schultern und schleppenden Schritten kehrt er zu den Übrigen zurück.

"Die Treppe ist blockiert. Da ist kein Durchkommen. Vermutlich liegt der ganze Turm da oben." berichtet er und beäugt misstrauisch die Decke.

'Bei meinem momentanen Glück wird ihm die auch noch auf den Kopf fallen …'

"Nun ja, Herr Pellocke, nötigenfalls werden wir uns hier einen Weg nach oben mit unserer Hände Arbeit bahnen können", entgegnet Randirion, der zuletzt et-was schweigsam war. So ganz wohl scheint er sich in diesen Gängen nicht zu fühlen.

Dann strafft er sich wieder, hebt die Fackel und schrei-tet durch die Tür wieder hinaus. Er schaut kurz in den dunklen Gang, geht aber geradeaus weiter um dann dem erhellten Gang weiter zu folgen.

Auch Randirion blickt kurz in den dunklen Gang, in dem absolut nichts zu sehen ist und folgt Frumol.

An der übernächsten Fackel, also nach ungefähr 10 Schritt, kommt die Gruppe an eine Kreuzung. Ge-radeaus und links ist Licht zu sehen. Nach rechts ist es dunkel. Immer noch kein lebendes Wesen.

'Froh sollten wir sein, nichts und niemanden hier zu treffen.' überlegt sich Sephyra. 'Gehen wir nicht im Kreis?'

"Und jetzt?" fragt sie vorsichtig. "Kamen wir nicht von dort?" und zeigt auf den dunklen Gang. "Egal, nur wo Licht ist, wird sich häufig jemand aufhalten, da diese Fackeln ja nicht ewig brennen." meint sie noch.

"Jau, folgen wir den Fackeln, lasst mich ma vor" gibt Ingalf zum besten und zwängt sich an den anderen vorbei.

Ingalf wählt den Weg gerade aus.

Bei der nächsten Fackel ist nach 6 Schritt der Weg ge-radeaus zu Ende. Nach links ist ein beleuchteter Gang, nach rechts ein unbeleuchteter. Als die Gruppe dem Gang nach links folgt, biegt dieser nach weiteren 6 Schritten wieder nach links ab, und dann kommen die Helden wieder an eine Kreuzung. Links brennt in wohl 6 Schritt Entfernung Licht. Geradeaus ebenfalls. Nach rechts ist es dunkel.

Ingalf macht mit dem Finger ein paar Striche in den Staub. Dann verharrt er. Er kriegt die Gänge einfach nicht zusammen. Da hockt sich Frumol neben ihn. "So stelle ich mir diesen verfluchten Keller vor," sagt er, und ruckzuck entsteht eine Skizze:

<--- N ___ / Ost?\_____________( Turm ___ _____ | dunkel \ ___ / __| |__ | | ____| |_________ | | | | hell___ x _______ | x = hier ist die | Lager | | | | | | | Karte in den |__ __| | |________________| |_______| | Staub gemalt. (_) |________ _______ _______ | | | | | | | | | dunkel dunkel __| | dunkel __ | _| |_ / \ ( Turm ) \_____/ mit Treppe (verschüttet)

"Ich glaube aber nicht dass das so richtig ist, was meint ihr?" ergänzt er. Während er auf die Antworten der anderen wartet, murmelt er noch: "Hab ich schon darauf hingewiesen, dass ich gar nicht hier herunter wollte?"

Anerkennend besieht sich Sephyra die Skizze: "Toll. Ich wusste gar nicht, dass du so ein begnadeter Künst-ler bist." witzelt sie noch.

Frumol blickt auf und lächelt sie an. "Da kannst Du mal sehen, mit welche verborgenen Talenten mich die Götter gesegnet haben." antwortet er spitzbübisch.

'Ja, keiner von uns beiden wollte eigentlich hier her.' ergänzt sie Frumols laut gesprochene Gedanken für sich selbst.

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"Also Jungens, wie gehen wir weiter? Ich würde vor-schlagen, wir gehen den Fackeln nach, da ist die Chance, jemanden zu treffen, am größten. Folgen wir den dunklen Gängen ist die Chance wohl eher groß, etwas anderes zu treffen." Der Scherz bleibt ihr aber ir-gendwie im Hals stecken.

Frumol erhebt sich wieder von seiner Skizze, da scheinbar keiner einen besseren Plan zeichnen kann.

"Sephyra hat recht, lasst uns weitergehen und endlich einen Ausgang finden!" Frumol ist gar nicht erpicht darauf jemanden zu treffen - weder Mensch noch Tier, weder hier unten, noch oben auf dem Berggelände.

"Noch etwas genauer: lasst uns weitergehen, und ver-suchen die Kinderchen zu finden." ergänzt Randirion , …

… und geht los.

Geführt von Randirion macht sich die Gruppe wieder auf den Weg. Nach 6 Schritten biegt der Gang nach rechts ab, bleibt aber erleuchtet. Dann geht es 18 Schritt (besser gesagt: 3 Fackeln) weiter, bis sich der Gang gabelt. Scharf nach links ist der Gang beleuch-tet, schräg nach rechts ist der Gang dunkel. Also biegt die Gruppe nach links ab.

Nach wenigen Schritten häufen sich die Möglichkei-ten.

/ / / /__| |__________________/ / FS |____________ RI________ | | | | | | | | | | | | | __| | | | | | | ___| | | | | |

An allen sichtbaren Abzweigungen brennen Fackeln.

"Äh, was haltet ihr von hier gleich abbiegen. Dann entfernen wir uns nicht gleich so weit und sollte es eine Sackgasse sein, kehren wir um." 'Na ja, mir reicht es schon, dass irgendwo keine Fackel mehr brennen würde, um das als Sackgasse zu bezeichnen …' denkt sie.

"Soo lange brennt ja so eine Fackel auch wieder nicht. Irgendwann kommt bestimmt jemand und erneuert sie." fügt sie sicher hinzu. 'Oder sind das "Dau-erbrenner", die eine eigene Ölversorgung haben?' Se-phyra besieht sich die Fackeln in diesem Gang genau und tauscht eventuell ihre bereits weiter herunter ge-brannte gegen eine neuere aus.

Die Fackeln scheinen ziemlich langsam zu ver-brennen. Es gibt keine Notwendigkeit, sie auszut-auschen.

'Hmm, also wenn die Fackeln sehr lange brennen, muss vielleicht doch nicht so häufig jemand hier her-unter kommen.' überlegt Sephyra weiter. 'Dann haben wir vielleicht Glück …'

'Andererseits sind wir erst seit ein paar Minuten in den Gängen', geht ihr dann noch durch den Kopf.

"Meinst Du?" Frumol schaut sich nachdenklich im Gang um. Aus irgendeinem Gefühl, welches nur dif-fus ist und er nicht fassen kann, hätte er den Gang lin-ker Hand gewählt. Aber Sephyra hat schon öfters die richtige Eingebung gehabt. Sie nannte das dann immer 'weibliche Intuition' …

"Also los, worauf warten wir?" fragt er Sephyra, die vor ihm steht.

"Dem ist nichts hinzuzufügen!" meint Randirion gut gelaunt und geht vor.

Der kurze Gang knickt gleich wieder nach links ab und endet vor einer Tür, hinter der es ruhig ist. Sie ist unverschlossen.

___________________ ____ | | | | | | ___| | | | | ___| | | | | | | |T_|

Hinter der Tür liegt ein rechteckiger ziemlich großer Raum, der durch Öllampen erleuchtet wird. Eine ganze Reihe gefüllter Säcke stehen auf dem Boden. An einer Wand sind Fackeln gestapelt.

In der Ecke direkt rechts neben der Tür führt eine un-beleuchtete steile Rampe nach oben. Es ist niemand sonst im Raum.

Frumol interessiert sich auf Anhieb für die Rampe. Könnte das ein Ausgang sein?

Er fasst Sephyra am Arm und zieht sie vorsichtig mit.

"Komm mal mit. Leuchte mir mal bitte bei der Ram-pe."

Sephyra kommt Frumols Bitte nur zu gern nach. Mit der Fackel versucht sie, genug Licht zu verbreiten. Sollte das scheitern, nimmt sie eine weitere Fackel vom Stapel in der Ecke und entzündet diese an der ersten, damit Frumol eine eigene Fackel hat.

Eine zweite Fackel ist immer gut.

Als Sephyra die Rampe näher beleuchtet, zeigt sich, dass sie halbkreisförmig nach rechts herum gebogen ist. Soweit der Fackelschein reicht, geht sie mit gleich-mäßiger Steigung (30°) aufwärts. Das obere Ende ist nicht zu sehen.

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Ein paar Schritt aufwärts um zu testen, ob die Rampe ihr Gewicht trägt, versucht Sephyra hinter die Bie-gung zu schauen und vielleicht das obere Ende zu erspähen.

Die Rampe ist aus Stein gemauert und glatt. Da kommt Sephyra nur auf allen Vieren hoch. Sie über-gibt Frumol ihre Fackel und kriecht hoch, soweit der leichteste Lichtschein reicht.

Frumol nimmt die zweite Fackel entgegen und hält sie so, dass er Sephyra am besten leuchten kann.

Es wird immer dunkler, je weiter sie kommt, und die Decke kommt immer näher, aber Sephyra bleibt ganz ruhig - so wie immer, wenn sie sich auf ihren Körper konzentrieren muss. Die Rampe geht in einen schrä-gen Schacht über, und dann stoßen Sephyras Hände gegen ein horizontales Hindernis aus Holz, der den Schacht beendet.

"Also hier oben geht es nicht weiter. Das scheint eine Art Falltür oder eine Bodenklappe der darüber liegenden Ebene zu sein." teilt sie den anderen mit.

"Vielleicht ist das hier nur dafür vorgesehen, etwas nach unten zu befördern?" Was das alles sein könnte, darüber macht sich Sephyra derzeit aber keine Ge-danken, schließlich liegt hier nichts offen herum, das ihren Argwohn erregt hätte.

Dann fällt ihr ein, dass man natürlich Säcke und ähnliches sehr gut über eine Rutsche in die Tiefe be-fördern kann.

"Sicher für Waren, die hier unten lagern" kommentiert er. "Kannst Du die Falltür aufdrücken?" fragt er wei-ter, obwohl er die Hoffnung schon aufgeben hat, auf diesem Wege die Ruine zu verlassen.

Sephyra löst vorsichtig ihre rechte Hand vom Boden, immer bedacht nicht den Halt zu verlieren und abzu-rutschen. Erst vorsichtig, dann etwas kräftiger drückt sie gegen die Klappe.

Die Klappe gibt erst einen Hauch nach, dann wird sie von etwas aufgehalten. Da sie sich nicht bewegt, …

… tastet Sephyra sie nach einem Hebel oder Riegel ab, …

… findet aber nichts.

'Wieso sollte man gerade eine Klappe von unten ver-riegeln?' denkt sie. 'Es wird doch nur von oben nach unten gehen …'

Ingalf beteiligt sich nicht an der Untersuchung des Raumes, sondern hält an der Eingangstür Wache.

Nachdem Sephyra bis an das Ende der Rampe vorge-drungen und nicht weiter gelangt ist, kehrt sie um.

Unten nimmt sie die Fackel von Frumol zurück und erklärt: "Also da oben ist eine von außen verriegelte Klappe, durch die man etwas die Rampe herunter fallen oder rollen lassen kann. Da geht es nicht weiter, wie müssen uns hier unten umsehen."

Fragend sieht sie in die Runde.

"Hmm, was 'n los mit dem Ding, hat sich doch so angehört, als hätt' sich da was bewegt. Lass mich doch mal." Ingalf setzt seinen Seesack ab, schaut kurz seine Axt, dann die drei Gefährten, dann Randirions Rapier an und drückt Sephyra die Orknase in die Hand. "Aber gut drauf aufpassen" murmelt er ihr zu, dann macht er sich an den Aufstieg.

Sephyra rümpft ein wenig die Nase über Ingalfs "Frechheit" - aber das bemerkt bei dieser Beleuchtung niemand. Mit "zwei Fingern" hält sie die Axt aufrecht, das Ende mit dem Blatt auf dem Boden abgestützt. 'Bloß nicht zu fest anpacken …' geht ihr nur durch den Kopf.

Es zeigt sich, dass Ingalf Klettern gelernt hat. Nun ja, das Schiffsdeck eines Thorwaler Langbootes steht öf-ters mal so schräg, wie der Boden.

Aufgrund des abschüssigen Boden mit unsicherem Stand drückt er zunächst ganz zaghaft gegen die Luke, dann besinnt er sich, zieht den Schneidzahn aus dem Gürtel, ständig darauf bedacht, nicht abzu-rutschen, und schlägt das Blatt von unten in das Holzbrett. Er prüft das Ergebnis kurz, grunzt zufrie-den und hält sich dann am Griff des Schneidzahn fest, um die Luke genauer zu untersuchen. Er hebt die Luke ein kleines wenig an, langt sein Essmesser aus der Gürteltasche und tastet im Lukenrand nach der Sicherung.

An nur einer Stelle ist Widerstand. Und durch prokeln kriegt er heraus, dass da wohl ein Bolzen in eine Öse geschoben ist. Eine typische Art, eine Falltür zu si-chern.

Ingalf versucht vorsichtig (ohne das Messer zu zerbre-chen), den Bolzen zur Seite zu schieben. Wenn dies nicht erfolgreich sein sollte, dreht er sich um, so dass er die Rampe abwärts guckt und stemmt sich mit dem Rücken gegen die Falltür, um den Bolzen zu sprengen. Wenn dies auch nicht erfolgreich sein sollte, lässt er den Schneidzahn im Holz und bittet Frumol oder Sephyra mit ihren schmalen Händen und einem vielleicht etwas längeren Gegenstand, wie zum Bei-spiel einem Dolch oder (wenn er das für möglich hält) einer erloschenen Fackel ihr Glück zu versuchen.

In Bezug auf diese Falltür Hat Ingalf heute einfach kein Glück. Der Bolzen widersteht seinen Öffnungs-versuchen, und die Hebelverhältnisse sind zum Auf-drücken zu ungünstig. Ingalf lässt sich wieder herab rutschen.

"Is heute nich mein Tag," erklärt er achselzuckend. "Mögt ihr es versuchen?"

"Och nö" meint Sephyra. "Ich hab's schon versucht- nur falls du es vergessen haben solltest. Außerdem bin ich dafür, dass wir weiter gehen." drängt sie die anderen. "Wo sollen wir da auch schon hinkommen -

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hier gibt es noch genug andere Möglichkeiten." ver-sucht sie es eindringlicher.

Mit einem Frösteln sieht sie sich um, fast erwartend, dass der Krakenmolch (mit nur noch 2 Armen) in einer der Ecken sitzt und auf sie wartet.

Randirion sieht sich derweil etwas in der Kammer um - gibt es irgendwelche Anzeichen für Besuch in letzter Zeit? Was ist in den Säcken?

Randirion vermag nicht zu erkennen, ob die Spuren im Staub auf dem Boden nur von der Gruppe oder auch von jemand anders sind. Die Säcke enthalten Getreide. Einer ist schon halb entleert, und eine Handschaufel steckt im Korn.

Frumol hätte fast gesagt: "Ich versuche es mal", doch dann sieht er, dass Sephyra sich nicht wohl fühlt. Ängstlich schaut sie drein, also ist es besser wenn sie sich hier nicht länger aufhalten.

"Lasst uns weiter gehen!" beschließt er und führt Se-phyra am Arm zum Ausgang.

"Na gut, ihr wart dafür, dieses Geschoss auch schnell wieder zu verlassen, aber wenn ihr nicht wollt … Dann lasst mich aber wenigstens meinen Schneid-zahn holen."

Ingalf macht sich wieder an den Aufstieg, um die Axt zu holen. Oben angekommen macht er noch einen Versuch, den Riegel mit Muskelkraft zu sprengen.

Es gelingt ihm leider nicht, die Luke aufzudrücken. Seine Füße rutschen einfach auf der Schräge weg.

Am Ausgang blickt er noch einmal zurück, um zu se-hen ob die Beiden folgen werden. Ingalf scheint seine Axt erreicht zu haben und der Kavaljäre steht nur abwartend herum.

"Kommt ihr?" fragt er in den Raum, um weiteres Trödeln zu vermeiden.

Vorsichtig gehen die vier wieder zurück zur Abzwei-gung und dann nach links.

Dieser Gang scheint sich länger hinzuziehen, denn voraus ist mehr als eine Fackel zu sehen. |GG| | | | |____________| |_______________ x<-Hier ist die Gruppe _______ _______________ _ |SS| | | Stufen | | abwärts | | ___| | | | | ___| | | | | | | |T_|

Und dann geht rechts ein kurzer dunkler Gang ab. Da scheinen in wenigen Schritten Entfernung Gitterstäbe zu sein - eine Gittertür? Dahinter ist es ganz dunkel.

Voraus geht wohl auch nach links etwas ab - Stufen abwärts.

Im Gang huscht sein Blick zu den Stufen, das scheint aber nicht der richtige Weg zu sein. So schenkt er dem Gang rechter Hand mehr Aufmerksamkeit und blickt Sephyra fragend an.

Sephyras Blick folgt dem Frumols, auch sie sieht sich im Gang um, hält ihre Fackel verkrampft fest. 'Toll, einfach toll!' denkt sie nur.

Als Frumol sie dann so ansieht, meint sie, "komm, lass uns das Gitter dort drüben ansehen, vielleicht kom-men wir dort hinaus."

Als die beiden ans Gitter treten und hindurch leuch-ten, wird sofort deutlich, dass hier eine Gefängniszelle ist, wohl 4x4 Schritt groß.

Holzpritschen, auf denen Strohsäcke liegen, stehen an den Wänden. Niemand ist in der Zelle zu sehen.

Randirion wirft einen kurzen Blick in die Zelle, ent-scheidet, dass sie unter seinem gewohnten Niveau ist (bezogen auf Unterkünfte, nicht dass er jemals eine Zelle von innen gesehen hätte …), und wendet sich desinteressiert ab.

Ingalf prüft die Gittertür und stellt fest, dass diese nicht verschlossen ist. Er sieht sich kurz um, nimmt die nächste Fackel aus der Halterung und betritt die Zelle. Er achtet darauf, das Stroh nicht mit der Fackel oder herab tropfendem Pech in Brand zu setzen und sieht sich um. Das Strohlager zerwühlt er mit dem Fuß, vorsichtig, man weiß ja nie, ob sich Ratten oder ähnliches darin eingenistet haben. Er leuchtet alle Ecken aus, und sollte etwas seine Neugier wecken, geht er dem auch näher nach.

Selbst auf den zweiten Blick lässt sich hier nicht viel entdecken. Unter einer Pritsche steht ein irdener Napf. Davor steht eine Kanne. In einer Ecke steht noch ein Holzeimer mit einem Deckel drauf. Als Ingalf ihn öff-net, sieht er auf dem Boden eine eingetrocknete Masse. Die Wände sind mit Schriftzeichen bekritzelt. Lesen kann Ingalf die Zeichen nicht.

"Ich glaube, das hier ist kein Ausgang." entgegnet ihr Frumol trocken.

Ein unbehagliches Gefühl beschleicht ihn, obwohl er weiß, dass Gefängniszellen ein elementarer Bestand-teil von Burgen sind - vor allem alten Burgen.

"Mhh, hier geht es nicht weiter. Ist wohl auch besser so …" macht Sephyra den ersten Scherz, seit sie hier unten ist.

"Na gut, dann mal zurück und den Gang entlang der Fackeln weiter erkundet." kommandiert sie sich selbst,

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um ihre Angst etwas zu überspielen. 'Aber Frumol kann ich da bestimmt nichts vormachen …' denkt sie.

Frumol und Sephyra haben kein Interesse daran, die Zelle zu erkunden und gehen deshalb weiter. Als sie den Gang vorsichtig weiter folgen, bemerken sie, dass die Treppe nach links nur wenige Stufen lang ist und vor einer Holztür endet. Voraus ist wieder eine Abzweigung nach rechts.

Sephyra huscht an die Ecke. Da ist wieder eine Gitter-tür am Ende eines kurzen Ganges. Wie zuvor kann sie von der Ecke aus nicht sehen, was dahinter ist.

'Hmm, anscheinend sind wir in den Bereich des Ver-lieses der alten Festung gekommen. Das gefällt mir gar nicht!'

Sie dreht sich zu Frumol um und winkt ihm, zu ihr zu kommen. Sobald er neben ihr steht, flüstert sie ihm ins Ohr (damit eventuell sich im Dunkeln befindliche

Kreaturen nichts von ihrer Anwesenheit durch laute Geräusche mitbekommen):

Frumol folgt dem Wink der reizenden Maid und neigt seinen Kopf, damit sein Ohr näher an Sephyras Mund ist und er sie besser verstehen kann.

"Hier sollten wir nicht weitergehen, wenn es dunkel ist, war hier länger niemand. Lass uns den Fackeln folgen und einen Ausgang suchen. Denn wir wollen nur die Kinder finden, das sollten wir nicht aus den Augen verlieren!"

Dann fällt ihr auf, dass der Fackelschein sie hier unten wohl weit schneller verrät als ein zu lautes Wort. Sie schüttelt innerlich den Kopf über diese Offensichtlich-keit und für den Betrachter Frumol stutzt sie nur kurz und blickt die Fackel an. Sephyra deutet mit dem Kopf in Richtung der beiden Gefährten und macht sich auf den Weg.

________ | | | I | | | | | |__ __| |GG| |GG| | | | | | | | |____________| |____________| |_______________ SF R_______________________ _______________ _ |SS| | | Stufen | | abwärts | |

"Ich bin ganz Deiner Meinung", pflichtet Frumol ihr - nicht übertrieben leise - bei und schaut sie mit diesem typisch wissenden Blick an. Dann dreht er schnell den Kopf und nutzt die Gelegenheit, ihr einen schnellen Kuss auf den Mund zu drücken.

Nicht ganz uneigennützig lässt sie Frumol kurz ge-währen und wendet sich dann lächelnd ab: "Frumol!" entfährt es ihr. "Das ist kaum der passende Augen-blick!" fügt sie hinzu. Aber Frumol konnte fühlen, dass sie nicht abgeneigt war, sondern lediglich der Zeitpunkt unpassend ist.

Er wirft noch einen forschenden Blick in die Dunkel-heit des fremden Ganges.

"Was machen die denn da so lange?" fragt er seine Be-gleiterin. "Da war doch garnichts mehr." Sein leicht genervter Blick sprechen für Sephyra ganze Bände.

"Ja, was wohl?" fragt sie und sieht nach den beiden.

"Äh - daran dachte ich jedenfalls nicht" kommentiert Frumol und beweist wieder einmal, dass er eine Menge schmutzige Phantasie besitzt.

In diesem Moment kommt Randirion von hinten her-an. "Nun denn Frau Lunor, Herr Pellocke, habt Ihr hier etwas gefunden? Herr Wedmansson untersucht die Zelle dort hinten noch etwas genauer."

"Äh, nichts Interessantes, Herr Kawaljere." antwortet Sephyra. "Nur Dunkelheit, modrige Gitter und wer weiß was noch alles … Ich würde vorschlagen, Herr Kawaljere, wir suchen die Kinder und verschwinden von hier." fährt sie leicht gereizt fort. Frumol an der Hand mit sich mitziehend geht sie weiter und lässt den Kawaljere stehen.

Der beleuchtete Gang ist nach 10 Schritten zu Ende. Es geht noch ein kurzer dunkler Gang rechts ab, der wieder vor einer Gittertür endet.

'Hier gibt es überall Gitter!', Frumol muss unwillkür-lich schaudern.

"Hier werden wir wohl keinen Ausgang finden. Schließlich ist dies das Verließ. Bei unserem Glück stoßen wir nur noch auf die Folterkammer samt Fol-terknecht." Frumol lächelt schief, obwohl dies spaßig klingen sollte, klingen seine Worte trocken.

'Fehlt nur noch, das jetzt ein gequälter Schrei erklingt …'

Vorsichtig schaut Frumol wieder zurück.

"Komm, wir gehen dahin zurück, wo wir hergekom-men sind und versuchen eine andere Abzweigung."

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Plötzlich erstarrt Frumol. War da aus der Dunkelheit ein Laut zu hören?

Frumol entreißt seine Hand der Sephyras, die ihn noch immer festhielt. Er wirbelt herum, die Fackel hoch erhoben, die andere Hand schnellt zum Griff des Rapiers. Mit weit geöffneten Augen schaut er sich um, doch kann nichts sehen, kann den Laut nicht mehr erfassen.

Erschrocken über die plötzliche Bewegung Frumols fährt Sephyra zusammen. Nur wenig später als Frumol dreht auch sie sich um und wispert: "Was ist?"

Hat er sich das gerade nur eingebildet? Bisher haben ihm seine Sinn noch keinen Streich gespielt!

Nach kurzer Zeit lässt er die Fackel wieder etwas sin-ken, doch die Anspannung bleibt. Seine Augen sind ein wenig zusammengekniffen, aber das dürfte nur Sephyra auffallen. Aufmerksam lauscht er nach wei-teren Lauten, Geräuschen.

Unruhig sieht Sephyra Frumol an: 'Was hat er bloß?'

Wer weiß was hier noch alles lauert, in den Tiefen der Ruine. Mit jedem Schritt scheint es schlimmer zu werden. Hat er in der Vergangenheit noch nicht genug Schrecken gesehen?

Er sollte mit Sephyra das Leben genießen, in einer Ta-verne feiern, oder vielleicht am Strand unter den Ster-nen sitzen … Aber nein, er jagt irgendwelchen Kindern hinterher, die sich hier bestimmt gar nicht aufhalten, in dieser von allen Göttern verlassenen Ruine! Frumol ist fest davon überzeugt, dass die Mül-lerkinder inzwischen wieder bei der Mühle sind!

"Ich glaube, ich habe ein Gespenst gehört", erklärt er Sephyra und ergreift wieder ihre Hand. "Wir sollten schnell einen Ausgang suchen, ich brauche dringend einen großen Humpen perlendes Bier!"

Und dann hört er es ganz genau: "Hallo …" ertönt eine Stimme aus der Dunkelheit hinter dieser letzten Gittertür.

"Jetzt habe ich aber etwas gehört!" meint Sephyra und ändert schlagartig die Richtung. "Da hinten, hinter der letzten Gittertür war es dunkel, aber vielleicht ist da jemand, der weiß, wo die Kinder sind." - 'und wenn er/sie hinter einem geschlossenen Gitter sitzt, kann er/sie uns auch nichts anhaben … Und warum sollte ein Gefangener auch Licht bekommen?'

"Meinst Du?" Frumol hält Sephyra am Arm fest.

"Ja ja, sicher." antwortet sie.

"Dies ist ein Gefängnis. Wer da hinten sitzt und 'Hal-lo' ruft, sitzt bestimmt hinter den Gittern. Und das si-cher aus einem ganz bestimmten Grund, und deshalb wird dieser jemand nichts von den Kindern wissen." warnt er seine hübsche Begleiterin nachdrücklich.

"Sicher sitzt er hinter dem Gitter, sonst würde er nicht rufen, sondern einfach zu uns her kommen, oder?"

fragt sie mit einem leicht amüsierten Unterton in der Stimme.

Für ihn fallen die Gefängniszellen in den Kompetenz-bereich des Kavaljäre.

Der ist doch schließlich bei irgendeiner Armee, oder?

"Also komm jetzt," drängt sie, "wir sehen nach." und schon ist sie mit Frumol im Schlepptau unterwegs, mit der Fackel den Weg beleuchtend.

Frumol setzt sich zaghaft zur Wehr, hat jedoch keinen Erfolg. Schließlich siegt seine Neugier über den Verstand, und er lässt sich willig von Sephyra führen.

Am entsprechenden Gitter angekommen, hält sie fast 2 Schritt Abstand - nur zur Sicherheit - und leuchtet in Richtung des Gitters. "Hallo?" fragt sie vorsichtig.

Ein junger Mann, der ein bisschen Frumol ähnelt und in schmutzige Kleidung gehüllt ist, tritt an vorsichtig an die die Gittertür. Er schaut vorsichtig auf Sephyra und Frumol und fragt dann: "Ihr gehört nicht zu ih-nen, oder?"

Frumol mustert interessiert den Gefangenen und fragt ihn schlicht: "Warum seid ihr hier?"

"Nein, sicher nicht." beruhigt Sephyra den Mann. Nach einer kurzen Pause fragt sie ganz unschuldig: "Wer sind die?"

"Schergen, dunkle Gestalten, die mich auf der Straße von Khunchom nach Thalusa des nachts überfallen und hierher verschleppt haben. Und jetzt sitze ich hier."

Dabei bewegt sie sich nicht von der Stelle, beäugt den Gefangenen neugierig und wirft abwechselnd auf ihn und Frumol Blicke, als ihr die Ähnlichkeit auffällt. Erwähnen tut sie das aber nicht.

Jetzt wo Sephyra näher hinschaut, verschwindet die Ähnlichkeit vollkommen. Der Gefangene ist ein Mit-telländer wie Frumol. Mehr nicht.

Ingalf hat die Untersuchung der ersten Zelle beendet und ist unbemerkt von den anderen nachgekommen. Den zweiten Gang mit Gittertür hat er erst einmal rechts liegen lassen.

"Wat denn, Wollen wir den armen Kerl hier nich raus-holen? Wer in son 'nem Kerker eingesperrt is', wo so fiese Monster rumkrauchen kann nur ne ganz arme Sau sein und 'Feind von unserem Feind is' unser Freund." Mit diesen Worten schreitet Ingalf auf die Gittertür zu um nach einer Möglichkeit zu suchen, sie zu öffnen. Die Ähnlichkeit mit Frumol erscheint In-galf nicht so überaus groß dass er ihr näher nachgeht.

Der Gefangene lächelt müde, als er Ingalfs Untersu-chung gewahr wird: "Hier kommst Du nur mit Schmiedewerkzeug, mit Magie - oder mit dem passenden Schlüssel durch. Den hat der Kerkermeis-ter. Der kann nicht weit von hier seine Behausung

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haben, da ich immer das Öffnen und Schließen einer Tür höre, kurz bevor er kommt."

"Nein, wollen wir nicht!" sagt Frumol mit Nachdruck, und ist froh darüber, dass der Versuch das Gitter zu öffnen fehlschlägt.

Frumol ist sich bewusst, das seine Einstellung (wieder einmal) zu einem Konflikt führen wird, doch er hat ein ungutes Gefühl. Warum sollte jemand jemanden in einer verlassenen Burg so sicher weg sperren?

Vielleicht sind die ganzen Monster hier ja zur Bewa-chung hier - und dann würden die Gefährten einen großen Fehler machen, sofern sie hier etwas unter-nehmen. Soll doch der Gefangenen erst einmal glaub-haft machen, wer er ist, woher er kommt, und warum er hier nicht eingesperrt sein sollte …

Bei allem Mitleid mit dem unschuldig Gefangenge-nommenen fällt Randirion sofort auf, dass dieser die nächste Spur zu den entlaufenen Kindern ist. Die Frage, warum gewöhnliche Räuber einfache Reisende überfallen und vor allem Gefangen nehmen, schiebt er gedanklich nach hinten und beschließt, sich dem Gefangenen erst ausführlich vorzustellen, wenn der Lump der sich Kerkermeister zu nennen wagt, zu-mindest ebenfalls gut verschnürt in einer Zelle sitzt.

"Werter Reisender wir sind willens nicht nur euch son-dern auch den Müllerskindern zu helfen, denen wir zu suchen nachgeeilt sind. Mit wievielen der Halun-ken werden wir es hier zu tun haben, ihr werdet sicher nicht von einem einzelnen Kerkermeister überfallen worden sein? Um unnötigen Lärm zu vermeiden soll-ten wir jedoch nicht versuchen die Zelle unnötig laut zu öffnen. Ihr sagtet Ihr hört ihn jeweils kommen? Wie oft erscheint der Strolch üblicherweise hier an sei-nem Arbeitsplatz? Vielleicht könnte man ihn ohne groß Aufsehen zu erregen hier unten überwältigen?"

"Da kann ich nicht viel helfen. Zwei Gestalten hielten mich an, und dann bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf. Mit den üblichen Folgen. Hier bin ich wieder aufgewacht." Der Gefangene reibt sich den Hinterkopf. "Er kommt unregelmäßig, und bringt mir das, was er wohl als Essen bezeichnen mag." Er denkt noch einen Moment nach. "Ich höre das Öffnen und Schließen einer Tür, dann vielleicht 20 Schritte - sein Schlüsselbund klingelt bei jedem Schritt. Und dann steht er vor der Tür. Ihr seid doch zu viert! Könnt ihr ihn nicht überwinden?"

"Nun ja," antwortet Sephyra, "sehe ich vielleicht wir eine Thorwaler Piratin aus, die sich des Nächtens in Hafenkneipen prügelt und jeden Räuber nieder knüppelt, der ihr über den Weg läuft?" - Mit einem Seitenblick auf Ingalf fügt sie rasch hinzu: "Nicht persönlich gemeint."

Randirion wartet den Ingalfs Misserfolg im Tür öffnen ab.

Ingalf betrachtet das Schloss und schüttelt den Kopf: "Mit Gewalt ist da nur mit richtigem Werkzeug etwas zu machen. Hat jemand vielleicht Dietriche dabei?"

"Madame Lunor, Herr Pellocke wärt ihr bereit diesen zwar monströsen aber doch menschlichen Gegner zu bezwingen und das Gespräch in weniger gesiebter Luft fortsetzen? Damit wir die Kindlein endlich finden und so zeitig wie möglich aus diesen verfluch-ten Ruinen verschwinden können. Wenn ihr Ihm nicht glaubt, mögt ihr gerne den "Kerkermeister" befragen was seine Version der Geschichte dieses Gefangenen ist, was uns vielleicht weiteres Blutver-gießen vermeiden lässt."

"Falls er euch zum fragen kommen lässt …", fügt er auf die demoralisierenden Worte Frumols hinzu.

Der Gefangene schaut die vier bittend an.

"Was will man von Euch?" hakt sie nach, als der Gefangene auf Randirions Frage keine sie zufrieden stellende Auskunft erteilt. "Seid Ihr reich oder oder ein einflussreicher Kaufmann? Nicht mal der dümmste Räuber überfällt einen Reisenden und nimmt ihn mit, wenn da nichts zu holen ist."

Der Gefangene hebt die Schultern: "Ich habe keine Ahnung. Nicht die Spur. Ich bin weder reich noch einflussreich. Meine paar Silbertaler hat man mir so-gar gelassen. Nur meine Waffen bin ich los."

Sephyra antwortet nicht, aber ihre Ratlosigkeit lässt sich fast greifbar wie ein Fragezeichen, das sich über ihrem Kopf zu bilden scheint, erahnen.

"Nun, äh, ja, hmm." macht sie, ohne recht zu wissen, was sie sagen soll.

"So ein Pech!" ist alles, was ihr nach kurzem Schweigen dazu einfällt.

Ohne diesem Blick ernsthaft Beachtung zu schenken, versucht er Alter, Herkunft, Stand eventuell Beruf anhand dessen Äußerem zu erkunden.

"Wenn Herr Pellocke nicht fragen will oder kann, wird es wohl wieder an Uns sein, Herr Wedmannsson?"

Wobei er eine Geste macht die auf ihn selbst, Ingalf und seine Axt flüchtig deutet.

"Das wohl, Krawaljäre, das wohl! Verdammich noch-mal, wenn ich nen armen Kerl hier unten hocken lass. Frumol, denk doch ma' nach. Das waren Strauch-diebe, die wir oben gesehen haben, genau wie die im Lager. Willst du wirklich jemanden in deren Hand lassen. Und überhaupt, vielleicht kriegen wir ja so was über die Kinners raus. Wenn du nich' mitgehst, kanns-te ja wenigstens auf meinen Kram aufpassen." Er deu-tet auf seinen Seesack, und blickt Frumol auffordernd an.

"Denkt doch mal nach!" fordert Frumol die beiden ge-reizt auf. "Leisten sich Strauchdiebe einen Ker-

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kermeister? Wohl kaum!" Frumol bemüht sich leise zu sprechen, obwohl er ziemlich in Rage ist.

Um die Erregung Frumols nicht noch unnötigerweise zu gefährlichen Aktionen ausarten zu lassen bemüht sich Randirion um eine deeskalierende Stimmlage.

Ruhig und fest entgegnet er dem Herrn der seinem äußeren her nicht so weit von dem was für Randirion einen Strauchdieb ausmacht weg ist.

"Wenn ich mich recht erinnere hatten wir alleine in dem Waldlager 4 Strauchdiebe, einmal angenommen, dies war ein Vorlager das die Distanz zur Burg über-brücken sollte, können wir hier durchaus mit 10 bis 20 der üblen Gesellen zu tun haben. Wenn dem so ist haben die beiden, die wir oben schon getroffen haben den Rest schon alarmiert und ich möchte mit Verlaub bezweifeln, dass jene uns in handlichen 2er Grüpp-chen lebendig und in abziehen lassen."

Er bringt das Lager mit der Burg in Zusammenhang? Diese Verbindung hatte Frumol bis her nicht erdacht. Für ihn waren das zwei Paar Stiefel.

An den Gefangenen gerichtet: "Werter Fremder, habt ihr die Schergen oder den Kerkermeister reden hören? Wenn ja in welcher Sprache? Seid unbesorgt wir werden euch helfen. Bitte versteht unseren Gefährten er hat - wie wir alle - viel erlebt auf dem Weg hierher und hat dem Tod schon mehr als einmal ins Auge bli-cken müssen."

"Nein, edler Herr, der Kerkermeister hat nie geredet. Er kam immer allein."

"Strauchdiebe rauben und plündern, so wie beim Köhler. Kaum werden sie sich mit bedeutungslosen Entführungen, die mehr Gefahren als Nutzen bringen, abgeben. Nein, hier stimmt etwas nicht" be-hauptet er - nach wie vor misstrauisch.

"Genau!" pflichtet Sephyra leise bei.

Mit einer Mischung aus Fragen und Bedauern wendet er sich wieder Frumol zu.

"Das hier etwas nicht stimmt haben Sie Herr Pellocke wenn ich mich recht erinnere schon bei den gastlichen Bäumen und dem selbstmordlustigen Vogel gemerkt, warum ihr aber gerade jetzt wo wir bei Menschen sind, deren Wissen uns unsere eigentliche Aufgabe meistern lassen könnte verzweifelt erscheint mir schleierhaft.

'Habe ich das etwas nicht mitbekommen?' fragt sich Frumol. Die Diebe, denen sie bisher begegnet waren, waren doch auch Menschen, oder? Und der Ker-kermeister wird sicher auch einer sein. Glücklicher-weise laufen hier unten in der Dunkelheit keine unto-ten Piraten herum!

Ich habe schlicht die Erfahrung gemacht, dass man Verließe sehr gut betreten und vor allem verlassen kann wenn man einen Schlüssel für selbige besitzt

und ich glaube dass selbige sich nur 20 Schritt und einen Kerkermeister und schlimmstenfalls 2 Extrawa-chen weit entfernt befinden und uns ein sehr viel freieres Bewegen und Verlassen der Burg ermögli-chen."

'Kerl, dann geh doch hin und hol' Dir den Schlüssel! Warum muss immer gekämpft werden? Das geht doch auch anders - leise und heimlich, ohne das einer was merkt … Bisher hatte Frumol es fast immer ge-schafft, einen Kampf zu vermeiden.

"Bei Swafnir, un' sowas will nen Kerl sein. 'Nen Gefangenen gefangen sitzen lassen, in der Hand von offensichtlichen Dieben, Räubern, vielleicht sogar Mördern." murmelt er kopfschüttelnd so leise in sei-nen Bart, dass es so gerade noch zu hören sein dürfte.

Frumol beißt sich auf die Lippen, um die scharfe Er-widerung herunterzuschlucken. Normalerweise lässt er sowas nicht auf sich sitzen!

Sollen die doch tun was sie für richtig halten! Er will hier nur wieder raus und das warme Tageslicht auf den Wangen spüren!

Er wirft Ingalf einen strafenden Blick im Halbdunkel zu. Notfalls sucht er halt alleine einen Ausgang für Sephyra und sich! Basta.

Gespannt beobachtet Sephyra den Gefangenen und seine Reaktion auf das Streiten der Gefährten. 'Warum bist du hier?' fragt sie sich beim Anblick des Häufchen Elends hinter den Gittern.

Für einen Moment hat Sephyra das Gefühl, dass das gar kein Häufchen Elend hinter der Gittertür ist. Und dann manifestiert sich in ihr auf einmal die Frage, was wohl hinter der zweiten bislang noch nicht untersuch-ten Gittertür sein mag.

"Äh, bist du hier unten allein?" fragt sie schließlich. "Wir sahen da noch weitere Zellen." sprachs und eine Vorahnung beschleicht sie: 'Vielleicht sind die Kinder hier unten in der anderen Zelle und schlafen bloß!'

"Hm", denkt der Gefangene laut. "Da bin ich mir nicht sicher.

Wenn Ja können sie uns vielleicht wichtige Kunde ge-ben, die uns Kämpfe (er denkt dabei 'Verluste' und ertappt sich dabei, dass dies kein Krieg und keine Ar-mee und bezahlte Söldner sondern Gefährten, fast Freunde sind) wirklich minimieren lassen."

"Und Herr Pellocke sie sind nicht allein mit dem Willen hier so schnell wie möglich heraus zu kom-men.

Wenn mich meine militärische Erfahrung jedoch nicht vollends trübt sind wir in kleinen 2er Grüpp-chen sehr viel gefährdeter als zu viert, selbst wenn ihr berechtigterweise den Kampf scheut."

'Warum halten wir uns hier dann so lange auf? Meine Erfahrung in den Gassen hat mich gelehrt, dass eine

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Zweiergruppe viel unauffälliger sein kann als ein Haufen eingebildeter, hochnäsiger Idioten!' kom-mentiert er im Geiste.

Kurz vor der Frustration ob solchen Diskussionseifers in einer solch gefährlichen Situation möchte Randiri-on so schnell wie möglich den Kerkermeister nicht mehr als Gefahr wissen.

Frumol schaut sein Gegenüber abwartend an. 'Was unternimmt er jetzt?', fragt er sich.

"Wenn wir schneller und ungefährlicher an die Schlüssel kommen könnten wär es sicher nicht ver-kehrt", entgegnet Randirion erahnend was Frumol (der ja gerne seine edle Gesinnung noch beim Retten der Kinder unter Beweis stellen kann) in seinem langen Schweigen wohl bedenkt."Wir sollten uns je-doch bewusst sein, dass das Verschwinden des Schlüssels des Kerkermeister, wohl möglich des Hauptschlüsselmeisters überhaupt nicht lange unbe-merkt bleibt und wir noch keinen sicheren und ge-deckten Ausgang haben und wir das Zahlenverhältnis von edel gesinnten zu scheinbar sinnlos entführenden Strauchdieben zu unseren Gunsten beeinflussen können selbst wenn wir sie nur Geschickt in ein Ver-ließ locken und dort einsperren."

Frumol hat nur mit halbem Ohr zugehört, was Sephy-ra und er Gefangene zu besprechen hatten. Plötzlich zieht sie ihn weg und marschiert zum nächsten Gang.

"Lasst uns sehen, ob die anderen Zellen hier unten ebenfalls verschlossen sind und wer sich darin be-

finden mag." Ohne Frumols Hand loszulassen, ent-fernt sie sich von der Zelle des Gefangenen und strebt die andere, dunkle Zelle an.

Randirion und Ingalf bleiben für einen kurzen Moment verblüfft zurück, dann folgen sie den beiden.

Dort angekommen beleuchtet sie das Schloss und fragt in die Zelle hinein: "Hallo, ist hier jemand?"

Auch in dieser Zelle ist nur eine Pritsche. Und dort liegt eine Gestalt in tulamidischer Kleidung - nicht allzu groß, mit dem Rücken zur Gittertür.

Auf Sephyras Ruf dreht sich die Gestalt um. Es ist ein Junge, wohl 12 Jahre alt, mit blonden Haaren und schmaler Nase.

Er schaut Sephyra und Frumol erschreckt an und bringt kein Wort heraus.

Er folgt den beiden. Als er den Jungen erblickt fällt im ein Mahlstein mitsamt Arbeitspferd vom Herzen.

Da das Kind wahrscheinlich nicht unbedingt seine Sprache spricht, überlässt er die Kommunikation, der im Umgang mit Kindern wohl am Erfahrensten und sichert den Gang zur Zelle, wobei er bestenfalls mit einem halben Ohr dem Geschehen an der Zelle Be-achtung schenkt.

In ihrem besten Tulamidisch fragt sie: "Hab keine Angst! Bist du der Sohn des Müllers?" Ohne auf eine Antwort zu warten, sieht sie sich das Schloss des Gitters dabei an und nestelt daran herum. Dann fragt sie weiter: "Wo ist deine Schwester? Wir sind hier, um euch zu euren Eltern nach Hause zu bringen!"

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Alriks Befreiungie Augen des Jungen werden immer größer. Dann platzt es aus ihm heraus: "Hat Papa euch

geschickt? Ich wusste, es kommt Hilfe! Habt ihr Seline schon gefunden? Was ist mit ihr?"

D

"Matrose, ich denke es ist Zeit einen Schlüssel zu bergen." fordert er Ingalf mit einer freundlich ein-ladenden Geste auf mit ihm den Kerkermeister un-schädlich machen zu gehen."Wenn er allein ist, reicht vielleicht ein harter Schlag mit der breiten Seite eurer Axt um ihm mit dem Komfort seines Etablissements vertraut zu machen."

Zu Frumol und Sephyra: "Wir gehen den Schlüssel holen falls ihr keinen effektiveren Weg kennt. Sucht ihr noch Seline und ruft uns wenn ihr in Schwierig-keiten kommt? Wir treffen uns dann wieder hier."

Randirion beginnt den Umkreis von 20 Schritt von den Kerkern eine Tür zu finden, darauf bedacht keine Fallen und Alarme auszulösen.

Die einzige Tür, die in Frage kommt, ist die am Ende der kurzen Treppe auf der anderen Seite des Ganges.

"Nun wartet doch, bis wir hier den Jungen befragt haben!" zischt Sephyra den Kawaljere an. "Frumol wird das hier schon machen …" fügt sie hinzu.

Er nickt Sephyra mit einer deutlichen Geste zu und untersucht die Treppe nach unten ohne sie zu betreten die Tür im Blick und darauf bedacht keine unnötigen Geräusche zu machen. In der Absicht Sephyra ihr Werk vollenden zu lassen.

Mit gezogenem Rapier behält den Gang im Auge und bitte Ingalf flüsternd: "Herr Wedmannsson achtet ihr auf die Tür, aber lasst Frau Lunor noch Zeit vielleicht wichtiges zu erfahren."

Da sich die 4 in Sichtweite befinden wartet Randirion und sucht schon einen geeigneten Platz um seine Fa-ckel abzulegen und vielleicht noch die Treppe etwas zu beleuchten ohne den Gang aus den Augen zu lassen.

Die Treppe ist nur knapp 2 Schritt lang. Die Holztür am unteren Ende wird von der Fackel an der Ecke zum Hauptgang voll beleuchtet. Als Randirion sich umdreht, bemerkt er aber, dass die anderen nicht mehr zu sehen sind, da der Gang zu Alriks Zelle doch etwas länger ist.

Um das Dilemma zu vermeiden stellt er sich so an die Kreuzung das seine Fackel zumindest bis Alrik gut zu sehen ist. Den Ausgang hinter Ingalf im Blick und be-reit die 2 Schritte vorzustürmen falls er etwas unge-wöhnliches kommen sehen sollte.

'Wenn sie ihre Opfer bewusstlos schlagen, wird er nicht viel zu erzählen haben und vertrauen wird er uns eher wenn wir ihn hier rausholen', denkt sich Randirion etwas gereizt ob des länglichen Gesprächs-verlauf das ihm als Etikette wohlbekannt ist, in einer Situation in der man von bewaffneten Strauchdieben, Krakenmolchen und ansgteinflößenden Kreaturen be-droht wird jedoch mehr als unpassend erscheint. Auch die Sackgasse ohne Rückzugsmöglichkeit behagt ihm weniger als Frumol, ohne das man es ihm nach diesem erfreulichen Fund ansehen kann.

Wenn die Erklärungen weiter hinten im Gang noch länger dauern, wird Randirion versuchen, so leise wie möglich seine Balestrina schussfertig zu machen, und sie in der Linken zu halten. Glücklicherweise kann er (so denkt er …) mit Links fast genauso gut schießen wie mit Rechts …

Wenn dies vollbracht ist, wird er, ohne jedoch die äußerst dreckigen Wände zu berühren, eine Stellung seitwärts der Treppe einnehmen, damit der Ker-kermeister zunächst einmal aus seinem Loch heraus-kommen, und man ihm dann den Weg dahin ab-schneiden kann. Denn das sich der Herr in seinem Etablissement verbarrikadiert, wäre eher nicht erstrebenswert.

Es passiert erst einmal nichts. Die anderen scheinen noch miteinander beschäftigt zu sein.

________ ________ ________ | | | | | | |Gefan- | | Alrik | | leer | |gener | | | | | | | | | | | |__ __| |__ __| |__ __| |GG| |GG| |GG| | | | | | | | | | | | | __| |____________| |____________| |________ | |______________________ _______________ _ |SS|Stufen | | |SS|abwärts | | |TT|Tür | |

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"Ja, mein Junge." antwortet sie, weiter auf Tulami-disch. "Nein, deine Schwester haben wir nicht ge-funden, war sie mit dir in dieser Zelle?"

"Sie haben mich in einen Sack gesteckt. Da habe ich Seline zum letzten Mal gesehen." Seine Augen füllen sich mit Tränen.

Das Schloss ist abgeschlossen und genauso stabil wie das des anderen Gefangenen.

Der prüfende Blick macht Sephyra wenig Mut, dennoch: "Frumol, hier mach dich nützlich!" fordert sie ihn auf. In alter Tradition der Wüstenvölker und zur Beruhigung Alriks erklärt sie dem Jungen (so gut es ihre Sprachkenntnisse erlauben), was geplant ist: "Mein Gefährte hier, der geschickteste aller Geschick-ten, der fingerfertigste aller Fingerfertigen, der Meister des Ein- und Ausbruchs wird jetzt versuchen, das Schloss zu öffnen, ohne dass wir den Schlüssel haben. Wenn überhaupt, dann wird Er es schaffen, denn Er ist wirklich wirklich wirklich der Beste." - 'den wir dabei haben' seufzt sie in Gedanken, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

An Frumol gerichtet - der allenfalls seinen Namen verstanden haben dürfte - ergänzt sie ihren weit-schweifigen Vortrag: "Los, sieh zu, was du tun kannst. Ich möchte nur ungern dem Vorschlag der anderen beiden nachkommen und dem Kerkermeister eine überziehen müssen, um an den Schlüssel zu kom-men."

Frumol schaut sich das Schloss an und sieht, dass er es mit einem Dietrich oder auch nur einem ordentlichen Stück Draht wohl leicht aufbekommen würde.

"Bitte, bitte!" wimmert der Junge auf einmal auf Gare-thi. "Holt mich hier raus!"

Frumol lächelt Sephyra an, und geht zum Gitter um sich das Schloss anzusehen.

'Phex sei dank, ich bin vorbereitet.' dankt er stumm seinem Gott.

Er greift nach den Gitterstäben und prüft ob die Tür überhaupt verschlossen ist. 'Manch ein Weg birgt selt-same Überraschungen.'

Er kniet nieder, setzt seine Rucksack ab und greift hinein. Ohne lange zu suchen findet er in den Tiefen das Rucksacks wonach er sucht und zieht langsam sei-nen Dietrich hervor.

Er rückt ein wenig näher an das Schloss heran, führt den Dietrich langsam in das Schlüsselloch. Seine Ge-fährten können dabei keinen Laut vernehmen.

Das Lächeln weicht und macht einem konzentrierten Gesichtsausdruck Platz. Vorsichtig hantiert er mit dem Dietrich im Schloss, bis er einen Widerstand spürt. 'Das muss es sein' denkt er triumphieren. Doch er hat sich zu früh gefreut, der Dietrich rutsch mit einem >Klack< ab!

Frumol kann vermeiden, dass er den Dietrich fallen lässt, und fängt wieder an, den Dietrich vorsichtig im Schloss zu drehen. Wo bist Du nur mit Deinen Ge-danken?' scheltet er sich.

Dann beweist er wieder sein Geschick und es ist kaum ein Klicken zu vernehmen. Er richtet sich auf, und stößt mit einer lässigen Handbewegung die Zellentür auf.

"Bitte schön." sagt er einfach, jedoch ziert eine breites Grinsen sein Gesicht. 'Hab' dank Phex.'

Der Junge reißt die Gittertür auf und springt Frumol an.

"Habt Dank!" sagt er mit um Frumol geschlungenen Armen.

Vom Geräusch der Gittertür (oder sollte sie so gut gefettet sein?) und der unvermittelten Bewegung überrascht, bewegt Randirion den Kopf nach links und versucht mit einem Zischlaut die Freude der 3 im Zaum zu halten.

'Jaja de Strauchdiebe, man kann nie wissen wann man einen gebrauchen kann', schmunzelt er innerlich.

Er konzentriert sich wieder auf den Gang und kom-mentiert weitere Geräusche die er von den 3en hört mit einem möglichst leisen Zischen.

Auf dem Gang bleibt es ruhig.

Frumol ist völlig überrascht von die Gefühlsäußerung. Er bringt nur leisen "Nicht so stürmisch" in seinem gebrochenen Tulamidisch über die Lippen.

"Dankt nicht mir …", beginnt er, doch bricht dann ab, da er nicht die richtigen aufbauenden Worte findet. Bei Sephyra klingt das ganz einfach, sie jongliert mit den Worten fast so gut wie mit ihren Jonglierbällen.

Ingalf lacht leise auf. "Na Mensch Frumol, wolltest schon hier verschwinden, dann hätten wir die Kinners hier gelassen. Nu mach mal geschwind noch die Zelle dahinten auf, dass wir den armen Tropf mitnehmen können, und Sephyra, kannst du dem Schwesterchen von dem Lütjen nicht mal sagen dass sie nicht so schüchtern sein soll und auch raus kommen kann, dann können wir hier sehr bald verschwinden … wobei ich so 'nem Kerkermeister schon ganz gerne so richtig eine über braten … das wohl Mann!"

"Und jetzt wir befreien Seline?" Der Junge wirkt ganz eifrig, als Frumol ihn wieder abgesetzt hat. "Und Ihr wisst schon, wo sie ist?" wendet er sich an Ingalf.

"Das dürfte schwierig werden, da sie sich offensicht-lich nicht hier befindet." antwortet Sephyra dem wohl nicht mehr lange grinsenden Ingalf.

"Da heißt es wohl suchen …"

"Darf ich mitsuchen?" bittet Alrik. "Wo fangen wir denn an?"

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"Nun, ähh, tja." druckst Sephyra herum. "Das ist eigentlich viel zu gefährlich für Dich!" Sie gibt Frumol mit den Augen zu verstehen, er möchte sich doch bitte einmischen und dem "Kleinen" von Mann zu Mann erklären, was hier abläuft.

Frumol versteht ihren Blick uns setzt gerade zu einer weit schweifenden Erklärung an, obwohl er weiß, dass sich der Bub nicht aus der Gefahr heraus halten

wird, …

… doch dann seufzt sie und antwortet schließlich: "Ja, komm mit uns, das ist immer noch sicherer als allein hier in einer Zelle zu sitzen, nicht?" Aufmunternd klopft sie dem Jungen auf die Schulter: "Wir finden deine Schwester. Ganz bestimmt!"

'Hoffentlich genauso unversehrt wie den Jungen' ergänzt Frumol gedanklich ihre Worte. Er nimmt sei-

nen Rucksack wieder auf, nachdem der Inhalt wieder ordentlich verstaut wurde.

"Aber gebt mir doch wenigstens ein Messer", bittet Al-rik.

Diese Frage überhört Frumol geflissentlich. Vermut-lich kommt der Junge dann nur auf dumme Ge-danken und bringt sich selbst und alle anderen in Gefahr.

Frumol war selbst einmal jung - was nicht heißt, dass er heute zum alten Eisen gehört.

Dann rückt sie ihren Rucksack zurecht und ergreift die rechte Hand des Jungen mit ihrer eigenen Linken: "Lass uns losgehen. Ingalf wird vorangehen und Frumol wird uns folgen." fordert sie die beiden recht ruhigen Kerle auf.

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Auf der Sucheit Alrik an der Hand und gefolgt von Frumol und Ingalf kommt Sephyra bei Randirion an,

der vor den Stufen, die zum vermutlichen Aufent-haltsort des Kerkermeisters führen, wartet.

M

"Und?" ist alles, was Sephyra dem Kawaljere zu sagen respektive zu fragen hat.

"Hier hat sich nichts ereignet, Madame Lunor, das auch nur annähernd Eurer Ankunft gleichkommt." erwidert Randirion mit einer galanten angedeuteten Verbeugung (die sehr knapp ausfällt, da er in jeder Hand eine Waffe hält).

Bei diesen galant-schleimigen Worten muss Frumol unwillkürlich schmunzeln.

"Wollen wir im Gegenzug dem hiesigen Hausherren unsere Aufwartung machen? Denn ich fürchte, nur so werden wir den Aufenthaltsort von Seline heraus-finden … Herr Frumol, Ihr habt ja nun erwiesenermaßen ein Händchen bei eher verschlossenen Dingen - wärt Ihr so gut?"

Randirion stellt sich an die Seite, um Frumol De-ckung und gleichzeitig Zugang zum Schloss zu ge-ben.

Ob Randirions Schmeicheleien verdreht Sephyra nur die Augen in Richtung Decke und dem irgendwo da-hinter vermuteten und noch mehr vermissten blauen Himmel. Sie antwortet jedoch nicht und wartet ab, was nun die Herren gedenken zu tun.

"Wat jetzt? Die Kleine is' nich' bei dir?" fragt Ingalf den Jungen auf Garethi. "Bei … bei … bei, also, erst entführen und dann auch noch trennen, das schlägt ja wohl dem Fass … das wohl!" poltert er weiter.

Er beschleunigt seine Schritte und überholt Sephyra. "Mensch, Krawaljäre, nu lass ma den sogenannten Kerkermeister finden und aus ihm raus prügeln wo die Lütte hingekommen is'. Das ist ja wohl …! Frumol, mach man schnell auf, sonst vergesse ich mich und trete die verdammich Tür auf." ereifert er sich weiter.

'Oh, da bin ich wohl wieder gefragt …' Frumol er-widert jedoch nichts, geht nur langsam zur Tür.

Die Holztür hat eine einfache Klinke. Ein Blick durch das Schlüsselloch verrät, dass von innen wohl ein Schlüssel steckt, da man nichts hindurch erkennen kann. Prüfend lauscht er möglichen Geräuschen doch: Zu hören ist nichts.

Da der Dietrich wieder im Rucksack verstaut ist ver-sucht es Frumol einmal so: Uns siehe da - die Tür ist nicht verschlossen.

'Das hätte er auch selbst gekonnt!' Frumol äußert den Gedanken jedoch nicht, sondern dreht den Kopf zu

den Gefährten und legt den Zeigefinger senkrecht über seine leicht geschürzten Lippen. 'Wehe, es macht jetzt einer einen Laut!'

Bei diesen Worten kniet sich Sephyra hin und flüstert Alrik ins Ohr: "Sei ganz leise!" und macht sich in Ge-danken bereit, nun doch noch kämpfen zu müssen. Aus einem Impuls heraus zieht sie ihren ersten Wurf-dolch hervor, besieht ihn sich kurz und drückt ihn dann dem offensichtlich freudestrahlenden Jungen in die Hand: "Du kannst doch damit umgehen, nicht?"

"Ich kann ein bisschen werfen. Mama hat es mir ge-zeigt", entgegnet Alrik leise. Er versucht, an den anderen vorbei in den Raum zu spähen, drängelt sich aber nicht vor.

Ohne auf eine Antwort zu warten zieht sie auch den zweiten Dolch und macht sich bereit.

Die FolterkammerDann zieht bzw. stößt er die Tür soweit auf, dass er einen Blick in den Raum dahinter werfen kann.

Randirion, die Waffen in den Händen und sowieso in der Nähe, drängt hinterher, so dass er fast zeitgleich in den Genuss des Anblicks kommt …

Ein von Fackeln erleuchteter Raum so groß wie die Küche oben und wohl 6 Schritt hoch. Die Tür geht auf ein kleines Holzpodest und von dort führt noch einmal eine kurze Treppe anderthalb Schritt in die Tiefe.

Auf den ersten Blick wird klar, dass es sich bei dem Raum um eine Folterkammer handeln muss. Mitten darin steht eine Streckbank, auf der ein Unglücklicher gerade gepeinigt wird.

An den Wänden sind verschiedene Folterwerkzeuge zu sehen, darunter Spanische Stiefel, Schneidwerk-zeuge, Zangen und undefinierbare Eisengegenstände, die gegenüber an einem Balken hängen.

An der rechten Wand brennt ein Feuer unter einer Esse, an der ein bulliger Mann mit nacktem Oberkör-per und Kapuze Eisenstäbe zum Glühen bringt.

An der linken Wand, ganz in der Nähe des Holzpo-destes steht ein kleiner Eisenkäfig, in dem gerade ein Wolf anfängt, fürchterlich zu heulen.

Ein Schaudern überkommt Frumol, als der den Leidenden auf der Bank und die vielen, fies ausse-henden Werkzeuge an den Wänden sieht. Wie oft, wie lange mussten hier schon Menschen leiden? Wie kann so etwas richtig sein?

Ohne darüber nachzudenken zieht er einen Wurf-dolch.

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Frumol sieht die Bewegung des Folterknechts, über-sieht aber das Schwert an der Wand.

Mit den Worten "Bleib ma' hinten Jungchen" an Alrik betritt Ingalf als letzter die Folterkammer und über-blickt die Szene.

Randirion eilt zuerst 4 Schritte ans Ende der Holz-plattform. Der Folterknecht befindet sich acht Schritte zu seiner Rechten, der Wolfskäfig zwei Schritte zu sei-ner Linken auf dem Boden des Raumes. Die gegen-überliegende Wand ist 6 Schritt entfernt. Dann dreht er sich noch rechts zum Folterknecht.

'Was hat er nun wieder vor?' fragt sich Frumol, als Randirion sich an ihm vorbei drängt und die Kammer betritt.

"Wie überaus unzivilisiert!" Randirion zielt mit der Balestrina in der Linken (sich dabei außer Reichweite eventueller glühender Enden haltend) auf die Stirn des Folterers.

Dann ruft er mit lauter Stimme, einen Wolf und eine Esse zu übertönen versuchend (und natürlich auf Ga-rethi) "Folterknecht! Im Namen der Götter - sofern ihm sein Leben lieb ist, lasse er die Eisen im Feuer liegen, hebe er die Hände und erkläre er sich!" natür-lich in voller Größe mitten im Raume stehend, den Weg für die anderen freimachend.

'Oh je, der hohe Herr muss sich beweisen! Und das bei seinem endlosen Gefasel über Taktik und so.' Frumol schüttelt den Kopf, folgt ihm aber nicht.

'Warum muss er immer jeden informieren, dass er da ist?'

Der bullige Mann wendet sich um. Im Gürtel seiner Hose steckt eine Peitsche, und an seiner Seite hängt ein Schlüsselbund. Er richtet sich langsam auf und hält die Hände weit von seinem Körper ab. Er macht einen Schritt nach links vor, dann einen weiteren und nähert sich damit der Treppe, die zum Podest hoch führt. Er sagt aber nichts.

"Gut so. Nehme er nun den Schlüssel vom Gürtel und lasse er ihn fallen."

Randirion ist etwas nervös - er möchte nicht auf einen unbewaffneten feuern, doch der Mensch hat etwas drohendes …

Wirklich etwas drohendes. Randirion bemerkt, dass sich der Folterknecht in Richtung auf ein an der Wand hängendes Langschwert bewegt. Und er macht keine Anstalten Randirions Befehl Folge zu leisten.

Für den Fall, dass der Mann kein Garethi versteht, wiederholt Sephyra die Worte noch einmal auf Tula-midia. Ohne jedoch die Weitschweifungen des Kawal-jere zu übersetzen, sagt sie schlicht: "Halt, keine Be-wegung! Wo ist das Mädchen?" und macht einen wilden Gesichtsausdruck, erhebt sogar die Hand mit dem Dolch zum Wurf, als der Kerkermeister sich auf

das Podest zu bewegt, wohl um zu fliehen. 'So nicht, so einfach kommst du hier nicht davon!' denkt sie noch.

Der Kerkermeister antwortet nicht und bleibt auch nicht stehen. Sephyra fällt auf, dass zwischen Treppe und dem Kerkermeister an der Wand ein Langschwert in Scheide hängt.

"Finger weg von dem Kartoffelschäler!" faucht sie. "Oder du kannst als nächstes diesen Dolch aus deinen Rippen ziehen!"

Zuerst auf Garethi, dann auch auf Tulamidia spuckt sie dem Folterknecht die Worte entgegen. Sollte er sich nicht an die Aufforderung halten, wirft sie gut gezielt auf die Schulter des Arms, mit dem er nach dem Schwert zu greifen versucht. Aber erst dann.

Plötzlich bewegt sich der Folterknecht ganz schnell, direkt auf das Schwert an der Wand zu. Sephyra wirft ihren Dolch. Bedingt durch die Geschwindigkeit ihres Zieles und dadurch, dass sie auf den Körperrand ge-zielt hatte, fliegt ihr Dolch vorbei. Der Folterknecht ergreift den Schwertgriff.

Frumol hatte eigentlich nichts anderes erwartet.

Noch hat er freies Feld, und dies nutzt Frumol um sei-nen Wurfdolch auf den Gegner zu werfen.

Guter Wurf! Aber die Reaktion des Folterknechts ist nicht von Pappe. Er weicht dem Dolch durch Wegdu-cken aus.

Mit Erstaunen bewundert Frumol die Reaktionsfähig-keit des Folterknechts. So etwas hat er bisher noch nicht gesehen.

Wenn die Zeit und die Gelegenheit günstig ist, wirft er auch noch einen zweiten, ansonsten zieht er nur einen weiteren Wurfdolch. Er hält sich zurück, sollen doch die Schwert- und Keulenschwinger den Kampf unter sich austragen.

So nutzt er die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen: Geht von dem Wolf eine Gefahr aus? Kann er sich der Folterbank zuwenden und versuchen den Gepeinigten, bei allen Göttern, hoffentlich ist es nicht Seline, zu befreien?

Der Wolf hört auf zu heulen und winselt nur noch. Sein Käfig ist durch einen einfachen Riegel gesichert.

Die gefolterte Person ist weitestgehend unbekleidet und eindeutig ein Mann.

'Also nicht Seline. Dann müssen wir noch weiter su-chen.' stellt er deprimiert fest. 'Wer mag der Arme auf der Folterbank sein?' Bevor er dazu kommt, ihm zu helfen ist Ingalf schon zu Stelle.

So sucht sein Blick Sephyra. Erleichtert sieht er, dass sie noch an der Tür steht und der Bub bei ihr ist.

Ingalf schaut sich nur kurz um und nimmt die ge-sammelten Marterwerkzeuge war, die Tatsache, dass in diesem Moment ein Mensch gequält wird/ wurde/

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werden sollte, und dass der Kerkermeister nach einer Waffe greift. In Anbetracht der Tatsache, dass Frumol und Randirion den Weg versperren, zögert Ingalf nicht lange und springt mit einem gewaltigen Satz zwi-schen Randirion und Frumol vom Podest, um an den Folterknecht heran zu kommen.

"Nun denn, Halunke, so sei es!" - Twäng! schießt Randirion ihm auf sehr kurze Distanz vor den Latz.

Danach wird er die Balestrina wegstecken, die Link-hand ziehen, (wenn denn soviel Zeit bleibt,) und in den Nahkampf gehen.

Mit links ein sich bewegendes Ziel zu treffen gelingt nur, wenn die Götter ihre Hand im Spiel haben. Se-phyras Fehlwurf hatte den Folterknecht nicht wirklich irritiert, aber Frumol wirft ebenfalls und dem kann er nur durch Wegducken entgehen. Dadurch erwischt ihn die Kugel von Randirions Balestrina voll an der Schläfe. Wie vom Blitz getroffen bricht der Folter-knecht zusammen.

Er freut sich, dass der Gegner so schnell kampfunfä-hig gemacht wurde.

"Guter Schuss", ein Lob kommt über seine Lippen.

Ingalf schaut kurz zu Randirion hoch, schürzt die Lippen und nickt anerkennend. Dann tritt er das Schwert des Folterers außer Reichweite und geht an-schließend nach dem Gefolterten gucken.

Der ist bewusstlos. Seine Hände und Füße sind mit Schraubenbolzen in den Hand- und Fußschellen ein-gezwängt. Mit ein bisschen Probieren schafft es Ingalf, den Gefangenen zu befreien.

Randirion ist von der Wirkung seines Schusses selbst eher überrascht.

"Den Göttern sei Dank für die 'Horaskaiserliche Waffenmanufaktur Bethana' …" murmelt er halblaut und verstaut die Balestrina - nicht ohne sie vorher kurz zu tätscheln.

"Äh - Herr Wedmansson, könntet Ihr wohl ein paar der Fesseln dort drüben her holen, damit wir dem Herrn mal seine eigenen Eisen anlegen? Und Herr Pellocke, wärt Ihr so freundlich, seine Waffe und seine Schlüssel an Euch zu nehmen?"

Frumol kommt der Aufforderung nach, nimmt den Schlüsselbund an sich und sucht bei der Gelegenheit ebenfalls seinen Wurfdolch.

"Frumol, wärst du so freundlich, mir meinen Dolch gleich mitzubringen?" fragt Sephyra. Dann wendet sie sich zu Alrik um und sagt: "Bleib bitte hier stehen, du sollst dir den Anblick dort drüben ersparen. Ich bin gleich wieder bei dir."

Frumol lächelst Sie an: "Gerne."

Die Waffe des Kerls betrachtet er mit einem verächtli-chen Blick und lässt sie liegen. Er hat keine Verwendung dafür, wenn der Kavaljäre sie will, kann

er sie sich selber nehmen. Ingalf hat ja auch schon da-für gesorgt, dass sie da, wo sie liegt, keinen Schaden mehr anrichten kann.

Dann holt sie sich schnell ihren Dolch von Frumol ge-reicht …

Mit einer, ein klein wenig übertriebenen Verbeugung überreicht Frumol den Dolch. Er hält ihn jedoch noch etwas fest, so dass Sephyra daran ziehen muss, um ihn zu bekommen.

"Bitteschön, holdeste Gauklerin", spricht er freund-lich, als er den Dolch freigibt.

Alrik macht große Augen.

Ihr Lächeln ist für alle anderen nicht zu sehen, aber ihre Augen lachen Frumol an und ein knappes Nicken ist alles, was sie offen zeigt. 'Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Augenblick!' denkt sie und widmet sich den bereits beschriebenen Tätigkeiten.

… und kehrt zu Alrik zurück. Dann erklärt sie ihm: "Keine Sorge, wir finden deine Schwester schon. Wir sollten Phex danken, dass sie nicht hier ist." Dann dreht sie sich halb zu Ingalf um: "Beeilt euch, hier möchte ich nicht verweilen. Nimm die Schlüssel, befreie den armen Tropf und dann lasst uns an freundliche Orte gehen um herauszufinden, wo Seline ist!"

Randirion behält sein Rapier in der Hand und bedroht damit den vermutlich Bewusstlosen (denn dass seine Kugel tödlich war, das glaubt er denn doch nicht …), falls der zur Unzeit wieder wach würde.

'Verdammt!' flucht Sephyra in Gedanken. 'Was muss ich auch immer Rücksicht nehmen!' Sie zieht demonstrativ ihr Rapier und drängt mit der anderen Hand Alrik hinter sich und zieht sich zur Tür zurück - dem offensichtlich einzigen Rückzugsweg. Dabei ermahnt sie Alrik unnötiger Weise, vorsichtig zu sein.

"Bleib schön hinter mir, hörst du?! Das hier ist gefähr-lich, wirklich gefährlich und keine Spiel, lauf lieber weg und verstecke dich, sollte uns jemand zu dicht auf die Pelle rücken. Dann brauche ich Platz. Verstehst du das?" - 'Sicher versteht er das, er ist ja nicht mehr klein, mit fast 12 Lenzen.'

Langsam zieht sich Sephyra zur Tür zurück, ohne je-doch Ingalf oder einen der anderen zu behindern. Immer darauf bedacht, Alrik zu schützen.

Sephyra ist für einen kurzen Moment voll auf Alrik konzentriert. Als sie mit ihrem Satz fertig ist, merkt sie, dass es gar keine Kampfgeräusche gibt. Und der Wolf hat aufgehört zu heulen.

Sie sieht, dass der Folterknecht bewegungslos auf dem Boden liegt.

Alrik ruft: "Seline!" und will zum Gefolterten laufen.

"Nein, bleib hier!" fordert Sephyra Alrik sanft auf und hält ihn fest.

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"Kannst Du dann vielleicht schauen, ob das Seline ist?" erwidert Alrik kleinlaut.

Sephyra schaut nach, sollte sie von ihrem Standpunkt aus Seline nicht erkennen, fragt sie: "Sag, Ingalf, ist das Seline dort?"

"Nein, das ist ein Mann." Ingalf betrachtet den Gefangene genauer. "Sieht wie ein Mittelländer aus."

Nachdem er alles erledigt hat wendet er sich dem Be-wusstlosen auf den Bank zu und mustert ihn einge-hend.

Ein besonders durch Brandwunden übel zugerichteter Nordländer, der nur noch schwach atmet. Er ist abge-zehrt, hat lange zottelige Haare und einen Bart. Die Haare sind teilweise ausgerissen. Einige Wunden wir-ken wochenalt.

"Hilf mal mit, Frumol!" knurrt Ingalf. "Hier ist besser Platz für den Folterknecht. Den Armen hier können wir erst einmal aufs Podest legen, bis er wieder zu sich kommt."

Frumol ist sofort zur Stelle und hilft Ingalf.

Vorsichtig tragen die beiden den Schwerverletzen aufs Podest. Anschließend wird der Folterknecht auf der Streckbank festgemacht, …

… welches er Ingalf überlässt. Er kümmert sich in der Zwischenzeit um den unbekannten Verletzten.

"Sephyra, ich brauche meinen Rucksack", fordert er sie auf. "Und einen Eimer Wasser."

Sie tut wie ihr geheißen …

In einer Ecke des Raumes steht ein Fass mit auf-liegendem Deckel, dessen Inhalt sich als Wasser her-ausstellt. Es hängt sogar eine Schöpfkelle am Rand.

Dann untersucht er genauer die Wunden um deren Schwere festzustellen. Aus dem Rucksack, dem Se-phyra ihm gebracht hat, entnimmt er den kläglichen Rest seines Verbandszeugs. Mit dem gebrachten Wasser reinigt er die Wunden und verbindet sie an-schließend sorgfältig, wonach er nun endgültig kein Verbandsmaterial mehr hat. Ein kleines, übrig ge-bliebenes Reststück taucht er in des Wasser, wringt es aus, und legt es auf eine der heißen, verbrannten Stellen des Unbekannten um sie zu kühlen. Nach einigen Minuten wiederholt er die Prozedur mit einer anderen Stelle.

Frumol ist sich sicher, dass er dem Gefangenen im Rahmen seiner Möglichkeiten bestens geholfen hat. Nun ist er in Peraines Hand.

Alrik hat schaut Frumol zu und sagt ehrfurchtsvoll: "Ihr seid ein Heiler!" Dann schaut er sich weiter um. "Kann ich die Peitsche haben?"

"Was willst Du denn damit?" fragt Randirion skep-tisch, wenngleich etwas abgelenkt.

"Äh. Vielleicht brauchen wir sie noch?" Alrik ist ein bisschen verlegen.

Er versucht von der Empore aus sozusagen die Ge-samtsituation im Auge zu behalten - irgendwie war das zu einfach. Und wo ist Seline?

"Sagt, Herr Pellocke, könntet Ihr versuchen herauszu-finden, wie schwer der Bursche dort" - Randirion deu-tet auf den Folterknecht - "verletzt ist? Damit wir wissen, ob wir aus seinem Munde noch eine Antwort erwarten können oder eher nicht."

'Schon wieder kommandiert der feine Kauz herum', Frumol muss bei diesem Gedanken seufzen.

"Ja-wohl, hoher Herr" antwortet Frumol dann in einem demütigen Tonfall.

'Sobald wir das geschuldetes Mahl von ihm bekom-men haben, werden sich hoffentlich unsere Wege trennen.'

Frumol begibt sich somit zu dem neu belegten Platz auf der Folterbank und führt eine flüchtige Untersu-chung durch.

Dazu zieht er dem Folterknecht die Haube ab. Ein vierschrötiges Gesicht kommt zum Vorschein. An sei-ner rechten Schläfe bildet sich gerade ein gewaltiger Bluterguss. Ein richtiges Ei entsteht. Als Frumol ein Lid des Bewusstlosen anhebt, sieht er, dass das Auge verdreht ist. Der Mann wird bestimmt noch mindes-tens eine Stunde bewusstlos sein.

An dieser Stelle mischt sich Sephyra ein: "Nun, Alrik, selbst wenn wir sie noch einmal brauchen sollten, glaube ich kaum, dass du sie haben solltest." Sie schüttelt den Kopf. "Ich werde sie nehmen." Diese Antwort klingt endgültig.

Resolut ergreift sie die Peitsche, wickelt sie auf und hängt sie an ihren Gürtel, so dass sie sie mit einem Griff hinter dem Rücken hervorholen kann.

'Nun, vielleicht hat der Junge sogar Recht.' geht es ihr durch den Kopf. 'Damit könnte man fast ein kurzes Seil ersetzen, oder den Gegner entwaffnen.' Ge-dankenverloren steht sie da und erst kurz darauf nimmt sie die Umwelt wieder wahr.

"Aber das Schwert kriege ich, damit ich mit verteidigen kann. Büüüütte!" Alrik zieht eine Schnute.

"Nein!" sagt Sephyra entschieden, vielleicht harscher, als das notwendig wäre. "Wenn du jetzt anfängst zu quengeln, bekommst du gar nichts mehr und gibst mir den Dolch zurück, ist das klar?" fragt sie. 'Eigent-lich kann man es ihm ja nicht verdenken. Seine kleine Schwester entführt und er hat keine Möglichkeit, ihr oder gar sich selbst zu helfen. - Männer! In jedem Alter das selbe!'

Jetzt zieht Alrik eine richtig dicke Schnute, sagt aber nichts.

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Unwillkürlich muss sie dabei an Frumol denken und innerlich lächeln. 'Ja ja, die Männer …' seufzt sie laut-los.

"Sieh mal," erklärt sie dem Jungen weiter, "das Schwert ist doch viel zu groß und schwer für dich. In diesen engen Gängen bist du doch sowieso besser mit einem Dolch als jeder Schwertkämpfer. Pass auf: wenn wir auf ein paar dieser unfreundlichen Räuber stoßen, wird kaum einer von denen dich wirklich be-achten und als Gefahr sehen - solange du kein Schwert trägst!" fügt sie hinzu. "Und das ist dann deine Chance. Während Frumol, ich oder einer der beiden anderen die Kämpfer beschäftigen, kannst du ungesehen und unbehelligt sie von hinten erwischen. Na, ist das nichts?" fragt sie mit aufgesetztem Enthu-siasmus.

'Na hoffentlich kauft er mir das ab und es kommt nicht dazu …' denkt sie dabei. Ihr ist gar nicht wohl, den Jungen so anzulügen.

"Gut, so machen wir das! Ich werde sie alle abmurksen!" Alrik ist offensichtlich zufrieden gestellt. "Wo suchen wir denn jetzt?"

"Also meine Herren, können wir jetzt bitte gehen." wirft sie in den Raum.

Ingalf stemmt die Fäuste in die Hüften. "Ach ne, und was is' mit denen?"

Er deutet auf den Gefolterten und den eingesperrten Wolf. So geht dass ja nun wirklich nich' wie können die armen Kreaturen doch nich' einfach so hierlassen. Und was is' überhaupt mit dem armen Tropf in der Zelle?" Er blitzt Sephyra an und wartet auf ihre Ent-gegnung.

Von Alrik kommt ein vorsichtiges "Können wir nicht erst Seline suchen?"

"Natürlich gehen wir dein Schwesterchen suchen, Jung. Aber wir wollen doch nich' zurückkommen, oder? Da können wir die beiden Ärmsten nicht einfach so hier lassen."

"Aber er ist doch noch bewusstlos. Wollen wir ihn nicht abholen, wenn wir Seline gefunden haben?" er-widert Alrik.

Da Frumol bei dem bewusstlosen Folterknecht nichts weiter ausrichten kann, geht er zu Sephyra und Alrik hinüber.

"Meinetwegen können wir gehen und Seline suchen." sagt er halblaut zu den beiden. Besonders die Folter-kammer möchte er ganz schnell verlassen.

Auf so eine "Frechheit" hat Sephyra doch nur gewartet, ihrem Zorn und auch ihrer Angst Luft zu machen: "Also, Herr Wedmansson, was beliebtet Ihr zu sagen?" fragt sie mit einem forschenden Unterton. "Lasst den Wolf aus seinem Käfig, na los! Er wird uns sicher ein Schaf zum Abendessen reißen. Und der Kerl von der

Folterbank, richtig, den hatte ich ja ganz vergessen. Ihr habt ihn losgemacht. Fein. Wir sind auf der Suche nach einem kleinen Mädchen, das hier ganz allein ist und furchtbare Angst haben muss. Wir können uns nicht um alles und jeden kümmern! Wenn Ihr das wollt, dann werdet doch Tsa-Priester!" sind ihre letz-ten Worte, ehe ihr die Luft ausgeht und sie ein paar Mal tief Luft holt.

Als Sephyra derart explodiert zieht Frumol ein wenig den Kopf ein. Nicht, dass er auch noch etwas abbe-kommt … Er versucht auch gar nicht, sie zu beru-higen - er kennt sie schon lange genug um zu wissen, dass ihre Wut nicht allzu lange von Dauer ist.

Ohne ein weiteres Wort dreht sie sich um, ergreift Al-riks freie Hand und führt ihn aus der Kammer. Dabei sagt sie zu Frumol: "Komm, wir lassen den anderen Gefangenen aus seiner Zelle - vielleicht weiß der, wo Seline ist."

"Äh, Sephyra", bemerkt er halblaut, "Ingalf hat das Schlüsselbund. Er kann doch eben den Gefangenen aus der Zelle lassen. Wir sollten in der Zwischenzeit weitersuchen und aufmerken, ob nicht jemand un-seren Lärm vernommen hat."

"Äh wie?" stutzt sie. "Natürlich. Der Herr Wed-mansson, warum bin ich nicht gleich darauf gekom-men?" wieder verfällt sie in einen herablassenden Tonfall. "Ach, ach macht doch, was ihr wollt!" ist sie eingeschnappt, da sie einsieht, dass sie falsch gelegen hat.

"Sieh zu, dass du das regelst, bitte, ja?" flüstert sie Frumol ins Ohr, um vor den anderen den letzten Rest von Ansehen zu wahren.

'Wie? Jetzt hab ich den drückenden Schuh?'

"Oh, ja. Gut." murmelt Frumol, der alles andere als begeistert ist.

"Ihr erledigt das hier, und wir gehen schon mal ein wenig voraus?" richtet er die Frage oder die Feststel-lung an den feinen Herrn und den Seemann. Für sich hat er schon die Entscheidung getroffen und mar-schiert zurück in den Gang.

"Kommt ihr mit?" fragt er Sephyra und Alrik.

'In solchem Fall wird es nicht lang dauern, bis der Rest der Bande hier ist, und dann sitzen wir hier in der Falle.'

'Komiker!' denkt Sephyra. Wortlos folgen sie und Al-rik, den sie immer noch an der Hand hält.

Alrik schaut wegen der Trennung ein bisschen zweifelnd, geht aber mit.

"Moment, Madame Lunor!" unterbricht Randirion. "Wir sollten uns auf keinen Fall trennen. Nur gemein-sam ist man stark! Kommt, Herr Wedmansson, wir nehmen den armen Kerl zwischen uns. Aber bei den Zwölfen" - ein etwas schärferer Blick Richtung Sephy-

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ra - "wir lassen keinen Menschen hier in diesem göt-terverlassenen Loch zurück!"

Dann wird Randirion sein Rapier in die Scheide ste-cken und zusammen mit Ingalf den Bewusstlosen auf die Empore und dann zusammen mit den anderen weitergehen.

Der Bewusstlose ist vollkommen erschlafft. Mit ihm kommt man nicht richtig voran. Ingalf kann außerdem nicht seinen Seesack und den bewusstlosen gleichzeitig tragen.

'Ja, eigentlich hat er ja Recht. Aber zugeben werde ich das nicht!' denkt sie bei dieser Erinnerung des Kawal-jere.

"Also Frumol, dann warten wir auf die beiden Herren und werden uns dann gemeinsam wieder der Suche widmen." resigniert sie.

"Ich denke," mischt sich Randirion ein, "dass Ihr beide recht habt. Weder dürfen wir Seline vergessen, noch dürfen wir die armen Kerle hier einfach so liegen lassen.

Daher schlage ich vor, dass wir so schnell und leise wie möglich aufbrechen - aber die armen Menschen mitnehmen, und zwar inklusive des Mannes in der Zelle.

Den Wolf hingegen, fürchte ich, müssen wir hierlassen - es ist viel zu riskant, in diesen Gängen hier unten ein wildes Tier freizulassen. Der Wolf könnte uns oder die Kinder angreifen …"

Ingalf geht zunächst an den Käfig des Wolfs heran, um zu sehen, wie das Tier auf ihn reagiert. Wenn nicht die geringste Feindseligkeit von dem Tier aus-geht (auch nicht aus Angst geboren), hält er vorsichtig die Hand vor die Gitterstäbe.

Als Ingalf näher kommt, hört der Wolf zuerst auf zu winseln und zieht sich dann an die Rückwand des Kä-figs zurück, aber er beobachtet Ingalf aufmerksam. Als Ingalfs Hand in die Nähe der Gitterstäbe kommt, fletscht der Wolf die Zähne.

"Hier geht es ja sowieso nicht weiter … Herr Wed-mansson, würdet Ihr mir freundlicherweise den Schlüsselbund zuwerfen und dann dem Verwundeten bei Euch weiterhelfen?"

Frumol steht mit verkreuzten Armen an der Tür. Ein Beobachter könnte den Eindruck gewinnen, dass er der ganzen Szene gelangweilt zuschaut und ihr kaum Beachtung schenkt.

Frumol grübelt darüber nach, wie sie am einfachsten und schnellsten aus diesem verfluchten Kellern her-auskommen. Wer weiß, was hier noch alles an un-angenehmen Überraschungen wartet.

Am ehesten scheint im der Lagerraum geeignet zu sein, doch dummerweise ist Klappe von außen ver-

riegelt. 'Wenn ich nur wüsste, wie ich die aufkriege', überlegt er.

'Warum mussten wir unbedingt hier herunter klettern?' hadert er wieder einmal mit dem Schicksal - doch dann hätten sie sicherlich Alrik noch nicht ge-funden. Außerdem lässt sich die Zeit nicht zurückdre-hen.

Ingalf wirft den Schlüsselbund. Dann meint er zu Al-rik "So, nu mach dir ma nützlich Jüngske, und nimm mein Seesack. Aber dass mir nix kaputt geht."

Sephyra geht davon aus, dass Ingalf den Bewusstlosen trägt und ermuntert daher Alrik, dessen Seesack zu nehmen: "Los, lauf." - 'Dann kommt er wenigstens nicht auf dumme Gedanken und spielt mit dem Dolch herum!' geht es ihr durch den Kopf.

Alrik macht große Augen, reißt sich dann aber von Se-phyra los und nimmt den Seesack. "Säcke schleppen, das muss ich auch zu Hause." erklärt er und nimmt den Sack überraschend geschickt auf die Schulter.

'Gut. Dann kommt der kleine wenigstens nicht auf dumme Ideen.' kommentiert Frumol still.

Wenn Alrik den Sack nimmt, schultert Ingalf den Be-wusstlosen und geht Richtung Ausgang.

Der Mann ist ausgemergelt und daher nicht übermä-ßig schwer. Eine kleine Zeit wird Ingalf ihn schon tragen können.

'Vermutlich muss ich den Armen Tropf nachher auch noch tragen', befürchtet Frumol. Aber das bleibt noch abzuwarten.

"Danke. Wollen wir?"

Randirion geht vor Richtung verschlossene Zelle.

Und Ingalf folgt ihm, Alrik im Schlepptau.

Die Zelle ist leer. Randirion stutzt, aber dann über-prüft er noch einmal alles: Das hier war die Zelle eines Gefangenen. Der ist jetzt verschwunden. Und die Zelle ist immer noch verschlossen.

Frumol wartet darauf, dass der feine Herr zurück-kommt, denn dass es da nicht weiter geht, haben sie vorhin schon festgestellt.

Ohne Alrik an der Hand folgt Sephyra nun den anderen und schließt hinter ihnen die Tür. Wenn es irgend geht, nimmt sie etwas mit um die Tür von außen zu verschließen - etwa ein flaches Stück Eisen oder einen kalten Schürhaken, den sie unter den Tür-spalt rammt.

Da steckt innen doch ein Schlüssel. Sephyra fasst sich an den Kopf, als ihr das einfällt, und verschließt die Tür von außen.

Dann folgt sie den anderen.

Sie geht nicht ganz mit in den letzten Gang, merkt aber, dass da etwas nicht stimmt, da kein Gespräch

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mit dem Gefangenen in Gang kommt. Und es gibt auch kein Geräusch vom Aufschließen der Tür.

Als es weiter vorn so still ist, fragt sie: "He, was ist denn los bei euch? Ich denke, ihr wolltet den Gefangenen heraus lassen!

Auf diese Worte erntet sie ein verwirrtes Schweigen …

Bei den letzten Worten ist sie so weit nach vorn ge-gangen, dass sie die leere Zelle erkennen kann: "Oh, darum." ist alles, was sie dazu sagt. "Und nun?"

Randirion runzelt die Stirn. "Wenn die Gefangenen hier durch Wände gehen können, warum sind sie dann hier?" und sieht sich den Bewusstlosen nochmal genauer an, ob der auch nur so halb-echt ist, so wie das Monster im Sumpf. Wirft er Schatten im Fa-ckellicht?

Der Bewusstlose ist eindeutig materiell.

"Eh, verehrter Herr Pellocke - ich nehme doch an, dass nicht Ihr und Euer Universalschlüssel hier am Werke waren oder? Wollen wir nachsehen, wo der Herr hin entschwunden ist, oder suchen wir Seline woanders?"

Randirion schließt die Zellentür mit den Schlüsseln des Folterknechts auf und wartet noch auf Frumols Antwort, ob die Durchsuchung die Zeit wert ist …

Nachdem Frumol nun direkt angesprochen wurde und Sephyra auch schon in den hinteren Zellengang verschwunden ist, folgt Frumol.

Mit Bestürzung sieht er, dass der Gefangene verschwunden ist.

"Bei Phex, nein, ich habe ihn da nicht raus gelassen" antwortet er mit Unruhe in der Stimme. "Ich war doch mit dem Gefolterten beschäftigt." verteidigt er sich schon im voraus gegen eventuelle Vorwürfe.

Er blickt sich um, mustert die Wände und untersucht anschließend schnell das Schloss der Zelle.

Es ist keine weitere Tür zu sehen. Wenn da eine Ge-heimtür ist, so ist sie gut getarnt. An dem Schloss gibt es nichts auffälliges zu sehen.

"Wir sollten Seline suchen und endlich schleunigst von hier verschwinden" drängt er.

"Gut gut. Was sage ich denn die ganze Zeit, hm?" er-widert Sephyra leicht belustigt. "Aber mich würde

schon interessieren, wie dieser Gefangene hier ent-kommen konnte. Zumal er uns darum bat, herausge-lassen zu werden und die Schlüssel vom Folterknecht zu holen." grübelt sie laut.

"Faszinierend, zweifellos. Wir werden ihn fragen, wenn wir ihm das nächste Mal begegnen. Aber eines sollten wir uns vergegenwärtigen: der Mann in dieser Zelle hat Unwahrheiten erzählt, er käme hier nicht heraus. Dies lässt auch seine Geschichte, wie er hierher gekommen sein soll, fragwürdiger erscheinen, nicht wahr?"

Ingalf meint dazu nur: "Ihr alle habt euch die ganz Zeit um weitere Ganoven gesorgt, und jetzt ist es aus-geschlossen, dass ein oder zwei dieser Halunken ge-kommen sind und den armen Kerl zum Verhör oder weiteren Folterspielen geholt haben? Ihr habt ja Ner-ven!"

"Gut, zugegeben, das ist auch eine Möglichkeit. Aber hätte er dann nicht Krach geschlagen, oder hätten wir nicht überhaupt etwas hören müssen? Schließlich war hinter uns die Tür nicht zu und es ist nicht so weit entfernt …" grübelt sie dann laut weiter.

"Und wohin hätten sie ihn führen sollen, hm? Die Folterkammer ist dafür eigentlich der übliche Ort, wenn ich mich nicht irre. Und da waren wir."

Sephyra schüttelt den Kopf, als ob sie die Gedanken verdrängen und sich auf das Wesentliche kon-zentrieren will: "Wir sollten Seline finden!" sagt sie dann energisch.

Randirion schaut in die Runde.

"Daher sollten wir umso schneller nach Seline suchen. Madame Lunor - Ihr habt recht, wir sollten uns spu-ten."

Randirion verbeugt sich leicht und geht vor (Balestri-na wieder geladen in der Linken, Rapier in der Rech-ten).

Ingalf folgt, den Bewusstlosen über der Schulter, nach einem kurzen Blick, dass Alrik auch ja mit seinem Seesack mitkommt.

Als Alrik den Blick spürt, strafft er die Schultern, so als ob er 'Natürlich!' sagen wollte, und setzt sich in Bewe-gung.

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Dunkle Gängeie gesamte Gruppe macht sich daran, den Gang des Zellentraktes zurückzugehen. Die Sucher

kommen an der erleuchteten Abzweigung zum Lager-raum mit der Rampe vorbei, und wenig später kommt ein entscheidender Punkt: Der erleuchtete Gang knickt scharf nach rechts ab, und schräg nach links geht ein dunkler Gang.

D

Sephyra steht unschlüssig an der Gabelung und blickt die anderen an: "Hell oder dunkel? Eigentlich halte ich erleuchtet für sinnvoll - ich glaube kaum, dass, sollte Seline ihren Bewachern entkommen sein, sie in die Dunkelheit gelaufen ist. Und die Schufte werden alle von ihnen benutzten Wege mit Fackeln säumen. Also gehen wir dort entlang!"

'Warum sollte Seline ihren Häschern entkommen sein?' wollte Frumol ihr gerade entgegnen als sie ihn mit ihrem - diesem - Blick anschaut.

So schließt er schnell wieder den Mund und nickt ihr stumm zu.

Bittend sieht sie Frumol an, sie zu unterstützen. Diesen Blick kennt er gut und kann ihr dann kaum je-mals etwas abschlagen. 'Mit lauernden Monstern und Räubern bekommen mich keine 10 Pferde in nicht er-leuchtete Gänge!' macht Sephyra sich selbst Mut.

Er hält seine Fackel etwas höher und geht einige Schritte in den Gang hinein.

Er schaut sich ein wenig im Licht der Fackel um. Der Gang sieht genauso aus, wie die bisherigen. Nur gibt es hier keine Fackeln an den Wänden.

Ingalf folgt, aufgrund des Gewichtes des Bewusstlosen mehr darauf bedacht nicht zu stolpern als wo es hin-geht.

Randirion macht die Nachhut, sehr darauf bedacht leise zu sein (also den Mund zu halten). Er wird sich hin und wieder nach hinten umsehen.

'Was soll's', denkt sich Frumol. 'Jeder Gang ist so gut wie ein anderer.'

Somit blickt er kurz zu Sephyra zurück und geht Frumol weiter voran.

Geführt von Frumol geht die Gruppe in die Dunkel-heit. Zuerst macht der Gang einen leichten Bogen nach rechts, dann geht er geradeaus, um schließlich scharf links abzuknicken und dann vor einer Holztür mit Klinke zu enden.

SackgasseNach den üblichen vorsichtigen Untersuchungen öff-net Frumol die Tür. Dahinter ist ein mittelgroßer dunkler quadratischer Raum ohne weiteren Ausgang. An der gegenüberliegenden Wand steht eine Kom-

mode, darauf ein Kerzenleuchter mit fünf angebrann-ten Kerzen. Die Luft riecht muffig.

"… muffige Luft, 5 angebrannte Kerzen, kein Aus-gang … Fehlen nur noch brackiges Wasser und Skor-but", versucht Ingalf die bedrückende Atmosphäre zu verarbeiten. "Wenn das ein Schiff wär, würde hier jetzt der Klabautermann sitzen und uns auf ein Karten-spiel und einen Rum einladen!"

Ingalf schiebt die 3 vor ihm durch die Tür um den beiden Geschickteren zur Untersuchung des Raums zu nötigen.

Den Bewusstlosen setzt er gegen die Tür und über-prüft seinen Seesack mit einem kurzen Blick. Ingalf mustert den Raum kurz und wirft einen Blick auf De-cke und Fußboden, bevor er sich mit der Untersu-chung der linken Raumwand und danach der Kom-mode sowie der dahinterliegenden Wand beschäftigt.

Frumol ist auf den ersten Blick enttäuscht. Wie lang-weilig. Er geht zur Kommode, mustert diese und den Kerzenleuchter. Da er den Kerzenleuchter gerade in der Hand hat, entzündet er auch die Kerzen.

Es wird dadurch im Raum merklich heller.

Dann dreht er sich um und zuckt mit den Schultern als wolle er sagen: "Tja, Sackgasse."

Er mustert dann aufmerksam die Wände, denn warum baut jemand einen so langen Gang mit einem Raum am Ende?

An den Wänden ist nichts auffälliges. Sie sind gemau-ert wie alle anderen Wände auch.

"Wie Nu?"kommentiert Ingalf, die überraschende Er-kenntnis. "Und ich dachte, ihr vom fahrenden Volk findet immer einen Weg?"

"Wie kommst Du darauf?" fragt Frumol zurück, lässt dabei offen ob er den Weg oder das fahrende Volk meint.

Er klopft Alrik anerkennend auf die Schulter und holt seine Sturmlaterne aus dem Seesack den er Alrik mit den Worten: "Ahoi Leichtmatrose" und einem freund-lichen Lächeln wieder auf die Schultern setzt.

Er bestückt sie mit einer Kerze des Leuchters und macht sich an die Untersuchung des Raumes. Wobei er besonders auf Unregelmäßigkeiten an Decke und Boden achtet.

Er achtet darauf ob der modrige Geruch gleichmäßig im ganzen Raum verteilt oder an einer bestimmten Stelle/Richtung intensiver ist.

Ingalf schnuppert noch einmal. 'muffig' ist der richtige Ausdruck. Die Luft riecht abgestanden, so als ob hier schon urlange niemand mehr gelüftet hat. Und der Geruch ist überall gleich. Nach dem er 5 Minuten

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lang den ganzen Raum abgesucht hat, kommt er zu dem Schluss: "Hier ist bestimmt keine Geheimtür!"

Während der Untersuchung geht Randirion gelang-weilt zur Kommode und schaut hinein.

Die Schubladen sind weitestgehend leer. Als einziges findet sich ein Haufen unbeschriebener Pergament-

blätter, einige Kohlestifte und ein einzelner ganz stark angelaufener Silbertaler.

Als Frumol die Pergamentblätter sieht kommt ihm eine Idee. Er kniet sich neben der Kommode nieder, nimmt den Kohlestift zur Hand und beginnt zu zeichnen:

_______ | KKK | KK = Kommode | | <-- Hier befinden |__ __| sich die _________________| | Gefährten / __________________| ___ ___ ___ / / | | | | | | / / |_ _| |_ _| |_ _| / / | |___| |___| |________/ / |_ Zellentrakt ______ / ___ Folterkammer | | / Ost?\_____________ | |( Turm ___ _____ | | |dunkel \ ___ / __| |__ | | | |___|X|_________ | | | | |_____ _______ | | Lager | | | | | | | |__ __| | |________________| |_______| | (_) |________ _______ _______ | | | | | | | | | dunkel dunkel __| | dunkel __ | _| |_ / \ ( Turm ) \_____/ mit Treppe (verschüttet)"Was meint ihr?" fragt er die Übrigen, als er mit der Skizze fertig ist und vom Blatt aufsieht.

"Ein Heiler, Verschlossene-Türen-Öffner und jetzt noch Navigator und Kartograph? Donnerlittchen …" drückt Ingalf seinen Respekt aus.

"Also schaun wir hier weiter nach?", dabei deutet er auf die mit x markierte Stelle "wenn wir uns nicht hoffnungslos verlaufen haben, sollten wir auch unsere vorherige Karte dort wiederfinden."

Er schiebt unmotiviert die Kommode in die Richtung von der Wand weg in die sie sich am leichtesten Be-wegen lässt, und leuchtet noch einmal gegen Kommodenrück- und Raumwand.

Auch hinter der Kommode ist kein verborgener Aus-gang.

Etwas enttäuscht rückt Ingalf die Kommode wieder zurecht.

Zu Sephyra meint er:"Frag den Lütten mal ob er uns noch ein bisschen heimleuchten will."

"Nun, bis gerade verstand er uns auch so ganz gut. Frag ihn doch selbst!" antwortet Sephyra leicht schnip-pisch.

Dann macht er sich daran den Silberling in seiner Geldkatze, 2 Pergamente zusammengerollt 'mal schaun wie lang die das überleben, ansonsten können wir damit ja noch ein Feuer entfachen' im Seesack und 2 Kohlestifte in der Waschledermappe zu verstau-en.

Falls sich noch 2 brauchbare Kerzen im Kerzenständer finden, legt er diese (nach dem löschen zu seinen eigenen) und wartet auf Alriks Antwort.

"Was heißt 'heimleuchten', Herr?" fragt Alrik, der sich ebenfalls neugierig in der Kammer umschaut.

"Mensch Kleiner, ob du meinen Seesack und meine Sturmlaterne sicher tragen kannst."

Voll vertrauen in das Ego des kleinen macht er sich auf dem Weg zum Bewusstlosen und schaut nach, ob er mittlerweile dem aufwachen näher ist, bevor er ihn wieder schultert.

Der Bewusstlose sieht nicht so aus, als ob er gleich aufwachen würde.

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"Das werde ich wohl nicht schaffen, Herr." Alrik schaut etwas zerknirscht. Frumol und Sephyra, die beiden Fackelträger sehen, dass die Sturmlaterne besseres Licht als ihre Fackeln liefert. Der Träger wird nicht so sehr geblendet.

Statt der Fackel nimmt Sephyra Ingalfs Sturmlaterne zur Beleuchtung und löscht die Fackel. Alrik kann dann den Seesack sicher tragen.

Alle zusammen machen sich auf den Weg zur angege-benen Stelle. Frumols Karte erweist sich als zu-treffend. Und der dunkle Gang hier ist sehr kurz. Nach wenigen Schritten endet er vor einer weiteren Holztür.

Eine TürIngalf legt den Bewusstlosen Vorsichtig in den Gang und beginnt die Tür vorsichtig zu untersuchen und vorsichtig zu horchen.

Kurz vor der Tür passiert es. Ingalf hört nur 'Klick' und zuckt unwillkürlich zurück. Dann spürt er einen Schlag von rechts gegen den Brustkorb, und sogleich beginnt der Schmerz. Ein Bolzen hat ihn erwischt, der aus einer kleinen Öffnung in der rechten Gangwand geflogen kam.

Als Frumol das Klicken hört will er noch ein Warnung aussprechen, aber da ist es schon passiert. 'Warum müssen diese Tölpel auch immer so unvorsichtig sein?' fragt er sich.

"Beim Klabautermann!" flucht Ingalf und versucht so den Schmerz zu unterdrücken. Er versucht sich nicht zu schnell zu bewegen und schaut zunächst einmal wie tief der Bolzen eingedrungen ist.

Er steckt richtig in seinem Wams.

"Nu fein. Auch noch das Wams ruiniert" grummelt er.

"Ist Dir was passiert?" fragt Frumol vorsichtig.

"Ich leb' noch, beim Bart meiner Großmutter von einem Bolzen fällt ein Thorwaler nicht um!", muss er sich dann doch verteidigen. "Kannst du mir mal mit dem Bolzen hier helfen?"

"Klar" antwortet ihm Frumol und untersucht die Wunde.

Während er die Untersuchung über sich ergehen lässt kramt er aus seiner Gürteltasche Nähnadeln und Garn und hält sie bereit.

Zu Randirion, "Schichtwechsel, Herr Kavaljäre trag du mal die Schlafmütze."

Randirion räuspert sich ein wenig indigniert, nimmt den Bewusstlosen und setzt ihn an der Gangwand ab.

"Und was meinst du? könn wir ihn raus ziehen?"

"Ich denke schon. Halt mal still." antwortet er und entfernt den Bolzen.

"Verbinden kann ich die Wunde leider nicht da ich nur diesen Rest an Verbandszeug habe," erklärt er und reicht dem Hünen den Rest. "Presse die bitte auf die Wunde und verhalte dich ruhig."

"Vielleicht kann ich helfen." antwortet Sephyra und kramt in ihren Sachen.

'Sauber sind sie zwar nicht …' denkt sie, "… aber das hier könnte es doch tun, oder?" fragt sie hoffnungsvoll und reicht Frumol zwei ihrer bunten Tücher.

Ingalf begutachtet die beiden Tücher auf ihre Verwendbarkeit als Verband. "Was meint der große Heiler? Aber besser die Tücher, als dass ich mir den Umhang weiter voll saue" und reicht Sephyra den eben eingesteckten Silberling …

"Ja, wunderbar." kommentiert Frumol.

Die Wunde blutet nicht allzu stark. Die Hauptver-letzung ist eine starke Prellung der Rippen. Ob eine eventuell angeknackst ist, kann Frumol nicht fest-stellen.

"Kavaljäre du kannst doch mit ner Axt umgehen oder? Ich kann sie im Moment eh nicht wirklich benutzen. Hau mal gerade mittig auf die Tür mal sehen, was die aus hält. Ach ja damit uns wenigstens einer Verteidigen kann werd ich wohl doch unseren Freund mitnehmen."

Falls Nadel und Faden nich gebraucht werden verstaut er selbige wieder in der Gürteltasche und beschließt von nun an die beiden Türexperten Türen zuerst zu benutzen. Da ja eh grad ein Päuschen ange-sagt genehmigt er sich auf den Schreck noch einen Schluck Wein aus seinem Schlauch. "Wenn wer will ich geb ne Runde, son Wasserverlust muss ein Thor-waler schnell ausgleichen", grinst er den Rest der Gruppe an.

"Gerne" stimmt er zu und nimmt den Wein entgegen.

"Nun denn, Herr Wedmansson, einen Versuch sollte es wert sein. Hinter dieser Tür könnte etwas Wert-volles sein. Vielleicht sogar Deine Schwester, Alrik", antwortet Randirion. "Zuerst einmal ein Probeschlag. Ich bin mit dieser Art Waffe nicht gar zu sehr vertraut."

Randirion nimmt die Orknase in die Hand, wiegt sie ein bisschen hin und her, und schlägt dann leicht zu. Etwas seltsames passiert: Die Klinge der Axt gleitet an der Tür ab, als ob sie eingeseift wäre. Randirion hat Mühe, die Axt zu halten. Nicht die Spur eines Kratzers ist auf der Tür zu sehen. Randirion legt die Waffe ab und reibt sich den rechten Arm.

"Fürwahr gut geschützt. da werden wir den passenden Schlüssel finden müssen, oder einen anderen Weg. Jetzt könnte ich einen Schluck gebrauchen, Herr Wed-mansson."

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"Euren Becher edler Herr? Kannst du nochmal schaun ob's nur die Waffe war und mit deiner Fuchtel draufschlagen?

Ich glaub nicht an Zufälle. Wer hat eigentlich den Schlüssel vom Kerkermeister, vielleicht haben wir ja ausnahmsweise mal Glück.", er beschließt wenn es die Schmerzen irgendwie zulassen nach Abschluss seiner Behandlung nochmal mit der Orknase drauf zuhal-ten.

Randirion reicht ihm seinen Becher. "Schenkt schon einmal ein! Eine Prim gegen ein Stück Holz, das ist ja wie in meiner ersten Fechtstunde, aber einen Versuch ist es wert."

Er nimmt sein Rapier, stellt sich in gutem Abstand zur Tür auf und führt einen blitzsauberen Stoß aus. Die Klinge gleitet ab, und kein Kratzer ist zu sehen.

Alrik ist auf einmal zu vernehmen: "Das ist aber un-heimlich!"

Randirion ist beunruhigt, versucht aber, sich nichts anmerken zu lassen. "Faszinierend." meint er und steckt das Rapier weg. "Herr Pellocke, vielleicht findet sich ja am Schlüsselbund des Folterknechts doch noch etwas Brauchbares …" und wirft ihn Frumol zu.

Frumol fängt das Schlüsselbund und versucht die Tür zu öffnen.

Da passt kein Schlüssel.

"Bei Phex, wir haben nicht den richtigen Schlüssel." stellt er fest.

Er legt ein Ohr an die Tür und klopft kräftig dagegen. Wenn Seline im Raum dahinter ist, wird sie sicher et-was sagen - hofft Frumol.

Es ist kein Laut zu hören.

"Wie überaus ärgerlich! Nun denn - betrachten wir das hier als Sackgasse …"

Eine Untersuchung des Bodens bringt zu Tage, dass unter dem Dreck eine Steinplatte verborgen war, die jetzt ein Fingerbreit eingedrückt ist. In diesem Bereich ist es aber anscheinend die einzige Falle. Mehr ist nicht zu finden.

Die Tür ist unspektakulär. Nichts auffälliges. Sie ist nur verschlossen. Das ist Frumols Gebiet, aber es ist wie verhext: Er hat den richtigen Dietrich und erwi-scht drinnen genau den richtigen Druckpunkt, aber dann ist Schluss. Das Schloss widersteht ihm.

"Das Schloss ist verhext." erklärt er, als er von seiner Arbeit ablässt. "Es hätte schon längst aus sein müssen. Es ist als ob es sich wehrt."

Langsam wir er müde und geritzt. Er hat das dauern-de Rumgelaufe in diesen Gängen satt und will zurück an die frische Luft.

Ingalf bereitet sich Gedanklich darauf vor die Tür be-herzt mit der Axt zu öffnen."Lass mal Frumol wenn

die nicht will hab ich hier noch nen Meinungsverstär-ker …"

Bei guter Beleuchtung dürfte man seinen gespannten Gesichtsausdruck erkennen, ansonsten dürfte er für einen Thorwaler recht gefasst wirken.

"Nein, das wirst Du nicht tun." protestiert Frumol energisch.

Ingalf holt doch probehalber aus, bricht aber schnell ab, weil ihn von seiner Rippe aus ein Schmerz durch-zuckt.

"Argh", entfährt es ihm ."Womit wir wohl auch geklärt hätten ob da was gebrochen ist."

Er steckt den Schneidzahn so, dass er ihn mit links führen kann. Und legt seine Kleidung ab, dass Frumol die beiden Tücher verwenden kann.

Dabei dürften die Helden zum ersten mal seine Täto-wierung auf dem rechten Arm bis zum Schulterblatt sehen, für den, der diese Kunst schätzt ein imposantes Stück Arbeit. Ein fein gestochenes Knotenmuster.

Frumol starrt fasziniert auf die weitere Tätowierung. 'Wie kann man sich bloß überall so zeichnen lassen?' fragt er sich. 'Welchen Sinn hat das wohl? Will er da-mit angeben oder andere beeindrucken?'

Dann fixiert er den Rest des Verbandsmaterial und verbindet die Wunde mit Sephyras Tüchern so, dass nichts verrutschen kann.

Das Verbinden geht sehr gut.

Sephyras Blick wandert von Frumols überraschtem Gesicht zu Ingalfs Tätowierungen und ihre Augen werden immer größer - nicht nur der Bilder wegen, sondern auch unter der Haut deutlich hervortre-tenden Muskeln.

Als sie bemerkt, dass sie ihn unverhohlen anstarrt, wendet sie den Blick ab und murmelt vor sich hin: "Hm. Also mal wieder eine verzauberte Tür." Sie sucht nach einem Schlüsselloch oder anderen Merk-malen, wie die Tür zu öffnen sein könnte.

Kurz schüttelt sie den Kopf. Frumol war doch eben schon am Schloss zugange und hat festgestellt, dass was damit nicht stimmt. Einen anderen möglichen Öffnungsmechanismus findet sie nicht.

Ingalf ist zu sehr mit dem Verarbeiten des eben erleb-ten beschäftigt um Einzelheiten der Umgebenden mitzubekommen.

Während er von Frumol verbunden wird, betrachtet er misstrauisch seine Orknase und murmelt halblaut Brocken thorwalscher Schutzformeln bevor er sie wieder anfasst um sich nicht mit dem Fluch zu infi-zieren.

Vorsichtig berührt er zunächst Holz dann Blatt der Axt und greift sie erst danach wieder fester.

Vom abgelegten Folteropfer kommt ein Stöhnen.

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Das ihn jäh von Verfluchungen ablenkt.

"Ach guck mal einer an. An dem ist ein Thorwaler verloren gegangen. Kaum sagt einer dass er ne Runde gibt, ist er wieder voll dabei. Man sagt nicht umsonst solange man noch flach auf dem Boden liegen kann ohne sich festzuhalten ist man noch nicht betrunken."

Er grinst. Schüttet den halb leeren Becher in die Kehle und schenkt einen 1/2 vollen ein um den grad wieder erwachten nicht zu überfordern und meint zu Alrik. "Viel unheimlicher wärs ja nach der Folter aufzuwa-chen und zu hören, dass einer ne Runde gibt und nichts abzubekommen oder, nich Lütter?" Falls er den stöhnenden ohne Probleme erreichen kann reicht er ihm den Becher, falls nicht schickt er Alrik.

Alrik schaut Ingalf erstaunt an: "Wie Ihr meint, Herr. Ich glaube nicht, dass er das verstanden hat." Die Augen des Folteropfers sind geschlossen.

"Versuch mal Bitte dem Herrn da drüben mehr Wein einzuflößen als zu verschütten. Langsam und vor-sichtig."

"Das werde ich versuche, Herr. Gebt Ihr mir bitte die Flasche?" antwortet Alrik.

"Die Lütten mal wieder … gibt man ihnen den kleinen Finger wollen sie einem auch schon den Arm ausreißen" lacht Ingalf den Müllersjungen an.

"Versuchs doch erstmal mit dem Becher, bevor du mir wohlmöglich den ganzen Schlauch verschüttest.", und präsentiert ihm selbigen noch einmal unübersehbar.

Sephyra steht nur kopfschüttelnd daneben und wundert sich still: 'Männer! (mal wieder), als ob es jetzt darauf ankommt, ob da die Flasche leer wird oder nicht!'

Dann sieht sieh gespannt Frumol über die Schulter und registriert sein vergebliches Bemühen, die Tür zu öffnen: "Vielleicht geht es mit einem Zauberwort oder so?" fragt sie.

Frumol wendet sich von der Tür ab. "Da ist alles ru-hig. Seline ist dort sicher nicht eingeschlossen. Lasst uns weitersuchen."

"Wenn das deine Eltern rausfinden würden, dass du hier gleich ne ganze Flasche abzustauben versucht hast? Ob die sich nochmal zum Köhler Lamba lassen?", versucht er den jungen aus der Reserve zu lo-cken.

Und hofft, dass ihm die Freunde nicht gleich in die Parade fahren.

Alrik duckt sich, nimmt einen Becher und versucht vorsichtig, dem Bewusstlosen etwas Wein einzuflößen.

'Dass es ihn nicht stört, dass ich seinen Namen rück-wärts ausgesprochen hab?', wundert sich Ingalf.

Dabei versucht er Alrik beiläufig so anzusehen und versucht sich an die Haarfarbe und die schmale Nase des Müllers zu erinnern und sucht sie im Gesicht des

Kindes wiederzuerkennen. Wenn ein Mittelländer aus einer Zelle verschwinden kann, dann kann er sich auch in einen kleinen Jungen verwandeln, denkt er sich.

Alrik ähnelt wirklich sehr seinem Vater, soweit sich In-galf daran erinnern kann.

Der Versuch Alriks ist nicht sehr erfolgreich, der Wein läuft dem Bewusstlosen wieder aus dem Mund. "Es geht nicht, Herr", klingt es kleinlaut.

"Macht ja nix, kleiner. Er", er deutet auf den be-wusstlosen, "könnte es bestimmt auch nicht besser." Er trinkt was noch im Becher ist aus und gießt ihn noch einmal 1/4 voll.

"He Freund!""Es gibt besten Rotwein, wenn du den trinken willst, wach jetzt mal auf.", versucht er zu-nächst etwas unbeholfen wirkend aber deutlich und so laut, dass es auch ein schlummernder hören dürfte na-hezu direkt ins Ohr zu sagen, dabei betrachtet er noch einmal genauer dass Gesicht des fremden und ver-sucht einzuschätzen wo er denn herkommen könnte.

Der Bewusstlose stöhnt einmal auf, kommt aber noch nicht zu sich. Er ist bestimmt kein Thorwaler und wirkt auf Ingalf wie ein typischer Mittelreicher.

Ingalf reicht Alrik den Becher und versucht Kopf und Mund des Nordländers so zu halten, das der Wein problemlos in den Magen laufen sollte.

Angesichts, seiner reichhaltigen Trinkerfahrung ein Kinderspiel. "Na denn. Jeder sollte eine 2.Chance be-kommen.",dabei wird sein Gesichtsausdruck plötzlich zu einer Mischung aus Trauer und Frust. 2 Augenbli-cke lang dann fast er sich wieder.

"Gaaanz langsam und vooorsichtig schütten.", meint er noch.

Der Mund des Bewusstlosen füllt sich, aber durch die Haltung seines Kopfes rinnt es in seine Kehle. Plötz-lich hustet er und besprüht Ingalf mit dem Wein.

'Was ein Glück dass ich das Wams und den Umhang noch nicht wieder angezogen hab', freut sich Ingalf.

"Hochwohlgeboren mag unseren Wein nicht?", lacht er den Bewusstlosen an. "Nu trink schon. Is 'n guter Wein. Du musst doch wieder zu Kräften kommen."

Ingalf wischt das gröbste mit der Hand weg. Insbeson-dere in der Nähe seiner Wunde möchte er nicht unbe-dingt die Suppe ankleben haben.

"Ich würd nachher gerne nochmal zu dem Wassertrog von vorhin, wird sonst sehr hässlich hier unten in dem Staub.", meint er zu den Anderen.

"Biste jetzt soweit?", fragt er den Bewusstlosen.

Es kommt keine Antwort. Nicht einmal ein Stöhnen.

"Lass ihn doch" meint Frumol an Ingalf gewandt und schüttelt den Kopf.

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"Der Mann braucht Ruhe und keinen Seemann der ihn noch weiter quält." fügt er hinzu, hoffend, dass Ingalf auf ihn hört. Schließlich hat er ja selbst gesagt, dass Frumol der Medicus sei.

"Hättest du ihn den liegenlassen wollen, damit man ihn weiter foltert, weil jemand Wissen will wieviele und wie stark wir sind?", entgegnet Ingalf mehr aus Prinzip als aus Streitsucht. Er wischt mit dem Teil des Fellumhangs der eh häufiger schmutzig wird - aber

noch nicht ist den restlichen Wein von der Haut, zieht sich wieder an nimmt die Axt an sich und versucht sich dabei vorzustellen in welchem Falle er vor einer Heilung damit noch ausholen möchte. Und verstaut sie angemessen und schaut ob der Bewusstlose für ihn noch tragbar ist, während er sich auf den Wei-termarsch vorbereitet.

_______ KK = Kommode | KKK | | | |__ __| _________________| | / __________________| ___ ___ ___ / / | | | | | | / / |_ _| |_ _| |_ _| / / | |___| |___| |________/ / |_ Zellentrakt ______ / ___ Folterkammer | | / Ost?\_____________ | |magische Tür( Turm ___ _____ | | | | | \ ___ / __| |__ | | | |___| |_________ | | | | |_____ _______ | | Lager | | | | | | | |__ __| | |________________| |_______| | (_) |________ _______ _______ | | | | | |x| | | dunkel dunkel __| | dunkel __ | _| |_ / \ ( Turm ) \_____/ mit Treppe (verschüttet)

Eigentlich ist Ingalf jeder Gang gleich unlieb.

"Ein Gang so dunkel und gefährlich wie der andere, lasst mal schaun wie groß der Keller im ganzen ist", und schultert den Bewusstlosen.

In der Annahme, dass Ingalf auf das "X" gezeigt hat: "Sehr gut gewählt Herr Wedmansson. Heißt es nicht schon in den überaus erbaulichen Schriften von Kara ben Yngerimm, dass man in unterirdischen Labyrin-then leicht sich zurechtfinden kann, wenn man sich immer an der linken Wand hält …"

"Vielleicht sollten wir doch versuchen, über die ver-schüttete Treppe nach draußen zu kommen", schlägt Frumol vor.

"Und Seline hier unten von dem Wolf zerfleischen lassen?

Bevor ich die Treppe mit frei schaufle, schau ich erst-mal ob Seline nicht auf einer anderen Treppe sitzt.

Falls doch könn' mer immernoch 'n bissl Werkzeug vom Folterheini holen gehn, wenn der wieder wach ist, kann der uns wohlmöglich auch noch helfen."

"Ich habe doch gar nicht gesagt, dass Seline hierbleiben soll!" verteidigt sich Frumol. 'Mit diesem Mensch kann man sich nicht auf eine Linie einigen!'

Dann wartet er darauf, dass jemand vorausgeht. Er wird es jedenfalls nicht sein!

Diesmal geht Randirion vorweg. Hinter ihm folgt Se-phyra mit Ingalfs Sturmlaterne. Dann kommen Ingalf und Alrik mit ihren jeweiligen Lasten. Frumol findet sich unversehens am Ende wieder.

Seinem Schicksal ergeben trottet Frumol als Schluss-licht den anderen hinterher. Auf den Weg achtet er kaum, kennt der doch das Ziel und alles Unbekannte treffen die Anderen vor ihm. Was ihm nicht gefällt, ist dass Sephyra so weit vorne geht …

Sein Blick schweift von dem Rücken seines Vordermanns ab und huscht im Halbdunkel mal hier und mal dorthin.

Der Blick bleibt aber an nichts auffälligem hängen.

Der dunkle Gang erweist sich als relativ kurz und endet in einem Quergang. Getreu seiner Devise, sich an der linken wand zu halten, nimmt Randirion den

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linken Gang, insbesondere da sich dort im Licht der Fackel schon die nächste Kreuzung zeigt. Außer zwei neuen dunklen Gängen geht hier auch eine kurze

Steintreppe in die Tiefe, die vor einer Holztür endet. Das ganze sieht so ähnlich wie vor der Folterkammer aus.

___ ___ ___ / / | | | | | | / / |_ _| |_ _| |_ _| / / | |___| |___| |________/ / |_ Zellentrakt ______ / ___ Folterkammer | | / Ost?\_____________ | |magische Tür( Turm ___ _____ | | | | | \ ___ / __| |__ | | | |___| |_________^ | | | | |_____ _______ | | Lager | | | | | | | |__ __| | |________________| |_______| | (_) |________ _______ _______ | | | | | | | | | dunkel | | dunkel __| | _| |_| |_ dunkel __ | dunkel _____ x _dunkel _| |_ | | / \ kurze Treppe ( Turm ) mit Tür wie bei \_____/ der Folterkammer mit Treppe (verschüttet)

Ingalf achtet als er der Tür gewahr wird nur dorthin zu treten wo Sephyra schon aufgetreten ist.

"Nu denn ma weiter links?", meint er mit wohl do-sierter Lautstärke um die Tür nicht weiter zur Gefahr werden zu lassen.

Ihn interessiert, was hinter der Tür ist, will sich jedoch nicht vordrängeln und so bleibt er stumm stehen, bis die - sicher ist es ein obligatorische Palaver - Diskussi-on, wollen-wir die-Tür öffnen vorbei ist.

Während dessen dreht er sich um und mustert einmal den rückwärtigen dunklen Gang.

Dort ist auch nichts zu sehen.

Plötzlich erstarrt Sephyra kurz, reibt sich die Augen und zeigt dann nach geradeaus.

"Habt ihr das gesehen?" fragt sie ungläubig.

"Nö. Was haste denn gesehen? Nen Kopf und 2 Tenta-kel?" und ärgert sich dass das Abtrennen der beiden, für ihn im Moment sicher fast genauso schmerzhaft wie für den Krakenmolch sein würde.

"Oder ist unser Verschwundener wieder aufgetaucht?"

Der Wein scheint seiner Moral hier unten leicht zu-träglich zu sein.

"Nein, was denn?" Frumol reckt neugierig den Hals.

Ingalf ist nicht ernsthaft an weiteren Überraschungen interessiert und macht Frumol demonstrativ Platz und hält den rückwärtigen Gang im Auge.

Randirion, vor ihr stehend, und über das weitere Vorgehen nach grübeln, wird aus seinen Gedanken gerissen …

"Nein, bedaure Madame Lunor. Was ist denn dort?"

… und sieht in die angegebene Richtung.

Randirion und Frumol sehen nichts im dunklen Gang. Ganz und gar nichts. Gleiches gilt für den si-chernden Ingalf.

Da schon 4 Mann in Richtung nichts schauen hat In-galf als letzter keine große Hoffnung mehr zu sehn und hält die Rückseite im Auge.

Sephyra denkt laut nach: "Da war eine Gestalt. Ich konnte sie ganz klar erkennen, obwohl da gar kein Licht ist. Ein Mädchen oder junge Frau mit dunklen offene Haaren."

"Seline!" ruft Alrik dazwischen.

'Wie dämlich kann ein Kind alleine eigentlich sein?'

"Pssscht", grummelt er nach hinten. "Willst du deine Schwester verraten?"

"Nein, Herr!" entgegnet Alrik. Er scheint ziemlichen Respekt vor Ingalf zu haben.

"Und die Gestalt winkte mir zu. Nein. Sie winkte mich heran." Sephyras Gesichtsausdruck ist leicht verwirrt. 'War wohl ein Traum.' "Ich bin wohl schon zu lange hier unten!"

"Passt bloß auf da vorne, eine Falle kommt selten allein.

Wenn ihr nachschaun wollt ob das Seline war, seid ma bloß vorsichtig.", wirft Ingalf in deutlichem aber ge-dämpften Ton, zu den Anderen, um sich dann wieder der Nachhut zu widmen.

"Ich gehe mal gucken", sagt er leise zu den anderen und löst sich vorsichtig von der Gruppe und schreitet langsam ins halbdunkel des Ganges. So langsam, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Dabei

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schaut er nicht zurück um von dem helleren Licht der Sturmlaterne geblendet zu werden.

Schritt für Schritt geht er über die Kreuzung und in den unbekannten Gang. Mulmig ist ihm dabei zumu-te. 'Warum konnte ich nicht den Kavaljäre gehen lassen' fragt er sich. Unwillkürlich beginnt er zu zittern, seine Hand nestelt nervös an Brustgurt mit den Dolchen.

'Ob ich hier was finde' fragt er sich, immer bereit beim ersten Anzeichen einer Gefahr zurückzuspringen.

Nach ungefähr 10 Schritte geradeaus sieht er vor sich nur noch Schwärze.

Er fasst nach links und rechts: Die Gangwand ist immer noch da.

Die kalte, feste Wand beruhigt Frumol in der Finster-nis ein wenig. So verharrt er einen Moment regungslos und lauscht.

"Seline", flüstert er leise. "Bist Du hier? Dein Vater, der Müller, schickt uns." und dann fügt er noch hinzu: "Alrik geht es gut."

Er warte auf eine Antwort oder darauf, dass etwas ge-schieht oder sich etwas regt.

Es bleibt alles ruhig. Daraufhin …

… dreht er sich nach kurzer Zeit um und kehrt vor-sichtig zu den anderen zurück.

"Da ist nur ein langer dunkler Gang, sonst nichts." er-klärt er.

"Du musst Dich getäuscht haben, Sephyra", erklärt er, obwohl ihm dies unangenehm ist, da Sephyra mit ih-ren Ahnungen bisher fast immer Recht hatte.

Da Frumol 'Seline' nicht finden kann meint Ingalf zu Alrik: "Sach mal Lütter, is Seline sonst auch son schüchternes Fischlein?"

Alrik schaut Ingalf nur verständnislos an.

"Wenn da nix is, das sich uns zeigen will gehn wir wei-ter nach links?", fragt Ingalf leicht ungeduldig.

"Dies klingt nach einer vernünftigen Lösung." meint Randirion und geht voran (nachdem er sich noch kurz vergewissert hat, dass auch ja alle zusammenbleiben).

Sephyra folgt den anderen, die Laterne immer zur Ausleuchtung des Ganges gerichtet, in dem Versuch, niemanden mehr als nötig zu blenden. Sagen tut sie zu dem Ganzen nichts.

Ingalf, der wie gehabt als letzter mit dem Be-wusstlosen geht, sorgt hinten dafür, dass nichts aus-einander reißt.

SkeletteDer Gang geht ziemlich lange geradeaus. Fast lässt die Aufmerksamkeit ein wenig nach.

Sephyra wandert neben den anderen dahin. Ihre Ge-danken schweifen etwas ab: 'Was haben wir uns

eigentlich dabei gedacht, hier herunter zu kommen - na abgesehen von den Kinners? Diese Gänge verursa-chen mir eine Gänsehaut. Warum nur? Irgend etwas stimmt hier nicht, ganz und gar nicht!'

Dann kommt eine Tür, und die Erinnerung an die Bolzenfalle verhindert jede Nachlässigkeit. Sorgfältig untersucht Randirion Boden und Seitenwände, aber hier gibt es offensichtlich keine Falle.

Interessiert beobachtet Sephyra das Bemühen des Ka-waljere: 'Na ob der eine Falle finden würde, wenn da ein Schild stünde? Mein Frumol hätte sie vorhin si-cher entdeckt …'

Die Tür hat einen Schieberiegel, so dass man durch kein Schlüsselloch schauen kann. Hinter der Tür ist es ruhig.

Randirion steckt sein Rapier weg und schiebt vor-sichtig den Riegel. Der lässt sich so leicht bewegen, dass Randirion die Balestrina dabei immer noch in der Linken halten kann.

Dann drückt Randirion vorsichtig die Tür einen Spalt auf. Dahinter ist es dunkel. Also drückt er die Tür ganz auf.

Sephyra leuchtet. Der Lichtstrahl leuchtet in einen länglichen Raum, in dessen Mitte zwei Skelette mit Schwert in der Rechten und Schild in der Linken stehen.

Ingalf versucht von hinten zu erkennen ob der Raum andere als die Eingangstür hat.

"Sieht nich nach Seline aus.", stellt er nicht mehr wirklich überrascht fest.

"Was heißt, du bleibst hier hinten!", zu Alrik. "Geht's dort irgendwo weiter?"

Ingalf kriegt keine Antwort auf seine Frage, denn die Skelette fangen an, sich zu bewegen. Sie heben Schwert und Schild und staksen auf den vorn stehenden Randirion zu.

"Bei Swafnir …", entfährt es Ingalf. "Wenns da nicht weitergeht rammel mal fix die Tür wieder zu", meint er, bereit, Lampe und Alrik zu halten. Auch wenn es ihn in jeder Faser seines Körpers juckt mit der Orkna-se für eine Desintegration der beiden Klappermänner zu sorgen.

Nein, das war keine Täuschung. Die Skelette bewegen sich tatsächlich. Plötzlich sind sie schlimmen Erinne-rungen an das schwarze Schiff und die Untoten Pi-raten wieder da.

Unwillkürlich starrt Frumol auf die Skelette, als könn-te sein bloßer Wille sie wieder erstarren lassen.

"Tür zu!" stößt Sephyra sofort hervor und leuchtet mit der Lampe so in Richtung Boden, dass die Skelette nicht direkt angeleuchtet werden. 'Wer weiß, vielleicht 'weckt' sie das Licht auf.' denkt sie sich.

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Reflexhaft zieht Randirion die Tür wieder zu und schiebt den Riegel vor.

… und ist von seinen eigenen Reflexen wieder einmal sehr angetan.

"Da drin ist Seline bestimmt nicht, sonst würden die da nicht so ruhig stehen!" versetzt sie.

"Recht haste.", pflichtet ihr Ingalf bei. "Un wenn doch, werden uns die beiden bestimmt nicht davon gerannt sein."

"Können wir die Tür nicht verriegeln?"

Unweigerlich steigen die Gedanken an das Schiff in ihr hoch, aus dem sie nur mit Mühe wieder entkom-men ist. "Frumol, das gefällt mir nicht, schon wieder untotes Gesindel!"

"Dieser Riegel lässt sich nicht von innen aufschieben, Madame Lunor", bemerkt Randirion, nachdem er sich diesbezüglich vergewissert hat. In den Riegel und sein Gegenstück sind Löcher für ein Vorhängeschloss ge-bohrt.

"Ich nehme nicht an, dass einer von Euch so etwas wie ein Vorhängeschloss in der Tasche hat, oder?" fragt Randirion zweifelnd.

"Das ma nich.", entgegnet Ingalf pro forma.

"Wenn wir die in Hundespielzeug zerlegen wollen brauchen wir mehr Platz. Hier in dem engen Gang hab'n wir kein' Vorteil gegen diese lahmen Gerippe.", sagt er während er frustriert seine Wunde betastet. "Wenn wir genuch Zeit haben, kann ja einer was aus der Folterkammer holen."

'Und bei der Gelegenheit gleich mal nach der Töle sehn.'

Auch er hat wenig Interesse, sich mit etwas anzulegen, das man so einfach und so wirkungslos aufspießen kann.

"Warum marschieren diese Skelette in der Gegend herum und greifen harmlose Rettungstrupps an!" er empört sich immer mehr.

In diesem Moment beginnt es, an der Tür zu häm-mern. Erst vorsichtig, dann immer stärker. Offensicht-lich will da "jemand" raus.

"Sonnenlicht." sagt Frumol, nachdem die Tür ge-schlossen wurde.

"Sonnenlicht wird sie aufhalten. Auf dem Schiff war das ebenso." behauptet er weiter, ohne die Gewissheit zu haben, dass untote Piraten und Skelette zur glei-chen Spezies gehören. Hier könnte Rakorium sicher einen ausführlichen Vortrag halten. Eins steht fest: Tot sollten sowohl die Piraten als auch Skelette sein!

"Na denn pack ma fix deine Taschensonne aus." grinst Ingalf ihn frech an.

Ingalf versucht sich zu erinnern ob die Feuerstelle in der Folterkammer einen zugänglichen Abzug hatte.

Dass ihm diese Möglichkeit nicht eher aufgefallen ist wurmt ihn in dieser gefährlichen Situation.

"Im Ernst, alles andre is'n Schlag ins Wasser? Oder mögens die Klappermänner auch nicht wenn man die Knochen in werkzeutaugliche Stücke hackt? Wenn dieser dämliche Bolzen nich wäre …"

Ingalf ist sichtlich frustriert, so guten Werkstoff und gefährlichen noch dazu im Rücken behalten zu müssen.

"Wenn wir was zum verrammeln vom Folterknecht holen, könn mer ja gleich nochmal schaun ob der Rauchabzug zum klettern taugt." schlägt Ingalf vor, während er eine von den ergatterten Kerzen raus kramt, falls sich die Gruppe teilen wollen sollte. Seine Lampe bleibt hier!

Das Hämmern an der Tür wird stärker.

"Nun macht doch was!" drängt Sephyra. Unbewusst ist sie in den letzten Sekunden zwei kleine Schritte zurückgewichen. Zu stark sind die fürchterlichen Er-innerungen an das Schiff und die untoten Piraten in ihrem Gedächtnis verhaftet.

"Klemmt den Riegel fest, das sollte uns eine Möglich-keit zur Flucht geben." meint sie. 'Nur wohin? Wohin flüchtet man in einem unterirdischen Labyrinth?'

Auch Frumol ist unbewusst von der Tür zurückgewi-chen. Nervös nesteln seine Finger am Griff des Ra-piers. Ihm fällt nichts ein, mit dem er den Riegel blo-ckieren könnte. 'Aber hatte der Kavaljäre nicht gesagt, der Riegel wäre von innen nicht zu öffnen?' erinnert er sich.

"Lasst uns gehen, bevor die die Tür eingeschlagen haben. Wir müssen uns beeilen Seline zu finden. Nicht auszudenken was passiert, wenn die Skelette sie vor uns finden!" Die Hoffnung, dass Seline ruhig draußen in der Burg verstecken spielt hat er schon längst aufgegeben.

Er wartet nicht auf eine Erwiderung, sondern dreht sich um und schickt sich an, der Gang zurückzueilen. 'Vielleicht hinter der anderen Tür? Hoffentlich ist das nicht wieder sowas wie eine Folterkammer.'

Gefolgt von den anderen eilt Frumol zurück, bis alle wieder an der Kreuzung sind. In der Ferne ist immer noch das Hämmern zu hören. Bis jetzt scheint die Tür zu halten.

Ohne zu zögern geht Frumol die wenigen Stufen hin-ab, prüft die Tür und öffnet sie vorsichtig um in den Raum zu schauen.

Die GruftHinter der Tür ist es ruhig, und als Frumol die Tür öffnet erweist sich der Raum dahinter als dunkel.

Der Lichtschein von Sephyras Lampe trifft gegenüber auf die Steinwand eines Gewölbes. Nach links geht es

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sehr weit. Vor der gegenüberliegenden Wand sind riesige 2 Schritt hohe Steinblöcke aufgestellt. Es riecht muffig.

___TT___________|| dieser|SS SSSS SSSS SS Bereich|SS SSSS SSSS SS liegt noch|SS SSSS SSSS SS im Dunkeln|SS_SSSS_SSSS_SS__

Sofort steigt Frumol der muffige Geruch in die Nase. 'Bäh. Aber immerhin keine Folterkammer.'

Seline scheint sich hier nicht zu verstecken, und er hat keine Lust sich länger als nötig mit irgendwelchen Räumen und verborgenen Geheimnissen zu befassen. Hier scheint überhaupt niemand zu sein.

So fragt er nur halblaut: "Seline bist Du hier? Dein Vater und er Köhler schicken uns." Da er keine Ant-wort erwartet, …

… und auch keine kommt …

… zögert er nur einen kurzen Augenblick um die Tür dann wieder hinter sich zu schließen.

"Da drin ist sie nicht, nur große Steinblöcke." in-formiert er kurz die Übrigen. "Gehen wir weiter", drängt er.

"Hm, wo kann die Kleine nur stecken?" fragt Sephyra die anderen. Kurz darauf stutzt sie: "Nur Steinblöcke, sagst du? Was für Steinblöcke?" Sie grübelt sichtlich über Frumols Informationen nach und fährt dann fort: "Meint ihr nicht, wir sollten uns darin nach einem Weg nach draußen umsehen? Wenn nur die Chance besteht, hier heil herauszukommen, sollten wir uns des Weges rechtzeitig versichern - und gefähr-lich scheint es da drinnen ja auch nicht zu sein."

Außerdem ist sie neugierig geworden: 'Was machen viele große Steinblöcke in einem sehr großen unter-irdischen Raum unterhalb einer Burgruine? Und warum ist dieser Teil der Kellergewölbe hier nicht "be-wohnt", wie weiter vorn die Folterkammer und die Zellen?

"Außerdem müssen ja auch der Folterknecht und die anderen Lumpen irgendwie hier herunterkommen, warum nicht in diesem Raum?" fragt sich schließlich.

"Das glaube ich nicht. Dazu riecht die Luft zu muffig", erwidert er und rümpft dabei die Nase. Nach einem Ausgang sah der Raum nicht aus.

Sephyra "unterdrückt" daraufhin ganz fix ihre Neugier und meint: "Da hast du wohl Recht." und tut die wei-teren Möglichkeiten mit einem Schulterzucken ab: "Wer weiß, was da im Stillen auf uns warten würde."

"Leuchtet mir mal" fordert er auf und geht schon einige Schritte in den Gang, in dem vorhin Seline vermutet wurde. Vielleicht findet er mit Licht mehr.

Das macht Sephyra doch gern und folgt Frumol auf dem Fuße.

Randirion, Ingalf und Alrik halten sich zurück und folgen den beiden ebenfalls.

Mit Licht stellt sich heraus, dass der Gang kurz hinter der Stelle, bis zu der Frumol bei seiner Erkundung im Dunkeln gekommen ist, nach links abbiegt. Dann geht er nach rechts und gleich wieder nach links. Als die Gruppe hier um die Ecke kommt, sehen alle so-fort, dass in einiger Entfernung schräg voraus eine Lichtquelle sein muss.

Licht\ \ \ | | | | | | __| | | |zu den | __|Skeletten | | | | | | | | | |_| |_________________| | |_ ____________________| | |kurze Treppe

Sofort blendet Sephyra die Laterne ab, damit der Schein des Lichts sie nicht verrät. Zu den anderen ge-wandt legt sie den Finger auf den Mund: "Pssst!"

Auch Frumol dreht sich zu den Anderen und legt sei-nen Zeigefinger senkrecht über die geschlossenen Lippen. Anschließend deutet mit dem Zeigefinger auf sich, danach mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Augen und zum Schluss auf die Lichtquelle im Gang.

Sephyra versteht und nickt ihm zu.

Randirion glaubt zu verstehen, und lädt so leise wie möglich seine Balestrina.

Schleichen kann er in Reitstiefeln eh' nicht gut …

Dann setzt er leise seinen Rucksack ab und schleicht sich vorsichtig weiter voran. 'Hoffentlich erleben wir nicht noch eine unangenehme Überraschung.' fleht er gedanklich.

Sie nimmt seinen Rucksack an sich, um möglichst schnell entweder zu fliehen oder Frumol nacheilen zu können, in die freie rechte Hand, in der Linken behält sie die Lampe.

Die Zurückbleibenden sehen, wie Frumol langsam verschwindet. Nach kurzer Zeit hat ihn die Dunkel-heit verschluckt.

'Sei bloß vorsichtig!' ist Sephyra in Gedanken bei Frumol.

"Was machen wir jetzt?" fragt Alrik leise.

"Warten, nur warten." antwortet sie dem Jungen leise.

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"Warten!?", entgegnet ihm Ingalf trocken und hofft bloß, dass ihm Frumol nicht plötzlich entgegen kommt.

In diesen unendlich langen Augenblicken denkt er sich. 'Wenn das Seline war, kann se ja auch jetzt lang-

sam mal rauskommen Alrik hat se ja jetzt schon ge-hört.'

"Wenn das hier aber ne Falle ist, dann will uns jemand von der Tür ablenken,oder?", denkt er jetzt geringfü-gig lauter.

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Mysteriumorsichtig schleicht Frumol zur Biegung des Ganges, dahin, von wo der Lichtschein kommt.

Nicht das kleinste Geräusch macht er.VIhm eröffnet sich ein nie Raum in der Art, wie er ihn noch nie gesehen hat:

________ /A S\ /A S\| KK ||F KPPK || KPPK F|| KK | \ \ \________/\ \ | | | |

Ein ungewöhnlicher achteckiger Raum von mehr als 10 Schritt Durchmesser wird von zwei Feuern (F) er-leuchtet, die in Steinschalen auf halbhohen Podesten brennen. In der Mitte des Raumes ist ein vier Schritt durchmessender Kreis (K) in gelber Farbe auf den außergewöhnlich glatten, flaschengrüner Boden ge-malt. In dessen Mitte ist ein fünfzackiger Stern (P) eingezeichnet.

An einer Wand steht ein großer Arbeitstisch (A), der einen unaufgeräumten Eindruck macht. Es brodelt eine Flüssigkeit in einem Kolben, und Tiegelchen und Deckelchen liegen verstreut umher. In einem Regal an der Wand darüber stehen viele kleine Glasflaschen.

An einer anderen Wand steht ein Schreibtisch, auf dem eine reich verzierte Kassette steht. Daneben liegt ein dickes Buch samt Gänsekiel und Tintenfass. Ein Kristallkugel und eine Pergamentrolle sind auch zu sehen.

Frumol bleibt erst einmal im Eingang des Raumes stehen und betrachtet ihn eingehend. Es überrascht ihn, hier unten auf das Arbeitszimmer eines Ge-lehrten, Priesters oder Magiers zu stoßen. Das steht auch im Widerspruch zu der Räuberbande die hier haust - wie sie es bisher angenommen haben.

Nachdem er nun eine Weile still im Eingang stand und den Raum auf sich wirken ließ dreht er sich um, um den Anderen zu berichten und den seltsamen Raum zu beschreiben. Seine Vermutungen und Ge-danken behält er für sich. "Kommt, schaut es Euch selbst an" schließt er seine Beschreibung ab und geht wieder zurück, nachdem er Sephyra wieder von der Last seines Rucksacks befreit hat.

Schnell gibt Sephyra Frumol seinen Rucksack zurück. 'Was hat er da bloß alles drin? Der wiegt bestimmt 30 Stein!' denkt sie.

Als sie den Raum erreiche, warnt er: "Seid vorsichtig, hier riecht es förmlich bestimmt nach Fallen." und be-tritt den Raum vorsichtig als Erster.

"Das glaube ich kaum, denn der hier Arbeitende wird sich kaum selbst mit Fallen in seinem Arbeitsraum be-hindern, oder?" fragt sie skeptisch.

"Ich habe so ein Kribbeln in der Nase." erklärt Frumol.

"Und ein ungutes Gefühl." fügt er hinzu.

"Das hat mit kribbeln gar nix zu tun, wenn Sephyra sich vorhin nicht bloß die Augen gerieben hat, dann ist hier irgendwo noch jemand oder etwas, den wir noch nicht entdeckt haben. Und wenn das nicht Seline war dann wollte es uns genau hier hinten haben."

"Wer gutes im Schilde führt segelt nicht ohne Flagge …", denkt Ingalf gut vernehmlich.

Er hat genug Hokus-Pokus mit der Tür und den Skeletten.

Alrik zupft Ingalf am Ärmel: "Ist das da ein Dru…, ein Druidenfuß?" Er zeigt auf den fünfzackigen Stern in der Mitte des Kreises.

Der Bewusstlose auf Ingalfs Schulter stöhnt wieder.

'Nie ist Banjew da, wenn man ihn braucht!' denkt Se-phyra in Ermangelung der persönlichen Kenntnis anderer Magier, die sich in einem solchen Gemach wohl fühlen würden - oder überhaupt anderer Magier, denn schließlich war er der einzige, mit dem sie länger zusammen waren und ihn kennenlernen konnten - wenn das bei Magiern überhaupt möglich sein sollte.

"Heißt das nicht 'Drudenfuß' und nicht 'Druidenfuß'?" fragt sie laut. "Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass Banjew und Rakorium von ir-gend solchen Dingen sprachen, als es um das Schwarze Schiff und die Untoten ging. Ich habe ein ganz mieses Gefühl, dass das hier zum Erwecken der Toten die nötigen Ingredenzien darstellt und auch zu diesem Zwecke verwendet wird …" sie führt die Ge-danken nicht weiter aus. Urplötzlich hat sie eine Gänsehaut und kalter Schweiß läuft ihr den Rücken hinab.

Alrik zuckt zurück und starrt Sephyra mit schreckge-weiteten Augen an.

'Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Aber sie könnte Recht haben.' Frumol beschließt nochmals, sehr vorsichtig zu sein.

Zuerst wendet sich Frumol dem Arbeitstisch zu. Er achtet darauf dem Kreis und dem gezeichneten Stern nicht zu nahe zu kommen, geschweige denn zu betre-

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ten. 'Solche Zeichen sollte man tunlichst meiden. Banjew wäre sicher entzückt …'

In der Nähe des Arbeitstisches herrscht ein eigentüm-licher Geruch. So als ob man Lindenblüten mit Pferdedung gemischt hat.

Worauf Frumol die Nase rümpft und nicht allzu tief einatmet.

In den Tiegeln und Glasflaschen sind Bröckchen, Flüssigkeiten, Pulver und Pasten in den verschiedens-ten Farben. Frumol kann mit all dem überhaupt nichts anfangen. In dem Kolben, der mit blauer Flüssigkeit gefüllt ist, liegen auf dem Boden einige Brocken. Von denen steigen Blasen auf, die das Bro-deln erzeugen.

Er achtet darauf, keinesfalls etwas zu berühren, das die Kolben sicherlich heiß sind. Auch lässt er die Finger von all den Substanzen - nicht dass ihm in der Nacht, nur weil er unachtsam war, sein Finger oder gar die ganze Hand abfällt. Falls die Flaschen und Fläschchen Etiketten tragen, so wird er sie ohnehin nicht lesen können.

'Wo ist denn der Alchemist?' fragt er sich. Solch eine Arbeit wird man doch nicht unbeaufsichtigt lassen, oder?

Da er nichts entdecken kann, was er für hilfreich hält, wendet er sich dem Schreibtisch zu. Er achtet wieder darauf, dass der dem magischen Zeichen - ob nun Druidenfuß, Drudenfuß oder was auch immer - nicht zu nahe kommt.

Die anderen schauen aufmerksam Frumol bei seinen Untersuchungen zu. Ganz vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen. Und der große Bogen, den er um den gelben Kreis macht, ist offensichtlich. Alle sei-ne Sinne sind gespannt, und so reagiert er schnell genug, als plötzlich - er ist gerade noch ein Schritt vom Schreibtisch entfernt - aus der Decke spitze Eisenstäbe schießen, die den Schreibtisch schlagartig wie einen Raubtierkäfig absperren. Er springt zurück, ohne von den Speeren getroffen zu werden.

"Ist dir etwas passiert?" fragt Sephyra sorgenvoll.

"Nein", kann Frumol gerade noch erwidern. Seine weiteren Worte bleiben ungesagt.

Gleichzeitig erscheinen mitten im gelben Kreis zwei Schrecken erregende Wesen. Sie sehen aus wie halb verweste Leichen, zumindest die Teil von ihnen, die zu sehen sind. Der größte Teil ihres Körpers ist näm-lich mit schmutzigen Tüchern bandagiert. Ein übler Gestank gehn von den beiden aus.

"Uhhh!" entfährt es ihr nur.

Die beiden Wesen orientieren sich kurz. Eine stakst danach mit ausgestreckten Armen auf Frumol zu. Die andere wendet sich Richtung Eingang.

'Bei den Zwölfen, was …' doch Frumol kann nicht zu Ende denken, denn …

Alrik schreit: "Mumien!" dreht sich um und läuft die die Dunkelheit.

Randirion klappt der Unterkiefer herunter und er steht stocksteif da - unfähig etwas zu tun …

'Mumien, Mumien …' überlegt Sephyra fieberhaft und starrt in Frumols Richtung. Dann hat sie eine Idee: Feuer! 'Die alten Tücher müssen doch brennen wie Zunder!' überlegt sie.

"Halt aus Frumol!" ruft sie. "Ich habe eine Idee! Nutzt die Fackeln zum Entzünden der Wickeltücher dieser stinkenden lumpenverhangenen Kreaturen!"

Da sie selbst eine Lampe trägt und keine Fackel, zieht sie mit der freien Hand das Rapier und bereitet sich auf den Kampf vor.

Frumol hört zwar ihre Worte, ist jedoch zu sehr beschäftigt, die Feuerschale zu erreichen, als dass er sie sofort umsetzen könnte.

'Du schaffst es, los!' feuert Sephyra Frumol im Geiste an und wendet ihre Aufmerksamkeit sofort wieder der sich ihr nähernden Mumie zu.

Da er schnell genug ist packt Ingalf Alrik am Arm und hält ihn fest.

"Hier geblieben!"

"… die Skelette sinn auch nich netter!", er setzt den Bewusstlosen in den Gang ab und nimmt Sephyra die Lampe aus der Hand.

Alrik zerrt an Ingalfs Griff, aber Ingalf hält ihn fest.

Sephyra lässt dies gern zu, hat sie doch dann eine freie Hand für die Fackel.

Die erste MumieReflexartig zieht er zwei Dolche aus dem Brustgurt, und zielt auf den Brustkorb der Mumie, die sich ihm zuwendet. Schnell wechselt der zweite Dolch in die Wurfhand. 'Sind auch sie tot? Wie kann man sie auf-halten?' kommt es ihm in den Sinn. Dann wirft er schon den zweiten Dolch auf die Brust der Mumie.

Der erste Wurf sitzt voll in der Brust der Mumie, die allerdings unbeirrt weiter schreitet. Der zweite Wurf verfehlt, da Frumol schon ausweichen muss.

Schnell schaut er sich um, ob er irgendwo Deckung finden kann. Der Schreibtisch ist unerreichbar, der Arbeitstisch bietet ihm keine Hilfe. Einzig die Feuer-schalen könnten helfen.

So ist der Entschluss gefasst: Da sich die beiden Mumien bisher nicht sehr schnell bewegt haben ('hof-fentlich bleibt das so', hofft Frumol inständig), rennt er in er lang gezogenen Kurve um die Mumien und den Drudenfuß auf dem Fußboden zurück zu der Feuerschale am Arbeitstisch.

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Dazu täuscht er erst nach links an. Wie erwartet, wechselt die Mumie daraufhin ihre Richtung. Er nimmt all seinen Mut zusammen und taucht rechts unter den ausgestreckten Armen hindurch. Der folgende Sprint zur Feuerschale ist dagegen ein leich-tes.

Fasziniert von Frumols katzenhafter Agilität starrt Se-phyra zu ihm herüber, fast die Gefahr für die eigene Gesundheit vergessend und Ingalfs heldenhaften Ver-such übersehend.

Versuchsweise fasst er die Feuerschale an, während die Mumie langsam näher kommt. Sie ist heiß, aber nicht zu heiß.

Und dann überkommt Frumol auf einmal Ruhe. Er weiß ganz genau, was zu tun ist. Warten bis die Mumie heran ist, Feuerschale nehme, über den Kopf heben, umdrehen, den Inhalt über die Mumie kippen. Fallen lassen, abrollen, schauen was passiert.

Fast hätte er den richtigen Zeitpunkt verpasst, aber nur fast. Der Erfolg von Frumols Aktion ist spektaku-lär. Die in der Feuerschale brennende Substanz er-gießt sich über die Mumie und entzündet sie. Lich-terloh fängt sie an zu brennen, bleibt aber stehen und versucht Frumol weiterhin zu ergreifen. Der ergreift das Gestell, um sich die Mumie vom Leib zu halten. Und er merkt, wie die Mumie zusammenschrumpft. Schließlich bricht sie auf dem Boden zusammen und brennt aus. Nur ein kleiner verkohlter Rest von der Größe eines Kleinkindes bleibt zurück.

"Toll Frumol!" ruft sie aus.

Fast hätte Frumol eine triumphierenden Schrei ausge-stoßen, doch dies ist nicht seine Art. Außerdem gab es da noch eine zweite Mumie!

Die ganze Zeit über war er so sehr auf seinen Gegner fixiert, dass er von dem restlichen Geschehen im Raum nichts mitbekommen hat. So verschafft er sich einen Überblick.

Sehnsüchtig sucht sein Blick die zweite Feuerschale, da die erste so großen Erfolg erzielt hat. Er befürchtet jedoch, dass sie - zusammen mit dem Schreibtisch hinter den Gittern - unerreichbar ist.

So ein Glück! Die Gitterstäbe sind genau zwischen Schreibtisch und Feuerschale heruntergekommen.

Die zweite MumieJetzt hat Ingalf aber ein Problem. Er hat in der Rech-ten eine Lampe und an der Linken Alrik, der immer noch zerrt. Eine Waffe kann er so nicht benutzen.

Sie sieht sich schnell um, nirgends eine Fackel in Reichweite.

Sie weicht weiter zurück und Panik überkommt sie, als sie die Wände nach den bisher immer vor-handenen Fackelhaltern absucht, aber keinen ent-deckt. 'So ein Mist!' schimpft sie in Gedanken.

Schnell macht sie noch ein paar Schritte zurück in den Gang, aus dem sie kamen und schaut nach, ob die Fackeln dort nur aus waren oder ob auch da keine sind …

Da sind keine Fackeln. Und Ingalf merkt, dass er allein der sich nähernden Mumie gegenübersteht.

Sephyra macht gleich nach dieser Erkenntnis auf dem Absatz kehrt und nähert sich wieder vorsichtig dem Geschehen. Als sie Ingalfs Bedrängnis bemerkt ('Wie ungeschickt von mir!'), ruft sie ihm zu: "Komm, gib mir schnell die Lampe zurück und auch auf Alrik werde ich achtgeben!" damit nimmt sie ihm ohne wei-teres den Jungen von der Hand und hält ihn fest, drängt ihn sicher hinter sich und nimmt anschließend von Ingalf die Lampe entgegen, nicht ohne zuvor das Rapier wieder weggesteckt zu haben.

Ingalf drück Alrik die Lampe in die Hand und hofft, dass er Sephyra in die Arme rennt.

Aber da ist Sephyra schon da und nimmt ihm Alrik und Lampe ab.

"Wenn ihr nix zum Feuern habt, nehmt das Pergament aus meinem Seesack!"

Er rennt mit aller Kraft der Mumie entgegen und ver-sucht sie ins Feuer zu drücken.

Ingalf ist sich sicher: Gegen diesen beidhändigen tiefen Stoß hätte sein letzter Maat Rudir 'Arschloch' Svenson keine Chance gehabt. Bei der Mumie hat In-galf aber das Gefühl, gegen eine Wand gerannt zu sein. Und jetzt macht sie auch noch Anstalten, ihn zu greifen. Schnell macht Ingalf einen Schritt zurück und überlegt fieberhaft. Sein Fokus ist so verengt, dass er nicht mitbekommt, was bei Frumol passiert.

Da Ingalf an der Mumie nicht vorbeikommt muss er zurückweichen.

Er sprintet so schnell wie möglich zu Sephyra zurück und zieht ein Stück Pergament und eine Kerze aus seinem Seesack, zerdrückt die Kerze in der Faust und knüllt das Wachs ins Pergament und entzündet die improvisierte Brandbombe an seiner Laterne.

Wenn der Klumpen Feuer gefangen hat versucht er so schnell es geht einen möglichst losen Lumpen/Fetzen damit in Brand zu setzen.

All das will Ingalf, aber es gelingt nicht. Erst kriegt er nicht schnell genug den Seesack auf, dann findet er die Kerze nicht sofort, die zerbröckelt auch noch beim zerdrücken und schließlich zittern ihm die Hände so stark, dass er seine improvisierte Brandbombe nicht entzündet kriegt. Du dann trifft ihn eine Faust von hinten wie ein Donnerschlag.

'Segler bleib bei deinen Tauen', hat Ingalfs Mutter immer zu ihm gesagt, jetzt weiß er warum. Während er mit Alrik und Sephyra rennt, greift er nach seiner Orknase, sollte von der Brandbombe noch was in der

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Hand sein wirft er es vorher in Laufrichtung in den Gang.

Wenn er sie kampfbereit hat wird stoppen und hoffen, das jemand die Mumie beschäftigt.

"Frumol, Kavaljäre macht dem Kerl ma Feuer unterm Hintern …"

Er versucht mit Sephyra und Alrik ausreichend Si-cherheitsabstand zu halten. "Sephyra hilft dagegen nix außer Feuer?" fragt er bevor er schwer angeschlagen einen für ihn unverwundbaren Gegner sinnlos atta-ckiert.

Erst sieht aus der Sicherheit des Ganges alles gut aus: Frumol lenkt die Mumie ab, sie geht ihm nach, er lockt sie zur Feuerschale, aber dann kann er sie nicht greifen. Er versucht es immer wieder, bis ihn die Mumie erreicht und so stark zuschlägt, dass Frumol zu Boden geht.

Dadurch, dass die Mumie Frumol nachsetzt, kommt es zu folgender Anordnung: Zuerst kommt die Feuer-schale, dann die Mumie, dann Frumol.

Der Weg zu Frumols Rettung ist frei.

"Alrik hilf Sephyra mit der Bombe!", keucht er nach hinten.

Sephyra ist wie erstarrt, kann nicht reagieren. Zu sehr ist sie davon geschockt, dass die mächtige Attacke In-galfs einfach so verpufft ist.

Langsam weicht sie rückwärts zurück, immer Alrik hinter sich haltend und überlegt fieberhaft, wie sie den anderen helfen können. Aber ihr will absolut nichts einfallen, nachdem ihre "Fackel-Idee" an den Fackeln gescheitert ist.

Im vorbei rennen gibt er dem Kavaljäre eine Kopf-nuss. "Aufwachen Angsthase!" schreit er Randirion zu.

Randirion erwacht aus seiner Erstarrung, und in diesem Moment ist Frumol erstmals fähig zu überbli-cken, was sonst noch läuft.

Frumol stockt der Atem, als er sieht was für ein Schlag den Seebären trifft. Er muss versuchen, die Mumie von ihm abzulenken, sonst nimmst das ein übles Ende!

So nimmt er das Gestell der Feuerschale wieder auf und nähert sich der Mumie von hinten, wobei er immer auf den Drudenfuß achtet! Dann schlägt er mit all seiner Kraft das Gestell der Mumie in den Rücken.

Zuschlagen geht mit dem unhandlichen Gestell nicht merkt Frumol nach zwei Fehlversuchen. Ingalf, Se-phyra und Alrik haben sich in den Gang zurückgezo-gen, und so wendet sich die Mumie dem immer noch stocksteif dastehenden Randirion zu.

In seiner Verzweiflung benutzt Frumol das Gestell als Ramme, und damit hat er Erfolg. Zwar hat er das Ge-

fühl, eine massive Wand gerammt zu haben, aber die Mumie reagiert, indem sie sich umdreht. Jetzt, da Frumol ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat, …

… versucht er sie zu der anderen Feuerschale zu lo-cken um sie ebenfalls dem Feuertod zu übergeben.

Was einmal so gut geklappt hat, sollte doch immer klappen, aber dem ist leider nicht so. Zwar kann Frumol der Mumie wieder ausweichen, aber aus ir-gendeinem Grund ist diesmal die Feuerschale zu heiß für ihn.

'Au, verdammt, warum ist das Ding so heiß?' flucht er, als er sich die Finger verbrennt.

Dreimal versucht er, sie zu packen und dreimal muss er wieder loslassen.

Gerade als der nach dem Gestell greifen will um dieses samt Schale umzustoßen, …

… trifft ihn ein Schlag von hinten, denn die Mumie ist heran. Frumol wird von der Schale weg geschleu-dert.

Frumol kann die Schale nicht mehr ergreifen, als um ihn herum die Sterne explodieren. Schmerz durch-zuckt seinen Körper und er schreit auf.

Momente lang bleibt er liegen, als er wieder zu sich kommt liegt er auf dem Boden und sein ganzer Kör-per schmerzt. Er fühlt sich, wie damals, als er samt Schuppen zusammengebrochen ist - was war das nur für eine dämliche Mutprobe.

Frumol rappelt sich währenddessen auf und weicht zurück, so dass die Mumie ihn nicht mehr treffen kann.

Er entledigt sich so vorsichtig wie geht der Orknase und greift - zur Not die Hände mit einer Ecke des Umhangs schützend - die Feuerschale um die 2. Mumie damit zu taufen.

Die Schale ist wirklich verdammt heiß, aber Ingalf überwindet sich, ergreift die Schale und schüttet den Inhalt von hinten über die Mumie, die daraufhin das gleiche Schicksal wie die erste erleidet: Sie verbrennt lichterloh!

Während Frumol aus sicherer Entfernung der ver-brennenden Mumie zusieht, fällt die ganze An-spannung der letzten Minuten - wie lange hat der Kampf gegen die Mumien überhaupt gedauert? - ab. Ruhig bleibt er liegen und schöpft weiter Kraft, wäh-rend er in seinem Körper nach Verletzungen sucht.

Wenn er nur wüsste, was da im Körper hinten rechts zwischen Becken und Rippen liegt, dann wüsste er, was ihm so weh tut. Der Schmerz ist aber auszuhal-ten.

Interessanterweise hat die Mumie bei Ingalf die glei-che Stelle getroffen.

Nachdem alles vorbei ist, kehrt Sephyra gemeinsam mit Alrik zu den anderen zurück, hält sich aber einen

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Schritt weit vom Eingang in den Raum auf und betritt ihn nicht. Erst als sie die Situation überblickt, ruft sie aus: "Frumol, ist dir etwas passiert, bist du verletzt, geht es dir gut?"

Die Sorge um das Wohl Frumols ist ihrer Stimme deutlich anzumerken. Dann lässt sie Alrik stehen und stürzt auf Frumol zu, schließt ihn in die Arme: "Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt!" schimpft sie liebevoll.

"Au. Ja … nein." Frumol ist sich ob der Verletzung nicht so sicher. Sein Rücken schmerzt, doch er hofft, das er nur eine Prellung davongetragen hat. Er er-widert Sephyras Umarmung.

"Was hast du denn? Komm, lass es mich sehen." fordert sie Frumol auf und dreht ihn so um, dass sie den Rücken untersuchen kann.

So ist er für einen Moment ganz von der ungestörten Zweisamkeit umfangen. Schließlich versucht er den Schmerz zu ignorieren und aufzustehen. Er gibt Se-phyra noch einen Kuss auf die Wange. "Ich muss die Dolche suchen." sagt er und begibt sich auf die Suche nach dem zweiten Dolch.

"Nein, erst sehen wir mal nach, was dir fehlt!" da ist Sephyra unnachgiebig und lässt Frumol zunächst nicht gehen, erst möchte sie sich von seiner Unver-sehrtheit überzeugen oder gegebenenfalls nachhelfen.

Frumol gibt nach und beschreibt ihr die Stelle, an der ihn die Mumie traf. Dann hebt er sein Hemd und lässt Sephyra seinen Rücken anschauen.

Sehr sorgfältig inspiziert Sephyra die ihr von Frumol beschriebene Region seines Rückens.

Ein kräftiger Bluterguss ist zu sehen.

Vorsichtig tastet Sephyra die Stelle an Frumols Rücken ab: "Tut das weh?" fragt sie. 'Klar doch, sicher. Aber er wird wohl kaum zugeben, wie stark die Schmerzen wirklich sind.' denkt sie dabei. 'Mein tapferer Frumol!'

"Hmm, was machen wir damit?" fragt sie mehr sich selbst. Blutergüsse kennt sie zur genüge aus ihrer "ak-tiven Zeit" als Schaustellerin. Entweder fielen ihr die Jongliergeräte auf den Fuß oder man stürzte un-angenehm bei einem misslungenen Kunststück und holte sich blaue Flecke. '"Kühlen", hat der Ohm immer gesagt, "Kühlen muss man das!"'. Sephyra denkt scharf nach, was könnte hier gut kühlen: Wasser - oder noch besser: Feuer, Premer Feuer! 'Alkohol kühlte immer am schnellsten …' erinnert sie sich.

"Ingalf, sag, hast du etwas 'Feuer' in deiner Flasche übrig, damit ich Frumol behandeln kann?" Dass sie das "gute Zeug" nur von außen auf den Bluterguss reiben will und Frumol es nicht trinken braucht, erwähnt sie besser nicht. Ausreichend hat sie erlebt, wie der Seemann zu "Verschwendung" von Alkohol (in seinen Augen) steht.

'Was hat sie denn jetzt vor?' fragt er sich. Es ist ihm schon unangenehm genug, dass Sephyra ihn vor den Augen der anderen wegen nichts - naja, fast nichts - untersuchen muss. Schließlich jammert Ingalf ja auch nicht. Und der wurde bestimmt heftiger getroffen als Frumol!

"Meinst Du nicht, dass kann bis später warten?" fragt er sie zaghaft.

Bei dieser Frage zuckt Sephyra leicht zusammen und bringt ihren Mund unauffällig an Frumols Ohr. Da-mit die anderen es nicht hören, flüstert sie: "Ist dir das etwa peinlich?" und laut antwortet sie: "Ja, ich denke das ist jetzt nötig. Wer weiß, was diese Dinger so alles für Krankheiten übertragen können, damit ist nicht zu spaßen. Das hier war schließlich keine Wirtshaus-schlägerei!" erläutert sie ihr Vorgehen. "Ingalf ist auch gleich dran." fügt sie sicherheitshalber hinzu.

"Welcher Geizkragen hat Premer Feuer und dem Thorwaler noch nix angeboten?" meint er zu Sephyra. "Zum Kühlen hätt ich noch Wasser in der Feldflasche", und reicht ihr selbe nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hat.

"Na ich dachte nur, alle Thorwaler haben immer Feu-er dabei, du weißt doch, was man sich so über euch er-zählt, oder?" fragt sie so, als wäre es eine feststehende und unumstößliche Tatsache, das Thorwaler ständig voll trunken und immer für einen weiteren guten Schluck zu haben seien.

"Man erzählt sich was für herausragenden Seefahrer und was für furchtlose Kämpfer wir sind und ist be-eindruckt von unserer natürlichen Schönheit, unserer beeindruckende Kunst, unseren einzigartigen Hand-werkern und fürchtet in manchen Gegenden unsere Trinkfestigkeit …", wenn ihn niemand unterbräche, ginge das jetzt 5 Minuten so weiter.

"Macht nichts." antwortete sie dann und nimmt die Flasche von Ingalf entgegen. Etwas Wasser in die Hand gegossen, befeuchtet sie die getroffene Stelle an Frumols Rücken mehrfach und gießt etwas mehr auf sein Hemd in dieser Region.

Frumol lässt diese Prozedur über sich ergehen. Was könnte er denn auch dagegen machen?

"So, fertig." meint sie dann schlicht und bedeutet Frumol, sich wieder anzukleiden. "Das nasse Hemd wird noch etwas kühlen." erklärt sie.

Endlich. Fertig. Frumol ist erlöst und kann gerade noch einen Seufzer unterdrücken. 'Wie sie das wohl wieder aufgefasst hätte? Statt dessen sagt er artig "Danke." und umarmt seine Freundin.

Ingalf wischt kurz mit der Linken über die getroffene Stelle und hofft kein Blut zu sehen.

Die Hoffnung erfüllt sich.

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"Nee lass mal das verarzten hübsches Mädel. Das kann Seline dann machen, solange die Gerippe da hinten noch klappern, muss das nich.

Schaut ihr mal ob's hier noch Heiltränke hat oder anderes tolles Wunderzeuchs gibt."

"Hm, ich weiß nicht so recht. Glaubst du nicht, dass es hier noch mehr Fallen geben könnte?"

"Das ist nicht sicher." wirft Frumol ein.

Randirion, eifrig seinen Ausfall von vorhin wieder-gutzumachen, geht hinüber (und zwar ebenfalls ohne das Pentagramm zu berühren) zum Arbeitstisch.

Und sieht sich (noch ohne etwas anzufassen) die Glasflaschen im Regal an. Vielleicht sind die beschrif-tet, und Alchemisten reden ja immer Bosparano, und immerhin beherrscht er ja noch etwas Bosparano aus der Schule …

Tatsächlich sehen die Beschriftungen wie Bosparano aus. Es sind aber nur Abkürzungen auf den Etiketten der Flaschen, und die versteht Randirion nicht im ent-ferntesten. Alchemie hat er in der Schule immer wie die Pest gehasst. Das rächt sich jetzt.

'<Ess. alr. maj.>? Nie gehört … <Ti. mut. II>? <Baln. arc. terr.>?'

Randirion sucht in den Wortfetzen nach etwas, das dem Bosparanischen Wort für <Heilung> nahe kommt. Irgendetwas mit "cur" zum Beispiel …

Zu Alrik: "Wenn uns hier nochmal jemand Ärger macht, gehts uns besser wenn du nich weg rennst und das machst was man dir sagt. Sephyra hätte bestimmt mehr helfen können, wenn sie nicht auf dich hätte aufpassen müssen!" in einem eher väterlichen als An-klagenden Ton.

"Ich werde mir Mühe geben, Herr!" Alrik zieht den Kopf zwischen die Schultern.

Auch hier muss sich Sephyra einmischen: "He, er ist nicht weggelaufen. Ich habe ihn nur mitgenommen, als ich nach einer Fackel im Gang hierher suchte, um die Mumien in Brand stecken zu können. Er kann nichts dafür. Lass ihn also in Ruhe!"

"Da konnt er wirklich nich mehr weglaufen", ent-gegnet Ingalf mit einem leichten Lachen und beschließt Alrik nicht noch weiter zu beschämen. "Aber wenigstens hätt er meine Sachen in Sicherheit gebracht und hatte ja keine Waffe …", die Spitze auf Randirion verkneift er sich für eine gemütlichere At-mosphäre.

"Falls die Skelette kommen sinn 2 Leuchten nicht so verkehrt", meint er in Bezug auf das 'Beleuchtungs-problem'. "Mach doch mal noch 'ne Fackel an falls bei dem Hebel wirklich nochmal Lumpengesindel kommt, gehn uns anscheinend grad die Feuerschalen aus.", während er sich wieder dem Bewusstlosen zu-wendet … Als Frumol schon den Hebel betätigt …

Mit der noch entzündeten Kerze schaut er sich den Bewusstlosen nochmal an. Und leitet sanfte Weck-maßnamen ein (deutliches Ansprechen in Ohrnähe "He Freund"). Mehr als Beschäftigungstherapie als als ernst gemeinter Versuch. Bis die Anderen fertig sind achtet er auf den Gang.

Es macht den Eindruck, als ob die Bewusstlosigkeit nicht mehr so tief ist. Immer öfter ist ein Stöhnen zu hören.

"Ist ja gut. Aber bitte beeile Dich, wer weiß was noch alles kommt …", antwortet Frumol, der weiß das Se-phyra ja eigentlich und wieder einmal Recht hat.

"Eben. die klapprigen Gesellen brauchen bestimmt nicht ewig durch die Tür wenn die genauso 'nen Schlag haben wie die Lumpensammler grad."

Die Dolche müssen halt noch warten …

Der fehl geworfene Doch liegt vor einer Wand.

Nachdem Frumol diesen Dolch gefunden hat, nimmt er ihn an sich und steckt ihn wieder in die dafür vorgesehene Scheide am Brustgurt.

Der erste Dolch ist aus der Mumie heraus gefallen und liegt auf dem Boden. Der Griff ist ziemlich stark verkohlt und die Scheide ist mit einer dunklen blättrigen Schicht bedeckt.

Frumol beugt sich über dienen Dolch und betrachtet ihn voller Abscheu. Da Feuer scheint nicht nur der Mumie nicht gut bekommen zu sein, sondern auch dem Dolch. Er lässt ihn liegen, ohne dass er ihn be-rührt hat und blickt sich erneut in dem Raum um.

'Was ist nur mit dem Kavaljäre los?' fragt er sich und ist empört darüber, dass dieser zwar mit dem Mund-werk immer voran ist, doch die Taten lassen auf sich warten.

Randirion erwacht aus seiner Erstarrung und räuspert sich erst einmal.

"Danke Leichtmatrose. Weiter schlafen!", raunt ihm der Thorwaler zu.

Besonders stolz sieht der Kavaljäre gerade nicht aus.

Nein, denn ihm ist sehr wohl bewusst, dass seine Star-re die Gefährten in großer Gefahr allein gelassen hatte.

"Ihr … ich … die …" stammelt Randirion, und macht dann den Mund wieder zu.

Stattdessen steckt er nun das Rapier in die Scheide, und ist erstmal still.

Sephyra kümmert sich nicht weiter um den Kawalje-re. Nur einen kurzen, dafür aber vernichtenden Sei-tenblick hat sie für ihn übrig, während sie mit Frumols Verletzung beschäftigt ist. Sagen tut sie nichts, aber das ist wohl auch nicht notwendig: 'Der fühlt sich schon von allein unwohl genug - recht so!' kommentiert sie das im Geiste.

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Alrik fragt: "Ist alles vorbei?"

"Nu ja.", meint Ingalf angenehm von der kindlichen Naivität berührt. "Da sinn noch die beiden Skelette hinter der Tür da hinten rechts … Wir hab'n erstmal genuch. Aber wenn du warst doch vorhin so scharf drauf?", er reicht ihm lässig mit einer Hand die Or-knase und verkneift sich so gut es gut sein Grinsen.

"Nein danke Herr, ich bleibe lieber hier", kommt es von Alrik.

Ein ziemlicher Gestank liegt in der Luft. Da beide Feuerschalen nicht mehr brennen, ist es ziemlich düster geworden.

Ingalf verstaut die Orknase.

"Hatst du nich noch ne Fackel Frumol?", meint er während er in seinem Seesack nach einer Kerze sucht in deren Licht er sich auf der Suche nach seiner miss-glückten Brandbombe macht, 'man weiß ja nie, wen man alles nochmal anzünden muss'.

"Ja." gibt der angesprochene schlicht zurück. Wenn Sephyra mit ihrer Kontrolle fertig ist, wird er die Fa-ckel nehmen und anzünden.

"Sephyra, kannste mir ma leuchten?"

Er verreibt das Wachs auf dem Pergament, zieht den Docht als Lunte heraus und näht das restliche Wachs in einen Pergamentbeutel.

Der Schreibtisch zieht wieder sein Interesse auf sich, schließlich wird man etwas wertloses nicht derart schützen … So geht er an die (Gitter-)Stäbe heran und untersucht diese genauer. Kann er sie vielleicht zurück schieben? Oder kann er durch die Stäbe hin-durch den Schreibtisch erreichen?

Die Stäbe sind ziemlich massiv und lassen sich des-wegen nicht verschieben. Die Stäbe sind so weit vom Schreibtisch entfernt, dass Frumol nicht einmal die Tischkante greifen kann.

Sephyra bemerkt Frumols vergeblichen Versuch und tritt ebenfalls an die Stäbe heran, untersucht alles akri-bisch. 'Wenn sie nach unten kommen, müssen sie auch wieder nach oben verschwinden.' überlegt sie. Testweise umfasst sie einen der Gitterstäbe mit beiden Händen und versucht, ihn nach oben zu schieben. 'Hm, wahrscheinlich geht das nur mit allen zu-sammen.' denkt sie.

Der Stab ist absolut unbeweglich.

"Irgendwie muss nach einem Auslösen der Falle der eigentliche Besitzer hier auch wieder an sein Zeug kommen. Es muss also einen versteckten Mechanis-mus geben, denn es gab ja auch einen Auslöser." argu-mentiert sie laut.

"Da stimme ich Dir zu. Vielleicht finden wir ihn." ant-wortet Frumol.

"Es sei denn … es wäre ein rein magischer Auslöser gewesen." ergänzt sie für sich selbst. In letzter Zeit

führt sie häufiger Selbstgespräche als zuvor. Woran das wohl liegt?

Er bedenkt sie mit nachdenklichem Blick - so als wolle er fragen 'Alles in Ordnung'. Der heutige Tag war aber auch schon sehr anstrengend. Sicher liegt es daran.

So ein Pech. Dahinter wird wohl ein wirkliches Ge-heimnis schlummern …

… trotzdem hat er das Gefühl, dass es in diesem Raum noch mehr verborgene Geheimnisse gibt.

Da der Schreibtisch unerreichbar bleibt, bleibt ja nur noch der Arbeitstisch … So tritt Frumol erneut an diesen heran und somit neben Randirion der die Fläschchen im Regal mustert.

"Na, schon was gefunden, großer Kämpe?" fragt er ihn mit ironischem Unterton.

Randirion scheint ihn zu überhören. Oder will er ihn überhören?

Randirion geht auf die Spitze nicht ein.

"Herr Pellocke, gehören zu all Euren bekannten und unbekannten Talenten vielleicht auch die Kenntnis der Alchimie oder ihrer Formelsprache? Meine eigenen Kenntnisse sind eher - rudimentär."

Er erinnert sich aus den Alchimiestunden nur an zwei Dinge: an die Phrase "Erst das Aqua, dann das Aci-dum; sonst passiert ein Horribilium!" und an die hüb-sche Erianne ya Darenton, die nur zu diesen Stunden anwesend war … welch eine Verschwendung von seltener Schönheit! Leider sind beide Erinnerungen gegenwärtig nur von geringem Nutzen …

Dafür scheint jetzt Frumol den Kavaljäre zu überhö-ren …

Er selbst widmet sich wieder den Gerätschaften auf dem Tisch, die ihm jedoch nach wie vor langweilig er-scheinen, da er deren Bestimmung nicht kennt. Gut, es brodelt und blubbert - aber sonst?

So betrachtet er den Tisch genauer. Gibt es Schub-laden, Fächer oder sogar geheime Verstecke?

In der Tischplatte scheinen keine Fächer eingelassen zu sein. Frumol bückt sich und schaut an der Tisch-kante nach Schubladen. Es gibt keine. Geheime Ver-stecke - die könnten ja auch unter der Tischplatte sein.

"Äh - ich glaube nicht" antworte Frumol noch auf Knien. 'Was mein er mit >rudiemäntehr<?'

Frumol lässt sich auf die Knie nieder, kriecht unter den Tisch und bittet: "Sephyra, kannst Du mir mal leuchten?"

Da ihre Versuche mit dem Gitterstab erfolglos sind, kommt Sephyra der Aufforderung gern nach und nimmt die Lampe wieder in die Hand, geht zu Frumol herüber und leuchtet unter den Tisch.

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Unter dem Tisch gibt es nichts, was auf ein geheimes Versteck hinweist, aber aus der Wand ragt ein Hebel.

"Aha, dachte ich's mir doch! Der Hebel hebt bestimmt die Stäbe wieder an." ist alles was sie dazu sagt.

"Das könnte sein." stimmt Frumol ihr zu. "Dann sollte aber keiner von uns in der Nähe sein."

"Das stimmt wohl." antwortet sie.

Er kriecht halb unter dem Arbeitstisch hervor um sich den andren zuwenden zu können. "Soll ich ihn um-legen?" fragt er sie. Vielleicht hat Sephyra Recht, aber was, wenn die Falle wieder ausgelöst wird? Was ge-schieht wenn dann nicht so schnell reagiert wird. Und wenn dann noch einmal zwei Mumien erscheinen? Oder gar noch schlimmeres? Er wagt nicht, seine Ge-danken auszusprechen, geschweige denn noch weiter zu verfolgen.

Ein ist ihm aber klar. Wenn die anderen dagegen sind, den Hebel zu benutzen wird er es auch nicht tun.

"Zu schade …"

Und wendet dann seine Aufmerksamkeit ebenfalls dem Hebel zu.

'Nun gut, in Physik habe ich auch nicht wesentlich besser aufgepasst, aber vielleicht ist ja doch das Richtige hängen geblieben.'

"Ja, ich denke doch, sonst haben wir hier nichts ge-funden, was das Gitter zurück an seinen Platz bringen würde, oder?" Sicherheitshalber sieht sie sich noch einmal um.

Aber Frumol zögert noch. Er hat da so seine Beden-ken.

'Hätte ich bloß nicht so intensiv gesucht. Dann hätte ich ihn sicher nicht gefunden und dann wäre ich jetzt nicht in dieser Lage.'

Aber auch die Neugier (Was passiert, wenn …?) zehrt schon arg an Frumol.

Und ihr fällt nichts auch nur im entferntesten auf. Es gäbe sonst nur noch die Möglichkeit, Boden und Wände Rechtspann für Rechtspann abzusuchen.

"Nun, nichts zu sehen." konstatiert sie. "Dann los, ich wäre dafür, ihn auszuprobieren!" fordert Sephyra Frumol auf.

Da Sephyra ihre Zustimmung zu diesem Vorhaben gegeben hat, und von den Anderen keine Einwände kommen, lächelt er sie mit seinem typisch-schel-mischen Lächeln an, dreht sich um, und kriecht wieder unter den Arbeitstisch. Beim Hebel angekom-men, bittet er noch kurz Phex 'Bitte, lass' nichts schlimmes geschehen' und legt den Hebel um.

Kaum hat er den Hebel bewegt, kann er es vor Aufre-gung und Neugier schon nicht mehr aushalten: "Was geschieht?" fragt er aufgeregt und bemüht sich

möglichst schnell wieder unter dem Arbeitstisch her-auszukommen.

Frumol hört ein Schaben aus Richtung der Wand zwi-schen Schreibtisch und Arbeitstisch. Als er unter dem Tisch herauskommt, sieht er, wa auch die anderen se-hen: Eine Geheimtür ist auf geschwungen. Dahinter befindet sich ein kurzer Gang. Dann kommt ein schwach durchscheinender Vorhang.

Dahinter scheint Licht zu sein. Zu hören ist nichts weiter.

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"Fantastisch, Herr Pellocke! Ein Geheimgang!"

Randirion zückt die Balestrina und schleicht (oder was er dafür hält) an den Beginn des Ganges.

Seine Stiefel knarren dabei sehr vernehmlich.

"Psst", zischt Ingalf.

Sephyra verdreht nur die Augen und enthält sich jedes Kommentars ob der Fähigkeiten des Kawaljere.

Der Vorhang ist aus einem schweren Stoff, der ziem-lich dicht gewebt ist.

Und hoffentlich den Lärm auffängt …

Durch einzelne winzige Löchern, die zu klein zum Durchschauen sind, strahlt Licht. Auch direkt hinter dem Vorhang ist von der anderen Seite nichts zu hö-ren.

"Na toll!" wispert Sephyra in Anbetracht der neuen Ereignisse. "Und nun?"

Sie sieht sich um, aber nimmt kaum an, dass der Me-chanismus gleichzeitig auch die Stäbe entfernt hat.

Die Stäbe sind tatsächlich immer noch da.

Frumol hätte mit vielem gerechnet, jedoch nicht mit einem Geheimgang. Sicherlich verbergen sich dort noch mehr Gefahren - hoffentlich weder Mumien, noch Skelette oder gar Schlimmeres.

Da der Kavaljäre schon zu dem Gang bewegt - Frumol wäre es lieben, würde er nicht so laut sein - steht er erst einmal auf und wartet ab.

Ingalf lässt den Bewusstlosen am Eingang des Acht-ecks sitzen. Winkt Sephyra, deutet auf die Lampe und Alrik und übernimmt beide um den leiseren ein unge-störtes schleichen zu ermöglichen.

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Alrik wirft er einen ernsten Blick zu und legt einen Finger an seine Lippen. Er wird sich mit Alrik so plat-zieren, dass beide gerade nicht mehr im Lichtschein stehen er aber mit einer Kopfbewegung in den Gang schauen kann. Die Lampe stellt er in Richtung des Bewusstlosen ab und ist bereit beim kleinsten Mucks Alrik den Mund zuzupressen, so wie er es bei unzäh-ligen Mutproben und Initiationsriten gelernt hatte, wenn er grad mal nicht der Hauptakteur war.

Sie drückt Alrik an die Wand und bedeutet ihm, dort reglos stehen zu bleiben. Dann zieht sie beide Wurf-dolche: den ersten klemmt sie sich zwischen die Zäh-ne, den anderen nimmt sie wurfbereit in die Hand. Mit der Lampe ist sie bereit, jeden erscheinenden Gegner zu blenden.

So ausstaffiert sieht sie ziemlich "gefährlich" aus, nichtsdestotrotz grinst sie Frumol mit dem Dolch zwi-schen den Zähnen seitlich an und bedeutet ihm mit einem Kopfnicken, ihnen den Rücken freizuhalten.

Bei ihrem süß-verwegenen Aussehen, muss Frumol breit grinsen, tut jedoch was ihm aufgetragen wurde

und zieht ebenfalls einen Wurfdoch aus dem Brust-gurt.

Dann schleicht sie hinter dem Kawaljere her, sicher viel leiser, und als sie ihn erreicht drückt sie ihm wort-los die Lampe in die Hand und bedeutet ihm mit einer Geste, zurückzutreten.

Was er (natürlich mit einer angedeuteten Verbeugung) tut.

'Ja, lass hier mal die Profis 'ran, Kawi!' begrüßt Sephy-ra dessen Einsicht.

Sollte dem so geschehen, lauscht sie angestrengt. Aber da vermutlich noch immer kein Laut zu hören sein wird, versucht sie lediglich, seitlich am Vorhang auf der rechten Seite vorbei zusehen - eventuell mit der Hand den Vorhang ganz langsam und vorsichtig ein Stück beiseite zu ziehen.

Ebenfalls leise folgt er ihr, hält aber genügend Abstand um sie nicht zu behindern.

Frumols Position aus den Augenwinkeln wahr-nehmend macht sich Sephyra an die Ausführung ihres Plans.

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Murgolanz vorsichtig zieht Sephyra den schweren Vor-hang rechts zu Seite. Ja, das ist wirklich ein von

Öllampen erleuchteter Raum hinter dem Vorhang.GDer Boden besteht aus polierten schwarzen Fliesen. An der Wand rechts steht ein Schrank. Geradeaus ist eine Holztür zu sehen. Es passiert weiter nichts. Also zieht Sephyra den Vorhang ganz auf und schaut sich um:

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Direkt neben dem Eingang steht links an der Wand ein schwerer Schreibtisch, davor steht ein großer Holzstuhl mit kunstvoll geschnitzter Lehne. In der Ausbuchtung links gegenüber steht eine breite Kom-mode, über der ein ovaler, reich verzierter Spiegel an der Wand hängt. Der Spiegel zeigt aber keine Reflekti-on sondern einen Sumpf aus der Vogelperspektive. Durch den Sumpf scheint ein Steinweg zu führen, aber viele der Platten sind bereits im Sumpf verschwunden.

Verwundert fragt sie sich: 'Sind wir auf diesem Wege gekommen?'

Vor dem Spiegel steht ein schwarz gekleideter Mann. Er ist von stattlicher Gestalt, hat langes schwarzes Haar, einen Spitzbart und lange Fingernägel. Sein Umhang wird von einem seltsamen, goldenen Gürtel zusammengehalten.

Er schaut Sephyra mir einem leichten Lächeln an, sagt aber nichts.

In diesem Moment wird sich Sephyra ihrer Erschei-nung gewahr und wie sie auf den "Hausherren" wir-ken muss, so mit einem Dolch wurfbereit und einem zweiten zwischen den Zähnen. Vorsichtig steckt sie den ersten Dolch zurück an seinen Platz und nimmt den zweiten aus dem Mund.

Dann fragt sie in die Stille hinein: "Verzeihung mein Herr. Wir möchten Eure Einsamkeit hier nicht weiter

als notwendig belästigen. Aber wir sind auf einer wichtigen Queste und suchen ein kleines Mädchen, das sich verlaufen hat."

So gut kann sie nicht mit Worten umgehen und eine standesgemäße Unterhaltung mit einem Zauberer kann sie gleich gar nicht führen. 'Los Kawaljere, das ist jetzt deine Show!' denkt sie und sieht sich flüchtig nach ihm um.

Ohne etwas zu sagen, macht der schwarz gekleidete eine einladende Geste, die auch der hinter Sephyra stehende Randirion sieht.

Die anderen hören nur Sephyras Worte.

'Was ist denn da los' fragt sich Frumol, der misstrau-isch den Dolch in der Hand hält. Er sieht wie Sephyra ruhig bei dem zurückgezogenen Vorhang steht und hört ihre Worte mit denen sie jemanden anspricht. Da er weder bei ihr noch dem Kavaljäre ein Anzeichen der Gefahr sieht, verhält er sich ruhig, ist jedoch breit sofort zu Handeln.

'Was passiert da vorne Sephyra? Wer ist da? Gib ein Zeichen!'

Bereits Luft holend naht er von hinten, er hat gehört, dass hier laut gesprochen wurde … da es hell ist stellt er beim Hereinkommen die Laterne irgendwo ab und nimmt die Balestrina in die Linke.

Und obwohl er sich sehr wohl bewusst ist, dass dieser Herr von der Gefangennahme Alriks wissen muss, und dass er vermutlich ein bösartiger Schwarzmagier ist, lässt sich ein Liebfelder Adliger das noch lange nicht anmerken …

Lächelnd herantretend zieht er den Hut in einer eleganten, fließenden Bewegung.

"Die Zwölfe zum Gruße, gelehrter Herr, und bitte verzeiht unser unangemeldetes Eindringen. Ich bin Cavaliere Randirion ya Calmatin, und wie meine bezaubernde Gefährtin …" ('Keine Namen nennen ermahnt er sich! Namen in den Händen eines Magiers sind gefährlich. Einer, also meiner, reicht!') er deutet mit der Hand, die den Hut hält, auf Sephyra. "… be-reits andeutete, sind wir auf der Suche nach einem vermissten Mädchen, dessen Spur wir bis hierher ver-folgen konnten. Ihr Bruder befand sich hier in einem verschlossenen Raum - sicherlich aufgrund eines Versehens oder einer Verwechselung."

Er lächelt gewinnend.

"Ich bin sicher, auch Ihr seid ein Gentilhomme, ein Ehrenmann, dem das familiäre Glück einer einfachen Familie keinesfalls gleichgültig ist. Könnt Ihr uns im Namen Travias helfen, diese Missverständnisse aufzu-klären?"

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"Natürlich, natürlich!" erwidert der Unbekannte.

Aus dem Gang ruft Alrik: "Seline, bist Du da?"

"Oh, kommt doch erst einmal alle herein!" Der schwarz Gekleidete ist äußerst zuvorkommend.

Randirion verbeugt sich.

"Marveilleux, seid zutiefst bedankt."

"Alrik, komm er herein! Der Herr ist freundlich und gewillt uns zu helfen, da darf er uns auch alle sehen." ruft er über die Schulter nach hinten.

'Hoffentlich schalten die anderen und verraten sich nicht!'

Alrik kommt schüchtern in den Raum und sieht sich aufmerksam um. Er hat seine Lippen fest aufeinander gepresst.

"Ich hoffe wir haben nicht allzuviel Unannehmlich-keiten verursacht …" wendet sich Randirion nun wieder an den finsteren Gegenüber. "Es lag uns fern, uns mit Gewalt Eintritt zu verschaffen, allein wir hatten bisher keinen zivilisierten Gesprächspartner. Übrigens, erlaubt die Frage jemandem, der in den ge-hobenen Kreisen der magischen Gesellschaft nicht zu hause ist - mit wem habe ich die Ehre?"

Der schwarz Gekleidete schaut ein wenig ungeduldig, als niemand weiteres aus dem Gang kommt.

Sephyra ist äußerst misstrauisch, was man ihr sicher von der Nasenspitze ablesen kann. 'Vorsicht!' gemahnt sie sich innerlich. 'Der hat doch irgend etwas vor - ich jedenfalls würde eine Bande wie uns nicht so ohne weiteres hereinbitten!'

Freundlich aber bestimmt erwidert sie auf die Ein-ladung: "Vielen Dank, mein Herr … aber ich hatte Euren Namen nicht richtig verstanden." versucht sie Zeit zu gewinnen und stellt sich dabei so in den Ein-gang zum Raum, dass keiner der anderen ohne wei-teres an ihr vorbei kommt und so nur sie und der Ka-waljere im Raum und damit in direkter Sicht des Fremden sind.

Frumol hört das Gespräch, kann sich jedoch keinen Reim darauf machen.

Auch das Alrik einfach so los brüllt, dafür gehört ihm kräftig der Hintern versohlt - obwohl Frumol kann ich ja verstehen, er hätte sich sicher nicht anders verhal-ten. Und dafür mehr als einmal eine Tracht Prügel be-kommen …

Auch verhält sich Sephyra so merkwürdig steif, als wolle sie nicht, dass noch jemand in den Raum kommt? Der Kavaljäre hingegen redet wieder so hochtrabendes Zeug, dass Frumol, nur mit Mühe ver-steht, was er zum Ausdruck bringen will. Wenn er doch nur etwas sehen könnte! Aber das geht nicht ohne das er selbst näher an den Eingang herantritt …

So wartet Frumol erst einmal ab, den Wurfdolch wei-terhin in der Hand, und bleibt möglichst unauffällig stehen.

Ingalf bleibt in Deckung und versucht sich so wenig wie möglich zu bewegen. 'Wenn das ein mächtiger Magier da drinnen ist, kann das Foltern nur mit seiner Duldung geschehen.'

Zu Alrik macht er eine Geste bei der die Lippen auf-einander presst und eine Bewegung macht als würde er einen Schlüssel umdrehen. Danach winkt er ihn mit der linken in den Gang zu Sephyra und zum Ka-valjäre.

Alrik schließt die Lippen fest und bewegt sich in die angezeigte Richtung.

Er selbst lockert den Schneidzahn um ihn Frumol zu reichen …

… woraufhin dieser nur leicht den Kopf schüttelt und auf seinen Wurfdolch deutet.

'Was soll ich mit einer Axt?' fragt er sich.

… und bereitet sich vor die Orknase zu greifen. Er be-wegt sich dabei so wenig als möglich.

Unbeeindruckt von den sicher nicht lautlosen Vor-gängen in ihrem Rücken versucht Sephyra durch Fort-führung des Gesprächs, die Aufmerksamkeit des Ma-giers abzulenken und beim Kavaljäre und sich selbst zu halten:

"Ja, ähh, genau. Wir wollen auch gar nicht stören." Dabei wirft sie einen auffälligen Blick in alle Ecken des Raumes: "Und wie es scheint ist das von uns beiden gesuchte Mädel auch gar nicht hier. Komm, lieber Randirion, hier werden wir nicht fündig!"

Damit deutet sie eine Verbeugung an, ohne den Ma-gier aus den Augen zu lassen und beginnt damit, sich langsam rückwärts aus dem Raum zurückzuziehen.

"Nun denn, so sei es!" hebt der Unbekannte an. "Mein Name ist Murgol und ich habe ein Geschenk für euch."

"Höchst angenehm …" beginnt Randirion, un-terbricht sich jedoch.

Er greift an seinen Gürtel, löst ihn und wirft ihn den im Raum Befindlichen vor die Füße. Der Gürtel ist aus zwölf goldenen Skorpionen gefertigt, die sich mit den Scheren und Schwänzen berühren. Beim Aufprall auf den Boden verwandeln sich die goldenen Skor-pione in echte, lebende Tiere, die mit zum Angriff erhobene Stacheln auf die Helden zu krabbeln.

Randirion hat zwar feste Reitstiefel an, aber wenn diese Dinger Metallstacheln am Ende ihrer Schwänze haben sollten, würde auch das nicht helfen.

"Euer Geschenk, so scheint es, ist nicht aus Großmut geboren … So sei es denn der Kampf, Herr Murgol Kellerkünstler von Ruinenburg!"

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Langsam weicht auch er zurück (genauer gesagt: so schnell wie nötig). Dabei setzt er den Hut wieder auf, und zieht sein Rapier, denn ihm kommt eine wahn-witzige Idee: er wird versuchen, mit der Spitze des Ra-piers das ihm nächste der Tiere zu seinem Besitzer zu-rück zu schnippen …

'Super!' stöhnt Sephyra innerlich. Dabei schaut sie zweifelnd auf ihre ledernen Stiefel. Aber die scheinen ihr in Anbetracht von 12 Skorpionen zu dünn, um einfach auf den Tieren herum zu trampeln. Statt dessen sieht sie zurück zu Murgol und wirft ihm ihren giftigsten Blick entgegen.

"Das hast du nicht umsonst gemacht!" zischt sie ihm entgegen und weicht dabei langsam vor den Skor-pionen zurück.

Murgol fängt an zu kichern und macht eine scheu-chende Bewegung.

Tatsächlich erhöhen die Skorpione ihre Geschwindig-keit.

'Uh oh!' denkt sie nur.

Fieberhaft denkt sie nach. 'Hilft hier mein Rapier? Kann ich sie einzeln aufspießen?' Sich erinnernd, noch einen der Wurfdolche in der Hand zu halten, schleudert sie diesen aus dem Handgelenk von unten her dem Magier entgegen und zielt auf dessen Brust.

Das war zu schnell geworfen. Der Dolch knallt gegen die Kommode. Sofort setzt sich Murgol in Bewegung. Mit wenigen Schritten ist er an der anderen Tür, öff-net sie und ist hindurch. Die Tür wirft er hinter sich zu.

Ohne sich um einen möglichen Treffer zu kümmern, zieht sie sodann das Rapier und versucht, den nächs-ten krabbelnden Skorpion mit einer Stoßattacke auf-zuspießen, jedoch immer auf ihre Füße achtend, da-mit diese von den Tieren nicht vereinnahmt werden.

Das ist verdammt schwierig, aber sie schafft es. Der Skorpion erschlafft sofort, hängt aber immer noch an ihrem Rapier.

Dann kommt ihr eine Idee: "Los zurück!" ruft sie Randirion zu, "raus aus dem Raum!" 'Einfach den Hebel wieder umlegen, sobald wir draußen sind. Dann sind der Typ und seine Haustiere unter sich!'

"Un moment, Madame … hepp!"

Alrik schreit "Ihh!" und läuft zu Frumol und Ingalf zurück.

Ingalf rückt sofort vor, um die Situation zu überbli-cken und entdeckt die Skorpione.

Frumol ist zu Handlungsunfähigkeit verdammt - schließlich ist Ingalf auch noch in den Gang gestürzt, und somit ist dort ziemlich wenig Platz, egal was dort geschieht.

So wendet er sich an Alrik. "Was passiert da drinnen?"

"Da ist ein schwarzer Mann. Der sieht ganz finster aus. Und er hat einen goldenen Gürtel. Und den hat der auf den Boden geworfen. Und dann hat er sich in ganz viele Skorpione verwandelt. Ihh!" sprudelt Alrik.

"Oh." entgegnet Frumol auf die Erklärung. Er kann sich keinen richtigen Reim auf die Worte machen ergänzt aber dennoch ganz zuversichtlich: "Das werden sie schon schaffen."

Er würde sich gerne einen Überblick verschaffen doch würdet er seine Gefährten mehr behindern als nützen. Er hat den Eindruck als würden sie sich langsam zu-rückziehen. Also kann er gerade nichts unternehmen.

"Du bleibst hier schön stehen, egal was geschieht", weist er den jungen Müllerknaben an. Seinen Dolch behält er in der Hand. Vielleicht beruhigt das den Jungen - er selbst würde sich ganz unnütz und nackt fühlen, würde er ihn wieder wegstecken.

'Hoffentlich kommen jetzt nicht auch noch die Skelette um die Ecke.' hofft er inständig. Aber da es auf dem Gang ruhig ist scheint noch keine Gefahr zu drohen …

'Dann wolln wir doch mal sehn was meine Brand-bombe taugt' denkt sich Ingalf und macht sich in Ruhe daran die Brandbombe zu entzünden.

Dadurch kriegt er wenig davon mit, was während-dessen passiert.

"Er mag kein Untoter sein aber feuerfester Stoff ist richtig teuer", meint er zu Frumol. "Wen stören schon Skorpione, wenn man einen guten Schuhmacher hatte …", versucht er sich und die anderen zu beru-higen. Wenn die Bombe dabei ist Feuer zu fangen, versucht er sie ins Zimmer zu kegeln ohne dabei einen der Gefährten zu gefährden.

Es ist ein guter Wurf.

Dann nimmt Alrik und die Lampe und zieht sich zum Bewusstlosen zurück, wissend, das er die denk-bar schlechtesten Waffen gegen die Skorpione hat. Er achtet dabei darauf den Drudenfuß nicht zu betreten und die Lampe in Richtung Magier leuchten zu lassen.

Den Erfolg oder Misserfolg seiner Aktion kriegt Ingalf also nicht mehr mit.

In dem Moment knallt die Tür zu. Randirion war so auf sein kleines Kunststück konzentriert, dass er Se-phyras Wurf und Murgols anschließende Flucht gar nicht richtig mitgekriegt hat.

Ob des Geräusches wendet Frumol seine Aufmerk-samkeit wieder dem Gang zu, doch dort scheint sich nichts bedrohliches ereignet zu haben …

Der Skorpion, den Randirion geschnippt hat, fliegt allerdings wunderbar und landet auf der Kommode, von woher er aber sofort wieder herunter springt.

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Ohne sich nun um die Präsenz den Magiers kümmern zu müssen, ruft sie sofort laut: "Los! Alle sofort zurück in den Gang und dann in den Arbeitsraum zurück. Frumol, geh' in Position, den Hebel für den Geheim-gang wieder umzulegen, sobald wir alle heraus sind, das wird das Getier abschneiden."

'Dann können wir in aller Ruhe überlegen, was zu tun ist.' überlegt sie.

"Eh bien, es spricht Weisheit aus Euren Worten, Ma-dame!"

Randirion schließt sich dem Rückzug an, versucht aber beim Hinausgehen noch einen Skorpion aufzu-spießen und (tot) mitzunehmen, um die Gefährlich-keit einschätzen zu können. Das Sephyra schon einen erlegt hatte, ist ihm nicht aufgefallen.

Die Dinger sind schwerer zu erwischen, als es im ersten Moment den Anschein hatte. Randirion sticht daneben.

"Impertinente Kreatur …" murmelt Randirion …

In diesem Moment rollt an ihm ein kleiner Feuerball vorbei – genau zwischen die Skorpione.

Randirion macht instinktiv einen Schritt zur Seite und zurück.

Ein Teil der Skorpione fängt Feuer und verschmurgelt. Sie verbreiten dabei einen stechenden Gestank.

Sechs Skorpione bleiben übrig.

… und bleiben allein, denn Randirion zieht sich mit den anderen zurück.

Den erlegten Skorpion hat Sephyra eigentlich vergessen. Aber er steckt noch immer auf der Rapier-spitze und folgt so dem Rückzug nach draußen. An ein 'Hoffentlich bleibt der auch tot!' denkt sie gar nicht.

Und dann sind alle wieder im Mysterium.

"Jetzt, Frumol!" ruft Sephyra und dreht sich un-mittelbar im Raum um, …

… doch Frumol steht immer noch neben dem Ein-gang von wo aus er ihr Deckung geben sollte. Nun - als alle den Gang verlassen haben - wirft er einen kurzen Blick hinein und sieht dort die verbleibenden Skorpione eng beieinander auf ihn zukommen.

Er zögert nicht lange, und läuft ihnen entgegen, denn was er sah, brachte ihn auf eine Idee. 'Phex seit dank' stürmt er in den Gang, lässt dabei seinen Dolch fallen, da dieser bei seinem Vorhaben nutzlos ist.

Vor dem Vorhang noch nicht ganz zum Stehen ge-kommen, springt er hoch und klammert sich an diesem fest. Durch sein Gewicht geben die Halte-rungen nach und nach einem kurzen und kräftigen Zerren fällte der schwere Vorhang auf ihn herunter.

Geschickt fängt Frumol den Stoff auf breitet ihn aus und wirft ihn in Richtung der herankommenden Skorpione. Wie ein schwerer Teppich legt sich der Vor-hang über die Skorpione und behindert ihr Voran-kommen und taucht sie in Dunkelheit.

Phex sei Dank - das ist gelungen.

"Kommt, helft mir!" ruft er den Zurückgebliebenen zu und ist schon dabei, auf die erste Beule unter dem Vor-hang zuzutreten und den Skorpion darunter mit sei-nem Stiefel zu zermalmen.

Alrik macht keine Anstalten, Frumol zu helfen, aber …

Tatsächlich gelingt es Frumol und seinen Gefährten problemlos, alle Skorpione zu zertreten.

"Phex sei Dank!" entfährt es Sephyra, als die Gefahr gebannt ist.

"Und meinen Respekt für Eure hervorragende Idee, Herr Pellocke!"

Randirion nicht Frumol anerkennend zu.

Solch ein Lob des hohen Herren lässt Frumol lächeln.

Oder waren das nur solche Worte, die der feine Herr so gerne und ausführlich zu gebrauchen weiß? Doch Frumol glaubt eher an die Ehrlichkeit der Worte.

Anschließend verschaffen sich erst einmal alle einen genaueren Überblick. Frumol entdeckt neben dem Schreibtisch einen weiteren aus der wand ragenden Hebel. Weder auf dem Schreibtisch noch auf der Kommode liegt etwas.

Sogleich hebt sie ihren geworfenen Dolch auf und steckt ihn in seine Halterung zurück, bereit, ihn sofort wieder auf jedweden dunklen Magier zu werfen …

Auch Frumol nimmt den Dolch wieder an sich, den er vorhin hat fallen lassen.

Da sie schon an der Kommode steht, wirft sie einen Blick in den trüben Spiegel.

Ja, das ist eindeutig der Weg durch den Sumpf, den die Gruppe gegangen ist. Und es ist kein stehendes Bild. Sephyra sieht einen Vogel fliegen.

"Hmm, erstaunlich!" murmelt sie. "Wirklich erstaun-lich!"

Danach wendet sie sich der Kommode zu und inspi-ziert sie vorsichtig, ohne jedoch eine Schublade zu öff-nen oder sie zu berühren.

Die Kommode ist gut gearbeitet. Sie strahlt Wohlstand aus. Da hat ein Schreiner wahrscheinlich lange für arbeiten müssen.

Da ihr Gefahreninstinkt nicht anschlägt, siegt sehr schnell ihre Neugier und ohne lange nachzudenken zieht sie einfach die oberste Schublade auf und durch-sucht sie. Dann fährt sie fort, immer von oben nach unten, bis sie jeden Winkel der Kommode in Augen-schein genommen hat und hoffentlich irgendetwas

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Nützliches oder einen Fingerzeig auf die gesuchte Seline entdeckt, vielleicht ein Kleidungsstück o.ä.

Die Schubladen erweisen sich als weitestgehend leer, wenn man von einer unbeschriebenen Pergamentrolle und vier mit Dukaten wohl gefüllten Beuteln in der obersten Schublade absieht. Beim späteren Nachzäh-len stellt sich heraus, dass ein jeder 100 Dukaten ent-hält.

'Wir sind reich!' schießt es ihr durch den Kopf, denn das ist "wahrer Reichtum …"

Das Pergament steckt sie vorsichtshalber ein. Gerollt, nicht geknickt. 'Zauberer schreiben auch unsichtbar …' denkt sie sich.

"Wo ist denn der Herr hin, mit dem ihr vorhin gespro-chen habt? Wer war er überhaupt" will Frumol wissen, bevor er weitere unternimmt.

"Was könnte wohl passieren, wenn ich den hier be-wege?" fragt Frumol legt schon vorsichtig einen Finger auf den Hebel.

"Vielleicht geht wieder eine Tür auf?" mutmaßt In-galf, der sich den ganzen Raum nur misstrauisch an-sieht.

"Seid ihr soweit?" fragt er in den Raum und betätigt dann den Hebel, gespannt darauf, was dann geschieht.

Ein leises Geräusch 'ssssssst' ist durch den Gang zu hören.

"Offenbar hast du gerade wieder irgend eine versteckte Tür geöffnet." sagt Sephyra so nebenbei zu Frumol, während sie die Säckchen mit dem Gold in ihrem Rucksack verstaut, der dadurch nicht gerade leichter wird.

Aber außer einem unterdrückten "Uff" als sie ihn wieder auf den Rücken wuchtet, hört man nichts von ihr. 'Teilen können wir in Ruhe später.' denkt sie sich. 'Es sei denn gleich verteilt gibt es für mich weniger zu tragen …' Also nimmt sie den Rucksack wieder ab und übergibt jeweils einen der Beutel an Frumol, In-galf und den Kawaljere.

Während Sephyra die Säckchen verteilt ist Frumol wachsam. 'Scheinen denn alle vergessen zu haben, dass ihr Gefahr lauert? Wo ist den der Kerl hin, von dem niemand was erzählen will?' Seine Nachfrage blieb schließlich unbeantwortet …

Er stellt sein Säckchen einfach neben sich auf den Boden und schaut sich weiter im Raum nach einem Versteck um.

Als er vorsichtig den Schrank öffnet, findet er einen prächtigen Mantel und dazu passende Stiefel vor.

'Könnten die passen?' überlegt Frumol, schon an den Winter denkend. Wer weiß wo sie der Weg dann hin-führt?

Frumol schätzt, dass es sich lohnen könnte, die Sa-chen anzuprobieren.

"Bei Efferds 200 Gefährtinnen, da hat sich ja unser Besuch hier heftigst gelohnt!" ruft Ingalf aus, als der seinen Beutel in Empfang nimmt. Er wiegt ihn in der Hand. "Da sind ja bestimmt mehr als 80 Dukaten drin. Soviel habe ich noch nie in der Hand gehabt!"

Randirion verbeugt sich vor Sephyra, als er seinen Beutel in Empfang nimmt: "Ihr seid unsere Glücks-bringerin, Madame Lunor!"

Dem sehnsüchtig zusehenden Alrik sagt sie nur: "Geld verdirbt den Charakter. Aber hier ist einer für dich." und gibt ihm einen ihrer Dukaten ab. "Und nun geh zu den anderen und lass dir auch jeweils einen geben!" scheucht sie ihn davon.

"Da, Lütter!" Ingalf schnippt Alrik einen Dukaten zu. Randirion überreicht Alrik feierlich seinen Anteil mit den Worten: "Bedenke mein Junge, spare in der Zeit, dann hast Du in der Not!"

Alrik ist völlig verdattert. Er kann es kaum fassen und dreht und wendet seine Goldstücke immer wieder hin und her. Dann beißt er in eine Münze. "Echtes Gold!"

Diese Worte lassen ihn zwar aufmerken, doch bleibt er weiterhin aufmerksam.

'Vielleicht sollte ich das Gold doch einpacken, bevor es ein anderer tut …' überleg er kurz, doch er ist sich si-cher, dass Sephyra in einem solchen Fall schon ein-schreiten wird.

Randirion hat sich nur oberflächlich umgeschaut. "Wollen wir erst einmal dem Geräusch von nebenan nachgehen - es scheint so, dass das Umlegen des Hebels dort etwas ausgelöst hat? Oder wollen wir di-rekt Herrn Murgol durch die Tür hier nachgehen, ver-ehrte Gefährten?"

Dann fällt ihm etwas ein. "Jung-Alrik, Du magst ein-mal nachschauen, ob sich im Raum des Pentagram-mes etwas sichtbares ereignet hat."

Alrik läuft sofort los und kommt Sekunden später zu-rück. "Die Sperre am Schreibtisch ist weg", berichtet er.

Ingalf macht ein leicht verdrießliches Gesicht, sagt aber nichts.

Seline ist noch nicht gefunden, und Murgol- so heißt der Mann wohl - könnte bei ihr sein und Vorbe-reitungen treffen. Je später Seline gefunden wird, desto verzwickter könnte die Lage werden.

Also antwortet Frumol: "Wir gehen ihm nach", ob-wohl ihn der Schreibtisch im Nebenraum auch reizt. Doch dieser läuft sicher nicht weg.

"Ich halte es nicht für sinnvoll, einem Magier, der uns mit einem Gürtel goldener Skorpione bewirft, die dann lebendig werden, überstürzt nachzueilen. Das ist wirklich keine gute Idee!" antwortet sie.

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Somit stellt er das Säckchen in den Schrank und wendet sich anschließend Richtung Tür.

'Geld hat er doch noch nie verachtet …' wundert sie sich. Sollten sie den Raum verlassen, ohne dass der Beutel den Platz im Schrank verlässt, nimmt sich Se-phyra fest vor, das zu ändern und diesen Schatz eben-falls einzustecken, mag er auch schwer sein. 'Wer weiß, ob wir dann hierher zurückkehren!'

"Jau, lasst uns erstmal den Schreibtisch nebenan durchsuchen", unterstützt sie Ingalf.

Randirion scheint noch etwas unschlüssig, während Alrik dazwischen fragt: "Hat der schwarze Mann Seline gefangen?"

Darauf entgegnet Ingalf nur trocken: "Das werden wir unvermeidlich wie Ebbe und Flut herausfinden."

"Aber ihr könnt doch nicht …" stammelt Frumol und bricht dann ab. Er ist erstaunt darüber wie ruhig seine Gefährten mit der Situation umgehen. Sie wollen so-gar zuerst den Schreibtisch durchsuchen während der Magier und Seline …

Als ob die beiden zusammen sitzen und einen Becher Milch trinken würden!

Er kann gar nicht verstehen wie seine Gefährten so ruhig bleiben können, schließlich kann doch jederzeit die Tür aufspringen und der Magier zum Gegenan-griff übergehen, mit weiteren Mumien und Skeletten, wie die, die hoffentlich noch eingesperrt sind!

"Wie könnt ihr nur …" beginnt Frumol von neuem, bricht aber hilflos ab, da er nicht weiß, was er eigent-lich sagen soll.

Falls es einen Plan geben sollte, warum wird er nicht eingeweiht? Statt dessen hamstern sie nur das Geld und scheren sich nicht um Seline!

'Ob er dennoch die Tür öffnen soll? Dann könnte er einen Blick auf den - wie sagte Alrik? - schwarzen Mann erhaschen. Und falls dort weitere Skorpione sind, kann er die Tür immer noch zuwerfen. Andern-falls, sollte es zu einem Kampf kommen, müssen die Anderen ihm helfen. Sie werden sich doch nicht einfach zurückziehen?

Zweifelnd verharrt er.

Sephyra bemerkt natürlich Frumols Zerrissenheit: "Was ist los, hm?" fragt sie leise und mit weicher Stimme. "Erzähl schon, was bedrückt dich?"

Hat er sie gehört? Jedenfalls marschiert er mit ent-schlossenem Gesichtsausdruck zu Tür.

"Es ist Eure Entscheidung, Herr Pellocke!" Randirion wirft nach dieser Aussage einen leicht entschul-digenden Blick zu Sephyra.

Entschlossen setzt Frumol seinen Weg zur Tür fort. Er hat eine Entscheidung getroffen: Er wird jetzt Seline suchen! Wie soll er dem Müller je wieder unter die

Augen trete, wenn Seline etwas zustößt und er achsel-zuckend erklären muss: 'Aber da war so viel Gold …'

Entschlossen zieht er zwei der Wurfdolche und öffnet die Tür.

"Frumol?!" ruft ihm eine verwunderte Sephyra hin-terher. "Aahhrrgh!" stöhnt sie und mit einem Satz ist sie hinter ihm her: "So warte doch! Wenn wir gehen, sollten wir alle gehen." hören die anderen noch, dann ist sie im Gang und dann im angrenzenden Raum verschwunden, hinter Frumol her.

Als Randirion sieht, was Frumol vorhat, nimmt er die geladene Balestrina in die rechte Hand.

Ingalf ist mit seinem Schneidzahn ebenfalls bereit für die Dinge, die da kommen werden. "Alrik, hinten bleiben!" kommt von ihm das Kommando.

Hinter der Tür befindet sich wieder ein kurzer nicht selbst erleuchteter 'Gang', in das aber vom anderen Ende Licht fällt.

Der Boden des 2 Schritt langen Ganges befindet sich aber in 3 Schritt Tiefe. Und der Boden ist mit spitzen Eisenstäben gespickt. Hinter der Grube sieht man das Fußende einer Liege, darauf zwei zierliche Füße.

'Oh.' Frumol hätte mit vielem gerechnet, nur nicht mit solch einer Grube. 'Hinüber springen scheidet wohl aus …' streicht er in Gedanken seine erste Idee.

"Seline?" fragt er, auf eine Antwort hoffend. 'Wem mö-gen die Füße gehören, wenn nicht Seline?' überlegt er.

Von der anderen Seite kommt keine Antwort.

"Bin schon mal weiter gesprungen", denkt Ingalf laut.

Ingalf macht gerade Anstalten, seine Idee in die Tat umzusetzen, streckt und dehnt sich, da durchfährt ihn ein stechender Schmerz von den verletzten Stellen aus. Auch wenn er sich die Schmerzen nicht anmer-ken lässt, so wendet er sich doch den Gefährten zu und schüttelt den Kopf.

"Aber da war ich auch besser in Form. Da muss ein besserer Plan her." Dann runzelt er die Stirn. "Wo ist eigentlich dieser Mann hin? Auch durch die Tür? Wie ist er dann da rüber gekommen?"

Fragend schaut der Thorwaler Randirion und Sephyra an.

"Nun, vielleicht können Magier fliegen …" meint Randirion geistesabwesend, denn in Gedanken hat er schon wieder eine Hypothese: was wenn dies wieder eine Illusion ist, wie das Wesen im Sumpf?

Er nimmt irgendeinen kleinen Gegenstand (Stein-chen, Skorpionleiche, ein Kreuzer) und wird ihn in die Grube fallen lassen …

Die Grube ist eindeutig echt. Die Skorpionleiche kommt zwischen den Stacheln zu liegen.

"Sagt mal wie lang mag wohl dieser Tisch da hinten sein?" fragt Sephyra unvermittelt. "Entweder reicht er

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über die Grube und dient als Brücke – auf der Platte liegend - oder wir lassen ihn in die Grube hinab, die Beine scheinen lang genug, um über die Spitzen zu reichen. Dann herunter klettern, rüber laufen, das Mädchen greifen und einen Ausgang suchen. Fertig." meint sie zur Erklärung ihres Plans.

Ingalf nickt, da ihm die Idee gut erscheint und blickt von Tisch zu Grube, um abzuschätzen, ob er groß genug ist.

Frumol strahlt Sephyra an. "So machen wir es!" 'Wie vorhin bei den Mumien. Sie hat wirklich immer die vernünftigsten Ideen.'

Der Tisch ist klein genug, um durch die Tür zur Grube zu passen.

Gesagt, getan. Die Gruppe nimmt den Tisch, welcher sich als recht schwer herausstellt, und schiebt ihn bis vor die Grube. Jetzt stellt sich nur die Frage, wie man ihn passend hinein in die Grube bekommt.

"Wenn wir ihn weiter schieben, fällt der Tisch einfach rein." Frumol schaut Sephyra fragend an.

'Hmm, da hat er Recht.' denkt sie: "Ganz einfach: wir ziehen zwei Seile unter der Platte hindurch, eines rechts und eines links. Dann kann der Tisch nicht kippen. Die beiden Enden halten wir straff und kon-trollieren damit die Neigung des Tisches sowohl nach vorn wie auch zu den Seiten. Wenn wir nun noch das Seil auf unserer Seite des Tisches an die jeweiligen Beine binden, kann er nicht mehr fallen." schildert sie ihren Plan.

"Versteht ihr, wie ich das meine?" fragt sie skeptisch, als sie die Fragezeichen förmlich über den Köpfen ih-rer Gefährten entdeckt.

"Hat überhaupt jemand ein Seil dabei?" - 'Ach Ban-jews 'Fackel-Seil-Zauberstab' war einfach praktisch, den hätten wir mitnehmen sollen!' fällt ihr dabei ein.

"Ich sehe keines", erwidert Frumol mit einem Schmunzeln.

"Ja, klar - wie auch?!" fragt sie und setzt mit einem Mal ihren Rucksack ab und wühlt darin herum. Ganz auf dem Grunde findet sie, wonach sie sucht: ein auf-gerolltes Seil, gut und gern 10 Schritt lang! "Das hatte ich schon fast vergessen!" tadelt sie sich selbst.

'Guter Einfall. Aber ohne Seile haben wir ein Problem …'

"Ohne Seil mag sich die Durchführung eurer Idee fürwahr etwas schwierig gestalten, Madame … Wenn wir den Tisch einfach an dieser Seite senkrecht herun-ter ließen und als Leiter gebrauchten, könnten wir die drei Schritt nach unten sicher langsam genug über-winden, um sicher zwischen die Spitzen treten zu können … Vielleicht könnten wir ihn dann über Stä-be kippen?" überlegt Randirion laut.

'Wenn uns der Tisch da herunterfällt, haben wir auch nichts gewonnen. Dieser Magier muss hier ja auch ir-gendwie durchgekommen sein …' geht es ihm durch den Kopf, während er noch einmal die Kante der Grube untersucht.

Aber da ist nichts und gar nichts, was darauf hindeu-tet, wie der Magier über die Grube gekommen sein mag.

Ingalf steht daneben und strengt sein Gehirn an, um eine Lösung für das Grubenproblem zu finden. Aber auch, dass der Magier verschwunden ist, gibt ihm zu denken.

Der Thorwaler schaut sich nochmal in den letzten beiden Räumen, also dem Magierzimmer und dem Pentagrammraum, um, ob er nicht doch irgendetwas finden kann, was zur Überquerung dienen könnte.

Hier im Magierzimmer gibt es außer dem Schreibtisch noch Schrank, in dem Frumol Mantel und Stiefel ge-funden hatte, die ehemals dukatenhaltige Kommode, den Schreibtischstuhl und den Spiegel mit der Sumpf-szene.

Nebenan steht der Arbeitstisch, die zwei Feuer-schalenständer und der jetzt wieder zugängliche Schreibtisch mit Buch, Schreibwerkzeug und Kassette.

Und dann hat sich noch etwas geändert, aber es ist erst nicht klar, was. Ingalf kratzt sich am Kopf. Ja, das ist es! Der Bewusstlose ist weg.

Ingalf fällt zuerst einmal die Kinnlade herab. Dann schüttelt er ungläubig den Kopf. "Verdammich! Die ganze Zeit gibt 'r nix außer ein wenig Stöhnen von sich und dann, wenn man kurz nich aufpasst, da verschwindet er … Oder ist er am Ende etwa nicht weggelaufen, sondern verschleppt worden?" murmelt er leise vor sich hin. Dann läuft ihm ein kalter Schau-er über den Rücken. "Da werden doch hoffentlich nicht die Skelette …?" Doch diesen Gedanken schließt er, noch unbeendet, wieder aus. "Die schienen mir nich so die Superhirne, die einen verschleppen und wieder abhauen. Die wären wohl gleich weiter zu uns gekommen."

Auf dem Weg zurück zu den Anderen schaut er noch kurz nach Alrik und fragt ihn, ob er etwas mitbekom-men hat, bevor er den Anderen besorgt von seiner Ent-deckung berichtet und bei der Schreibtisch-Aktion hilft.

"Nein, Herr. Ich war die ganze Zeit hier nur hier." antwortet Alrik.

Ingalf nickt nur und klopft Alrik auf die Schulter.

'Hmm, der Magier wird wohl einen Schalter oder so am anderen Ende der Grube haben und der hebt dann wahrscheinlich die Brücke direkt unter die De-cke oder so' überlegt Sephyra und sieht sie daher die Decke des Grubengangs an.

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Die sieht genauso aus, wie alle anderen Decken.

Sollte sich da nichts Benutzbares finden, fragt sie die anderen: "Die Feuerschalen? Meint ihr nicht, die könnten als eine Art 'Hut' für die Spitzen dienen, da-mit wir wenigstens hinunter kommen? Außerdem sollten wir vielleicht jetzt mal den Schreibtisch näher in Augenschein nehmen."

"Hm, schau mal wie tief die Grube ist. Wenn wir un-ten sind, wird's mit dem Hochkommen schwer", ent-gegnet Frumol. Er schaut ein paarmal zwischen Kleiderschrank und Grube hin und her.

"Was hast du?" fragt Sephyra, Frumols intensives In-teresse für den Schrank bemerkend. "Ja, der ist größer als der Tisch - und wahrscheinlich auch viel schwe-rer." Fügt sie hinzu.

"Aber lass es uns doch erst mit diesem Seil hier versu-chen." und hält ihm ihr gerade ausgepacktes 10 Schritt langes Seil unter die Nase.

"Jetzt bin ich aber gespannt, wie das gehen soll!" Frumol schaut aufmerksam zu, wie Sephyra das Seil an den Tischbeinen befestigt.

"So." sagt sie, als sie die Knoten nochmals geprüft hat. Der Tisch steht jetzt mit der schmalen Seite zur Grube hin, an den Beinen von der Grube weg sind die beiden Seilenden festgebunden, die entstehende Schlaufe führt Sephyra zwischen den beiden anderen Tischbeinen unter der Platte durch und auf der Ober-seite zurück. Fast wie die Zügel eines Pferdes sieht das jetzt aus.

"So, Frumol du gehst jetzt auf die rechte und der Ka-waljere auf die linke Seite des Tisches." kommandiert sie. "Dann hebt ihr den Tisch an und schiebt ihn über die Kante. Ingalf und ich halten das Seilende hier an der Schlaufe fest und lassen den Tisch nicht kippen. Sobald die beiden hinteren Tischbeine an die Kante der Grube kommen, haltet ihr an der Platte den Tisch weiter fest und lasst ihn an der Stirnseite der Tisch-platte gegen die Grubenwand drücken. Wir hier hin-ten halten ihn weiter in der Waage. Durch den Druck gegen die Wand und das Ziehen an den Seilen gleitet der Tisch nach unten und bildet für fast 2 Schritt eine Art Brücke über die Grube. - Theoretisch." fügt sie noch hinzu.

'Na hoffentlich blamiere ich mich damit nicht!' denkt sie bei der ganzen Ausführung ihres Plans im Hinter-kopf.

"Falls jemand eine bessere Idee hat, soll er sie hören lassen!" macht sie einen letzten Versuch.

Es kommt keine bessere Idee. Und die Sache klappt - zwar nicht ganz wie geplant, aber doch erfolgreich.

Der Tisch knallt mehr herunter als er rutscht, aber er bleibt heil. Und in zwei Schritt Tiefe gibt es jetzt einen fast durchgehenden Weg. Nur hinten ist ein Spalt von einem halben Schritt Breite geblieben.

"Gut gemacht, Madame Lunor. Ein wenig laut für meinen Geschmack, aber effektiv, nichtsdestotrotz." Randirion nickt anerkennend.

"Nun sollten wir ungeschoren herunterkommen … wenn einer von uns mit dem Seil hier oben bleibt und ein wenig Hilfestellung gibt, sollten wir auch in der Lage sein, schnell zurückzukehren. Nun denn, auf ans Werk!"

Sephyra deutet eine Verbeugung an und grinst. 'Na da wärst du nie drauf gekommen, was?' Spöttisch, nicht freundlich ist ihr Gesichtsausdruck.

Er blickt in die Runde und betrachtet dann noch ein-mal die Grube. Wenn kein gegenläufiger Kommentar kommt, macht sich Randirion daran, hinabzusteigen.

"Versuch doch mal, den Tisch unten soweit in die Mit-te zu ziehen, dass wir problemlos auf der anderen Sei-te hoch springen und uns festhalten können. Außerdem hätte ich gern das Seil zurück." fügt sie hinzu.

"Madame Lunor, /selbstverständlich/ werde ich euch euer Eigentum wieder beschaffen … ist mir eine Eh-re." erwidert der Horasier.

'O tempora, o mores … was tut man nicht alles für die holde Dämlich … äh … Damenwelt …' Der Gedanke steht ihm kurzfristig beinahe ins Gesicht geschrieben.

"Ihr werdet hier doch keine Hilfe zum Klettern brau-chen, oder?" ist ihr letzter Kommentar. 'Eigentlich sollte ich schon etwas netter zu ihm sein, oder?' denkt sie dabei. 'Nein. Eigentlich nicht!'

"Oh, ich gedachte sowieso, als erster herabzusteigen … Man kann euch doch unmöglich ungesichert vor-schicken, das wäre ja gegen jegliche Manieren …" Randirion macht sich also daran, in die Grube her-abzusteigen.

Es geht immer noch eine Körperlänge in die Tiefe.

Randirion legt Rapier und Balestrina ab, setzt sich auf die Grubenkante, dreht sich dann auf den Bauch und lässt sich vorsichtig hinunter. Seine Fußspitzen ertasten die Tischplatte, und so er kann er oben los-lassen. Randirion ist unten …

… und sieht sich kurz um, ob es einen Grund gibt, sehr schnell wieder nach oben zurückzukehren.

Dem ist allerdings nicht so.

"Wenn ihr so freundlich wäret, mir meine Waffen her-unterzureichen … Es wäre doch kontraproduktiv, hier unten überrascht zu werden ohne sich wehren zu können, nicht wahr? Herr Wedmannsson, Herr Pello-cke, wenn einer von Euch mitkommen mag …?" fordert er die Restgruppe auf.

Frumol reicht Randirion Balestrina und Rapier.

Wenn er denn nicht mehr ganz wehrlos ist, untersucht er die Umgebung, sammelt das Seil ein und reicht es Sephyra nach oben, wonach er eine kleine Verbeugung

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hinlegt. "War mir ein Vergnügen" kann man ihn murmeln hören.

Die Eisenstacheln stehen weit genug auseinander, dass man die Füße dazwischen bekommt. Und sie sind weniger lang als Randirions Beine, aber sehr spitz.

Danach bewegt er den Tisch, wie Sephyra es vorge-schlagen hat, um im Folgenden die Füße, die man von oben sah, näher in Augenschein zu nehmen.

Da sich Randirions Augenhöhe auch dann unterhalb der Grubenoberkante befindet, wenn er auf dem Tisch steht, kann er nichts neues erkennen.

Während Randirion seine Untersuchungen macht, geht Frumol zum Schreibtischstuhl und holt zur Kante der Grube. "Der könnte nützlich sein, Kavaljä-re, oder?"

"Ah, vortrefflich, Herr Pellocke … Genau was wir jetzt brauchen können. Reicht den Stuhl nur herunter …"

Sephyra nimmt das Seil entgegen, verstaut es jedoch nicht wieder im Rucksack sondern wickelt es über dem Ellenbogen auf und wickelt das letzte Ende um die Mitte der Schlaufen, so dass eine Art "8" entsteht, die sie sich an den Gürtel hängt, um schneller darauf zugreifen zu können. 'Wer weiß, wozu es gut ist.' denkt sie sich dabei.

"Besser ich begleite Euch. Ingalf ist noch nicht fit zum Klettern und Frumol kann uns im Notfall schnell hier herauf helfen. Außerdem kann ich am besten klettern von uns Vieren." fügt sie hinzu. Sie nimmt den Ruck-sack ab und lässt ihn bei Frumol zurück mit einem "Pass-gut-darauf-auf" Lächeln und geschmeidig lässt sie sich zu Randirion hinab gleiten. Über den Tisch balanciert und auf er anderen Seite hoch gesprungen, um sich mit den Fingern an die Kante zu krallen und hochzuziehen.

Sephyras Finger können die Kante nicht greifen, denn sie stoßen gegen etwas festes - Glas. Sie rutscht ab. Nur mit Mühe schafft sie es, sich wieder soweit abzu-stoßen, dass sie auf der Tischplatte landet und nicht in dem schmalen Spalt zwischen Tischplatte und Grubenstirnwand.

"Was ist passiert, Madame? Kann ich euch behilflich sein?" fragt er verwundert.

"Au! Das war knapp." - 'Zu knapp!' denkt sie. "Hmm, es scheint, dass der Magier tatsächlich nicht fliegen konnte, sondern eine durchsichtige Brücke über dieser Grube hatte, die nun gleichzeitig als Verschluss dieser Seite der Grube dient." denkt sie laut weiter.

'Nur gut, dass wir nicht die Idee mit dem Springen weiterverfolgt haben. Wer weiß, so schnell kann man gar nicht 'au' denken oder sagen, wie man hier aufge-spießt liegen würde.'

Angestrengt überlegt Sephyra. Dabei setzt sie sich auf die Tischplatte. Die beiden Knie angezogen und unter das Kinn gesetzt, die Arme um die Beine geschlungen. 'Wenn es als Brücke diente, dann wird man es nicht so einfach zerschlagen können.' überlegt sie. Unver-mittelt fragt sie die anderen: "Wie zerbricht man Glas? Ich meine: wie genau geht das? Nur mit Kraft? Oder gibt es einen anderen Weg? Denn wenn das hier tat-sächlich eine Brücke war – und irgendwohin muss diese Platte ja liegen, wenn man hinüber will - also warum nicht auf dieser Grube? Aber dann ist sie si-cher sehr hart und stabil. Also, wie zerbricht man sol-ches Glas?" fragt sie erneut.

Randirion nimmt den Stuhl in Empfang und posi-tioniert ihn so, dass es ihm und Sephyra leichter fällt, die Kante zu untersuchen.

Es hat wirklich den Anschein, dass das Gangende durch eine massive Scheibe verschlossen ist. Und die Grube ist schätzungsweise so lang wie der Durchgang hoch ist.

"Hier funktioniert doch alles mit Hebeln …" merkt Ingalf an und untersucht genau die Umgebung des Fluchtwegs des Magiers, ob er nicht irgendwo in Reichweite dieses einen Hebel oder versteckten Schalter finden kann.

Ingalf findet weder einen weiteren Hebel noch irgend-einen losen Stein. Auch Frumol beteiligt sich an der Suche.

"Meinst Du, dass Du mit Deinem Riesenteil da durch kommst?" fragt Frumol und zeigt auf die Scheibe. Plötzlich prustet er los.

Ingalf muss ebenfalls grinsen. Aber dann wird er recht schnell wieder ernst. "Ich weiß ja nich, wie stabil das Glas is. Eine normale Scheibe könnt' ich damit sicher einschlagen, aber wie es damit ist … Das müsste man probieren. Aber ehrlich gesagt hab' ich keine große Lust dazu, die Scheibe kaputt zu machen und dann von den runter fallenden Scherben zerschnitten zu werden."

"Aber sie muss aufgehen! Sonst wäre der Magier hier nicht lang gegangen."

Denkt Sephyra laut und hat eine Idee: "Dort drüben auf der anderen Seite muss es einen Hebel oder so ge-ben. Nur durch die Scheibe konnte uns die Person, der die Füße da gehören, nicht hören. Wenn wir ordent-lich gegen die Scheibe hämmern, wacht sie vielleicht auf- oder die Scheibe geht kaputt, dann kommen wir auch weiter. Außerdem: wenn wir von hier aus z.B. den Stuhl in die Scheibe werfen, fallen die Scherben hauptsächlich auf die andere Seite." Mit diesen Worten zieht sie sich von der Scheibe zurück und fragt: "Herr Kawaljere, währet Ihr so freundlich, diesen Stuhl von hier hinten aus in diese Scheibe dort zu werfen?"

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"Ich bedaure, Madame Lunor, aber ich glaube, das wäre nicht komplett in unserem Sinne … ein Stuhl hat vielleicht ein hohes Gewicht, aber wenn ich mich recht erinnere, kommt es auf den Druck an, aber auch auf die Fläche … Oder war es die Kraft und Fläche? Egal.

Ich bin mir ziemlich sicher, das ein spitzer, schneller Gegenstand mehr Schaden anrichtet als ein stumpfer … Wenn ihr also in Deckung gehen wollt? Dies könn-te ein wenig splittern …"

Randirion nimmt die Balestrina zur Hand, zielt aus kurzer Entfernung, schaut sich noch einmal um, um sicherzugehen, das er im Zweifel nach hinten auswei-chen kann und schießt.

Ingalf keucht laut auf. "Nein! Seid Ihr verrückt?? Wenn man die Scheibe damit zerschießt, dann fliegen die Splitter doch sicher schrittweit mit! Und dann würde die Kleene verletzt!"

Sofort lässt Randirion die Waffe sinken. "Bei allen Zwölfen, ihr könntet Recht haben, Herr Wed-mannsson … Aber wie bekommen wir die Scheibe dann aus dem Weg?

Ich dachte ursprünglich, wenn man in einem entspre-chend steilen Winkel schießt, fliegen die Splitter größ-tenteils nach oben und zu der uns abgewandten Seite … und damit wären wir alle außer Gefahr. Das die Kleine direkt dahinter liegt, ist mir … entfallen …"

'Verdammt, wie konnte ich das vergessen? Aber der Stuhl ist da auch keine besonders gute Idee, entweder zerbricht er oder wir haben den gleichen Effekt mit den Splittern …' schießt es ihm durch den Kopf. 'Murgol muss doch eine Möglichkeit haben, die Scheibe hier herüber zulegen … dumm natürlich, wenn das auf magischem Wege passiert …'

"Dann lasst uns nochmal genau ansehen, wie diese Scheibe hier verankert ist, vielleicht bietet sich dann eine Möglichkeit …"

Randirion stellt sich noch einmal auf den Stuhl und betrachtet ausgiebig die Seiten der Scheibe, vielleicht gibt es je einen Winkel, in dem man die Scheibe zu zerstören kann, ohne das Splitter in Richtung des Mädchens fliegen …

Wie Ingalf auch nachdenkt, ihm fällt keine andere Möglichkeit ein, als die Scheibe zu zerschlagen, wenn sich kein Mechanismus finden lässt.

'Wenn ich eine dicke Decke hätte, die ich über mich legen könnte, dann würden wohl die meisten Scher-ben abgehalten. Dann könnte ich es versuchen. Aber woher eine Decke bekommen …?' grübelt er im Stillen, während Randirion die Scheibe untersucht.

Da schaltet sich Frumol ein: "Wie ist es, wenn ihr wieder hier in den Raum zurückkommt und wir uns alle seitlich vom Gang aufstellen." Er schaut Randiri-

on an:"Kannst Du vielleicht auch verdeckt schießen, das heißt, nur mit dem Arm um die Ecke?"

"Aber sicher könnte er das! ruft Sephyra. "Wahrschein-lich würde er nicht mal vorbeischießen und etwas treffen. Aber das Problem sind nicht die Splitter die zu uns fliegen, sondern die, die in den Raum dahinter fallen und vielleicht die da liegende Person - hoffent-lich Seline - verletzen könnten."

"Ich sollte wirklich richtig zuhören!" Jetzt ist Frumol zerknirscht.

Sie grübelt über das Problem. "Klopft noch einmal kräftig gegen die Scheibe, Herr Kawaljere. Vielleicht wird die Person dadurch geweckt und kann einen Schalter oder so betätigen - selbstverständlich erst, nachdem wir die Grube verlassen haben." Fügt sie schnell hinzu.

Als Randirion das tut, kommt es zu keinerlei Reakti-on.

"Ich denke, wir sollten es riskieren." sagt Sephyra. "Was kann schon groß passieren? Ein paar Schnitt-wunden an den sind eher unwahrscheinlich, denn sie bewegt sich nicht und die Scheibe wird eher in wenige große als in tausende kleiner Scherben zerbrechen - denn schließlich ist es ja festes Glas und nicht so ein dünnes Fensterchen." Ihre Ausführungen klingen in ihren eigenen Ohren sehr glaubhaft. 'Hoffen wir nur, dass ich damit Recht habe.'

"Also los Kawaljere. Zeige er, was er kann!" fordert sie ihn auf und bezieht sich auf Frumols Vorschlag.

Frumol geht schon einmal in Deckung.

'Was geschieht, wenn es gar kein Glas ist? Vielleicht ist es Magie?'

"Ich würde sagen, dass wir das nur durch Auspro-bieren herausfinden können. Eine 'was-wäre-wenn" Studie bringt uns jetzt nicht weiter." antwortet sie und geht gleichfalls hinter der Ecke in Deckung.

Ingalf geht ebenfalls in Deckung, allerdings nicht ohne ein Stoßgebet zu den Göttern, dass sie die Kleine beschützen mögen.

"Na, dann wollen wir doch mal. Wenn es Magie sein sollte, wird der Bolzen wohl abprallen … aber sonst … Austrittswinkel war … hm …" Randirion schaut sich ein wenig um, postiert sich denn so, das er glaubt, selbst bei einem abprallenden Bolzen keinen Schaden anzurichten und zielt kurz.

"Fertig? Na dann … drei, zwei, eins …," zählt er, drückt ab und geht in Deckung.

Es gibt einen dumpf krachenden Schlag, als die Kugel der Balestrina die Scheibe trifft. Randirion schaut um die Ecke und sieht, dass die Kugel offensichtlich ziem-lich genau die Mitte der Scheibe getroffen hat, denn von dort breitet sich ein gezacktes Muster von Rissen in alle Richtungen aus.

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"Ha, ein meisterlicher Schuss … Da soll mir doch noch mal einer mit dem Scheunentor auf zwei Schritt Entfernung kommen … Das war bestimmt ein ganzes Stück weiter als zwei Schritt …" murmelt Randirion fast unhörbar.

Ingalf schaut ebenfalls wieder in den Gang und nickt. "Ja. Vielleicht 3,5 Schritt …?" schätzt er dann mit einem leichten Grinsen.

"Fürwahr, ich sagte ja, ein wahrer Meisterschuss … Davon werden bestimmt noch in hunderten von Jah-ren die Barden singen …" Randirion kann bei dem Gedanken, was ein Barde aus dieser … ähm … Meis-terleistung … machen könnte, ein Grinsen auch nicht mehr unterdrücken.

"Nun aber genug gescherzt, lasst uns mal sehen, ob da jetzt ein Durchkommen ist …"

Auf der anderen Seite der Scheibe gibt es keinen Hin-weis auf eine Reaktion.

Abwartend lädt der Cavaliere die Balestrina nach und betrachtet die Scheibe.

Ingalf drängt sich an Randirion vorbei, steigt in die Grube hinab, nähert sich vorsichtig der Scheibe und stößt mit ausgestrecktem Arm und möglichst großem Abstand, den Mantel möglichst schützend um sich ge-wickelt und den Kopf halb abgewandt, sodass das Gesicht nicht von Scherben getroffen werden kann, vorsichtig mit der Orknase gegen die Scheibe.

Die Risse sind offensichtlich noch nicht tief genug, um die Scheibe durch einfachen Druck durchzubre-chen. Sie hält noch zusammen.

Frumol sieht interessiert vom Rand der Grube zu.

"Gut, dann geht mal in Deckung." fordert Sephyra die anderen auf. Sobald alle aus der Grube heraus sind, zieht sie ihre beiden Wurfdolche und zielt sorgfältig auf die großen Risse rund um das Einschussloch. 'Immer mit dem Knauf voran, immer mit dem Knauf voran.' ermahnt sie sich und wirft die beiden Dolche nacheinander so, dass nicht die Schneide sondern je-weils der Knauf mit großer Wucht die Scheibe trifft.

Präzise zielen und gleichzeitig die Dolche untypisch drehen lassen fast ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der eine Dolch trifft zu weit weg von der Einschlagstelle, der andere mit der Längsseite. Alles, was sie bewirken, sind Geräusche.

"Hmm, das geht so nicht." berichtet Sephyra und sammelt die Dolche wieder ein. "Wie wäre es denn jetzt mit dem 'geworfenen' Stuhl?" fragt sie die anderen.

Ingalf ist nicht sonderlich wohl, da er keine Ahnung hat, was sich da in den Gängen hinter ihnen herum-treibt und wo der Bewusstlose hin verschwunden ist. Also entschließt er sich, dass das Ganze voran gehen

muss und steigt, nach Sephyras gescheitertem Ver-such, wieder in die Grube hinab …

… - Sephyra zieht sich sicherheitshalber zurück - …

… und schlägt mit möglichst großer Wucht, aber auch darauf bedacht, nicht in die Grube zu fallen, mit der Orknase gegen die Scheibe.

Nach dem ersten Schlag ist es so weit: Die Scheibe zerbricht. Die Scherben fallen zum größten Teil in den Raum hinter der Scheibe. Ein kleinere teil fällt auch in den Zwischenraum zwischen Tisch und Grubenrand.

Ingalf überlegt gerade, was der jetzt machen soll, da tritt Murgol von der Seite in die nun entstandene Öff-nung. In beiden Händen hält er einen schräg einen eine Schritt langen handgelenkdicken geschnitzten Holzstab.

Er sieht erst Ingalf an und dann die anderen, die am hinteren Grubenrand stehen.

Er mustert den Fremden, den er nun zum ersten Mal sieht. Er ist ihm auf Anhieb unsympathisch. Seine Rechte bewegt sich langsam zum Brustgurt und zieht einen Dolch aus der Scheide. 'Hat es es gesehen? Kann er uns alle vier im Blick behalten?' fragt er sich.

'Ein Magier mit einem Stab in der Hand ist gefähr-lich!' schießt es Sephyra sofort durch den Kopf.

"Ihr lebt noch - alle?" Er schaut noch einmal jedem einzelnen ins Gesicht. dann grinst er höhnisch: "Gut, dann will ich Gnade walten lassen. Ihr dürft euch zu-rückziehen – lebend."

Diese Worte bewirken eine Anflug von Angst. Sicher-lich hat dieser Mann große macht. Dennoch ist Frumol entschlossen, nicht ohne Seline zu gehen.

"Nur, wenn ihr das Mädchen gehen lasst." erwidert Frumol knapp. Eigentlich wollte er das Reden dem Herrn Kavaljäre überlassen, doch Frumol muss sich davon ablenken, an die vielen Gefahren hier zu den-ken.

Außerdem hofft hatte der Herr Kavaljäre, doch seine Balestrina wieder geladen, oder? Vielleicht ist es hilf-reich die Aufmerksamkeit des Fremden auf sich zu lenken. Kurz entschlossen, legt er die Linken in die Nähe Dolchgriffs.

"Das werden wir, Freundchen, aber du hast dich nicht zu erdreisten, uns mit deiner 'Gnade' beeindrucken zu wollen!" murmelt Randirion, der seinen Blick er-widert.

Er nimmt die - inzwischen hoffentlich fertig nachge-ladene - Balestrina und zielt auf den hochmütigen Schwarzmagier.

Auf diese Frechheit hin erwidert sie nichts. Aber ihre Wurfhand, die bereits nach dem ersten Dolch getastet hatte, verharrt instinktiv. Dafür antwortet sie: "Nun, das würden wir schrecklich gern und werden es auch

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tun. Allerdings gibt es da ein Problem: unser Weg hierher dürfte schwerlich in umgekehrter Richtung gangbar sein. Daher zögen wir es vor, Eurer Gnade folgend, den sicheren Weg zu beschreiten. Ach ja, und Mädchen wird uns begleiten." fügt sie rasch hinzu, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

"Schiess!", schreit Ingalf nach hinten.

In der Hoffnung dass die beiden Schützen schnell genug reagieren wirft er seinen Umhang um Sephyra und sich und drückt sie mit sich auf den Tisch. Um das Schussfeld frei zu machen.

'Stirb, Kindesentführer …' Randirion drückt ab.

Randirion ist schnell, aber nicht schnell genug. Noch während er die Balestrina hoch nimmt, fängt der Ma-gier an sich zu bewegen, und so knallt die Kugel nur gegen die gegenüberliegende Zimmerwand, während Murgol hinter der Ecke verschwindet.

"Verfluchter Schwarzkünstler … du wirst den Tag noch bereuen, an dem du die Kinder entführt hast … Los, lasst uns unserem 'Freund' folgen, sonst ent-kommt der Mistkerl vielleicht noch!"

Er wartet auf die Geräusche von 2 einschlagenden Ge-schossen, während er den Schneidzahn zieht um ihm selbigen sofort entgegen zu schleudern.

Ingalf hört den Auslöser der Balestrina, und dann trifft die Kugel etwas. Als Ingalf wieder hochkommt, ist der Magier aber verschwunden.

Zu Sephyra meint Ingalf eilig aber gedämpft, "Ich kann dir schnell hoch helfen, und du ihn hier runter stoßen!" und hockt sich - die Hände vor sich sicher verkeilt leicht zur Hilfestellung an.

Während er das tut meint er noch: "Du musst nicht. Ich weiß das das gefährlich is."

Während er Schneidzahn und Orknase zunächst auf dem Tisch liegen lässt.

'Jetzt noch ne Brandbombe haben und der Typ wär schon ne laufende Fackel …', ärgert er sich.

Sephyra, die ebenso wie Ingalf noch nicht mitbekom-men hat, dass der Magier verschwunden ist, nickt leicht, steigt, Ingalf als Tritt benutzend, rasch aus der Grube heraus, ohne sich an den überall herum-liegenden Scherben zu schneiden. Oben bleibt sie dann überrascht wie angewurzelt stehen, als sie be-merkt, dass sie dort allein ist. Dann wendet sie sich den Füßen zu.

Auf einer Liege, die mit einem kostbaren Eisbärenfell bedeckt ist, liegt ein Mädchen, dass genau der Beschreibung von Seline entspricht - nackt.

Ihr Körper ist mit seltsamen Zeichen bemalt.

Sephyra ist so fasziniert von dem Mädchen, dass sie gar nicht auf Murgol achtet. Als sie Paralü Paralein hört, ist es zu spät zu reagieren.

Randirion lädt bereits wieder die Balestrina nach. Sobald sie wieder einsatzbereit ist, macht er sich dar-an, einen sicheren Weg durch die Trümmer der Glas-scheibe zu suchen.

Randirion kommt eine Sekunde nach Sephyra in den Nachbarraum und überblickt sofort die Szene, die Ba-lestrina zum Schuss bereit: Dort eine Liege mit einem Mädchen drauf. Im hinteren Bereich steht Murgol vor etwas, das wie ein Altar aussieht. Er ist gerade dabei, seine rechte Hand, die den Stab lotrecht hält, in die offene linke Hand zu schlagen und spricht: Paralü Pa-ralein, sei …Sofort schießt Randirion und trifft den Magier voll auf der Brust. Dadurch wird der begonnene Zauberspruch unterbrochen. Er taumelt zurück, behält aber den Stab in der Hand.

Als Frumol sieht dass der Kavaljäre zielt und abdrückt visiert auch er kurz den Gegner an.

Dann sieht Frumol aber, wie sich Murgol hinter die Ecke zurückzieht, und er verzichtet auf den Wurf - den Dolch in der hoch erhobenen Hand haltend, so dass er beim kleinsten Anzeichen des Magiers werfen kann.

Enttäuscht sieht Frumol, wie der Herr Kavaljäre den schwarz Gewandeten verfehlt und sich dieser zurück-zieht.

'Und jetzt?' überlegt er. Er selbst kann die Verfolgung nicht aufnehmen, da es in der Grube mit dem Herrn Kavaljäre, Ingalf und Sephyra recht beengt ist. Somit bleibt ihm nur abzuwarten und aufzupassen.

Da er von seinem Standpunkt den besten Überblick hat, fällt ihm wohl die Aufgabe zu das weitere Ge-schehen zu koordinieren. 'Eigentlich ja eine Aufgabe für den Herrn Kavaljäre', denkt er dabei.

Es stellt sich so, dass er möglichst weit in den Gang hineinsehen kann, in dem der Fremde - Murgol - verschwunden ist.

Frumol sieht, wie Sephyra und kurz danach Randiri-on aus der Grube heraus klettern.

Frumol ist nicht wohl zumute, als Sephyra zuerst die Grube verlässt. Hätte er doch bloß etwas gesagt.

'Was soll er nun sagen? Wie fängt man so was an?'`überlegt er hektisch. Bisher war er hauptsächlich auf sich allein gestellt, oder mit Sephyra unterwegs, die meisten das richtige tat, so als wüsste sie im voraus, was er vorhat … aber jetzt?

"Ähm." räuspert er sich, verlegen. Randirion lädt schon seine Balestrina nach, das braucht er also nicht mehr zu erwähnen.

Wenn er doch nur etwas sehen könnte! - Verdammt.

Was ist mit den Füßen? Liegen sie immer noch re-gungslos da?

Keine Bewegung ist zu sehen.

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Und Alrik? Den hatte er eben ganz vergessen, wo ist der?

Der steht schräg hinter Frumol und versucht mitzu-kriegen, was passiert.

Sephyra verschwindet um die Ecke, ein Paralü (of-fensichtlich von Murgol gesprochen) ist zu hören, und dann schießt Randirion.

Entsetzt hört Frumol die Worte und sieht wie Randiri-on schießt.

In seiner Fantasie malt er sich schon die schlimmsten Dinge aus, aber es hilft keinem, wenn er nun über-hastet hinterher stürzt.

Zögernd steckt er einen Dolch weg, damit er die Hand frei hat, um sich abzustützen, falls er in die Grube hinein muss.

Dann kommt ihm eine Idee: Randirion und Sephyra müssen Murgol aus der Ecke heraus locken, dass Frumol von hier aus eingreifen kann. "Kommt zu-rück!" ruft er also ihnen zu, da keine Zeit für lange Erklärungen ist.

Sephyra lässt sich nicht blicken. Dafür hört Frumol 'Fulminictus Donnerkeil', und er weiß, dass das ein Kampfzauber ist - bestimmt dazu, Menschen schwer zu verletzen.

"Kommt rüber!" antwortet Randirion, während er sei-ne Schusswaffe gegen sein Rapier tauscht. 'Der Mistkerl ist bestimmt einfacher zu erledigen, wenn wir nah an ihm dran sind …'

Sephyra ist nach dem Schuss sofort geistig wieder voll anwesend und zieht ihren Rapier, während sie in großen Sätzen auf den Magier zueilt, um den Rapier in ihn zu bohren, bevor er zu einem neuen Zauber an-setzen oder flüchten kann. Als sie Frumols Worte ver-nimmt, ist es für Umkehr schon zu spät.

Der Magier ballt die linke Faust und deutet auf das Sephyra, während er die Fulminictus Donnerkeil aus-ruft. Und Sephyra ist noch zwei Schritte vor Murgol, da hat sie das Gefühl, dass sie innerlich zerrissen wird. Schmerzen durch durchfahren ihren ganzen Körper, aber sie schafft es, auf den Beine zu bleiben.

"Bei Swafnir dafür sollst du in den Niederhöllen schmoren", brüllt Ingalf in die Richtung, des Unholds.

"Komm Frumol!", ruft Ingalf verzweifelt. Während er auf dessen Aufstieg wartet, steckt er den Schneidzahn in den Gürtel und schiebt die Orknase mit etwas Schwung in den Raum.

'Wenn er ohne Rücksicht solche Zauber spricht, wer weiß was er mit Seline vor hat. Gut das wir noch rechtzeitig hier sind.'

Das lässt sich Frumol nicht zweimal sagen. Sephyra ist dort drüben in großer Gefahr! Er hätte schon viel früher reagieren müssen! Wie konnte er nur so töricht sein und hier warten?

Er geht einige Schritte zurück und befiehlt Alrik: "Du bleibst hier und passt auf, dass uns keiner in den Rücken fällt!"

Er hofft, Alrik so sicher zurückzulassen und ihm die Möglichkeit zu nehmen, eine Dummheit anzustellen.

Dann nimmt er Anlauf und springt in einem großen Satz über die Grube hinweg. Als er während des Sprunges den zweiten Fulminictus hört, konzentriert er sich aus Sorge um Sephyra einen Moment nicht auf die Landung: Er kommt ungünstig auf und rutscht mit einem Fuß fast zurück in die Grube. Er verlagert intuitiv sein Gewicht nach vorne und kann sich wieder fangen. Er geht in die Knie um den Schwung abzufangen und schlägt hart mit einem Knie auf den Boden auf - 'Autsch!' - denn er kann sich nur mit einer Hand abstützen, sonst würde er ja den Dolch ver-lieren!

Ingalf klappt fast die Kinnlade herunter, als er Frumols tollkühnen Sprung sieht, macht sich aber so-fort danach daran, hinter Frumol her zu klettern.

Als er wieder hochkommt, den Dolch schon zum Wurf erhoben, begegnet er einem neuen Problem: Der schwarz gewandete Magier ist durch Sephyra und Randirion verdeckt! Er hat kein eindeutiges Ziel und würde vermutlich nur einen der Beiden im Rücken treffen. Trotz der kurzen Zeit die ihm bleibt die Situa-tion zu überblicken, bemerkt er, das Sephyra sehr ver-krampft ist und auch nicht mehr ganz sicher auf den Beinen steht.

"Zur Seite!" brüllt er von hinten, während er sein noch verdecktes Ziel anpeilt.

Erschrocken beobachtet er, wie Sephyra vom Ful-minictus erwischt wird.

"Na warte, Mistkerl! Dich will ich Manieren lehren …" ruft der Cavaliere, während er Sephyras Aktion wiederholt und sich mit voller Geschwindigkeit dem Hexer nähert, um ihn seiner gerechten Strafe zuzu-führen.

'Zwei Ziele, Freundchen …'

Sephyra schreit auf vor Schmerz, aber nun ist sie schon so weit gekommen, da stürmt sie, die Schmerzen zurückdrängend, weiter.

Und sie erwischt den zurückweichenden Murgol mit einem Stoß gegen dessen Rippe. Zwar spießt sie ihn nicht auf, aber sie fügt ihm eine tiefe Schramme zu.

'Ha, sehr gut, Madame Lunor … das hat der Kindesentführer verdient.'

Bevor Sephyra zum zweitenmal zustoßen kann, kommt wieder Fulminictus Donnerkeil, und wieder durchfährt Sephyra das gleiche Gefühl, allerdings et-was schwächer, so dass sie sofort noch einmal zustößt und ihm noch eine Wunde zufügt.

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Sephyra schießen vor Schmerz Tränen in die Augen und sie fühlt, wie ihr langsam die Kraft entweicht.

In diesem Moment ist Randirion her, der aber durch eine Bewegung Sephyras behindert wird und des-wegen Murgol verfehlt.

Sephyra will Randirion nicht allein kämpfen lassen, auch, wenn es ihr große Mühe bereitet. Deshalb kämpft sie weiter, allerdings sehr darauf bedacht, der seltsamen Waffe des Magiers nicht zu nahe zu kom-men, bis der nächste Kämpfer angekommen ist, dann zieht sie sich aus dem Kampf zurück, um neben dem Mädchen auf der Liege nieder zu sinken und schwer Keuchend liegen zu bleiben.

"Stirb, Hexer!" brüllt Randirion den Magier an. 'Hauptsache, er kann sich nicht konzentrieren, dann sollten wir mit ihm fertig werden …'

Wieder versucht er, den Schwarzmagier aufzuspießen, ohne Sephyra zu gefährden …

Der Angriff geht fehl, denn der Magier springt einen Schritt zurück.

Randirion hört noch von hinten "Zur Seite!", dann ge-schieht etwas Spektakuläres:

Der Magier macht einen Schritt zurück und wirft sei-nen Stab in die Luft. Der Stab verwandelt sich in ein Schwert, um das blau leuchtende Flammen züngeln. Murgol macht eine Handbewegung, und das Schwert attackiert Randirion!

'Zur Seite? Guuute Idee …' schießt Randirion durch den Kopf, während er versucht, mit einem Sprung dem Flammenschwert auszuweichen.

'Verdammter Hexer …'

Leider gelingt das Ausweichen nicht. Tief schneidet das Flammenschwert in seine linke Seite. Der Schmerz ist so stark, dass Randirion kurz schwarz vor Augen wird.

Sephyra bemerkt, dass das Flammenschwert Randiri-on angreift und attackiert deshalb Murgol von der Sei-te. Und ihr Rapier schmeckt Blut.

Sofort fährt das Schwert herum, doch Sephyra zieht sich zurück, bevor es in ihre Nähe gekommen ist.

Für Frumol, der bislang nicht werfen konnte, ergibt sich das folgende Bild: Murgol, Randirion und Sephy-ra bilden ein gleichseitiges Dreieck, in dessen Mitte das Flammenschwert schwebt.

Und jetzt höhnt der Magier: "Kommt nur, wer zuerst angreift, stirbt auch als erster!"

Oben angekommen, schnappt sich Ingalf seine Or-knase und sucht sich eine Gerade Lauflinie auf den Zauberer um ihn mit Wucht zu erwischen.

'Bis ich da bin hat Frumol schon lang geworfen.' denkt er sich vergewissert nicht in Frumols Wurflinie rennt.

Den Schrei den er beim losrennen ausstößt, sollte den schmächtigen Lichtscheuen alleine umwerfen.

Und jetzt ist auch Ingalf aus der Grube heraus. Eigentlich wollte er ja einen Sturmangriff machen, …

"Dreckiger Hundsfott, der einzige der sterben wird bist du!" schreit Ingalf voller Abscheu. Er wechselt die Orknase in die Linke und zieht den Schneidzahn, wirft ihn mit einer flüssigen Bewegung und ohne auf den Erfolg oder Misserfolg zu achten stürmt er hin-terher, täuscht rechts, dreht sich nach links und ver-sucht an dem Flammenschwert vorbeizukommen. Noch im Lauf ruft er "zugleihhhhhhhhch!"

Murgol ist von dem Wurf völlig überrascht, so dass er nicht zum Ausweichen kommt und er voll am Ober-körper erwischt wird.

Fast gleichzeitig fliegt Frumols Dolch, allerdings daneben.

Durch Ingalfs Gebrüll wird Murgol völlig aus dem Konzept gebracht.

Frumol hält sich zurück, da vorne kann er nichts tun. Er kann nur dafür sorgen, dass er nicht in die näher einer wild geschwungenen Thorwaler-Axt kommt.

Zwar versucht er auszuweichen, aber Ingalfs Täu-schungsmanöver ist erfolgreich und der gewaltige Schlag mit der Orknase gibt Murgol fast den Rest. Als kurz darauf Sephyra und Randirion jeweils von ihrer Seite gleichzeitig zustoßen, ist es um ihn geschehen.

Er bricht tot zusammen, das Flammenschwert erlischt und fällt zu Boden.

Sephyra bricht direkt nach Murgol zusammen und bleibt keuchend auf dem Boden sitzen, die Schmerzen noch immer im ganzen Körper. Aber sie bringt trotz-dem ein schwaches Lächeln auf die Lippen, aus Erleichterung über den Triumph.

Mit Entsetzten sieht Frumol, das Sephyra mehr zu Boden fällt statt sich hinzusetzten. Mit großen Schritten eilt er zu ihr und kniet sich nieder.

Da Sie keine offensichtliche Wunden hat, streicht e r ihr sanft über den Rücken und zieht sie an sich, so dass sie sich gegen ihn lehnen kann.

"Was hast Du? Wie geht es Dir? Bist du verletzt?" fragt er besorgt und liebevoll. 'Wie kann ich ihr nur helfen?' überlegt er, während er ihr weiter beruhigend über den Rücken streicht.

"Es war … ein … Zauber..!" presst Sephyra mühsam zwischen den Zähnen hindurch hervor. Fieberhaft arbeiten ihre Gedanken ohne wirklich etwas Greifba-res zutage zu fördern. "Ich glaube … nur ein … Heilzauber … kann … mir hier helfen. Oder die Zeit …" spricht sie nach kurzer Atempause weiter.

Alles andere herum ist in den Schatten getreten: Es zählt nur Sephyra, die so tapfer gegen den Bösewicht gekämpft hat, während der nicht gehandelt hat. Hätte

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er nicht an Stelle Sephyra an erste Stelle stehen sollen? Wieder nagen Zweifel an ihm, doch er muss Sephyra - seiner Liebsten - doch irgendwie helfen können …

Tapfer lächelt sie Frumol an, kann aber ihr schmerz-verzerrtes Gesicht nicht wirklich glätten.

Voller Abscheu und gleichzeitiger Zufriedenheit blickt Ingalf auf den Leichnam. "Na hab ich dir doch ge-sacht, der einzige Tote bis' du, das wohl!" Er spuckt auf die Leiche, dann sieht er sich um.

Randirion will nicht denken. 'Alrik ist noch da drü-ben.'

'Die Skelette. Der Bewusstlose. Der Folterknecht. Der Wolf. Der verschwundene Gefallene. Die magische Tür.'

Er betrachtet das zu Boden gefallene Schwert verstaut sein Rapier und schlägt damit Murgol den Kopf ab.

Das Schwert ist ein wirklich gut gearbeitetes Lang-schwert mit schwarzer Klinge. Flammenmuster scheinen in sie eingeätzt zu sein. Beim Schlag erweist sich, dass das Schwert ausgezeichnet ausgewogen und sehr scharf ist.

Dann hält er einen Moment inne und hofft von ir-gendjemanden zu Handlangertätigkeiten aufgefordert zu werden.

'Sephyra fast tot. Ingalf schwer angeschlagen.'

Da erst bemerkt er wieder seine eigene schwere Wunde.

Und sie schmerzt gewaltig. Eine intensives Brennen geht von ihr aus.

"Euer Verbandszeug war erschöpft nicht wahr Herr Pellocke?"

"Wenn unser Edler Freund Murgol", wobei er unwill-kürlich auch in Richtung des Leichnams spucken will. "brauchbares da hat, wird er es wohl nicht mehr benö-tigen. Wenn nicht, da wo er jetzt ist wird er nicht frieren, wenn er uns sein Hemd zum verbinden gibt."

Frumol achtet gar nicht auf Randirion, denn er küm-mert sich nur um Sephyra.

"Herr Wedmannsson achtet ihr bitte auf Alrik und Seline?" während er sich im Raum einen Überblick verschafft und beginnt mit Vorsicht nach Verbands-zeug zu suchen.

"Wat is'n nu mit der Kleenen?" Er nähert sich behut-sam dem reglosen Körper des Mädchens und stupst sie vorsichtig an.

Da ertönt ein Mark erschütternder Schrei aus Rich-tung der Liege.

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Selineeline schlägt die Augen auf, sieht Ingalf und stößt einen markerschütternden Schrei aus.S

Erschrocken versucht Sephyra, sich umzudrehen, zuckt aber bei dem sie durchfahrenden Schmerz zu-sammen und fragt nur: "Was ist?"

Der Schmerz, den sie als Nachwirkung des Fulminic-tus spürt, ist vergleichbar einem Muskelkater in allen Muskeln gleichzeitig.

Frumol dreht den Kopf, um zu sehen, was geschehen ist. Dann antwortet er: "Seline scheint wach zu sein. Ingalf hat sie wohl aufgeweckt und sie hat sich erschreckt."

Weiterhin gibt er ihr Halt, bemüht ihre Schmerzen zu lindern, doch er kann nichts tun. Nicht einmal einen Schluck des leckeren Weines kann er anbieten, schließlich liegt der Rucksack im Schrank.

"Hmm." macht sie nur und ist bemüht, aufzustehen. Gestützt von Frumol und unter größter Überwindung der ständig alle Muskeln durchzuckenden Schmerzen schafft sie es und lässt sich mehr tragen als sie selbst geht, um zu dem Bett zu gelangen, auf dem Seline noch immer liegt.

"Och och och, is doch guuuuut, ganz ruhig Kleene." redet Ingalf beschwichtigend auf Seline ein.

Seline reagiert, indem sie zurück zuckt und Ingalf mit großen Augen anschaut. Dann bemerkt sie an-scheinend, dass sie unbekleidet ist und versucht, ihre Blöße mit ihren Händen zu bedecken.

"Kannst Du stehen?" erkundigt Frumol sich bei Se-phyra.

"Nun ja, ich versuche mein Bestes." bemüht sich Se-phyra um ein Lächeln. "In meinem Rucksack dürfte auch noch eine Bluse aus Leinen sein, die für Seline fast als Kleid herhalten könnte. Falls jemand noch den Rucksack aus dem Nebenraum holen könnte - ich sehe mich derzeit außerstande, die kleine Kletterpartie zu unternehmen." fügt sie schon wieder leicht scherzend hinzu.

Wer aber genau hinsieht, bemerkt die Schweißperlen auf ihrer Stirn, die mit dem Ertragen der Schmerzen einhergehen, da sie sich kaum etwas anmerken lassen will - war ihr nur mehr schlecht als recht gelingt.

Falls sie bejaht, zieht er seine Jacke aus und legt sie über Seline. Dabei mustert er ihren Körper ober-flächlich und möglichst unauffällig nach Verletzungen.

Sephyra redet weiter beruhigend auf Seline ein, bis Al-rik endlich da ist.

Seline nimmt die Jacke dankbar an und hüllt sich fest darin ein. Frumol fallen keine Verletzungen auf. Auf

sichtbaren Körperteilen sind nur verwirrende aufge-malte Linien und Zeichen zu sehen.

Dann dreht er sich zu Frumol um. "Guck doch ma', ob du Alrik nich' sicher hier rüber bekommst, dat wär bestimmt beruhigend."

Frumol überhört auch Ingalf.

"Wir sinn Freunde, wir tun dir nix, deine Gamma un' dein Papa ham uns geschickt." wendet er sich wieder an Seline, um dann verzweifelt nach Sephyra Aus-schau zu halten. "Du kannst doch Tuladingsbums, sach doch auch ma was."

Er klingt schon fast ein wenig verzweifelt.

"Ist ja gut, Seline. Wir sind Freunde." redet Sephyra die Kleine auf Ingalfs Rat hin in Tulamidia an. "Dein Bruder Alrik ist auch hier, gleich dahinten. Dieser nette Mann da, " und zeigt auf den Kawaljere, "wird ihn hierher bringen." fährt sie beruhigend fort.

"Leg den Mantel um sie, Ingalf. Die Kleine friert be-stimmt - denn wie du siehst, hat sie nichts an. Also guck weg!" fügt sie noch hinzu.

Bevor Ingalf dazu kommt, hat Frumol es schon ge-macht.

Seline scheint langsam zu erkennen, dass ihr keiner etwas böses will, denn sie fängt an, sich umzuschauen. Bei Alriks Stimme hat sie kurz aufgehorcht, aber nun fällt ihr Blick auf den toten Murgol, worauf sie erschrocken aufkeucht.

Nicht ganz, denn …

Aus dem Gang ist ein Plumps zu hören, als ob jemand auf den Tisch springt, und dann kommt Alriks Stimme auf tulamidisch von der Grubenkante. Sephy-ra kann, wenn sie zuhört, verstehen: "Seline, geht … gut?" Dann ruft Alrik auf Garethi: "Helft mir, ich komm' hier nicht hoch."

Frumol dreht sich um, und sieht dass der Kavaljäre verwundet ist und blutet.

"Setzt Euch da hin", weist er ihn an. "Und legt schon einmal die Wunde frei, ich helfe nur schnell Alrik."

Damit geht er zu der Grube und reicht ihm die Hand. "Komm, Freund Alrik", und zieht ihn hoch. "Solltest Du nicht Wache halten?" setzt er mit einem Grinsen hinzu.

Alrik hört gar nicht auf Frumol, sondern stürzt auf Seline zu. Zuerst liegen sich die beiden in den Armen. Dann fängt Alrik an, in einem wahnsinnigen Tempo zu erzählen. Sephyra verseht nur einzelne Worte, die darauf hindeuten, dass Alrik das ganze bisherige Abenteuer erzählt.

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Diese Neuigkeit teilt Sephyra den anderen einfach mit, ohne die Einzelheiten der Erzählung wieder-geben zu wollen.

Dann wendet er sich wieder dem Kavaljäre zu und untersucht dessen Verletzung.

Die sieht wirklich übel aus. Tief. Teilweise sind die Knochen freigelegt. Und sie stinkt verbrannt. das hat aber den Nebeneffekt, dass nicht allzuviel Blut fließt.

Kritisch mustert Frumol die Wunde. An eine schnelle Heilung ist wohl nicht zu denken. Dann geht er zu dem toten Magier, nimmt seinen Wurfdolch wieder auf und schneidet dessen Gewand in lange Streifen, nachdem er seinen Ekel vor einem geköpften Men-schen überwunden hat. Er achtet darauf, dem Hals nicht zu nahe zu kommen, dem Kopf nicht anzuse-hen und auch nicht in die Blutlache zu treten.

'Wie kann man einem Menschen nur so etwas antun?' fragt er sich. Zwar kennt er Geschichten über böse Magier und auch über Enthauptungen, doch die Realität sieht ganz fürchterlich aus. Mögend die Göt-ter dafür sorgen, dass er so etwas niemals wieder sieht!

Nachdem er ausreichend Stoff zurecht geschnitten hat, kehrt er zu Randirion zurück und verbindet ihn nach bestem Wissen. Dabei legt er aber keinen über-triebenen Wert auf eine vorsichtige oder schmerzfreie Behandlung. Falls sein Patient nicht stillhält, wird er ein wenig forsch zurechtgewiesen.

"So, das war's, Herr Kavaljäre", beendet er seine Arbeit nachdem er den Arm ruhig gestellt hat. "Ihr solltet Euch schonen, damit die Wunde verheilen kann."

"Ergebensten Dank Medicus Pellocke."

"Ihr könnt Euch schon einmal überlegen, wie ihr über die Grube zurückkommen wollt."

"So wie ihr sie sie in diese Richtung überwunden habt Herr Pellocke?", versucht Randirion die Situation zu entspannen.

"Das würde ich Euch nicht raten, zumindest nicht mit Eurer schweren Verletzung." entgegnet Frumol schlicht.

"Aber macht, Ihr für richtig haltet." fährt er fort. In sei-nem Gesicht ist der Anflug eines Lächelns zu sehen. Freut er sich etwa auf das was den Kavaljäre erwartet?

"Alrik sei so nett und erzähl ihr auch von den Skeletten und dem Wolf und dem verschwundenen Bewusstlosen, die alle noch hier unten sind."

Alrik scheint ihn gar nicht zu hören, aber jetzt fängt Seline an zu erzählen. Sephyra kriegt mit, dass Seline ebenfalls in einen Sack gesteckt wurde und dann ein-geschlafen ist. Sie erzählt von Träumen mit schwarzen Flammen und dunklen Gestalten. Richtig aufgewacht ist sie gerade eben erst.

Falls die Liege nicht zu schwer ist wird sie von Randi-rion motiviert Richtung Gang geschoben.

Die Liege ist im Moment durch Seline besetzt, die sich aber aufgerichtet hat. Das Eisbärenfell ist in einem tadellosen Zustand.

Randirion mischt sich, falls es nicht von allein nach der Untersuchung des Magus abgeebbt ist in das Gespräch der beiden Halbfertigen ein - "Alrik, würdet ihr eurer Schwester von der Liege helfen? Ich möchte unsere 'Brücke' etwas verbessern." und macht sich dar-an, alles was nicht niet und nagelfest ist von der Liege zu räumen.

Die Geschwister schauen auf, und es wird deutlich, dass sie sich beruhigt haben. Sie stehen ganz von allein auf. Als Seline steht, wird deutlich, dass sie wirklich kein kleines Mädchen mehr ist. Frumols Ja-cke geht ihr nur bis zur Mitte der Oberschenkel.

"Dort drüben liegt noch mein Rucksack mit einer Bluse darin. Die wird dir zusätzlich als Kleidung dienen können - wenn wir erst zurück auf der anderen Seite der Grube sind." Dass das so einfach für sie wird, bezweifelt Sephyra allerdings.

"Wenn wir aus diesem Zimmer raus sind, können wir auch etwas von dem Holz zum verrammeln der Tür bei den Skeletten benutzen. Falls das noch nötig sein sollte." denkt er gut vernehmlich für alle und hofft, das alles magische böse irgendwie an Murgols Leben hing und nun nur noch Archäologen erschrecken kann.

Er untersucht zunächst den kopflosen Magier oder das was von ihm übrig ist. Eventuell verbliebene Taschen teilen dieses Privileg nicht und werden penibel auf Schlüssel oder verwertbares untersucht.

Murgols Taschen sind leer.

Da überfällt Randirion das Verlangen noch einmal zu schaun ob aus den 100 Dukaten nicht plötzlich Skor-pione geworden sind und er klopft sich auf die Stelle wo er das Säckchen verstaut hatte.

Das Geld ist noch da.

Seine Kleidung ist ziemlich zerschnitten. Randirion fällt auch auf, dass sein Verband die gleiche Farbe hat.

Wie meinte doch sein Theologielehrer. 'Auch der schlechteste ist noch als abschreckendes Beispiel zu gebrauchen …'

Die Verletzung war wohl ziemlich heftig …

Zum Schluss rollt er den Leichnam noch mit dem Stiefel auf die Seite um sicher zu gehen dass er nicht auf etwas Nützliches gefallen ist. Auch das Schwert, dass ihm diese hässliche Wunde zugefügt hat wird be-gutachtet.

Das Schwert ist ein wirklich gut gearbeitetes Lang-schwert mit schwarzer Klinge. Flammenmuster scheinen in sie eingeätzt zu sein. Eben hat er es ja schon zum Abschlagen des Kopfes benutzt. Es hat das normale Gewicht eines Langschwerts und deswegen

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ist auch zu erwarten, dass es genauso viel Schaden wie ein Langschwert macht. Randirion weiß, dass er heftig trainieren müsste, um damit im Kampf umgehen zu können.

Der Umgang mit einer solch unhandlichen unbeweg-lichen Waffe missfällt seinem ästhetischen Gemüt je-doch zutiefst.

Ein edles Erinnerungsstück ist es allemal.

Seine Enkel werden Frage wo er denn diese lange Narbe her hat. Denn Brandwunden, das weiß Randi-rion verheilen ohne Zauber nicht ohne Narben. Und wenn er dann an in den langen kalten Nächten das Ifirn am Feuer die Geschichte des bösen Magiers und Kindesentführers erzählen wird und wie er von den 4 wackeren Helden niedergestreckt wurde, wird er ein Schwert über dem Kamin nehmen und sich jener Ruhmreichen Tage erinnern.

Ja! Das war es weswegen er los gezogen war und der Stolz den halben Weg zum Helden vollbracht zu haben, lässt ihn den brennenden Schmerz vergessen. Das Abenteuer das er suchte.

Oder er schenkt es Alrik zum 18. Götterlauf, jedenfalls hat er großes mit dem Schwert vor. Mit einigen ver-bliebenen Streifen des Magiergewands umwickelt er die Klinge und bastelt sich einen improvisierten Schultergurt.

Da er nicht vorhat es zum Kampf zu ziehen verknotet er den Klingenschutz rutschsicher.

Den Rest des Zimmers ignoriert er soweit.

Dann schaut er wieder in dir Runde, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Frumol sieht, dass auf dem Altar eine kleine Figur steht. Bis auf ein kleines Schränkchen neben der Liege scheint der Raum leer zu sein.

Selines Nacktheit hat er die ganze Zeit ignoriert.

Er nimmt das Bärenfell (bevor Randirion es auf den Boden wischt), betrachtet es anerkennend und drückt es Alrik in die Arme.

"Halt ma Kurzer".

Das macht Alrik anstandslos.

Dann hebt er die Liege kurz prüfend an, und so er der Meinung ist sie alleine heben zu können wuchtet er sie hoch, die Zähne zusammengebissen um nichts von den noch schmerzenden Rippen preis zu geben und schleppt sie zur Grube. Sollte sie ihm zu schwer vor-kommen ruft er Frumol zu "Komm schon, hilf ma hier, die Anderen sind ja im Moment nich' zu gebrau-chen."

Anschließend sammelt er den Schneidzahn und die Orknase wieder auf, nimmt Alrik das Fell aus den Ar-men und geht mit einem "Kommt jetzt, nix wie wech!" voran.

Eigentlich wollte Frumol sich wieder um Sephyra kümmern, doch er tut wie ihm geheißen wurde und geht Ingalf zur Hand.

"Was jetzt?" fragt er anschließend.

Seline richtet sich in fast akzentfreiem Garethi an die Helden: "Verehrte Dame, verehrte Herren, bitte verzeiht mein Erschrecken vorhin. Ich danke Euch von Herzen für die Befreiung meines Bruders und auch die meine. Wir beide und unsere Eltern werden Euch auf ewig dankbar sein. Mögen Rastullah und die Zwölfe immer ihre Hand über Euch halten."

'Gut. Vielleicht kann sie mir auf dem Rückweg ein wenig bei der Sprachbeherrschung des Tulamidia hel-fen.' überlegt Sephyra zwischendurch.

"Gern geschehen." antwortet Sephyra und setzt sich wieder auf den Boden, da ihr das Stehen - selbst mit der Unterstützung Frumols - sehr schwer fällt.

"Seid Ihr verletzt, verehrte Dame?" Seline schaut besorgt. Bevor jemand antwortet kann, plappert Alrik dazwischen: "Das sind sie wohl alle."

Eine kurzen Moment lang ist Pause. Dann hält sich Alrik die Hand vor den Mund und läuft tiefrot an.

Mit einem Lächeln für Alrik antwortet sie Seline: "Ja. Dieser Murgol schleuderte mir zweimal Magie ent-gegen und nun tut mir alles weh. Und das ohne eine offensichtliche Wunde." ergänzt sie.

"Oh, wie habt ihr es dann geschafft, den", Seline denkt kurz nach, "Murgol zu besiegen?"

"Nun, das war … nicht ganz einfach." gesteht Sephyra und zieht die Stirn in Falten. Ihr ganzer Körper ist eine einzige Schmerzquelle.

"Aber lass uns nicht davon sprechen, bevor wir nicht weit, weit fort von hier sind. Wir sollten jetzt wirklich gehen." fordert sie alle auf und mit Frumols Hilfe gelingt es ihr, sie wieder zu erheben.

RückwegDann steuert sie auf die provisorische Brücke über die Grube zu und gelangt mit der Hilfe der anderen hof-fentlich unversehrt auf die andere Seite, wo sie sodann den Rucksack aufnimmt.

Auf der anderen Seite wieder angekommen, geht Frumol zum Schrank und entnimmt diesem seinen Rucksack und das Gold, welches er sicher im Ruck-sack verstaut.

"Ich Teile euer Verlangen Madame Lunor", meint Randirion nachdem er mit den Kinder auf die andere Seite geklettert ist und sich Seline in seinem Rücken fertig ankleidet.

Das sieht Sephyra mit Wohlwollen, nachdem sie Seline die Bluse aus dem Rucksack heraus gesucht hat.

Seline zieht sich schnell um.

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"Es gibt meiner Meinung nach 5 Dinge noch zu tun hier unten. Zum ersten zu schauen ob die 2 Skelette noch eine Gefahr sind. Wenn dem so ist, sollten einige der Möbel die hier rumstehen sie lang genug aufhal-ten bis wir einen Weg hier heraus gefunden haben. Womit wir den 2. Punkt schon genannt hätten. Bleiben noch unser bewusstloser Gefolterter, der Fol-terknecht wenn wir hier lassen sollten wir ihn mit et-was Wasser und trocken Brot in eine Zelle sperren bis irgendjemand oder die örtliche Schutzmacht ihn in Gewahrsam nimmt. Wenn wir schon bei ihm sind, können wir gleich noch nach eurem Jagdhund schau-en Herr Wedmansson", wohl wissend das es sich um einen Wolf handelt aber sehr darum bemüht seinen Kampfgenossen in Worten zu Adeln.

"Wenn wir einmal dort sind und wir keinen anderen Ausgang finden, wird der Kamin zwar schmutzig ver-rußt und giftig sein. Aber er führt mit Sicherheit ans Tageslicht."

Er steckt sein Rapier in die Scheide lädt die Balestrina nach und sucht sich eine Fackel.

"Ich gedenke schleunigst Punkt Eins meiner Liste in Angriff zu nehmen. Wenn ihr hier noch brauchbares zu finden hofft, komm ich in jedem Fall zurück."

Er sieht sich nach tragbaren Lichtquellen um und nimmt sich eine der Öllampen aus Murgols Gemach, um mit dieser in der Linken, der Balestrina in der rechten zügig aber mit der gebotenen Vorsicht in Rich-tung der Skelette zu Bewegen.

Kurz bevor er das Sichtfeld eventuell zurück-bleibender verlässt ruft er lachend: "Vergesst eure Sturmlaterne und euren Seesack nicht Herr Wed-mansson ich denke der junge Müllersohn kann seine Schwester an der Hand führen auf dass sie nicht falle, er kennt ja schon einiges das von dem was uns erwartet."

Beschäftigungstherapie. Er will nicht an sein ent-stelltes Äußeres denken.

Randirion geht ein paar Schritte in den dunklen Gang, und dann ist er allein mit seinem Licht. Das wirkt ein wenig ernüchternd. 'Will ich wirklich allein auf Skelettjagd gehen?' fragt er sich.

Das wollte er um der Zwölfen Willen nicht …

'Bei aller Ehre aber wirke ich wirklich so drauf-gängerisch?' denkt er sich auf die Wortfetzten die er im gehen noch mitbekommt.

'Wie kann man nur so lebensmüde sein und nicht überprüfen wollen ob von 2 Gefährlichen nicht besiegten Gegnern eine Gefahr ausgeht? Lektion 2 oder 3 in Taktik und Kriegskunst. Besonders wo der einzige bekannte Ausgang verschüttet ist und Stunden bräuchte um freigelegt zu werden, bei 4 gesunden nicht mit 2 erschöpften Kindern und 4 ange-

schlagenen bergmännischen Laien, das sieht mir nach Selbstmord aus.'

'Gefährlich solch lange Gedankenketten', denkt er nur und konzentriert sich wieder auf etwaige Ver-änderung, jederzeit zum Rückzug bereit.

Vorsichtig geht Randirion weiter, bis er die Kreuzung erreicht, die zu dem Raum mit den Skeletten führt.

Was sofort auffällt, dass kein Hämmern mehr von der Tür zu hören ist. Vorsichtig geht Randirion weiter, bis er an die Tür kommt. Sie ist jetzt eingeschlagen. Da-vor liegen zwei Skelette, 2 schartige Schwerter und 2 alte Schilde. Bewegungslos.

"Ich würde gleich einen Ausgang suchen" widerspricht Frumol, denn wer weiß schon, was sie hier unten noch alles aufschrecken können. Gleich raus ins Tageslicht - dahin werden ihnen Skelette und Mumien sicher nicht folgen können.

Mit Sephyra alleine würden er hier sicher heil und ohne Schwierigkeiten herauskommen, genauso wie aus dem Keller des Schwarzen Ebers. Aber leider ist der wichtigtuerische Soldat und der Seemann dabei, zwei Menschen, die offenbar gerne die Gefahr suchen. Für seinen Geschmack können sie diesem Keller nun endgültig den Rücken zuwenden, sie habend die Kinder gefunden, sogar noch den bösen Magier besiegt, und auch etwas Gold gefunden. Sephyra und er können als unbesorgt weiter zum Gauklerfest zie-hen, und sich dort erholen, entspannen und es sich rundum gut gehen lassen.

Aber nein, hier ist einer, der will unbedingt nach den Skeletten sehen …

Auf diesen Hinweis hin kehrt Sephyra zu dem Spiegel in Murgols Kammer zurück und besieht ihn sich noch einmal genau. 'Zeigte er nicht vorhin den Weg im Sumpf, über den wir herkamen?' überlegt sie und be-trachtet das Bild. 'Oder ist nach Murgols Tod der Zau-ber erloschen?'

Es ist immer noch das lebendige Bild des Sumpfes zu sehen.

Falls nicht, dürfte das gute Stück einiges wert sein. Sobald Frumol neben ihr steht, wird sie ihn auf eine weitere Quelle gemeinsamen Wohlstandes hinweisen und ihn bitten, den Spiegel abzuhängen und mit-zunehmen, sollte dies noch im Rahmen der Möglich-keiten liegen.

Als Frumol neben ihr steht, sagt sie: "Den kann man bestimmt zu einem guten Preis verkaufen. Kannst Du den Spiegel abzuhängen und mitnehmen?"

Der Spiegel hat eine Breite von etwas mehr als ein Schritt und ist etwas weniger als ein Schritt hoch.

"Bist Du Dir sicher?" fragt Frumol. Schließlich ist der Spiegel ein wenig unhandlich. Und es ist schließlich ein Risiko, einen Spiegel durch das Gewölbe, durch

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den Sumpf und durch den Wald zu transportieren. Es gibt da solche Geschichten, was denen widerfährt, die einen Spiegel zerbrechen.

Frumol ist von dem Gedanken nicht angetan den Spiegel zu tragen – doch, falls Sephyra darauf besteht …

"Wir könnten auch wiederkommen und ihn später ho-len.", schlägt er leise vor. Er hofft allerdings, dass sie nicht darauf eingeht.

"Ich glaube, du hast Recht." gibt Sephyra nach. "Er ist wirklich etwas groß. Und wie schon der alte Ohm immer sagte: 'Sei nicht gierig!', sagte er." - 'Ja, wir mer-ken uns den Ort vor.' - "Vielleicht können wir bereits aus dem Wissen um seinen Verbleib einen Gewinn schlagen und die Information an wissbegierige For-scher verkaufen." schlägt sie statt dessen vor.

"Auf dem Gauklerfest werden wir bestimmt was finden." antwortet Frumol, erleichtert, dass Sephyra nicht darauf bestand, den Spiegel mitzunehmen.

Ingalf wartet leicht unruhig darauf, dass Sephyra und Frumol fertig werden, damit alle dem Cavalliere folgen können, der allein vorausgegangen ist. Er sagt aber nichts.

Ingalfs Ungeduld dank weiblicher Sensibilität bemer-kend schließt Sephyra das Thema ab: "Lasst uns ge-hen, alle." und wendet sich zum Ausgang. Immer wieder rückt sie den Rucksack auf dem Rücken zu-recht. Der Zauber Murgols bereitet ihr immer wieder Schmerzen, wenn sie sich bewegt (und auch wenn nicht), aber sie beklagt sich nicht.

"Soll ich einen Moment Deinen Rucksack tragen?" fragt Frumol als er ihr folgt.

"Nein, nein." wehrt Sephyra ab. "Du brauchst vielleicht beide Hände, falls uns tatsächlich noch eine unangenehme Überraschung bevorsteht. Ich schaffe das schon." fügt sie optimistisch hinzu.

Die Gruppe folgt Randirion in einem so großen Ab-stand, dass er nicht mehr zu sehen ist. Alle durch-queren den Raum des Pentagramms, welches peinlich genau umgangen wird.

Im folgenden langen Gang geht es zügiger voran. Als die vier an die Kreuzung kommen, wo es zum Raum mit den Skeletten geht, sehen sie in der Richtung Licht.

"Wo ist denn der Bewusstlose?" fällt Frumol auf.

"Den hatte ich im Raum mit dem Pentagramm abge-setzt. Und dann war er plötzlich weg." Ingalf schaut ein bisschen verlegen.

"Wo kann er denn hin sein? Der Herr Kavaljäre hat ihn sicher nicht mitgenommen, oder? in seinem Zu-stand ist er kaum aufstanden und weg gegangen."

"Wenn ich das wüsste …" Ingalf zuckt die Achseln. "Wäre schon gut, wenn wir ihn noch finden."

Er wendet sich an Alrik: "Hast Du was gesehen?"

"Nein, Herr. Gar nichts." Auch Alrik schaut ein biss-chen verlegen.

Sephyra wird misstrauisch: "Was meint ihr damit, 'Er ist weg.'?" fragt sie. "Soll das heißen, ein Bewusstloser verschwindet so einfach?"

"Er ist immer unruhiger geworden mit der Zeit. Er ist wohl aufgewacht", vermutet Ingalf.

Sie kann es kaum glauben. 'Was ist, wenn er uns nicht freundlich gesonnen ist, jetzt wo er wach ist?' Fragen über Fragen.

"Ich will hier einfach nur raus." flüstert sie Frumol ins Ohr.

Frumol schaut sie an, in seinen Augen kann Sie lesen, dass er sie versteht und auch er den Wunsch hat hier schnellstens heraus zu kommen. Beruhigend drückt er ihre Hand.

"Lasst uns hier herauskommen. Ich denke, dass die Fackeln uns einen Weg nach draußen weisen werden, schließlich wird auch Murgol sich nicht den Weg durch die Finsternis gesucht haben." antwortet er.

"Sicher." antwortet Sephyra, von Frumols Zuversicht wieder einmal unfreiwillig mitgerissen. Er schafft es einfach immer, aufkeimende Verzweiflung mit seiner liebenswürdigen Art zu verdrängen. 'Gut ihn zu haben.' denkt Sephyra nicht zum ersten Mal und lä-chelt zurück.

Aus Richtung der Lichtquelle ist ein Ruf zu ver-nehmen. Das klingt wie Randirion.

"Dann holen wir erstmal den Kavaljäre ab" spricht Frumol und folgt diesem durch die Gänge.

"Freunde?", Ruft Randirion leicht verunsichert in den Gang.

"Die Skelette sind staubig und zusammengefallen, ihr Zauber scheint gebrochen. Lasst uns schauen ob sie den Eingang bewachten!"

Jetzt erst dämmert es Randirion, dass sie ja nie durch den Haupteingang gekommen sind, was auch den in-neren Riegel erklärt.

Während er auf die anderen wartet tritt er die Knochen auseinander und schaut sich an ob von den Schilden etwas brauchbares übrig geblieben ist.

Viel machen die Schilde nicht her. Aber sie wären wenigstens ein ungefährliches Andenken für die Kinder.

'Damit könnten sich die Kinder bei Gefahr schützen.'

Er leuchtet durch die Reste der Tür und versucht zu erkennen ob am anderen Ende des länglichen Raums schon Treppen zu sehen sind.

'Wenn hier Fallen kommen sollte man sie leichter er-kennen können', hofft er insgeheim den gesundheitli-chen Zustand der Gruppe überschlagend.

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Der Raum sieht eher wie eine geplünderte Waffenkammer aus. Eine Treppe ist vom Eingang her nicht zu sehen.

"Ob wir hinter der Tür einen Ausgang finden?" fragt Sephyra den Kawaljere. "Schließlich werden die beiden Klappermänner keinen leeren Raum bewa-chen, oder? Lasst uns einfach nachsehen, Murgols Zauber scheinen mit ihm untergegangen zu sein."

"Wir sollten den erleuchteten Gängen folgen", setzt Frumol den letzten der Gruppe in Kenntnis, "Sicher ist Murgol nicht in der Dunkelheit durch die Gänge geschlichen, um wieder nach oben zu gelangen."

"Mit Verlaub, mein Heiler dem ich so große Teile meiner Gesundheit schulde,", setzt Randirion an, einen Konflikt ist das letzte was die Gruppe hier un-ten gebrauchen kann wo die Strauchdiebe wohl-möglich noch oben herum rennen. "Aber wenn ich mich recht entsinne sind wir eben durch höchst unbe-leuchtete Gänge zum Pentagramm im Oktogon ge-kommen, nicht das ich dem Magus nicht zutraue keine physischen Wege gehen zu müssen, er hat das hier unten sicher nicht selbst gebaut, also wird es mindestens einen Eingang geben, zur Not der Ver-schüttete. Wenn es uns zu gefährlich wird können wir immer noch den Folterknecht die gefährliche und an-strengende Arbeit machen lassen."

Er wirft einen neugierigen Blick auf die verteilten Knochen und in die Waffenkammer. 'Ob es hier noch Werkzeug gibt, mit dem wir die Tür im Vorratsraum aufbrechen können?' überlegt er.

"Wir können hier und in der Folterkammer auch gleich noch nach brauchbarem Werkzeug schauen, dass uns beim Verlassen dieses Kellers behilflich sein kann. 2 Gegner mit einem Hieb nannte mein Fecht-lehrer das immer."

"Habt ihr auch noch eine schlaue Antwort auf die besorgniserregende Frage, wohin der Bewusstlose aus der Folterkammer hin verschwunden ist?" antwortet ihm Frumol.

"Vielleicht sucht der einen Ausgang." Ingalfs Tonfall klingt absolut ernsthaft.

"Sicher." lässt sich Sephyra vernehmen. "Aber davon haben wir nur etwas, wenn wir ihn vorher finden und er dann noch bei uns ist, wenn er den Ausgang findet." Diese Argumentation ist kaum zu widerlegen, aber wenig hilfreich.

"Wir stöbern ihn auf - oder eben nicht. Das er weg ist, können wir jetzt nicht ändern."

"Ganz ihrer Meinung Frau Lunor.", merkt Randirion auf, während er immer noch die architektonische Merkwürdigkeit des Raumes zu verarbeiten sucht.

"Was ich denke was mit dem Bewusstlosen geschehen ist, fragt ihr? Nun denn: Die mir liebste Variante ist das er genauso wie der andere Gefangene Murgol war

und er sich um uns überraschen und auskundschaften zu können verzaubert hat oder sie, wie das Moorunge-heuer uns als Illusion geschaffen um unsere Kräfte zu binden und ihm mehr Zeit für seine finsteren Rituale zu geben."

"Aber dann können doch auch Alrik und Seline eine Illusion sein, genauso wie uns der Tod des Magiers vorgetäuscht worden sein könnte …" wirft Frumol ein, obwohl er solche Dinge gar nicht in Betracht ziehen möchte. Außerdem verwirren ihn so viele hätte-doch-sein-können ein wenig.

"Mit Verlaub Medicus Pellocke, das wage ich zu bezweifeln." entgegnet Randirion mit einem leichten Streberlächeln. "… und wenn doch. Sind wir so oder so schon tot - und dem Namenlosen - geweiht. Ich für meinen Teil bevorzuge die aktuelle Realität zu kon-frontieren und meine Theorien zu verifizieren oder zu falsifizieren."

'Sollte dies die Stunde sein in der mein miserables Bosparano bei meinem Heiler Eindruck schinden wird?'

Randirion hält einen Augenblick inne.

Frumol geht auf dieses Thema nicht weiter ein, die Gedanken sind ihm zu widerwärtig und helfen kaum einen Ausgang zu finden.

Die Waffenkammer"Also ist es beschlossen." Randirion betritt den Raum, bis er seine Dimension und eventuelle Ausgänge er-kennen kann. Und überprüft mit geübten Blick den Inhalt der Waffenkammer weniger auf brauchbare Waffen als solche die als Stemmwerkzeuge dienen können oder gar 'echtes' Werkzeug.

Ein am seiner breitesten Stelle 6 Schritt breiter und doppelt so langer Raum tut sich auf.

Da die Gruppe da ist und er ja eine freie Hand braucht, hängt er die Balestrina an den Gürtel. In der anderen sollte die Öllampe noch brennen.

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Gleich links neben der Eingangstür ist schon die Längswand, die erst nach zwei Schritt zwei weitere Schritt nach links zurückweicht. Am anderen Ende des Raumes ist ein Erker, in dem sich eine Tür be-findet.

Randirion wundert sich. "Wer baut denn sowas?", und deutet auf die vorstehende Wand. Er untersucht sie mit mehr Vorsicht als Interesse.

Und findet nichts Interessantes.

Und zuckt anteilnahmslos mit den Achseln. 'Was solls.'

Während er sich umsieht meint er zu den anderen: "Was denkt ihr, hat Murgol die Banditen angeheuert die Kinder zu entführt, sie verzaubert und gefügig ge-macht? Oder wissen die Diebe am Ende nichts von seiner Existenz. Wenn Murgol alle hier verzaubert hat, sollten wir nicht zu offensiv auf Fremde zugehen, vielleicht ist sogar der Kerkermeister eine arme Seele?", Randirion wird nachdenklich, das sie wohl-möglich Unschuldige getötet haben. Aber das wird sich zeigen, wenn man sie wieder sieht und das ge-denkt er zu vermeiden.

In Halterungen an den Wänden stehen ein paar Speer und Hellebarden.

"Wenn man damit umgehen könnte, hätten die uns hier unten die eine oder andere Schramme erspart." stellt Randirion beim erneuten bewerten der Kampf-kraft der Gruppe ernüchtert fest.

"Zur Not können wir mit dem besseren Feuerholz noch versuchen mit vereinten Kräften die Luke aufzu-stemmen. Ich wage zu behaupten die Folterkammer beherbergt hilfreichere Utensilien."

In zwei kleinen Holzfässern finden sich Schwerter, Kriegsbeile und Keulen.

In einer Ecke sind Schilde gestapelt. Alle Waffen sind fast unbrauchbar.

Randirion sucht die 2 besten Schilde aus und drückt sie den Kindern in die freien Hände.

"Werte Maid, Jüngling ihr scheint eine innere Nei-gung zu hegen, schnell bei Gefahr zu flüchten. So-lange wir euch nicht anders gebeten haben verfahrt weiter so. Wenn man sich nicht sicher ist einen Gegner bezwingen zu können ist die Flucht das beste was man tun kann. Solltet ihr jedoch in eine gefährli-che Situation geraten in der ihr nicht flüchten könnt oder sollt, versteckt ihr euch hinter diesen Schilden, sie sind nicht gut, sie sind nicht neu, aber sie sind als nichts. Außerdem helfen sie euch sich zu verstecken, wenn ihr schnell genug seid."

Zu den anderen: "Die Waffen und Schilde scheinen nicht wirklich zu mehr zu taugen als die Kinder vor dem äußersten zu bewahren, euch Madame Lunor würde ich in eurem Zustand jeden Schutz empfehlen

den ihr erfahren könnt. Entschuldigt vielmals dass ich euch in eurem Schmerz allein ließ. Allein Euer Verlangen und die Besorgnis um unser aller Sicherheit ließ mich vorauseilen und nicht Gefühlskälte euch nicht helfen zu wollen."

Sephyra unterlässt es in Erinnerung der Schmerzen, sich andeutungsweise zu verbeugen. Allerdings er-widert sie dem Kawaljere auf dessen ausschweifenden Reden: "Nun denn, werter Kawaljere, dessen war ich mir immer sicher. Etwas anderes käme Euer Gnaden auch kaum in den Sinn."

Sie sieht sich um und meint dann: "Glaubt Ihr ernst-haft, dass wir uns noch weiter rüsten und mit un-nützen Schilden belasten sollten? Weder die Kinder noch ich können damit wirklich umgehen. Außerdem sehen diese Dinger so aus, als breche man sich bei einem einzigen Hieb darauf bereits den Arm und zersplittern würden sie zudem gleich mit. Nein nein. Ich vertraue nicht auf diesen Schutz." und lehnt einen Schild ab.

"Verzeiht ihr einem verwundeten Edelmann diese verzweifelte Geste?",erwidert Randirion mit gesenktem Kopf -leicht deprimiert - ob des Wissens, dass sie Recht hat.

Als Randirion vorsichtig versucht, die andere Tür zu öffnen, erweist sie sich als verschlossen.

"Herr Pellocke großer Heiler und Öffner aller nicht-magischen Türen wollt ihr euer Glück versuchen." meint Randirion mit einer einladenden Geste versucht den Eindruck bei den Kinder zu erhalten und die Stimmung zu erhalten.

Die beiden nehmen die Schilde an. Seline nimmt sich zusätzlich mit den Worten "Holz hacken habe ich ge-lernt." noch ein Kriegsbeil.

Dazu zieht Sephyra nur die Augenbrauen hoch und schüttelt andeutungsweise den Kopf: 'Die Kinder heutzutage!'

Von der langen Rede, die der Kavaljäre hielt hat Frumol sicher nicht einmal die Hälfte mitbekommen - zu geschwollen war die Sprache.

Die alten Waffen und Gegenstände interessieren ihn nicht - auch hält er es für sinnlos, den Kinder ein Schild zu geben. Die können ohne bei Gefahr viel schneller laufen - viel mehr interessiert es ihn hier endlich heraus zu kommen.

Interessiert schaut sich Frumol einmal die Tür und das Schloss an, obwohl er nicht die Hoffnung hat, dass die Tür einer Waffenkammer nach draußen füh-ren würde …

… und dann ist er sich ganz sicher: Die Tür ist nicht echt. Hinter der Öffnung es Schlosses ist nur ein Loch. Und gleich dahinter kommt Stein.

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Verwirrt richtet sich Frumol wieder auf. Wer baut eine Tür vor eine Wand? Und warum?

"Hinter dieser Tür", gibt er bekannt, "wartet auf uns nur eine Felswand. Falls ihr's nicht glaubt, schaut selbst durch diese Öffnung." Er verweist auf das Loch, durch das er eben selbst geblickt hat.

Ein Geheimgang? Die Vorstellung fasziniert ihn, doch warum sollte man einen solchen mit einer Tür tarnen? Eine absurde Vorstellung. Vielleicht soll die Tür von einem anderen Geheimgang im Raum ablen-ken? Das wäre schon eher möglich. Lohnt es sich also hier weiter zu suchen? Oder ist es besser schnell aus diesen Gängen zu fliehen?

"Habt ihr schon was gefunden?" fragt er die Übrigen.

Alrik drängelt sich nach vorn und schaut durch das Loch. "Uuh!" entfährt ihm. Dann schaut er Frumol an: "Kannst Du die Tür aufmachen?"

Von hinten ist Seline auf tulamidisch zu hören. "Das ist kein Spiel Alrik! Wir wollen nach Hause."

"Sicherlich, Freund Alrik." antwortet Frumol ihm freundlich. "Doch zu welchem Zweck, da Du sie nicht durchschreiten kannst?"

"Mein ja nur." Alrik zieht den Kopf ein wenig ein - so als ob er gewöhnt ist, des öfteren einen Schlag auf den Hinterkopf zu bekommen.

Dieses Verhalten zaubert ein schmunzeln auf Frumol Gesicht. Immer, wenn sein Vater zu Hause war, muss-te er auch ganz vorsichtig sein.

"Fräulein Seline wenn ihr so freundlich wärt und euch vor dem Kampf der gegnerischen Kriegsbemalung zu entledigen? Bei eurem Rücken kann euch sicher der junge Herr Alrik behilflich sein. Welcher uns eher durch seine Folgsamkeit und Tragkraft geholfen hat euch zu retten, obwohl er gewillt war euch eigenhän-dig mit einem Langschwert zu befreien. Ich werde so-lange eure Waffen noch einmal auf ihre Güte prüfen.", sprachs und nahm ihr sanft die Axt aus der Hand."Herr Pellocke wenn ihr euch mit der Tür beschäftigt, tut dies noch solange bis sich Fräulein dieser verderbten Kunst entledigt hat."

"Madame Lunor ihr scheint mit magischen Dingen am bewandertsten. Wenn er mit dem einen oder anderen unheilvollen Zauber bereits fertig war, können Seline diese absonderlichen Bemalungen noch Gefahr sein? Sollten wir dann sie nicht so schnell wie möglich abwaschen, bevor sie noch einen Dämon der Niederhöllen anlockt und zum Opfer fällt?"

Er reicht Seline seine Feldflasche, "Wenn ihr euch gründlicher reinigen wollt finden wir in der Folter-kammer sicher noch genug Wasser."

Soviel Weitsicht hatte sie dem Kawaljere nicht zuge-traut: 'Da sieht man mal wieder, wie Frau sich

täuschen kann.' denkt sie: "Nun, werter Kawaljere. Damit habe ich nun wirklich keine Erfahrung. Aber Eure Anmerkung klingt sehr weise. So sei es." fügt sie für Seline bestimmt hinzu.

Seline lächelt schüchtern: "Wenn die werten Herren vielleicht vor die Tür treten mögen."

Sie geht mit Sephyra hinter den Vorsprung. Die Farbe geht relativ leicht ab.

"Vielen Dank für Eure Weitsicht, mein Herr!" sagt sie zu Randirion, als sie wieder zurückkommt.

Und dreht sich mit der Axt in der Hand zu Ingalf um.

"Kommt Freund Wedmannsson, ich wollte schon immer einmal erfahren wie man erkennt aus welchem Baum ein Möbel ist, diese vorbearbeitete Tür kann uns doch sicherlich einiges über die … ähm Natur und Pflanzenwelt der Gegend erzählen."

Ingalf kommt der Bitte nach und untersucht das Kriegsbeil. Allerdings kann er deutlich besser mit Äx-ten umgehen als sie begutachten. Wenn er seiner Mei-nung nach zufrieden ist, übernimmt er den Part mit dem 'Axt in Tür'- und zwar mit einem marker-schütternden Kriegsschrei, der jede nicht-magische Tür bereits vor Angst in die Knie zwingt. Dabei visiert er die Gegend um das Schloss an.

Während Seline sich umzieht schaut er sich die Axt noch einmal an und lässt auch Ingalf sie begutachten. Falls der Schaft Ermüdungserscheinungen erkennen lässt, wird er versuchen sie so ins Holz zu treiben, Das er entweder bricht oder es beim herausziehen tun wird.

Die Axt ist brauchbar, sollte aber demnächst mal einen neuen Schaft bekommen. Jedenfalls bleibt die Klinge in der Tür stecken.

Sollte die Axt jedoch 'nur alt' sein, wird sie Seline mit weitschweifigen Worten der Warnung und der über-triebenen pädagogischen Fürsorge wiedergeben.

Seline schaut ein wenig seltsam, so als ob sie denken würde: 'Das man die Axt benutzen kann, weiß ich doch selbst. Ich bin doch kein Kind mehr!'

"Es muss einen Ausgang geben, selbst wenn der Murgol telepar…dingsbums, also so wie fliegen nur anders, konnte. Seine Wachen, sein Kerkermeister und auch die Kinners können 's ja wohl nich'. Und ich glaub kein Wort, dass der Kerkermeister eigentlich gar kein übler Kerl war, und der Bewusstlose …hmm wer von der Aussicht auf Feuer nich' wach wird is' entwe-der 'nen Schwindler oder so besoffen, dass gar nix mehr geht … wobei mir nich' aufgefallen wär, dass der Kerl sich am Boden festhalten musste."

Ingalf grinst über das ganze Gesicht bei der letzten Bemerkung.

"Nun Gut."

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Bis Frumol mit der Tür fertig ist, überprüft Randirion mit einem Blick ob die Tür von den Skeletten zerhau-en wurde. (Schwertscharten, Splitter außerhalb des Raums, nur Kleinere innen).

Die Skelette sind offensichtlich durch die Tür gebro-chen und kurz danach endgültig zu Boron gegangen.

Falls es hier nichts Interessantes gibt, wendet er sich wieder ab und schreitet voran, auf der Suche nach dem Ausgang.

Randirion folgt.

Er geht bis zur Kreuzung vor und schaut bis die Gruppe nachgekommen ist noch fix in den Raum mit den Steinblöcken und schaut ob dieser noch einen Ausgang hat.

"Keine Sorge ich will nich irre gehn, nur den Raum anschauen."

Er vermeidet es länger als 60 Herzschläge aus dem Sichtfeld eines Gefährten zu entschwinden.

Die Steinblöcke erweisen sich als Behältnisse für Sar-kophage.

Im hinteren Bereich liegen zwei Mumien auf dem Steinboden - so als ob sie vor kurzem noch gelaufen und dann zusammengebrochen sind.

Einen Ausgang gibt es nicht.

Randirion kehrt zur Gruppe zurück.

"Wenn wir den Bewusstlosen wirklich nicht auf un-serem Weg finden, sollten wir - nachdem wir einen Ausgang gefunden haben - systematisch die nächsten Gänge absuchen. Herr Pellocke ihr habt doch sicher-lich die Karte noch in euer Obhut? Ergänzt bitte bei Gelegenheit, dass der Raum mit den Steinblöcken nun tote Mumien enthält keinen Ausgang hat und die Steinblöcke Sarkophage enthalten. Ich für meinen Teil gedenke nicht Boron zu erzürnen und ihre Hüllen zu entweihen." teil Randirion mit ohne weitere Kon-junktive zu verschwenden.

"Medicus, Freund Wedmansson geht ihr vor zur Fol-terkammer? Ich gedenke die Nachhut zu über-nehmen."

Die Karte! Die hatte Frumol ganz vergessen. Sicher hat er sie in den Rucksack gesteckt …

(Kommode) _______ | KKK | | | |__ __| _________________| | / __________________| ___ ___ ___ / / ___ | | | | | | / / | | |_ _| |_ _| |_ _| / / ___|MGZ| | |___| |___| |________/ / ____ | _____| |_ Zellentrakt ______ / | | |:| ___ Folterkammer | | _____ | WR |--|:| / Ost?\_____________ | | | | |__ _____|( Turm ___ _____ | | |dunkel |_ WK | ||Geheimgang \ ___ / __| |__ | | | |___| |_______ | | ||_ | | | | |_____ _____ | | _| / \__ | Lager | | | | | | | | | | LAB | |__ __| | |________________| |_____| | | | \___/| | (_) |________ _______ _____ | | | | | | | | | | | | | _| | | | dunkel | | | | | _| __| | | |__| |_________| | dunkel __ | |_________ ______| _| |_ Treppe |-| / \ __|-|______ ( Turm ) |Raum mit | \_____/ |Sarkopharg | mit Treppe |___________| (verschüttet)LAB = Murgols Labor mit Pentagramm, Angriff und Vernichtung der MumienMGZ = Murgols geheimes Zimmer, hier wurde Seline gefunden und der Bösewicht besiegt.WK = Waffenkammer, an der oberen Wand gibt es die Tür, hinter der nur die Wand ist. Merkwürdig, oder?WR = Murgols Wohnraum mit Sessel, Spiegel und Schrank|:| = Grube mit Spitzen (jetzt unschädlich durch Tisch und Bett)

Er bestätigt mit einem Nicken, dass er verstanden hat, was der Herr Kavaljäre wünscht. 'Warum will er die

Karte so sorgsam geführt haben?' überlegt er misstrau-isch weiter. 'Warum sollen dort tote Mumien verzeich-

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net werden? Und warum die Sarkophage? Was bezweckt er damit?'

Forschend schaut er den feinen Herren an, sucht kurz nach einer Auffälligkeit. Dann wendet er sich ab und folgt Ingalf.

'Hier wird alles immer merkwürdiger: Türen die keine sind, es sei denn man kann durch Stein gehen. Und ein feiner Pinkel, der sich noch seltsame benimmt als sonst', überlegt er während er Ingalf durch die Gänge folgt.

Diese seltsame Tür beschäftigt ihn noch immer: 'Wie heißen denn diese Geschöpfe aus Stein der zu Leben erwacht ist? Dolens?' Er kommt nicht auf den richtigen Namen, doch könnte das eine Tür für jene Geschöpf sein?

Auch Sephyra lässt die Entdeckung Frumols nicht los. In Gedanken beschäftigt sie sich mit der "Tür ohne Tür", wie sie sie im Geiste nennt. Daher muss sie ihre Neugier befriedigen und geht hinüber, um sie selbst noch einmal genau anzusehen.

Dabei legt sie eine Hand fühlend darauf und lässt sie langsam hin und her gleiten, so als ließe sich dadurch die Wahrnehmung verstärken.

Tief in ihrem Inneren spürt sie auf einmal, dass sie eine Verbindung zur Tür hat. Sie kann sie spüren. Und an ihr ziehen. Sie (nur sie) sieht, dass sich die Tür ganz leicht durchbeult, so als ob auf der anderen Seite jemand dagegen drückt.

Das ist alles.

'Hm, merkwürdig.' überlegt sie und mit diesem Ge-danken folgt sie den anderen, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Bei nächster Gelegenheit spricht sie Frumol jedoch darauf an: "Du Frumol, die Tür in der alten Waffenkammer. Damit stimmt etwas ganz und gar nicht. Ich glaubte eben, dass ich da jemanden auf der anderen Seite spüren konnte, fast so, als würde die Tür zugehalten. Also so, als drückte jemand stark dagegen, damit wir glauben, dass es dort nicht weitergeht."

Frumol weiß, dass Sephyra Dinge sieht und fühlt, die ihm verborgen bleiben.

Er erinnert sich auch an den Vorfall auf der "Prin-zessin von Festum".

Dort hat Rakorium Dinge gesehen, die lieber ver-borgen bleiben sollten, jedenfalls nach Sephyras Mei-nung. Um was es sich handelt weiß Frumol nicht, Se-phyra hat nie wieder darüber gesprochen. Und er hat nie danach gefragt.

"Mir geht die Tür auch nicht aus dem Sinn." ant-wortet er leise. Das geht die Anderen nichts an. Sollen sie doch ruhig denken, dass hier wieder geturtelt wird.

"Ich dachte schon an diese Geschöpfe aus Stein, die durch Magie zum Leben erweckt werden. Ich komme nur nicht auf deren Namen."

"Meinst du diese Golems oder Kolems oder wie diese wandelnden Statuen genannt werden, die finsteren Magier angeblich aus Lehm und Holz sowie der Rippe eines unglückseligen Unbeteiligten formen?" fragt sie. 'Sollten wir wirklich dorthin zurück gehen und vielleicht auf so etwas treffen?' überlegt sie.

"Genau die", bestätigt Frumol, beeindruckt von ihren Kenntnissen. Das es dazu noch einer Rippe bedarf, hätte er nun nicht gewusst.

"Vielleicht ist dies so etwas wie eine Pforte für solche Wesen." Er schweigt einen Moment. "Ich kann mir je-denfalls keinen Reim auf diese Tür machen!"

"Du meinst, die Skelette haben eine solche Kreatur bewacht? Oder haben sie darauf geachtet, dass diese nicht herauskommt?" Der letzte Satz erscheint ihr hinsichtlich der Empfindung, dass die Tür zugehalten wurde, eigentlich abstrus.

"Vielleicht haben die Skelette die Kreatur bewacht", überlegt er.

"Kann es sein, dass sich die Kreatur dort nur versteckt hält? Vielleicht hat sie einen ganz anderen Auftrag. Außerdem existiert sie noch, die Wesen, die Murgol vermutlich erschaffen hat, sind hingegen mit ihm gestorben." führt er seien Überlegungen fort.

Wieder in de FolterkammerIngalf kratzt sich am Kopf, schaut kurz auf Frumols Karte und führt die Gruppe zügigen Schrittes zur Fol-terkammer. Dort zeigt sich vom Eingang aus ein Bild des Schreckens: Dem Folterknecht wurde die Kehle durchgeschnitten. Vor der Streckbank liegt auf dem Boden der Bewusstlose.

"Oh je", entfährt es Frumol als er das Dilemma sieht. "Was ist denn hier passiert?"

Das er sich um den Folterknecht nicht mehr zu küm-mern braucht schient klar. Sein Blick sucht hingegen nach der Waffe, mit der diese Tat begangen wurde.

Die liegt neben dem Bewusstlosen auf dem Boden. Es ist ein Langschwert.

"Der Mann hatte ein Ziel." kommentiert Ingalf tro-cken.

"Der Mann hat unsere Informationsquellen gerade halbiert! Ich kann es ihm nicht verdenken …"

Randirion geht auf den Bewusstlosen zu und tritt das Langschwert mit dem Fuß zur Seite.

"Freund!", spricht er ihn deutlich an.

Es kommt keinerlei Reaktion.

Während er auf eine Reaktion wartet schaut er sich im Raum nach hilfreichen Stemmwerkzeugen um. 'Wenn

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nix davon die Luke öffnet, können wir es auch mit aufbrennen versuchen', denkt er sich.

Ein Brecheisen wäre optimal. Das gibt es aber nicht hier.

"Seline. Falls ihr noch Flüssigkeit zum säubern braucht, der Wasserkübel steht dort." er deutet auf die Stelle an dem zuletzt der Eimer stand.

"Danke, mein Herr." Seline geht zum Eimer, füllt die Feldflasche auf und reicht sie ihm wieder. "Es geht so. Richtig waschen werde ich mich zu Hause. Hoffent-lich sind wir bald hier raus."

"Das Hoffen wir alle mutige Müllerstochter."

'Bäh! Ich muss mir unbedingt merken, keine Wasserra-tion von ihm anzunehmen, bis er die Flasche gänzlich gesäubert und frisches Wasser hinein gefüllt hat.' Überlegt Sephyra, während sie interessiert den Vorgang beobachtet. 'Wer weiß, welche glühenden Eisen in diesem Eimer abgeschreckt wurden …'

Randirion sucht sich ein möglichst sauberes Stück Stoff (falls sich kein Schwamm in der Folterkammer finden sollte) und befeuchtet es mit dem Wasser aus seiner Feldflasche. 'Man soll die Feldflasche der Gesundheit zu Liebe und zur Ehre regelmäßig sein Feldbesteck auswaschen.'

Er versucht den Bewusstlosen zu tränken.

Und diesmal kommt er hustend zu sich. Er schlägt die Augen auf und stöhnt nur: "Bitte nicht!" - auf Garethi.

Aus dem Wolfskäfig ist ein Knurren zu hören. Beim Hinschauen erweist sich, dass der Wolf unverletzt ist.

'Soll sich Ingalf drum kümmern ich kannte mich mit den Tieren noch nie gut aus.', ihm wäre es lieber den Wolf genau dort zu lassen wo er jetzt ist.

"Es muss doch in einer Folterkammer brauchbares Stemmwerkzeug geben. Zangen, handliche Keile die man in die Spalten Treiben kann. Irgendwas?"

Zangen gibt es ein paar. Und Brandeisen.

"Herr Wedmannsson? Ihr wisst doch viel über Tiere, wenn wir es schaffen, das der Wolf uns nicht anfällt könnte er den Weg hieraus nicht 'wettern'?" man merkt Randirion an, dass er nicht allzuviel Zeit und Gedanken mit Natur und Tieren verbracht hat und selbige meist mit Pferden.

"Wie kommst Du denn darauf, dass ich viel über Tiere weiß?" Ingalf schaut richtig verdutzt.

"Aber Ihr seid doch hier hereingekommen. Da muss man doch auch herauskommen!" Seline wird richtig energisch.

Randirion nimmt sich auch um den Bewusstlosen et-was auf den Stand zu bringen Zeit zum erklären: "Der Weg der uns hierunter gelangen ließ, führte uns durch ein Loch in einem Brunnen, dessen Schacht tief und

dessen Kette zusammen mit einem schwer verwunde-ten Krakenmolch liegt."

Er ehemals Bewusstlose schaut Randirion nur ver-ständnislos an. Schließlich kommt ein leises "Wer seid Ihr?" über seine Lippen.

"Wir haben hier unten noch nicht alles abgesucht. Ein eingefallener Treppenturm und eine verschlossene Kellerluke waren bis jetzt unsere hoffnungsvollsten Ausgänge."

"Oh!", entgegnet Seline nur.

"… und dann wären da noch der verschwundene Gefangene und der Wolf. Bei ersterem hoffe ich einfach, dass uns Murgol hier einen Trick gespielt hat. Zu unserem tierischen Problem meine ich im Moment, dass es genau da bleiben sollte wo es grad ist.

Zu eurer verschlossenen Tür Madame Lunor, Herr Pellocke. Ich glaube sie ist genauso eine Falle wie jene die Freund Wedmannsson diesen Kleidsamen Verband verschafft hat. Einzig jene Tür sollten wir noch ein-mal überprüfen, sollte sie noch immer magisch verschlossen sein, droht uns denk ich mehr als nur ein toter Magier."

Er nimmt eine möglichst stabile Zange in die Rechte nachdem er ein einem Brecheisen am ähnlichsten Brandeisen Alrik in die Hand gedrückt hat.

Alrik nimmt sein Eisen mit leuchtenden Augen ent-gegen.

"Warum? Ein Wolfsfell ist doch etwas sehr brauchba-res." Seline scheint sehr praktisch zu denken.

Ein Grinsen huscht über Sephyras Gesicht. 'Ha, auch sie gibt dem Kawaljere Feuer!' denkt sie dabei. 'Na ja, er hat's auch verdient …'

Laut erwidert sie daraufhin: "Ich glaube, unser lieber Kawaljere hat ein Problem damit, ein Tier hier unten zu lassen und es dem nahezu sicheren Tod durch Hunger und Durst auszusetzen. Andererseits kann es auch Firuns Wille gewesen sein, der den Wolf hier herunter geführt hatte, damit er genau dieses oder je-des andere Schicksal erleide, das für ihn vorgesehen ist. Wer kann das schon sagen?" Stirn runzelnd lehnt sie sich gegen einen der Tische, um ihre Schmerzenden Gliedmaßen auszuruhen.

"Und warum tötet Ihr den Wolf nicht einfach?" fragt Seline mit verständnisloser Miene. Alrik sieht gar nicht begeistert aus.

"Weil das nur die letzte Möglichkeit is', Deern. Der Wolf is' an sich nich' bös, er kann wahrscheinlich nix dafür dass er hier is'. Wenn's gar nicht anners geht, mach ich auch lieber um als ihn verdursten zu lassen, sowas macht nämlich nich' ma' mit 'nem Wolf."

Seline nickt so, als ob sie nicht ganz überzeugt ist.

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Er wendet sich an den ehemals Bewusstlosen "Hey, wie heißt 'n du, un' wie kommste hierher? Und war der da" er zeigt auf den Wolf "schon da, oder wie?"

Der Gefangene berichtet mit schwacher Stimme: "An-unt Ribesell mein Name. Wandernder Schneider. Ich komme aus Beilunk und war auf meiner Wander-schaft, als mich ein paar Strolche überfallen und nie-dergeschlagen haben. Ich bin dann zu einer Burgruine geschleppt worden, so richtig habe ich das halbbeduselt nicht mitgekriegt, die Treppe runter und seitdem immer abwechselnd Zelle oder Folterbank. Ab und zu habe ich außer dem Folterknecht auch so einen schwarz Gekleideten gesehen. Geredet hat mit mir niemand. - Ach ja. Der Wolf gehörte dem Folter-knecht. Bei dem war der ganz zahm."

"Entschuldigt meine Unhöflichkeit guter Mann. Ca-valliere Randirion ya Calmatin ist mein Name. Frumol Pellocke, Sephyra Lunor und Ingalf Wed-mannsson. Seline und Alrik sind die Kinder des Mül-lers, der uns bat sie zu finden und zurückzubringen. Um euch nicht zurückzulassen nahmen wir uns die Freiheit eure Wunden zu reinigen und euch mitzu-tragen, bis wir auf mehrere Untote und den schwarzen Magier Murgol der Seline wohl grade für seine namenlosen Rituale missbrauchen wollte. Murgol selbst bezahlte für seine gottlosen Frevel bereits. Mit ihm fielen auch einige Verzauberungen in diesem Keller. Ich nehme an das ihr euch die Freiheit nahmt euren Peiniger zu entleiben?"

Der Schneidergeselle schaut erst Randirion dann den Folterknecht an.

Dann überlegt er einen Moment. "'Fürwahr', so würdet Ihr wohl sagen?" entgegnet er dann mit einem leichten Lächeln.

"So sei es denn.", antwortet Randirion mit einem leichten Seufzer. "Boron wird einen der ihm Seelen solange vorenthält sicher nicht so schnell zurückschi-cken nur um uns die Frage nach dem Ausgang zu be-antwortet und bei den Zwölfen ich habe hier auch schon genug lebende Tote gesehen."

Randirion reicht Anunt seine Feldflasche.

"Es ist leider nur Kühlwasser der Folterinstrumente, Herr Wedmansson ist sicherlich gerne bereit euch einen Schluck seines Weines zu geben, den ihr wäh-rend eures Schlafs verschmähtet. Wenn ihr euch stär-ken wollt bevor wir dieses verdammte Schloss und den verzauberten Sumpf verlassen so hält der hiesige Lagerraum noch etwas bereit."

Anunt Ribesell nimmt die Flasche entgegen und nimmt einen Schluck. "Je schneller wir hier heraus sind, desto besser."

"Herr Pellocke den Gang neben dem eingestürzten Turm wolltet ihr Versuchen? So sei es." Er nimmt sei-ne Feldflasche zurück und reicht Anunt die Öllampe

um für Balestrina und Rapier die Hände frei zu haben.

"Sagt Schneider, war die Gestalt vielleicht mit diesem Tuch bekleidet?", er deutet auf den Stoff mit dem er das Schwert umwickelt hat. "Entschuldigt meine vielen Fragen, aber in einer dritten Zelle flehte uns ein Mittelländer um seine Befreiung an war jedoch verschwunden nachdem wir den Folterknecht un-schädlich gemacht hatten. Wisst ihr etwas über ihn?"

Ribesell wirft einen Blick auf das Tuch, zuckt dann aber die Achseln: "Das Tuch war es. Eindeutig. Stoffe präge ich mir ein. Woher habt Ihr das Tuch?"

"Wie ich bereits andeutete haben meine Freunde und ich ihn zu Boron geschickt nachdem er Seline nicht freiwillig freilassen wollte. Weswegen wir alle nicht mehr so unversehrt aussehen wie wir dieses Verlies be-traten.

Wenn ihr euch einen Silberling verdienen wollt, könnt ihr gerne meine Kleider reparieren wenn wir dieses Schloss und den Sumpf verlassen haben.

Das Tuch selbst trug der Schurke als wir ihn entleib-ten, ein ganzer Mantel hängt noch in seinem Schrank. Ich persönlich kehre dorthin nur ungern zurück. Allerdings möchtet ihr wohl auch nicht erfrieren."

Randirion bemerkt wieder dass er ja mit einem fast nackten spricht und jener die nächste Nacht draußen ohne Kleidung wohl nur mit mühe überleben wird …

"Wie weit ist es denn bis zur nächsten Behausung? Und welche Tageszeit haben wir überhaupt? ich möchte hier wirklich so schnell wie möglich raus", erkundigt sich Ribesell, ohne auf Randirions Angebot weiter einzugehen.

"Soll ich den Mantel holen?" fragt Alrik eifrig. Seline verdreht nur die Augen, sagt aber nichts.

'Aha.' denkt sich Sephyra. 'Gut zu wissen, dass es an-scheinend kein wilder Wolf ist. Aber das hilft uns nach dem Tod des Folterknechts auch nicht weiter.' - "Wahrscheinlich ist der Wolf jetzt nach dem Tod sei-nes Herrchens noch wütender, als wenn es einfach ein wildes Tier gewesen wäre …" führt sie den Gedanken laut fort.

'Das hilft nun weder uns noch dem toten Folter-knecht.' überlegt Frumol, währen er zum Tisch geht und die Karte betrachtet, die er auf den Tisch legt. "Wo könnte ein Ausgang sein? Sollten wir es noch ein-mal bei der verschütteten Treppe versuchen?"

"Ich würde vorschlagen," dabei besieht sich auch Se-phyra die Karte und legt einen Arm über Frumols Schulter, um sich abzustützen und so bequemer stehen zu können, "dass wir uns dorthin begeben." Dabei zeigt sie auf die Karte und den Turm mit der verschütteten Treppe. "Wahrscheinlich führt dieser Gang zu dem anderen Turm, dessen Treppe vielleicht frei ist."

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"Du könntest Recht haben, vielleicht auch nicht. Je-denfalls bin ich dafür, in den beleuchteten Gängen zu bleiben. Alles andere erscheint mit absurd."

Antwortet Frumol und hofft, das Sephyra es bequem hat.

Alrik meldet sich zu Wort: "Wir sind doch jetzt sieben Leute. Vielleicht, wenn alle mit anpacken …"

"Ich glaube kaum, dass ihr hier über die verschüttete Treppe heruntergekommen seid." antwortet Sephyra. "Murgol und seine Spießgesellen werden einen begeh-baren Weg freigehalten haben, den gilt es zu finden." - 'Ohne den anderen Spießgesellen in die Arme zu laufen.' ergänzt sie für sich den Satz.

"Alrik und ich folgen euch, meine Dame", entgegnet Seline mit einer gewissen Würde. Zu Alrik sagt sie ganz schnell etwas, wovon Sephyra nur "Sei nicht so …laut!" versteht.

"Nur bitte nicht so vornehm." lächelt Sephyra nach-sichtig. "Also lasst uns aufbrechen und hier so schnell als möglich verschwinden." und macht sich auf Frumol gestützt auf, die Tür der Folterkammer hinter sich zu lassen.

Anunt Ribesell ergänzt: "Ich schliess' mich gern an, wenn ich darf." - "Und kann." ergänzt er, als er sich stöhnend aufrichtet.

"Nun, meinetwegen gern." entgegnet sie.

Also verfolgen Frumol und Sephyra gespannt die Diskussion zwischen dem ehemals Bewusstlosen und dem Kawaljere.

"Da wir anscheinend alle hier schnell 'raus wollen, sollten wir es endlich auch tun!" drängt Sephyra und schickt sich wieder an, die Kammer zu verlassen. "Lasst uns den Mantel und die Stiefel holen und als Leihgabe an den Schneider geben und dann unser Glück mit dem Gang neben dem verschütteten Turm versuchen." bringt sie erneut ihren Vorschlag.

Als niemand widerspricht, geht Sephyra gestützt auf Frumol los und alle folgen.

'Widerspreche nie einer hübschen Gefährtin, die sich auf Dich stützt.'

An der Abzweigung zur Vorratskammer zuckt Randi-rion die Achseln und legt Zange und Brecheisen ab.

Es ist immer wieder faszinierend, wie kurz gefühlte Entfernungen werden, wenn man den Weg kennt. Ruck zuck ist die Gruppe wieder in Murgols Raum.

Natürlich sind der edle Mantel und die dazu passenden Stiefel noch da.

Anunt Ribesell sagt ehrfürchtig: "Ein edles Gewand!" Er macht aber keinerlei Anstalten, den Mantel anzu-ziehen.

"Sein Besitzer ist entleibt und ihr seht dafür umso spärlicher gewandet aus Herr Schneider. Wenn nie-

mand Einwände hat und euch kalt wird könnte der hilfreich sein …", während Randirion noch wortreich ist kommt ihm eine geniale Idee …

"Murgol mag tot sein, seine Schergen jedoch sollten das noch nicht unbedingt wissen. Wir sollten Mantel und Stiefel auf alle Fälle mitnehmen wenn es gilt an der einen oder der anderen Wache ungestört vorbeizu-kommen, so sie nicht nur durch seine Magie gebannt waren … Wenn wir anderes Tuch zur Verfügung haben, könnt ihr euch immer noch angemessenes Schneidern."

"Nun komm, nimm, weswegen wir hier sind." fordert sie Frumol auf und sobald die 3 Teile (Mantel plus Stiefel) irgendwie in Frumols Gepäck verstaut sind, geht es zurück.

Randirion ist ziemlich egal wer nun hinterher was anhat, der Mantel an Frumol hätte den Vorteil, dass er eventuell besser Murgol imitieren könnte.

'Hauptsache Herr Ribesell sieht nicht mehr gar so sehr wie ein frisch gefolterter Schneidergeselle aus', denkt er sich. Bei der Gelegenheit versucht er den Schneider unauffällig zu mustern und zu erkennen ob er Berufs typische anatomische Merkmale aufweist (Starke Hornhaut an nähenden Teilen u.U. Vernarbte Nadel-stiche) und er nicht auch einer von der Sorte des verschwundenen Gefangenen ist …

Der ehemalige Gefangene ist so verdreckt, dass nichts zu erkennen ist.

Frumol nimmt den Mantel aus dem Schrank und überprüft die Taschen auf einen eventuellen Inhalt. Dann reicht er den Mantel dem Schneider: "Nehmt diese Leihgabe damit Euch nicht friert. Es ist kalt draußen. Ihr könnt ihn mir zurückgeben, sobald ihr Gegebenheit hattet, Euch einzukleiden."

"Edler Retter, das ist zuviel der Güte! So ein Geschenk kann ich nicht annehmen!" entgegnet Ribesell verlegen. "Mantel und Stiefel würden außerdem aus-gezeichnet zu Eurer Lederkleidung passen. Und wir sind doch hier im Süden, wo es gar nicht so kalt ist. Wenn mir vielleicht jemand eine Decke leihen kann, falls wir draußen übernachten müssen … Aber eigent-lich sollte es doch gar nicht so weit bis zu einer Be-hausung sein."

'Na gut. Wenn er nicht will.' denkt Frumol. Insgeheim ist er froh, das der Schneider den Mantel nicht über-ziehen will, so dreckig wie er ist. So schnallt Frumol in schnell auf seinen Rucksack.

Anschließend nimmt er die Stiefel und reicht sie eben-falls weiter: "Geht sorgsam mit Ihnen um, als wären es Eure eigenen." Er geht zwar davon aus, das eine Schneider sorgfältig auf Kleidung achtet, aber es kann nicht schaden, noch einmal darauf hinzuweisen. Vor allem, da es gute Kleidung ist, die ihm sicherlich noch den einen oder anderen guten Dienst erweisen wird.

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"Wie ich schon sagte, edler Retter. Die Stiefel sind Eu-er. Ich bin aber gern bereit, die Eurigen, die sicher schon eine große Wegstrecke hinter sich haben, zu übernehmen."

Jetzt ist es an Frumol den Fremden entgeistert anzuse-hen. Sein Blick senkt sich zu seinen Stiefeln, die er für noch gar nicht so alt und abgenutzt gehalten hat. Er hat sie doch gerade es ordentlich eingelaufen. Sollte er sich so geirrt haben?

Die Stiefel sind einfach seid einigen Tagen nicht ge-putzt worden und an der einen oder anderen Stelle schon angestoßen. Das passiert, wenn man durch die Gegend zieht und in Kellergewölben rumkraxelt.

"Äh, nein", antwortet er verwirrt. "Nehmt sie ruhig, damit wir hier schnell heraus können." Er hält ihm die Stiefel entgegen.

"So soll es denn sein!" Ribesell zieht die Stiefel an. Sie passen.

Sephyra geleitet Frumol zielgerichtet zu dem Punkt, an dem es zum Turm mit der verschütteten Treppe abgeht. Als sie sich umsieht und die anderen erblickt, erwartet sie keine Widerworte hinsichtlich des Wegs und nimmt dann die Abzweigung ins Dunkel nach links kurz vor dem Turm. "Würdest du leuchten?" fragt sie Ingalf, der nun von der Last des ehemals be-wusstlosen Schneiders befreit seine Laterne selbst tragen kann.

| |________________|________ _______ | | | | __| |dunkel __ x| _| |_ / \ ( Turm ) \_____/ mit Treppe (verschüttet)

x: Hier ist die Gruppe jetzt.

Unter Ingalfs Führung geht es geradeaus in die Dun-kelheit. Irgendwann einmal geht es nicht mehr weiter gerade aus, aber nach links geht eine in ihrer Art schon bekannte Holztreppe ein paar Stufen hinab zu einer Holztür, und nach rechts geht ein dunkler Gang ab.

Frumol mustert die Holztür skeptisch.

"Ich weiß nicht, lasst uns weiter gehen."

Ingalf zuckt die Achseln und mit den Worten "Wie Du meinst" macht er sich auf den Weg nach rechts. Nach wenigen Schritten kommt auch hier eine Tür - dies-mal aber ohne Treppe.

"Lasst es uns hier versuchen", meint Sephyra. Sie mustert im Schein der Laterne die Tür genau. Sollten sich keine "Merkwürdigkeiten" erkennen lassen,

drückt sie vorsichtig dagegen, um sie zu öffnen und einen Blick hinein zu werfen.

Da ist nichts merkwürdiges. Hinter der Tür ist der Vorratsraum, in den die Gruppe anfangs durch den Brunnenschacht in die Tiefe gestiegen ist.

Es ist alles unverändert.

"Dann lasst uns die andere Tür hinter der Treppe nehmen." schlägt Sephyra vor und ist schon mit Frumols Unterstützung dahin unterwegs, besieht sich wieder die Tür und öffnet sie gegebenenfalls.

WeinkellerDer Raum hinter dieser Tür ist durch eine einzelnen Öllampe an der linken Wand spärlich erhellt. Der Raum zieht sich ziemlich weit nach rechts und knickt dort noch einmal nach rechts ab. Dort ist ein Bereich, den man vom Eingang aus nicht überblicken kann.

Entlang der Wand, auf die man von der Tür aus blickt, stehen aufgereiht große Weinfässer - 9 Stück an der Zahl. Und es riecht auch leicht nach Wein.

'Hmm, das scheint der Weinkeller zu sein.' - "Ingalf, hier kannst du deinen Vorrat etwas aufbessern." scherzt Sephyra. "Sicher hatte dieser Magier einige feine Tropfen in seinem Lager."

Ingalf lässt sich das nicht zweimal sagen und stellt erst einmal die Öllampe auf ein kleines Regal vor der Wand ab, auf dem auch ein paar leere Tonkrüge und -becher stehen.

Bei der Untersuchung der Fässer stellt sich heraus, dass vier leer sind. Fünf enthalten noch etwas. Ingalf geht das Risiko ein und probiert, In zweiten ist - Apfelmost. Wohlschmeckend und absolut unvergoren.

"Apfelmost!" ruft Ingalf. "Kinderkram!"

Nach einem kurzen Wortwechsel bedienen sich Alrik und Seline, Ribesell schließt sich an.

Drei der Weinfässer enthalten Wein, einer ist so sauer, dass Ingalf in wieder ausspuckt. Die anderen enthal-ten einen sehr wohlschmeckenden schweren roten bzw. weißen Wein. Für einen kurzen Moment steht Ingalf vor den Fässern, in jeder Hand einen Krug, und schaut hin und her. Es ist ganz klar, dass er über-legt, welchen er nehmen soll.

Frumol überprüft derzeit seinen Weinschlauch, ob es sich lohnt diesen aufzufüllen. Doch dieser ist noch gut halb voll, und dass man Wein nicht mischt, weiß sogar der Streuner.

So schaut er, ob Sephyra doch noch etwas Inter-essantes in diesem langweiligen Weinkeller entdeckt hat.

Dann löst sie sich von Frumol und geht weiter vor, um um die Ecke sehen zu können, erwartet aber nur wei-tere Fässer.

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Im hinteren Bereich des Weinkellers steht noch ein Regal, voll mit Weinflaschen. Die meisten sind leer. manche enthalten jedoch eine Flüssigkeit, in der sich ein dicker Bodensatz abgelagert hat.

In der von der Tür aus nicht sichtbaren hinteren Ecke befindet sich im Boden des Raumes ein gemauertes Becken, das voller Wasser ist. Es wird aus einem Rohr aus einer Wand gespeist, und das Wasser fließt durch eine Rinne im Boden in ein Loch in der gegenüber-liegenden Wand ab. Das Wasser riecht frisch und sau-ber.

'Hm, doch nur ein Lager.' denkt Sephyra. Mit der hohlen Hand schöpft sie Wasser aus dem nachfließenden Strom und probiert es: "Hmm, schmeckt gar nicht schlecht." und trinkt sich satt.

Auch Frumol nimmt eine großen Schluck des er-frischenden Wassers.

Danach meint sie zum grübelnden Ingalf: "Los, den Roten! Und dann einen anderen Weg hier heraus ge-sucht." beendet sie den Satz.

Ingalf schaut erst Sephyra fragend an, zuckt dann die Achseln, füllt einen Krug mit dem Roten, und nimmt dann einen tiefen Schluck.

"Aaah! - Nicht so schnell!" entgegnet er Sephyra.

"Lass Dir nicht allzuviel Zeit. Sonst gehen wir schon voraus." entgegnet Frumol schmunzelnd. Seinetwegen können sie den Raum wieder verlassen.

Randirion lächelt leicht amüsiert. "Nun, Freund Wed-mannsson - wie ist die Blume, wie das Aroma? Wel-cher Jahrgang, welche Rebe?" und zwinkert Ingalf verschmitzt zu.

"Man man man. Jetzt kann die Reiterei weintrinkende Seemänner nich mehr von Weinbauern ausein-anderhalten. Die Zwölf müssen sehr böse mit uns sein. Wie bei deiner Balestrina gilt imma noch: Hauptsache 's knallt. Hat zumindest der 2. Schiffs-koch gemeint.", meint Ingalf leicht angetüdelt aber noch weit von von Rausch/Trunkenheit selbst im nicht thorwalschen Sinne.

'Durch den Schacht können wir nicht wieder herauf klettern.' überlegt er. 'Vielleicht gibt es bei der ver-schütteten Treppe noch eine Möglichkeit.' sinniert er weiter. Er hat keine Lust hier noch länger als nötig nach einem gangbaren Weg zu suchen. Eher wird er eine gewisse Zeit dafür aufbringen um Schutt weg-zuräumen.

"Tja, aber wohin?" fragt Sephyra. "Komm, zeig noch mal die Karte." fordert sie Frumol auf. Während sie sie dann betrachtet, kratzt sie sich nachdenklich hinter dem linken Ohr. "Hm, wie wäre es damit?" fragt sie und zeigt auf einen Punkt. (X)

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"Wenn wir dort nach "unten" gehen, kommen wir vielleicht zu einer nicht verschütteten Treppe." hofft sie laut.

"Und wenn nicht?" fragt Frumol.

"Ich bin dafür, dass wir uns die verschüttete Treppe noch einmal ansehen. Vielleicht ist da ja doch ein Durchkommen ohne große Anstrengung möglich."

ergänzt er.

"Außerdem liegt der Turm sowieso auf dem Weg." fügt er noch hinzu.

"Also nen verschütteten Turm von unten her frei räu-men? Iss ja wie in nem Laderaum von unten … Nee lass mal da hol ich doch lieber das Werkzeug was der Kavaljäre schon mitgeschleppt hat und breche die Luke auf, verschütt gehn' wollt ich hier unten ma nich."

Ingalf nimmt noch einen kräftigen Schluck von sei-nem alten Roten und hält ihn den anderen nochmal hin bevor er seinen Schlauch im Wasser auswäscht.

'Gepanschter Wein schmeckt keinem' und in mit dem neuen roten befüllt.

"Vielleicht könn' mer mit den leeren Fässern besser in die Rampe klettern?"

Ingalfs rechte Seite zwickt. "Was iss eigentlich mit meiner Lieblingstür geworden?", denkt er etwas zu laut um nicht gehört zu werden. "Wenn du nich su-chen willst Frumol dann doch eher die Rampe."

"Können wir nicht vielleicht mal bei der Treppe schauen?" meldet sich Seline vorsichtig zu Wort.

"Äh, Moment mal." stutzt Sephyra. "Treppe? Du meinst eine benutzbare Treppe, die nicht verschüttet ist?" versichert sie sich, Seline richtig verstanden zu haben. "Weißt du, wo die ist?"

"Nein, ich meinte die verschüttete. Herr Frumol sagte doch, dass sie hier ganz in der Nähe ist. Vielleicht ist es ja ganz leicht, sie freizuräumen." Besonders sicher scheint sich Seline nicht zu sein.

Frumol ist froh, wenigstens etwas Unterstützung zu bekommen.

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"Na gut." Da auch Frumol sich die Treppe noch mal ansehen will, hat Sephyra nichts dagegen. Aber wäh-rend die anderen noch mit dem Wein beschäftigt sind, rutscht sie mit dem Rücken an der Wand herunter und setzt sich kurz auf den Fußboden, um ihre Schmerzen lindern zu können. Viel Erfolg scheint dies aber nicht zu haben.

Als er merkt, dass Sephyra zusammensinkt, lässt Ran-dirion die Scherzerei mit Ingalf sein und eilt zu Ihr.

"Madame Lunor, verzeiht unsere Gedankenlosigkeit. Hier sitzt Ihr verletzt und leidet furchtbar und wir scherzen um Rotwein! Lasst uns schnell aufbrechen! Und bitte, lasst mich Euch helfen!" und bietet Sephyra seine Hand an, um ihr auf die Beine zu helfen (wenn sie denn will …)

Mittlerweile ist Sephyra das alles egal. Von Frumol und Randirion gestützt, erhebt sie sich langsam wieder, nickt dem Kawaljere dankend zu, stützt sich aber dann doch nur auf Frumol, als es zurück in den Gang und zum Turm mit der verschütteten Treppe geht.

Im Turmkeller finden die Suchenden eine völlig in-takte Treppe vor, die nach oben führt.

Verblüfft bleibt Frumol stehen. Die Treppe war doch völlig verschüttet. Da ist er sich sicher!

'Also noch so eine von Murgols Zaubereien!' grübelt Sephyra. 'Hmm, wie hat der das nur gemacht?'

"Sieht noch gar nicht so schlecht aus", lässt sich Ribesell vernehmen.

"Nein." antwortet Sephyra langsam. Und plötzlich scheint sie von neuer Kraft gestärkt, als der Ausgang nahe ist: "Lasst uns gehen, gleich! Frumol, bitte gehe hinter mir, nur falls ich irgendwie die Kraft verliere und rückwärts die Treppe hinunter, na ja." drängt sie die anderen und beginnt mit dem Aufstieg.

"Nicht lieber als das." drängt Frumol, der angesichts eines freien Weges in die Freiheit keinen Wimpern-schlag länger hier unten bleiben möchte.

Und der Weg ist frei! Ohne Probleme geht nach oben und draußen.

Alrik und Seline machen etwas verständnislose Gesichter, sagen aber nichts.

Für Ingalf bleibt nun vor dem verlassen der Ruine noch Eins zu tun.

"Hat keiner ne Idee was man mit dem Wolf machen kann?" er schaut einige betrübliche Augenblicke die Anderen an, bevor er sich umdreht einen letzten Gang in die Folterkammer zu tun.

"Wenn Du ihn frei lässt, kannst Du nur beten, dass er uns nicht angreift." antwortet Frumol halbherzig, denn er will nur noch diese Ruine verlassen.

Obwohl Frumol nicht allzuviel für Tiere übrig hat, tut ihm der eingesperrte Wolf doch leid. Leider fällt ihm keine Lösung ein.

"Komm doch erst einmal mit nach oben. Vielleicht finden wir etwas, mit dem wir ihn bestechen können …" ergänzt Frumol wenig hoffnungsvoll.

Sephyra schaut Ingalf nur verblüfft nach, lehnt sich ansonsten aber nur an Frumol und genießt die warme Sonne.

Die warme Sonne Ingalfs Geist an, der sich nicht hier im Süden mit Firun verscherzen will. "Un wenn mir viele Stangen dem Wolf so in de Käfig schieben, dass er sich nich' mehr bewegen und schnappen kann. Dann können mer ihm auch die Schnauze zubinden oder ganz fesseln.", verkündet er laut denkend. 'Und was dann?', aber wenigstens muss er unten nicht verhungern, der Druide wird schon wissen wie man mit so nem Viech umgeht.

"Sephyra und Frumol bleibt ihr ma hier, die gute muss ja nich noch mehr laufen." "Wer kommt mit und hilft mir?", er schaut der Reihe nach Alrik, Ribesell und Seline an.

"Ach ja ein Seil werd ich dazu noch brauchen.", er fragt sich in diesem Moment warum er kein gutes See-mannsseil mit von der Otta oder im Hafen genommen hat und schüttelt innerlich den Kopf.

Bei dem Wort 'Seil' horcht Seline auf. "Wie ist es, wenn wir die Tür erst mit einem Seil oder etwas Stoff zubinden und dann den Käfig aufschließen? Wenn wir dann alle Türen auflassen, wird der Wolf das Seil

erst durchnagen und dann von allein herausfinden - so Rastullah will", verkündet sie ihre eigenen Überle-gungen.

"Kommste mit Kleine?"

Seline nickt und sagt zu Alrik: "Du wartest hier!"

Ingalf geht von diesem Vorschlag recht überzeugt zü-gig in den Keller, nachdem er sich den Kerkermeis-terschlüssel hat geben lassen und schneidet aus der Kleidung des Folterknechts zwei starke Streifen, für die der Wolf mindestens 2 Stunden brauchen sollte und knotet mit ihnen die Klappenöffnung des Käfigs zu.

Der Wolf zieht sich während dieser Prozedur in die hinterste Ecke des Käfigs zurück, knurrt aber nicht, sondern beobachtet Ingalfs Tun.

Danach schließt er das Schloss auf.

Einer der Schlüssel passt.

"So 2 Stunden sollte das Viech schon brauchen bis es wieder selber Jagen kann. Vielleicht mag er ja Kraken-molch am Spieß."

'Ob wir es an einem Stück zum Müller schaffen?'.

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Oben ist alles unverändert. Schätzungsweise 2 Stunden sind vergangen. Es ist gerade eben Mittag.

"Den Göttern sei Dank!" ruft Randirion aus. "Ich dachte schon, ich würde den Himmel nie wieder se-hen!"

Frumol führt Sephyra aus dem Schatten der Gebäude. Wie angenehm das wärmende Licht doch auf der Haut ist. Unwillkürlich fröstelt es ihm.

Einen Moment lang schließt er die Augen und hält Sephyra fest in seinem Arm.

"Hoffen wir mal, dass Ingalf schnell wiederkommt", sinniert Sephyra. "Weißt ihr beiden eigentlich noch, wie lange es jetzt bis zu den Müllersleuten dauert", fragt sie Frumol und Randirion.

Frumol überlegt kurz: Gegen Mittag trafen sie die Müllersleute, und sind gegen Nachmittag zu dem Köhler aufgebrochen, haben dann das Räuberlager ge-funden, und sind dem anderen Waldweg gefolgt. Bei dem Alten haben sie die Nacht in der Höhle ver-bracht, und sind für morgens wieder aufgebrochen, um Vormittags die Ruine zu erreichen.

"Ich denke, wenn wir zügig gehen sollten wir es auf dem direkten Weg bis zum frühen Abend schaffen." beantwortet er die Frage, obwohl er sich auch kräftig daneben liegen kann.

"Das wäre schön", entgegnet Sephyra. 'Wie zügig wir vorankommen, wird sich noch herausstellen.' Sie seufzt.

"Kennst Du Dich gut aus im Wald?" fragt er Alrik, hoffen so zumindest den schnellsten Weg zu finden.

"Wenn wir in einen bekannten Bereich des Waldes kommen, führe ich Euch ganz schnell nach Hause", entgegnet dieser selbstbewusst.

"Dann lasst uns auf Ingalf warten und endlich aufbre-chen." er rückt seinen Rucksack in eine bequeme Posi-tion.

"Soll ich nicht doch deinen Rucksack tragen?" fragt er Sephyra.

"Ich schaue erstmal, wie weit ich damit komme. Die frische Luft wirkt belebend", erwidert sie.

'Alrik trägt bestimmt wieder Ingalfs Tasche, und Ran-dirion wird bei seiner Verletzung auch nicht alles den ganzen Weg tragen können. Da kann Seline ihm si-cherlich helfen. Der Schneider ist merkwürdig, dem traue ich nur so lange ich ihn sehen kann. Hoffentlich kriege ich die Stiefel wieder. Vielleicht hätte ich doch tauschen sollen. Ob die Weide sich inzwischen beru-higt haben?' überlegt er so für sich.

Ingalf und Seline kommen problemlos wieder oben an.

"Nu erstmal schnell raus aus 'm Sumpf, da liegt noch 'n Eulenbraten auf 'm Wech." Ingalf grinst und nimmt

zum loslaufen noch einen kurzen Schluck aus seinem Weinschlauch.

"Na denn ma los!"

Ingalf schultert seinen Seesack zunächst selbst um das Tempo nicht durch schleppende Kinder zu verlang-samen.

"Wenn wir in 'n Wald kommen passt ihr 2 Gegenseitig auf euch auf und geht vor mir und nach den Anderen!", versucht Ingalf seine Autorität geltend zu machen.

'Nur damit uns die beiden nicht ein zweites mal verlo-ren gehn.'

Auf dem Weg wird er sich so es die Gegebenheiten zu-lassen mit dem Schneidergesellen über Nadeln und was man damit alles anstellen kann Fachsimpeln und sicher dabei auch das eine oder andere Seefahrerlatein vom Stapel lassen.

Der Weg nach Hause gestaltet sich überraschend schnell, so wie es immer ist, wenn man den Weg weiß. Kein Dämon wartet auf dem Weg durch den Sumpf, die peitschenden Weiden sind ruhig, und irgendwie hat auch der Wald viel von seiner Unheimlichkeit verloren.

Die Aussicht, bis zur Dämmerung wieder in der Müh-le zu sein beflügelt die Schritte. Nur Ribesell ist gar nicht nach Plaudern zu Mute. Ab und zu stolpert er, aber schließlich kommen alle heil bei der Mühle an, wo sie von einer vor Freude schluchzenden Müllers-frau und einem gefassten Müller begrüßt werden. Nur eine Träne im Augenwinkel vermag der aufmerksame Beobachter zu entdecken.

Randirion ist ebenfalls sichtbar glücklich, die Kinder glücklich und lebendig abgeliefert zu haben. Sofort nach der Ankunft bei den Müllersleuten entschuldigt er sich kurz, verschwindet mit seiner Reisetasche (vom Packpferd) Richtung Brunnen und kommt kurz dar-auf gewaschen und in frischer Kleidung, also wieder wie aus dem Ei gepellt und sich sichtbar besser füh-lend, zurück. Nur die offensichtlichen Schmerzen bei einigen Bewegungen erinnern noch an vergangene Gefahren.

Zumindestens will es ihm so erscheinen. Am nächsten Morgen wird sich seine Verletzung mit Macht melden.

"Ah, welche Wohltat, sich wieder wie ein zivilisierter Mensch zu fühlen!" seufzt er laut.

Gegenüber Dankesbezeugungen der Müllersleute wird er dem Müller sagen (auf Garethi, weil er kein Tulamidisch spricht, und bewusst so laut, dass die Ge-fährten es gut hören): "Sein Dank ist wohl und ge-recht, Müller. Doch sei er sich gewiss, dass ein jeder Edle eine solche den Zwölfen und der göttlichen Ord-nung wohlgefällige Tat ohne Zögern zu seinem Anliegen machen wird. Und ein 'Edler' ist meiner Meinung nach nicht nur derjenige, der von adliger

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Herkunft ist! Nein, es ist ein Jeder, der eine Klinge hat, sie zu führen wider alle Ungerechtigkeit, ein Herz, klar zu erkennen was gerecht ist und was nicht, und genug Verstand, die Klinge zurückzuhalten, wenn es nicht die Zeit zum Kämpfen ist!" und ver-beugt sich in Richtung Ingalf, Sephyra und Frumol. "Edle" (wobei er das Wort betont) "Mitstreiter, es war mir eine Ehre!"

Wie froh ist Frumol, als er die Mühle und den Müller mit seiner Frau sieht. Endlich hat das Abenteuer ein Ende!

"Wir haben es geschafft. Die Müllerskinder sind wieder zu Hause", sagt er zu Sephyra. Seine Erleichte-rung ist ihm nach all den Strapazen anzuhören.

Er bleibt etwas abseits stehen, um die Begrüßungsze-remonie der Familie nicht zu stören. Derweil setzt er den - doch recht schweren - Rucksack ab. "Wir sollten den Köhler noch informieren." spricht er halblaut, mehr zu sich selbst. "Und den Einsiedler. Doch der weiß bestimmt längst Bescheid." sinniert er weiter.

Auch Ingalf bleibt ein wenig Abseits, und schmunzelt als Alrik von seiner Familie in die Arme geschlossen wird. 'Jaja, so'n Lütten is' doch froh, wenn er man wieder bei die Ouders is'. Für echte Abenteuer muss er

wohl noch 'n bissken warten.' Seine Gedanken gehen zurück zu dem Verließ, und er hofft, dass der Wolf erstens seinen Weg aus dem Verließ findet und zwei-tens noch in der Wildnis überleben kann.

"Der Köhler soll das wohl auch wissen, un' der Einsiedler, warum soll der dat denn schon wissen?" fragt er stirnrunzelnd und kratzt sich am Kopf. 'Der war doch nicht dabei, oder doch?' Er schaut misstrau-isch zu Ribesell herüber.

"Der Alte hatte doch gesagt, dass er die Lebewesen spüren kann, oder so was in der Art. Und da er die Kinder im Wald nicht spürt könnten sie nur noch in der alten Burg sein." erklärt Frumol ihm, während sein Blick dem Ingalfs folgt.

"Was machen wir mit ihm? Er scheint mir …" Wie würde Banjew noch gleich sagen? "… suspekt?"

Sephyra hat sich nur hingesetzt und genießt die letz-ten Strahlen der Abendsonne, nimmt aber im Moment nicht am Gespräch teil.

Nachdem die Aufregung um die Kinder etwas abge-flaut ist, versorgen die Müllersleute den Schneider, denn der sieht von allen Ankommenden am meisten mitgenommen aus.

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Nachspielm Abend der glücklichen Heimkehr gehen alle früh schlafen. Nach dem kurzen Moment der

Freude macht sich die Erschöpfung doch stärker als erwartet bemerkbar.

A

Die Geschichte dieses Abenteuers erzählen die sieben Zurückgekehrten in allen Einzelheiten im Laufe der nächsten Tage wieder und wieder, und der werte Leser wird es erahnen: Diese Geschichte wird mit der Zeit ihren Platz in den Erzählungen Aventuriens finden.

Mit der Zeit erholen sich alle Helden von ihren Wunden, wobei es eine Komplikation gibt: Randirions Wunde entzündet sich, und er liegt eine volle Woche fiebrig dar nieder. Ob die Entzündung an der Natur der Wunde lag, oder an der Art der Versorgung durch Frumol, oder ob es einfach der Wille der Götter war, darüber rätselt Frumol vergeblich. Neben der Müllers-frau macht sich der selbst nur langsam genesende An-unt Ribesell um die Pflege des horasischen Kämpfers besonders verdient.

Und, dass er wirklich ein gelernter Schneider ist, stellt sich eindeutig ebenfalls heraus: Am Ende des Aufent-halts bei den Müllersleuten sind alle Kleidungsstücke in einem perfekten Zustand. Nach langem hin und her tauschen Ribesell und Frumol auch noch die Stiefel. Gegen Ribesells Argument, dass ein Ausein-anderreißen von Stiefeln und Mantel ein Frevel gegen die Götter sei, so gut wie sie aufeinander abgestimmt wären, kann Frumol am Ende nichts entgegensetzen.

Nachdem der Cavalliere wieder genesen ist, bleibt eine hässliche Narbe zurück, seine Bewegungs- und Kampffähigkeit ist aber glücklicherweise nicht im geringsten beeinträchtigt. Bei Ingalf und Frumol verheilen die Wunden, ohne das etwas zurückbleibt, und Sephyra erholt sich besonders schnell: Bereits nach drei Tagen fängt sie wieder mit ihrem akroba-tischen Training an.

Randirions Fieber hatte es in sich: eine Woche deli-rierend, und eine weitere Woche, in der er zwar wieder klar im Kopfe, aber noch bettlägrig war. Während letz-terer Zeit sah man ihn häufig mit der Schreibfeder in einem kleinen ledergebundenen Bändchen schreiben, und merkwürdigerweise fragt er auch alle, die Dabeigewesen waren, noch einmal nach allen mögli-chen Details des vergangenen Abenteuers aus und macht sich dabei Notizen.

Und nur auf hartnäckigste Nachfragen gab er schließ-lich zu, dass er an einem Roman arbeitet! Er hatte schon während der Seereise von Bethana nach Thalu-sa ein paar Seiten zusammen, aber die vergangenen Tage … das ist superber Stoff! Wie der Roman heißen soll? Da ist sich Randirion noch nicht so ganz sicher. "Durch das Land der Tulamiden" vielleicht, oder "Von

Thalusa nach Khunchom"? Es ist zwar schon eine Menge, aber ein ganzer Roman ist noch nicht zu-sammen …

Und eine weitere Sache wird Randirion vom Kranken-bett aus versuchen: so viel wie möglich von diesem Tulamidisch zu lernen! Immerhin sind da die Müllers und Ribesell, die ihm das eine oder andere beibringen können.

Und Sephyra … auch wenn der werte Frumol Pello-cke dann immer so herrlich eifersüchtig wird … oder gerade deswegen?

Schließlich sieht man Randirion mit seiner Balestrina auf Holzstückchen schießen und ein paar Rapierstöße auf einen Reisigbesen durchführen, und dann hält es ihn auch schon nicht mehr bei den Müllersleuten: Khunchom ruft!

Für Frumol wird die Zeit des Warten immer uner-träglicher. Nachdem er die Umgebung erkundet hat und es für ihn in der Mühle nichts Aufregendes mehr zu sehen gibt, wird er immer unruhiger. Und nach-dem der Herr Cavaliere endlich wieder genesen ist - Frumol hatte sich echte Sorgen gemacht - hält ihn nur noch Sephyra hier.

Er läuft ständig aufgeschreckt herum - zu lange ist er ohne Aufgabe an einem Ort. In Gedanken ist er über-all, meistens nur nicht bei dem was er gerade macht.

Eigentlich wollte er noch einmal in die Ruine zurück, nach weiteren Schätzen suche. Und vielleicht den Spiegel mitnehmen. Doch als er weiter darüber nach-denkt, kommen ihm Zweifel, denn wie soll er solch schwere und sperrige Stücke transportieren? Dazu bräuchte er sicher einen Wagen. Und wo sollte Sephy-ra den Spiegel dann hin hängen? Sie haben doch - Phex sei Dank - keine feste Bleibe.

Er stellt in Gedanken große Planungen für die Zu-kunft an, sieht sich als reichen und berühmten Helden. Gut - reich sind Sephyra und er wieder, schließlich haben sie einen Haufen Gold aus Murgols Versteck mitgebracht. Und von dem letzten auf-regenden und gefährlichen Abenteuer ist auch noch was übrig. Aber berühmt? Wenn er jemandem von dem Schwarzen Schiff und untoten Piraten erzählt wird er doch bloß ausgelacht …

Ob er sich ein Pferd kaufen soll? Dann könnte er Ein-druck schinden, wie der Cavaliere, bräuchte nicht über die staubigen Straßen zum Gauklerfest reiten. Er sollte dies mal mit Sephyra besprechen.

Apropos Gauklerfest - Da wollten sie doch hin. Soll-ten sie sich nicht ein wenig beeilen?

Langsam aber sicher geht Sephyras Erholung zu-nächst vonstatten. Die ihr von der Müllerin zunächst

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zwangsweise verabreichten Süppchen bekommen Se-phyra jedoch sehr gut. Bereits nach wenigen Tagen hat sie sich vollständig von Murgols Zaubern erholt.

Während der gesamten Zeit grübelt sie darüber nach. 'Was war das denn nur?' geht ihr immer wieder durch den Kopf. Sie selbst spürt in sich auch eine kleine Ver-änderung. Fast so, als wenn sie innerlich an Kraft ge-wonnen hätte, nachdem sie sich erholt hatte. 'Liegt das am Überwinden des Zaubernachwirkens?' fragt sie sich. Und nach und nach formt sich in ihrem Kopf der Entschluss, bei Gelegenheit mal mit einem Zau-berkundigen darüber zu sprechen: 'Schade, dass Ban-jew nicht da ist. Der wüsste es sicher …'

Nachdem Sephyra wieder völlig genesen ist und ihre Kleider - die wie neu sind - betrachtet hat, meint sie zu Frumol: "Wir sollten wirklich bald aufbrechen und zum Fest weiterziehen. Das möchte ich unter gar keinen Umstände verpassen!"

Daher zwingt sie sich jeden Tag zu mehreren Stunden des Übens: Jonglieren, Handstände und Auf-Händen-Gehen, Salti, Überschläge. Die Abende verbringt sie gemeinsam mit den Müllersleuten und deren Kindern, Frumol und den anderen. Sie singt und lehrt die Kinder ein paar der einfacheren Lieder, die sie kennt. Im Gegenzug versucht sie, mehr von der Tula-midischen Sprache zu erlernen und hat auch einen gewissen Erfolg dabei. Vor allem die Vokabeln werden erweitert, auch wenn ihr Akzent sicher noch immer grauenvoll klingt.

Kurz vor ihrer Abreise fragt sie Frumol: "Ich glaube, ich bin viel besser mit dem Dolch geworden. Stell dich doch mal bitte dort vor diesen starken Baum." fordert sie ihn auf. Kaum steht er dort zieht sie ihre beiden Wurfdolche und noch ehe Frumol auch nur einen ent-setzten Laut von sich geben kann oder zur Seite springt, hat sie die beiden Dolche nach ihm geworfen und sie stecken rechts und links neben seinen Ohren kaum eine Handbreit entfernt im Holz. Schelmisch grinsend fragt sie: "Sollten wir so eine Nummer nicht mit aufnehmen und damit auf dem Fest als 'Die Große Messerwerferin und ihr gut aussehender Gehil-fe' auftreten?"

Noch ehe Frumol antworten kann ergänzt sie: "Na ja, vielleicht suche ich mir auch 'Opfer' aus dem Publi-kum - Dein Gesicht eben hätte keine Zuschauer ange-lockt!" Spielerisch verpasst sie ihm einen Rippenstoß und entzieht sich geschickt allen seinen Versuchen, sie zu fassen.

Ingalf hat in der Rekonvaleszenz sowohl einige Bro-cken Tulamidia aufgeschnappt, als auch den Schneider darum gebeten, aus dem erbeuteten Fell einen neuen Umhang für ihn zu machen (der Rest bleibt bei den Müllersleuten).

Das macht der Schneider sehr gern. Der Umhang sieht wirklich prächtig aus. Die Frau des Müllers zau-

bert einen Ballen blauer Seide hervor, so dass der Um-hang auch bestens gefüttert ist. Nur eine schöne Schließe, der Schneider empfiehlt Silber, fehlt noch. Dann hätte Ingalf einen Umfang für festliche Anlässe.

Weiterhin hat er die großzügigen Angebote gemacht, thorwalsche Selbstverteidigung (mit dem Handbeil) zu unterrichten.

Alrik ist interessiert und stellt sich gar nicht so unge-schickt an.

Und eine kostenlose Tätowierung (sein Vorschlag, das Gesicht einer jungen Frau, die mehr als nur ein wenig Ähnlichkeit mit Seline hat, ein Wolfskopf und eine Gruppe von 4 Männern und einer Frau, die aufgrund der etwas kleineren Größe schwerer zu erkennen sind, zieren seinen Entwurf auf Papier und sehen zu-mindest dort gut aus, sind aber knapp 1x1 Fuß groß).

Das Angebot rauft keinerlei Resonanz bei der Müllers-familie hervor.

Und dann kommt der Tag des Abschieds. Gehen die vier gemeinsam weiter gen Khunchom? Ribesell wird noch bei den Müllersleuten bleiben, da aus dem Um-kreis einige Aufträge für ihn eingegangen sind.

Am Tag des Aufbruchs ist auch Sephyra gelöster: "Jetzt geht es endlich wieder los!" ruft sie freudig aus.

Frumol ist ungewöhnlich ruhig. Die Aussicht weiter zuziehen gibt ihm wieder Gelassenheit.

"Sephyra und ich werden weiter in Richtung Khun-chom ziehen. Zum Gauklerfest." gibt er bekannt.

"Und ihr?" fragt er den genesenen Randirion und den bärtigen Seemann.

Anschließend schultert er den Rucksack, nimmt er Se-phyra bei der Hand und sie machen sich frohen - und Frumol hüpfenden Schrittes - in Richtung Gauklerfest auf.

"Das Gauklerfest wird sicher toll" träumt Frumol ein wenig.

"Übrigens, ich glaube, ich kaufe mir ein Pferd" flüstert er Sephyra leise ins Ohr.

Fast sind sie schon aus der Mühle heraus, da ruft sie noch einmal der Müller zurück.

"Geehrte Freunde der Familie", beginnt er. "Ja, Freunde der Familie, das seid ihr geworden. Euer Weg führt Euch weiter, so wie Phex es will. Für die Zu-kunft habe ich eine Bitte an Euch und etwas wie ein Geschenk.

Zuerst die Bitte: Sollten eure Reisen euch je wieder hier vorbei führen, dann erweist uns die Ehre und kehrt ein bei uns."

Er hält einen Moment inne, um dann fortzufahren: "Meine Frau und ich haben uns lange darüber un-terhalten, wie wir euch in angemessener Form danken können. Und wir haben etwas gefunden. Ihr müsst

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wissen, dass ich vor vielen Jahren auf der Küstenstraße einen schwer verletzten Krieger gefunden habe, umge-ben von toten Räubern, die ihn offensichtlich über-fallen hatten und an den Falschen geraten waren. Ich habe ihn mit in die Mühle genommen und trotz aller Pflege ist er seinem Wundfieber erlegen. Bevor er starb vertrauten er mir aber eine Karte an und das Geheim-nis der Karte. Dieses Geheimnis und die Karte möch-te ich euch anvertrauen, als Dank für die Rettung meiner Kinder."

Wieder hält er einen Moment inne und erzählt an-schließend: "Mitten in der Wüste Khom, abseits der Karawanenstraßen gibt es ein Felsmassiv, das das verlassene Kloster eines verloschenen Ordens beher-bergt. Und dort liegt der Schatz des Ordens. Ein edel-steinbesetzter goldener Schrein voller Silbertaler, güldenes Geschirr und wertvolle magische Artefakte. Und auf dieser Karte hier ist der Weg dorthin vermerkt. Seht her!"

Er zieht ein altes Pergament hervor, rollt es aus und zeigt darauf: "Ihr müsst nur vom Mherwed aus fast genau Richtung Westen ziehen, und ihr kommt hin. Der Rest sei Phexens Wille."

"Eine Schatzkarte! Welch formidable Gabe! Guter Müller, Ihr seid ein Fuchs, und Eure Überraschung ist vollends gelungen! Habt vielmals Dank"

Randirion ist begeistert.

"Wie wäre es, Madame Lunor, meine Herren Pellocke und Wedmannsson? Wärt Ihr einverstanden, wenn wir gemeinsam auf Schatzsuche gehen? Ich kann mir keine bessere Truppe denken als uns vier!"

Randirions Augen glänzen, vergessen sind Fieber und Verletzung, und Abenteuerlust hat ihn im gepackt …

Eine Schatzkarte! Frumol kann nicht glauben, was er da hört. Ein echter Schatz: Gold, Silber, echte Artefak-te. Fast gibt es kein halten mehr für den Streuner, diese Karte verspricht Abenteuer und Reichtum wie in den ganzen aufregenden Geschichten.

Am liebsten würde er sofort los marschieren, doch vor-her ruft das Gauklerfest. Er weiß wie wichtig Sephyra das Fest ist und er wird keinesfalls von ihrer Seite wei-chen.

Als der Müller die Schatzkarte hervorbringt und der Kawaljere sofort Feuer und Flamme für die Suche ist, lässt sich auch Sephyra davon begeistern: "Aber erst suchen wird das Gauklerfest auch und bleiben dort. Es liegt schließlich auf dem Weg dorthin." ist sie über-zeugt.

Noch bevor er mit glänzenden Augen vorschlagen kann, erst das Fest zu besuchen und dann aufbrechen, den Schatz zu finden, hat Sephyra seine Gedanken schon ausgesprochen. 'Sie ist halt etwas ganz beson-deres.' lobt er sie in Gedanken.

"Mherwed liegt in der Gegenrichtung, Frau Sephyra, noch westlich von Thalusa". widerspricht der Müller vorsichtig. "Aber es spricht ja nichts dagegen, auf dem Rückweg von Khunchom, wieder hier Halt zu ma-chen."

Nun, das ist zwar korrekt, Herr Müller, aber ich bin sicher, dass wir von Khunchom aus gut ein Schiff mhanadiaufwärts nach Mherwhed finden könnten."

Randirion hat eine pergamentene Aventurienkarte aus einer Lederröhre geholt und ist darin vertieft. Wenn ihm jemand über die Schulter sieht: die Karte zeigt ganz Aventurien, große Städte und Flüsse, keine kleineren Details. (Über den verschiedenen Ländern ist eine Zeichnung eines typischen Bewohners, das In-nere von Südaventurien ist also von menschen-fressenden Riesen bewohnt, und im Bornland wohnen Drachen und Riesen …)

Ach!" ist alles was eine verblüffte Sephyra dazu äußert. An die anderen gewandt meint sie: "Ich würde sagen, wir machen das auf dem Rückweg …"

"Genau!" pflichtet Frumol ihr begeistert zu.

"Erst das Fest und dann der Schatz!"

"Ich bin dabei!" ergänzt Ingalf kurz und knapp, nach-dem er sich die anderen angehört hat. "Und in Khun-chom gibt es bestimmt einen ordentlichen Tätowierer. Ich habe da so eine Idee …"

Und so macht sich die Truppe der vier begleitet von den besten Wünschen der Zurückbleibenden auf nach Khunchom.

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