der_fluch_vom_schwarzeneck_zauber_magie_verwünschung_schwarze
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J. Larcombe Rees
Der Fluchvon Schwarzeneck
Christliche
Literatur-VerbreitungPostfach 11 01 35 33661 Bielefeld
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1. Auage 2003
Originaltitel: The Curse of Craigiburn 1967 by J. Larcombe Rees der deutschen Ausgabe 1985 byCLV Christliche Literatur-VerbreitungPostfach 110135 33661 Bielefeldbersetzung: Manfred SiebaldUmschlag: Dieter Otten, Gummersbach
Bestellnummer: 513Dieses Buch darf nicht weiterverkauft werden!
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Was auf Schwarzeneck geschah.....................................7
Kapitel 2:
Der Hssliche aus dem Wald .......................................16
Kapitel 3:
Jetzt habe ich dich........................................................25
Kapitel 4:
Eine aufregende Entdeckung .......................................36
Kapitel 5:
Basti, die Wilde............................................................47
Kapitel 6:
Der leere Kg.............................................................55
Kapitel 7:
Entdeckt .......................................................................64
Kapitel 8:
Der Kaiser und die Bombe...........................................73
Kapitel 9:
Ein Schock fr Horst....................................................81
Kapitel 10:
Wer war Sylvia Mohr? .................................................93
Kapitel 11:
Ein neuer Freund........................................................105
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Kapitel 12:
Probleme ber Probleme............................................120
Kapitel 13:
Sebastian und die Blaskapelle....................................130Kapitel 14:
Das Preisschieen ......................................................141
Kapitel 15:
berraschungen fr Frank .........................................150
Kapitel 16:Vieles ndert sich .......................................................157
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Was auf Schwarzeneck geschahDer Vater hatte gesagt, das Haus sei verucht.
Frank sa in den drren Zweigen des Apfelbaumes undschaute hinber. Jetzt war er ja schon lter und verstand, dassder Vater die Bewohner des Hauses und ihre Familie gemeint
hatte, aber an diesem Nachmittag sah auch das Haus verwun-schen aus. Der graue Granit der Mauern hob sich dster vondem helleren Grau des Himmels ab und der Wind peitschte dieZweige der Kiefern unbarmherzig gegen das Schieferdach.Die Farbe, mit der der Urgrovater die Fensterrahmen und dieHaustr gestrichen hatte, bltterte ab, und berall waren die
schweren Brokatvorhnge aus Urgromutters Zeiten vor dieFenster gezogen. Aus dem Garten, den sie noch gehegt undgepegt hatte, war eine schreckliche Wildnis geworden.
Wirklich, das Haus sah verucht aus.Es schien Frank, als habe sein ganzes Leben lang der
Schatten all des Unglcks auf ihm gelegen, das in diesem
Bauernhaus geschehen war; und doch hatte er bis vor kurzemnoch nicht einmal wissen drfen, worin dieses Unglck
bestanden hatte. Das war das Schlimmste an der ganzenSache niemand hatte ihm davon erzhlen wollen.
Wenn er fragte, vertrsteten sie ihn: Du wirst es erfahren,wenn du lter bist. Dadurch wurde in seiner Einbildung
das Unglck immer grer und schlielich malte er sichso entsetzliche Dinge aus, dass er sich zum Schlafen dieDecke ber den Kopf ziehen musste.
Kapitel 1
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Eigentlich habe ich alles erst vor ein paar Monaten her-ausgefunden, sterte er vor sich hin, aber es kommt mirvor, als seien es Jahre. Er rief sich jenen wichtigsten Tagseines Lebens ins Gedchtnis zurck. Wie es am Nachmittag
geregnet hatte! Er war mit einer ellenlangen Einkaufslistein Herrn Michels Laden gestrzt. Herr Michel besa daseinzige Geschft in der Gegend, aber er verkaufte auchalles, was man sich vorstellen konnte das behauptete er
jedenfalls. Frank musste grinsen, als er an Herrn Micheldachte. Er war so dick, dass manche Leute meinten, er kme
nur deshalb nie aus seinem Laden heraus, weil er nicht durchdie Tr passte. Wenn man ihn in der richtigen Stimmungerwischte, dann konnte er Geschichten erzhlen wie keinzweiter; der Haken dabei war nur, dass seine Geschichtengewhnlich vom Unglck anderer Leute handelten unddass sie immer wahr waren. Wahrscheinlich mochten ihn
deshalb die Erwachsenen nicht; doch bei den Kindern warer umso beliebter.
An diesem Nachmittag hatte Frank ihn hinter dem La-dentisch entdeckt. Er sa dort und verzehrte einen Keksnach dem anderen. Das war ein sehr gutes Zeichen es
bedeutete, dass er Zeit hatte und in Erzhllaune war.
Meine Gte!, rief er, als Frank den Laden betrat.Wenn man dich da im Halbdunkel stehen sieht, gleichstdu deiner Mutter wirklich aufs Haar.
Whrend Herr Michel die Lebensmittel auf Franks Listezusammensuchte und dabei immer noch frhlich seine Kekseknabberte, schossen Frank wild die Gedanken durch den
Kopf. Heute hatte ihm zum ersten Mal in seinem Lebenjemand etwas ber seine Mutter gesagt.
Wenn ich ihn nur zum Sprechen bringen knnte, dachte
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er verzweifelt, dann knnte ich es herausbekommen ...alles! Dass jetzt blo niemand in den Laden kommt unduns strt! Sein Herz schlug heftig, als er so beilug wiemglich sagte:
Haben Sie denn meine Mutter gekannt, Herr Mi-chel?
Ob ich sie gekannt habe?, antwortete er und drehtesich um. Sein Arm, mit dem er etwas aus dem Regal holenwollte, hing noch in der Luft. Natrlich habe ich sie ge-kannt; ich habe sie alle da oben auf dem Hof gekannt.
Frank musste schlucken. Dann wissen Sie auch berall das Unglck Bescheid?
Ob ich darber Bescheid wei?, fragte Herr Michelnoch einmal. Natrlich.
Aber ich noch nicht, sagte Frank ganz leise; meinenSie nicht, ich wre jetzt alt genug, es zu erfahren?
Herr Michel nahm einen groen Schokoladenkeks undkaute still vor sich hin. Frank erinnerte sich jetzt daran,wie er in der Dunkelheit des kleinen Ladens der Antwortauf seine Frage entgegengeebert hatte. Es war ihm vorge-kommen, als e Herr Michel den grten Keks der Welt;so lange Zeit brauchte er zum Kauen. Endlich hatte er in
seiner breiten und umstndlichen Aussprache gesagt:Vielleicht bist du alt genug, Jungchen, vielleicht; aber
verrate nie deinem Vater, dass ich es dir erzhlt habe!Ich erinnere mich gut an deine Urgromutter - eine feine
alte Dame, mit einer richtigen Adlernase.Ich wei, lachte Frank, im Wohnzimmer haben wir
in einem groen schwarzen Rahmen eine alte, vergilbteFotograe von ihr stehen. Darauf liest sie gerade in einemgewaltig groen Buch.
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Ja, sagte Herr Michel, das war ihre Bibel. Gewhnlichlas sie stundenlang darin, wenn sie in ihrem Schaukelstuhlin der Kchenecke sa. Manche Leute sagten, dass siezu viel Zeit damit verschwendete. Wenn aber dieselben
Leute in Not waren, gingen sie schnurstracks zu ihr, umsich helfen zu lassen. Als ich im Anfang den Laden hiererffnete, war dein Vater ein junger Mann und bewirt-schaftete zusammen mit seinen Eltern den Hof und diealte Dame lebte bei ihnen. Sie waren wohlhabend damals;
ja, das waren sie. Ich durfte in jenen Tagen nur die besten
Lebensmittel zum Schwarzeneck-Hof schicken.Aber was geschah dann?, drngte Frank sternd.Nun, die Eltern deines Vaters fuhren eines Tages mit
dem Einspnner aus und waren gerade im Wald an derhchsten Stelle ber dem alten Steinbruch. Nach Meinungder Polizei muss das Pferd pltzlich durch ein Kaninchen
oder irgendetwas anderes erschreckt worden sein. Jedenfallsscheute es, der Wagen kenterte und beide wurden hinab inden Steinbruch geschleudert.
Dein armer Vater! So ein junger Mann! Nicht so schlimm,sagten wir alle, er hat ja die alte Dame; sie wird ihn schonversorgen. Und das tat sie auch! Sie stand von ihrem Schau-
kelstuhl auf, band ihre Schrze um und kochte, putzte undsorgte fr ihn. Es war jedoch fr ihre achtzig Jahre viel zuviel und innerhalb eines Jahres starb sie.
Da war er wohl ganz allein?Ja, ganz allein mit einem Hof, den er versorgen musste,
und gerade war er erst fnfundzwanzig geworden. Wir alle
rieten ihm, den Hof zu verkaufen, doch er wollte nichtund arbeitete mit Herrn Fuhrmann und Adalbert, demalten Schelm, weiter. In einem Jahr verlor er alle seine
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Schweine durch die Schweinepest und im nchsten dengrten Teil der Ernte durch Feuer. Ich wei nicht, wie eres schaffte durchzukommen, denn es folgte ein Unglckauf das andere. Es wre kein Wunder gewesen, wenn er
auf die schiefe Bahn geraten und weggelaufen wre wiedein Onkel Harry, das schwarze Schaf der Familie.
Herr Michel amsierte sich kstlich, wie immer, wenner eine traurige Geschichte erzhlte.
Wir waren natrlich alle froh, als wir sahen, dass ersich um deine Mutter bemhte. Er war damals ungefhr
achtundzwanzig.Dies war das Kernstck der Geschichte; hierauf schien
Frank sein ganzes Leben lang gewartet zu haben. Er hieltden Atem an und dachte: Wenn jetzt jemand in den Ladenkommt ... Ich wei nicht, was ich dann tue. Doch er rafftesich auf und fragte: Wie sah sie aus?
Oh, sie hatte langes, goldenes Haar von gleicher Farbewie deines das sie nie zurcksteckte oder mit einem Hut
bedeckte. Sie war ein wildes Mdchen, lachte immer undfreute sich jeder Minute ihres Lebens. Am allerglcklichstenaber war sie, wenn sie auf dem Rcken ihres Pferdes saund wie toll durch die Gegend ritt. Sie hatte eine groe,
schwarze Bestie, genauso feurig wie sie ich sagte vonAnfang an, dieses Pferd sei gefhrlich! Im Winter heiratetensie und du wurdest ein Jahr spter geboren.
Ein langes, unbehagliches Schweigen folgte.Schlielich sagte Frank ganz leise, mit einer Stimme,
die ihm gar nicht zu gehren schien:
Dann war ich wohl auch so ein Unglck? Ja, Jungchen, das warst du. Manche meinten, es sei dieStrafe fr die Wildheit deiner Mutter, aber die rzte im Kran-
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kenhaus sagten, es sei nur einer der Flle, die eben manchmalvorkommen. Zuerst dachten sie, du wrdest nie sprechen oderdeine Umwelt wahrnehmen knnen. Sei dankbar, Frank, dassdu wenigstens im Kopf richtig bist, auch wenn dein Krper
nicht so ist, wie er sein sollte. Doch, sei dankbar dafr!Frank erinnerte sich daran, wie er nach unten auf den
groen Schuh mit der dicken Spezialsohle an seinem dnnenlinken Bein geblickt hatte und auf seinen unbeholfenenlinken Arm und die ungeschickte Hand. Bitter hatte ergefhlt, dass es nicht viel gab, wofr er dankbar sein
konnte. Ein schrecklicher Gedanke hatte ihn durchzuckt.Sah es mein Vater nicht gern? ... Mich, meine ich?Herr Michel nahm sich noch einen Keks, um die Pein-
lichkeit der Frage zu verdecken.Weit du, wenn ein Hof viele Jahre der eigenen Familie
gehrt bat, wnscht man sich natrlich einen krftigen Sohn,
der die Tradition fortfhren kann; aber deine Mutter lachtedeinen Vater aus seiner Traurigkeit heraus und sagte, siewrden noch viele andere Shne haben. Du warst damalsein kleines, schwchliches Baby, nicht lter als ein paarMonate, und doch ritt sie Tag fr Tag auf ihrem groenschwarzen Pferd aus.
Aber das hatte ein Ende. Wie ich mich an jenen schreck-lichen Tag erinnere! Sie ritt auf dem Weg zu den Hgelnhier am Laden vorbei und winkte mir.
Ich sah sie nie mehr wieder. Sobald ich die Schreckens-nachricht hrte, ging ich hinauf zum Hof. Herr Michelmusste bei jeder Sensation dabei sein.
Dr. Harder sagte, es wre vielleicht noch Hoffnungvorhanden gewesen, wenn man sie sofort nach Dilngenins Krankenhaus gebracht htte, aber man brachte sie nach
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Hause zum Hof, als man sie im Heidekraut liegen fand.Das Pferd blieb drei Tage lang verschwunden.
Damals saen Adalbert und ich den ganzen Abend inder Kche und tranken Kaffee. Das war eine Nacht! Ich
habe niemals einen solchen Sturm erlebt! Er tobte gegendie Mauern des Hauses und heulte im Schornstein. Frank wrde sich immer daran erinnern knnen, wie HerrnMichels Gesicht immer nher gerckt war, als er sich ber denLadentisch lehnte und jedes seiner eigenen Worte genoss.
Ja, eine schreckliche Nacht war es. Schlielich knarrten
oben die Dielen und Dr. Harder kam herab und ging gleichnach drauen. Nach einiger Zeit trat dein Vater langsam indie Kche, schloss die Tr und lehnte sich mit dem Rckendagegen.
Es hat keinen Sinn, sagte er, ich wei jetzt sicher, dassGott gegen mich ist. Einst habe ich ihn geliebt, jetzt hasse
ich ihn. Ich werde ihn aus meinem Haus ausschlieen undaus meinem Leben und aus dem Leben meines Sohnes.Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Dieses Hausist verucht.
Dann schien etwas ber ihn zu kommen. Er ging vonZimmer zu Zimmer und riss die Bibelsprche von den
Wnden ab, die deine Urgromutter dort aufgehngt hat-te. Wenn er ein Zimmer verlie, schlug der Wind die Trzu, dass das ganze Haus bebte. Dann nahm er die groeBibel der alten Dame vom Bcherbrett und verbrannte siezusammen mit den Wandsprchen in einem mchtigenFeuer im Hof. Als er es angezndet hatte, ging er ins Haus
zurck und lie uns drauen stehen. Der Wind schlug dieHintertr hinter ihm zu, als ob Gott wirklich damit frimmer aus dem Hause ausgeschlossen worden sei.
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Und weiter?, sterte Frank.Nun, der Wind lenkte die Flammen des Feuers zur
Scheune hin, und wenn wir nicht dagewesen wren undgelscht htten, htte im Nu der ganze Hof in Flammen
gestanden.Verbrannte die Bibel vollstndig?Nein, nicht ganz. Ich schlug Adalbert vor, ihr im K-
chenfeuer den Rest zu geben, aber er sagte, er habe zu vielRespekt vor der alten Dame. So versteckte er sie irgendwo.Ich wei nicht mehr wo und er sicher auch nicht.
Frank frstelte und er schlug den Mantelkragen hoch; eswar kalt im Apfelbaum. Was fr ein Nachmittag war dasgewesen und was fr ein Ende hatte er gehabt! Der armeHerr Michel! Er erzhlte gern Geschichten und trieb dabeidie Spannung so auf den Hhepunkt, dass seine Zuhrersich schttelten, wenn sie den Laden verlieen. An jenem
Nachmittag aber war ihm seine Freude verdorben und seinGefhl fr das Dramatische zutiefst verletzt worden. Alser am Hhepunkt seiner Geschichte angelangt war, warer so in Erregung geraten, dass er zwei Kekse auf einmalverschluckte. Das Wasser schoss ihm in die Augen, seinGesicht frbte sich rot und er musste halberstickt unter
Husten und Niesen in sein Schlafzimmer hinter dem La-den chten. Frank hatte sich zwar geschttelt, als er denLaden verlie, aber nicht vor Furcht, sondern vor Lachen,und er hatte noch auf dem ganzen Heimweg gelacht.
Ungeschickt stieg er vom Apfelbaum herunter und grinste,weil er an Herrn Michels trnende Augen denken musste.
Doch er schwor sich auch, was er sich inzwischen schontausendmal geschworen hatte: dass er die Bibel ndenwrde und wenn es ihn das Leben kosten sollte.
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Der Hssliche aus dem WaldAls Frank an einem rauen Winternachmittag die Tr festhinter sich schloss, durchstrmte ihn ein Gefhl der Wrmeund des Wohlbehagens. Er blickte sich in der altmodischenKche mit ihrem rotgekachelten Fuboden, ihrem stabilen
Holztisch und dem groen, offenen Feuer um. Dies warsein Zuhause. Schwarzeneck mochte von auen rau undabstoend wirken, aber sobald man in die Kche trat, fhlteman sich zu Hause.
Mhsam schlte er sich aus seinem Regenmantel, hngteihn an einen der Haken, die die Mnner seiner Familie
durch Generationen hindurch benutzt hatten und grinstevor sich hin, als er Tante Hildes schwarzen Gummimantelneben dem seinen sah. Der Vater und er hatten nie darbergesprochen, aber sie nahmen diesen Regenmantel niemalsfort. Jedesmal, wenn sie ihn ansahen, freuten sie sich imStillen darber, dass Tante Hilde nie wiederkommen und
ihn tragen wrde. Tante Hilde (eigentlich war sie niemandes richtige Tante)hatte nach dem Tod der Mutter Frank, seinen Vater und dasHaus unter ihre Obhut genommen und Frank, der Vaterund das Haus hatten diesen Schlag nie berwinden knnen.Vom frhen Morgen bis abends putzte sie alles und jeden
und verbreitete unter Keifen und Schelten eine hektischeBetriebsamkeit. Damals lebten sie prunkvoll in allen Rumendes Hauses die Kche ausgenommen. Die durften sie nicht
Kapitel 2
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betreten, denn sie war Tante Hildes privates Knigreich, indem sie schreckliche Fischpasteten und Reispuddings kochteund Wsche wusch, lange bevor sie schmutzig war.
Frank erinnerte sich des heftigen, prickelnden Zornes,
der ihn eines Tages vor zwei Jahren gepackt hatte, als sieihm wie gewhnlich nach der Schule helfen wollte, Mantelund Schuhe auszuziehen.
Ich bin vielleicht nicht sehr stark, hatte er zwischen denZhnen hervorgestoen, aber ich bin kein Schwchling!
Das hatte der Vater gehrt und pltzlich war etwas in
dem sonst so ruhigen Mann explodiert, denn er hatte mitder Faust auf den Tisch geschlagen und ihr vorgeworfen:Genau das tust du! Du machst aus meinem Sohn einenhilosen Invaliden und aus meinem Haus ein ... ein ...Reinlichkeitsmuseum. Und er hatte noch eine Menge an-derer, hchst vergnglicher Dinge zur Sprache gebracht,
die Frank schon jahrelang gern gesagt htte.Am Abend war sie gegangen, aber erst, nachdem sie aus
Rache eine grulich Fischpastete fr das Abendessen inden Ofen gestellt hatte.
Frank begann, den Tisch zu decken. Er gebrauchte seinegesunde rechte Hand, um die Ungeschicklichkeit der linken
auszugleichen. Was fr eine Wonne war seither ihr Lebengewesen! Er und der Vater hatten alle Zimmer im Hausabgeschlossen und lebten frhlich zusammen in der Kcheund den zwei Zimmern der Knechte darber.
Frank fllte den Kessel und stellte ihn auf den Herd.Tante Hilde htte ihn so etwas nie tun lassen. Es war herr-
lich, wie ein Mann und nicht wie ein Kleinkind behandeltzu werden! Er hockte sich vor den Ofen hin und schautehinein und verlor vor Entzcken fast die Balance. Frau
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Fuhrmann hatte heute ein Kotelett und eine Nierenpastetedagelassen. Jeden Nachmittag schaute Frau Fuhrmannvorbei; sie war sehr dick und hatte neun Kinder und keineZhne. Saubermachen hasste sie, aber dafr kochte sie
ihnen immer etwas Leckeres zum Abendessen.Pltzlich warf sich etwas gegen die Hintertr und mit
einem Mal waren die zwei groen Schferhunde und derVater in der Kche. Die drei hatten groen Hunger mit-gebracht und bald aen alle stillvergngt. Frank und seinVater sprachen immer nur das Ntigste miteinander; sie
freuten sich schweigend an der Gegenwart des anderen Schwatzen war Frauensache. Glcklicherweise war keineFrau im Hause, die den Frieden eines Mannes mit kleinlichenBemerkungen etwa ber Ellenbogen auf dem Tisch httestren knnen. Unglcklicherweise war aber auch keineFrau zum Geschirrsplen da, doch das war bald erledigt.
Der Vater richtete sich an einem Ende des Tisches mit derlandwirtschaftlichen Abrechnung ein, whrend Frank amanderen Ende mit seinen Hausaufgaben sa. Die Hundeknurrten vor Wohlbehagen auf dem Kaminvorleger undder Feuerschein tauchte die friedlichen Wnde der Kchein ein tiefes, sattes Rot.
Die Schule war etwas Schnes, wenn es nicht denSchulhof gbe, dachte Frank, als er am nchsten Morgendurch den Wald ging. Wenn sie alle in dem einzigen groenRaum der Dorfschule hinter ihren Tischen saen, dann gabes keine Unterschiede zwischen den einzelnen Schlern.Aber sobald die Pause oder die Mittagszeit begann und
jemand vorschlug: Lasst uns Kriegen spielen!, warennicht mehr alle gleich. Dann machte es Frank nicht vielSpa, dem Spiel den Rcken kehren zu mssen und so
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zu tun, als sei es ein greres Vergngen, in der Ecke mitSteinen auf eine Konservendose zu werfen.
Egal, dachte er, morgen ist Sonnabend.Pltzlich raschelte neben ihm etwas zwischen den
Bumen. Mit einem Ruck hielt er an und drehte sich um.Ein bse dreinsehendes Wiesel huschte ber den Weg undverschwand in Farn und Federgras; dann war alles wiederstill. Es war wunderbar, durch den Wald zur Schule zu ge-hen, denn man wusste nie, was man als Nchstes zwischenden dunklen Baumreihen entdecken wrde.
Der Wald war ausgedehnt und erstreckte sich ber vieleMorgen der Landschaft. Es war ein groes Geheimnis, wem ergehrte, denn auer dem Waldaufseher, der fr den Wald unddie Waldarbeiter verantwortlich war, wusste es niemand. Sosehr man ihn auch fragte er sagte nie, wer ihn bezahlte.
Frank liebte jede der hohen, schlanken Lrchen und
der krummen Kiefern, aber manchmal war es auch un-heimlich, allein im Wald zu sein. Jetzt hatte er ihn jedochhinter sich gelassen und unter ihm lag das Dorf. Er konnteHerrn Michels Laden sehen, die Kirche und das Pfarrhaus;die Schule, umgeben vom Grau des Schulhofes und dasweie Golfhotel mit dem Golfplatz dahinter, der sich in
der dunkelgrnen Mauer des Waldes verlor. Hier war der Weg steil und Frank kam nur langsam vor-wrts. Er war halb unten, als von hinten ein Lrm wie voneiner durchgegangenen Rinderherde kam. rgerlich poltertenSteine in alle Richtungen und unter ngstlichem Krchzenatterten einige aufgeschreckte Krhen hoch. Um die Ecke
kam in gestrecktem Galopp ein Riese von einem Jungen.Seine groen, schwarzen Schuhe trommelten auf den
Weg und seine Schulmappe og wie ein Steuerruder hinter
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ihm her. Neben Frank kam er mit einem bewundernswertenStemmbogen zum Stehen und grinste.
Mann, ich dachte, ich kme wieder mal zu spt zurSchule, keuchte er. Ich bin die halbe Nacht aufge-
blieben und habe im Stall geholfen. Wir haben Lmmerbekommen.
Robert interessierte sich so leidenschaftlich fr dieLandwirtschaft, dass er kaum von etwas anderem redenkonnte und immer mit einem dicken Buch ber Ackerbauund Viehzucht zu Bett ging.
Wenn ich nur so stark wre wie Robert, dachte Frank,als sie zusammen weitergingen, dann wre mein Vaterstolz auf mich.
Frhlich plauderte Robert weiter ber seine Lamm-zwillinge, bis sie das Golfhotel erreichten, wo Horst aufsie wartete. Seinem Vater gehrte das kleine Lokal; wenn
man allerdings Horst reden hrte, konnte man meinen, erwohne im Grand Hotel der Hauptstadt. Doch er wohntenun einmal in dem kleinen Haus, wo die unglcklichenGste die Kochkunst seiner Mutter und die langweiligenlustigen Geschichten seines Vaters ertragen mussten.
An diesem Morgen trug Horst eine funkelnagelneue
Jacke und als er wartend dastand, rckte er sie mehrmalszurecht, um sie auch gengend zur Geltung zu bringen.
Hallo, ihr beiden, sagte er herablassend wie ein Knigzu zwei Landstreichern. Wisst ihr, was ich morgen frhtun werde?
Frhstcken?, fragte Frank mrrisch.
Horst warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Nein, natrlich nach dem Frhstck. Ich soll der Balljungefr Baron von Kolben sein, wenn er mit dem Golehrer Golf
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spielt. Man hat ihm erzhlt, ich sei der beste Golfjunge imBezirk. Er wohnt bei uns, msst ihr wissen. Er sagte das so, alsseien Adlige bei ihm zu Hause eine Selbstverstndlichkeit.
Auf dem weiteren Schulweg redete Robert auf Franks
einer Seite ber seinen Hof und auf der anderen prahlteHorst mit seiner eigenen Tchtigkeit. In der Mitte gingFrank und wnschte, dass er sich den anderen gegenbernicht so klein vorkme.
Es war in der letzten Unterrichtsstunde am Nachmittagund die drei obersten Klassen hatten Geschichte. Die Schule
bestand aus achtundzwanzig Kindern und nur einer Lehrerin.Sie arbeiteten alle zusammen in einem Raum, doch jedeKlasse sa in einer eigenen Reihe. Frank sa hinten in derobersten Klasse mit Robert, Horst und den anderen. Siemussten viel lernen dort, denn Frulein Klaar, die Lehrerin,sagte oft: Wir mchten, dass ihr alle nach Dilngen zur
Hheren Schule gebt, und dabei klingelten ihre vielensilbernen Armreifen. Jedesmal, wenn sie das sagte, beobachtete Frank, wie ihrBlick verchtlich auf Sebastian el. Frank sa neben ihmund fand wie alle anderen, dass er ein ziemlicher Dummkopfwar, aber trotzdem hatte er ihn irgendwie gern. Sebastian
hatte abstehende Ohren und trug immer weite, atterndeCordhosen und Turnschuhe. Er sa jetzt gerade mit offenemMunde da und dachte an berhaupt nichts. Robert sa anFranks anderer Seite und war damit beschftigt, auf dieRckseite seines Geschichtsbuches den Plan eines neuartigenDesinfektionsbades fr Schafe zu zeichnen.
Pltzlich wurde in der letzten Reihe ein Zettel von Horstdurchgegeben. Kommt nach der Schule alle mit zu HerrnMichel zum Essen, stand darauf. Nun hatte nie jemand auer
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Horst am Freitag noch Taschengeld, aber alle taten immerdas, was Horst wollte, weil das am bequemsten war.
Alle aus der obersten Klasse gingen zusammen dieStrae entlang: Robert, Sebastian, Frank, Horst und die
Ferguson-Zwillinge, die Tchter des Waldaufsehers. DieZwillinge sahen einander sehr hnlich, waren aber ganzverschieden. Ihre Mutter kleidete sie stets genau gleich, aberSybille sah in ihren Kleidern so adrett wie ein Mannequinaus, whrend Heide immer einer Vogelscheuche hnelte.
Heide war immer von allem, was sie gerade taten, hell
begeistert. Los, kommt!, rief sie den anderen zu. Viel-leicht bekommen wir heute eine gute Geschichte aus ihmheraus.
Mit iegenden Zpfen strmte sie davon und kam als Ersteam Laden an. Sie rannte die zwei Stufen hinauf und wolltegerade hineingehen, als sie wie angewurzelt stehenblieb
und durch das Glasfenster in der Tr starrte. Etwas in ihremBenehmen lie auch die anderen auf der Stelle anhalten.
Schnell!, zischte sie ihnen zu. Hinter das Haus!Es ist der Hssliche aus dem Wald und er kommt geradeheraus.
Alle verschwanden hinter dem Laden, bis auf Frank, der
nicht ink genug war und deshalb fast mit dem zerlumpten,alten Landstreicher zusammenstie, von dem die meistenLeute sagten, er sei der hsslichste Mensch der Welt.
Sie kauerten sich alle zusammen und beobachteten ihn,wie er mit seinem Sack voller Lebensmittel dem Waldentgegenhumpelte.
Heide atmete auf. Meine Gte! Wre es nicht schrecklich,ihm allein im Wald zu begegnen? Mit zitternden Kniendrngten sie sich alle in den Laden.
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Habt ihr diesen Burschen gesehen?, fragte Herr Michelund griff tief ins Khlfach, um Horsts Eiscreme zu holen.Mir stehen immer die Haare zu Berge, wenn er in denLaden kommt.
Da Herr Michel gar keine Haare mehr hatte, glaubte ihmdas niemand, aber sie sahen ihn alle mit groen Augen an,als er sich ber den Ladentisch beugte und sagte: HannesLmmerich, der alte Frster, war gestern hier und erzhltemir, dass er an seiner Wohnung im Wald vorbeigegangensei es ist nur ein Wohnwagen mit einem Zaun drum
herum aber wisst ihr, was er da hrte?Was?, sterten alle und Frank war sicher, dass seine
Haare jetzt so zu Berge standen, wie Herr Michel es vonseinen behauptet hatte.
Ja, wisst ihr, was er hinter dem hohen Zaun hrte?Schreckliche Gerusche Schlge und Gequieke und
seltsame, schnatternde Laute.Was meinen Sie blo, was er hinter seinem Zaun hat?,
fragte Sebastian, dessen groe Ohren vor Aufregung pur-purrot geworden waren.
Das kann niemand sagen, erwiderte Herr Michel dster,weil der Zaun zum Hinberschauen zu hoch ist. Aber eins
wei ich sicher er fhrt nichts Gutes im Schilde. MeinVetter hat in Dilngen am Bahnhof ein Geschft und ersieht ihn oft zum Bahnhof gehen, mit einer Schubkarrevoll kleiner, hlzerner Ksten.
Die schickt er mit dem Zug weg und ein paar Tage spterkommen sie wieder zurck. Aber wo diese Holzksten
dann gewesen sind und was sie enthalten, wage ich nichtauszudenken!
Die unbefriedigte Neugier setzte Herrn Michel so zu,
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dass er selbst ein Eis essen musste. Da er jetzt zu sehrdamit beschftigt war, ber dem dunklen Geheimnis zu
brten, verlie ihn die Gruppe.Meine Gte, sagte Heide, als sie drauen waren, ich
wrde alles darum geben, wenn ich wsste, was hinter demZaun ist.
Ich auch, bekrftigte Sebastian, aber keiner von unswrde wagen, auch nur einen Blick hinberzuwerfen.
Na, das wei ich aber noch nicht, prahlte Horstberlegen. Ich mache mir nichts daraus; es wre ganz
einfach: Nur leise anschleichen, eine Leiter anstellen undim Handumdrehen hat man alles gesehen. Nein, ich htteberhaupt keine Angst.
Warum tust du es dann nicht morgen?, schlug Sebastianbegeistert vor. Wir kommen alle mit.
Oh ja, fgte Heide hinzu, und wir machen Picknick
im Wald; wir werden schon nicht frieren.Ich ... h ... ach ja, ich habe morgen zu tun. Ich muss
Golfjunge spielen, antwortete Horst, froh, eine Entschul-digung zu haben.
Aber das ist doch nur morgens, sagte Robert.Ich habe auch keine Leiter. Horst suchte verzweifelt
nach einer Ausrede.Oh, wir haben eine von diesen neuen, leichten Klapp-
leitern, bot ihm Robert stolz an. Mein Vater gibt sie mirbestimmt.
Horst wusste, dass er in die Enge getrieben war.Na gut, sagte er verdrielich, aber macht mir keine
Vorwrfe, wenn wir totgeschossen oder von grulichenquiekenden und schnatternden Viechern aufgefressenwerden.
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Jetzt habe ich dichAm nchsten Tag gingen sie nach dem Mittagessen los.Die Wintersonne schien vom Himmel. Gewhnlich hieltsich Frank beim Spielen von den anderen fern, denn erhasste es, wenn sie auf ihn warten und ihm ber Tore und
Mauern helfen mussten. Heute aber dachte er nicht daran,denn er brannte vor Neugierde.
Robert trug die Leiter und einen groen Brotbeutel, inden jeder sein Essen fr das Picknick gepackt hatte. Er warso stark, dass er das Doppelte htte tragen knnen, ohnedass es ihm etwas ausgemacht htte.
Sie drangen in die beklemmende Dunkelheit des Wal-des ein und bald schon hatte sie seine unheimliche Stilleverschlungen.
Am besten nehmen wir den Weg ber den BodenlosenTeich, sagte Horst. Heute Nachmittag war er glnzenderLaune, weil Baron von Kolben ihm fnf Mark statt der
blichen drei Mark gegeben hatte. So beschloss er, Sebastianein wenig auf den Arm zu nehmen.
Sebastian, sagte er, weit du eigentlich, was mit demBodenlosen Teich los ist?
Nein, antwortete Sebastian und starrte Horst geistlosmit offenem Munde an.
Soll das heien, dass dich dein Vater nie davor gewarnthat?
Nein, warum denn?
Kapitel 3
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Dann hast du wohl auch noch nie von dem Ungeheuergehrt?
Alle anderen verkniffen sich mhsam das Lachen. Derarme Sebastian glaubte aber auch alles, was man ihm
erzhlte und biss herrlich auf jeden Kder an.Hr mal, Sebastian, fuhr Horst fort, du kennst doch
das Ungeheuer vom Loch Ness? Na, das ist nur einewinzige Kaulquappe im Vergleich zu diesem Biest. Unddas Schlimmste ist: Dieses Ungeheuer soll Menschen beilebendigem Leibe auffressen.
Meint ihr nicht, wir sollten den anderen Weg gehen?,sagte Sebastian ngstlich und bekam ganz rote Ohren.
Vielleicht wre es besser, stimmte Horst zu, aberweil ich dich gut leiden kann, Sebastian, werde ich dichin das Geheimnis des Ungeheuers einweihen.
Du brauchst ihm nur einmal etwas zu essen zu geben.
Weil es dich wie ein Elefant aus Dankbarkeit dann niewieder vergisst, bist du dein ganzes Leben lang vor ihmsicher. An deiner Stelle wrde ich ihm mein Picknickpaketopfern.
Auf Sebastians Gesicht malte sich Bestrzung. Aberdarin ist Obsttorte, sagte er klglich.
Mein lieber Sebastian, sagte Horst mit ernster Mie-ne, was ist ein Stck Obsttorte, verglichen mit deinemLeben?
Inzwischen waren sie am Teich angekommen. Heide press-te sich gegen einen Baum, um ihr Kichern zu ersticken, undRobert schien einen Hustenanfall zu haben. Langsam griff
der betrbte Sebastian nach dem Brotbeutel und schlichallein zum Ufer des Sees. Man hrte ein Platschen und miterleichtertem Gesicht kam er zurck.
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So war es das Beste, sagte er, ich bin dir sehr dank-bar, Horst; und weil eine Hand die andere wscht, habeich dein Paket auch in den Teich geworfen.
Was hast du gemacht?, schrie Horst. Er dachte an
den Inhalt des Paketes, den er so liebte: Ksebrot mitGurken.
Ich habe dein Paket auch hineingeworfen, damit dugenauso sicher bist wie ich. Bist du nicht froh darber?
Horst strzte auf ihn los und wre er nicht ber dieLeiter gestolpert, htte Sebastian wohl bald neben seinem
Picknickpaket im Teich gelegen.So aber machten sie sich wieder auf den Weg und Horst
rieb sich seine Nase, an die er sich beim Fallen gestoenhatte. Der Wald wurde immer dunkler und unheimlicher.
Wir wollen lieber ganz leise sprechen, sterte Heide.Bald sind wir da.
Sehr bald erreichten sie die Lichtung, wo der alte Mannhinter seinem Zaun lebte. Niemand konnte sich erklren,warum ihn der Waldaufseher dort wohnen lie, und HerrMichel sagte, das sei eine Schande. Geruschlos schlichen sich alle an den Zaun heran ge-ruschlos bis auf Sebastian, unter dessen groen Fen
die Zweige immer am lautesten zu knacken schienen. Dergroe Augenblick war da. Die Leiter wurde auseinander
geklappt und an den Zaun gestellt; allen schlug das Herz
bis zum Hals, und sie wnschten, sie wren nie hierher
gekommen.
Los, rauf mit dir, Horst, sterte Sebastian, taktlos
wie immer.Oh, murmelte Horst mir rauer Kehle, habe ich ver-
gessen, euch das zu erzhlen? Doktor Harder sagt, dass
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ich nie auf eine Leiter steigen darf. Ich leide an Verti- ...h ... an Verti-soundso.
Aber gestern warst du doch noch ganz in Ordnung,oder?, sterte Heide besorgt zurck.
Oh, das ng ganz pltzlich heute morgen an, sagteHorst und versuchte, so krank wie mglich auszusehen.
Niedergeschlagen zogen sich alle auf Zehenspitzen inden Schutz der Bume zurck, um Kriegsrat zu halten.
Also, ich habe viel zu viel Angst, bekannte Robertund setzte sich zur Bekrftigung auf einen Baumstumpf.
Sebastian hinzuschicken, hat keinen Zweck, stellteHorst fest. Er ist zu dumm, er kann uns spter nicht er-zhlen, was er auf der anderen Seite des Zaunes gesehenhat.
Ich kann nicht auf diese staubige Leiter steigen; ichknnte meinen neuen Rock beschmutzen, zierte sich
Sybille.Ich gehe, sagte Frank in das nun folgende Schweigen
hinein.Du?, fragten alle auf einmal und starrten Frank ber-
rascht an. Kannst du denn berhaupt auf einer Leiterhochsteigen?
Dessen war sich Frank gar nicht so sicher, aber ganzgelassen sagte er: Selbstverstndlich und ging wiederzum Zaun zurck. Immer hatte er Angst, von ihnen alsJammerlappen angesehen zu werden. Hier war endlicheine Gelegenheit, das Gegenteil zu beweisen.
Wenn ich blo nicht auf halbem Weg stecken bleibe
und mich blamiere, dachte erAls sie bei der Leiter ankamen, hielt sie Sebastian unten
fest, und Frank nahm die ersten paar Sprossen sehr lang-
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sam. Es ist sehr schwierig, eine Leiter zu besteigen, wennman praktisch nur ein gesundes Bein hat, aber nach vielemKeuchen und Kmpfen war Frank oben. Sein rechtes Beinschwang er ber den Zaun, denn rittlings sitzend konnte
er die Balance besser halten. Bevor er jedoch Gelegenheithatte, irgendetwas zu sehen, kam das Unglck in Gestalt vonSebastian. Der war nmlich so aufgeregt, dass er auf undnieder hpfte, und dabei stie er mit einem seiner groenFe gegen die Leiter. Pltzlich schienen sich die Ereignissezu berstrzen. Die Leiter el nach der Seite um, und Frank
musste sich an die Oberkante des Zaunes klammern. Einlauter, zorniger Ausruf kam von irgendwo unter ihm under konnte gerade noch seine Freunde unter den Schutz derBume chten sehen. Sebastian el dabei natrlich bereine Baumwurzel und schrie wie am Spiee. Pltzlich kam die Erde auf Frank zu. Immer nher kam
sie, dann traf ihn etwas an der Schulter und er lag ganz stillda.
Zuerst wusste er nicht, ob er tot oder lebendig sei, denner schien irgendwo in der Luft zu schweben. Um ihn wogtealles wie Seegras im Meer. Schlielich nahm er einigeziemlich ungewaschene Zehen wahr, die neugierig aus
noch schmutzigeren Schuhen hervorlugten. ber den Zehensah man entsetzlich zerlumpte Hosen und ganz oben dasGesicht des hsslichsten Mannes der Welt.
Jetzt hab ich dich!, sagte er mit einer Stimme, diewie das Krchzen eines Raben klang.
Frank musste schlucken und versuchte, auf die Fe zu
kommen. Das Tor im Zaun lag direkt vor ihm.Entschuldigen Sie die Strung, sagte er. Ich gehe
gleich wieder.
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Du hast dich am Bein verletzt, stellte der Mann ohneMitgefhl fest.
Oh nein, beeilte sich Frank zu sagen. Das ist ange-boren.
Komm mit in meinen Wohnwagen und trink eine TasseKaffee. Es war mehr ein Befehl als eine Einladung.
Oh nein, vielen Dank; ich muss mich auf den Wegmachen. Frank war verzweifelt.
Ich sagte, komm mit in den Wohnwagen und trink eineTasse Kaffee.
Diesmal gab es keine Widerrede und so folgte ihm Franknach drinnen. Als ihn spter die anderen fragten, wie dasInnere des Wohnwagens ausgesehen habe, konnte er sich annichts mehr erinnern, nur an die Dunkelheit und die vielenPokale. Sie standen auf dem Tisch, auf Bcherbrettern undauf dem Fuboden. Einige waren sehr gro, andere wieder
klein.Der Mann stie ihn auf eine Bank und begann, aus einem
groen schwarzen Kessel den Kaffee in Emaillebecher zugieen. Er fgte Dosenmilch hinzu und Zucker aus einemPaket und rhrte schlielich alles mit einer Zahnbrste um.
Frank beobachtete ihn wie ein Kaninchen das Wiesel.
War es berhaupt mglich, dass jemand so hsslich war?Es lag an der Nase. Sie war fast schwarz und breitete sichin allen mglichen Richtungen ber das Gesicht aus. DerAlte besa nur noch drei Zhne und die waren gelb wie dieeines alten Hundes. Man konnte auerdem nicht ausmachen,wo das strhnige Haar aufhrte und der Bart begann.
Ich bin hsslich, nicht wahr? Die barsche Stimmedurchkreuzte Franks Gedanken wie ein Keulenhieb.
... Ich ... h ... ich meinte nicht ..., stammelte er.
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Gerade darum wohne ich hier, weit weg von allenMenschen. Ich kann es nicht ausstehen, wenn man michanstarrt. Wehmtig starrte er in seinen Kaffeebecher. Ichhabe mein ganzes Leben lang im Wald gearbeitet vor
allem in Kanada und versucht, vor den Menschen zuiehen. Vor zwanzig Jahren, als ich mich zur Ruhe setzte,kam ich dann hierher. Ich wollte mich ihnen fr immerentziehen und ich kann das Angestarrtwerden noch immernicht ertragen. Pltzlich empfand Frank in seinem Inneren etwas fr
diesen Mann und einen Augenblick lang verga er seineFurcht.
Wissen Sie, genauso geht es mir manchmal, sagte erlebhaft. Ich bin nmlich gelhmt.
So, sagte der Mann und stand schnell auf und splteseinen Becher in einer Schssel mit kaltem Wasser ab. Dann
drehte er sich pltzlich heftig zu Frank um und schwenktedie tropfnasse Tasse in der Luft.
Junge!, polterte er heiser, du darfst niemals Angstvor den Leuten haben oder du wirst dein Leben ruinieren.Du hast dich widerrechtlich auf mein Grundstck gewagtund so wirst du mir jetzt einmal zuhren. An die Wand
des Wohnwagens gedrngt, hatte Frank gar keine andereWahl. Der zerbeulte Becher wedelte keine fnf Zentimetervor seiner Nase hin und her.
Bei den Leuten ist Angriff die beste Verteidigung, bellteder alte Mann. Wenn du dich wegen deines Aussehensunglcklich fhlst, dann denke daran, dass sie sich auch
nicht wohl in ihrer Haut fhlen. Vielleicht sind sie dick,oder sie schielen, oder sie sind vielleicht nicht klug, odervielleicht haben sie sogar eine solche Nase wie ich.
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Seine Stimme wurde immer lauter. Schau ihnen gera-de ins Gesicht und denke daran, dass sie sich alle wegenirgendeiner Sache albern vorkommen.
Pltzlich sank er auf dem Stuhl in sich zusammen und
bedeckte die Augen mit der Hand.Das alles hat mir einmal jemand gesagt und ich habe
mein ganzes Leben lang versucht, danach zu handeln, aberich habe es niemals geschafft. Denk daran, Junge, oder duwirst ein alter, einsamer Mann wie ich.
Dann nahm er die Hand von den Augen und sagte in
einem ganz anderen Tonfall: Mchtest du gerne einenChampion haben?
Nun war das Einzige, was Franks gequlter Geist imAugenblick unter einem Champion verstand, ein Box-champion, und er fragte sich leise, was Vater wohl sagenwrde, wenn er einen mit nach Hause brchte.
Komm mit, befahl der alte Mann, und ich werde diretwas zur Erinnerung an den heutigen Tag schenken.
Frank folgte ihm mit einem bitteren inneren Lachen. Erbrauchte wirklich nichts zur Erinnerung: diesen Alptraumwrde er nie vergessen.
Sie traten aus dem Wohnwagen und gingen nach unten.
Fr kurze Zeit hatte Frank den Eindruck, in einer groenStadt zu sein, mit Huserblocks auf neiden Seiten. Doch
dann wurde ihm bewusst, dass es keine Huser waren,
sondern Kge. Sie waren in Reihen lngs des Zaunes
und an der Rckseite des Wohnwagens bereinander
gestellt und die Grostadtstrae war ein Gang zwischen
den Kgen.In ihnen tummelten sich Meerschweinchen aller Gren,
die alle an dem Drahtgeecht der Vorderseite ihrer Kge
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hochkletterten, als sie den alten Mann sahen. Jedes quiektezur Begrung es war ein Heidenlrm.
Das hat der alte Hannes Lmmerich gehrt, dachteFrank.
Dies sind einige der berhmtesten Meerschweinchendes Landes, erklrte der Mann stolz, keine gewhnlichenMeerschweinchen. Ich schicke sie zu groen Ausstellungenberall im Land. Sie haben all die silbernen Pokale drinnenim Wohnwagen gewonnen. Ich habe mit ihnen mehr Preisegewonnen als jeder andere Zchter im ganzen Land.
Aber wie kommen sie in die Ausstellungen, wenn Sienicht mitfahren?
Oh, Zchter wie ich knnen nicht mit ihren Tieren durchdas ganze Land ziehen. Nein, wir stecken sie in kleine,hlzerne Transportkisten wie diese hier und schickensie mit dem Zug. Die Verantwortlichen fr die Ausstellung
bringen sie dann zusammen.Aber macht das den Meerschweinchen nichts aus?Nein, nicht im Geringsten! Ich glaube, sie haben sogar
Spa daran. Bevor sie verreisen, gebe ich ihnen eine groePortion ihres Lieblingsfressens. Wenn sie zurckkommen
und alle Preise gewonnen haben bekommen sie ein
in Milch verquirltes Ei. Ich glaube, sie sind selbst stolzauf sich. Wahrscheinlich wissen sie, dass sie Championssind.
Liebevoll betrachtete er seine kleine Stadt. Ihnen machtmeine Hsslichkeit nichts aus, sagte er und ffnete dieTr eines groen Kgs. Dies ist Der Kaiser, fgte er
stolz hinzu, der Urgrovater des ganzen Geschlechtes.Er ist dreifacher Champion. Sieh dir einmal diese Zeich-nung an: wei, gelbbraun und schwarz. Schau diese re-
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gelmigen Quadrate, die in einer Reihe auf dem Rckenzusammenlaufen, und sieh dir diese edle rmische Nase anund die wohlgeformten Ohren. Einzigartig ist er, einfacheinzigartig!
Die anderen Meerschweinchen in den brigen Kgenwaren von derselben Farbe und Zeichnung, aber das stol-zeste Tier war zweifellos Der Kaiser.
Ich zchte natrlich eine ganze Menge Meerschwein-chen, aber ich behalte nur die Allerbesten. Die Jungtiere,die irgendwelche Fehler haben, verschicke ich an Zoo-
handlungen berall im Land. Ich selbst halte mir nurein paar der schnsten fr Ausstellungen und zur Zucht.Schau mal, hier! Er ffnete einen anderen Kg mitsechs entzckenden Jungtieren darin. Sie waren nichtgrer als Muse.
Siehst du das Weibchen da, das sich am Ohr kratzt?
Das wird eines Tages ein Champion, aber der Rest, nun... Sie gingen weiter die Reihe entlang.
Pltzlich merkte Frank, wie ihn zwei schlfrige, brauneAugen ansahen. Eine rosa Nase schnupperte ihm entgegenund sofort wusste er, dass er sein ganzes Herz verlorenhatte.
Oh, wie heit dieses?, fragte er.Das ist Peter, ein Enkel des Kaisers; er hat letzte
Woche seine erste Ausstellung gewonnen. Du kannst ihnhaben.
Haben?, wiederholte Frank unglubig. Richtig be-halten?
Ich habe dir doch gesagt, ich wollte dir etwas zur Er-innerung an den heutigen Tag schenken!, brummte derMann mrrisch. Hier, du kannst ihn in diesem alten Kg
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mitnehmen. Gib ihm nur jeden Tag ein bisschen Kleieund gemahlenen Hafer und im Frhling viel Grnzeug,
besonders Gras. Du wirst viel Freude an ihm haben, demGuten.
Whrend er den Kasten wie einen Rucksack auf FranksRcken schnallte, fragte er: Wie heit du, Junge? AlsFrank seinen Namen nannte, trat eine berraschungspauseein. Der alte Mann trat mit einem Ausdruck des Schreckenszum Zaun zurck. Du bist also einer von den Schfersaus Schwarzeneck, sagte er mit fremdartiger, gepressten
Stimme. Dann mach dich am besten ganz schnell ausdem Staube und komm nie wieder in meine Nhe! Imnchsten Augenblick befand sich Frank drauen und dasTor im Zaun schlug krachend zu.
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Eine aufregende EntdeckungKomm, Peter; ich habe saftigen Kohl fr dich.
Frank steckte das Stck Kohl durch die Gitterstbe undPeter kam hungrig herbei. Er fra immer ganz vorn imKg, und whrend seine braunen Augen dankbar auf
Frank gerichtet waren, bearbeitete er das Futter mit seinenscharfen Vorderzhnen.
Er hatte sich sehr schnell in seinem Kg eingelebt.Frank hatte ihn in den kleinen Holzschuppen gestellt, denman den Geschirrstall nannte und der schon lange nichtmehr benutzt wurde. Zuletzt hatte die Mutter in ihm ihr
groes schwarzes Pferd gesattelt. Das war vor elf Jahrengewesen, doch der Schuppen war noch voller Sttel undGeschirr, das herrlich nach Leder und Pferden und Lein-samenl roch.
Frank sa auf einem umgestlpten Holzkbel und sahPeter beim Fressen zu. Es war ein Sonntagnachmittag und
er hatte sonst nichts zu tun. Der Samstag war so schrecklichaufregend fr ihn gewesen, dass sich als Nachwirkungheute Mattigkeit und Lustlosigkeit einstellten.
Was fr ein langer, magerer, schrecklicher Tag derSonntag doch ist, sagte er laut vor sich hin, und jetztfngt es auch noch an zu regnen.
Sonntage zogen sich fr Frank immer entsetzlich in dieLnge und zur Langeweile kam ein chronischer Hunger.Frau Fuhrmann kam nie an Wochenenden und der Vater lag
Kapitel 4
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meistens den ganzen Tag ber im Bett. Nur mittags stander einmal auf, um eine Konservendose fr das Essen zuffnen. Das bliche Gericht waren dann gekochte Bohnenund abends gab es trockene Brtchen mit Marmelade.
Ja, der Sonntag war ein langer, hungriger Tag.Alle anderen sind wohl jetzt in der Sonntagsschule,
dachte Frank. Bestimmt lernen sie da, was es mit Gott aufsich hat, die Glcklichen!, fgte er unter einem Seufzerhinzu.
Gott war fr Frank ein groes Geheimnis, denn ein ganzes
Leben lang hatte er nie Gelegenheit gehabt, etwas ber ihnzu erfahren. Gut konnte er sich noch daran erinnern, wieVater zu Tante Hilde gesagt hatte: Eins merk dir, Hilde!Ich will nicht, dass dem Jungen irgendetwas ber Gott
beigebracht wird.Frank hatte sich damals auf den Beginn der Schule
gefreut, nur weil er hoffte, dort etwas von Gott zu hren;doch der Vater hatte ihn am ersten Schultag selbst mit demWagen in das Dorf gefahren und eine lange Unterredungmit Frulein Klaar, der Lehrerin, gehabt, die im Stillenseine Ansichten ber Gott teilte. So musste Frank whrendder morgendlichen Schulandacht immer in der Garderobe
ein Buch lesen. Wie sehr er sich auch anstrengte, konnte erdoch nie ein Wort von dem verstehen, was auf der anderenSeite der gut schlieenden Tr gesagt wurde.
Im Laufe der Zeit war seine Neugier nur noch gewachsen,bis er eines Tages Adalbert gefragt hatte: Ist Gott ein Dingoder eine Person?
Adalbert hatte sich an der kahlen Stelle seines Kopfesgekratzt und gesagt, richtig wsste er das auch nicht. Aber,hatte er hinzugefgt, einige Leute hier zu Lande sagen,
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dass der Zorn Gottes auf deinen Vater fallen wird, weil erdich in Unwissenheit aufwachsen lsst. Adalbert liebtees, Worte umzukehren: Doch der Zorn deines Vaters wirdauf mich fallen, wenn ich dir noch mehr erzhle. Deshalb
mache dich fort und denk an was anderes.Frank hatte versucht, an was anderes zu denken, aber
dieses seltsame Etwas namens Gott faszinierte ihn. EinesTages war er in die Bcherei in Dilngen der nchstenStadt gegangen und hatte in staubigen Regalen Bchergewlzt. Dabei hatte er einiges ber Archologie gelesen,
eine Menge ber Korbmacherei, aber nicht das Geringsteber Gott. Schlielich hatte er eines Tages seine Schch-ternheit berwunden und Sybille gefragt. Sie hatte ihnunsagbar verchtlich angeschaut wie eben nur Sybilleeinen ansehen konnte und gesagt: Also Frank, wenndu so etwas noch nicht einmal weit, dann werde ich es
dir auch nicht erzhlen. Mit Heide war es ihm kaum besser ergangen, denn als er siefragte, hatte sie gerade wieder einen ihrer Kicheranflle.
Nach diesen Erfahrungen war er zu befangen, im nochjemand anders in der Schule zu fragen. Dafr ging er einesNachmittags vor dem Pfarrhaus auf und ab und versuchte,
all seinen Mut zusammenzunehmen und den Pfarrer zufragen. Aber der war schon sehr alt und sehr taub, undFrank brachte es einfach nicht fertig, seine Fragen in dasgroe, altertmliche Hrrohr zu schreien. So war er nachHause zum Abendessen gegangen und nun stand er da, elfJahre alt und noch immer von Neugierde geplagt.
Es war unertrglich kalt. Ich glaube, ich gehe besser hineinan den Kamin, sagte er zu Peter, der sich behaglich zu einerKugel zusammengerollt hatte und ihn gar nicht beachtete.
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Na, dann Gute Nacht, murmelte Frank, ziemlich ent-tuscht von Peters Unaufmerksamkeit; aber Peter kuscheltesich noch enger zusammen und knurrte zufrieden.
Mit hochgeschlagenem Kragen eilte Frank ber den Hof.
Er musste gegen den unbarmherzigen Mrzwind ankmpfen,der von den kahlen, felsigen Hhen oberhalb des Hofesherabheulte. Als er am Holzstall vorbeilief, erinnerte er sichdaran, dass der Vater ihn gebeten hatte, ein paar Holzscheitemitzubringen. Schnell schlpfte er hinein und sogleich umgabihn der angenehme Geruch abgelagerten Holzes.
Adalbert hackte immer nur dann Holz, wenn er beischlechter Laune war, deshalb war der Schuppen gewhn-lich mit Holz voll gepfropft. Doch seit der Vater ihm eineLohnerhhung gegeben hatte, war er schon monatelang inglnzender Stimmung, und der Schuppen war an diesem
Nachmittag nahezu leer.
Frank stolperte trge herum und suchte Holz zusammen,als er pltzlich in dem ehemals groen Holzhaufen etwasentdeckte, was bestimmt kein Holzscheit war. Er kauertesich nieder und ng an, einen alten Sack hervorzuzerren,der irgendetwas Groes, Viereckiges enthielt.
Es ist eine Art Kiste!, sterte er, pltzlich atemlos
vor Erregung. Vielleicht ist es ein verborgener Schatzund wir knnen in den Ferien einmal ins Ausland fahrenoder uns sogar ein Rennauto kaufen.
Heftig riss er an dem Sacktuch, aber es war alt und steifund verschimmelt. Was um alles in der Welt ist hier drin?Es ist ganz schn schwer vielleicht sind es Goldmnzen
oder groe, wertvolle Edelsteine. Schlielich gab der Sacknach und der schwere Inhalt schlug dumpf auf dem Bodenauf. Zuerst durchfuhr Frank schmerzhafte Enttuschung.
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Es ist blo ein altes, verkohltes Buch, sagte er sich.Aber wo habe ich es schon einmal gesehen? Auf einmalverwandelte sich Franks Enttuschung in unbeschreiblicheAufregung. Er verga Schtze und Rennwagen, er verga
Hunger und Klte; er hatte das gefunden, wonach er seitMonaten gesucht hatte das Buch, das seit jener schreckli-chen, strmischen Nacht, in der sein Vater Gott aus seinemLeben ausgeschlossen hatte, hier versteckt gelegen hatte.Das Aussehen des Buches hatte sich traurig verndert,doch Frank erkannte es von dem Bild im Wohnzimmer
her sofort wieder. Da war der metallene Einband, da warendie Schnallen es war unzweifelhaft Urgromutters langeverloren geglaubte Bibel.
Eine volle Minute sa er auf dem Holz und starrtesie an. Jetzt, nachdem er sie gefunden hatte, war er zungstlich, sie zu berhren; sie htte ja durch einen Zauber
verschwinden knnen. Doch dann ffnete er ganz langsamden schwarzen Deckel und entdeckte ein Bild. Es war einesorgfltig hineingeklebte Fotograe seiner Urgromutterals junges Mdchen mit langem, schwarzen Haar. Darunterhatte sie in ihrer altmodischen Handschrift ihren Namengeschrieben und auf dieselbe Seite auerdem etwas sehr
Seltsames:
Jakobus 4, Vers 8:Nahet euch zu Gott,
so naht er sich zu euch.
Was sollte das heien: Jakobus 4, Vers 8? Es klang aufalle Flle sehr merkwrdig. Aber mit dem anderen: Naheteuch zu Gott, so naht er sich zu euch, damit konnte man
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schon eher etwas anfangen. Das hie doch, dass man nurzu Gott gehen musste, um ihn kennen zu lernen; und wenner einem dann entgegenkam, konnte er doch eigentlich nurein Jemand, eine Person, sein.
Ein Gefhl der Freude durchfuhr ihn. Jetzt endlich,sagte er sich, kann ich alles von Gott erfahren, was ichwissen will. Mit zitternden Fingern bltterte er die Seitenum. Einige der Bltter waren so versengt, dass man nichtsmehr lesen konnte, andere wieder waren fast unversehrt. Erstand auf, drckte die Bibel an sich und htte am liebsten
gelacht und geweint und geschrien und gesungen, alles zugleicher Zeit.
Ich werde sie mit in den Geschirrstall nehmen, sagteer, und ich werde jedes Wort lesen, das noch lesbar ist,
bis ich wirklich alles wei.Jetzt versprte er mehr als bloe Neugierde; als er ber
den Hof humpelte, war es ihm, als htte ihn eine unsichtbareMacht gepackt und als triebe sie ihn dazu, das Wissen zuerlangen, nach dem er sich sehnte.
Er setzte sich auf seinen alten Eimer, ffnete das Buchund begann zu lesen. Sie schienen ihm entgegenzudonnern,die groen Worte:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.Im Geiste konnte er ihn sehen, wie er das tat, denn er
sah immer von allem, was er las, Bilder in seiner Phantasievor sich. So schien auch jetzt alles vor seinen Augen zugeschehen. Er konnte sehen, wie Gott die Welt wie Knet-masse zu einer Kugel formte und sie in das Weltall warf.
Er sah, wie er die Ozeane schuf und die Kontinente undInseln einzeichnete , genauso, wie Frank sie selbst imErdkundeunterricht zeichnete. Dann sah er, wie das Gras
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wuchs und wie das Gevgel und die groen Walschekamen und schlielich der Mensch selbst.
Meine Zeit!, schluckte Frank und seine Augen warenkugelrund vor Staunen. Gott muss aber mchtig stark sein!
Warum hat Urgromutter blo geschrieben, man solle sichihm nahen? Ich knnte mich niemals jemandem nhern,der so mchtig ist. Er wsste bestimmt nicht einmal, dassich existiere.
Er las weiter und konnte vor Aufregung kaum die Seitenumschlagen. Als er an der Stelle angekommen war, da die
Schlange mit Eva sprach, krallten sich seine Finger ausFurcht ineinander, und er wollte sie daran hindern, dieverbotene Frucht zu nehmen. Doch da hrte er den Vaterzum Abendessen rufen.
Schuldbewusst versteckte er die Bibel unter dem Eimerund verbrachte im Haus einen unruhigen Abend auf der
Kante von Urgromutters Schaukelstuhl. Hoffentlich fragteihn Vater nicht, warum er so ruhelos sei! Glcklicherweisewar Vater jedoch wie gewhnlich viel zu sehr mit seinenlandwirtschaftlichen Zeitschriften beschftigt, als dass eretwas bemerkt htte.
Als am nchsten Morgen das Frhstck vorbei war,
strzte Frank in den Geschirrstall. Kaum hatte er aberPeter gefttert und gesehen, wie Adam und Eva aus demParadies vertrieben wurden, da merkte er, dass er wohlviel zu spt zur Schule kommen wrde.
Er rannte den ganzen Weg, so schnell es ihm sein lahmesBein erlaubte und kam schwitzend und keuchend vor der
Tr des Klassenzimmers an.Ach du meine Gte!, pustete er, als er von drinnen
das Groe Einmaleins hrte. Ich komme zu spt; sie sind
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schon beim Rechnen! Er ffnete die Tr und schlpftehinein.
Gewhnlich sahen die Leute einen Augenblick zu einemhin, wenn man zu spt kam, aber heute war es schrecklich.
Ganz pltzlich herrschte vlliges Schweigen, man meinte,die Spannung knistern zu hren, die ber der Klasse lag.Alle fuhren auf und starrten ihn an. Bleistifte und Bcherelen auf den Boden und einige der Kleineren lieen ihreRechentafeln fallen.
Na, sagte Frulein Klaar und nahm ihre Brille ab,
nach dem, was ich von deinen Abenteuern am Sonnabendgehrt habe, habe ich kaum noch erwartet, dich heute inder Schule zu sehen.
Die anderen machten sich wieder an ihre Arbeit, aberheimlich schauten sie sich nach Frank um, als sei er derwieder lebendig gewordene Winnetou. Heide erzhlte ihm
spter, dass Horst als strahlender Held umhergegangenwar und von seinen Taten berichtet hatte. Er Horst warnatrlich tapfer zurckgegangen, um Frank zu retten, hatteaber solches Schreien und Sthnen und solch grsslichesFoltergerusche gehrt, dass er wieder weglaufen musste.Ich wusste natrlich ganz genau, dass das nicht stimmte,
aber die anderen haben es ihm alle geglaubt, fgte Heidemit einem Kichern hinzu.
Sobald es zur Pause geschellt hatte, fand sich Frank aufdem Schulhof in einem Knuel von Kindern wieder. Dieganze Schule drngte sich um ihn, alle sprachen zu glei-cher Zeit auf ihn ein und stellten ihm Fragen. Er konnte es
fast nicht glauben, dass sie alle mit ihm, mit dem kleinenFrank, sprachen, der gewhnlich allein dastand und sie nuraus der Ferne sah. Er fhlte sich wie Horst, als er seine
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Geschichte erzhlte, und sie horchten mit offenem Mund,um sich auch ja kein Wort entgehen zu lassen alle auerFrau Fuhrrnanns kleinen, dicken Tchtern, die dauernd nursagten: Oh Frank, was bist du tapfer! Nein, was bist du
tapfer!Und dann zwang er mich, Kaffee aus einem alten,
verrosteten Becher zu trinken, fuhr Frank fort und dasErzhlen bereitete ihm groen Spa.
War er vergiftet?, unterbrach ihn Sebastian.Natrlich nicht, du Dummkopf; sonst wre er doch
jetzt tot, sagte Horst spttisch.Ach so, das stimmt, gab Sebastian kleinlaut zu. Doch
dann bat er schon wieder: Erzhl weiter, Frank!Nun, dann ng er pltzlich an, mir zu erzhlen, was ...
Hier unterbrach sich Frank. Nein, lieber wollte er sich dieZunge abbeien als ihnen das erzhlen. Schlielich waren
sie doch weggelaufen und hatten ihn im Stich gelassen,als er dort oben auf dem Zaun sa.
Er hat mir sehr interessante Dinge erzhlt, aber das istein Geheimnis zwischen ihm und mir, und obwohl ihnalle bestrmten, konnten sie nichts mehr aus ihm heraus-
bekommen.
Er erzhlte ihnen von den Meerschweinchen; nur hatteer das sichere Gefhl, dass sie das andere nicht verstehenwrden: dass sich jeder Mensch aus irgendeinem Grundnicht wohl in seiner Haut fhlt.
An diesem Tag war er der weitaus beliebteste Jungeder Schule. Robert schenkte ihm Schokolade und Sybille
bedachte ihn mit bewundernden Blicken, wie sie sonst nurHorst zuteil wurden. Sogar Horst selbst klopfte Frank aufdie Schulter und sagte: Das htte ich dir nicht zugetraut,
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so einfach auf die Leiter zu klettern. Ich dachte immer, duseist ein armseliges, kleines Kerlchen.
Der arme Sebastian war so voller Scham und Reue da-rber, dass er der Urheber des ganzen Unglcks gewesen
war, dass er zwei Nchte nicht einschlafen konnte und sichin Schlaf weinte. Am nchsten Morgen standen ihm wieimmer, wenn er schlecht geschlafen hatte, die Haare wieFernsehantennen vom Kopf ab.
Wie man es auch sah: dieser Tag war der schnste, denFrank jemals in der Schule erlebt hatte. Aber, dachte er,
als er wieder in der letzten Bankreihe sa und sich bersein Geheimnis freute, wenn sie erst wssten, was ichgestern gefunden habe! Dann hielten sie bestimmt auchMeerschweinchen fr ziemlich gewhnlich.
Am Nachmittag kamen so viele Kinder in den Ge-schirrstall, um Peter zu besichtigen, dass Frank gar keine
Gelegenheit fand, die Bibel aufzuschlagen.Im Laufe der Zeit gingen die Dinge in der Schule wieder
ihren normalen Gang und man verga Frank, der wiederallein auf dem Schulhof stand. Er tat zwar sein Bestes, umden Rat des alten Mannes zu befolgen; er versuchte, denLeuten gerade in die Augen zu sehen und sich nicht darum
zu kmmern, was sie ber ihn dachten, aber es erging ihmnicht besser als dem Alten, und bald gab er es auf.
Besonders der Sportunterricht machte ihm zu schaffen.Man fhlt sich sehr ungeschickt und berssig, wennman sich nie wie die anderen austoben kann. FruleinKlaars Bruder kam an drei Nachmittagen in der Woche
und kommandierte alle bis zur Erschpfung herum. Dengrten Teil seiner Zeit war er Artist, aber er kam gern indie Schule, um sein Brot zu verdienen, wie er sich aus-
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drckte. Er hatte behaarte Beine und eine laute, herzlicheStimme. Auerdem liebte er das Bogenschieen und warso begeistert von dieser Sportart, dass alle in der Schulesie ebenfalls mochten und Bogenschieen als beliebtestes
Spiel galt. Frank sa immer nur da und beobachtete, wiesie mhelos die Pfeile auf die Scheiben abschossen. Wenner doch nur irgendetwas gekonnt htte! Whrend der Sportnachmittage sa er gewhnlich imKlassenzimmer und versuchte, ein Buch zu lesen. Amliebsten htte er es in heller Verzweiung quer durch den
Raum geschleudert. Das Einzige, was ihn davon abhielt, warder Gedanke an das Buch, das er unter dem Eimer versteckthatte. Jeden Tag eilte er nach Hause, um ein Stck weiter zulesen.
Junge, dachte er, als er die Geschichte von Abrahamlas, stell dir vor, wie der einfach mit Gott redet und von
ihm sein Freund genannt wird! Das muss damals toll ge-wesen sein. Ich wette, heute wagt niemand mehr, mit Gottzu sprechen.
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Basti, die WildeMit Peter stimmte etwas nicht. Es war der erste Tag derOsterferien und mit Sorgenfalten auf der Stirn kauerteFrank neben seinem Kg. Einige Tage lang hatte seinLiebling nicht viel gefressen und jetzt hatte er sich in eine
Ecke des Kgs gedrngt und sah Frank mit dem Ausdrucktiefsten Elends an.
Armer kleiner Bursche, sagte Frank und streicheltebesorgt den seidigen Kopf Peters. Ich werde zu Adalbertgehen und ihn um Rat fragen; er wei alles ber Tiere.
Adalbert mistete gerade den Stall von Horaz aus. Horaz
war ein Bulle, vor dem Frank und sein Vater einen gesundenRespekt hatten. Er war jedoch Adalberts ganzer Stolz unddie beiden verstanden sich groartig.
Adalbert, rief Frank von der sicheren Seite der Stalltraus, mit meinem Meerschweinchen ist irgendetwas nichtin Ordnung.
Adalberts braunes, sonnverbranntes Gesicht tauchtehinter dem Rcken des riesigen Tieres auf. Na, meinHerzchen, krchzte er mit seiner ungelten Stimme, dawerde ich wohl nach ihm sehen mssen. Er schob dengroen Bullen aus dem Weg, als sei er ein kleines Hndchenund watschelte auf seinen Sbelbeinen ber den Hof. Die
Hnde wischte er ohne groe Umstnde an der Hose ab.Er beobachtete Peter eine ganze Zeit lang, stie einen
leisen Pff aus und sagte: Der kleine Bursche da sehnt sich
Kapitel 5
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nach Gesellschaft; er braucht ein Weibchen. Ich erkenneso ein einsames Tier auf den ersten Blick und wenn ichdu wre, ginge ich noch heute Morgen mit deinem Vaternach Dilngen und kaufte ihm in der Zoohandlung ein
hbsches kleines Weibchen.Der Gelndewagen ratterte ber die gewundenen
Straen. Frank sa vor Aufregung kerzengerade auf dem
vorderen Sitz neben seinem Vater. Auf den Knien hielt er
eine Kiste mit Sgemehl und einer Karotte, und in seiner
Tasche steckte alles Geld, das er besa drei Mark und
siebenunddreiig Pfennige die Ersparnisse eines ganzenJungenlebens.
Wie wohl ein ganz weies aussehen wrde?, berlegteer. Oder htte Peter vielleicht lieber ein ganz seidiges,schwarzes? Auf alle Flle muss sie als Gemahlin einesChampions schn sein.
Er konnte kaum das Ende der Fahrt abwarten. Wa-rum wurde denn aus dem Gelndewagen kein schnellerSportitzer? Aus den Augenwinkeln blickte er zu seinemschweigsamen Vater am Steuer hinber und fragte sichzum hundertsten Male, wie er es wagen konnte, gegeneine so mchtige Person wie Gott zu rebellieren. Es hatte
ihn jedenfalls nicht sehr glcklich gemacht. Sein Gesichtwies Falten auf, die andere Vter nicht hatten, und immersah er traurig aus, sogar, wenn er lchelte.
Zu guter Letzt rumpelten sie ber das Kopfsteinpasterder hsslichen kleinen Stadt. Whrend der Vater den Wagen
beim Kriegerdenkmal stehen lie und in Richtung Viehmarkt
ging, verschwand Frank in einer Nebenstrae auf der Suchenach einer Zoohandlung. Er brauchte ziemlich lange dazu,eine zu nden, doch nach langem Suchen und vielen Erkun-
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digungen stand er vor dem schbigen Gebude. Im erstenSchaufenster sa ein trbsinniges, reichlich mottenzerfressenesKaninchen, aber nebenan im anderen Fenster stand ein groerKg, in dem sich eine ganze Schar Meerschweinchen um
einen Futtertrog drngte. Das war ein eifriges Geschiebe undGedrnge im Kampf um die besten Pltze.
Frank betrat den kleinen dunklen Laden, in dem ein Mannin einigen Scken voll Hundekuchen herumstberte. Alser keine Anstalten machte zu bedienen, ging Frank zumKg hinber und warf einen Blick hinein.
Sofort strmten alle Tiere vom Futter weg in eine Ecke,wo sie ein verschrecktes, ngstliches Huein bildeten. Nureines machte eine Ausnahme. Es a mit allen Anzeichen desVergngens weiter und schielte Frank nur aus dem Winkeleines glnzenden, schwarzen Auges verschmitzt an.
Irgendetwas an diesem Meerschweinchen kam ihm sehr
vertraut vor. Frank starrte es stirnrunzelnd an.Es erinnert mich an jemanden aber an wen blo?
Vertraut war ihm die Art, wie die Nase zuckte, vertrautwaren ihm auch das strhnige, braune Haar, das auf demKopf in die Hhe stand, und die Ohren. Sie waren vonenormer Gre und standen deutlich rot gefrbt von
beiden Seiten des Kopfes ab.Sebastian!, rief Frank leise. Dieses hier ist sein
Ebenbild. Und das war es!Das muss ich haben, dachte er. Aber warum eigent-
lich? Es ist das Hsslichste von allen. Peter htte wahr-scheinlich viel lieber das Silberige dort oder auch noch
das Schwarzweie. Doch seine Augen kehrten immerwieder zu Sebastian zurck und er wusste: das war dasTier, das er sich wnschte.
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Wie viel kosten sie?, fragte er den verdrielichenMann.
Drei Mark, antwortete er und wandte sich mde vonseinen Hundekuchen ab.
Ich htte gern ein Weibchen, sagte Frank und lchelteschwach, um den Mann etwas aufzuheitern.
Das sind alles Weibchen, war die noch mrrischereAntwort.
Dann mchte ich das braune da nehmen, entschiedsich Frank und zeigte auf Sebastian.
Oh, wenn ich du wre, wrde ich das nicht nehmen.Schau mal! Ein verbundener Finger fuchtelte vor FranksNase herum. Die ist wild; ich wr gar nicht berrascht,wenn sich da mal eine Ratte in die Familie eingeschlichenhtte. Warum willst du denn nicht das hbsche kleine weieTierchen da drben? Frank sah es sich an, wie es in der Ecke
sa und sich putzte. Es sah viel zu sehr nach Sybille aus.Nein, danke, sagte er fest. Ich nehme das braune und
werde es zhmen.Du kannst es ja versuchen, wirst es aber nicht schaffen.
Sag aber am Schluss nicht, ich htte dich nicht gewarnt.Mit dieser dsteren Prophezeiung schlurfte er davon, um
ein Paar dicke Handschuhe zu holen. Ich will nicht nocheinen Finger verlieren, brummte er, whrend er das wild
protestierende Tier in Franks Kiste hob, wo es auf demganzen Heimweg rgerlich herumkratzte und kletterte.
Sie heit Sebastina, verriet Frank dem Vater auf derFahrt, aber ich werde sie einfach kurz Basti rufen.
Was soll ich nur machen, wenn sie miteinander kmp-fen?, dachte er, als er am Geschirrstall ankam. Vielleichthassen sie einander wie Herr und Frau Fuhrmann.
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Sein Herz schlug ziemlich schnell, als er den Kgffnete und Basti hineinschob. Peter stie einen warmen,herzlichen Willkommenslaut aus, aber Basti nahm ber-haupt keine Notiz von ihm. Sie el sofort ber die Reste
seines Frhstcks her und begann, gierig zu fressen. ImHandumdrehen war alles verschwunden, so dass Frankihr noch eine Schssel voll Kleie und Hafer herrichtete.Doch bevor er sich umdrehen konnte, hatte Basti auch daszwischen ihren gefrigen Zhnen verschwinden lassen.
Sie ist auch noch so gierig wie Sebastian, lachte Frank
und lief hinber zu Frau Fuhrmanns Haus, um einige Blu-menkohlbltter zu holen.
Basti fra den ganzen Tag mit wachsender Begeisterungund hrte nur einmal auf, um Adalbert bse anzusehen,der zur Besichtigung gekommen war.
Die zhmst du nie!, war sein entschiedenes Urteil.
Oh doch; das werde ich tun, sagte Frank entschlossen,und morgen frh fange ich damit an.
Wenn jedoch Frank auch Entschlossenheit besa: Basti besa mehr davon. Sobald er sie am nchsten Morgenaus dem Kg gehoben hatte, um mit einer Brste ihrschmutziges ueres zu verschnern, ergriff sie diese ein-
zigartige Gelegenheit, den Geschirrstall zu erkunden, beimSchopfe. Mit einer schnellen Drehung ihres dicken Krpersentwischte sie ihm, sprang auf den Boden und lie Frankden ganzen Morgen wie hinter einem Stck Quecksilberherrennen. Es kam ihm so vor, als bereite ihr das riesigesVergngen, denn sie lie sich sehr leicht einfangen, als er
die Jagd aufgab und ihr Fressen herrichtete. Das Gleiche geschah am Nachmittag und am Abend warFrank vllig niedergeschlagen genau wie Peter, dem Basti
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nicht die geringste Beachtung schenkte. Auerdem fra sieseinen Anteil am Futter, bevor er auch nur daran riechenkonnte. Nach dem Abendessen kam Frank mit duftigem, frischen
Frhlingsgras zurck, um sie fr die Nacht zu versorgen. Dochals er das Gras in den Kg stopfen wollte, hielt er pltzlichinne und sphte angestrengt hinein. Er hatte etwas Verblffendesgesehen, aber es musste seine Einbildung gewesen sein ganzsicher hatte er es sich eingebildet. Peter stolzierte so stolz aufund ab, als htte er gerade wieder einen Silberpokal gewonnen,
whrend Basti in einer dunklen Ecke sa und pltzlich sehrsanft und zufrieden aussah. Als Frank sie beobachtete, sah erdeutlich etwas Kleines, Weies sich neben ihr bewegen.
Das ist doch nicht mglich, sagte er, aber es istso!
Er strzte zur Tr des Geschirrstalles, rannte ber den
Hof und pochte wild an Adalberts Tr.Adalbert briet gerade Speck zum Abendbrot und blickte
erschreckt auf, als Frank atemlos zur Tr hereinhinkte.Ich glaube ..., Basti hat ein Junges bekommen, keuchte
er. Komm und sieh es dir an.Nun, nun! sagte Adalbert weise, dann ahmte er das leb-
hafte Gebaren Dr. Harders nach, wenn er zu einem dringendenFall gerufen wurde. Er setzte seinen besten Sonntagshut aufund stelzte ber den Hof. Genau wie der Doktor rusperte ersich und nachte Hm, Hm. Als er am Bett ankam, besaher sich Basti und den weien Ball neben ihr und sagte: Hm,Hm, gib ihr etwas warme Milch und Brot und ein wenig rohe
Kartoffel. Dann lass sie bis Morgen frh allein. Sie werdendurchkommen, fgte er fachmnnisch hinzu. Unter stetigemRuspern stolzierte er ber den Hof zurck.
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Frank wachte auf, schon lange bevor es Tag wurde undsehnte die Dmmerung herbei. Sobald es hell war, stand erschon wieder im Geschirrstall. Zuerst konnte er gar nichtssehen, doch dann lste sich ein kleines weies Etwas aus
dem Dunkel des Kgs und kam Frank auf unsicheren Bei-nen, die viel zu lang schienen, entgegen. Das kleine Etwasstarrte ihn neugierig an; aber bevor Frank einen Finger durchdie Gitterstbe stecken und es streicheln konnte, kam einweiteres kleines Geschpf aus dem Halbdunkel. Es warebenfalls wei, hatte aber braune Flecke auf dem Rcken.
Dann schlielich erschien mit niedlichen Hopsern, die soaussahen, als habe er den Schluckauf, ein kleiner braunerNachzgler, eine Kopie von Basti. Das Tierchen hatte groeOhren, die fast noch rter als die seiner Mutter waren.
Diese Ostertage waren eine Zeit reinen Glcks fr Frank.Er verlie den Geschirrstall fast nie und konnte gar nicht
glcklicher sein, als wenn er auf seinem Eimer sa und inder alten Bibel las. Dann schlief Peter meistens in seinerHosentasche, die Kleinen erkundeten seine Hosenbeineund die nun vllig zahme Basti machte auf seinem Schozufrieden ein Nickerchen.
Frank kam es vor, als habe er nirgendwo so gute Ge-
schichten gelesen wie in der alten Bibel. Doch je mehrer von Gott las, desto verwirrter wurde er. Was tat Gottin unserer Zeit? Er ging gewiss nicht in einer Feuersuleumher und teilte auch keine Meere und ertrnkte groeArmeen wenn er das tte, wrde jedermann von ihmsprechen.
Seine Neugier war so gro, dass er an einem Sonntag-morgen hinten um die Kirche schlich und durch ein offenesFenster zuhrte; aber alles, was er hren konnte, war die
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zittrige Stimme des alten Pastors, die unendlich lange bernichts Konkretes sprach.
Ich werde dieses Geheimnis noch lsen, schwor sichFrank und fuhr fort, eifrig zu lesen.
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Der leere KfigEines Tages gegen Ende der Ferien versuchte Frank gerade,die sehr verkohlten Seiten eines Buches der Bibel zu lesen,das Richter berschrieben war, als er das laute Getrampelschwerer Fe auf den Schuppen zukommen hrte. Er ver-
steckte die Bibel und setzte sich wieder hin. Halb erwartete er,den massigen Krper von Horaz um den Trpfosten biegenzu sehen; doch es war Sebastians einfltig grinsendes Gesicht,das erschien. Frank freute sich, ihn zu sehen, denn in seinerzurckhaltenden Art hatte er Sebastian sehr gern.
Ich dachte, ich komme mal vorbei und schaue mir dein
Meerschweinchen an, sagte er. Ach du Liebes bisschen!Wieviele hast du denn inzwischen schon?
Oh, ich kaufte Peter ein Weibchen und gleich am nchs-ten Tag hatte sie drei Junge, erklrte Frank stolz.
Sebastian warf sich neben dem Kg auf die Erde undnahm die Sehenswrdigkeit nher in Augenschein.
Ob er sich wohl wiedererkennt?, dachte Frank, als ersich neben ihm niederlie.
Die Kleinen sind s, urteilte Sebastian begeistert,aber die Mutter ist ziemlich hsslich, nicht wahr?
Sie ist nur ein bisschen unscheinbar, antwortete Frankund hatte Mhe, ein ernstes Gesicht zu zeigen.
Sie hat so schrecklich groe Ohren, fuhr Sebastianfort. Wie heit sie denn?
Sebastina.
Kapitel 6
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Entzcken breitete sich auf Sebastians pickeligem Ge-sicht aus. Das ist ja fast mein Name wie ulkig! Habendie Babies auch schon Namen?
Ja; das braunweie heit Eva, das weie nenne ich
Sara und das kleine, das wie seine Mutter aussieht, heitTian.
Das klingt auch so hnlich wie mein Name, sagteSebastian geschmeichelt. Ich wette, du hast gar nichtgemerkt, dass du sie nach mir benannt hast! Er schlug sichvor Vergngen auf die Schenkel, dass seine schlotterigen
Cordhosen atterten, und beide lachten Trnen nur ausverschiedenen Grnden.
Ich bin hergekommen und wollte mich mit dir un-terhalten, weil ich so niedergeschlagen war, prusteteSebastian, aber ich kann nie lange traurig bleiben.
Warum warst du denn traurig?, fragte Frank und hielt
sich seine schmerzenden Seiten.Meine Cousins aus Glasstadt.Sind sie gestorben oder sind sie krank?Nein, sie wollen uns morgen besuchen. Sie sind furcht-
bare Angeber, weil ihr Vater viel mehr Geld hat als meiner.Immer haben sie etwas, womit sie protzen knnen. Beim
letzten Mal brachten sie eine elektrische Eisenbahn mit,davor war es eine Modellyacht und auerdem haben sieeinen kompletten Stabilbaukasten mit einem Elektromo-tor.
Sebastians Vater arbeitete im Wald und gab den grtenTeil seines Lohnes am Samstagabend in Dilngen aus.
So war kaum Geld brig, um Sebastian ein neues PaarTurnschuhe zu kaufen, geschweige denn eine elektrischeEisenbahn.
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Wenn die kommen, komme ich mir immer so schrecklicharmselig und dumm vor.
Frank erinnerte sich der Worte des Hsslichen: dass jederMensch sich wegen irgendeiner Sache nicht wohl in seiner
Haut fhle.Wenn ich doch blo auch etwas htte, womit ich bei
ihnen prahlen knnte, seufzte Sebastian. Oh, jetzt htteich tatschlich beinahe vergessen, dass ich noch bei HerrnMichel einkaufen muss. Wenigstens haben wir immer eingutes Abendessen, wenn sie kommen.
Am nchsten Morgen wachte Frank erst um zehn Uhrauf. Es war der letzte Ferientag und deshalb wollte er dieletzte Gelegenheit zum Ausschlafen auskosten.
Was soll ich heute machen?, dachte er, whrend ersich noch einmal unter den Decken zusammenkuschelte.Vielleicht schrubbe ich am besten heute den Kg ein-
mal mit dem Desinfektionsmittel aus, das mir Adalbertversprochen hat. Dann suche ich etwas frisches, grnesGras und stopfe den Kg neu aus. Das gibt ein Fest frdie ganze Familie!
Schnell war er angezogen und bald a er den kaltenHaferbrei, den der Vater ihm vor vier Stunden gekocht
hatte.Schon als er an der Tr des Geschirrstalles ankam, wusste
er, dass etwas nicht stimmte das wilde Wilkommens-gequieke blieb aus. Er betrat den totenstillen Raum. DasHerz schlug ihm bis zum Halse. Wirklich: die Kgtrstand weit offen und der Kg war leer.
Oh nein!, sterte Frank. Das berlebe ich nicht.Verzweifelt rief er nach Adalbert, der auch sogleich ber
den Hof gerannt kam, so schnell ihn seine Sbelbeine tru-
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gen. Ja, Jungchen, sagte er traurig, du musst gesternAbend vergessen haben, die Tre zu schlieen.
Dann mssten sie noch hier drin sein; sie konntenja nicht aus dem Schuppen laufen. Frank begann wild
zwischen Stteln und Geschirr zu whlen.Leider habe ich heute morgen gesehen, dass die Tr
offenstand, sagte Adalbert und kratzte sich unglcklichan der Nase. Es tut mir furchtbar leid, mein Junge, aberich glaube, du wirst sie jetzt nicht nden. Die Hofkatzeist auf Ratten abgerichtet und auerdem sind auch noch
die Hunde da. Traurig ging er zu Horaz in den Stall zu-rck und lie Frank, der immer noch verwirrt suchte, imGeschirrstall zurck.
Wenn eins von euch noch am Leben ist, werde ich esnden!
Er durchsuchte die Stlle der Khe, die Scheune, den
Holzschuppen und die Traktorengarage. Selbst unter denGeschirrstall kroch er und untersuchte das Unterholz dahinter;doch whrend er suchte, sa die Hofkatze in der Sonne undleckte sich die Lippen mit ihrer rissigen, roten Zunge.
Als es Nachmittag geworden war, war Frank vlligverzweifelt. Er setzte sich neben den leeren Kg und
lie groe Trnen auf das Dach tropfen.Du solltest dich schmen, Frank Schfer, sagte er sich
wtend. Ein groer Junge von elf Jahren will im Septemberzur Hheren Schule gehen und heult wie ein Baby!
Er schmte sich sehr, aber der Trnenstrom wollte nichtversiegen. Beim Abendessen konnte er keine von Frau
Fuhrmanns kstlichen Rouladen essen und der Vater be-trachtete ihn besorgt.
Frank, mein Junge, sagte er, wir fahren am Sonnabend
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nach Dilngen und kaufen ein paar neue Tiere. Wie wredas?
Nein, wehrte Frank traurig ab. Ich habe Peter geliebtund die kleine, gierige Basti und Tian und die anderen; die
kann man nicht ersetzen. Ich glaube, ich gehe noch malhinaus und suche nach ihnen.
Gut, mein Junge, sagte der Vater freundlich. Ichwerde heute Abend abwaschen.
Ich glaube, Vater muss noch unglcklicher gewesen sein,als ein Unglck nach dem anderen geschah, dachte Frank,
als er ber den Hof ging, obwohl fast nichts Schlimmeresgeschehen kann als dies, was mir passiert ist.
Er setzte sich auf seinen Eimer und hatte nicht einmalden Mut, Urgromutters Bibel zu lesen.
Gerade war er im Begriff, zu Bett zu gehen, als die Traufgestoen wurde und Sebastian dastand. Er trug einen
groen Kasten unter dem Arm und strahlte ber das ganzeGesicht. Ach, hier bist du, sagte er. Ich bringe sie dirzurck. Ich habe so getan, als gehrten sie mir, und mei-ne Cousins waren herrlich neidisch. Ich dachte, du hast
bestimmt nichts dagegen.Frank verlor vllig die Kontrolle ber sich, obwohl
er sonst immer die Ruhe selbst war. Rote Zorneswolkenumnebelten ihn und es kam ihm vor, als zitterte er an allenGliedern. Wie kannst du das wagen! Wie kannst du daswagen! Wie konntest du das wagen!, zischte er durch diezusammengebissenen Zhne. Wie konntest du so dmlichsein? Ich mchte am liebsten ... dir den Hals umdrehen.
Wie aus weiter Entfernung sagte Sebastian: Oh, Frank,sei nicht bse. Ich habe nicht gewusst ... ich habe nichtgedacht ...
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Du hast nicht gedacht!, schrie Frank. Ich htte siedir geliehen, wenn du mich darum gebeten httest, aberdu gehst einfach hin und stiehlst sie!
Er wollte Sebastian packen, sah aber pltzlich durch den
roten Nebel, der um ihn her wirbelte, Sebastians Gesicht.Dessen strahlendes Lcheln war gnzlich verschwundenund statt dessen trug der Arme eine so komisch verschreckteund reuevolle Miene zur Schau, dass alles in Frank lachenmusste. Er lachte, bis die Trnen ihm die Wangen hinun-terliefen und er sich auf dem Boden krmmte.
Sebastian stand da und sah, nun vllig verwirrt, auf ihnhinab. Worber lachst du denn blo?
Dein Gesicht, schnappte Frank. Du ahnst nicht, wiekomisch du aussiehst.
Dann bist du mir wohl nicht mehr bse?, fragte Se-bastian und langsam zeigte sein Gesicht ein schchternes,
unsicheres Lcheln. Bist du wieder mein Freund?Ja.Was fr ein Glck!, seufzte Sebastian und lie sich
schwer auf den Eimer fallen. Sie waren ein ganzer Erfolg.Ihnen gegenber sah die Spielzeuggarage meiner Cousinsziemlich gewhnlich aus. Die drfen keine Haustiere halten,
weil sie in einem Mietshaus wohnen. Ich habe den ganzenTag mit den Meerschweinchen geprahlt und zum Schlusshat Sebastina meinen ltesten Cousin gebissen es wareinfach herrlich! Er schaute vergngt in die Gegend undFrank betrachtete ihn verzweifelt.
Sebastian, sagte er schlielich, eigentlich msste ich
dich ermorden; ich wei selbst nicht, warum ich dich sogern habe!
Horst fhrte sich in jenem Schuljahr schrecklich auf.
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Alle waren nervs und gespannt auf die Ergebnisse derPrfung und das wirkte sich bei Horst so aus, dass er nochherrischer als sonst war. Er schikanierte Sebastian undrgerte die Mdchen. Sein Wort war absolutes Gesetz in
der Schule, und alle opferten ihre Zeit und den grten Teilihres Taschengeldes, weil sie es nicht mit ihm verderbenwollten.
Eines Tages war die gesamte oberste Klasse in derMittagspause hinter dem Fahrradschuppen versammelt.Sybille suberte ihre sowieso schon eckenlosen Finger-
ngel; Sebastian starrte in die Luft; Robert las ein Buch berSchweineaufzucht und Horst bte seinen Golfschlag. DerGolehrer im Club sagt, ich htte ein groes Potenzial,bemerkte er stolz. Frank wusste nicht genau, was ein Poten-zial war, aber wenn es so etwas wie Einbildung bedeutete,stimmte er vollkommen mit dem Golehrer berein.
Oh, ich wnschte, wir wssten die Prfungsergebnisse,seufzte Heide, ich hasse dieses Warten.
Ich wei schon, dass ich bestimmt nicht bestanden habe,sagte Sebastian ergeben. Ich habe das immer geahnt.
Na, ich bin mir vollkommen sicher, dass ich bestandenhabe, sagte Horst und lehnte sich auf seinen Golfschlger.
Ich schneide bei Prfungen ja immer am besten ab.Das liegt daran, dass du Frulein Klaars Schokind
bist, sagte Frank.Auf einmal herrschte entsetztes Schweigen. Niemand
wagte sonst, so mit Horst zu reden mit Horst, dem groenAnfhrer der Gruppe, dem klgsten und erfolgreichsten
Jungen der Schule.Was hast du gesagt?, fragte er mit gefhrlich ruhiger
Stimme.
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Ich sagte nur, dass du Frulein Klaars Liebling bist,murmelte Frank und wnschte sich den Mut, es laut unddeutlich zu sagen.
Horst kam langsam auf ihn zu, bis seine groe, krftige
Gestalt drohend nahe vor Frank stand. Ein hssliches,sarkas