Deutsche Mathematiker dem antarktischen Eis auf der Spur · Deutsche Mathematiker dem antarktischen...

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Deutsche Mathematiker dem antarktischen Eis auf der Spur Fleurianne Bertrand und Marcel Moldenhauer Dieses Jahr durften auch zwei Mathematiker der Uni- versit¨ at Duisburg-Essen mit auf die Winter-Expedition der S.A. Agulhas II zur Antarktis. Wie es dazu kam, realisieren Fleurianne Bertrand und Marcel Moldenhauer auch heute noch nicht vollst¨ andig. Es begann im Sem- inar numerische Mathematik und Mechanik von u. a. Prof. org Schr¨ oder und Prof. Gerhard Starke. Prof. Schr¨ oder lud zum Vortrag von Sebastian Skatulla, welcher von der University of Captown ist, mit dem Titel Introduc- tion to a Study oft the Antartic Ocean Cryosphere. Eine Pr¨ asentation und viele Fragen sp¨ ater, durften auch Frau Bertrand und Prof. Dr.-Ing Tim Ricken (TU Dortmund, bzw. seit August 2017 Universit¨ at Stuttgart) am Antrag zur Expedition mitwirken. Sie erhielten gemeinsam mit den Doktoranten Carla Henning (TU Dortmund), Andr´ e Mielke (TU Dortmund), Carolin Mehlmann (Philipps- Universit¨ at Magdeburg) und Marcel Moldenhauer (Uni- versit¨ at Dusiburg-Essen) die M¨ oglichkeit an der Antark- tisexpedition auf dem ForschungsschiS.A. Agulhas II teilzunehmen. Noch l¨ acheln Fleurianne und Marcel. j Zwischen Mathematik und Mechanik Koordiniert wurde der Antrag an der National Research Foundation of South Africa zur Expedition durch Marcello Vichy, Professor f¨ ur Ozeanographie an der University of Capetown. Im Mittelpunkt des Forschungsvorhaben stand die Analyse des sogenannten Pfannkucheneises, im englis- chen Pancake Ice. Das Pfannkucheneis bildet einen Tep- pich von kreisrunden Eisst¨ ucken mit einem Durchmesser von 30cm bis zu 3m und wurde bisher nur wenig erforscht. Pfannkucheneis bei ruhigem Wellengang. Die Notwendigkeit zur wissenschaftlichen Erforschung dieser Eisschicht, welche die Grenze zwischen der gefes- tigten Eisschicht und dem oenen Ozean darstellt, besteht darin, dass dies eine der gr¨ oßten Grenzfl¨ achen zum Aus- tausch zwischen Atmosph¨ are und Ozean ist und einen signifikanten Einfluss auf das Klima hat. Um klimatis- che Einfl¨ usse des Pfannkucheneises zu messen, m¨ ussen die physikalischen und mechanischen Eigenschaften bestimmt werden. Fleurianne erkl¨art die Herausforderungen in Numerik. 1

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Deutsche Mathematiker dem antarktischen Eis auf der SpurFleurianne Bertrand und Marcel Moldenhauer

Dieses Jahr durften auch zwei Mathematiker der Uni-versitat Duisburg-Essen mit auf die Winter-Expeditionder S.A. Agulhas II zur Antarktis. Wie es dazu kam,realisieren Fleurianne Bertrand und Marcel Moldenhauerauch heute noch nicht vollstandig. Es begann im Sem-inar numerische Mathematik und Mechanik von u. a.Prof. Jorg Schroder und Prof. Gerhard Starke. Prof.Schroder lud zum Vortrag von Sebastian Skatulla, welchervon der University of Captown ist, mit dem Titel Introduc-tion to a Study oft the Antartic Ocean Cryosphere. EinePrasentation und viele Fragen spater, durften auch FrauBertrand und Prof. Dr.-Ing Tim Ricken (TU Dortmund,bzw. seit August 2017 Universitat Stuttgart) am Antragzur Expedition mitwirken. Sie erhielten gemeinsam mitden Doktoranten Carla Henning (TU Dortmund), AndreMielke (TU Dortmund), Carolin Mehlmann (Philipps-Universitat Magdeburg) und Marcel Moldenhauer (Uni-versitat Dusiburg-Essen) die Moglichkeit an der Antark-tisexpedition auf dem Forschungsschi↵ S.A. Agulhas IIteilzunehmen.

Noch lacheln Fleurianne und Marcel.

j Zwischen Mathematik und Mechanik

Koordiniert wurde der Antrag an der National ResearchFoundation of South Africa zur Expedition durch MarcelloVichy, Professor fur Ozeanographie an der University ofCapetown. Im Mittelpunkt des Forschungsvorhaben standdie Analyse des sogenannten Pfannkucheneises, im englis-chen Pancake Ice. Das Pfannkucheneis bildet einen Tep-pich von kreisrunden Eisstucken mit einem Durchmesservon 30cm bis zu 3m und wurde bisher nur wenig erforscht.

Pfannkucheneis bei ruhigem Wellengang.

Die Notwendigkeit zur wissenschaftlichen Erforschungdieser Eisschicht, welche die Grenze zwischen der gefes-tigten Eisschicht und dem o↵enen Ozean darstellt, bestehtdarin, dass dies eine der großten Grenzflachen zum Aus-tausch zwischen Atmosphare und Ozean ist und einensignifikanten Einfluss auf das Klima hat. Um klimatis-che Einflusse des Pfannkucheneises zu messen, mussen diephysikalischen und mechanischen Eigenschaften bestimmtwerden.

Fleurianne erklart die Herausforderungen in Numerik.

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Fischen nach Pfannkucheneis.

Zu den Aufgaben der Expedition gehort deshalb auchdas Sammeln von Eisproben zur Bestimmung von Ma-terialeigenschaften des Pfannkucheneises sowohl die Er-stellung eines Modells fur die Dynamik. An dem Zusam-menspiel von Mathematik und Mechanik sind die EssenerMathematiker schon langer interessiert und arbeiten ins-besondere unter der Leitung von Prof. Gerhard Starkean dem Schwerpunktprogramm 1748 Reliable SimulationTechniques in Solid Mechanics. Development of Non-standard Discretization Methods, Mechanical and Math-ematical Analysis an der Entwicklung von zuverlassigenSimulationstechniken in der Festkorpermechanik. Aufdem Schi↵ gri↵ das interdisziplinare Arbeiten aber nochweiter, da auch Ozeanographen, Physiker, Chemiker,Biologen, Ornithologen, Geowissenschaftler und auchKunstler mit an Bord waren. Abendlich wechselten sichdie Gruppen der einzelnen Projekte am Schi↵ ab undstellten in kurzen Vortragen ihre Arbeit vor.

Wohnraum, Speisesaal, Fitnessraum und Auditorium.

Ein modernes Schi↵

Die S.A. Agulhas II ist ein neues und modernes Schi↵und lief im Mai 2012 zum ersten Mal in ihren Heimath-afen Kapstadt ein. Die Wissenschaftler sind in Einzel-oder Zweierkabinen untergebracht, die mit Schreibtisch,Sofa und Bad eingerichtet sind. An Bord soll es an nichtsfehlen, es gibt einen kleinen Fitnessraum mit Sauna, einenVortragssaal, Speiseraum, Krankenstation, Kiosk, Be-sprechungsraum und sogar eine Bar. Zum Wohn- und Ar-beitsbereich des Schi↵s gehoren große Aufenthaltsraume,welche mit Sesseln und gemutlichen Sitzgelegenheitenausgestattet sind. Gegessen wird in zwei Schichten jeweilsMorgens, Mittags und Abends. Dabei gab es zu jederMahlzeit eine Auswahl an verschiedenen Speisen. Das Es-sen war sehr abwechslungsreich und unerwartet gut. Alldiese Raumlichkeiten sind wohl temperiert und machenkeinen Anschein der harschen Wettersituation, in der sichdas Schi↵ befindet.

Auch nachts schlugen die Wellen.

All dieser Luxus konnte einen fast vergessen lassen, woman sich da genau rumtreibt, wenn da nicht der an-dauernde Wellengang ware. Die Wellen waren allge-genwartig, man horte das Schi↵ standig gegen die Wellenarbeiten was sich im Knacken der Wande außerte. Selbstbei ruhigem Wetter musste man sich beim Treppengehenfesthalten und in den Gangen aufpassen, nicht gegen dieWande zulaufen. Bei schlechterem Wetter musste sichdas Schi↵ gegen bis zu 18 Meter hohe Wellen behaupten,egal was man an Bord machen wollte, wurde zu eineraußert schwierigen Aufgabe. Das Schlagen der Wellen undWassers gegen das Schi↵ wird slammen genannt. Durchslammen entsteht ein so großer Schlag gegen das Schi↵,dass die Vibrationen uberall spurbar sind und teils mehrals zehn Sekunden anhalten. Die S.A. Agulhas II istals Eisbrecher optimiert und nicht fur ein solch starkenWellengang ausgelegt. Doch gerade das Ziel dieser Reisedie Breitengrade jenseits der sechszig Grad fuhren vorbeian den roaring forties, furious fifties zu den screaming six-ies, welche Bezeichnungen fur die jeweiligen Breitengradesind, da sie bekannt fur ihren starken Wellengang undunbestandiges Wetter sind. Aber dies erfuhren die EssenerMathematiker erst, als sie schon auf dem Weg RichtungSuden waren. Als sie erfuhren, dass die Werft, die dasSchi↵ baute, insolvent ging und alle Berechnungsunterla-gen verlorengegangen sind, stimmt sie nicht besser.

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Fleurianne beim Eisbohren, gehalten von ihre Kollegen.

Experimente

Die verschiedenen Arbeitsgruppen begangen ihre Arbeitdirekt nach dem Ablegen in Kapstadt. Eine Gruppe nahman verschiedenen Messpunkten auf der Expedition Wasser-proben in einer Tiefe von bis zu vier Kilometern. Damitdie Wasserproben nicht konterminiert wurden, musstendie Behalter in einem Reinraum gelagert werden und insterilen Overalls auf einem Karussell befestigt werden,was dann ins Wasser gelassen wurde. Das Laden bzw.Entladen des Karussells wurde wahrend der Expeditionuber zwei dutzendmal vorgenommen und dies teils umvier Uhr nachts. Wenn die Messstation erreicht wurde,musste schnell gearbeitet werden, alles lief nach einemstrengen Zeitplan.

Wissenschaftler beim Absetzen einer Boye

Die Gruppe der Ornithologen verbrachte jeden Tag beiWind und Wetter von Sonnenaufgang bis -untergang aufder Beobachtungsplattform (monkey island), welche extradafur gebaut wurde. Auch die Gruppe, um die EssenerWissenschaftler, musste sich vorbereiten, je naher sie demEis kamen. Schon vorher wurden Handgri↵e auf demSchi↵ geubt und besprochen, damit dann am Eis allesschnell gehen wurde. Als es dann soweit war und man nachmehrtagiger Reise im Eis ankam, hatte die Gruppe etwanur 1 1/2 Tage bevor man das Eis wieder verlassen wurdemit Kurs Richtung Kapstadt. In dieser kurzen Zeit solltenan verschiedenen Punkten Pfannkucheneis gesammelt undan Bord verarbeitet werden. Das bedeutete fur die Wis-senschaftler lange Schichten und wenig Schlaf. Geschlafenwurde nur falls notig fur wenige Stunden, es wurde genugZeit geben wenn man das Eis wieder verlasst. An deneinzelnen Messpunkten wurde mithilfe eines speziellen Ko-rbes und der Crew Pfannkucheneis gefischt und an Bordgehoben. An Bord wurden die Eisstucke dann vermessenund an verschiedenen Punkten angebohrt, um z.B. Tem-peratur zu messen.

Marcel hilft beim Bestucken des Karussels.

Die Eisstucke wurden dann katalogisiert und in einengroßen Kuhlraum im Inneren des Schi↵s transpotiertzur spateren Analyse. Andere Eisstucke wurden sofortan Deck mithilfe eines speziellen Bohrers angebohrt,um Bohrkerne zugewinnen und um spater mechanischeMaterialeigenschaften in Laboren an Land zu ermitteln.Auch diese Bohrkerne wurden katalogisiert und in denKuhlraum gebracht. Neben der Arbeit in ihrer Gruppehalfen die Deutschen Mathematiker auch bei der Gruppezur Eisobservation mit, deren Ziel es war, die marginaleEiszone zu bestimmen. Zur Arbeit in dieser Gruppegehorte es in Schichten ein Logbuch uber den zusehen-den Zustand des Eis zufuhren und eine Kamera an Deck,die eine Zeitra↵eraufnahme der kompletten Zeit im Eisaufzeichnete zu wechseln, da in diesen Wetterbedingun-gen Akkus nur eine geringen Lebensdauer aufweisen. Erstspater merkten die Mathematiker wie gefahrlich das wech-seln der Kamera, die an der Reling von monkey islandbefestigt war, gewesen ist, da das Wetter im Eis schlechtund es oftmals dunkel war. Die gesammelten und ausgew-erteten Daten werden die beiden Mathematiker in ihrenModelle einbauen konnen, um dann ihre Simulationenim nachsten Jahr bei der nachsten Expedition gegen dieRealitat zu testen.

Von links oben nach rechts unten: Eisbeobachtung mit Mar-

cel, Auswerten der Eisstucke (Andre Mielke), Vogelbeobach-

tung, Eisbohren (mit Carla Henning)

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