Deutsch Chinesische Ansichten

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DEUTSCH-CH INES I SCHE

ANSICHTENEin interkulturel les Mosaik aus 20 Interviewsgesammelt von Sarah Buch

Page 2: Deutsch Chinesische Ansichten

Layout/ Gestaltung: S. BuchRedaktion: S. Buch

Bilder: Privat

Unterstützt von und

Erschienen als E-Brochüre, 201 2.

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DEUTSCH-CH INES I SCHE

ANSICHTENEin interkulturel les Mosaik aus 20 Interviewsgesammelt von Sarah Buch

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Schon während der Vorbereitung auf

meinen Aufenthalt im Rahmen meines

sechsmonatigen Freiwil l igendienstes

in Shanghai, habe ich gemerkt, wie

sehr mich das deutsche China-Bild

prägt. Vielen Menschen, denen ich

damals erzählte, wo ich das halbe

Jahr verbringen werde, reagierten

alles andere als enthusiastisch - was

sich widerum auf meine Motivation

ausgewirkt hat.

Schließlich habe ich beschlossen,

auch wegen meines Studiums der

Kommunikationswissenschaften,

diese Bilder "einzufangen". Die Idee

war anfangs noch, dass die Menschen

in einer Pose ihre Vorstel lung

darstel len- möglichst kreativ, möglichst

individuel l . Außerdem sollte jeder

mithi lfe ein paar Fragen sein Portrait

erklären. Ab und zu werden diese

Fragen in den Texten auftauchen,

besonders wenn ich schriftl ich

kommunziert habe. Die mündlichen

Interviews habe ich aber transkripiert

und in Texten zusammen gefasst. Die

Befragungen fanden auf Englisch und

auf Deutsch statt, im

wissenschaftl ichen Kontext könnte

man "narrative Interviews" dazu

sagen.

Warum habe ich aber außer

Deutschen auch Chinesen über ihr

Deutschlandbild befragt? Ich wollte

zeigen, dass im Gegensatz zu

Deutschland viele Chinesen einen

wesentl ich positiveren Eindruck von

diesem Land haben als umgekehrt

und so eventuel l zum Überlegen

anregen. Gleichzeitig hat sich aber

gezeigt, dass auch von chinesischer

Seite viele Stereotype über Deutsche

bedient werden - was nicht zuletzt der

reduzierten Frage nach der EINEN

Assoziation mit dem jeweil igen Land

geschuldet ist.

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Bei der Umsetzung musste ich

schließlich feststel len, dass die Bilder

gar nicht so individuel l werden und

viele der Chinesen mit meinem

Wunsch, einen Ausdruck zu

verdeutl ichen nichts anfangen

konnten. Aber viel leicht zeigt gerade

das, worauf es mir am Ende

ankommt: Wie viel wir doch

gemeinsam haben. Schließlich haben

auch die Deutschen ein seriöses

Portrait der Pose vorgezogen.

Als Medium habe ich mich für eine

Broschüre im PDF-Format

entschieden, weil ich schon immer

l ieber schriftl ich und gestalterisch

gearbeitet habe. Momentan gibt es

nur diese deutsche Version. Je nach

dem können die Texte aber auch

sicher ins Englisch und ins

Chinesische übertragen werden.

Daher wünsche ich mir als Ergebnis

viel Feedback und Meinungen, wie die

diese Bilder wahrgenommen werden.

Außerdem würde ich mich freuen,

wenn es den einen oder anderen zum

Nachdenken über sein oder ihr China-

Bild beziehungsweise über jegl iche

veral lgemeinernde Bilder im Kopf

anregt.

Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich

trotz al ler Widrigkeiten die Chance

hatte, in Shanghai zu leben. Auch

wenn diese unglaublich globalisierte

Megacity kaum China repräsentiert,

habe ich dennoch die Möglichkeit

genutzt, über dieses Land

nachzudenken und sehr viele

Vorurtei le zu revidieren. Viel leicht

gel ingt Ihnen als Leser Ähnliches,

wenn Sie die nächsten Seiten

durchblättern.

Shanghai, 3. August 201 2

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MATTHIAS FRANK

kommt aus dem

Schwarzwald und

arbeitet als Arzt für

Geratrie in einer

Baseler Klinik. Dort

wird chinesische

Medizin und

Akupunktur

ergänzend zur

westl ichen Medizin

angewendet.

1 . Welches Bild kommt dir als erstesin den Sinn?Die chinesische Mauer; Reisfelder; dieverbotene Stadt (in den Bildern vonBertoluccis "Letztem Kaiser").

2. Würdest du nach China reisen odereher l ieber nicht?Fernreisen sind nicht meine Sache,nicht nur weil ich ungern fl iege. Sohabe ich zur Zeit keine entsprechendeReise im Sinn - und auch keinePartnerin, deren Fernweh weitereKreise zöge als meines. Wenn michaber eine Weltregion besondersanzieht, so ist es sicher der - ausunserer Sicht so genannte - FerneOsten mit seinen Metropolen undseinen besonderen Landschaften.

Wie wurde dein China-Bild zu allererstgeprägt?Drei Bücher haben an meinemChinabild mitgewirkt, als Kind,Jugendlicher und junger Erwachsener:J im Knopf (und seine Prinzessin Li Si)von Michael Ende; "Schanghai '41 "von E.F. Lewis, ein Jugendbuch, dasdie Situation im zweiten Weltkrieg im

von Japan tei lbesetzten China ausSicht einer Jugendgang schildert; und"China nach dem Sturm" von KlausMehnert, das die Öffnung des Landesnach und die Jahre derKulturrevolution beschreibt (undimmer wieder die unvergleichl ich gutechinesische Küche preist!).

4. Was zeichnet für dich China aus?Grösse; eine uralte Kultur, die sichsehr lange selbst genügt hat; dieVerbindung von oder zumindest derVersuch, sehr starke Gegensätze zuverbinden (Sozial ismus undmarktwirtschaftl iches Wirtschaften;Überwindung von Hunger undUnwissenheit und riesiger Reichtum;Abschottung und Öffnung; usw.)

5. Welche Gemeinsamkeiten siehst duzwischen China und Deutschland?Da fal len mir v.a. die üblichenStereotype ein: Fleiss, Tatkraft undLernfähigkeit; auch sind beide Länder- in verschiedenem Maßstab - die"Großen" in ihrem Umfeld und werdenfür ihren wirtschaftl ichen Erfolgbewundert aber auch gefürchtet.

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Meine erste Assoziation mitDeutschland sind deutsche Produkte,Küchengeräte. Gibt es nicht dieseFirma – AMC oder so in der Art ? Oftsind die Produkte teuer aber von sehrguter Qualität.

Ansonsten kann ich nicht viel über dieDeutschen generel l sagen. Ich denke,das hängt ganz stark von derPersönlichkeit ab. In China lernen dieKinder, ehrl ich zu sein und später sindviele ehrl ich. Aber viele auchunehrl ich. Das gilt wohl auch fürDeutschland wie überal l auf der Welt.

Zum Beispiel der Deutsche, den ichzu allererst getroffen habe: Das warder Chef meines Mannes. Er war sehrnett und großzügig zu uns, als wir ihndas erste Mal in Deutschland

besuchten. Wir haben seine Famil ieund seine Eltern kennen gelernt undsind mit ihm zusammen sogar nachFrankreich und Ital ien gefahren.

Später hat er sich aber verändert, weiler hier in China eine junge Fraugetroffen hat. Er hat sich dannscheiden lassen und hat mit ihr heuteeine zwei Jahre alte Tochter. Als wirdavon erfahren haben, rieten wir ihmvon der Hochzeit mit der Chinesin ab.Denn normale Mädchen aus gutenFamil ien gehen abends nicht al lein ineinen Pub. Aber er hat nicht auf unsgehört.

HIANG QUNYING ist

Englischlehrerin an

einer Universität in

Shanghai und

außerdem

Vermieterin von

diversen

Wohnungen. Sie ist

etwa 40 Jahre alt

und kann sich nicht

mehr genau

erinnern, ob sie

schon zwei oder

drei Mal in

Deutschland war.

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Wenn ich an China denke, erinnereich mich an eine fantastischeOlympiade vor vier Jahren, einenimmensen Reichtum an Kultur undden industriel len Fortschritt, derdiesem Land widerfahren ist. Mandenkt aber auch an einen Mil itärstaat,an Unterdrückung des einzelnenIndividuums und an die Ausbeutungvon Arbeitern.

China wäre für mich ein sehrinteressantes Reiseziel. Man kannsoweit in den Süden fl iegen, dassman schon tropische Temperaturenerreicht und dem Sommerurlaubnichts mehr im Wege steht oder manbesteigt das Dach der Welt, welchesfür mich etwas Magisches an sich hat,da es doch so unerreichbar ist.

Als Kind, im Alter von sieben oderacht Jahren, habe ich das erste Malvon der Chinesische Mauer gehört.Mein Opa besaß ein Buch über dieWeltwunder unserer Erde. Dazuzählte auch dieser Schutzwall dergegen die Invasion der Mongolenerrichtet wurde. Als Kind wird einemda natürl ich noch nicht erzählt, dass

die Mauer auch zu einem Massengrabfür viele Arbeiter wurde.

Ohne da jetzt eigene Erfahrungengemacht zu haben, denke ich, dassdurch Berichterstattungen einem derEindruck vermittelt wird, China weiseein hohes Maß an Diszipl in undOrganisation auf. Wahrscheinl ich nochmehr als es in Deutschland der Fallist. Ich denke, in China bleibt auchwenig Spielraum für Querdenker. Mankönnte meinen, das Volk wirdstandardisiert im Sinne der Regierung,um Proteste zu verhindern. China istauch ein sehr stolzes Land. DieserNationalstolz wird mit mil itärischerPräsenz und politischen Alleingängenregelmäßig veranschaulicht.

Ich glaube, dieses Zusammenspielaus jahrhundertelanger Tradition undindustriel lem Wachstum macht diesesLand wirkl ich sehr interessant. Undletztendl ich sind diese riesigenMil l ionenstädte nicht zu vergessen,die doch so ganz anders sind alsBerl in, Hamburg oder München.

FLORIAN ZWERG ist

22 Jahre alt und

studiert BWL an der

TU Bergakademie

Freiberg. Bisher

war er noch nicht in

China. Der

gebürtige Dresdner

plant aber, ein

Praktikum in

Hongkong zu

absolvieren.

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Mein Vater erzählt mir immer von dendeutschen Maschinen, weil jederweiß: Das sind die besten in der Welt.Er träumt davon, auch einmal eine fürseine Firma zu kaufen, aber sie sindzu teuer.

Viel leicht denke ich deswegen an dieIndustrie und den Fortschritt, wenn ichDeutschland höre. Aber ich mussauch an die Flagge und an AngelaMerkel denken. Wenn ich mal dahinkomme, möchte ich auf jeden Fallnach Berl in und nach Köln, weil derDom so berühmt ist; außerdem nachStuttgart wegen Porsche. Ich weißauch, dass vor dem zweiten Weltkriegdie Mehrzahl der wissenschaftl ichenWerke auf Deutsch erschienen ist,viel leicht ist deswegen die deutscheWirtschaft besser. Deutsche sindstrenger und arbeiten mehr.

Das bewundere ich auch anDeutschland, dass sich das Landnach dem zweiten Weltkrieg soschnell entwickelt hat. Ich denke,China entwickelt sich auch so schnell ,wir haben die richtige Politik, weil wiruns öffnen. Aber wir müssen noch vonanderen Ländern lernen, zum Beispielvon Deutschland.

Denn beide Völker sind sehr cleverund haben eine lange Geschichte.Beide sind im 21 . Jahrhundert immernoch starke Mächte, aber Deutschedenken eben strenger als Chinesen.

Ich hoffe, China wird auch mal sostark wie Deutschland. Nicht, weil wireine so große Bevölkerung haben,sondern wegen unserer Kultur undunserer Wissenschaft.

XU JIAXUAN nennt

sich im Deutsch-

Unterricht Andreas

und geht in die

neunte Klasse. Im

Sommer wird er an

einem

Schüleraustausch

nach

Süddeutschland

tei lnehmen.

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Wenn ich an China denke, kommt mirsofort in den Sinn: China, ein sehrgroßes Land mit großen Städten undkleinen Dörfern, wo nur Reisbauernwohnen. Leute, die im Luxus lebenund wieder welche, die in Häusernohne Heizung leben und die Kindernicht in die Schule können, weil sieden Eltern auf dem Feld helfenmüssen.

Natürl ich denke ich auch dann an dasEssen. Reis, Hünchenfleisch,Frühl ingsrol len, Sprotten und, sagenjedenfal ls viele, Hundefleisch.

Jeden Montag denke ich an China,wenn ich zum Ninjutsu gehe, dies istzwar nicht Chinesisch, aber Kungfukommt aus China und andereKampfsportarten auch. So kommt

man wieder auf den Gedanken, dasses dort viele abgelegene Klöster gib,wo denn Jungen und Mädchen untersehr hartem Training eineKampfsportart beigebracht wird.

Im Himalaya gibt es auch Klöster wobuddhistische Mönche leben und ihreGötter verehren.So wiederum fällt mirein, dass im Himalya auch der Yetileben soll und viele andere Tiere, vondenen man aber weiß, dass sieexistieren.

Insgesamt ist mein Eindruck vonChina, dass dieses Land sehr vieleGegensätze hat, aber trotzdemsehenswert ist. Ich würde also gernemal hin fahren und das heißt, dass ichdas Land tol l finde.

FELICITAS VOGT ist

1 2 Jahre alt und

besucht ein

Gymnasium in

Görl itz. China ist

vor al lem durch die

Reiseberichte ihrer

großen Schwester

geläufig.

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Die Besonderheit der Deutschen istihr Qualitätsbewusstsein, das l iegtihnen sozusagen im Blut. Nicht nur dieProdukte, sondern auch im Studiummerkt man das.

Als ich eigentl ich mehr durch Zufal l inTübingen mein Studium begann, hatteich vor, nur drei Monate zu bleiben,weil es in Deutschland so schwer seinsol lte. Nach meinem ersten Scheinhabe ich aber gedacht: Dann kann ichauch zwei oder drei Scheine schaffen.Negative Erfahrung wie Neonazisoder Rassismus gehörten auch dazu,aber ich bin diesen Phänomenen sehrselten begegnet.

Früher dachte ich natürl ich anDeutschland wie an Frankreich oderAmerika: exotisch, auf der anderenSeite der Welt. Aber meine Elternunterrichteten Deutsch, daher kam ichfrüh mit diesem Land in Kontakt. Ichweiß noch, wie beeindruckend ich esfand, als meine Mutter in den 70erneinen deutschen Film synchronübersetzte und ich am Ende allesverstanden hatte – obwohl die Leute

so komisch geredet hatten.

Inzwischen würde ich meineDeutschland-Erfahrung als „ein neuesLeben“ bezeichnen. Sonst wusste ichimmer, was ich tun soll . Aber inDeutschland wusste ich, was ich tunwil l . Außerdem hätte ich vor meinemDeutschland-Aufenthalt niemals darangedacht, an einer Uni zu unterrichten.In China lernen wir die Kenntnisse,aber in Deutschland habe ich eineandere Vermittlungsmethode erlebt.

Die Lebensphilosophie in beidenLändern ist sehr unterschiedl ich.Obwohl beide auf eine langeGeschichte zurückblicken, sind siedoch grundverschieden: Deutschlandhat trotz der zwei Weltkriege einenHochsprung, China ist auf demAbstieg. Dabei meine ich vor al lem diealte, traditionel le chinesische Kultur.Wir leben nun in einer zu raschentwickelten Welt. Die Konkurenz istsehr stark, es geht deswegen umsUeberleben. Die Kulturen sind einfachunvergleichbar!

PROFESSOR LIU WEI

ist 1 972 in Peking

geboren und ging

für ein Studium

1 996 nach

Tübingen.

Heute ist er

außerordentl icher

Professor an der

Fudan Universität

in Shanghai und

unterrichtet

deutsche Literatur

und Sprache.

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Wenn ich „China“ höre, denke ichzuerst an einen Chinesen mit demtypischen Reishut auf dem Kopf undan den Platz des himmlischenFriedens. Außerdem steigt in mirsofort die Erinnerung an ein Lied auf:„China ist rot, China ist jung, goldneSonne über Maotse Tung.“

Das haben wir damals im Schulchorgesungen. Früher haben wir auchnoch gelernt, dass Mao Tsetung dieLebenshaltung den Menschenverbessert hat, aber das war in derDDR. Später hatte ich mehr Kontaktzu Asiaten, die bei meinem MannAspiranten im Labor waren. Bis heutebewundere ich deren Fleiß und dieStrebsamkeit sehr; ihreSprachkenntnisse haben mich damalsschon beeindruckt.

Heute würde ich gern einmal nachChina reisen. Ich denke mit einerSchiffahrt auf den Yangtse-Fluss siehtman viel, denn landschaftl ich hat dasLand unglaublich viel zu bieten.Natürl ich hat es sich in den letzten 40Jahren sicherl ich unglaublichverändert.

Ich denke, obwohl der Unterschiedzwischen Arm und Reich in Chinaheute noch recht groß ist, hat dasLand sich von einem armen zu einemenorm industrial isierten Land mitbeeindruckenden Hochhäusernentwickelt. Den Unterschied gibt eszwar in Deutschland auch, aber nichtso krass. Besonders zwischen Landund Stadt ist die Schere am größten,was möglicherweise an der Masse derMenschen liegt? Schließlich ist Chinaauch viel größer als Deutschland undzudem herrscht dort noch einekomische Mischung aus Sozial ismusund Kapital ismus.

Aber leider bin ich nicht so gutinformiert, weil aus den aktuel lenTagesmedien nur wenig über China zuerfahren ist. Wenn man ernsthaftetwas wissen möchte, muss mandirekt danach suchen – direkteMittei lungen sind kaum in der Presse.

URSULA KÜHNEL ist

1 939 geboren und

in der DDR

aufgewachsen.

Heute lebt die

ehemalige Lehrerin

in Dresden und

singt immer noch

gern im Chor.

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Für mich l iegt der größste Unterschiedzwischen Deutschland und China inder Denkweise. Die Chinesen denkenin einem weiteren abstrakten Sinn,während die Deutschen sich aufkonkrete Punkte konzentrieren.

Mein Vater spielte mir Bach undSchumann vor, als ich drei Monate altwar. Diese Musik gibt mir noch heuteein Gefühl von Vertrauen. Insgesamtwürde ich meine Assoziation mitDeutschland als „Leidenschaft undLogik“ beschreiben, ich möchte nachDeutschland, um das logische Denkenzu erleben. Der Bauhaus-Sti l ist zumBeispiel typisch deutsch für mich: sehrnützl ich aber auch schön, modern.Außerdem möchte ich sehen, woBach und Beethoven lebten.

Wenn ich nun China und Deutschlandvergleichen müsste, dann sind beidegroße Nationen. Den größtenUnterschied sehe ich eben imDenken: Das Chinesischen denken ineiner weiten abstrakten Weise,symbolhaft. Deutsch ist für mich eherkonkret, auf einen Punkt konzentriert.Kurz: China würde ich als einen Kreisdarstel len, Deutschland als eineRaute – wie in dem BMW-Zeichen.

Warum wil l ich in Deutschlandstudieren?Die logische Denkweise, die dieDeutschen in Architektur,Maschinenbau und anderen Industriengezeigt haben, ziehen mich an. Auchmöchte ich mit meinen eigenen Augensehen, in welchem Land Komponistenwie Beethoven und Bach gelebthaben.

ZHU HE ist 21

Jahre alt und wird

von Herbst an,

Kunst in Hangzhou

studieren. Innerhalb

der vier Jahre an

einer der besten

Kunstakademien

Chinas wird er ein

Jahr an der

Universität der

Künste in Berl in

studieren.

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China besteht für mich ausUnterschieden. Bevor ich hierher kam,hab ich niemals an Minderheitengedacht und jetzt lebe ich nurzwischen Minderheiten. Früher habeich also gedacht, dass dieses EINEChina aus den Menschen herausexistiert, inzwischen weiß ich, dass siedieses eine China annehmen müssen,es zum Teil also aufgedrücktbekommen.

Darin sehe ich aber auch dieBesonderheit des Landes. So vieleMenschen aus unterschiedl ichstenRegionen kommen in Chinazusammen und müssen diese eineVorstel lung von diesem Land tei len,trotzdem begegnen sie sichuntereinander mit Toleranz. So lässtsich wohl auch der Unterschiedzwischen meinem Gefühl zu China vormeiner Ankunft in Xinj iang und jetztbeschreiben: Der Eindruck vonAllmacht und Harmonie wurde vonChaos abgelöst, in dem Menschensehr wil lkürl ich hin- und hergeworfenwerden.

Der frühere Eindruck stammtvermutl ich aus den klassischenKlischees und Redewendungen, ausder Symbolik und Geschichte überDrachen, Dynastien und Kaiser. Meinerstes Bild habe ich aus einemKinderbuch, in dem die Helden einDrachenfest beobachten; das war fürmich faszinierend, auch wenn ich dasFest nicht genau verstanden habe.

Dieses Nicht-Verstehen prägt michauch jetzt noch. Ich kann die Sachen,die ich nicht verstehe und auch nichtmag, von denen, die ich gut finde,nicht wirkl ich abgrenzen. Das Gefühlder Skepsis dorminiert nach wie vor.

Dabei gibt es natürl ich auchGemeinsamkeiten mit Deutschland,die vor al lem der Globalisierunggeschuldet sind; wie die englischeSprache. Mich beeindruckt aberimmer wieder, wie die Chinesen dengleichen alltägl ichen Umgang mitH&M und KFC pflegen wie wir.

FRIEDERIKE

AUGUSTIN ist 1 9

Jahre alt und

stammt aus Freital.

Sie lebt seit

Februar in

Wulumuqi, die

Hauptstadt

Xinj iangs, der

westl ichsten

Provinz Chinas und

absolviert dort für

ein Jahr einen

Freiwil l igendienst

an einer

Fremdsprachensch

ule. Es ist ihr

zweiter Aufenthalt

in China.

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Deutschland ist für mich ein ernstesLand. Die Deutschen nehmen ihreArbeit sehr ernst; sie wollen aufkeinen Fall einen Fehler machen.

Aber sie sind auch offener, derUnterricht schein entspannter zu sein.Wir in China haben immer nurHausaufgaben, Hausaufgaben,Hausaufgaben. Ich denke auch, dassdie deutschen Schüler in ihrem Berufspäter eine viel größere Wahlfreiheithaben, als wir hier.

Unsere Eltern wollen vor al lem, dasswir einen wissenschaftl ichen Gradhaben oder Manager werden, damitwir viel Geld verdienen. InDeutschland gibt es keine so harteKonkurrenz, weil es nicht so vieleMenschen sind. Trotzdem gibt esbestimmt Gemeinsamkeiten.

Ich denke, Kommunikation ist dabeisehr wichtig. Wenn wir mit einanderreden, können wir Ähnlichesentdecken. Obwohl die deutscheSprache die schwierigste der Welt ist,so viel Grammatik!

DU CAIFANG ist 1 4

Jahre alt und ihr

deutscher Name ist

Nina. Sie geht in

Suzhou an eine

Fremdsprachensch

ule und besucht

momentan die

achte Klasse. In

Deutschland ist sie

noch nicht

gewesen, aber an

das Essen in dem

deutschen

Restaurant wird sie

sich nie gewöhnen.

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1 . Wenn du an China denkst, welchesBild kommt dir als erstes in den Kopf?Größe in jeder Hinsicht: das Bild einesunüberschaubaren Gebietes, eineruralten Kulturlandschaft, sehr vielerMenschen - und einer unendlichenMauer.

2. Würdest du gerne ein Mal nachChina reisen? Warum oder warumnicht?Ich würde gerne ein Mal nach Chinareisen. Am besten mit sehr viel Zeit imGepäck. Denn die braucht mansicherl ich unbedingt, um das Landausführl ich und in seinen vielenFacetten kennen zu lernen. Amspannendsten wäre für mich, diegleichzeitige Gegenwart vonVergangenheit und Zukunft in ihrengroßen Kontrasten zu erleben.

3. Wann hast du das erste Mal vonChina (als Geschichte in einem Buch,Lied, Reportage im TV) gehört?Begriffl ich war es mit hoher Sicherheitin dem Lied "Drei Chinesen mit demKontrabass". Danach aber auf jedemFall im Tim-und-Struppi-Band "DerBlaue Lotos". Später habe ich dann

aus vielen verschiedenen Quellenimmer wieder viel über China gehört,gelesen und gesehen.

4. Was zeichnet für dich China aus,welche Besonderheiten verbindest dumit China?Prägend ist sicherl ich die in unsererZeit unwahrscheinl icheEntwicklungsdynamik Chinas, die denAußenstehenden faszinieren muss,die aber auch Besorgnis erregt.

5. Denkst du, dass es auchGemeinsamkeiten zwischenDeutschland und China gibt? Welcheoder warum gibt es sie deinerMeinung nach bzw. warum gibt es sienicht?Natürl ich gibt es sie: Zwei sehr großeVolkswirtschaften mit großemInnovationsgeist und großerKulturtradition.

PHILIPP BORMANN

wurde 1 976 in

Hildesheim

geboren und ist in

den Bereichen

Kulturmanagement

und Kultur- und

Politikberatung

tätig. Er ist

begeisterter Vater

zweier Söhne und

leidenschaftl icher

Rockmusiker. Fal ls

ihm daneben noch

Zeit bleibt, reist er

gern. In China war

er leider noch nicht.

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Als ich noch ein kleines Kind war, lasich die Gebrüder Grimm. Aber es istnicht immer ein guter Eindruck, denich von Deutschland habe. ImLehrbuch habe ich auch gelesen,dass Deutschland den erstem undden zweiten Weltkrieg begonnen hat.

Inzwischen ist das Deutschlandbild fürmich wahrscheinl ich folgendes: EinBayer in Lederhosen und mit einemGlas Bier in der Hand. Ich möchteauch viel mehr von Deutschlandsehen, deshalb habe ich an einemAustauschprogramm teilgenommen.Ich bin also schon ein Jahr inDeutschland gewesen und denke,dass es viele positive Dinge gibt, z.B.mag ich die schöne Landschaft inDeutschland und Deutsch alsSprache. Außerdem ist Machinebauimmer eine Stärke Deutschlands, vieleAusländer studieren auch Machinebau

in Deutschland, natürl ich inklusivevieler chinesischer Studenten.

Als eine Gemeinsamkeit zwischenDeutschen und Chinesen glaube ich,dass die Deutschen und die Chinesenbeide fleißig arbeiten, sie möchtenbeide erfolgreich Karriere machen.

GUAN Zhihua ist

26 Jahre alt und

kommt ursprünglich

aus Hefei. Jetzt

arbeitet der Patent-

Anwalt in eienr

Shanghaier

Kanzlei. Während

seines Studiums in

Elektro- und

Informationstechnik

war er ein Jahr in

Deutschland an der

Technischen

Universität.

München.

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Ich würde auf jeden Fall gerne nachChina reisen, um mir ein Bild von demLand und dem Leben dort machen zukönnen. Mich interessiert, wie dievielen unterschiedl ichen Volksgruppenin einem so riesigen Landzusammenleben. Besonders reizenmich die Gegensätze zwischenTradition und Moderne, Megacitiesund Landleben.

So kommen mir viele Bildergleichzeitig in den Kopf. Zum einendie klassischen Sehenswürdigkeitenwie die chinesische Mauer undbuddhistische Tempel, zum anderendas politische China mit pol itischenHäftl ingen und Zensur.

Aber das erste Mal hab ich von Chinagehört, weil MADE IN CHINA oft aufmeinem Spielzeug geschrieben stand,so dass mir auch schon als KindChina als Wirtschaftsmacht ein Begriffwar, obwohl es damals bei weitemnoch nicht so mächtig war wieheutzutage. Des Weiteren habe ich imGeschichtsunterricht gehört, dassChina schon sehr früh weit entwickeltwar und viele Innovationen aus dem

Land stammen. Die Chinesen warendie ersten, die Schwarzpulver undPorzellan erfunden hatten.

Ich verbinde China aber auch mit demKommunismus, Mao, Unterdrückung,Niederschlagung des Protestes aufdem Platz des Himmlischen Friedens,Hausarrest oder Haft für politischanders Denkende, Turbokapital ismusAusbeutung natürl icher Ressourcenund Umweltverschmutzung,Ausbeutung der Arbeiter/innen derTexti l industrie durch europäische undUS-amerikanische Unternehmen,Enteignung von Hausbesitzern inRahmen der olympischen Spiele 2008und neuer riesiger Absatzmarkt fürdeutsche Autoherstel ler.

Die Frage nach denGemeinsamkeiten lässt sich schwerbeantworten, da ich noch nie in demLand war und daher nicht einschätzenkann, wie die Leute da so ticken. Aufjeden Fall haben wir wirtschaftl icheBeziehungen gemeinsam und dasInteresse an technischenInnovationen.

JANINE PRÜFER hat

Grundschullehramt

studiert wurde 1 986

in Zeitz in Sachsen-

Anhalt geboren.

Während ihres

Studiums betreute

sie chinesische

Studenten an ihrer

Universität und

lebte selbst ein

Semester lang in

Peru.

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Bevor ich jemals in Deutschland war,hab ich mit diesem Land alte,historische Schlösser mit Ritternverbunden. Wenn ich heute das Worthöre, taucht auch immer wieder dasMotiv der bayrischen Flagge auf – wieman es beim BMW-Zeichen sehenkann.

Dabei fuhr mein Vater früher einenalten, schwarzen Golf; mein Vaterfährt immer Volkswagen. Ich glaube,das war auch der erste Kontakt zuDeutschland. Oder „Made inGermany“ im Waschmittelschieberunseres alten Geschirrspülers vonSiemens.

Was Deutschland für mich ausmacht,ist die Sauberkeit. Al les ist ordentl ichund gut organisiert, das war meinEindruck, als ich am MünchnerFlughafen ankam. Davor habe ichmich mit dem Visa-Antragauseinander gesetzt und auch da

habe ich die gut organisierte Art derDeutschen vorgefunden, weil ich beiwirkl ich jeder E-Mail eine schnelleAntwort auf meine Frage bekommenhabe.

Wenn ich nun nach Deutschland fürmeinen Doktor ziehe, kenne icheigentl ich schon vieles. Am meistenmache ich mir Sorgen, eine Wohnungzu finden und im Alltag mit derSprache zu Recht zu kommen. Aberich habe mich bewusst fürDeutschland entschieden, weil es eingut entwickeltes Land ist und meinechinesische Universität schonKontakte nach Deutschland hat.

Gemeinsamkeiten zwischen hier undDeutschland sehe ich im Alltag: Hierwie dort mögen die Menschendraußen sein. Wenn Sommer ist,gehen Deutsche wie Chinesen inParks und genießen das Wetter.Außerdem mögen beide Autos.

DAI NAIEN ist

gebürtig aus

Shanghai und hat

an der Tongji

Universität studiert.

Die 25-Jährige wird

nun in Tübingen

promovieren; dafür

lernt sie momentan

Deutsch. Allerdings

kennt sie das Land

schon ein bisschen,

weil sie schon ein

halbes Jahr in

Deutschland gelebt

hat.

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Im Erdkundeunterricht in meinem letztenSchuljahr am Gymnasium haben wir dieDiskrepanz zwischen der Wirtschaft imWesten und Osten Chinasdurchgenommen. Zufäl l ig war dies dannauch das Thema meiner mündlichenAbiturprüfung, weshalb man sagen kann,das China dadurch einen tiefen Eindruckbei mir hinterlassen hat.

Inzwischen gibt es für mich nicht das eineBild, das China repräsentiert – dafür bin ichviel leicht schon zu lange hier gewesen.Von den Orten, an denen ich gelebt habe,also Peking und Shanghai, sind mir ambesten die lebendigen Straßen und Plätzein Erinnerung geblieben, mit denen ich dennormalen, „chinesischen“ Alltag assoziiere.

Das Besondere an China für mich bestehtin den ambivalenten Gefühlen, die esauslöst: Einerseits die Bewunderung für einLand, dass sich mit unglaublichenAnstrengungen zur Wirtschaftsmachthochkämpft; andererseits Unverständnisangesichts der Rücksichtslosigkeitgegenüber dem Wohlergehen desIndividuums und der Natur. Die Chinesenbetonen gern ihre Einzigartigkeit undErhabenheit, sind aber gleichzeitig verrücktnach westl ichen Gütern und Moden, dieaus den USA oder Europaherübergeschwappt kommen. DieseWidersprüchlichkeit empfinde ich alstypisch für China.

Ich denke, dass Deutschland von Chinazum Teil als Vorbild gesehen wird, was diewirtschaftl iche Entwicklung angeht. Inseinen sozialen Normen ist China demDeutschland von vor 50 oder 1 00 Jahrennicht unähnlich; in der Famil iebeispielsweise sollte der Mann Haus undAuto zur Verfügung stel len und derHauptverdiener sein, während diewichtigsten Tugend der Frau nach wie vorihre Schönheit und ihr Liebreiz sind. Einewichtige Gemeinsamkeit zwischenDeutschen und Chinesen ist meinerBeobachtung nach, dass sie Fremden ersteinmal mit Zurückhaltung begegnen undsich langsam anfreunden, gegenüberFreunden jedoch ein starkesVerantwortungsgefühl besitzen.

Mich verbindet inzwischen vieles mitChina: die Erinnerung an Orte, die ichbesucht habe, an Erlebnisse und anMenschen, die ich l iebgewonnen habe. Ausdieser Perspektive mag ich China sehr.Gleichzeitig gibt es vieles, was mich stört:die Umweltverschmutzung, pol itischeUnterdrückung und der Straßenverkehr,um nur einige zu nennen. Um Chinawirkl ich zu mögen, muss man wohl sehrgelassen sein und die Dinge hinnehmenkönnen, die sich nicht ändern lassen.

MAREIKE RÖNCKE

kommt aus der

Nähe von Hamburg

und studierte sechs

Jahre Germanistik

bzw. Linguistik in

Hanover. Nach

ihrem Jahr als

DAAD-

Sprachassistentin

in Shanghai möchte

sie im Bereich

Deutsch als

Fremdsprache in

Deutschland

promovieren.

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Ich würde gerne öfter nachDeutschland reisen, weil ich meinDeutsch „wecken“ möchte. In Chinahabe ich wenig Chance, Deutsch zusprechen, zu schreiben.

Ich kann mich nicht mehr genauerinnern, wann ich das erste Mal vonDeutschland gehört habe. Aber ichkann mich genau an den Texterinnern, als ich im Jahr 1 982 Deutschzu lernen anfing (mehrere Städteentlang des Rheins, Köln, Bonn,Koblenz).

Deutschland steht fürVertrauenswürdigkeit. Ich kenne vieleFreunde, Institutionen, Unternehmen,die einfach auf Deutschlandvertrauen, sie bevorzugen Kontaktund Kooperation mit deutschenPartnern.

Gemeinsamkeiten zwischenDeutschland und China bestehenbestimmt, wie zum Beispiel Strebennach Gerechtigkeit oder das Mitleidmit der schwachen Schicht. SolcheGemeinsamkeiten lassen sich auf dieKultur und Religion beider Länderzurückführen.

LI QINGHAI wurde

1 966 in der

nördl ichen Provinz

Shanxi geboren.

Während seines

Studiums war er

DAAD-Stipendiat

und reist nun aller

zwei Jahre nach

Deutschland. In

China lebt der

Lehrer arbeitet an

der School of

Economics and

Management der

Tongji Universität in

Shanghai.

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Wenn ich an China denke, muss ichals erstes an einen Blitz denken.Genauer gesagt, an den Blitz einesFotoapparates mit dem derchinesische Tourist gekonnt jedeseinzelne Detail festhält. Wenn ich aufeine Reisegruppe Chinesen mitFotoapparat und Videokamera treffe,bin ich oft irritiert und frage mich,warum fotografieren diese Menschenjetzt einen slowenischen Busfahrerbeim Kreuzworträtsel lösen?

Ich weiß nicht genau, wann ich daserste mal von China gehört habe, aberich denke viel leicht aus einemKinderbuch. Viel leicht bekam dieTiegerente ja mal Besuch aus demfernen Osten. Es könnten aber auchFrühl ingsrol len, also chinesischesEssen, gewesen sein.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob icheinmal nach China reisen möchte.Bisher habe ich diese Frage immermit einem klaren "Nein" beantwortet.Nein, weil China sehr sehr groß ist

und ich gerade die Welt aus einemLand betrachte, in dem einfach allesklein ist. Ich glaube, ich hätte Angst, inder Masse unter zu gehen.

Allerdings bin ich auch neugierig, wiees dort wirkl ich aussieht und ich habeauch schon viele nette Chinesenkennengelernt. Es sind sehr höfl iche,zurückhaltende, angenehmeMenschen. Ich denke, wenn sich dieGelegenheit bieten sollte, dann sehrgerne – Reiseziel Nummer 1 ist Chinafür mich aber nicht.

China zeichnet besonders die uralteKultur aus, zum Beispiel Kall igrafie.Ich denke die Strebsamkeit zeichnetsowohl Chinesen als auch Deutscheaus (und bestimmt noch ein paarandere Dinge). Sonst gibt es aberrecht viele Unterschiede. MeinerMeinung nach sind dieunterschiedl ichen Lebensweisengeografischer undkulturgeschichtl icher Natur.

BIANCA CREUTZ ist

geborene Pfälzerin

und studiert

normalerweise in

Mainz Politik und

Soziologie.

Momentan lebt die

21 -Jährige aber in

Slowenien und

unterrichtet

Deutsch im

Rahmen ihres

Freiwil l igen-

dienstes. In China

war sie noch nie.

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Zu allererst muss ich an schöneLandschaften, das Biertrinken und diegute Fußballmannschaft denken. Alsich in der Grundschule war, in denachtziger Jahren, war das Team sehrgut und ich erinnere mich noch, wieviele Menschen die Deutschen in derWeltmeisterschaft unterstützt haben.

Dann war ich selbst neun Jahre inDeutschland und am meisten hat michdie Genauigkeit geprägt. Währendmeines ersten Jahres habe ich in denFerien gearbeitet. Oft habe ich Sätzemit "Ich glaube. . . " oder "Ungefähr. . . "angefangen, aber es gab nur genaueine Antwort. Damals habe ichgelernt: Wenn man also eine Arbeitmacht, sol lte man auch auf dieKleinigkeiten achten. Sie spielenmanchmal die wichtigste Rolle.

Schlechte Erfahrungen gab es auch,aber nur einmal: Während meinesPraktikums in München bin ich aufeinen sehr unfreundlichen,ausländerfeindl ichen Hausmeistergestoßen.

Persönlich verbinde ich inzwischenmit Deutschland seineRechtsstaatl ichkeit. In anderenLändern findet man immer wiederAusnahmen, aber ich habe dieErfahrung in Deutschland gemacht:Wenn es eine Regelung gibt, dann giltsie für al le Leute. Das gefäl lt mir sehrgut. Die harmonische, sozialeGesellschaft, der Umweltschutz - al ldas macht Deutschland für mich zumTraumstaat.

Zwischen China und Deutschland gibtes vor al lem ökonomischeGemeinsamkeiten, beide Länder sindstark im Export. Aber der größteUnterscheid l iegt für mich imPolitischen. Ich habe mal eineBeschreibung gehört, dass es inChina eine große Regierung und einekleine Gesellschaft gibt. Al les ist vonder Regierung abhängig; wenn sienicht da ist, stürzt al les ins Chaos. InDeutschland ist es genau andersrum,da hat jeder Beamte seinen eigenenBereich. Wenn Frau Merkel krankwäre, funktionierte trotzdem allesordentl ich.

LI YIQIAN ist 35

Jahre alt und

arbeitet heute beim

DAAD in Shanghai.

Sie absolvierte ihr

VWL- und BWL-

Diplom in Leipzig

und lebte neun

Jahre in

Deutschland. Heute

bekommt sie noch

immer Post von

ehemaligen

Kommil itonen und

vertraut auf "made

in Germany".

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China ist für mich keine Liebe auf denersten Blick. Aber nach einer Weilelernt man das Land und die Leute zuschätzen. Deswegen kommt mir auch‚schwierig‘ als erstes in den Kopf.Zuerst habe ich die mangelndeSchönheit und die fehlendeGesellschaft gesehen. Aber bis heutebin ich noch immer von der Größe,der Macht und der Dynamik hierüberwältigt. Die Chinesen machenimmer etwas und sind sehrgeschäftstüchtig. Das finde ichsympathisch, und ich schätze auch,dass ich das später vermissen werde.

Aber klar, am Anfang hatte ich einsehr mediengeprägtes Bild von China.Kommunismus und Polizeistaat wie inder DDR oder in der Sowjetunionspielten da viel leicht, gerade alsjunger Journalist, noch mit hinein undals ich in Hongkong war, wurden dieseÄngste von den Hongkongern sogarweiter geschürt! Aber während einerReise wurden mir dann die Augengeöffnet: Al les funktionierte besser alserwartet und die Chinesen waren vielmoderner und mit der Welt vertraut.

Gerade das ist es auch, was dieChinesen so ausmacht, wie ich finde.Sie vereinen viele gegensätzl icheDinge, beispielsweise Kommunismusund Kapital ismus. Es geht eben umdas Ergebnis, da kann der Weg auchein bisschen anders, ein bisschenkrumm sein. Die Deutschen haben esdeswegen hier schwer; sie sind sehrorthodox und wollen sehr nach ihrem– gut begründeten – System arbeiten.

Daher sehe ich auch kaumÄhnlichkeiten zwischen Chinesen undDeutschen. Viel leicht sind beide nichtso sinnl ich, im ästhetischen Sinne.Also die Lebensqualität steht wie beiden romanischen Kulturen nicht so imVordergrund. Für Deutsche sind esdie soliden funktionierenden Dinge,die wichtig sind. Die Chinesen guckenviel leicht nicht so auf das Solide, aberes geht ihnen auch um das Ergebnis.Heute versuchen erst die neuenReichen diese Lebensqualität zulernen.

MARKUS RIMMELE

hat zuerst von der

chinesischen

Mauer gehört und

bezeichnet sich in

Bezug zu seinem

Asieninteresse als

„Spätzünder“. Seit

September 2011 ist

der 38 Jahre alte

Korrespondent für

den ARD-Hörfunk

in Shanghai und

arbeitete vorher

mehrere Jahre in

Hongkong als freier

Journalist.

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I rgendwie habe ich immer das Bildvon Benz in Erinnerung, also demguten und auch teuren Automarke.Mein Vater fährt gerne Autos und istauch sehr von der deutschen Qualitätbegeistert. Ich glaube, das ist schondie erste Verbindung zwischenDeutschland und mir.

Wenn ich nun heute an Deutschlanddenke, sehe ich einen weißen,schlanken Mann in schwarzem Anzug,der auf einer ordentl ichen, ruhigenStraße läuft. Für mich ist Ordnung,Sauberkeit und das kühle Gefühl dasSymbol für Deutschland. Ein weißerMann ist das Gesicht für Westen.Schlank ist eine Besonderheit fürDeutsche. Schwarzer Anzug bedeutet,dass die Deutschen sich immerordentl ich anziehen. Ruhige Straßenist schon der al lgemeine Eindruck vonDeutschland. Es ist al lgemein vielruhiger als in China.

Was ich über Ordnung,Gewissenhaftigkeit und Qualitätgesagt habe, sind al les Beispiele fürdas positive Deutschland. Ich möchte

ein bisschen über das negativeDeutschland sagen. Ich kann es gutnachvollziehen, warum in DeutschlandIntegration von Migranten ein Problemist. Natürl ich ist das ein großes undkompliziertes Problem. Es gibtdahinter auch viele Gründe. DieMigranten sollten in die deutscheGesellschaft integrieren. Aber in wieweit sol lten sie sich integrieren? Undwas heißt Integration überhaupt?Viel leicht wollten die Migrantenintegrieren, aber sie werden einfachnicht von der deutschen Gesellschaftwahrgenommen und aufgenommen.Auch das Problem von Neo-Nazi, alsodie Ausländerfeindl ichkeit macht dasDeutschland-Image komplizierter.

Dennoch sehe ich die Gemeinsamkeitzwischen Deutschland und China inden Menschen. Sie sind überal lgleich. Gierig, Liebe, schlau, dumm.Was ich sagen möchte, dasGrundprinzip, wie man in einerGesellschaft überlebt, oder überhauptdie Grundmotive von Menschen sindüberal l gleich.

WANG DANDAN,

auch Kerstin

genannt, war 2009

im Rahmen des

Medienbotschafter-

Programms der

Robert-Bosch-

Stiftung bereits in

Deutschland und

studiert nun mit

einem

Bundeskanzler-

Stipendium an der

Bauhaus-

Universität in

Weimar.

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Ein BESONDERER DANK

gilt an dieser Stel le al len Beteil igten, die mirgeduldig Rede und Antwort gestanden haben.

Außerdem dem Team des DAAD-Informationszentrums in Shanghai, das mich soherzl ich in seinen Kreis aufgenommen hat und

natürl ich dem "kulturweit"-Team, dessenLangzeitmotivation mich inspiriert hat.

Danke auch an Mama und Papa, die michimmer unterstützen, auch wenn ich immer

etwas überstürze.

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© Sarah Buch

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