Deutsche Fähigkeiten für ein Joint ISR Cluster (CSD) auf Basis der STANAG 4559. Über den...

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Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – L 5.4 Die NATO hat u. a. aus Erfahrungen der Operation „Unified Protector“ die Notwen- digkeit für ein verbessertes Joint ISR er- kannt und bereits 2010 beim NATO Sum- mit in Lissabon Joint ISR als einen Fähig- keitsbereich mit prioritärem Handlungsbe- darf identifiziert. Dies wurde auf den Summits in Chicago und Wales (2012/14) weiter konkretisiert. Für die Kräfte der NATO Response Forces 2016 (NRF 16) hat die NATO eine Initial Operating Capa- bility festgestellt. Mit NRF 18, zu der die Bundesrepublik das Air Component Com- mand (ACC) stellt, soll die Full Operating Capability für Joint ISR erreicht werden. Die multinationale Zusammenarbeitsfä- higkeit bzgl. Joint ISR in der NATO soll verstärkt werden. Vor dem Hintergrund begrenzter Mittel in den Mitgliedsstaaten haben sich daher mittlerweile 16 europä- ische NATO-Nationen unter dem Frame- work Nations Concept (FNC) zum Cluster Joint ISR zusammengeschlossen. Unter deutscher Federführung sollen so die not- wendigen Joint ISR-Kernfähigkeiten ent- wickelt und der NATO für Einsätze zur Verfügung gestellt werden. Um innerhalb des Joint ISR-Clusters als Rahmennation die führende Rolle einzu- nehmen sind national prioritär zwei Teilfä- higkeiten auszuprägen: die Grundbefähigung, am Joint ISR-Pro- zess teilzunehmen, d. h. Anfragen anzu- nehmen, zu bearbeiten und mit entspre- chenden, freigegebenen Erkenntnissen zu beantworten und in den Prozess wie- der einzuspeisen. eine eigene Joint ISR-Fähigkeit der Bun- deswehr, die es gestattet für Einsätze no- minierte Einheiten (z. B. ein ACC) zur Teilhabe am Joint ISR-Prozess der NATO zu befähigen; Mit der Initiative „Befähigung für Coalition Shared Data (CSD)“ soll die Bundeswehr befähigt werden, diese an sie gestellten Anforderungen im Joint ISR-Kontext zu erfüllen und ihren internationalen Ver- pflichtungen hinsichtlich des FNC Clus- ters Joint ISR nachzukommen. Die Initia- tive adressiert vier erforderliche Anteile: Befähigung national Grundbetrieb; Befähigung national Einsatz; Befähigung international verlegefähig; Sensoranbindung (MPA, MALE UAS). Der initiale Aufbau einer Test- und Trai- ningsanlage soll bei der nationalen Ausbildung, Adaption und Verifikation der NATO Joint ISR-Prozesse unterstützen. Erste Erkenntnisse zur Aufgabenstellung Joint ISR hat die Bundeswehr u. a. durch die Teilnahme am multinationalen F&T- Programm „Multi-Intelligence All Source Joint ISR Interoperability Coalition (MAJIIC)“ und der NATO Joint ISR-Trial- Serie „Unified Vision“ gewinnen können. Hierbei hat Deutschland prototypisch be- reits ein breites Spektrum an Fähigkeiten adressiert und nachgewiesen. Vorhandene, prototypische Fähigkeiten Zentrales Element des Managements und des Austausches von Joint ISR-Resulta- ten und Intelligence-Produkten ist die Im- plementierung der Coalition Shared Data (CSD) auf Basis der STANAG 4559. Über den CSD-Verbund können mittels standardisierter Schnittstellen die Metadaten der auf den Servern gespeicherten Produkte ausgetauscht und die Produkte effizient und be- darfsgerecht verfügbar gemacht werden. Die Systematik der Synchronisation ist auf Bandbreiten anpassbar und funktioniert auch über Netzwerkgrenzen hinweg, wenn entsprechende Sicherheitsstan- dards implementiert werden. Der Zugriff auf die CSD erfolgt über Clients, die in Abhängigkeit der jeweiligen Systeme unterschiedliche Funktiona- litäten aufweisen können. Ein Beispiel hierfür ist der browserbasierte ISAAC.web PLUS Client. Der Interactive ISR Exploitation Report (i2exrep) ist eine Anwendung zur Erstel- lung und Bearbeitung formalisierter Meldungen. Er unterstützt das Erstellen, Speichern, La- den, Editieren, Anzeigen, Ex- portieren, Druk- ken und Ver- senden von Meldungen in verschiedenen, standardisierten Formaten, wie beispielswiese RECCEXREP, INTREP etc. und verwendet Vorgaben der STANAGs 3277, 3377, 3596 u. 2511. Deutsche Fähigkeiten für ein Joint ISR Cluster Grundlagen der Entscheidungsfindung im Krisenmanagement sind Fähigkeiten zur Nachrichtengewinnung, Überwachung und Aufklärung, in NATO-Nomenklatur Fähig- keiten zu Joint Intelligence, Surveillance and Reconnaissance (Joint ISR / JISR). Die NATO definiert Joint ISR als einen Verbund von Befähigungen in den Bereichen Intel- ligence und Operations (vgl. Abbildung), der die Planung und den Einsatz aller Fähig- keiten zur Erfassung, Verarbeitung, Auswertung und Verteilung von Informationen in direkter Unterstützung der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Einsätzen koordiniert und integriert. Insbesondere bei Beauftragung, Erfassung, Verarbeitung, Auswertung und Verteilung von ISR-Informationen müssen viele Aufklärungsträger koordiniert und große Datenmengen analysiert und verarbeitet werden, um Grundlage für ein überlegenes Lageverständnis der Entscheidungsträger und Akteure zu sein.

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Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – L 5.4

Die NATO hat u. a. aus Erfahrungen der Operation „Unified Protector“ die Notwen-digkeit für ein verbessertes Joint ISR er-kannt und bereits 2010 beim NATO Sum-mit in Lissabon Joint ISR als einen Fähig-keitsbereich mit prioritärem Handlungsbe-darf identifiziert. Dies wurde auf den Summits in Chicago und Wales (2012/14) weiter konkretisiert. Für die Kräfte der NATO Response Forces 2016 (NRF 16) hat die NATO eine Initial Operating Capa-bility festgestellt. Mit NRF 18, zu der die Bundesrepublik das Air Component Com-mand (ACC) stellt, soll die Full Operating Capability für Joint ISR erreicht werden.

Die multinationale Zusammenarbeitsfä-higkeit bzgl. Joint ISR in der NATO soll verstärkt werden. Vor dem Hintergrund begrenzter Mittel in den Mitgliedsstaaten haben sich daher mittlerweile 16 europä-ische NATO-Nationen unter dem Frame-work Nations Concept (FNC) zum Cluster Joint ISR zusammengeschlossen. Unter deutscher Federführung sollen so die not-wendigen Joint ISR-Kernfähigkeiten ent-wickelt und der NATO für Einsätze zur Verfügung gestellt werden.

Um innerhalb des Joint ISR-Clusters als Rahmennation die führende Rolle einzu-nehmen sind national prioritär zwei Teilfä-higkeiten auszuprägen:

• die Grundbefähigung, am Joint ISR-Pro-zess teilzunehmen, d. h. Anfragen anzu-nehmen, zu bearbeiten und mit entspre-chenden, freigegebenen Erkenntnissen

zu beantworten und in den Prozess wie-der einzuspeisen.

• eine eigene Joint ISR-Fähigkeit der Bun-deswehr, die es gestattet für Einsätze no-minierte Einheiten (z. B. ein ACC) zur Teilhabe am Joint ISR-Prozess der NATO zu befähigen;

Mit der Initiative „Befähigung für Coalition Shared Data (CSD)“ soll die Bundeswehr befähigt werden, diese an sie gestellten Anforderungen im Joint ISR-Kontext zu erfüllen und ihren internationalen Ver-pflichtungen hinsichtlich des FNC Clus-ters Joint ISR nachzukommen. Die Initia-tive adressiert vier erforderliche Anteile:

• Befähigung national Grundbetrieb; • Befähigung national Einsatz; • Befähigung international verlegefähig; • Sensoranbindung (MPA, MALE UAS).

Der initiale Aufbau einer Test- und Trai-ningsanlage soll bei der nationalen Ausbildung, Adaption und Verifikation der NATO Joint ISR-Prozesse unterstützen.

Erste Erkenntnisse zur Aufgabenstellung Joint ISR hat die Bundeswehr u. a. durch die Teilnahme am multinationalen F&T-Programm „Multi-Intelligence All Source Joint ISR Interoperability Coalition (MAJIIC)“ und der NATO Joint ISR-Trial-Serie „Unified Vision“ gewinnen können. Hierbei hat Deutschland prototypisch be-reits ein breites Spektrum an Fähigkeiten adressiert und nachgewiesen.

Vorhandene, prototypische Fähigkeiten

Zentrales Element des Managements und des Austausches von Joint ISR-Resulta-ten und Intelligence-Produkten ist die Im-plementierung der Coalition Shared Data (CSD) auf Basis der STANAG 4559. Über den CSD-Verbund können mittels standardisierter Schnittstellen die Metadaten der auf den Servern gespeicherten Produkte ausgetauscht und die Produkte effizient und be-darfsgerecht verfügbar gemacht werden. Die Systematik der Synchronisation ist auf Bandbreiten anpassbar und funktioniert auch über Netzwerkgrenzen hinweg, wenn entsprechende Sicherheitsstan-dards implementiert werden.

Der Zugriff auf die CSD erfolgt über Clients, die in Abhängigkeit der jeweiligen Systeme unterschiedliche Funktiona-litäten aufweisen können. Ein Beispiel hierfür ist der browserbasierte ISAAC.web PLUS Client.

Der Interactive ISR Exploitation Report (i2exrep) ist eine Anwendung zur Erstel-lung und Bearbeitung formalisierter Meldungen. Er unterstützt das Erstellen, Speichern, La-den, Editieren, Anzeigen, Ex-portieren, Druk-ken und Ver-senden von Meldungen in verschiedenen, standardisierten Formaten, wie beispielswiese RECCEXREP, INTREP etc. und verwendet Vorgaben der STANAGs 3277, 3377, 3596 u. 2511.

Deutsche Fähigkeiten für ein Joint ISR Cluster

Grundlagen der Entscheidungsfindung im Krisenmanagement sind Fähigkeiten zur Nachrichtengewinnung, Überwachung und Aufklärung, in NATO-Nomenklatur Fähig-keiten zu Joint Intelligence, Surveillance and Reconnaissance (Joint ISR / JISR). Die NATO definiert Joint ISR als einen Verbund von Befähigungen in den Bereichen Intel-ligence und Operations (vgl. Abbildung), der die Planung und den Einsatz aller Fähig-keiten zur Erfassung, Verarbeitung, Auswertung und Verteilung von Informationen in direkter Unterstützung der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Einsätzen koordiniert und integriert. Insbesondere bei Beauftragung, Erfassung, Verarbeitung, Auswertung und Verteilung von ISR-Informationen müssen viele Aufklärungsträger koordiniert und große Datenmengen analysiert und verarbeitet werden, um Grundlage für ein überlegenes Lageverständnis der Entscheidungsträger und Akteure zu sein.

Page 2: Deutsche Fähigkeiten für ein Joint ISR Cluster (CSD) auf Basis der STANAG 4559. Über den CSD-Verbund können mittels standardisierter Schnittstellen die Metadaten der auf den Servern

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Mit ISR Business Manager (ISR BMan) steht ein browserbasiertes Werkzeug für das Workflow Management zur Verfü-gung. Der ISR BMan dient dem Manage-ment der ISR-Prozesse und –Resultate, wird in den CSD-Verbund eingebunden und baut auf den im Format „Information and Content Exchange (ICE)“ (ATP-11) vorliegenden Elementen Intelligence Collection Plan (ICP), ISR Overlay/ Coverage, Collection Task List (CTL), Collection Exploitation Plan (CXP) und ISR Synchronisation Matrix auf:

Das Modulare Auswertesystem (MAuS) unterstützt Missionsplanung und Auswer-tung für die Bereiche Video, Bilder (EO, IR, SAR), GMTI-Tracks, ESM und Lage-darstellung. MAuS kann an eine CSD an-gebunden werden und die Auswerteer-gebnisse an Integrationsplattformen bei-spielsweise zum Reporting, Tracking, zu Video-Analytics-Verfahren oder Stream Computing weitergeben.

Der Video Distribution Server (VIDIS) ist eine skalierbare Streaming-Speicherar-chitektur, die Videos einschließlich Meta-daten, Rasterdaten (Bilder, Karten) und paketbasierte Daten (z. B. GMTI, Link 16) verarbeiten kann. VIDIS verwendet stan-dardisierte Abfrage- und Datenschnittstel-len sowie eine Enterprise Speicherlösung, die als skalierbarer Big Data Speicher als Sensordatenarchiv auch mit verteilter Da-tenhaltung und Stream-Replizierung fun-gieren kann. Die durch VIDIS aufbereite-ten und gespeicherten Daten können ent-weder als Live Stream einschließlich Metadatenzugriff oder über eine orts- und zeitbezogene Abfrageschnittstelle als Da-tenquelle für Stream Computing dienen.

Mittels Stream Computing erfolgt die Analyse verfügbarer Daten in Nahe-Echt-zeit. Durch Synchronisation der einzelnen Informationsflüsse, das Filtern von nicht relevanten und das Hervorheben von re-levanten Informationen und die Korrela-tion verschiedener Informationsströme aus unterschiedlichen Quellen wird der In-formationswert gesteigert und das Lage-verständnis wesentlich verbessert.

Stream Computing verarbeitet Metadaten aller anliegenden, standardisierten Daten-ströme und Daten aus BICES und dem CSD-Verbund, korreliert die Informatio-nen unterschiedlicher Quellen echtzeitnah miteinander und stellt Ergebnisse dann georeferenziert auf Grundlage des Stan-dard-NATO-Core GIS-Systems webba-siert dar. Ein so verbessertes Lagebild er-laubt schnellere, besser informierte Entscheidungsfindung.

Mit dem inhaltsbasierten, über Browser zugreifbaren Analysewerkzeug Watson Content Analytics lassen sich strukturierte und unstrukturierte Daten über eine Ana-lystenoberfläche auswerten, etwa um de-finierte Wort- und Satzmuster oder Schlüsselwörter zu erkennen, die verar-beiteten Dokumente mit zusätzlichen Me-tadaten anzureichern, die Analysten durch eine GUI mit Filterfunktionen, High-lighting oder Dashboards-Auswertungen zu unterstützen, um Freitextsuche in Do-kumenten durchzuführen, über durch Textanalyse mit Werten gefüllte Metada-ten zu filtern oder einen schnellen Über-blick über Inhalte zu erhalten.

Das Analysewerkzeug i2 Analyst’s Note-book visualisiert strukturierte Daten als Entitäten und Relationen zueinander. Das Werkzeug wird mit Daten aus einem loka-len, einem mehrbenutzerfähigen zentra-len Repository oder durch direkten Import in ein Diagramm versorgt. Die Visualisie-rung kann georeferenziert erfolgen. Mit-tels konfigurierbarer, bedingter Formatie-rungen lassen sich Entitäten oder Relatio-nen hervorheben.

Mit der Integration der Video-Tracking-Komponente aus Automatisierte Bildauswertung UAV Luna (ABUL) können bewegte Objekte detektiert und getrackt werden. Der Input erfolgt über Full Motion Videos im STANAG 4609-Format, der innerhalb von Stream Computing dann weiterzuverarbeitende Output liegt im Format der STANAGs 4607 bzw. 4676 vor.

Realisierung und Mehrwert

Mit dem Schließen der Fähigkeitslücke zu Joint ISR wird der Zugriff auf und der auto-matisierte Austausch von Aufklä-rungsdaten und -produkten, deren echt-zeitnahe, automatisierte Korrelation und Darstellung sowie die Teilhabe an interna-tionalen Verfahren und Prozessen des Nachrichtengewinnungs-, Überwa-chungs- und Aufklärungsmanagements mit nationalen Fähigkeiten möglich. Diese Joint ISR-Lösung liefert eine Inte-gration von technischen Komponenten, die die relevanten Informationen in einer konfigurierbaren Oberfläche einfach und übersichtlich zur Verfügung stellt und dabei auf technischen Standards und vor-handene prototypische Fähigkeiten der Bundeswehr zurückgreift. In der NATO wird das Lagebewusstsein und das -verständnis der NRF durch eine einheitliche Plattform, standardisierte Pro-zesse und verbesserte Kommunikation zwischen den einzelnen, an Einsätzen teilnehmenden Nationen, deutlich verbes-sert. Für die Bundeswehr bedeutet das Schließen der Fähigkeitslücke die Mög-lichkeit der Teilnahme an internationalen Operationen, die Einhaltung internationa-ler Verpflichtungen sowie ein verbesser-tes, echtzeitnahes Lagebewusstsein.