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Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 1. Untersuchungsausschuss Protokoll Nr. 7 (Sitzungsteil Sachverständigen- anhörung) 5. August 2010 Stenografisches Protokoll - Endgültige Fassung*- der 7. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses am Donnerstag, 17. Juni 2010, 10.00 Uhr Europasaal im Paul-Löbe-Haus, Berlin Vorsitz: Dr. Maria Flachsbarth, MdB Tagesordnung Anhörung von Sachverständigen, im Einzelnen: zu Rechtsgrundlagen und behördlichen Zuständigkeiten: Herr Henning Rösel gemäß Beweisbeschlüssen 17-104 und 17-126 zur geschichtlichen Entwicklung: Herr Dr. Detlev Möller gemäß Beweisbeschluss 17-105 Herr Henning Rösel gemäß Beweisbeschluss 17-127 Seiten 1 - 68 ___________________________ * Hinweis: Die Korrekturen der Sachverständigen Henning Rösel (siehe Schreiben vom 23. Juli 2010, Anlage 1) und Dr. Detlev Möller (siehe Schreiben vom 13. Juli 2010, Anlage 2) wurden in das Protokoll eingear- beitet.

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Deutscher Bundestag17. Wahlperiode

1. Untersuchungsausschuss

Protokoll Nr. 7(Sitzungsteil Sachverständigen-

anhörung)5. August 2010

Stenografisches Protokoll- Endgültige Fassung*-

der 7. Sitzungdes 1. Untersuchungsausschusses

am Donnerstag, 17. Juni 2010, 10.00 UhrEuropasaal im Paul-Löbe-Haus, Berlin

Vorsitz: Dr. Maria Flachsbarth, MdB

Tagesordnung

Anhörung von Sachverständigen, im Einzelnen:

zu Rechtsgrundlagen und behördlichen Zuständigkeiten:

Herr Henning Röselgemäß Beweisbeschlüssen 17-104 und 17-126

zur geschichtlichen Entwicklung:

Herr Dr. Detlev Möllergemäß Beweisbeschluss 17-105

Herr Henning Röselgemäß Beweisbeschluss 17-127

Seiten

1 - 68

___________________________* Hinweis:Die Korrekturen der Sachverständigen Henning Rösel (siehe Schreiben vom 23. Juli 2010, Anlage 1)und Dr. Detlev Möller (siehe Schreiben vom 13. Juli 2010, Anlage 2) wurden in das Protokoll eingear-beitet.

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1. Untersuchungsausschuss 1[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ich eröffne die 7. Sitzung unseres Aus-schusses und rufe als einzigen Punkt derTagesordnung auf:

Anhörung von Sachverständigen,im Einzelnen:

zu Rechtsgrundlagen und behördli-chen Zuständigkeiten:Herr Henning Röselgemäß den Beweisbeschlüssen17-104 und 17-126

zur geschichtlichen Entwicklung:Herr Dr. Detlev Möllergemäß Beweisbeschluss 17-105Herr Henning Röselgemäß Beweisbeschluss 17-127

Herzlich willkommen, Herr Rösel, hier inunserem Untersuchungsausschuss!

Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ichIhnen allerlei zur Kenntnis. Ich lese es Ihnenvor, weil es gesetzlich so vorgesehen ist,dass ich darauf hinweise; es muss auch da-rauf geachtet werden, dass ich nichts ver-gesse. Deshalb werde ich dies jetzt auf Ge-heiß des Sekretariats in bewährter Art undWeise vortragen.

Ich bitte die Vertreter der Medien, dieTon-, Film- oder Bildaufnahmen jetzt zu be-enden. Ton- und Bildaufnahmen sind wäh-rend der öffentlichen Beweisaufnahme ohneZustimmung des Ausschusses unzulässig.Sie wissen, dass ein Verstoß gegen diesesGebot nach dem Hausrecht des Bundes-tages nicht nur zu einem dauernden Aus-schluss von den Sitzungen dieses Aus-schusses sowie des ganzen Hauses führenkann, sondern gegebenenfalls auch straf-rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer auf derTribüne erinnere ich an Folgendes: Den Be-suchern von Ausschusssitzungen ist es nacheinem Beschluss des Ältestenrates desDeutschen Bundestages vom 16. September1993 nicht erlaubt, Fotoapparate, Filmkame-ras, Videokameras oder Ähnliches in denSitzungssaal mitzunehmen. Weil die Mög-lichkeit der Übertragung aus dem Sitzungs-saal und damit einer Aufzeichnung außerhalbdes Saales besteht, kann auch die Benut-zung von Mobiltelefonen während der ge-samten Sitzung nicht gestattet werden. Ich

bitte Sie daher, Ihre Handys nun auszu-schalten.

Nun zur Anhörung unseres heutigenSachverständigen, Herrn Henning Rösel, zuden Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten.Herr Rösel, ich begründe für die Öffentlich-keit, warum zu Beginn der Arbeit des Aus-schusses Sachverständige eingeladen wor-den sind, was durchaus nicht ständige Praxisin Parlamentarischen Untersuchungsaus-schüssen ist. Die Rechtsgrundlagen undZuständigkeiten der Behörden haben sich imLaufe der Jahre mehrfach geändert und sindalles in allem eine hochkomplexe Materie.Die Abgeordneten dieses Ausschusseskommen aus verschiedenen Fachausschüs-sen und sind also nicht alle mit Vorwissenzum Beispiel aus dem Umweltausschussausgestattet; überwiegend haben sie auchkeine rechtswissenschaftliche Vorausbildung.Von daher bietet es sich tatsächlich an, dasswir uns - wir alle haben gemeinsam diesenWunsch - vor dem Eintritt in das Aktenstu-dium und die Zeugenvernehmungen unddamit in die Bearbeitung des Untersuchungs-gegenstandes ein Grundwissen erarbeiten.

Ich stelle Sie, Herr Rösel, ganz kurz vor,damit die Zuhörer wissen, warum der Aus-schuss Sie heute als Sachverständigen ge-laden hat. Seit 1973 sind Sie mit der Endla-gerung von radioaktivem Abfall befasst, undvon 1990 bis zum Dezember 2008 waren SieVizepräsident des Bundesamtes für Strah-lenschutz und damit mit allen Angelegenhei-ten dessen, was uns heute interessiert, inbesonderer Art und Weise befasst.

Gibt es aus Ihrer Sicht noch irgendetwasaus Ihrer sicherlich wesentlich bunteren Bio-grafie, was Sie dem Ausschuss jetzt noch zuIhrer Person zu wissen geben wollen?

Sachverständiger Henning Rösel: Zu-nächst einmal, Frau Vorsitzende, vielen Dankfür die Begrüßung. Zu meiner Person brau-che ich eigentlich nichts mehr hinzuzufügen;Sie haben die Schwerpunkte genannt. Ichwar von Anfang an dabei; ich habe auchaufseiten des damaligen Bundeswirtschafts-ministers in der Referentengruppe mitgear-beitet, die zur vierten Novelle zum Atomge-setz geführt hat, die ja dann die Endlagerungradioaktiver Abfälle in das Atomgesetz hi-neingebracht hat. Ich war - allerdings nachdem Zeitraum, der heute hier zur Debattesteht - von 1986 bis 1990, also bis Über-nahme des Vizepräsidentenamtes, Projekt-leiter Konrad und Gorleben. Ich habe also

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1. Untersuchungsausschuss 2[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

durchaus die Geschichte dieser beidenStandorte ebenso wie die Geschichte desStandorts Morsleben eigentlich von Anfangan miterlebt, zumindest bis zu meinem Ein-tritt in den Ruhestand Ende 2008.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Fürs Erste herzlichen Dank, Herr Rösel. Da-mit wir Sie deutlich verstehen, bitte ich Sie,ein bisschen näher an das Mikrofon heran-zugehen, weil der Raum groß und von seinerAkustik so beschaffen ist, dass vieles ver-schluckt wird, und das Mikrofon nur danneinzuschalten, wenn Sie selbst sprechen.Diese Technik muss man kennen, damit eswirklich funktioniert.

Ich weise darauf hin, dass wir eine Ton-aufzeichnung der Sitzung fertigen, die aus-schließlich dem Zweck dient, die stenografi-sche Aufzeichnung der Sitzung zu erleich-tern. Die Aufnahme wird nach Genehmigungdes Protokolls gelöscht werden. Das Proto-koll dieser Anhörung werden wir Ihnen, HerrRösel, nach Fertigstellung zustellen. Siewerden dann die Möglichkeit haben, inner-halb von zwei Wochen etwaige Korrekturenund Ergänzungen vorzunehmen.

Ich führe nun die Belehrung durch: DerAusschuss hat Ihnen die Beweisbeschlüsse17-104 und 17-126 sowie den Untersu-chungsauftrag zugesandt; eine entspre-chende Empfangsbestätigung liegt dem Sek-retariat vor.

Sie sind als Sachverständiger nach § 28Abs. 4 des Untersuchungsausschussgeset-zes verpflichtet, Ihr mündliches Gutachtenunparteiisch, vollständig und wahrheitsge-mäß zu erstatten. Folgender Hinweis ist fürSie sicherlich kaum relevant, aber gesetzlichvorgesehen: Nach § 28 Abs. 1 des Untersu-chungsausschussgesetzes können Sie dieAuskunft auf solche Fragen verweigern, de-ren Beantwortung Sie selbst oder Angehö-rige im Sinne des § 52 Abs. 1 der Strafpro-zessordnung der Gefahr aussetzen würde,einer Untersuchung nach einem gesetzlichgeordneten Verfahren insbesondere wegeneiner Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit,zum Beispiel einem Disziplinarverfahren,ausgesetzt zu werden.

Sollten Teile Ihres Gutachtens aus Grün-den des Schutzes von Dienst-, Privat- oderGeschäftsgeheimnissen nur in einer nach derGeheimschutzordnung des Bundestageseingestuften Sitzung möglich sein, bitte ichSie um einen Hinweis, damit der Ausschuss

dann gegebenenfalls einen entsprechendenBeschluss fassen kann.

Haben Sie dazu noch Fragen?

Sachverständiger Henning Rösel: Nein,Frau Vorsitzende, ich habe keine Fragen.Das von mir zu erstattende Gutachten bzw.meine Sachverständigenäußerung enthältkeine Teile, die irgendwelchen Restriktionenunterliegen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dashabe ich angenommen. Nichtsdestotrotz istvorgesehen, dass ich das so vortrage.

Zugleich kann ich dem Ausschuss mittei-len, dass eine Aussagegenehmigung vor-liegt. Sie haben sie mir noch nicht gegeben,aber sie liegt sicherlich neben Ihnen auf demTisch, sodass sie gleich von einem Mitarbei-ter des Sekretariats abgeholt werden kann.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichmuss zu meiner Schande gestehen, dass ichsie nicht dabei habe. Aber die Aussagege-nehmigung liegt vor. Wenn es erforderlichsein sollte, könnte ich sie Ihnen zusenden;sorry, tut mir leid.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Wirmüssen sie haben. Von den Juristen linksneben mir sagt einer, es sei nicht soschlimm, und der andere, es wäre schöner,wenn wir sie hätten. Ich bitte Sie also, sieuns sehr zeitnah zu übermitteln.

Nun kommen wir zur Erstattung desmündlichen Gutachtens. Vorsorglich betoneich noch einmal, dass es nach den Beweis-beschlüssen heute um eine Einführung bzw.um einen Überblick geht, also nicht konkretum die rechtliche Bewertung. Wir sind heutenicht dazu aufgerufen, den gesamten Unter-suchungsauftrag schon abzuarbeiten, son-dern wir stehen als Ausschuss noch am Be-ginn unserer Arbeiten.

Die Beweisbeschlüsse beschreiben denInhalt der Sachverständigengutachten wiefolgt. Ich zitiere Beweisbeschluss 17-104:

Der Sachverständige soll einen zu-sammenhängenden Überblick zuden in der BundesrepublikDeutschland 1977 und 1983 gel-tenden Rechtsgrundlagen und derjeweiligen Behördenzuständigkeitenunter Einbeziehung Drittbeauftrag-ter für die (Vor-)Auswahl und Er-kundung eines möglichen Endla-gers für hochradioaktive Abfälle ge-ben.

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1. Untersuchungsausschuss 3[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Dabei sollen die rechtlichen Vor-aussetzungen und Verfahrensan-forderungen für die Standortaus-wahl und die Erkundung einesEndlagers erörtert, die historischeEntwicklung in Gesetzgebung,Normsetzung und Rechtsprechungbis 1983 und die jeweils geltendenBehördenzuständigkeiten einfüh-rend im Überblick dargestellt wer-den.

Der Beweisbeschluss 17-126 lautet:

Zur Einführung in die Thematik desUntersuchungsauftrages soll einmündliches Sachverständigengut-achten zur

Darstellung der in der Bundesrepu-blik Deutschland 1983 geltendenRechtsgrundlagen für die(Vor-)Auswahl und Erkundung ei-nes möglichen Endlagers für hoch-radioaktive Abfallstoffe

eingeholt werden.

Dabei sollen die maßgeblichenRechtsgrundlagen, insbesondereaus dem Atom- und Bergrecht (ein-schließlich der Bedeutung etwaigerSalzrechte im Bereich des ehemali-gen Königreiches Hannover), ihrVerhältnis zueinander und die sichdaraus ergebenden rechtlichenVoraussetzungen und Verfahrens-anforderungen für die (vorläufige)Standortauswahl und die Erkun-dung eines Endlagers einschließlichder behördlichen Zuständigkeitendargestellt werden.

Sie haben, Herr Rösel, dankenswerter-weise dem Ausschuss am 11. Juni schonvier Übersichten übersandt, die den Aus-schussmitgliedern als MAT A 54 und MAT A54/1 vorliegen. Jetzt muss ich etwas beich-ten: Unter MAT A 54/1 sind die letzte Zeileder Seite 1 und die erste Zeile der Seite 2nicht überliefert worden. Darauf hat mich dasSekretariat gerade hingewiesen. Möglicher-weise ergeben sich deshalb bei den Kolle-ginnen und Kollegen Nachfragen. Daher bitteich Sie, dies redaktionell zu komplettieren.

Nun bitte ich Sie, dem Ausschuss vorzu-tragen. Dafür stehen Ihnen bis zu 30 Minutenzur Verfügung. - Bitte schön, Sie haben dasWort.

Sachverständiger Henning Rösel: Vie-len Dank, Frau Vorsitzende. - Ich werde mit

den Rechtsgrundlagen zwischen 1977 und1983 beginnen, und zwar im ersten Schrittmit dem Atom- und Strahlenschutzrecht.

Eine Vorbemerkung: Das Atomgesetzvom 23. Dezember 1959, das am 1. Januar1960 in Kraft trat, enthielt keine Regelungüber die Endlagerung radioaktiver Abfälle. Esgab lediglich einen Beseitigungstatbestand in§ 44 der damals geltenden ersten Strahlen-schutzverordnung. Diese Verordnung wardann auch Rechtsgrundlage für die spätereEndlagerung in der Asse. Da § 42 der erstenStrahlenschutzverordnung nicht die Beseiti-gung kernbrennstoffhaltiger Abfälle abdeckte,hat man komplementär den § 6 Atomgesetzherangezogen, um auch die Endlagerung

1

radioaktiver Abfälle in der Asse abzudecken.Für diese Genehmigung nach § 6 war bereitsdie Physikalisch-Technische Bundesanstaltin Braunschweig zuständig.

Im Jahre 1974 stellte die Bundesregie-rung ihr Konzept für die Endlagerung radio-aktiver Abfälle vor: ein Konzept eines inte-grierten, später eines nuklearen Entsor-gungszentrums, in dem Brennelementein-gangslager, Wiederaufarbeitung, Brennele-mentfertigung, Abfallbehandlung und Endla-gerung auf einem Gelände unter einem Dachvollzogen werden sollten. Dieses Konzepthat die Bundesregierung akzeptiert und letzt-lich mit der vierten Novelle zum Atomgesetzvom 3. Oktober 1976 kodifiziert, indem siedie §§ 9 a und 9 b neu einführte und die Zu-ständigkeitsregelung des § 23 Atomgesetzim Hinblick auf die PTB vervollständigte.

Nach § 9 a Atomgesetz, eingeführt durchdie vierte Novelle, sollten radioaktive Abfällezur Sicherstellung und zur Endlagerung anAnlagen des Bundes abgeliefert werden. DieZuständigkeit dafür sollte bei der Physika-lisch-Technischen Bundesanstalt liegen,festgelegt in § 23 Abs. 1 Ziffer 2. Dort heißtes:

Die Physikalisch-Technische Bun-desanstalt ist zuständig für ... dieErrichtung und den Betrieb vonAnlagen des Bundes zur Sicher-stellung und zur Endlagerung ra-dioaktiver Abfälle.

Als Genehmigungsverfahren wurde in§ 9 b ein Planfeststellungsverfahren einge-führt. Mit dem Planfeststellungsverfahrenwollte man die planerische Bedeutung diesesVorhabens abdecken und ein Genehmi-

1Ergänzung des Sachverständigen:

„kernbrennstoffhaltiger“, Anlage 1

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1. Untersuchungsausschuss 4[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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gungsverfahren für ein Endlager für radioak-tive Abfälle in einer Hand haben. Ausge-nommen wurden lediglich die Vorschriftendes Berg- und Tiefspeicherrechts. Man hatsie herausnehmen müssen, weil das Plan-feststellungsverfahren in einem Beschlussendet, also ein statisches Verfahren ist, wäh-rend sich das bergrechtliche Verfahren anden ständigen Veränderungen orientiert, diedurch den Bergbau bedingt sind. Deswegengab es hier einen unüberbrückbaren Wider-spruch mit der Folge, dass man das Berg-recht ausgenommen hat.

Vor diesem Hintergrund beauftragte dasdamals zuständige Bundesinnenministeriumdie PTB - das war im Jahre 1977 -, die Eig-nungsuntersuchung für den Salzstock Gorle-ben und den Antrag auf Einleitung des atom-rechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach§ 9 b vorzubereiten.

Das Endlager war zu diesem Zeitpunktkeine selbstständige Anlage, sondern Teildes nuklearen Entsorgungszentrums, dasdamals am Standort Gorleben geplant war.Dieses nukleare Entsorgungszentrum be-stand aus sieben Teilprojekten: Brennele-menteingangslager, Wiederaufarbeitungs-anlage, Brennelementfertigung, Uranverar-beitung, Abfallkonditionierung, Endlagerungradioaktiver Abfälle und übergeordnete Infra-struktur. Die Teilprojekte 1 bis 5 und 7 lagenin der Hand der Deutschen Gesellschaft fürWiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen,DWK, die zu diesem Zeitpunkt auch schonein Genehmigungsverfahren nach § 7 beimzuständigen niedersächsischen Sozialminis-ter eingeleitet hatte, und die Zuständigkeit fürdas Teilprojekt „Endlager für radioaktive Ab-fälle“ lag bei der PTB.

Die PTB beantragte dann auch dasPlanfeststellungsverfahren. Das heißt, diesesPlanfeststellungsverfahren aus dem Jahre1977 ist bis heute in der Rechtswirklichkeitund ist auch fortgeschritten. Die Gründe fürdie Einleitung des Planfeststellungsverfah-rens waren zum einen der Wunsch der Bun-desregierung, Flagge zu zeigen, also deutlichzu machen, dass das Konzept des Jahres1974 - die Endlagerung in der Hand desStaates - Wirklichkeit werden sollte, und zumanderen unsere Absicht - das sage ich alsehemaliger Mitarbeiter der PTB -, durch dieAntragstellung sicherzustellen, dass dasErkundungsverfahren am Standort Gorlebenvon Anfang an durch die Gutachter derPlanfeststellungsbehörde begleitet wird. EinGrund dafür, dass wir der Auffassung waren,

dass Standortdaten, die überwiegend geolo-gischer, hydrogeologischer oder sonstigergeowissenschaftlicher Natur waren, von An-fang an begleitet werden sollten, war darin zusehen, dass sie zum Teil nicht reproduzier-bar sind, also zu einem späteren Zeitpunktnicht mehr in der Ungestörtheit geprüft wer-den könnten. Außerdem wollten wir sicher-stellen, dass die Vorgehensweise von derPlanfeststellungsbehörde auch gedecktwurde. Es gab noch einen dritten Grund, derallerdings nicht im Vordergrund stand, abersicherlich für die Planfeststellungsbehördewichtig war: Auf diese Art und Weise konntedie Beteiligung der Planfeststellungsbehördeund ihrer Gutachter auch abgerechnet wer-den.

Ich gehe nun zum Bergrecht über. ZumZeitpunkt der Einleitung des atomrechtlichenPlanfeststellungsverfahrens galt in Nieder-sachsen das Allgemeine Berggesetz für diePreußischen Staaten aus dem Jahre 1865.Dieses Bergrecht war, nachdem Hannoverpreußische Provinz geworden war, im Jahre1867 eingeführt worden. Es ist erst am1. April 1978 mit dem Gesetz zur Änderungund Bereinigung des Bergrechts im LandeNiedersachsen geändert worden. DiesesBergrecht galt bis zum Inkrafttreten des Bun-desberggesetzes im Jahre 1982.

Dieses Allgemeine Berggesetz des Lan-des Niedersachsen vereinigte sehr zersplit-tertes Recht. Wir hatten zu jenem Zeitpunktvier Bergrechte: das Bergrecht des ehemali-gen Königreichs Hannover, das Herzoglich-Braunschweigische Bergrecht, das Herzog-lich-Oldenburgische Bergrecht und dasFürstlich-Schaumburg-Lippische Bergrecht.Dies wurde erst 1977 bereinigt. - Auf dieProblematik der Salzrechte werde ich geson-dert zu sprechen kommen.

Ich komme nun noch zu untergesetzli-chem Regelwerk für die Zeit von 1977 bis1983: die Sicherheitskriterien für die Endla-gerung radioaktiver Abfälle in einem Berg-werk. Diese Sicherheitskriterien, die auch inden ersten Bericht der PTB Eingang gefun-den haben, der später Basis für die Ent-scheidung der Bundesregierung im Hinblickauf das Schachtabteufen war, also für dieuntertägige Erkundung, gehen auf eine Initi-ative der PTB zurück. Wir waren von Anfangan der Auffassung, dass die Vorschriften desPlanfeststellungsverfahrens in § 9 b, die sehrglobal gefasst waren, konkretisiert werdenmüssten, um sicherzustellen, dass a) diePTB als Planfeststellungsbehörde die richti-

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1. Untersuchungsausschuss 5[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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gen Nachweise führen konnte, und b) diePlanfeststellungsbehörde ebenfalls eine Leit-linie hatte, um ihre Überprüfungen durchfüh-ren zu können. Aus dieser Initiative heraus,die das BMI dann übernommen hatte, wur-den die Sicherheitskriterien von 1983 entwi-ckelt, die im Prinzip bis zum heutigen Tageeine gewisse Geltung haben.

Ich gehe nun auf die Bedeutung der Salz-rechte über. Eben habe ich Ihnen kurz dar-gelegt, dass 1867 das Allgemeine Bergge-setz der Preußischen Staaten im Gebiet desvormaligen Königreichs Hannover eingeführtwurde. Im vormaligen Königreich Hannovergalt abweichend von dem preußischen Berg-recht eine Sonderregelung im Hinblick aufSteinsalz und Solequellen. Nach derRechtsauffassung der Hannoveraner solltendas Salz und die Solequellen an das Grund-eigentum über Tage gebunden sein. Diesgab es im preußischen Bergrecht nicht; esging vom sogenannten Staatsvorbehalt aus.Das heißt, das Steinsalz und die Solequellenunterlagen dem Verfügungsrecht des Staa-tes, und der Staat konnte privaten Dritten,das heißt Bergwerksunternehmen, das Rechtverleihen, dieses Salz zu gewinnen.

Dieses Sonderrecht im Königreich Han-nover wurde durch die Verordnung von 1867nicht geändert. Das heißt, es gab eine Son-derregelung, aus der hervorging, dass dasRecht des Grundeigentümers an Salz undSolequellen weiter fortbestehen sollte. Dader Salzstock Gorleben zum ehemaligenKönigreich Hannover gehörte, war natürlichauch diese Verordnung von 1867 einschlä-gig. Das heißt, die Grundeigentümer in Gor-leben waren die Berechtigten am Salz unterihrem Grundstück, am Salzstock Gorleben.

Das niedersächsische Bergrecht hatdiese Rechtssituation zu keinem Zeitpunktgeändert, auch nicht im Rahmen der Rechts-bereinigung im Jahre 1976. Dies hatte ver-fassungsrechtliche Gründe. Hätte man die-ses Recht aufgelöst, wäre es eine Legalent-eignung gewesen, die hätte entschädigt wer-den müssen. Dies hat man nicht gewollt, undman hat dieses Recht fortgelten lassen. Auchdas Bundesberggesetz, das 1980 in Krafttrat, machte hier keine Ausnahme - ebenauch wegen der Entschädigungspflicht beiLegalenteignungen -, sondern enthielt eineÜbergangsregelung, die besagte, dass dieGrundeigentümer vor Ort, also im LandkreisLüchow-Dannenberg, innerhalb einer Fristvon drei Jahren dieses Recht, das ihnennoch aus der Zeit des Königreichs Hannover

zustand, durch einfache Anzeige beim da-mals zuständigen Oberbergamt in Clausthalanzeigen konnten. Auf diese Art und Weisegalt dieses Recht fort.

Als wir Anfang der 80er-Jahre im Land-kreis Lüchow-Dannenberg Öffentlichkeitsar-beit betrieben, war dort diese Regelungüberhaupt nicht bekannt. Keiner der Grund-eigentümer wusste von diesem Recht amSalz; erst durch unsere Öffentlichkeitsarbeitist klar geworden, welch ein Schatz und wel-ches Faustpfand sich dort unter Tage be-fand. Ich kann mich noch gut an einen Vor-trag entsinnen, den ich in Trebel, einem klei-nen Dorf in der Nähe von Gorleben, gehaltenhabe. Am nächsten Tag stand in der Elbe-Jeetzel-Zeitung: Eigentum in 1 000 MeterTiefe.

Diese unsere Ehrlichkeit

(Heiterkeit)

hat uns natürlich gewisse Schwierigkeiteneingebracht, die bis heute fortgelten; denn indem Augenblick, in dem wir vor Ort tätigwerden wollten und durch Bohrungen in dasSalz wollten, mussten wir uns nicht nur dieGrundstücksnutzungsrechte besorgen, son-dern auch das Recht, in das Salz hineinzu-bohren, später Schächte abzuteufen undunter Tage Strecken aufzufahren. Wir habendaraufhin begonnen, mit den betroffenenGrundeigentümern zu verhandeln. Wir ha-ben, soweit ich mich erinnere, 115 Nutzungs-verträge geschlossen, die im Augenblicknoch bis zum 31. Dezember 2015 fortgelten.Andere Eigentümer, zum Beispiel AndreasGraf von Bernstorff, einige Kirchen- und Ka-pellengemeinden in diesem Bezirk und auchPrivate, haben diese Nutzungsverträge nichtgeschlossen, was zur Folge hatte, dass wirdie Verfügungsrechte über dieses Salz der-zeit nicht haben. Es besteht auch keine Ent-eignungsmöglichkeit. Es gab eine Enteig-nungsmöglichkeit im Atomgesetz, die 1998eingeführt worden war, aber im Jahre 2002wieder aufgehoben wurde, sodass heutekeine Möglichkeit besteht, wenn man keinefriedliche Einigung erzielen kann, auf demWege der Enteignung ein Nutzungs- oderspäter auch ein Enteignungsrecht in An-

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spruch zu nehmen.2

Das ist mein Bericht über die Rechtssitu-ation, wie sie 1977 bis 1983 bestand, ein-schließlich der Salzrechte.

Nun zu den Behördenzuständigkeiten.Frau Vorsitzende, Sie wiesen zu Recht da-rauf hin, dass das ein sehr komplexes Ge-bilde ist. Für jemanden, der das heute liest,ist es schon erstaunlich, welch ein Netzwerksich damals aufgebaut hatte. Ich beginnezunächst mit den Bundesministerien. In § 23Abs. 1 Satz 2 hieß es: Die PTB handelt imRahmen ihrer Zuständigkeiten nach § 23„nach den fachlichen Weisungen des für diekerntechnische Sicherheit ... zuständigenBundesministers“. Zuständiger Bundesmi-nister war zu diesem Zeitpunkt, nämlich von1972 bis 1986, also bis zum Übergang aufdas BMU, der Bundesinnenminister, in con-creto die damals schon existierende Abtei-lung RS.

Es gab eine weitere Regelung, in der eshieß, soweit Angelegenheiten der Forschungauf dem Gebiet der Kerntechnik betroffenseien, handele das BMI im Einvernehmen mitdem BMFT. Das heißt, das BMFT war Ein-vernehmensbehörde, wenn das BMI Ent-scheidungen treffen wollte, die in den Be-reich „Forschung und Entwicklung“ auf demGebiet der Endlagerung fielen.

Eine weitere ministerielle Zuständigkeitergab sich aus dem damals geltenden § 12des Eichgesetzes. Dort steht, dass die Phy-sikalisch-Technische Bundesanstalt einenicht rechtsfähige Anstalt im Geschäftsbe-reich des BMWi ist. Da die PTB eine nach-geordnete Behörde des BMWi ist, unterlagsie auch der Fach- und Rechtsaufsicht desBMWi. Auf die Sonderregelung des § 23 imHinblick auf den BMI hatte ich hingewiesen.Aber dennoch beanspruchte das BMWi einMitsprache- und Mitwirkungsrecht, das sicheinfach daraus ergab, dass die PTB über dasPersonal

3die Dienstaufsicht hatte und die

Haushaltsmittel für die Endlagerung imHaushalt des BMWi veranschlagt wurden.Wir hatten also durchaus ein sehr selbstbe-

2Anmerkung des Sachverständigen: „Der Vollständig-

keit halber ist darauf hinzuweisen, dass Herr Prof. Dr. G.Kühne (Technische Universität Clausthal) in einemRechtsgutachten die Auffassung vertritt, dass dieEnteignungsvorschriften des BBergG auf die Maß-nahmen der übertägigen und untertägigen Erkundungdes Salzstockes Gorleben angewendet werdenkönnen.“, Anlage 13

Richtigstellung des Sachverständigen: streiche: „diePTB über das Personal“, setze: „das BMWi über dasPersonal der PTB“, Anlage 1

wusstes Wirtschaftsministerium, das in demgesetzlich festgelegten Zweiklang BMI/BMFTeine Rolle spielte.

Beim BMFT kam noch hinzu, dass manzu diesem Zeitpunkt der Auffassung war,dass die untertägige Erkundung in Gorlebenim weitesten Sinne Forschung und Entwick-lungsarbeit sei. Die Folge war, dass die Mittelfür die untertägige Erkundung im Einzelplandes BMFT veranschlagt worden waren. Esgilt der alte Grundsatz: Wer zahlt, schafft an.Auf diese Art und Weise war für uns dasBMFT nicht nur Einvernehmensbehörde imSinne des § 23 AtG, sondern auch das Mi-nisterium, das die Maßnahmen finanziert hat,die wir für die Standorterkundungen durch-führen wollten.

Es gab dann eine weitere Zuständigkeitaufgrund besonderer Regelung: Das Baumi-nisterium vertrat die Auffassung, dass dasBundesendlager eine Bundesbaumaßnahmesei, die im weitesten Sinne den Richtlinien fürBundesbauten, den RBBau, unterliege. Eserkannte zwar die Bauherrenrolle der PTBan, sagte aber unbeschadet dessen, dasssich die Planungsgrundlagen und die Haus-haltsveranschlagung nach der RBBau zurichten hätten. Wir haben dann gemeinsamein Regelwerk entwickelt, das in gewissemUmfange heute noch gilt und das auf dereinen Seite die Forderung der Anwendungder RBBau und auf der anderen Seite dieSonderzuständigkeit der PTB, heute des BfS,widerspiegelt. Das heißt, auch da hatten wirim Hinblick auf die Planung der Maßnahmen,auch der bergbaulichen Maßnahmen, vor Ortein weiteres Bundesministerium mit im Boot.Das gilt bis zum heutigen Tage.

Eine Sonderrolle hatte zu diesem Zeit-punkt das Bundeskanzleramt. Es war über-wiegend die Zeit der Kanzlerschaft von Hel-mut Schmidt. Wir hatten eine sehr intensiveBegleitung durch das Bundeskanzleramt.Das heißt, bei fast allen Sitzungen, insbe-sondere bei den Sitzungen, die nach Auffas-sung des Bundeskanzleramtes von grundle-gender Bedeutung waren, war jeweils dasBundeskanzleramt vertreten. Das war eineGepflogenheit, die ich später nie wieder er-lebt habe; aber zu jenem Zeitpunkt war esso. Das Bundeskanzleramt hat in dem vorhervon mir dargestellten Klang der Fachministe-rien eine durchaus dominante Rolle gespielt,die nicht immer zur großen Freude derFachministerien war. Wir hatten also aucheine sehr intensive Begleitung von dort aus,zum Teil zu unserer Freude, zum Teil zu

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unserem Leid - Freude immer dann, wenn eswiderstrebende Meinungen im Viererklanggab; dann hatten wir wenigstens einen, derentschied.

Ich komme jetzt zu den nachgeordnetenBehörden. Da haben wir, wie schon darge-stellt, die PTB, die für Errichtung und Betriebzuständig war. Nach übereinstimmenderAuffassung aller Beteiligten waren Errichtungund Betrieb ein Konglomerat aus Standort-erkundung sowie Vertreterin des BauherrnBund, des Endlagererrichters und des End-lagerbetreibers. Nicht gehörte dazu - diesspielte eine gewisse Rolle bei einer Frage,die auch in den Beweisbeschlüssen steht,nämlich der Standortvorauswahl - eine Betei-ligung der PTB an der Standortvorauswahl.Eine solche Beteiligung gab es weder beiGorleben noch bei Konrad. Beide Standortewurden uns vorgegeben.

Dies hat seinen Grund darin, dass wirschon sehr früh vor dem Hintergrund Fach-aufsicht BMI, fachliche Zuständigkeit PTBund Möglichkeit, sich Dritter zu bedienen,drei Ebenen entwickelt haben. Wir nanntensie die Programmebene, die Systemebeneund die Projektebene.

Die Programmebene wurde als die Ebenedes BMI definiert; sie legt das Endlagerme-dium fest, sagt also, wir entscheiden uns fürdas Endlagermedium Salz; sie benennt denStandort, in diesem konkreten Falle denStandort Gorleben, sie gibt die anzuwenden-den Endlagertechniken vor - zum Beispieldirekte Endlagerung abgebrannter Brenn-elemente -, und sie führt die Fach- undRechtsaufsicht über die Systemebene.

Die Systemebene war die damals zustän-dige PTB mit den Zuständigkeiten, die icheben dargestellt habe. Die PTB war späterdann auch die Auftraggeberin für den Drittennach § 9 a Abs. 3 AtG, die 1979 gegründeteDeutsche Gesellschaft zum Bau und Betriebvon Endlagern für Abfallstoffe.

Diese Gesellschaft bildete die Projekt-ebene. Dort wurde sozusagen das operativeGeschäft der Standorterkundung, der Über-wachung der Baufirmen, Bohrfirmen undBergbaufirmen und der Beschäftigung derBergleute abgedeckt.

Diese drei Handlungsebenen gelten imPrinzip bis heute fort und waren 1983 auchBasis für die Einführung eines Projektmana-gements in der PTB.

Zu den gesetzlichen Aufgaben des Bun-des und damit auch der PTB gehört nocheine Sonderrolle nach dem Bergrecht. Nach

den bergrechtlichen Vorschriften, und zwarauch schon nach denen im Land Nieder-sachsen, ist bergrechtlicher Unternehmerunter anderem derjenige, in dessen Auftrageund Finanzierung Bergbauprojekte durchge-führt werden. Das heißt, der Präsident derPTB, heute des Bundesamtes für Strahlen-schutz, ist bergrechtlicher Unternehmer imSinne des Bergrechts. Das heißt, die PTB,heute das BfS, ist nicht nur Endlagerbetrei-ber und -errichter, sondern auch Bergbau-unternehmer, und unterliegt von daher in derLogik auch den bergrechtlichen Vorschriften,also den Betriebsplanregelungen des Bun-desberggesetzes und des ehemaligen Berg-rechts Preußens und Niedersachsens.

Eine weitere nachgeordnete Behörde istdie Bundesanstalt für Geowissenschaftenund Rohstoffe, damals Bundesanstalt fürBodenforschung. Die BGR ist genau wie diePTB eine nachgeordnete Behörde des BMWiund vereinigt den gesamten geowissen-schaftlichen Sachverstand des Bundes.Diese besondere Rolle als geowissenschaft-licher Sachverstand des Bundes führte zuder Grundentscheidung, dass die PTB vomBMWi gebeten wurde, sich für alle Fragender Geowissenschaften und der Geotechnikder BGR zu bedienen. Eigenes Personalzum Aufbau eines eigenen geowissenschaft-lichen Sachverstandes bei der PTB wurdenur insoweit gebilligt, als es für die Ge-samtsteuerung notwendig war, also auf derSystemebene.

Ich gehe jetzt zum Bergrecht über, zu-nächst wieder zu den Bundesministerien.Das Bundeswirtschaftsministerium ist für dieEntwicklung des Bergrechts zuständig, hataber, da das Bergrecht nicht Bundesauf-tragsverwaltung ist, keine Weisungsbefug-nisse gegenüber den Bergbehörden. Nach-geordnete Bundesoberbehörden gibt es nurinsoweit, als es die PTB als den bergrecht-lichen Unternehmer gibt, wie ich es ebenbereits dargestellt habe.

Dann zu den Landesministerien: Von1977 bis 1983 - diese Zeit betrachten wir -war das niedersächsische Wirtschaftsminis-terium oberste Landesbergbehörde. Ihm ob-lag die bergrechtliche Fachaufsicht über dienachgeordneten Behörden Oberbergamt undBergämter. Dass die Fachaufsicht über dieEndlagerprojekte heute in Niedersachsenbeim niedersächsischen Umweltministeriumliegt, erwähne ich hier nur nachrichtlich. Esgibt also eine Zweiteilung: Der konventionelleBergbau liegt weiterhin beim niedersächsi-

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schen Wirtschaftsministerium; die Bergauf-sicht bei den Endlagerprojekten, sprich Kon-rad und Gorleben, liegt beim niedersächsi-schen Umweltministerium.

Nachgeordnete Behörden waren damalsdas Oberbergamt in Clausthal-Zellerfeld,eine nachgeordnete Behörde im Geschäfts-bereich des niedersächsischen Wirtschafts-ministeriums. Es führt die Fach- und Rechts-aufsicht über die ihr nachgeordneten Berg-ämter und ist ihnen gegenüber auch wei-sungsbefugt.

Außerdem ist das Oberbergamt Grund-abtretungsbehörde. Die Grundabtretung istein Institut, mittels dessen man im Rahmendes Bergbaus quasi in einem Enteignungs-schritt auf Bodenschätze oder im Rahmender Erkundung auch auf übertägiges Eigen-tum Zugriff nehmen kann. Die Grundabtre-tung hat für Gorleben aber nur in einem sehrkurzen Zeitraum eine Rolle gespielt. Es gabbis 1976 eine Regelung - ich meine, es warder § 2 b des niedersächsischen Berg-rechts -, nach der die Grundabtretung mög-lich war. Wir haben in zwei oder drei Fällengegenüber Andreas Graf von Bernstorff,wenn es um Bohrplätze ging - nicht um Tief-bohrplätze -, von diesem RechtsinstitutGebrauch gemacht. Er hat dagegen geklagt.Es gab eine Sonderrechtswegezuweisung zuden Baulandkammern der Landgerichte bzw.des Oberlandesgerichts Braunschweig. Dasist durchgefochten worden; beide Instanzenhaben die Rechtmäßigkeit der Grundabtre-tung bestätigt, wiewohl es grundsätzlich ver-fassungsrechtliche Bedenken gegen diesen§ 2 b gab. Die Grundabtretung spielt für unsheute keine Rolle mehr.

Zuständiges Bergamt war zu diesemZeitpunkt das Bergamt Celle. Der StandortGorleben liegt im Zuständigkeitsbereich desBergamtes Celle. Dieses Bergamt war auchZulassungsbehörde für alle von der PTB indem Betrachtungszeitraum 1977 bis 1983eingereichten Betriebsplananträge.

Das ist aus meiner Sicht zunächst einmaldie Darstellung dessen, was ich im Rahmendes Rechts vorzutragen hatte: die Entwick-lung des Atom- und Bergrechts, die Bedeu-tung der Salzrechte sowie die Frage der zu-ständigen Ministerien, Behörden auf Bun-desebene und Landesebene und deren Wei-sungsbefugnisse.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank, Herr SachverständigerRösel. Sie haben tatsächlich Struktur in die-

sen doch sehr komplexen Vorgang gebrachtund versucht, uns eine Übersicht zu ver-schaffen. Dafür bedanke ich mich im Namendes Ausschusses sehr herzlich.

Als Vorsitzende habe ich den Vorzug, nundie ersten Fragen an Sie richten zu dürfen,was ich sehr gerne tun werde.

Sie haben darauf hingewiesen, dass ausfachlicher Sicht die PTB frühzeitig der Auf-fassung war, einen Antrag nach § 9 a AtG zustellen. Jetzt frage ich Sie einmal als Nichtju-ristin: Aus rechtlicher Sicht war dies also garnicht notwendig. Kann man dies gleichwohleinfach so tun, obwohl möglicherweise dieVoraussetzungen für eine Antragstellungnach § 9 a AtG nicht gegeben waren? Dennman wusste gar nicht, wofür man einen sol-chen Antrag stellte, außer dass es dort halteinen Salzstock gab.

Sachverständiger Henning Rösel: Esist sicherlich ein außergewöhnlicher Schrittgewesen. Üblicherweise stellt man Anträgefür Genehmigungsverfahren zu dem Zeit-punkt, zu dem man die Antragsunterlagenkomplett zusammen hat. Die PTB hatte siezum Zeitpunkt der Antragstellung 1977 nicht.Wir hatten grob darstellende Planungsunter-lagen, die wir übernommen hatten und mitdem Hinweis darauf einreichten, dass diesePlanungen standortunabhängig seien, weildie notwendigen Erkundungen noch fehlten,um die standortspezifischen Daten zu erlan-gen. Standortspezifische Daten sind notwen-dig, um überhaupt ein Endlagerdesign zuentwickeln: Wie sieht das Endlager aus?Dies kann man nicht über Tage strukturierenund nach unten projizieren. Das Endlager inseiner Gesamtstruktur richtet sich nach dem,was man unter Tage antrifft. Erst wenn manweiß, wie es unter Tage aussieht, kann manauch sagen, wie das Endlagerdesign ist. Mitdiesem Endlagerdesign und der Kenntnisdes umgebenden Gebirges - Salz und Deck-gebirge als Ganzes - kann man auch dienotwendigen Nachweise im Rahmen derLangzeitsicherheit führen.

Ich hatte Ihnen gesagt, dass wir damalsder Auffassung waren, dass es also ein au-ßergewöhnlicher, aber ein rechtlich zulässi-ger Weg sei, der sich auch daraus ableitete,dass wir sagten: Wenn wir heute ohne Mit-wirkung der Planfeststellungsbehörde undihrer Gutachter die untertägige Standorter-kundung durchführten und dann zu einemdeutlich späteren Zeitpunkt - mindestenszehn, zwölf Jahre später - mit Unterlagen

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gekommen wären, die die Behörde - insbe-sondere der geologische Gutachter - hättenachvollziehen müssen, dann wären Datenvorgelegt worden, die zum Teil nur sehrschwierig hätten nachvollzogen werden kön-nen. Das war der Grund dafür, dass wir dieseVorgehensweise gewählt hatten. Sie ist ak-zeptiert worden und bis heute eigentlichrechtlich nicht infrage gestellt worden. Sie istaußergewöhnlich; sie ist eine Reaktion aufdie Situation, die wir bei § 9 b AtG hatten undhaben. Das heißt, wir hatten einen sehrkomplexen Nachweis zu führen, der sichüber viele Jahre und Jahrzehnte hinzieht undder sich nicht nur über Tage, sondern auchunter Tage abspielt. Unter Tage gilt der alteGrundsatz: Vor der Hacke ist es duster. Dasheißt, man weiß nicht, wohin man geologischkommen wird. Auf diese Situation wollten wirreagieren und haben wir reagiert. Die Nie-dersachsen als Genehmigungsbehörde ha-ben diesen Reflex bis heute akzeptiert.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. Das kann ich inhaltlich nach-vollziehen, das bringt mich aber gleich zurnächsten Frage: Inwiefern ist denn durchdiese Vorgehensweise die Unabhängigkeitder Planfeststellungsbehörde infrage ge-stellt? Denn letztendlich darf ein Planfest-stellungsverfahren erst nach Vorlage allerInformationen, aller Unterlagen, aller Erkun-dungsergebnisse zu einem Ergebnis kom-men, ob an einem solchen Standort die Er-richtung stattfinden kann oder nicht.

Sachverständiger Henning Rösel: Dasist richtig. Dieser Frage haben wir uns auchgestellt. Wir waren der Auffassung, dass dieUnabhängigkeit der Gutachter aufgrund derMöglichkeit, im Rahmen ihrer fachlichenBegleitung dies zu einem späteren Zeitpunktin toto zu begutachten, nicht eingeschränktwird, weil es immer nur punktuelle Äußerun-gen waren, die stets mit dem Hinweis daraufverbunden waren: Punktuell sehen wir eureVorgehensweise als gerechtfertigt an. Wiesich dies später im Gesamtkontext darstellt,ist davon unabhängig. Das heißt, es warimmer nur eine punktuelle Bewertung. Ich binauch der festen Überzeugung, dass die Un-abhängigkeit der Gutachter und auch derPlanfeststellungsbehörde dadurch nicht ein-geschränkt wird; denn auch die Planfeststel-lungsbehörde kann sich durch punktuelleÄußerungen nicht hinsichtlich einer späternotwendigen Gesamtbetrachtung binden.

Diese Gesamtbetrachtung muss der An-tragsteller für sich im Hinblick darauf führen,ob ein Standort geeignet ist. Auch er wirdaus seiner Sicht eine Standorteignungsaus-sage machen. Diese Aussage zu Gorleben -heute von der BfS; ich unterstelle das ein-mal - würde die Planfeststellungsbehörde inkeiner Weise binden; sie könnte zu einemanderen Ergebnis kommen. Da es sich, wieeben dargestellt, hier immer nur auf punktu-elle Äußerungen bezog, bestand die Auffas-sung vice versa auch bei der Fachaufsicht,dass eine Einschränkung der Unabhängigkeitder Planfeststellungsbehörde und der Gut-achter nicht zu befürchten war. Ich teile dieseAuffassung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: AlsNichtjuristin darf ich das Privileg in Anspruchnehmen, vielleicht die eine oder anderedumme Frage zu stellen: Hätte man eigent-lich in der Zeit zwischen 1977 und 1983 al-lein nach Atomrecht erkunden können, alsounter Beiseiteschieben des Bergrechts?

Sachverständiger Henning Rösel: Eshätte durchaus eine Vorschrift in das Atom-gesetz aufgenommen werden können, diedie untertägige Erkundung regelt. Das heißt,man hätte in das Atomrecht durchaus eineRegelung aufnehmen können, die besagt,die untertägige Erkundung im Hinblick aufErrichtung und Betrieb eines Endlagers richtesich nach § xy. Dann hätte man im Hinblickauf die Betriebspläne vielleicht noch einenQuerverweis auf das Bergrecht aufnehmenkönnen. Nach meiner Auffassung hätte indas Atomgesetz eine Regelung aufgenom-men werden müssen, die diesen dynami-schen Prozess der Aufsichtsführung und derVorhabensbegleitung im Bergbau entspro-chen hätte. Das hätte man einfach durcheinen Querverweis auf die §§ 50 ff. des Bun-desberggesetzes machen können, und dannhätte man innerhalb des Atomgesetzes dasBergrecht anwenden können. Man hättemöglicherweise noch eine Zuständigkeitsän-derung vornehmen müssen. Ich kann jetztnicht mit letzter Sicherheit sagen, wie dasverfassungsrechtlich einzuordnen ist. Aberes wäre aus meiner Sicht möglich gewesen.Man hat das aber bewusst und gewollt nichtgetan. Das weiß ich, weil ich, wie vorhin dar-gestellt, bei den Referentengesprächen zurEntwicklung der vierten Novelle dabei war.Da wurde auch über diese Fragen gespro-chen. Es war unstreitig: Nein, es handelt sich

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hier um ein Endlagerbergwerk, und wir wol-len die bergrechtlichen Vorschriften nicht indas Atomgesetz transportieren, die bleibenaußerhalb. Deswegen hat dies nicht einbe-zogen werden können. Aber es wäre denk-bar gewesen, ja.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Nach den Vorschriften, die zwischen 1977und 1983 galten, gab es keine andere Mög-lichkeit, als nach Bergrecht zu erkunden, essei denn, man hätte das Atomrecht geändert,wie Sie das gerade ausgeführt haben?

Sachverständiger Henning Rösel: Soist es. Wir hatten keine andere Möglichkeit.Schon eine Bohrung , die tiefer als 100 Meterin den Untergrund geht, unterliegt der Be-triebsplanpflicht. Die Bohrungen, die wir ab-geteuft haben, gingen in einige Hundert Me-ter Tiefe; sie waren in der Regel alle jenseitsder 100 Meter. Allein aus diesem Grundehätten wir in das Bergrecht müssen. Eineabweichende Regelung im Atomgesetz oderan anderer Stelle gab es nicht.

Man muss auch sehen: Es wird immerwieder gesagt, man hätte das Atomrechtschon wegen der Öffentlichkeitsbeteiligunganwenden müssen. Die Frage der Öffentlich-keitsbeteiligung will ich hier nicht apostro-phieren; aber ich möchte auf eines hinwei-sen: Wenn ich sage, dass Errichtung undBetrieb eines Endlagers der Planfeststellungunterliegen, kann ich nicht gleichzeitig sagen,auch die Ermittlung der Daten zur Durchfüh-rung eines solchen Verfahrens unterliegeden gleichen Vorschriften. Das macht keinenSinn. Wenn ich Nachweise führen soll, wiesie in § 9 b AtG dargelegt sind - sie sind allespeziell auf den Strahlenschutz abgestellt,also auf den Schutz von Mensch und Um-welt -, dann muss ich auch innerhalb desPlanfeststellungsverfahrens diese Nachweiseführen können. Wenn ich aber Daten geolo-gischer, hydrogeologischer, hydrologischer,bergmechanischer Art aus der untertägigenErkundung habe, kann ich sie gar nicht an-wenden, weil die Materie das nicht hergibt.Diese Zweiteilung zwischen Atom- und Berg-recht war also aus meiner Sicht gerechtfer-tigt, rechtlich nicht zu beanstanden.

Über die Frage der Öffentlichkeitsbeteili-gung kann man füglich streiten. Aber dazusage ich einfach: Die Jahre 1977 bis 1983gaben keine gesetzliche Handhabe, Öffent-lichkeitsbeteiligungen formell durchzuführen.Dass wir großzügig mit der Öffentlichkeitsar-

beit umgegangen sind, dass wir Bohrdatenbeispielsweise im Informationszentrum desBundes in Gartow zur Verfügung gestellthaben, ist der Versuch einer Antwort daraufgewesen, aber auf freiwilliger Basis. Zu demZeitraum, den wir jetzt zu betrachten haben -aus meiner Sicht geht er über 1983 hinaus -,gab es keinen anderen Weg für die untertä-gige und übertägige Erkundung als über dasBergrecht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. Das soll zur Einführung vonmeiner Seite schon genug sein. Ich eröffnenun die Befragung durch die Fraktionen. AlleAusschussmitglieder haben nun die Möglich-keit, Fragen zu den Beweisbeschlüssen zustellen.

Für Sie, Herr Sachverständiger, stelle ichden Ablauf der Befragung ganz kurz dar: Fürdie Fraktionen ergibt sich nach der soge-nannten Berliner Stunde ein festes Zeitbud-get für die Fragen und Antworten. Eine beiAblauf des Zeitkontingents begonnene Fragekann zu Ende formuliert und dann auch be-antwortet werden. Ebenso kann eine begon-nene Antwort zu Ende formuliert werden.Das erste Fragerecht hat nun die Fraktionder CDU/CSU. Für die Befragung von Ihnen,Herr Rösel, zu diesem Themenkomplex ha-ben wir insgesamt einen Zeitraum von un-gefähr zwei Stunden vorgesehen.

Nach dieser Vorrede gebe ich jetzt dasWort an Herrn Grindel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): LieberHerr Rösel, zunächst für meine Fraktionherzlichen Dank für Ihren instruktiven einfüh-renden Vortrag. Sie wissen, wie es bei einemUntersuchungsausschuss so ist: Da sagtman etwas, und nebenbei wird das schonalles fröhlich ausgelegt. Deswegen mussman versuchen, das noch einmal auf denPunkt zu bringen. Daher würde ich gerne denGedanken der Kollegin Flachsbarth aufgrei-fen.

Wichtig ist doch - das ist ja Gegenstanddes Untersuchungsauftrages -, die Auswahl,die Entscheidung für die untertägige Erkun-dung 1983 zu untersuchen. Wir haben eshier mit einem Erkundungsbergwerk zu tun.Noch einmal die Frage: Es stand nach demdamals geltenden Recht - das ist die Grund-lage für unseren Untersuchungsausschuss -doch dafür nur das Bergrecht zur Verfügung.Oder habe ich das falsch verstanden?

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Sachverständiger Henning Rösel: Dashaben Sie nicht falsch verstanden, das ist so.Es gab für uns keine andere Möglichkeit, dieübertägigen und später untertägigen Maß-nahmen durchzuführen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie habenselber die Frage der Öffentlichkeitsbeteili-gung angesprochen. Das spielt ja im politi-schen Raum eine große Rolle. Können Sievielleicht doch noch einmal vielfältiger schil-dern, was man damals alles unternommenhat, um die Öffentlichkeit zu beteiligen? Daist auch von einer sogenannten Gorleben-Kommission die Rede. Können Sie einmaldarstellen, was da gewesen ist und was esmit dieser Kommission auf sich hatte?

Sachverständiger Henning Rösel: DieGorleben-Kommission war eine Kommission,die aus Vertretern des Kreistages des Land-kreises Lüchow-Dannenberg zusammenge-setzt war, ich meine, auch aus Gemeinde-vertretern und Vertretern des Landvolkes undanderer kommunaler Verbände. Diese Gor-leben-Kommission hatte den Zweck und denAuftrag, sich laufend von den vor Ort Agie-renden - das war also einmal die PTB, aberes war auch die DWK; denn es war ja nochdie Zeit, in der man durchaus über das nuk-leare Entsorgungszentrum diskutierte undspäter über das Zwischenlager nach § 6 AtG- im Rahmen von Vorträgen und Befahrun-gen, also Besichtungen vor Ort, informierenzu lassen. Dann bestand auch die Möglich-keit, zu jedem Zeitpunkt und zu jedemThema Fragen zu stellen und Sachverstanddazu einzufordern. Es waren also nicht nurSachverständige derjenigen, die vor Ortagierten, sondern auch Sachverständige, diedann eingeladen wurden. Diese Gorleben-Kommission hat eigentlich regelmäßig undsehr intensiv getagt. Ich habe auch - ich weißgar nicht, wie oft - dort vorgetragen. Das waralso ein sehr wirkungsvolles Instrument.

Daneben gab es noch zwei Infostellen,einmal die Infostelle des Bundes, die zu-nächst in Lüchow war und vom BMFT finan-ziert wurde. Der erste Leiter war WilhelmKulke. Später gab es noch eine Infostelle desLandes. Der erste Leiter war HerrDr. Becker-Platen, ein Mitarbeiter des Nie-dersächsischen Landesamtes für Bodenfor-schung. Außerdem gab es die Öffentlich-keitsarbeit der Physikalisch-TechnischenBundesanstalt. Ich muss sagen, in derPhase, die hier zu betrachten ist, war das

eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Ich kannmich durchaus an Zeiten erinnern, in denenich an vier von fünf Arbeitstagen in der Wo-che abends durch den Landkreis Lüchow-Dannenberg gezogen bin und zwischenDannenberg und Schnackenburg undGöhrde und Dannenberg vorgetragen habe.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): WürdenSie sagen, dass eine Öffentlichkeitsbeteili-gung nach der damals geltenden Rechtslagezwar nicht möglich war, aber dass Sie durchdiese Instrumente eigentlich schon, auchwas die Transparenz dessen angeht, wasdort passierte, etwas Vergleichbares selbergeschaffen haben?

Sachverständiger Henning Rösel: Wirhaben Öffentlichkeitsarbeit in einem sehrumfänglichen Stil gemacht. Das wird heutezum Teil ja bestritten; aber ich meine, es warund ist so. Wir haben natürlich keine Öffent-lichkeitsbeteiligung im formalrechtlichenSinne gemacht -

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das gingja nicht.

Sachverständiger Henning Rösel: - undnicht machen können. Wir waren insoweitauch nicht Herr des Verfahrens; wir warenAntragsteller und nicht Genehmigungsbe-hörde. Insoweit meine ich, dass der Bund,aber auch das Land - das Land musste sichbei der Öffentlichkeitsarbeit und der Öffent-lichkeitsbeteiligung etwas zurückhalten, umeben nicht in eine Schieflage als unabhän-gige Genehmigungsbehörde zu geraten -eigentlich eine Öffentlichkeitsarbeit betriebenhaben, die auch rückblickend eine für dama-lige Verhältnisse sicherlich sehr intensiveund flächendeckende war. Wir haben aufForderungen seitens der Bürgerinitiative oderdes Herrn von Bernstorff jeweils reagiert. Ichsagte schon, in der später in Gartow einge-richteten Infostelle des Bundes haben wir aufsämtliche Bohrprotokolle und all das, was indiesem Zusammenhang produziert wordenist und körperlich vorhanden war, unbe-schränkten Zugriff gestattet. Es konnten Ko-pien gezogen werden. Ich meine schon, eswar eine sehr intensive Öffentlichkeitsarbeit;nur gab es eine formelle Öffentlichkeitsbetei-ligung, wie sie eingefordert wurde, im Berg-recht nicht. Es gab auch nicht das bergrecht-liche Rahmenbetriebsplanverfahren in Formeines Planfeststellungsverfahrens. Das ist

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später eingeführt worden. Aber wir haben imRahmen des geltenden Rechts das getan,was wir tun konnten.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wir be-handeln in dieser Phase die Rechtsgrundla-gen. Ich würde Sie gerne fragen, weil auchdas schon damals - heute erst recht - Ge-genstand der Debatte war: Wieweit kannman sich auf einen Standort konzentrieren,oder muss man nicht eine Standortauswahltreffen und mehrere Standorte parallel er-kunden? Können Sie einmal Auskunft zu derdamaligen Rechtslage geben? War das Vor-gehen richtig, sich auf einen Standort zukonzentrieren, oder hätten mehrere Stand-orte erkundet werden müssen, bevor mandann einen, also, wenn man so will, denbestmöglichen, herausgefunden hat? Oderkommt es ausschließlich auf die Frage derEignungshöffigkeit des in Aussicht genom-menen Standortes an?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Diese Frage ist so spannend und verlangteine so komplexe Antwort, dass ich jetztleider die Sitzung unterbrechen muss. ImPlenum wird um 11.25 Uhr eine namentlicheAbstimmung stattfinden.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dannkann die Antwort doch noch gegeben wer-den.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wenn wir um 11.15 Uhr unterbrechen, habenwir noch zehn Minuten, um hinüberzulaufen.Vielleicht gibt es auch den einen oder ande-ren Kollegen, der nicht ganz so flott laufenkann wie du. Wir stoppen ja die Zeit; es istkein Problem.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dannwäre ich aber dankbar gewesen, wenn einesolche Unterbrechung vor meiner Frage ge-kommen wäre. Das muss ich auch ganzoffen sagen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: DieFrage kann durchaus wiederholt werden; dasist ja kein Problem. Danach fangen wir mitder Beantwortung wieder an.

(Zurufe)

- Jetzt ist die Vorsitzende wieder schuld.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichhabe die Frage in Erinnerung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichwürde mich freuen, wenn wir uns nach dernamentlichen Abstimmung ziemlich zügighier wieder einfänden. - Vielen Dank.

(Unterbrechung von 11.13 bis11.50 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Icheröffne die unterbrochene Sitzung wiederund bitte den Kollegen Grindel, nun seineFrage zu wiederholen. Natürlich wird dafürdie Zeit noch angehalten. Anschließend wirdHerr Rösel antworten.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Herr Rö-sel ist fachlich so gewandt, dass ich schonglaube, dass er die Frage noch präsent hat.Ich wollte wissen, ob es nach der damaligenRechtslage rechtmäßig gewesen ist, einenStandort zu erkunden, oder ob gefordert war,mehrere auszuwählen. Mit anderen Worten:War ein bestmöglicher Standort zu ermitteln,um den Anforderungen gerecht zu werden,oder reichte es für die Beurteilung derEignungshöffigkeit aus, einen Standort fürdie Erkundung in Aussicht zu nehmen?

Sachverständiger Henning Rösel: DieFrage kann ich eigentlich eineindeutig be-antworten. Es gab und gibt keine rechtlichzwingende Anforderung, im Rahmen desPlanfeststellungsverfahrens nachzuweisen,dass ich aus einer Standortauswahl herausden dann bestmöglichen Standort entwickelthabe. Vielmehr sind die Anforderungen ausdem Planfeststellungsverfahren und aus demAtG so, dass im Hinblick auf den Standort,der ausgewählt worden ist - in diesem FalleGorleben oder auch Konrad -, dann in einematomrechtlichen Verfahren der Nachweis derSicherheit, der Langzeitsicherheit geführtwerden kann. Das heißt, in dem Augenblick,als wir 1977 die Standortentscheidung desBundes bekamen - das hatte ja einen gewis-sen Nachlauf, nachdem Ernst Albrecht Gor-leben benannt hatte; man hatte ja gewisseZweifel, ob man das ohne Weiteres über-nehmen sollte, aber nach etwa einem halbenJahr hat man es übernommen und uns vor-gegeben -, haben wir als PTB dies akzep-tiert.

Für uns war zunächst einmal entschei-dend, dass es ein weitgehend unverritzter

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Salzstock war, in dem also kein Bergbauumgegangen ist und der auch bei der Suchenach Erdöl oder Erdgas nicht wesentlichdurchörtert worden ist. Das Deckgebirgeüber dem Salzstock ist nicht unendlich dick;der Salzspiegel liegt also nicht so tief, dassman später mit dem Endlagerbereich in eineTeufenlage kommt, die man aus bergbauli-cher Sicht - zum Beispiel aus Wärmegrün-den - nicht mehr betreten sollte. Da der Salz-stock diese Kriterien erfüllt hat, wenn man sieKriterien nennen will, war aus unserer fachli-chen Sicht keine Notwendigkeit gegeben,zum Beispiel das BMI darauf hinzuweisen,gegebenenfalls einen anderen Standort zunehmen.

Es gab also, um Ihre Frage klar zu be-antworten, kein rechtliches Erfordernis, erstein Standortauswahlverfahren zu durchlau-fen, bevor man zum Beispiel in das Planfest-stellungsverfahren Gorleben eintritt, in daswir ja eingetreten sind.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie ken-nen Gorleben gut. Ist das, was dort als Er-kundungsbergwerk rechtlich abgesichertgeschaffen worden ist, von dem Zweck ge-deckt, den der Betreiber mit diesem Erkun-dungsbauwerk verfolgt, oder ist es vielleichtsogar aus wissenschaftlichen Gründen zwin-gend vorgesehen? Was ich damit meine, istder Vorwurf „Schwarzbau“, den man ab undzu hört: Es ist viel zu viel, was die machen;das nimmt bereits die spätere, erst durcheinen ordentlichen Planfeststellungsbe-schluss zu begründende Grundlage vorweg.

Mir ist gesagt worden, der Zweck desBetreibers sei maßgeblich zur Beurteilungeines solchen Erkundungsbergwerkes, unddas sei wissenschaftlich abgesichert. Siesind viel mehr im Thema drin. Können Siedas bestätigen?

Sachverständiger Henning Rösel: Dasmacht sich zunächst einmal an den beidenSchächten fest. Die beiden Schächte habeneinen Innen- und Außenausbau, der geeig-net ist, sie später im Falle einer Eignung alsEndlagerschächte zu nutzen. Wir haben An-fang der 80er-Jahre vor der Frage gestan-den, in welcher Form wir, falls das Schacht-abteufen genehmigt werden sollte, dieseSchächte ausbauen. Wir haben die Fragediskutiert, einen geringeren Durchmesser zunehmen, um auch nach außen die Vorläufig-keit zu dokumentieren, und sind dann ausbergsicherheitlichen Erwägungen zu der

Überzeugung gelangt, dass das nicht geht.Ich kann nicht einen Schacht im Gefrierver-fahren abteufen, ihn mit einem vorläufigenAusbau versehen und ihn zu einem späterenZeitpunkt, der ja zum Teil Jahrzehnte späterliegen kann, wieder einfrieren und aufweiten,um ihn dann neu auszubauen.

Wir haben dann erwogen, ob es möglichist, zwei Erkundungsschächte zu nehmen,die später verfüllt werden, und zwei Endla-gerschächte abzuteufen. Aber auch das ha-ben wir aus sicherheitlichen Gründen ver-worfen, weil das dem Prinzip der Hohlraum-minimierung widerspricht. Wir haben gesagt,wenn wir in den Salzstock gehen, ist es daserste Ziel, möglichst geringe Wegsamkeitenzwischen Salzstock und Deckgebirge zuhaben. Das galt für die vier Erkundungsboh-rungen, die ja alle in die Salzstockflankengegangen sind, also möglichst weit weg vonder Salzstockmitte, und das galt natürlichauch für die Schächte; denn die Schächtesind dann im Hinblick auf ihren Durchmesserdie eigentliche Schwachstelle.

Deswegen haben wir gesagt - wir habendies neben den sicherheitlichen Argumentengesagt, die wir vorgetragen haben -, wir ma-chen das so, und das ist auch nicht bean-standet worden; denn auch die Bergbehördewar gleichermaßen der Auffassung, dassdiese Vorgehensweise die einzig tragfähigeist. Das heißt, ein nachträgliches Aufweiteneines Schachtes, der später so ausgestaltetwerden soll, dass er mögliche Wasserzutrittein der Erkundungs- und Betriebsphase aus-schließt - die RSK hat sich ja auch mit derFragestellung befasst und gesagt, der Was-serzutritt sei ausgeschlossen -, war für unsmaßgeblich. Das Thema „Schwarzbau“, alsoder Bau einer Schachtröhre ohne Planfest-stellungsverfahren, ist überhaupt keinThema. Es war ja einmal rechtsanhängig, istaber nicht beanstandet worden. Das Gleichegilt für die Maßnahmen unter Tage. Was wirunter Tage auffahren, sind die Erkundungs-strecken. Was wir nicht auffahren, sind diespäteren Endlagerstrecken, die nämlichdeutlich anders, meistens unterhalb, liegen.

Für mich stellt sich also das Thema„Schwarzbau“ in keiner Weise. Wer schwarzbaut, wird üblicherweise von der Fachauf-sicht gebremst. Ich kann mich nicht daranentsinnen, gebremst worden zu sein, wedervon Bundes- noch von Landesseite. Daswäre sicherlich die erste Maßnahme gewe-sen, die dann hätte greifen müssen, wenn wirschwarz gebaut hätten.

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Reinhard Grindel (CDU/CSU): VielenDank. - Frau Vorsitzende, ich habe jetzt eineFrage. Der Sachverständige hat von derBegleitung von Sitzungen unter anderemdurch das Kanzleramt und von einer domi-nanten Rolle des Kanzleramtes berichtet.Fällt das jetzt noch unter diesen Abschnitt,oder werden wir das nachher machen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ei-gentlich ist das Historie.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wenn esHistorie ist, werde ich nachher danach fra-gen.

Sie haben dankenswerterweise in denuns schriftlich übersandten Unterlagen dieEinbeziehung von Drittbeauftragten für dieVorauswahl nicht nur erwähnt, sondern allessehr fein aufgelistet.

Sie haben vielleicht vor einigen Wocheneine Geschichte in der Frankfurter Rund-schau gelesen. Da hat ein Mitarbeiter derFirma Lahmeyer, ein Herr Diettrich, vorgetra-gen, er habe Probebohrungen durchgeführt.Das sei ganz schrecklich; der Standort Gor-leben sei offensichtlich ungeeignet, und sogehe es ja gar nicht.

Nun ist das Problem, dass die FirmaLahmeyer in Ihrer Auflistung überhaupt nichtvorkommt, und auch mir ist gesagt worden,sie sei für ganz andere Bohrungen, nämlichfür obertägige Baumaßnahmen dort, und fürdie Pilotkonditionierungsanlage zuständiggewesen. Ich würde gerne wissen, weil Siesich ja auch zu den Bohrungen, die rechtlichnotwendig gewesen sind, geäußert haben:Ist Ihnen irgendetwas bekannt, dass dieseFirma dort für unseren Bereich mit Aufträgenversehen worden ist?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichkenne die Firma Lahmeyer, aber ich kenneHerrn Diettrich nicht. Ich weiß, dass dieFirma Lahmeyer im Rahmen der Maßnah-men, die ich hier beschrieben habe, für unsnicht tätig war. Ich weiß aber, dass die FirmaLahmeyer für die DWK - ich muss da etwasvorsichtig sein: Ich meine, mich zu erinnern -tätig war, und zwar für die Bodenuntersu-chungen im Hinblick auf das am StandortGorleben geplante Zwischenlager. Daranmeine ich mich zu erinnern; denn das ist einVerfahren nach § 6 AtG, für das die PTBGenehmigungsbehörde war.

Ich habe das auch gelesen und kann Ih-nen sagen: Herr Diettrich war nach meiner

Überzeugung nicht für die PTB tätig. Unssind auch keine gruseligen Ergebnisse be-kannt, wie er sie dort apostrophiert. Insoweithabe ich ihn in diese Liste auch nicht mitaufgenommen. Die Firma Lahmeyer wäre mitSicherheit in der Liste drin; denn es gibt indem Zwischenbericht der PTB von 1983 eineMatrix, aus der die beteiligten Firmen hervor-gehen. Die Firma Lahmeyer ist nicht dabei.Dieses Papier von 1983 ist sehr zeitnah er-stellt worden.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nur fürmich als Laie: Es müsste sich ja auch, wennman mit der Erkundung zu tun gehabt hätte,um erheblich tiefere Bohrungen gehandelthaben als bei obertägigen Maßnahmen.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichkann mir vorstellen, dass man bei Bohrungenfür ein Bauwerk vom Typ Zwischenlagerdurchaus bis in den Cap Rock

4geht - das ist

der Gipshut über dem Salzstock -, um fest-zustellen, ob der Cap Rock

4, dieser Gipshut,

klüftig ist. Man könnte ja unterstellen, dasses Klüfte gibt, sodass das aufgrund des Ge-wichts, das man oben draufsetzt, möglicher-weise einsackt und sich nach oben abbildet.Ich kann mir vorstellen, dass Lahmeyer bis inden Cap Rock

4gebohrt hat. Aber da der Cap

Rock4

nach unserer Überzeugung - wenn ichmich recht entsinne - nicht klüftig, das heißthomogen ist, kann ich mir nicht vorstellen,dass man ausgerechnet bei den Bohrungenfür das Zwischenlager oder vielleicht auchspäter für die PKA einen klüftigen Cap Rock

4

angetroffen hat. Mir ist davon nichts bekannt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie habendie Salzrechte angesprochen. Reichen IhrerEinschätzung nach die Salzrechte so, wie siederzeit in Form von Nutzungserlaubnissenoder Nutzungsrechten bestehen, aus, um dieErkundungsmaßnahmen in hinreichenderForm durchzuführen?

Sachverständiger Henning Rösel: Daskann ich nicht mit Ja oder Nein beantworten.Wir haben vor dem Hintergrund der Salz-rechte die Entscheidung getroffen - ich

4Richtigstellung des Sachverständigen: streiche „Cap

Rock“, setze „Caprock“, Anlage 1

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meine, das war schon zu BfS-Zeiten -, denSalzstock zunächst in Richtung Nordosten zuerkunden. Sie müssen sich vorstellen, dassder Salzstock die Form einer Banane hat:Die eine Seite geht in Richtung Nordosten,Elbe, und die andere nach Südwesten. Querdarüber liegt wie ein Riegel das Salzrechtdes Grafen Bernstorff. Da ein Zubau imRahmen der friedlichen Nutzung der Kern-energie, wie ursprünglich geplant, nicht statt-findet, haben wir die Entscheidung getroffen,zunächst einmal den Nordosten zu erkunden,dies auch vor dem Hintergrund, um gege-benenfalls Enteignungsmaßnahmen zu ver-meiden, in der Hoffnung, dass sich in denErkundungsbereichen 1, 3, 5, 7 und 9 - dassind die Erkundungsbereiche, die sich inRichtung Elbe erstrecken - Steinsalzmächtig-keiten ergeben, aus denen wir ableiten kön-nen, dass sie ausreichen, um die radioakti-ven Abfälle, die die Kernkraftwerke heuteproduzieren, unterzubringen.

Wir haben aber zu keinem Zeitpunkt dieEntscheidung getroffen, den Südwestenaufzugeben. Selbst der Rahmenbetriebsplanfür das Moratorium hält optional den Süd-westen als Möglichkeit offen. Wir wissenallerdings, dass die Salzrechte, insbesonderedie Salzrechte des Andreas Graf von Berns-torff, uns derzeit daran hindern, diese Optionzu vollziehen. Würde man also feststellen,dass der Nordosten nicht oder nicht vollstän-dig geeignet ist und man aus dem Grund indie andere Richtung gehen müsste, dannwäre dies nach meiner Überzeugung ohneEnteignung nicht möglich.

Das heißt, aus heutiger Sicht würde ichauch vor dem Hintergrund, dass wir die Er-gebnisse des Erkundungsbereichs 1 kennen,die uns positiv überrascht haben, sagen:Man sollte, wie geplant, zunächst in RichtungNordosten erkunden, abwarten, was dabeiherauskommt, und dann die Entscheidungtreffen, ob man die Option ziehen muss oderob man sie aufgeben kann.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das wares.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Daswar es in der ersten Runde für die Union.Jetzt geht das Fragerecht an die SPD-Frak-tion.

Ute Vogt (SPD): Vielen Dank. - Ich würdegern, da wir gerade bei den Salzrechtenwaren, mit dem Thema weitermachen. In der

letzten Woche haben wir zwei Geologen alsSachverständige angehört. Zumindest einervon ihnen hat sehr eindeutig gesagt - derandere hat da zumindest nicht widerspro-chen -, dass man nicht umfassend erkundenkann, wenn man nicht im Besitz sämtlicherSalzrechte ist, da man ja nicht nur unmittel-bar dort punktuell erkundet, wo später etwasliegen soll; vielmehr muss man die Geologiedes gesamten Umfeldes kennen, um dieEinwirkungen auf das geplante Endlager zukennen. Insofern ist die Frage der Eigen-tumsrechte für uns schon interessant.

Sie haben zu den Salzrechten gesagt,man hatte die Möglichkeit, sich zu melden,indem man in Form einer Notiz zum Aus-druck brachte, dass man sein Recht behaltenwill. Das haben offenbar die meisten getan.Da würde mich interessieren: Wie viele ver-schiedene Eigentümer gab es denn in derdamaligen Zeit? Wie wurden, wenn mit ihnenverhandelt wurde, die Salzrechte erworben?Haben sie Geld dafür bekommen? Haben sieAusgleichsland dafür bekommen, oder gin-gen bestimmte Leistungen an die Region?Das zu erfahren, fände ich in dem Zusam-menhang interessant.

Dann habe ich noch eine Rechtsfrage.Sie haben gesagt, man müsste notfalls ent-eignen. Ich wüsste nicht, auf welcherRechtsgrundlage das im Moment möglichwäre.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichmöchte mit der Beantwortung der Frage nachder Enteignung beginnen. Ich hatte Ihnenvorhin gesagt, es bestanden Enteignungs-möglichkeiten; diese gibt es seit 2002 nichtmehr. Deswegen habe ich eben gesagt:Wollte man die Option ziehen, müsste manEnteignungsrechte haben. Das ist klar; dasgeht nicht anders.

Jetzt zu der Frage nach den Eigentümern.Wir haben Verträge - ich meine, es sind 115;ich muss da etwas vorsichtig sein - mitGrundeigentümern. Es gibt einen großenEigentümer, Andreas Graf von Bernstorff. Esgibt mehrere Kirchengemeinden, die Eigen-tümer sind, und es gibt auch einige Privatei-gentümer. Deren Zahl liegt insgesamt beietwa zehn, sodass es 125 bis 130 Eigentü-mer gibt, die Grundeigentum über dem Salz-stock haben und denen das Salz unten ge-hört.

Die Frage des Verfügens über die Salz-rechte für die untertägige Erkundung stelltsich in der Tat; denn die Salzrechte bilden,

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sieht man von dem Bernstorff’schen Teileinmal ab, Sprengel. Wir haben uns dieFrage gestellt, und wir haben sie dadurchgelöst, dass wir gesagt haben: Wir könnendie Bereiche unter Tage umfahren - dasheißt bergmännisch ausgedrückt auslas-sen -, wenn man einen Sicherheitsabstandzwischen dem potenziellen Endlager unddem Eigentum einhält. Ich meine, er liegt imBereich von 150 Metern. Die Nichtverfügungüber Salzrechte ist also nicht automatisch einK.-o.-Kriterium für die untertägige Erkundungund ein späteres Endlager.

Ute Vogt (SPD): Da möchte ich nocheinmal nachfragen. Ich weiß nicht, ob sichdie Geologie und zum Beispiel bestimmteEinschlüsse unbedingt an die vorhandenenEigentumsrechte halten bzw. ob man beibestimmten problematischen Zonen sagenkann, dass sie sich an der falschen Stellebefinden.

Sachverständiger Henning Rösel: FrauVogt, Ihr Einwand ist sicherlich gerechtfertigt.Aber gerade die Sicherheitsabstände sind fürdie Bergbehörde bei solchen Fragen maß-geblich. Ob wir mit einer solchen Fragestel-lung dann bei der Sicherheitsnachweisfüh-rung, das heißt bei der Sicherheitsanalysebzw. Langzeitsicherheitsbetrachtung, durchdas Planfeststellungsverfahren kommen, isteiner zweiten Ebene zugewiesen. Das kannman dann beantworten, wenn man in einerPhase ist, in der man eine abschließendeSicherheitsanalyse machen kann. Das kannich Ihnen heute also nicht beantworten, weilich damit die Ergebnisse der Sicherheitsstu-die antizipieren würde. Das kann ich nicht.Aber unsere Vorgehensweise, das heißt, denSüdwesten optional auszulassen und denNordosten zu erkunden, schließt ein späteresEndlager nicht a priori aus.

Ute Vogt (SPD): Danke schön. - Ich habenoch eine Frage zu einem anderen Bereich,dem atomrechtlichen Planfeststellungsver-fahren. Sie haben in Ihren Unterlagen sehreindeutig in der Weise Stellung genommen,dass es damals aus fachlicher Sicht notwen-dig war, dieses atomrechtliche Planfeststel-lungsverfahren einzuleiten, und dass Sie dassehr bewusst getan haben. Sie haben sogargeschrieben, es schien aus Ihrer Sicht zwin-gend geboten, das atomrechtliche Planfest-stellungsverfahren gleichzeitig mit dem berg-rechtlichen Verfahren in Gang zu setzen. Ich

sehe darin allerdings einen Widerspruch zudem, was Sie mündlich dem Kollegen Grin-del geantwortet haben, indem Sie gesagthaben, das Bergrecht alleine reicht. Wenndas allein ausreichend wäre, dann hätte esfür Sie damals ja keinen Grund gegeben, esgenau so zu machen, wie Sie es hier schrift-lich niedergelegt haben. Den Widerspruchbitte ich doch einmal zu erläutern.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichhabe - auch schriftlich - dargelegt, dass wirdas Planfeststellungsverfahren in der Über-zeugung eingeleitet haben, dass es notwen-dig war, die Planfeststellungsbehörde undihre Gutachter frühzeitig mit in die von unsgeplanten und durchzuführenden Maßnah-men einzubeziehen, um zu verhindern, dassDaten und Fakten, die zu bewerten sind, sichspäter verändert haben und nicht reprodu-zierbar sind. Das war der Grund dafür, dasswir es eingeleitet haben. Die Frage nach demBergrecht bezog sich also allein auf die un-tertägige Erkundung, das heißt: Gab es eineNotwendigkeit, die Erkundung nach Atom-recht zu machen, besteht also Planfeststel-lungspflichtigkeit, oder reicht das Bergrecht?Da habe ich gesagt, das Bergrecht reicht.

Das Planfeststellungsverfahren hatte denHintergrund, dass wir die niedersächsischenBehörden, das heißt die Planfeststellungs-behörde und die Gutachter, frühzeitig miteinbeziehen wollten, was wir dann auch ge-tan haben.

Ute Vogt (SPD): Genau. - 1977 wurdeder Antrag nach dem Atomrecht eingereicht.Ich konnte den Fortgang dieses Antrags nichtmehr ganz nachvollziehen. Vielleicht könntenSie dazu noch etwas sagen. Was ist mit demAntrag, der dann gestellt wurde, heute? Derwurde noch einmal verändert; er wurde in derZwischenzeit wohl noch einmal verlängert.Vielleicht könnten Sie noch einmal skizzie-ren, was mit dem Antrag passiert ist.

Sachverständiger Henning Rösel: DerPlanfeststellungsantrag liegt immer noch vor.Wir haben in dem Planfeststellungsantragdarauf hingewiesen, dass wir die antragsbe-gründenden Unterlagen im Zuge des Fort-schritts der untertägigen Erkundung nachlie-fern. Wir haben immer wieder Unterlagenaus der untertägigen Erkundung herausvorgelegt. Sie reichen aber noch nicht aus,um das Planfeststellungsverfahren zu Endezu führen oder Antragsunterlagen auszule-

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gen und in eine öffentliche Erörterung zugehen.

Ute Vogt (SPD): Gibt es da eine Frist?

Sachverständiger Henning Rösel: Nein.

Ute Vogt (SPD): Wenn ein Privatmann ir-gendetwas beantragt, dann läuft doch ir-gendwann eine Frist ab.

Sachverständiger Henning Rösel: Soetwas gibt es nicht. Es gibt eine Frist imPlanfeststellungsrecht, was den Vollzug be-trifft. Das heißt, wenn ein Planfeststellungs-beschluss vorliegt, dann muss er innerhalbvon fünf Jahren vollzogen werden.

Ute Vogt (SPD): Das heißt, der Antragkann unendlich lange liegen?

Sachverständiger Henning Rösel: DenAntrag gibt es seit 1977. Er ist auch rechtlichin der Welt der Tatsachen.

Ute Vogt (SPD): Okay. - Kollege Edathy.

Sebastian Edathy (SPD): Herr Sachver-ständiger - -

Sachverständiger Henning Rösel:Vielleicht darf ich noch einen ergänzendenHinweis geben.

Sebastian Edathy (SPD): Kurz; denn dieZeit läuft uns davon.

Sachverständiger Henning Rösel: Wirhaben das Planfeststellungsverfahren Kon-rad 1982 eingeleitet, und wir sind da in glei-cher Weise verfahren. Auch in dem Verfah-ren waren die antragsbegründenden Unter-lagen vorläufiger Art. Das heißt, die Stand-orterkundung hat da erst nach 1982 stattge-funden.

Sebastian Edathy (SPD): Herr Sachver-ständiger Rösel, Sie haben mit Blick auf dieStandortauswahl, und zwar offenkundig be-zogen auf den Meinungsbildungsprozess derniedersächsischen Landesregierung in den70er-Jahren, wörtlich von einem - ich habees mitgeschrieben - „Standort, der ausge-wählt worden ist“ gesprochen und dann an-gemerkt: Es gab gewisse Zweifel, ob mandiese Entscheidung übernehmen sollte.

Können Sie uns sagen, was Sie mit die-ser Standortauswahl gemeint haben? Dennein reguläres Standortauswahlverfahrenscheint es ja nicht gegeben zu haben. Worinbestanden die Zweifel, die es an dieser Ent-scheidung gegeben haben soll?

Sachverständiger Henning Rösel: HerrAbgeordneter, wir reden über die Jahre 1977bis 1983. Ich habe klipp und klar gesagt,dass die PTB nicht in das Standortauswahl-verfahren eingebunden war; das habe ichauch schriftlich festgehalten. Ich weiß nur,dass der Bund im Auftrag des BMFT einStandortuntersuchungsverfahren eingeleitethatte; das war die KEWA-Studie. Ich weißauch - das war aber vor der Zeit, als derAuftrag an die PTB kam, den Standort Gor-leben zu untersuchen -, dass an drei anderenStandorten - das waren, glaube ich, Wahn,Weesen-Lutterloh und Lichtenhorst - Erkun-dungsmaßnahmen durchgeführt werdensollten, die dann aus vielerlei Gründen ab-gebrochen wurden. Ein Grund war, dass essich um einen Bundeswehrstandort handelte.Es gab auch Widerstand gegen beabsichtigteBohrungen.

Dann hat die Niedersächsische Landes-regierung der Bundesregierung den StandortGorleben vorgeschlagen. Da ist mir in Erin-nerung, dass die Bundesregierung sich mitdem Vorschlag Gorleben durchaus schwer-getan hat. Das merkt man auch daran, dasses immerhin bis, ich glaube, Mitte 1977 ge-dauert hat, bis wir den Auftrag erhalten ha-ben, die Untersuchungen in Gorleben vorzu-bereiten und auch das Planfeststellungsver-fahren zu beantragen.

Die Schwierigkeiten, die damals aufseitender Bundesregierung bestanden, waren mirzu dem Zeitpunkt nicht bekannt. Ich kennesie heute, zum Beispiel aufgrund nachlau-fender Arbeiten von Herrn Tiggemann. Ichweiß nur aufgrund des Zeitablaufs, dass dasnicht ohne Weiteres akzeptiert worden ist.Aber als der Standort Gorleben dann akzep-tiert worden ist, haben wir den Auftrag be-kommen.

Sebastian Edathy (SPD): Ich entnehmeIhren Ausführungen, dass Sie sich, auchwenn Sie für die Frage der Standortauswahlformal nicht zuständig gewesen sind, sehrwohl mit der Thematik befasst haben, ausInteresse, nehme ich an. Wenn man in demBereich beruflich so aktiv ist, liegt das jaauch nahe. Haben Sie sich einmal mit den

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Dokumentationen beschäftigt, die von derOrganisation Greenpeace vor einigen Wo-chen veröffentlicht worden sind?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Vor-sitzende, jetzt sind wir im Bereich Historie.Daher muss ich wirklich darum bitten, dasswir uns an die Verabredung bezüglich derVerfahrensweise halten.

Sebastian Edathy (SPD): Der KollegeGrindel hat nach der damaligen Beteiligungeiner Firma gefragt. Ist das Rechtsgrundlage,oder ist das Historie?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): DerSachverständige hat zu der Beauftragungvon Subunternehmen vorgetragen. Uns diebeauftragen Unternehmer mitzuteilen, warGegenstand der ersten Runde.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Man sieht an der Beantwortung von Fragen,dass wir jetzt in einen Bereich kommen, indem sich die Themen Rechtsgrundlagen undHistorie überschneiden. Ich schlage vor,dass wir versuchen, uns in der ersten Rundeauf die rechtlichen Grundlagen zu konzen-trieren, wie es Herr Rösel in seinem Vortraggetan hat. Die Fraktionen könnten vielleichtschon einmal überlegen, dann sehr schnell inden anderen Bereich überzugehen. In derzweiten Runde, die wir miteinander verein-bart haben, bzw. bei dem zweiten Themen-komplex soll nicht ausgeschlossen werden,auf rechtliche Fragen zu rekurrieren, wenn esim Fortgang der Erkenntnisse vernünftigerscheint. - Bitte schön, Herr Kollege Edathy.

Sebastian Edathy (SPD): Ich möchte fürdas Protokoll kurz festhalten: Auch für dieFragen von Herrn Grindel gilt nicht durch-weg, dass sie sich auf die Erforschung vonRechtsaspekten beschränkt haben.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Deswegen habe ich die Sitzung ja auch lau-fen lassen. Bitte schön, Herr Kollege Edathy.

Sebastian Edathy (SPD): Aber ichnehme die Äußerungen der Vorsitzendengerne zur Kenntnis.

Anders gefragt: Herr SachverständigerRösel, Sie haben dargelegt, dass es nichtrechtswidrig gewesen sei, sich auf Gorlebenzu kaprizieren. Wäre es Ihrer Meinung nachaus wissenschaftlichen Gründen aber nicht

der absolut angemessenere Weg gewesen,eine vergleichende Bewertung unterschiedli-cher Standorte vorzunehmen, um dann auf-grund einer objektiven Entscheidungslage zudem Ergebnis zu kommen, an welchemStandort man möglicherweise eine nähereUntersuchung durchführt?

Sachverständiger Henning Rösel: Dasist eine Frage, die aus meiner Sicht zweierleiBetrachtungen beinhaltet. Das ist einmal dieBetrachtung: Wie war die Situation1976/1977? Da sage ich Ihnen klipp und klar:Wir waren nicht dieser Auffassung. Ich sage„wir“, weil das die Auffassung einer Fachbe-hörde war. Mir sind aus jüngerer Vergangen-heit durchaus Diskussionen über die Vorge-hensweisen aus dem AkEnd oder auch ausder Schweiz bekannt, dass man heute alter-native Betrachtungen macht. Es mag in einerrückblickenden Betrachtung, wenn manGorleben heranzieht, vielleicht so sein. Aberwenn ich unsere Entscheidung, die wir 1977getroffen haben, aus heutiger Sicht be-trachte, dann muss ich sagen: Die Entschei-dungen, die wir getroffen haben, waren fach-lich und rechtlich einwandfrei. Daran habeich überhaupt keinen Zweifel. Ich muss ehr-lich sagen, ich bin durchaus zufrieden, wennich meinen beruflichen Werdegang, insbe-sondere im Bereich der Endlagerung, be-trachte: Ich kann mich nicht daran erinnern,dass ich mich zu irgendeinem Zeitpunkt einerfachlich abweichenden Weisung einer vorge-setzten Behörde hätte beugen müssen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Das Fragerecht geht jetzt andie FDP-Fraktion.

Angelika Brunkhorst (FDP): Herr Rösel,auch von uns, der FDP-Fraktion, vielen Dankfür Ihre verständlichen Ausführungen. Ichmöchte noch einmal nachhaken, was dieEinbeziehung der Planfeststellungsbehördeangeht. Sie haben ja erklärt, dass Sie denErkenntnisgewinn auch aufbauend immer zurVerfügung stellen würden. Sie haben aberauch ganz strikt gesagt, die Planfeststel-lungsbehörde würde dadurch nicht beein-trächtigt oder sogar irgendwie abhängig.Konkrete Frage: Ist die Planfeststellungsbe-hörde in Gänze, auch wenn sie vorher immerEinvernehmen signalisiert hat, an das Er-gebnis der Erkundung gebunden?

Ich habe noch zwei weitere Fragen. Esgibt eine Empfehlung der Reaktor-Sicher-

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heitskommission vom 15. September 1982,„Sicherheitskriterien für die Endlagerungradioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“, dieam 5. Januar 1983 veröffentlicht wurde. Zu-sätzlich gibt es mit den „Sicherheitskriterienfür die Endlagerung radioaktiver Abfälle ineinem Bergwerk“ vom 20. April 1983, diedurch das BMI in Kraft gesetzt wurden, einweiteres Schriftstück. Steht da überall das-selbe drin? Wenn nein, was ist der Unter-schied? Können Sie sich daran erinnern?Das wäre für mich interessant.

Sachverständiger Henning Rösel: Zu-nächst zum Thema Planfeststellungsbe-hörde: Die Einbindung der Planfeststellungs-behörde und ihrer Gutachter - so hatte ich esdargelegt - bezog sich immer nur auf Einzel-aspekte. Die Behörde hat zu jedem Zeitpunktklargemacht, dass Äußerungen zu diesenEinzelaspekten keine Bindungswirkung imHinblick auf eine abschließende Gesamtent-scheidung entfalten können. Das geht ausmeiner Sicht auch schon faktisch nicht, weiles wirklich nur Einzelaspekte sind. So wiedas Bundesamt für Strahlenschutz heute,wollte es eine Sicherheitsanalyse oder eineEignungsaussage machen, erst einmal dieGesamtheit der dafür notwendigen Datenhaben müsste, kann auch eine Planfeststel-lungsbehörde erst zu einem sehr spätenZeitpunkt, nämlich dann, wenn alle antrags-begründenden Unterlagen vorliegen, einesolche Aussage machen oder die Nichteig-nung feststellen.

Was die Sicherheitskriterien aus den Jah-ren 1982, 1983 und die Unterschiede darinangeht, Frau Brunkhorst, so kann ich dazu -das tut mir leid - im Augenblick nichts Ab-schließendes sagen. Aus der Erinnerungweiß ich nicht, ob die identisch oder teiliden-tisch sind. Auch im Rahmen meiner Vorbe-reitung habe ich mich damit nicht befasst. Ichkann dazu keine verbindliche Äußerung ma-chen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass dieSicherheitskriterien 1982/1983 in den 83er-Bericht der PTB eingegangen sind, der letzt-lich dann Basis für die Entscheidung derBundesregierung war, mit der untertägigenErkundung zu beginnen. Aber ich kann IhreFrage, wo die Unterschiede sind oder ob dasdeckungsgleich ist, nicht verbindlich beant-worten.

Angelika Brunkhorst (FDP): Wir fragenuns, wie diese Sicherheitskriterien entwickeltwerden. Werden sie abstrakt entwickelt? Gibt

es etwas Standardisiertes, einen Leitfaden,bei dem man sagt, dass das Sicherheitskrite-rien sind, oder wurden die speziell im Hin-blick auf die Erkundung in Gorleben entwi-ckelt?

Sachverständiger Henning Rösel: Siewurden entwickelt, weil es als notwendigangesehen wurde, die abstrakt-generellenFormulierungen des § 9 b zu konkretisieren,um sowohl dem Antragsteller, sprich derPTB, als auch der Planfeststellungsbehördeeine gemeinsame Grundlage im Sinne einerEinheitlichkeit des Verwaltungshandelns zugeben. Das heißt, es sollte eine gewisseSicherheit hineinkommen, um klarzumachen:Auf beiden Seiten, bei Antragsteller und Be-hörde, gelten die gleichen Grundsätze.

Es gibt etwas Ähnliches - das ist ganzprofan - im Planfeststellungsrecht für Bun-desfernstraßen. Da gibt es Richtlinien, dievon der Bundesstraßenverwaltung vorgege-ben werden, damit jeder weiß, welche Un-terlagen mit welchem Tiefgang und welchemInhalt vorzulegen sind. Da der Gesetzgeberdas mit der vierten Novelle 1976 nicht ge-macht hat, hätte das dazu geführt, dass derAntragsteller selbst die Konkretisierung derabstrakten Norm des § 9 b hätte vornehmenmüssen, aber nicht in der Erkenntnis, dassdie Planfeststellungsbehörde das gleicher-maßen sieht, mit der Folge, dass das imExtremfall unendlich auseinandergefallenwäre. Diese Sicherheitskriterien bilden einegemeinsame Basis für Antragsteller undPlanfeststellungsbehörde, aber auch für dasBMI als fachaufsichtsführende Behörde.

Marco Buschmann (FDP): Herr Rösel,ich habe zwei Fragen.

Die erste bezieht sich auf die Frage: Er-kundungen auf der Grundlage von Bergrechtoder Atomrecht? Beide Gesetzeswerke ha-ben unterschiedliche Zielrichtungen; Siehaben das andeutungsweise skizziert. DasBergrecht hat, wie die Geologie und die Hy-drologie, sicherheitsrelevante Faktoren imBlick. Dass ein Stollen zusammenbrechenkann, ist ganz offensichtlich eine Frage derbergmännischen Sicherheit. Demgegenüberhat das Atomrecht eher Fragen der Strah-lungssicherheit im Blick, die aber dort nochnicht relevant sein konnten, weil es nochnichts gab, was strahlen konnte. Könnte mandaraus den Schluss ziehen, dass es gera-dezu unverantwortlich gewesen wäre, diebergrechtlichen Kriterien der Sicherheit aus

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1. Untersuchungsausschuss 20[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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dem Blick zu lassen, indem man diesenRechtskorpus nicht angewandt hätte?

Meine zweite Frage bezieht sich auf denThemenkomplex Salzrechte. Es ist durchNachfragen bereits versucht worden, dasGanze zu erkunden. Sie haben davon ge-sprochen, dass die bestehenden Salzrechtenach damaliger Rechtslage keine absoluteErkundungsschranke waren, weil es als Ul-tima Ratio die Möglichkeit der Enteignunggegeben hätte, und dass diese Rechts-grundlage später weggefallen ist. Ich meinemich zu erinnern, dass Sie das Jahr 2002genannt haben. Könnten Sie sich vorstellen,was die Motive des Gesetzgebers waren,diese Rechtsgrundlage ausgerechnet imJahre 2002 aus dem Gesetz zu streichen?

Sachverständiger Henning Rösel: Zu-nächst zu der Frage Bergrecht/Atomrecht.Das Bergrecht hätte man nach meiner Über-zeugung zu keinem Zeitpunkt ausblendendürfen. Unterstellt, die vierte Novelle wäreauf die über- und untertägige Erkundung,also in bergrechtsrelevante Bereiche, ausge-dehnt worden, dann hätte man aus meinerSicht zumindest über Querverweise die ent-sprechenden Vorschriften des Bergrechts indas Atomrecht einbeziehen müssen oder siemit dem gleichen Ziel und Inhalt durchselbstständige Vorschriften ersetzen müs-sen. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber,insbesondere in § 126 Bundesberggesetz,einen Querverweis auf das Atomrecht aufge-nommen hat, macht schon deutlich, dass ineinem Endlagerbergwerk beide Rechtsge-biete, Bergsicherheit und Strahlenschutz-sicherheit, verzahnt sind. Man kann dasBergrecht also nicht ausblenden. Man hättees in irgendeiner Form - so, wie es heute istoder wie man es vielleicht hätte ausgestaltenkönnen, was der Gesetzgeber aber nichtgetan hat - einbeziehen müssen.

Könnten Sie die Frage zum Thema Salz-rechte kurz wiederholen?

Marco Buschmann (FDP): Die Fragewar, ob Sie sich vorstellen können, was dieMotive des Gesetzgebers waren, ausgerech-net im Jahre 2002 die Rechtsgrundlage fürdie Enteignung aus dem Gesetz zu strei-chen.

Sachverständiger Henning Rösel: Eswar nach meiner Erinnerung der feste Willeder damaligen Koalition - ganz klare Aus-sage -, ohne Enteignungsvorschriften ein

Endlager zu bauen. Das war eine vertrau-ensbildende Maßnahme. Aus übergeordne-ten Gesichtspunkten wollte man die Enteig-nung nicht. Man war der Meinung, dass manein solch brisantes Werk wie ein Endlagernicht gegen den Willen der Betroffenen undmöglicherweise auch noch unter Entziehungdes Eigentums realisieren kann. Ich meineauch, es gibt Äußerungen in diese Richtung,die nachlesbar sind. Das habe ich noch gutin Erinnerung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Damit geht das Fragerechtjetzt an die Die Linke.

Kornelia Möller (DIE LINKE): VielenDank, Herr Sachverständiger, für Ihren Vor-trag. - Ich habe zunächst folgende Frage: IstIhnen das Protokoll des BfS bekannt, wo-nach das Umfahren der Kirchenbereiche ausgeologischen Sicherheitsgründen nicht ver-tretbar sei? Es komme dabei nämlich zuSicherheitsrisiken in der Betriebs- und Nach-betriebsphase des Endlagers, und deshalbsei die Eignungshöffigkeit gemindert. DiesesProtokoll ist von 1993. Kennen Sie das, undwar das die Auffassung Ihrer Behörde? Dasist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ergibt sich aus IhremVortrag.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dasist reine Geologie und keine Frage

zu Rechtsgrundlagen!)

- Doch! - Das Nächste ist Folgendes - unsereZeit ist ja knapper bemessen als Ihre -: Eshaben 115 Eigentümer Verträge mit Ihnengeschlossen, die 2015 auslaufen. Sie habengesagt, man könne die Gebiete derer umfah-ren, die keine Verträge mit Ihnen abge-schlossen haben. Wenn jetzt aber in dernächsten Phase eventuell noch mehr Eigen-tümer diese Verträge nicht schließen, ent-steht für mich die Frage: Wie ist das mit denKosten? Es entstehen sicherlich immenseMehrkosten, wenn man alles umfahrenmuss. Ferner stellt sich die Frage: Ab wannist eine Weitererkundung nicht mehr reali-sierbar?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichwerde jetzt zu dem Protokoll von 1993 keineAussage treffen. Ich habe es in Erinnerung,kann jetzt aber nicht sagen, ob es die ab-schließende Meinung darstellt oder ob es einProtokoll war, das zu einem späteren Zeit-

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punkt relativiert worden ist. Das liegt zum ei-nen daran, dass das 1993 war und ich michauf die Zeit von 1976 bis 1983 vorbereitethabe, was schon schwer genug war.

(Zuruf: Aber Fragen zu 2002 konn-ten Sie beantworten!)

- Sie werden von mir hier keine abschlie-ßende Äußerung dazu bekommen, ob dasdie fachliche Meinung der Behörde war oderob es eine fachliche Meinung war, die geäu-ßert wurde, wobei unklar ist - für mich je-denfalls; ich kann das derzeit nicht nachvoll-ziehen; das müsste ich noch nachvollzie-hen -, wie nachlaufend die Meinungsbildungwar.

Zumindest weiß ich, dass sich das Bun-desamt für Strahlenschutz bei dem Rahmen-betriebsplan für das Moratorium an demRahmenbetriebsplan für die untertägige Er-kundung orientiert hat, das heißt optionalalles das, was bis dahin vorhanden war,aufrechterhalten hat und es nicht aufgege-ben hat. Ob mit dem Hinweis auf die Umfah-rung des Eigentums der Kirchengemeindenein impliziter Hinweis auf eine mögliche Ent-eignungsvorschrift verbunden ist, kann ichnicht sagen; das tut mir leid. Ich habe michdarauf nicht vorbereitet, sondern auf die Zeitvon 1976 bis 1983.

Könnten Sie die zweite Frage wiederho-len?

Kornelia Möller (DIE LINKE): Bei derzweiten Frage ging es um die Kosten. Siehatten gesagt, man könne diejenigen Ge-biete umfahren, die nicht erforscht werdenkönnten. Ab wann ist das denn überhauptnoch zielführend?

Sachverständiger Henning Rösel: Dieaktuelle Situation mit den 115 Salzrechtenund den nicht vorhandenen Salzrechten istaus meiner Sicht durchaus geeignet, dieuntertägige Erkundung in Richtung Nordos-ten fortzusetzen. Ich bin allerdings der Auf-fassung, dass im Hinblick auf die Frist 2015und die Tatsache, dass seit Abschluss derVerträge viel Zeit ins Land gegangen ist, dieVerhandlungen mit den Grundstückseigen-tümern - aus meiner Sicht jedenfalls - unver-züglich aufgenommen werden müssen, umfestzustellen, ob es eine Bereitschaft gibt,gegebenenfalls über 2015 hinaus zu kontra-hieren.

Aus dieser Situation ergibt sich gleichzei-tig die Antwort auf den zweiten Teil der

Frage, wann die Möglichkeit der untertägigenErkundung endet. Das ist eine Tatsachen-frage. Dazu müsste man wissen - einmalunterstellt, man wird bis zum 31. Dezember2015 mit der untertägigen Erkundung nichtfertig -, wie sich zum Beispiel die Erben äu-ßern würden, wollte man den Vertrag mitihnen verlängern. Das heißt, ich kann Ihnenkeine abschließende Antwort auf die Fragegegeben, wann die untertägige Erkundungunmöglich oder sinnlos würde. Man musssehen, wie sich die Situation dann darstellt.

Was die Höhe der damit verbundenenKosten angeht, so ist das eine Sache derVertragsverhandlungen. Bisher sind die Ver-träge abgegolten. Die Frage ist: Werden dieVerträge verlängert, oder kommt ein Salz-rechtsinhaber mit dem Vorschlag, die Salz-rechte zum Beispiel zu erwerben oder dieVerlängerung noch einmal kostenmäßig be-werten zu lassen?

Kornelia Möller (DIE LINKE): Mir ging esum die Kosten, die sich durch die Umfahrun-gen erhöhen.

Sachverständiger Henning Rösel: Obsich die Kosten dadurch signifikant erhöhen,kann ich jetzt nicht sagen. Aber es kann inder Tat mehr werden, wenn man mehr Flä-chen hätte, wenn man, auf Deutsch gesagt,mäandrieren müsste. Da wäre dann eineFrage, ob und inwieweit man so etwas überdie Endlagervorausleistungsverordnung alsnotwendigen Aufwand definieren könnte, derdann refinanziert wird. Aber ich würde nicht apriori sagen, dass das zulasten des Bundes-haushalts geht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichwollte nur den Hinweis geben, dass 2015 inder Zukunft liegt und mit der Historie nichtszu tun hat. Lassen Sie uns in dieser Rundetatsächlich versuchen, die rechtlichenGrundlagen zu behandeln.

(Zuruf des Abg. Reinhard Grindel(CDU/CSU))

- Ist ja gut. Ich habe es doch laufen lassen.Jetzt geht das Fragerecht an die Grünen.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Vielen Dank, Herr Rösel, für Ihrebisherigen Ausführungen. Ich möchte aufden Komplex „Atomrecht/Bergrecht und Re-gelungslücke“ oder, wie Sie es nannten,„fehlender Querverweis“ zurückkommen. In

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den Unterlagen, die Sie uns haben zukom-men lassen, steht unter MAT A 54 auf Sei-te 4 ganz oben im ersten Abschnitt - da gehtes um die Rechtsauffassungen -, dass ge-rade die Erkundungsmaßnahmen und diedadurch erzielten Ergebnisse und Erkennt-nisse Basis sind, um den atomrechtlichenPlanfeststellungsantrag zu begründen. Dasverstehe ich so, dass man das für die Be-gründung des atomrechtlichen Planfeststel-lungsantrags braucht. Nun wurde dieserPlanfeststellungsantrag sehr früh gestellt.Das heißt, die Grundlagen konnten noch garnicht da sein. Da ist also - das haben Sieauch schon gesagt - eine gewisse Rege-lungslücke vorhanden.

Sie sagten, dass es wichtig war, diesenAntrag so früh zu stellen, um die Gutachterfrühzeitig einbeziehen zu können. Wenn iches richtig verstanden habe, war das derHauptgrund dafür, dass man das so frühzei-tig machen musste. Habe ich Sie richtig ver-standen, dass ein ganz wichtiger Grund dafürwiederum die Kosten waren, das heißt, dassman die Gutachter über das Planfeststel-lungsverfahren finanzieren konnte?

Sachverständiger Henning Rösel: Daswar einer der von mir genannten Gründe. Alswichtigsten Grund hatte ich zunächst dieTatsache genannt, dass der Bund Flaggezeigen wollte, das heißt, dass sich sein Kon-zept von 1974 auch rechtlich abbilden sollte,genauso wie die DWK den §-7-Antrag ge-stellt hatte. Als weiteren wichtigen Grundhatte ich angeführt, dass nach unserer Auf-fassung die Planfeststellungsbehörde unddie Gutachter aus fachlicher Sicht frühzeitigeingebunden werden sollten, und hatte ledig-lich nachrichtlich vermerkt: Dies versetzteuns auch in die Lage, die Kosten, die bei derPlanfeststellungsbehörde und bei den Gut-achtern auflaufen würden, abzurechnen. Daswar nicht der Hauptgrund.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Danke schön. Aber es zeigt sich,es wäre sauberer gewesen, man hätte dievorhandene Regelungslücke einfach ge-schlossen.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie durch-aus darüber diskutiert haben, ob man einenQuerverweis zwischen Bergrecht und Atom-recht schaffen muss, um da sauber vorange-hen zu können und nicht solche Widersprü-che zu haben, dass man das aber nicht ge-wollt und bewusst nicht getan habe. Ich hätte

von Ihnen gerne die Auskunft, wer das nichtwollte und was die Begründung dafür war, esnicht zu wollen.

Sachverständiger Henning Rösel: Aufdie Frage, ob man die untertägige Erkundungauch nach Atomrecht hätte durchführen kön-nen, hatte ich gesagt: Nein, das halte ichnicht für möglich. Entweder muss es einQuerverweis sein, oder es müssen entspre-chende Vorschriften in das Atomgesetztransponiert werden. Dass es bewusst nichtgetan worden ist und nicht gewollt war, be-ruht auf einer Entscheidung in der Gesetzge-bungsphase 1975/76. Man wollte das stati-sche Planfeststellungsverfahren mit demdynamischen Bergrecht nicht verschneiden.Man war der Auffassung, die beiden parallelvorhandenen Rechtsgebiete ausreichendkombinieren zu können, ohne dass es zueinem Querverweis kommen musste. Als wirdamals die Entscheidung bekamen, habenwir die Frage der Notwendigkeit des Quer-verweises nicht mehr diskutiert. Das war zudem Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahrenausdiskutiert. Dafür gab es keine Notwendig-keit mehr.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie sind also der Meinung, manhätte damals keine gesetzliche Regelungfinden können, um diesen Querverweis her-zustellen?

Sachverständiger Henning Rösel:Wenn man es gewollt hätte, hätte mandurchaus eine gesetzliche Regelung findenkönnen. Man hätte auch die Regelung treffenkönnen - auch das hat man nicht getan -, eingestuftes Planfeststellungsverfahren durch-zuführen, ähnlich wie beim §-7-Verfahren,dass man erst ein Planfeststellungsverfahrenmacht, mit dem man die Eignung einesStandortes feststellt, und dann ein Planfest-stellungsverfahren für weitere Schrittedurchführt. Aber man wollte damals - das isteben eine Entscheidung, die aus der Zeitheraus getroffen wurde - die Einheitlichkeitdes Planfeststellungsverfahrens nicht aufge-ben. Man wollte eine abschließende Ent-scheidung. Das Einzige, was man beibehal-ten hat, ist der sogenannte Vorbehalt. Dasheißt, wenn man mit dem Verfahren fastdurch ist, kann man einen Planfeststellungs-beschluss erlassen und gewisse Teile, dieman noch für regelungsbedürftig hält, miteinem Vorbehalt versehen. Aber das sind

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keine Teilgenehmigungen. Die Einheitlichkeitdes Verfahrens bleibt erhalten.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut. Ich hoffe, ich habe das jetztrichtig verstanden.

Ich habe nach wie vor den Eindruck, dasses durchaus möglich gewesen wäre - Siehaben ja gesagt, wenn man es gewollt hätte,hätte man es gekonnt -, das so zu verbinden,dass all das, was Sie jetzt als Notwendigkeitbeschreiben, auch umsetzbar gewesen wäre.Meinem Eindruck nach wäre der einzigegrundlegende Unterschied im Verfahrengewesen, dass man - das war schon vorhinThema - nicht eine Öffentlichkeitsinformationmacht, sondern dass man eine gesetzlichvorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligunggehabt hätte. Kann nicht doch der Wunschdahintergestanden haben - es war damalseine sehr schwierige Gemengelage -, diegesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeits-beteiligung als Recht der Öffentlichkeit einbisschen vorsichtig handhaben zu können?

Sachverständiger Henning Rösel: ImHinblick auf die Diskussion, die iterativ warund dann zu dem Gesetz geführt hat, kannich sagen: An eine Diskussion, die Öffent-lichkeitsbeteiligung in der Erkundungsphasebewusst und gewollt auszuschließen, habeich nicht die geringste Erinnerung. Das warnie Thema. Das Thema war - völlig klar -:Planfeststellungsverfahren, Öffentlichkeits-beteiligung. Es ist nie thematisiert worden,das bergrechtliche Verfahren anzuwenden,um die Öffentlichkeitsbeteiligung auszu-schließen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Damit haben wir die ersteBerliner Stunde absolviert. Meine Frage andie Fraktionen ist, ob wir jetzt den zweitenGutachter, Herrn Sachverständigen Möller,der sich schon im Raum befindet, bittensollten, seinen Vortrag zur Historie zu halten,Herrn Rösel dann anschließend, um dannvor dem Hintergrund dieser beiden Vorträgedie Befragung fortzuführen, bei der wir unsauf die Historie, aber ausdrücklich auch wei-terhin auf die rechtlichen Grundlagen und aufdie Strukturen der Behörden beziehen. Wirsehen: Wenn wir über rechtliche Grundlagenund Behördenstrukturen reden, dann gelan-gen wir automatisch zu dem, was sich vordiesem Hintergrund historisch entwickelthat. - Herr Kollege Grindel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich habenur eine Frage. Herr Rösel, bei uns ist ange-kommen, dass Sie uns um 15.30 Uhr verlas-sen müssen. Ist das richtig?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichhabe gegenüber Frau Heimbach einen ent-sprechenden Wunsch geäußert, weil meineFrau heute Abend einen Arzttermin hat. Esist aber keine Conditio sine qua non.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dannmöchte ich zumindest die Frage stellen, obwir es vor dem Hintergrund und mit Blick aufdie nahende Mittagspause so machenkönnten, dass Herr Rösel jetzt seinen Vor-trag zur Historie hält, wir die Befragung vonHerrn Rösel abschließen, damit er sich umseine Frau kümmern kann, und dann mitHerrn Möller fortsetzen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Müssen wir jetzt länger darüber diskutieren?

(Ute Vogt (SPD): Kurz!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Kurz. - Frau Vogt, bitte.

Ute Vogt (SPD): Herr Grindel hat eineFrage gestellt, die wir, glaube ich, beantwor-ten können. Wir haben die Tagesordnungbewusst so gemacht. Ich denke, wenn HerrMöller jetzt seinen Vortrag hält, im Anschlussdaran Herr Rösel zu Wort kommt und wir beider Befragung zuerst schwerpunktmäßigHerrn Rösel befragen, dann kommen wir mitder Zeit hin. Das hätte auch den Vorteil, dassHerr Rösel eine kleine Pause hätte und einanderer Akzent hineinkommt - wie wir esvereinbart hatten und wie es auch in derTagesordnung zum Ausdruck kommt. Dasswir jetzt beide Vorträge hören, wäre sinnvoll.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dannwäre mein Vorschlag, dass wir zuerst HerrnRösel befragen, damit er dann gehen kann,und dass wir dann mit Herrn Möller fortset-zen.

Ute Vogt (SPD): Das können wir machen.Aber wir hören jetzt erst Herrn Möller.

(Zuruf: Beide!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja, wirhören beide.

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1. Untersuchungsausschuss 24[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Wirbitten jetzt Herrn Möller zu uns in dieseRunde.

Herr Dr. Möller, ich darf Sie, der Sieschon eine ganze Weile bei uns sind, offiziellbegrüßen. Ich freue mich sehr, dass Sie anunserer Ausschusssitzung teilnehmen unduns Auskunft geben wollen.

Es folgt zunächst ein formaler Schritt.Herr Rösel ist für uns ein alter Bekannter.Daher brauche ich nur Sie vorzustellen. Dastue ich auch, damit die Zuhörer wissen, wa-rum der Ausschuss Sie heute als Sachver-ständigen geladen hat. Sie haben ein Stu-dium der Geschichtswissenschaft und derPädagogik an der Universität der Bundes-wehr in Hamburg absolviert. 2007 haben Sieeine Promotion zum Thema „Endlagerungradioaktiver Abfälle in der BundesrepublikDeutschland“ vorgelegt. - Gibt es aus IhrerSicht noch weitere Informationen zu IhrerPerson, die Sie dem Ausschuss zur Verfü-gung stellen möchten?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: DieDissertation ist die wesentliche Grundlage fürmeine heutige Anhörung. Dieser Dissertationliegt das Interesse an Endlagerungsfragenzugrunde. Insofern bedarf es keiner Ergän-zung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Dann darf ich Sie darauf hin-weisen, dass wir eine Tonbandaufnahme vonder Sitzung fertigen, die ausschließlich demZweck dient, die stenografische Aufzeich-nung der Sitzung zu erleichtern. Die Auf-nahme wird nach Genehmigung des Proto-kolls gelöscht. Das Protokoll dieser Anhörungstellen wir Ihnen - wie natürlich auch HerrnRösel - nach Fertigstellung zu. Sie haben dieMöglichkeit, innerhalb von zwei Wochenetwaige Korrekturen und Ergänzungen vor-zunehmen.

Auch Sie darf ich formal belehren. DerAusschuss hat Ihnen die Beweisbeschlüsse17-105 und 17-127 - der erste ging an Sie,Herr Dr. Möller, und der zweite an HerrnRösel - sowie den Untersuchungsauftragzugesandt. Die Empfangsbestätigungenliegen dem Sekretariat vor. Sie sind alsSachverständige nach § 28 Abs. 4 des Un-tersuchungsausschussgesetzes verpflichtet,Ihr mündliches Gutachten unparteiisch, voll-ständig und wahrheitsgemäß zu erstatten.

Noch folgender Hinweis - das ist sicher-lich auch für Sie kaum relevant; aber es ist

gesetzlich vorgeschrieben -: Nach § 28Abs. 1 des Untersuchungsausschussgeset-zes können Sie die Auskunft auf solche Fra-gen verweigern, deren Beantwortung Sieselbst oder Angehörige im Sinne des § 52Abs. 1 der Strafprozessordnung der Gefahraussetzen würde, einer Untersuchung nacheinem gesetzlich geordneten Verfahren,insbesondere wegen einer Straftat oder einerOrdnungswidrigkeit, zum Beispiel einemDisziplinarverfahren, ausgesetzt zu werden.Sollten Teile Ihres Gutachtens aus Gründendes Schutzes von Dienst-, Privat- oder Ge-schäftsgeheimnissen nur in einer nach Ge-heimschutzordnung des Bundestages einge-stuften Sitzung möglich sein, bitte ich Sie umeinen Hinweis, damit der Ausschuss danngegebenenfalls einen entsprechenden Be-schluss fassen kann.

Haben Sie dazu Fragen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Nein, habe ich nicht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann können wir mit der Erstattung desmündlichen Gutachtens beginnen. Ichmöchte auch Ihnen vorab sagen, dass essich heute um eine Einführung handelt. Dasheißt, wir wollen uns zunächst einmal überdas Umfeld schlaumachen, innerhalb dessender Untersuchungsausschuss den Untersu-chungsauftrag selbst sicherlich noch langeZeit diskutieren wird. Hierzu heißt es im Be-weisbeschluss 17-105:

Der Sachverständige soll aus histo-rischer Sicht mündlich eine Einfüh-rung in die Themen des Untersu-chungsauftrags geben und dabeidie geschichtliche Entwicklung der(Vor-)Auswahl möglicher Standortefür ein integriertes Entsorgungs-zentrum sowie möglicher Endlager-stätten für radioaktive Abfälle inDeutschland, insbesondere im Hin-blick auf den Standort Gorleben,darstellen.

Nach dem Beweisbeschluss 17-127 gehtes um die historischen Abläufe hinsichtlichder Erkundung des Salzstocks Gorleben alsEndlager für hochradioaktive Abfälle bis zumJahr 1983.

Dem Ausschuss ist dankenswerterweiseam 11. Juni 2010 als MAT A 55 von HerrnRösel und am 16. Juni 2010 als MAT A 56 -jetzt auch als MAT A 56/1; das ist gerade alsTischvorlage verteilt worden - von Ihnen,

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1. Untersuchungsausschuss 25[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Herr Möller, eine Kurzfassung des Vortragesübersandt worden.

Ich bitte Sie dann, dem Ausschuss vorzu-tragen. Es ist vorgesehen, dass zunächstHerr Dr. Möller bis zu 30 Minuten vorträgtund anschließend Herr Rösel bis zu30 Minuten. Wir haben gerade gehört, HerrRösel, dass Sie gern um 15.30 Uhr abreisenwürden. Daher werden wir versuchen, zu-nächst Sie zu befragen und Ihre Befragungbis dahin möglichst abzuschließen. - Bitteschön, Herr Dr. Möller.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichhabe mehrere Anmerkungen dazu. Derzweite Beweisbeschluss zur Erkundung desSalzstocks Gorleben für hochradioaktiveAbfälle bis 1983 ist mir nicht bekannt.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Derbetrifft Herrn Rösel. Es gibt zwei Beweisbe-schlüsse, einen für Herrn Rösel und einen fürSie, Herr Dr. Möller. Ihnen ist nur der zuge-gangen, der auf Sie rekurriert.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Gut. - Die 30-Minuten-Marke ist mir schriftlichnicht mitgeteilt worden. Insofern habe ichmich auf mehr eingerichtet. Ich halte es auchfür sehr schwierig, dieses breite Thema, dieVorauswahl von Endlagerstätten, insbeson-dere Gorleben, innerhalb von 30 Minutendarzustellen. Ich will Herrn Rösel gern einzeitiges Fortkommen ermöglichen. MeinVortrag ist jedoch nicht auf die Marke von30 Minuten ausgerichtet. Ich biete an, dieDarstellung zu den 60er-Jahren wegzulas-sen. Dann bin ich im Wesentlichen im Be-reich der Vorauswahl, die durch die EndeMai vorgelegte Studie des NMU noch einmalintensiv aufgearbeitet worden ist und diesicherlich der Hauptgegenstand ist. Oder ichfange mit dem an, was ich zu den60er-Jahren geschrieben habe; dann brau-che ich aber wesentlich länger als30 Minuten.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Eswäre sehr schön, wenn Sie sich auf das kon-zentrieren würden, was letzten Endes denUntersuchungsausschuss besonders inte-ressiert. Das ist der Zeitraum von 1977 bis1983. Darüber hinaus haben Sie uns freund-licherweise die Tischvorlagen und die Vorla-gen zur Verfügung gestellt. Daher besteht inden Fragerunden die Möglichkeit, über dashinaus, was Sie vortragen, Fragen zu stellen.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichmache dann an der Stelle den Vorschlag,dass ich das Vorwort so vorlese, wie ich esgeplant hatte. Dann bekommen Sie eineVorstellung davon, was der Vortrag eigentlichalles beinhaltet. Ich lasse dann, wenn dasZustimmung findet, die entsprechendenTeile, die nichts mit der Vorauswahl vonGorleben zu tun haben, weg.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Okay.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Gut. - Ich bin aufgefordert, heute eine Einfüh-rung in die geschichtliche Entwicklung derVorauswahl möglicher Endlagerstätten fürradioaktive Abfälle in der BundesrepublikDeutschland sowie möglicher Standorte fürein integriertes Entsorgungszentrum mit Fo-kus auf Gorleben zu geben. Zur Vorbereitunghabe ich auf Akten der 60er- und 70er-Jahrezurückgegriffen, auf die ich im Zuge der Re-cherchen für meine Dissertation aufmerksamgeworden bin. Neben verschiedenen Inter-netquellen habe ich mich im ersten Schwer-punkt der Untersuchungen zur Standortwahleiner Versuchskaverne zur Einlagerung ra-dioaktiver Rückstände aus dem Jahre 1965bedient. In die Zeit der Vorbereitung meinesVortrags fiel die Veröffentlichung der Studiedes NMU zum niedersächsischen Auswahl-und Entscheidungsprozess für Gorleben. Siestellt den neuesten historischen Forschungs-stand dar, weswegen ich mich im zweitenHauptteil meines Vortrags in ausgewähltenBereichen intensiv damit auseinandersetzenwerde.

Im ersten der beiden Hauptteile, der sichmit der Vorauswahl möglicher Endlagerstät-ten in den 60er-Jahren befasst, habe ich dieAkten unter zwei einschränkenden Suchkrite-rien betrachtet. Erstens: Entscheidungspro-zesse im Zusammenhang mit der Auswahleines Standorts an der Grenze zur DDR;zweitens: Entscheidungsprozesse, die einenVergleich mehrerer Standorte erforderten.Folglich werde ich mich nicht mit Entschei-dungsprozessen befassen, die zur Auswahlaufgelassener Bergwerke in Salz- oder ande-ren Gesteinsformationen geführt haben.

Die gemäß Beweisbeschluss geforderteSchwerpunktsetzung auf die Vorauswahl vonGorleben habe ich darüber hinaus zum An-lass genommen, alle Themenbereiche skiz-zenhaft zu behandeln, die nicht unmittelbardiesen Kernbereich betreffen.

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1. Untersuchungsausschuss 26[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Ich käme dann normalerweise zum erstenHauptteil, lasse ihn aber an dieser Stelleweg.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Können wir den schriftlich bekommen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ja,ich reiche ihn schriftlich nach.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wunderbar.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Dann komme ich zu dem Teil der Standort-suche für ein integriertes Entsorgungszen-trum gemäß Beweisbeschluss bzw. der kon-kreten Vorauswahl von Gorleben.

Ursprünglich sah mein Konzept für denheutigen Tag vor, Ihnen an dieser Stelle vonden Aussagen des dritten Atomprogramms1968 bis 1972 zum Bau einer Wiederaufar-beitungsanlage zu erzählen, ferner vomUnited-Reprocessors-GmbH-Vertrag von1971, vom ersten Energieprogramm vom3. Oktober 1973, den Kernenergieausbau-planungen, das heißt, dem beabsichtigtenZubau von mindestens 30 Kernkraftwerkenbis 1985, von den KEWA-Studien 1224 und1225, der Auswahl und vergleichenden Be-wertung von zunächst 26 Standorten in dergesamten Bundesrepublik und der letztlichenKonzentration auf drei Standorte in Nieder-sachsen, die Herr Rösel eben schon genannthat, nämlich Wahn, Lichtenhorst und Lutter-loh.

Seit dem 28. Mai liegt nun aber eine mehrals 100 Seiten starke detailreiche Studie desNMU vor, die all diese grundsätzlichen As-pekte und Verläufe beinhaltet. Eine bloßeWiedergabe dieser neuesten historischenForschungsergebnisse hätte nichts zur Auf-klärung dieses Ausschusses beigetragen. Ichhabe mich daher für eine andere, stärkerzielführende Vorgehensweise entschieden.Ich halte die Studie für einen wichtigen Bei-trag, weil sie durch ihre Datenbasis den Blickfür Widersprüche und zentrale, zu klärendeFragen öffnet. Im Zuge der dennoch notwen-digen systematischen Hinterfragung müssennun vorrangig Fragen der Zielsetzung, derStrategie, der taktischen Schaffung, Erhal-tung und Nutzung von Handlungsspielräu-men und auch der Inszenierung gestellt undbeantwortet werden. Bevor ich mich in dieserHinsicht mit Details auseinandersetze, halteich es für zweckmäßig, den Entscheidungs-

prozess nach Darstellung der Studie in sei-nen Grundzügen zu skizzieren. Das gibtauch noch einmal ganz generell eine Einfüh-rung in das Thema.

Erster Schritt. Ende 1975/Anfang 1976hat das NMW der KEWA 20 alternativeStandorte aufgezeigt, unter denen sich auchGorleben befunden hat. Das findet sich in derStudie auf den Seiten 90 und 94.

Zweiter Schritt. Im Zuge eines detailliertenVergleichs durch die KEWA hat sich fürGorleben in der zweiten Jahreshälfte 1976eine Bewertung ergeben, die deutlich besserals die für die bis dahin in Aussicht genom-menen Standorte Wahn, Lichtenhorst undLutterloh ausfiel. Das findet sich auf denSeiten 47 ff.

Dritter Schritt. Auf dieser Grundlage istGorleben im Rahmen des Ministergesprächsvom 11. November 1976 als zusätzlicheStandortmöglichkeit von Walther LeislerKiep - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Estut mir leid, Herr Möller. Ich muss Sie leiderunterbrechen. Frau Kotting-Uhl möchte einenAntrag zur Geschäftsordnung stellen. Ichunterbreche die Sitzung vorsorglich, weil ichglaube, dass das sicherlich zu einer Debatteführt. Es tut mir wirklich leid; ich muss dieNichtöffentlichkeit herstellen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ent-schuldigung! Wenn sie einen Antrag

stellt, dann können wir darüberdoch abstimmen!)

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich möchte den Antrag in öffent-licher Sitzung stellen. Das ist so Usus. Ichstelle jetzt also diesen Geschäftsordnungs-antrag. Ich wusste nicht - ich habe es zwarangenommen, aber ich wusste es nicht -,dass jetzt so stark die Rede von der Studievon Herrn Tiggemann sein wird. Die Opposi-tionsfraktionen haben Herrn Tiggemann - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Jetzt stelle ich die Nichtöffentlichkeit her,indem ich die Sitzung unterbreche. Wir hat-ten das gestern im Obleutegespräch so mit-einander vereinbart. Ich bitte darum, dassdiejenigen, die keine Zugangsberechtigungzu diesem Raum haben, diesen jetzt verlas-sen. Wir werden Ihnen umgehend einenHinweis zukommen lassen, sobald die öf-fentliche Sitzung fortgesetzt werden kann.

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1. Untersuchungsausschuss 27[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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(Unterbrechung des SitzungsteilsSachverständigenanhörung, I: Öf-

fentlich: 13.07 Uhr - Folgt Sit-zungsteil Beratung, II: Nichtöffent-

lich)

(Wiederbeginn des SitzungsteilsSachverständigenanhörung, I: Öf-

fentlich: 13.34 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dieÖffentlichkeit ist wiederhergestellt. Ich be-grüße erneut unsere beiden Sachverständi-gen. Der Ausschuss legt großen Wert darauf,dass Sie, Herr Möller, Ihren Vortrag jetzt zuEnde führen - Ihnen stehen noch 20 Minutenzur Verfügung -, dass danach in jedem Fall -bevor wir in die Pause gehen - Herrn RöselGelegenheit gegeben wird, vorzutragen. HerrMöller, Sie haben für Ihren Vortrag also noch20 Minuten Zeit, das heißt, bis 13.50 Uhr.Danach bitte ich Herrn Rösel, bis 14.20 Uhrvorzutragen.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichwar bei Punkt drei stehen geblieben. - Aufdieser Grundlage ist Gorleben im Rahmendes Ministergesprächs vom 11. November1976 als zusätzliche Standortmöglichkeit vonWalther Leisler Kiep und Ernst Albrecht zurSprache gebracht worden, was sich auf Seite91 findet.

Vierter Schritt. Die durch den IMAK imAnschluss vorgenommene eigenständige Be-wertung hat die Spitzenstellung Gorlebens imVergleich mit weiteren alternativen Standor-ten bestätigt, Seite 91 der Studie.

Fünfter Schritt. Der Standort ist daherauch in eine Kabinettsvorlage vom 9. De-zember 1976 aufgenommen worden, dieGorleben neben den Standorten Lichten-horst, Mariaglück und Wahn zur weiterenUntersuchung empfohlen hat. Das findet sichauf den Seiten 92 ff.

Sechster und letzter Schritt in dieserSkizze des Prozesses. Diese Auswahl, alsodie letzten vier Standorte, ist im Zuge einerweiteren Kabinettsvorlage auf Gorleben undLichtenhorst eingeengt worden - Seite 93 -und bis zur Standortbenennung durch dasLandeskabinett am 22. Februar 1977 nichtmehr verändert worden. Das befindet sichauf Seite 97.

Ich will im Folgenden Anmerkungen zudiesen Einzelschritten, teilweise schrittüber-greifend, machen und hierzu den jeweiligenSchritt zwecks besserer Verständlichkeitwiederholen. Zunächst geht es um die über-geordnete Frage, was am Anfang des Pro-zesses steht und was am Ende.

Anmerkungen zu Schritt eins: NMWübermittelt Ende 1975/Anfang 1976 20 al-

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ternative Standortvorschläge an die KEWA,unter denen sich auch Gorleben befindet. Esstellt sich die Frage nach dem Grund. DieStudie gibt an, wasserwirtschaftliche Beden-ken und Belange des Naturschutzes bei denStandorten Lichtenhorst und Lutterloh seienausschlaggebend gewesen. Das steht aufSeite 20. Diese Darstellung wird an andererStelle, auf Seite 23, grundsätzlich beibehal-ten, insgesamt jedoch relativiert. Als Quellewird allerdings keine Akte aus dem betref-fenden Vorgang, sondern ein erst am 9. März1977 von NMW-Referats- und IMAK-LeiterKlaus Stuhr für NMW-Staatssekretär Röhlererstellter Vermerk genannt.

Fragwürdig erscheinen mir sowohl derfrühe Zeitpunkt der Bedenkenbildung alsauch die Zuständigkeit des NMW. Als diewasserwirtschaftlichen Fragen im Sommer1976 tatsächlich zum Argument gegen Lut-terloh und Lichtenhorst wurden - dazu mussman einmal die Seite 33 in der Studie alsVergleich heranziehen -, lag nämlich dieZuständigkeit beim NML. Mit Blick auf Schrittsechs - ich gebe ihn noch einmal wieder: dasLandeskabinett hat letztlich die Wahl zwi-schen Gorleben und Lichtenhorst gehabt -ergeben sich darüber hinaus zentrale Fra-gen:

Erste Frage: Wenn die wasserrechtlichenBedenken gegen Lichtenhorst am Anfangstanden, wie kann dann Lichtenhorst im Fe-bruar 1977, als es die NiedersächsischeLandesregierung bzw. das federführendeNMW in der Hand hatte, die eigenen Interes-sen einzubringen, zur letzten Alternative fürGorleben werden? Zweite Frage in dem Zu-sammenhang: Welchen Schluss lässt dies a)für die Schwere der anfänglichen Bedenkenund b) für den Wert der letzten Alternativezu? Hier wäre eine konsequente Verfolgungder Bewertungen für Lichtenhorst nötig ge-wesen.

Losgelöst von diesen Fragen ist es vonerheblicher Bedeutung, ob die Übermittlungalternativer Standortvorschläge noch in dieZeit des Kabinetts Kubel II fällt oder in denersten Wochen der neuen RegierungAlbrecht, also nach dem 15. Januar 1976,geschah. Wolfgang Issel, der damalige Pro-jektleiter der KEWA, stellt, wie in der Studiedurchaus bemerkt wird, nämlich auf Seite 23,Fußnote 118, in seiner 2003 veröffentlichtenDissertation fest - ich zitiere -:

Zu Beginn des Jahres 1976 seienauf Wunsch des niedersächsischenWirtschaftsministeriums weitere

Standorte in die Voruntersuchungeneingebracht

- Zitatende - worden. Das ist Issel, Seite 217.Er bezieht sich hierbei auf ein Schriftstückaus seinen Privatunterlagen, vielsagender-weise vom 24. Februar 1976.

5

Ein erster, zunächst erfolgloser Versuchder neuen Landesregierung, Einfluss auf dasProjekt zu nehmen, wäre sehr bemerkens-wert und würde zahlreiche Fragen nach sichziehen, zumal Ministerpräsident Albrecht indiesem ersten Monat das Amt des Wirt-schaftsministers noch selbst bekleidete. Inden Akten, die der Studie des NMU zugrundelagen, fanden sich bedauerlicherweise keineEinzelheiten zur Auswahl dieser Standort-möglichkeiten oder zur Übermittlung an dieKEWA. Das wird auf Seite 23 ausgeführt.

Anmerkungen zu Schritt drei: Lüchow-Dannenberg wird auf der Grundlage derKEWA-Ergebnisse am 11. November 1976von Walther Leisler Kiep und Ernst Albrechtals zusätzliche Möglichkeit vorgeschlagen.Diese Aussage ist grundsätzlich richtig, mussaber erweitert werden. Das Ergebnis des11. November 1976, nämlich die Bereit-schaft, einen vorläufigen Standort zu benen-nen, war eine deutliche Strategie- und Qua-litätsveränderung - das ist in der Studie aufden Seiten 35 bis 39 sehr breit dargestellt -,die sowohl für Beamte der niedersächsi-schen Seite als auch für den Bund - dazuspeziell Seite 39 - unerwartet bzw. sogarüberraschend - Seite 44 - war. Wenn aufbeiden Seiten die Erwartungen niedrig warenund durchaus Verständnis für die Lage derGegenseite herrschte, dann stellt sich dieFrage umso drängender, weshalb derartplötzlich ein Wechsel in den Absichten derniedersächsischen Seite erfolgte. Hierzu istein Blick in die Details nötig.

Vor dem Asse-Untersuchungsausschussdes Niedersächsischen Landtages gab Kiep

5Anmerkung des Sachverständigen: „In meinem

Vortragstext heißt es an dieser Stelle: ‚Wolfgang Issel,der damalige Projektleiter der KEWA, stellt – wie dieStudie durchaus bemerkt (S. 23, Fn 118) – in seiner2003 veröffentlichten Dissertation fest, zu ‚Beginn desJahres 1976‘ seien ‚auf Wunsch des WiMiNS weitereStandorte in die Voruntersuchung eingebracht worden‘(Issel, S. 217). Er bezieht sich hierbei auf einSchriftstück aus seinen Privatunterlagen vom24.2.1976.‘Ich bin im Vortrag geringfügig von dieser Versionabgewichen. Ich halte es dennoch für wichtig, denEindruck zu vermeiden, das im Protokollwiedergegebene Zitat finde sich exakt so bei Issel.“Anlage 2

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folgende Passagen aus seinem Tagebuch zuProtokoll - ich zitiere im Folgenden wörtlich -:

Im Finanzministerium ProfessorMandel … empfangen, die

- das steht da so -

wegen der Entsorgungsanlage vor-sprechen. Neu ist, dass keine Pro-bebohrungen nötig sind, da Wahn(Emsland) eindeutig als günstigsterStandort feststünde. Als ich meineGedanken Lüchow-Dannenberg insGespräch bringe, höre ich zu mei-nem Erstaunen, dass dieser Ort inder Tat auch überprüft wurde, aberwegen der Nähe zur Zonengrenzenicht infrage käme. Dann

- ich betone: „Dann“ -

eile ich in den Landtag, wo um10 Uhr die Bundesminister Fride-richs, Maihofer und Matthöfer mitAlbrecht, Bosselmann, Hassel-mann, Schnipkoweit, Hedergott,Bruns … Jahn … Präsident Müllerund mir zusammentreffen. RiesigerAufmarsch von Presse und TV. Esgeht um die Entsorgungsanlage, diein Niedersachsen errichtet werdensoll, weil hier der einzige Platz inDeutschland ist, wo es Salzstöckegibt, in denen eine Endlagerung vonatomarem Material denkbar ist!

Offensichtlich hat sich Kiep unmittelbar -ich betone: unmittelbar - vor der Bespre-chung - er eilt zu dieser Sitzung - mit Vertre-tern der Energieversorgungsunternehmenbzw. der Industrie getroffen. Mit „ProfessorMandel“ ist Professor Heinrich Mandel ge-meint, damals Vorstandsmitglied von RWE,der Verfechter der Kernenergie dort undzusätzlich Präsident des Deutschen Atomfo-rums, der sich bereits am 8. November 1976schriftlich an Albrecht gewandt hatte. Zudiesen beiden Sachverhalten sollte man sichdie Studie des NMU - Seite 36, Fußnote 178,und zusätzlich Seite 44, Fußnote 21 - an-schauen. Das wird darin nämlich sehr wohlzur Kenntnis genommen.

Der mit „die“ eingeleitete Nebensatz lässtdarauf schließen, dass es sich um mindes-tens einen weiteren EVU- oder Industriever-treter gehandelt haben muss. Offensichtlich -das ist jetzt der konkrete Inhalt dieser Pas-sage - hatte Kiep bereits über nicht genannteVorzüge von Lüchow-Dannenberg nachge-dacht, war aber nicht über Details der so gutwie abgeschlossenen Neubewertung durch

die KEWA - Seite 49, Fußnote 46 in der Stu-die - informiert.

Das zeigt sich auch im nächsten Teil derTagebuchaufzeichnungen, in dem es umInhalte des Ministergesprächs und der an-schließenden Runde mit den Fachbeamtengeht. Ich zitiere:

Ergebnis: Wir erklären uns einver-standen, dass die Bundesregierungeinen Genehmigungsantrag stellt,nach dem wir ihr in Kürze einenStandort zuweisen. Hier gelingt esmir, Lüchow-Dannenberg als vierteMöglichkeit aufnehmen zu lassen.Wir weisen ausdrücklich darauf hin,dass alle Phasen des Verfahrensfür sich bewertet und beurteilt wer-den und dass es eine Vorwegge-nehmigung nicht gibt, auch keinePräjudizierung des Landes durchden Bund! Maihofer sichert diesesausdrücklich zu. Dann

- noch einmal die Betonung: „Dann“ -

ziehen wir unsere Experten zu. Lü-chow erweist sich zu meiner Über-raschung als der Standort mit denbesten Voraussetzungen! Albrechtund Maihofer gehen zur Presse, wiressen.

Das deckt sich im Grundsatz mit den Auf-zeichnungen Matthöfers. Die habe ich Ihnenals Tischvorlage zur Verfügung gestellt. Dasist der erste Ministerblock, dieser Ausriss,persönlicher Referent. Da hat Matthöfer per-sönlich aufgeschrieben, wie das Gesprächverlaufen ist. Sie sehen tatsächlich, es decktsich. Kiep ist derjenige, der sagt, es gibtmehr als die drei Standorte. Sie sehen,Albrecht sagt, wie verabredet, Lüchow-Dan-nenberg. Dann hat es vielleicht noch einmaleinen Ansatz von Kiep gegeben; der ist abernicht protokolliert. Vielleicht hat er auch nureinen Ansatz gemacht. Dann sagt der Fach-beamte Hagen, der Referatsleiter BMFT 315,sinngemäß: Ja, wir können uns über einenvierten Standort unterhalten. Aber Lüchow istbislang aufgrund der Grenznähe ausge-schieden. - Dann springt dem Minister einerseiner Beamten bei - die Studie identifiziertdiesen Beamten als Herrn Stuhr - und sagt:Ja, aber von der Geologie her ist Gorlebenan der Spitze gewesen. - Das ist ein Teil.

Die Feststellung Kieps, es sei ihm gelun-gen, Lüchow-Dannenberg als vierte Möglich-keit aufnehmen zu lassen, liegt - das ist vonerheblicher Bedeutung - in dem Teil der Ta-gebuchaufzeichnungen, der den ersten Teil

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1. Untersuchungsausschuss 30[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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des Gesprächs am 11. November, der Mi-nisterklausur, wiedergibt. Die Aufnahme liegtvor der Hinzuziehung der Experten. Dasheißt, Kieps derzeit unbekannten andersarti-gen Vorüberlegungen, die er im Gesprächmit Mandel erwähnt hat, geben den Aus-schlag und werden mit der fachlichen Be-wertung untermauert. Die Formulierung „zumeiner Überraschung“ unterstreicht die ur-sprüngliche Getrenntheit dieser beiden Ein-flüsse deutlich. Die grundsätzliche gedank-liche Kategorie ist Landkreis, nicht Salzstock.

Es stellen sich zunächst mindestens zweizentrale Fragen. Erstens. Welche Motiveveranlassten Kiep, Lüchow als vierte Stand-ortmöglichkeit zu thematisieren? Zweitens.Wie nahe stand Kiep der Elektrizitätswirt-schaft?

Einen gewichtigen Hinweis auf die Art vonKieps Gedanken liefert ein Gesprächsver-merk des Bundeskanzleramts vom15. Dezember 1976 - auch den finden Sie inIhrer Tischvorlage -, den ich im Zuge derArbeiten zu meiner Dissertation im Archiv dersozialen Demokratie gefunden habe. Hierheißt es am 15. Dezember 1976, also etwaeinen Monat nach dem Gespräch:

Dieses Gespräch

- also noch einmal: am 11. November 1976 -

brachte grundsätzlich Einverneh-men über die Errichtung des Ent-sorgungszentrums in Niedersach-sen. Offen blieb jedoch, ob es mög-lich wäre, für das Entsorgungszent-rum den 4 Kilometer von der DDR-Grenze entfernten Salzstock Gorle-ben (Lüchow-Dannenberg) zuwählen. Hier handelt es sich umden Standort mit der technologischgünstigsten Platzziffer aus demKreis der geeigneten Standorte (2).Die anderen Standorte Lutterloh,Lichtenhorst, Wahn, Börger kom-men auf die Platzziffer 3,5. DerSalzstock Gorleben reicht jedochauf 5 Kilometern Breite in DDR-Ge-biet hinein, wo zwei Fünftel desSalzstocks liegen.

Jetzt kommt das Wesentliche:

Die mit der DDR-Nähe verbundeneProblematik ist in zwei Bespre-chungen von den zuständigen Bun-desressorts mit Beamten des nie-dersächsischen Wirtschaftsminis-ters erörtert worden.

- Das ist Kiep. -

Dabei wurde eine Präferenz desniedersächsischen Wirtschaftsmi-nisters

- nicht: Wirtschaftsministeriums -

für Gorleben deutlich,

- jetzt kommt es -

weil bei diesem Standort die Mög-lichkeiten der innerpolitischenDurchsetzung am günstigsten be-urteilt werden. Es handelt sich umein abgelegenes, dünn besiedeltesGebiet mit einfachen Eigentums-strukturen.

(Zuruf)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Eswerden sich dazu sicherlich gleich Fragenergeben. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen:Sie haben noch eine gute Minute; dann müs-sen wir zu dem anderen Sachverständigenwechseln.

(Zuruf: Fünf vor, nicht zehn vor! Wirhaben um fünf nach halb begon-

nen!)

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Gut. Ich beeile mich mit dem nächsten Teil.

Anmerkungen zu den Schritten zwei undvier: Spitzenstellung Gorlebens im Vergleichdurch die KEWA und im Vergleich durch denIMAK. Ich folge in diesem Bereich zunächstder grundsätzlichen Fragestellung: Was wargefordert, was wurde vorgelegt? Gefordertwar mit dem Arbeitsauftrag an den IMAKvom 16. November 1976 gemäß der Studiedes NMU - hier zitiere ich - „eine objektivesynoptische Gegenüberstellung“. Das stehtauf Seite 48. Geliefert wurde mit der Kabi-nettsvorlage vom 9. Dezember 1976 eine Be-schreibung von sieben Standorten - und jetztwieder Originalwortlaut der Studie -, „ohnedass ein direkter Vergleich der Standortevorgenommen wurde“; Seite 55. Ich haltedas aufgrund meiner Verwaltungserfahrungfür einen sehr bemerkenswerten Vorgang.Ein Kabinett fordert eine objektive synopti-sche Gegenüberstellung, und vorgelegt wirdeine aneinanderhängende Beschreibung.

Obschon ein Kriterienkatalog mit Ge-wichtungen und eine Punkteskala zur Be-wertung - null bis vier - aufgestellt wurden,war - wie in der Studie selbst festgestelltwird - schließlich weder aus der Kabinetts-vorlage noch aus im Vorfeld angefertigten

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1. Untersuchungsausschuss 31[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Schriftstücken ersichtlich - Zitat -, „wie vielePunkte die einzelnen Standorte erhaltenhatten“. Das steht auf Seite 56.

Es stellen sich damit zwei eng miteinan-der verknüpfte, zentrale Fragen: Erstens.Wäre Gorleben im Rahmen einer objektivensynoptischen Gegenüberstellung nicht be-gründbar gewesen? Zweitens. Hätte dieVorfestlegung auf Gorleben, die es dadurchgab, dass Ministerpräsident Albrecht undKiep diesen Vorschlag gemacht haben, ei-nem systematischen, in der Anwendung derKriterien konsequenten Vergleich nichtstandhalten können? Die Studie liefert dieKriterien. Sie liefert keine Aussage darüber,ob die Kriterien auch tatsächlich konsequentangewandt worden sind. Das ist ein ganzwesentlicher Punkt.

Ich stelle das fest, was ich schon in mei-ner Zusammenfassung gesagt habe: DasKernstück des Vergleichs der Standorte fehltdamit.

Der Rest des Vortrags beschäftigt sich mitder Rolle des IMAK. Dazu habe ich Ihnenzwei Tischvorlagen vorgelegt, die Zäsurendeutlich machen, die auch in der Studie ge-nannt werden und zu denen sich Fragen zurTätigkeit des IMAK ergeben, insbesondereim August, September, Oktober und Novem-ber, also in der Zeit, als es noch nicht um dieStandortvorauswahl ging. Es stellt sich diewesentliche Frage: Was hat der IMAK indiesen Monaten eigentlich gemacht? Wel-ches Projekt gab es da zu koordinieren? Anwelchem Projekt galt es da aus Sicht derLandesregierung mitzuwirken, wenn dochdurch die Probebohrungen eigentlich allesauf Stillstand programmiert war? - Das wareine Schnellzusammenfassung des letztenTeils.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank, Herr Dr. Möller, für IhreAusführungen. - Ich bitte jetzt Herrn Röselum seine Ausführungen.

Sachverständiger Henning Rösel: Vie-len Dank. - Es geht bei meinem Vortrag umdie historischen Abläufe hinsichtlich der Er-kundung des Salzstocks Gorleben als Endla-ger für hochradioaktive Abfälle bis zum Jahre1983. Ich werde jetzt nicht Datum für Datumaufrufen, sondern ich habe die grundsätzli-che Vorgehensweise gewählt, die letztlichzum Tragen gekommen ist, und werde dieSchrittfolgen schildern. Deswegen werde ichauch mit der Zeit auskommen.

Ich hatte Ihnen heute Vormittag gesagt,dass wir vom BMI im Juli 1977 den Auftragbekommen haben, die Einleitung des Plan-feststellungsverfahrens nach § 9 b vorzube-reiten und gleichzeitig die Vorbereitungen fürdie Erkundung des Salzstocks Gorleben zutreffen. Aufgrund interner Überlegungen wa-ren wir zu der Auffassung gelangt, dass zu-nächst die Erkundung des Salzstockinnerenim Vordergrund stehen müsse. Wir warender Auffassung, dass im Hinblick auf dasZiel - spätere Endlagerung - zunächst einegrundsätzliche Bewertung des Salzstock-inneren vorgenommen werden sollte, bevormit einem großen Arbeitsaufwand und einemerheblichen zeitlichen und finanziellen Auf-wand die übertägige Erkundung begonnenwird. Wir waren also der Meinung, wenn manmit anderen Bohraktivitäten begänne, würdeman das Pferd vom Schwanze her aufzäu-men.

In Konsequenz dessen haben wir im Juli1977 den ersten Antrag auf Zulassung einesLokationsbetriebsplans für die erste Salz-stockuntersuchung eingereicht. Den Loka-tionsbetriebsplan haben wir deswegen ge-wählt, weil wir zunächst hören wollten, obund inwieweit die Niedersächsische Landes-regierung bereit ist, einen Standort für eineTiefbohrung zu akzeptieren. Dieser Betriebs-plan beinhaltet lediglich die Größe desStandortes und die Sicherung des Standor-tes.

Dieser Lokationsbetriebsplan wurde - ge-nauso wie die später eingereichten - zu-nächst nicht zugelassen. Grund dafür war,dass Ministerpräsident Albrecht den Grund-satz zum Ausdruck gebracht hatte, dass imersten Schritt keine Tiefbohrungen stattfin-den sollten. Er war sogar so weit gegangen -das kann man bei Herrn Tiggemann nachle-sen; ich glaube, auch bei Ihnen, Herr Möl-ler -, dass er gesagt hat, Tiefbohrungenseien erst machbar, wenn die grundsätzlichesicherheitstechnische Machbarkeit einesEndlagers nachgewiesen sei.

Das Aufrechterhalten einer solchen For-derung hätte im Ergebnis bedeutet, dasskeine Tiefbohrung hätte abgeteuft werdenkönnen; denn einen grundsätzlichen sicher-heitstechnischen Machbarkeitsnachweiskann man natürlich erst dann erbringen,wenn man die standortspezifischen Datenhat. Alles andere wäre - ich sage es einmalso - Geofantasie gewesen, also ohne An-spruch auf Realität. Im zweiten Anlauf hat ergeäußert, er wolle im Zusammenhang mit

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1. Untersuchungsausschuss 32[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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den Bohrungen erst einmal abwarten, ob undinwieweit die Akzeptanz der Bevölkerunggegeben sei.

Als Konsequenz daraus haben wir dannim Dezember 1978 einen Rahmenbetriebs-plan für ein hydrogeologisches Untersu-chungsprogramm eingereicht und einen An-trag auf Zulassung von sieben hydrogeologi-schen Aufschlussbohrungen, 26 Pegelboh-rungen, Salzspiegelbohrungen - das ist dassogenannte erste Bohrlos - gestellt. Grund-lage dieses Rahmenbetriebsplans warenzunächst einmal die Kenntnisse, die in derBundesanstalt für Geowissenschaften undRohstoffe vorhanden waren. Das heißt, dievorhandenen Daten, die sich aus früherenAktivitäten vor Ort von Ölgesellschaften undGasgesellschaften ergeben haben, wurdenvon der BGR im Hinblick auf ein erstes Paketbewertet. Man hat gesagt, in dem und demBereich soll die und die Bohrung abgeteuftwerden. Das war die Basis für die Vorge-hensweise im Sinne eines iterativen Prozes-ses.

Man hat einen ersten Schritt getan, hatBohrungen abgeteuft, und zwar zunächsteinmal hydrogeologische, um festzustellen,wie die Grundwasserverhältnisse im Deck-gebirge sind. Pegelbohrungen sind Grund-wassermessstellen. Mit Salzspiegelbohrun-gen stellt man den Salzspiegel fest. DerSalzspiegel ist sozusagen der Übergangsbe-reich zwischen Salz und dem daraufliegen-den Deckgebirge.

Dies haben wir also eingereicht. Aber dieZulassung erfolgte erst nach dem Sympo-sium „Rede - Gegenrede“ im März und April1979. Ministerpräsident Albrecht hatte klar-gemacht, Vorbedingung für die Erkundungdes Standortes Gorleben sei das Vorliegendes Ergebnisses dieses Symposiums. InKonsequenz dessen haben wir dann am 5.bzw. 17. April 1979 mit dem ersten Bohrlosbegonnen.

Die Erkundungsarbeiten sollten der Klä-rung der standortspezifischen geologischenund hydrogeologischen Gegebenheiten die-nen. Sie sollten Basismaterial und -daten fürweitere Untersuchungen und Sicherheitsbe-trachtungen liefern. Das war die Iteration, dieich eben beschrieben habe. Sie sollten imErgebnis - da sollte dann die über- und un-tertägige Erkundung mit einbezogen wer-den - eine grundsätzliche Eignungsaussagesowohl der PTB als Antragstellerin als auchspäter der Planfeststellungsbehörde ermögli-chen.

Wir haben auch Angaben gewonnen, dieeiner standortabhängigen Planung des End-lagerbergwerkes dienten. Das heißt, allesdas, was man vorher an grundsätzlichenPlanungen für das Bergwerk hatte - Stre-ckenlagerung, Bohrlochlagerung -, sollte jetztanhand der standortspezifischen Daten loka-lisiert werden. Das heißt, es sollte festgestelltwerden, wo man was machen kann. Dasbraucht man einfach, um Planungen durch-führen zu können, die später in das Planfest-stellungsverfahren Eingang finden; dennsonst kann man keine Aussage zur Eignungoder Nichteignung treffen. Sie sollten natür-lich auch der Festlegung geeigneterSchachtansatzpunkte dienen.

Die hydrogeologischen Untersuchungendienten der Erkundung der Geologie derDeckschichten über dem Salzstock Gorlebenund seiner Umgebung. Wir wollten auchwissen, ob es Einwirkungen des Grundwas-sers auf den Salzstock gab und ob die Ein-wirkungen, falls sie vorliegen sollten, in ir-gendeiner Form geeignet waren, Wechsel-wirkungen zwischen einem Endlagerberg-werk und dem Grundwasser hervorzurufen.

Die hydrogeologischen Untersuchungenwurden von Mitte April 1979 bis Februar1983 auf einer Fläche von rund300 Quadratkilometern durchgeführt. Eswurden in der Zeit 125 Aufschlussbohrungen,270 Pegelbohrungen und neun Kernbohrun-gen niedergebracht. Ausgenommen warnatürlich das Gebiet östlich der Elbe. HerrMöller hatte schon darauf hingewiesen, dasses Diskussionen darüber gab, dass sich derSalzstock östlich der Elbe fortsetzt. Dies waruns bekannt. Der Salzstock Gorleben tauchtan der Elbe auf 2 500 bis 3 000 Meter ab,setzt sich in einem dünnen Band fort undkommt auf der anderen Seite wieder hoch. Erheißt dort aber nicht mehr Salzstock Gorle-ben, sondern Salzstock Lenzen. Die beidenSalzstöcke, der Salzstock Gorleben westlichund der Salzstock Lenzen östlich der Elbe,haben also eine gemeinsame Basis. Dortgab es übrigens auch Einbrüche des Hut-gesteins mit der Folge, dass sich dort einSee ausgebildet hat, ähnlich wie der Arend-see in der Altmark.

Wir haben dann auch die Frage diskutiert,ob es vor dem Hintergrund des gemeinsa-men Fußes unter der Elbe überhaupt möglichist, eine Standortbewertung abzugeben. DieGeologen der BGR waren der Auffassung,dass man aus den Erkenntnissen, die imWesten gewonnen worden sind, durchaus

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Schlüsse für die Situation im Osten ziehenkann, sodass ein Sicherheitsnachweis vordem Hintergrund möglich sein sollte. Dasheißt, dass die Frage der Errichtung einespotenziellen Endlagers in Gorleben darannicht scheitern würde. Dass dort dann später,bedingt durch die Wiedervereinigung, dochnoch Bohrungen abgeteuft worden sind, be-merke ich an dieser Stelle nur nachrichtlich.

Das gesamte Programm führte dann zuden Tiefbohrungen, zur Kartierung der Salz-stockoberfläche und geeigneter Schachtan-satzpunkte. Es gab dann noch eine Aktivität,die sogenannte Reflexionsseismik. Da wer-den Rüttler über Tage hingestellt, die kurzrütteln. Die Wellen setzen sich bis hinunterzum Salzspiegel fort, werden also reflektiert.Auf diese Art und Weise kann man die Formund die Flankenbildung des Salzstocksnachweisen. Wir haben dann ein Tiefbohr-programm durchgeführt. Das waren vierTiefbohrungen im Prinzip bis in den Bereichvon 2 000 Metern, jeweils in die Flanken desSalzstockes, und zwar deswegen in dieFlanken, weil wir - wie heute Morgen schoneinmal dargestellt - nach dem Prinzip derUnverritztheit und der Hohlraumminimierungvorgegangen sind. Wir haben die Salzstock-flanken genommen, weil wir davon ausge-hen, dass die Endlagerung im Salzstockin-nern, das heißt weit genug von den Flankenentfernt, stattfindet. Wir haben Strukturengefunden, die für uns durchaus ein Indizdafür waren, dass das Salzstockinnere Hin-weise auf eine Eignung gab. Es wurde derBegriff der Eignungshöffigkeit geboren.Eignungshöffig heißt, es wachsen einemErkenntnisse zu, die die Hoffnung auf Eig-nung langsam zur Realität werden lassen -daher der schillernde Begriff der Eignungs-höffigkeit. Wir haben dann, nachdem dasgesamte Standorterkundungsprogramm ab-geschlossen war, die beiden Ansatzpunktefür die Schachtbohrung Gorleben 5001 und5002 festgelegt. Die Zulassung des erstenBohrbetriebs, Gorleben 5001, erfolgte 1981.Die Bohrung wurde im Juni 1982 beendet.Die Bohrung 5002 begann im Juni 1982 undendete im November 1982.

Mit dem Vorliegen der Ergebnisse derbeiden Schachtvorbohrungen war das über-tägige Erkundungsprogramm des StandortesGorleben abgeschlossen. Auf Basis der Ge-samtheit der in der beschriebenen Vorge-hensweise gewonnenen Erkenntnisse hat dieBundesregierung die PTB beauftragt, einenzusammenfassenden Zwischenbericht mit

einer Bewertung im Hinblick auf die dann inder Logik folgende untertägige Erkundungund die Schachtabteufung zu fertigen. Diesist geschehen. Die PTB, die BGR und allebeteiligten Fachfirmen sind zu dem Ergebnisgekommen: Der Salzstock Gorleben isteignungshöffig; er ist grundsätzlich geeignet,und es ist auch wirtschaftlich grundsätzlichzu vertreten, Schächte abzuteufen und un-tertägig zu erkunden. - Auf der Basis diesesBerichts von 1983 hat die Bundesregierungdann die Entscheidung getroffen, dieSchächte abzuteufen. Die Art und Weise desSchachtabteufens und des Schachtausbaushabe ich heute Morgen schon dargestellt.Das ist das Gefrierverfahren. Das heißt, daswasserführende Deckgebirge wird durch ei-nen Ring von etwa 40 Bohrungen, in dieKühlmittel hineinkommen, gefroren. In die-sem gefrorenen Block kann man denSchacht abteufen, ohne dass Wasser zutritt.Das wird dann später, wenn das Schachtin-nere ausgebaut ist, wieder aufgetaut. DerAuftauprozess ist mittlerweile längst beendet.Wir haben sie so ausgebaut, dass sie späterals Endlagerschächte grundsätzlich geeignetsind. Die Gründe dafür habe ich Ihnen heuteMorgen vorgetragen.

Das war die Historie zur grundsätzlichenVorgehensweise bei der übertägigen Erkun-dung des Salzstocks Gorlebens, endend mitdem zusammenfassenden Zwischenberichtund der Entscheidung, mit dem Schachtab-teufen zu beginnen. - Vielen Dank.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank, Herr Rösel, für diesen in-formativen Vortrag.

Ich unterbreche jetzt die Sitzung für dievereinbarte Pause um eine Stunde. Wir tref-fen uns hier also um 15.10 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 14.07 bis15.15 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Meine sehr geehrten Damen und Herren,liebe Kolleginnen und Kollegen, da es schonein bisschen später als 15.15 Uhr ist, eröffneich unsere unterbrochene Sitzung wieder.

Nachdem nun beide Sachverständigeauch zur Historie vorgetragen haben, kom-men wir zu den Fragerunden. Ich frage zu-nächst zum Gorleben-Hearing. Ich möchtevon beiden Sachverständigen wissen, ob esgesetzlich vorgegeben war; das hatten wirheute Morgen schon einmal erörtert, aber

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eben nur mit einem Sachverständigen. Ichmöchte wissen, ob es zu dieser Zeit interna-tionaler Standard war, dass man ein solchesHearing veranstaltet, wie Sie es einschätzen,ob das eine Veranstaltung war, die in irgend-einer Weise tendenziös war, beispielsweisebezüglich der Auswahl der Sachverständi-gen, ob man einen verengten oder docheinen weiten Blick auf die gesamte Proble-matik hatte, inwiefern eigentlich dieses Hea-ring eine parlamentarische Begleitung erfah-ren hat und welche Auswirkungen es letzt-endlich auf die Entscheidung von Minister-präsident Albrecht hatte. - Ich schlage vor,dass Herr Dr. Möller anfängt und dann HerrRösel fortfährt.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das Gorleben-Hearing ist nicht Bestandteilmeiner Dissertation gewesen; ich hatte sie indiesem Bereich bewusst beschränkt, damitsie nicht zu umfangreich wird. Ich habe michalso nicht intensiv mit dem Gorleben-Hearingund seiner Vorbereitung befasst. Auf derBasis dessen, was ich darüber weiß, glaubeich, sagen zu können, dass es nicht rechtlichgefordert war und dass es, wenn mich nichtalles täuscht, nach der Dissertation vonHerrn Tiggemann auf eine Idee von AndreasGraf von Bernstorff zurückgeht. Ich kann indiesem Zusammenhang nur sagen, dass dieGeologie in dieser wirklich sehr langen Ver-anstaltung eine untergeordnete Rolle ge-spielt hat, weil eben über den Salzstock Lü-chow-Dannenberg bis dahin nur sehr wenigbekannt war. Es ging darum - das hat HerrRösel eben schon angesprochen -, tatsäch-lich alles auf den Tisch zu bringen, was diesicherheitstechnische Realisierbarkeit dieserWiederaufarbeitungsanlage mit Endlagerbetrifft. Es gab die Stellungnahmen der RSKund der SSK, die das grundsätzlich beschei-nigt haben. Aber offenbar bestanden aufsei-ten der niedersächsischen Landesregierungdiesbezüglich Zweifel, und ich nehme an, eswird Akzeptanzüberlegungen und Ähnlichesgegeben haben. Akten dazu habe ich nichtgesehen. Insofern spielt das Gorleben-Hea-ring in Sachen Endlagerung eine unterge-ordnete Rolle, und es verfolgt einen konkre-ten Zweck im Rahmen einer Gesamtstrate-gie, die noch zu untersuchen ist.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichdarf kurz nachfragen: Sie halten das alsotatsächlich nicht für so bedeutsam in diesemgesamten historischen Prozess, der dann

letztendlich zur Benennung des Untersu-chungsstandorts Gorleben geführt hat? Oderist das jetzt einfach im Rahmen Ihrer Dis-sertation ein Thema gewesen, das Sie nichtfür zweckdienlich gehalten haben?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Der letzte Aspekt ist richtig: Das ist nicht imRahmen der Dissertation gewesen. Ichwürde mich aber davor hüten, zu sagen, essei nicht bedeutsam. Es war sehr bedeut-sam, weil das Gorleben-Hearing nach meinerKenntnis der Dinge eine wesentliche Grund-lage dafür geboten hat, dass die niedersäch-sische Landesregierung am 16. Mai 1979sagen konnte: Aufgrund des Standes derBehandlung hochradioaktiver Abfälle, auf-grund des Standes des PUREX-Verfahrens,aufgrund der Schwierigkeiten, die 1973 in dergroßen britischen Anlage aufgetreten waren,aufgrund der Maßstabsvergrößerung von1 : 40 im Vergleich zur WAK und aufgrundder Tatsache, dass die Wiederaufarbei-tungsanlage der wesentliche Punkt ist, derden Bereich Sicherheit und Umwelt bei derKriterienauswahl bestimmt hat, unter Berück-sichtigung all dessen liefert das Gorleben-Hearing für den Bereich der Wiederaufar-beitung sicherlich wesentliche Argumente,um sagen zu können: Nein, an diesemStandort Gorleben kein integriertes Entsor-gungszentrum, sondern nur die Endlage-rung. - Insofern ist das Gorleben-Hearingbedeutsam.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Dann Herr Rösel.

Sachverständiger Henning Rösel: FrauVorsitzende, wenn ich vorab noch eines sa-gen darf: Ich stehe nicht mehr unter Zeit-druck. Ich habe andere Weichenstellungenvorgenommen. Sie können also etwas längerüber mich verfügen, als es ursprünglich ge-plant war. Ich bedanke mich für Ihre Bereit-schaft, auf mich Rücksicht zu nehmen; es istjedoch nicht mehr zwingend geboten.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Darüber freuen wir uns sehr. Wir werden imZweifel tatsächlich von diesem freundlichenAngebot ausgiebig Gebrauch machen.Danke schön, Herr Rösel.

Sachverständiger Henning Rösel: Jetztzu Ihrer Frage, Frau Vorsitzende: Die Veran-staltung, das Symposium, Rede und Gegen-

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rede6, ist nicht gesetzlich gefordert. Der

Ideengeber war, wie Herr Dr. Möller zu Rechtsagte, Andreas Graf von Bernstorff - damalswar er noch CDU-Mitglied -, der dies auchunter Akzeptanzgesichtspunkten sah. DieseVeranstaltung war sehr breit angelegt; abersie bezog sich im Schwerpunkt auf das ge-plante und bereits beantragte nukleare Ent-sorgungszentrum. Das heißt, der Schwer-punkt lag auf Brennelementeingangslager,Wiederaufarbeitung, Uranverarbeitung undBrennelementfertigung. Das Endlagerwurde - ich will nicht sagen: nur nachricht-lich - nicht so vertieft wie das Thema desnuklearen Entsorgungszentrums.

Es war durchaus eine Veranstaltung, dieim internationalen Kontext Vorbilder hatte.Sie hatten eben schon England erwähnt; icherinnere an das berühmte Windscale Inquiry.Das war eine ähnliche Veranstaltung zu denProblemen in der WiederaufarbeitungsanlageWindscale in Großbritannien. Das Hearinghat dadurch Bedeutung erlangt, dass dieAussage des damaligen MinisterpräsidentenErnst Albrecht „sicherheitstechnisch mach-bar, politisch nicht durchsetzbar“ das Endedes nuklearen Entsorgungszentrums mit sichbrachte. Übrig blieb in der Tat das Endlagerund die Bereitschaft, ein sogenanntes inhä-rent sicheres Zwischenlager zu akzeptieren.Dieses inhärent sichere Zwischenlager istmittlerweile Wirklichkeit; es ist genehmigtnach § 6 AtG und hat auch schon diverseBehälter eingelagert. Das geplante EndlagerGorleben ist daneben geblieben. Der ge-samte andere Rest des NEZ ist, wie Sie wis-sen, in dem Augenblick gestorben, als erklärtwurde, dass weder Wackersdorf noch Dra-gahn ein Standort für eine Wiederaufarbei-tungsanlage in Deutschland ist, und dieEVUs dann ihren Weg nach La Hague undnach England gesucht haben.

Es ist sicherlich von großer politischerBedeutung, aber die Bedeutung liegt imSchwerpunkt auf der Wiederaufarbeitung,also auf dem NEZ, weniger auf dem Endla-ger. Das hat auch in der Vorbereitung, auchmit den internationalen Experten, nicht dieRolle gespielt, wie sie die Wiederaufarbei-tung hat, weil es auch vom Grundsatz hereher als sicherheitstechnisch machbar ange-

6Richtigstellung des Sachverständigen: streiche „, Rede

und Gegenrede“, setze: „‘Rede – Gegenrede‘“Anmerkung des Sachverständigen hierzu:„‘Rede – Gegenrede‘ war der offizielle Titel derVeranstaltung der damaligen NiedersächsischenLandesregierung und ist daher in Anführungsstriche zusetzen“, Anlage 1

sehen und unter Akzeptanzgesichtspunkteneingeordnet wurde als die Wiederaufarbei-tung selbst. Also: Das Hearing war nichtgefordert, politisch aber wichtig auch in sei-nen Konsequenzen; denn diese Aussage„sicherheitstechnisch machbar, politisch nichtdurchsetzbar“ hatte Folgen, die bis heutewirken.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Wares international Standard, bei großen Indus-trieprojekten oder eben auch im Bereich derKernenergie solche Hearings zu veranstal-ten?

Sachverständiger Henning Rösel:Standard war es nicht - es war nach meinerKenntnis die zweite Veranstaltung dieserArt -, aber es hat Maßstäbe gesetzt.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Rösel, Sie haben darauf hingewiesen,dass die Informationsstelle des Bundes indem Berichtszeitraum, über den Sie hiervorgetragen haben, eine wichtige Bedeutungin Bezug auf die Information der Öffentlich-keit hatte, dass dort Bohrprotokolle vorgelegtworden und auch einsehbar gewesen seien;man habe sogar Kopien anfertigen dürfen.Wir hören, dass das in heutiger Zeit ganzanders ist, dass sich Nichtregierungsorgani-sationen rühmen, dass sie irgendwelcheAkten zugänglich machen würden. Wann istdiese Informationsstelle geschlossen wordenund warum?

Sachverständiger Henning Rösel: DieInformationsstelle ist nach meiner Erinnerungin Gartow nach dem 1. April 1990 geschlos-sen worden, das heißt, nachdem Herr KönigPräsident geworden ist. Ich will jetzt nichtsagen, dass das an der Präsidentschaft hing,sondern es war mehr die Idee - -

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Kann es sein, dass Sie sich ver-

sprochen haben? Sie haben gesagt1990!)

- Was habe ich gesagt?

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):1. April 1990!)

- Da ist er Präsident gewesen, nicht wahr? -Entschuldigung.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ichfrage mich gerade, was Helmut

Kohl damit zu tun hat!)

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- Ja, ach du lieber Gott. Vielen Dank für dieKorrektur. -

Man wollte die Infostelle in Gartow nichtmehr; man wollte sie am Standort Gorleben.Sie war dann auch mehr auf eine alternativeBetrachtungsweise des Standortes gerichtet.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Könnten Sie trotzdem noch einmal eine zeit-liche Einschätzung geben? Es hat auf jedenFall etwas mit dem Präsidentenwechsel zutun gehabt?

Sachverständiger Henning Rösel: Eshatte nicht mit dem Präsidentenwechsel zutun, sondern mit der zeitlichen Nähe. Dasmuss dann 1999 gewesen sein.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):1990 kann es nicht gewesen sein!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Dann wende ich mich nocheinmal an Herrn Möller bezüglich seinerTischvorlage, die er uns gegeben hat, alsoMAT A 56-1. Sie haben unter dem Datum11. November 1976, Depositum HelmutSchmidt, einen Gesprächsvermerk aufge-führt, wo im ersten Absatz in Bezug auf denSalzstock Gorleben aufgeführt worden ist,dass er 4 Kilometer entfernt von der ehema-ligen Grenze der DDR liege, dass es sichhierbei um den Standort mit der technolo-gisch günstigsten Platzziffer aus dem Kreisder geeigneten Standorte handele usw.Dann werden die weiteren Standorte aufge-führt. Dazu wird gesagt, dass er bis zu50 Kilometer Breite in DDR-Gebiet hineinrei-che.

Dem entnehme ich, dass es tatsächlicheine Klassifizierung auch entsprechend einerReihung anhand von Kriterien gegeben hat.Sie kommen aber in der ZusammenfassungIhres Vortrags, also MAT A 56, demgegen-über zu der Aussage:

Das Kernstück dieses Vergleichs -eine synoptische Gegenüberstel-lung der verschiedenen Standorte,aus der die je Kriterium vergebenePunktzahl ersichtlich wird - fehlt.

Bei mir erweckt das ein wenig den Ein-druck: Das hat es nicht gegeben, darüber istman hinweggegangen, das hat man liebernicht erörtert. - Könnten Sie das zunächst ge-nannte Zitat mit dieser Ihrer Aussage ir-gendwie in Deckung bringen? Das ist fürmich nicht sofort ersichtlich.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Gerne. Auf dem Gesprächsvermerk, derIhnen als erste Tischvorlage vorliegt, wirdeine geologische Spitzenstellung von KlausStuhr behauptet. Diese geologische Spitzen-stellung entpuppt sich dann bei Überprüfungim Nachfeld des 11. November 1976 alstechnologisch günstigste Platzziffer, alsoetwas weit darüber Hinausgehendes. Diesetechnologisch günstigste Platzziffer ist - dasliegt in der Natur der Sache - die Bewertungder KEWA. Sie sehen auf der Übersicht, dieich Ihnen skizzenhaft zu den Vorgängen imJahr 1976 gezeigt habe, und auch auf derzweiten, konkreteren, dass die KEWA ir-gendwann in dem Zeitraum zwischen dem5. August und wahrscheinlich dem27. August anfängt, neue Standortalterna-tiven zu untersuchen. Diese Studie „NeueStandortalternativen“ kommt zu dem Ergeb-nis, dass Gorleben die technologisch güns-tigste Platzziffer aufweist. Nun sagt die Stu-die des NMU aber auch ganz deutlich, dassNiedersachsen einen eigenständigen, einenindustrieunabhängigen Auswahlprozessdurchgeführt hat. Meine Kritik bezüglich derSynopse, der Gegenüberstellung, des sys-tematischen Vergleichs und der konsequen-ten Anwendung von Kriterien bezieht sich aufden eigenständigen, unabhängigen nieder-sächsischen Auswahlprozess.

Es hat einen Auswahlprozess gegeben;er ist ressortintern vorgenommen worden. Esist das große Verdienst dieser Studie, dassdas jetzt offenliegt. Aber schauen Sie sicheinmal die Einzeldaten an, wann was fest-steht. Diese technologisch günstigste Platz-ziffer resultiert meines Erachtens nicht ausder eigenständigen niedersächsischen Be-wertung.

Ich habe die Akten nicht im Detail gese-hen; ich habe die Akten, die Herr Tiggemannfür diese Studie ausgewertet hat, nicht gese-hen. Ich kann also, was diesen konkretenVorgang angeht, im Detail nicht sagen, obsich diese Bewertung auch mit den Ziffernder KEWA-Studie deckt.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasist durchaus eine echte Aussage, die Sie hierbezüglich der Glaubwürdigkeit der Feststel-lungen treffen, die in dieser Studie gemachtwerden. Sie haben jetzt gerade ausgeführt,dass es sich dabei um verschiedene Autorenhandelt; das habe ich verstanden. Zum einenist es die KEWA, zum anderen ist es eineUntersuchung der niedersächsischen Lan-

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desregierung. Sie haben der einen StudieUnabhängigkeit zugebilligt - Sie haben ebengesagt, das sei eine unabhängige Studie -,möglicherweise der anderen dann implizitnicht, ohne dass Sie das explizit gesagt hät-ten. Deshalb wüsste ich gern von Ihnen,aufgrund welchen Wissens, welcher Argu-mentationen Sie die beiden Aussagen in demSinne, wie Sie das jetzt hier in dieser VorlageMAT A 56 getan haben, bewerten können.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Zunächst einmal widerspreche ich: Ich habenicht gesagt, dass das nicht eigenständigund unabhängig war, sondern ich habe,wenn ich mich recht erinnere, gesagt: Es istvon niedersächsischer Seite immer wiederbetont worden, dass der niedersächsischeAuswahlprozess eigenständig, unabhängigund von der Industrie unabhängig war. Dashabe ich, glaube ich, gesagt. - Habe ich das?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dashaben Sie gesagt; ich habe das noch miteiner anderen Konnotation gehört. Aber ichwüsste jetzt gerne, ob Sie hinsichtlich derWertigkeit dieser beiden Studien - gegebe-nenfalls aufgrund welcher Tatsachen - Un-terschiede feststellen können.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Um im Rahmen der KEWA-Studie zu Ergeb-nissen zu kommen, benötigte man mehrereMonate. Die Personen, die hinter der Erstel-lung der KEWA-Studie stehen, haben ver-mutlich auch alle vorherigen Studien - KWA1224 und KWA 1225 - durchgeführt. Siehaben Know-how und wissen, wie sie zu denErgebnissen gekommen sind.

Wie sich aus der Tischvorlage mit denTerminen für den IMAK ergibt - das ergibtsich auch aus Studie -, ist dieses Verfahreninnerhalb von dreieinhalb Wochen - wennman es weit auslegt - durchgeführt worden.Ich beziehe mich in meinen Aussagen einzigund allein auf die Aussagen in dieser Studieund habe über den konkreten Auswahl-prozess des IMAK vorher keine Kenntnissegehabt; das ist das wesentliche Verdienstderjenigen, die diese Studie erstellt haben.Aber in dieser Studie steht eben auch klippund klar: Innerhalb von dreieinhalb Wochenist man in den niedersächsischen Ministerienzu der Bewertung gekommen, dass Gorlebender beste Standort ist.

In der Studie selbst wurde nach dieserobjektiven synoptischen Gegenüberstellung

gefragt, und geliefert wurde die Beschrei-bung - es wird nichts über die Kriterien ge-sagt. Mein einziger Ansatzpunkt dabei ist: Ichfrage, was in der Studie an der einen Stelleund was an der anderen Stelle gesagt wird. -Auf dieser Grundlage werfe ich Fragen auf;mehr tue ich nicht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wunderbar. - Dann darf ich jetzt noch einmalfragen.

Sie haben gerade vorgetragen und ge-sagt, dass für die Erstellung der KEWA-Stu-die ein größerer zeitlicher Aufwand nötig warund dass sie von fundiert arbeitenden Sach-verständigen erstellt worden ist; Sie habengesagt, das seien Experten gewesen. Darfich Ihre Ausführungen so verstehen, dass dieWertung dieses Gesprächsvermerks auchnach Ihrem Dafürhalten letztendlich einerernsten und seriösen Untersuchungzugrunde liegt und dass - so habe ich IhreAusführungen jetzt verstanden - der Intermi-nisterielle Arbeitskreis möglicherweise auf-grund der Dauer der Untersuchungen in derSynopse nicht einschätzen konnte, wie dasdenn nun sei, dass er die Studie der KEWAaber auf gar keinen Fall in irgendeiner Formentkräftet oder infrage stellt?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichhabe diese Studie der KEWA nicht gelesen;deswegen kann ich mir über den Inhalt unddas Bewertungsverfahren kein Urteil erlau-ben. Es wäre Aufgabe des NMU gewesen, inseiner Studie die Kriterien offenzulegen - dasist geschehen - und ihre Befolgung und An-wendung darzustellen.

Dieser Gesprächsvermerk, von dem wirausgegangen sind, hat zwei Teile; das istganz klar erkennbar. Im ersten Teil werdendie Ergebnisse des Gesprächs am11. November 1976 für einen Außenstehen-den ganz quellenkritisch zusammengefasst.Inhaltlich geht es also um die Vergangenheit,nämlich um den 11. November 1976. Danacherfolgt der zeitliche Sprung: zwei Gesprächemit niedersächsischen Ministerialbeamten,die dort nicht klar genannt werden. In derStudie des NMU steht, Klaus Stuhr sei mitdabei gewesen.

Quellenkritisch ist zu fragen: Wer istKlaus Stuhr? - Klaus Stuhr war Ministerialrat,das heißt Referatsleiter - schon seit Jahren.Klaus Stuhr war der Leiter des IMAK, und erist Leiter des Referats Industrieansiedlung imNMW. Klaus Stuhr war der Beamte, der sei-

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nem Minister Kiep am 11. November 1976zur Seite sprang. Wenn der nicht wusste,was die Interessen des niedersächsischenWirtschaftsministers an diesem Standortsind, dann weiß ich nicht, wer das wusste.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasmuss dennoch kein Grund dafür sein, dassdie Aussagen, die in der KEWA-Studie ge-macht werden, in irgendeiner Weise nichtglaubwürdig oder nicht seriös sein könnten.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Aus genau diesem Grund sage ich in derZusammenfassung meines Vortrags ja auch:Diese Studie ist das Ergebnis politischerErwägungen und eines wertenden Ver-gleichs. - Das ist die Grundaussage. Mitdem, was ich rein wissenschaftlich sage, willich weg von der Aussage: Gorleben ist dasErgebnis eines wissenschaftlichen Ver-gleichs.

Über die Adjektive davor ist zu diskutie-ren. Gorleben ist zunächst einmal - bis hier-hin und wenn ich den wissenschaftlichenStrang betrachte - das Ergebnis eines wer-tenden Vergleichs. Es gibt noch einen Strangdaneben, und der ist rein politischer Natur.Dieser Strang daneben, der rein politischerNatur ist, wird in diesem Vermerk konkretbenannt. Es geht dabei um die Beurteilungder Durchsetzungsfähigkeit. Das gehört zueinem solchen politischen Teilprozess, wennman das ausgewogen betrachten will.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichtraue mich gar nicht, das zu sagen, aber dasist durchaus auch die Auffassung, die derAkEnd sehr viel später auch vertreten hat. -Ich gebe das Fragerecht jetzt an die Fraktio-nen weiter, und zwar zunächst an dieCDU/CSU-Fraktion.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich willzunächst sagen, dass ich mir unter dem Be-weisbeschluss, den wir getroffen haben,etwas anderes als das Vorlesen von Tage-bucheintragungen von Walther Leisler Kiepversprochen habe.

Ich zitiere aus einer Rede des SPD-Landtagsabgeordneten Bruns (Emden). Erhat gesagt:

Das Nennen neuer Standorte wirdschwere und schwerste Belastun-gen für die betroffenen Kommunal-politiker mit sich bringen, wie wirdas in jüngster Zeit im Raum Lü-

chow-Dannenberg wieder erfahrenmussten.

Insofern hat es damals in allen ParteienÜberlegungen in Bezug auf Standortalterna-tiven gegeben.

Für mich ist das völlig irrelevant. Ich hättefast hinzugefügt: und wenn sie gewürfelthaben. - Selbst Jürgen Trittin hat im Jahr2000 gesagt: Gorleben ist eignungshöffig. -Dazu würde ich jetzt gerne Herrn Rösel fra-gen, der damit fachlich ja viel intensiver be-fasst war.

Die Frage lautet: Können Sie bestätigen,dass der Standort sehr wohl nach abgestuf-ten Sicherheitskriterien ermittelt worden ist,selbst vor dem Hintergrund, dass es damalsgar nicht isoliert um ein Endlager, sondernum ein nationales Entsorgungszentrum mit3 600 Arbeitsplätzen ging? - Dazu gab esschon unter dem SPD-MinisterpräsidentenKubel den Lüchow-Plan, der dort dringendindustrielle Arbeitsplätze schaffen wollte.Man brauchte also nicht Herrn Stuhr als Re-feratsleiter Industrieansiedlung; Herr Kubelhatte das bereits in seinem Landesentwick-lungsplan vertreten. Das hat damals ja eineüberragende Rolle gespielt; die Gewichtunggeologischer Aspekte hat zum Beispiel einegrößere Rolle als die Strukturpolitik gespielt.

Ich würde von Ihnen gerne hören, wie Siedie Einschätzung von Herrn Dr. Möller be-werten. Natürlich will er den Eindruck ver-mitteln, Gorleben sei politisch gewünscht undnicht fachlich und sicherheitstechnisch abge-sichert. Können Sie sich das zu eigen ma-chen, oder würden Sie die Standortauswahlgerade unter Sicherheitsgesichtspunkteninsgesamt als nachvollziehbar beurteilen?

Sachverständiger Henning Rösel: Dasist für mich eine schwierige Frage. Bezüglichder Zuständigkeiten hatte ich einleitend jadargestellt, dass die PTB im Hinblick auf dieStandortvorauswahl keine Rolle gespielt hat.Ich kann aber eines sagen: Nachdem derStandort benannt worden war, gab es beiuns im Hause niemanden, der den StandortGorleben wegen geologischer, hydrogeologi-scher, sicherheitstechnischer Randbedin-gungen infrage gestellt hat.

Es gab dort einen Salzstock, der die Krite-rien erfüllte, die wir damals vor dem Hinter-grund der Planfeststellung und bei derStandorterkundung als wichtig erachtet ha-ben: Er war ausreichend groß, er hatte eineausreichende Teufenlage in Bezug auf dasDeckgebirge und den Salzspiegel, und er

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hatte eine ausreichende Teufenlage im Hin-blick auf den Salzfuß - 3 000 Meter. Damithatte er auch eine ausreichende Mächtigkeitin dem Bereich, der als Endlager infragekam, nämlich in dem Bereich zwischen 750und 950 Meter. Zudem war er unverritzt -was uns wichtig war. Das heißt, es gab dortkeine Stellen, die man im Hinblick auf dasGrundwasser hätte betrachten müssen.

Vor diesem Hintergrund haben wir denStandort ohne Wenn und Aber akzeptiert undmit der Erkundung begonnen. Wir haben unsnicht damit auseinandergesetzt, ob und in-wieweit die Benennung des Standortes Gor-leben das Ergebnis eines wissenschaftlichqualifizierten Verfahrens war. Wir wussten -das hatte ich vorhin ja schon gesagt -, dasses in der Bundesregierung - notabene imBundeskanzleramt - gewisse Bedenken gab,aber sie hatten wohl eher damit zu tun, dasssich die Grenze in der Nähe befand.

Wir haben uns nicht darum gekümmert;das durften wir nach der damals obwalten-den Theorie bzw. Festlegung auch nicht.Aber wir haben uns den Standort durchausnäher angeschaut, nachdem die Standortbe-nennung erfolgt war, und es gab keinenZweifel daran, dass er im Hinblick auf dasangestrebte Ziel eine gute Wahl war. Durchdie einzelnen Schritte in Bezug auf dieEignungshöffigkeit wurde das ja auch unter-strichen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ichkomme auf das zurück, was Sie uns heuteMorgen gesagt haben. Es geht um die Be-gleitung von Sitzungen. Wir reden dabei jetztüber den Zeitpunkt 1983, wenn ich das rich-tig verstanden habe.

Sachverständiger Henning Rösel: Daswar also während der Kanzlerschaft Schmidt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja, gut.Das ist ja eines der Probleme. Vielleicht fan-gen wir ruhig damit an.

Meinten Sie damit die Entscheidung, obman von der ober- in die untertägige Erkun-dung wechselt, wozu ja die PTB-Studie er-stellt worden ist, oder galt das auch schonvorher?

Sachverständiger Henning Rösel: Dasgalt vorher schon.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Beschrei-ben Sie doch einmal, was da gewesen ist.

Sachverständiger Henning Rösel: Esgab Diskussionen über die Vorgehenswei-sen, über die Planungen und darüber, wel-che Endlagertechniken - direkte Endlage-rung, Bohrlochlagerung, Streckenlagerung,Streckenlagerung mit Behälter, Streckenla-gerung ohne Behälter - genutzt werden soll-ten. Das waren Grundsatzfragen der Pla-nung, die im Hinblick auf die Realisierungdes Endlagers von herausragender Bedeu-tung waren. Bei diesen Sitzungen war derChef BK regelmäßig vertreten.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wer wardamals Chef BK?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichweiß nur: Der zuständige Abteilungsleiterwar, meine ich, Herr Konow. - Wer Chef BKwar, weiß ich nicht.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): War dasHerr Schüler oder Herr Ehmke?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichkann es wirklich nicht sagen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Von wel-chem Zeitraum reden Sie denn jetzt?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichrede von dem Zeitraum 1977 bis 1983 oder1982. Ich glaube, ab 1983 war ja dann schonHelmut Kohl Bundeskanzler.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Genau.Kohl ist am 1. Oktober 1982 ins Amt gekom-men, und 1983 war dann die Entscheidungüber die untertägige Erkundung.

Vielleicht machen wir es einmal anders-herum: Hat sich in dieser Zeit in der Zusam-menarbeit - auch zum Beispiel mit den Per-sonen in den Ministerien - irgendetwas fürSie geändert, oder würden Sie sagen: Bis zurEntscheidung über die untertägige Erkun-dung war das eigentlich eine kontinuierlicheZusammenarbeit auf der Arbeitsebene, ohnedass der parteipolitische Wechsel an derSpitze irgendwelche Änderungen auf derFachebene für mich mit sich gebracht hat?

Sachverständiger Henning Rösel: Nein,nein.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): KeinerleiVeränderung?

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Sachverständiger Henning Rösel: Nein;das war business as usual. - Das Erstaun-liche war eben nur - aber das Erstaunen lagwohl mehr auf der Seite der Fachministe-rien -, dass das Bundeskanzleramt mit einergewissen Regelmäßigkeit vertreten war. Daswar das Einzige; in Bezug auf eine politischeEinflussnahme oder so etwas hat das für unsaber überhaupt keine Rolle gespielt. Für unswar das mehr ein Indiz dafür, dass wir beider Tätigkeit, die wir verrichten sollten, näm-lich ein Endlager planen und errichten, politi-schen Rückenwind hatten. Den hatten wirauch; denn Helmut Schmidt war in Gorleben,und ich kann mich noch gut an die Freudeerinnern, als er, so, wie er ist, sagte: Jungs,macht weiter so; es ist gut.

Ich habe das jetzt ja nur auf die Frage hindargestellt, wer beteiligt war, und das wareben ein relativ großer Kreis, zu dem auchder Chef BK gehörte. Aber das war nichtsAufregendes. Für uns war die Anwesenheitvon Vertretern des Bundeskanzleramtesmehr ein Indiz dafür, dass die politische Be-deutung des Vorhabens und der politischeRückenwind unterstrichen werden sollten.

Dass man später weniger häufig anwe-send war, ist wiederum kein Indiz dafür, dassdamit der Rückenwind weg war. Das wareben eine andere Philosophie des Bundes-kanzleramtes, welches das dann andersgehandhabt hat; so sehe ich das.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Da Sieselber gerade Helmut Schmidt und den Be-such in Gorleben angesprochen haben - manmuss das ja in einen größeren Zusammen-hang stellen -: 1973 war die Ölkrise. Damalshat man politisch auf die Kernenergie ge-setzt - auch, um unabhängiger vom Öl zuwerden.

Sachverständiger Henning Rösel: Ja,richtig.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Natürlichwar damals allen bewusst - so verstehe ichdas -, dass zur Kernenergienutzung auch einvernünftiges Endlager gehört.

Sachverständiger Henning Rösel:Richtig.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): HattenSie den Eindruck, dass es deswegen nichtum Einflussnahme ging, sondern dass manseitens der damaligen Bundesregierung bis

hin zum Bundeskanzleramt gerade zwischen1977 und 1982 auch um der Zukunft derKernenergie willen ein besonderes Interessedaran hatte, dass die Fragen im Zusammen-hang mit dem Endlager zügig beantwortetwerden?

Sachverständiger Henning Rösel: Sosehe ich das.

(Ute Vogt (SPD): Das ist doch keinGeheimnis!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut.

Sachverständiger Henning Rösel:Diese Überzeugung hatte und habe ich;denn es war klipp und klar: Bei der Planungging es um 60 Gigawatt. Das war die Vor-gabe für die Endlagerplanung. Damit warnatürlich klar: Es ging weg vom Öl, weg vonder Kohle und hin zur anderen Energieform,die damals favorisiert wurde. Die Bundesre-gierung hatte das schon 1974/75 gesagt: Wirwollen ein sicheres Endlager für radioaktiveAbfälle bauen. - Diesen Auftrag haben wirbekommen, und die Bedeutung wurde da-durch unterstrichen. So haben wir das gese-hen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Frau Vor-sitzende! Meine Damen und Herren! Nocheinmal konkret auf das Datum abstellend:Solange Helmut Schmidt Kanzler war, alsobis Ende September 1982, hat das Bundes-kanzleramt den Prozess eng begleitet. Seitder Kanzlerschaft Helmut Kohls, ab dem1. Oktober 1982, war diese Begleitung nichtmehr so eng.

Sachverständiger Henning Rösel: Eslag dann mehr in der Hand des zuständigenFachministeriums: erst des BMI und späterdes BMU. Ich denke, welche Schwerpunkteman setzt, ist einfach eine Frage der Philo-sophie.

(Ute Vogt (SPD): Ob sich einKanzler kümmert oder nicht?)

- Das mag sein; das ist eine Grundsatzent-scheidung, die im Bundeskanzleramt getrof-fen worden ist.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): VielenDank. - Dann komme ich noch einmal zudem Gesprächsvermerk, der in der Tisch-vorlage von Herrn Möller vorgelegt wurde.

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1. Untersuchungsausschuss 41[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Herr Möller, wer war der Autor des Ge-sprächsvermerks, der hier in maschinen-schriftlicher Schrift vorliegt?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichmüsste das konkret in meiner Arbeit nachgu-cken. Ich nehme an, dass das Herr Konowgewesen ist, kann Ihnen das im Momentaber nicht konkret sagen. Aber das wird sichsehr schnell herausfinden lassen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Sie hattenals eine Schlussfolgerung genannt, es werdehier von der technologisch günstigsten Platz-ziffer gesprochen, und Sie sagten, dass nichtauf die Geologie oder andere Kriterien abge-hoben wird.

Meine Frage richtet sich jetzt allerdingseher an Herrn Rösel: Kann es sein, dassjemand, der nicht Geologe ist, den Ausdruck„technologisch günstigste Platzziffer“ durch-aus auch auf die geologischen Kriterien be-zieht?

Sachverständiger Henning Rösel: Dashalte ich durchaus für denkbar, und zwarschon deswegen, weil ich mich an meineeigenen Probleme mit der Terminologie vonBergleuten und Geologen erinnere, die ichzum Teil nicht verstanden habe. Wenn ichalso allgemein von technischen Randbedin-gungen rede, dann gilt das für einen Laienflächendeckend.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Gut. - Mankann also durchaus sagen: Aufgrund dessen,dass das kein Geologe geschrieben hat,kann mit der Formulierung „technologischgünstigste Platzziffer“ durchaus auch auf dieGeologie Bezug genommen worden sein. Esist jedenfalls nicht zwingend, dass damitetwas grundsätzlich anderes gemeint ist.

Sachverständiger Henning Rösel: HerrPaul, das kann man schon deswegen sosehen - vielleicht muss man es sogar sosehen -, weil ein Standort gesucht wordenwar, der in erster Linie das NEZ unddaneben als Teilprojekt 6 auch das Endlagerumfassen sollte. Dass ich im Hinblick auf diePlatzziffer deshalb von technologischen Ge-sichtspunkten rede, ist fast zwangsläufig.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Jetzt habeich zwei Fragen an Herrn Möller. - Herr Möl-ler, Sie haben gesagt - ich sage es mit mei-nen Worten -, eine solche Dokumentation

des Vorgangs und eine solche Art, wie derWirtschaftsminister in Niedersachsen dieDinge dort angegangen ist, hätten Sie inIhrer Verwaltungspraxis noch nicht erlebt.Das habe ich so verstanden.

(Sachverständiger Dr. Detlev Möllerschüttelt den Kopf)

- Nein? Was war denn aufgrund Ihrer Ver-waltungserfahrung so besonders?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichhabe schlicht und ergreifend gesagt, dass ichdas „aufgrund meiner Verwaltungserfahrungfür einen sehr bemerkenswerten Vorgang“halte. - Das ist die Originalformulierung ausmeinem Vortrag.

In der Verwaltung bin ich sicherlich aufder Seite der Soldaten groß geworden; ichhabe dort auf Stabsebene gearbeitet. Ichhabe im BMVg meine Aufgabe als Referen-tenvertretung erfüllt und weiß, dass sichnachgeordnete Ebenen, wenn die Leitungeine Vorlage haben will, sehr genau fragen,was eigentlich von ihnen gefordert ist, damitsie nicht das Falsche vorlegen. Das ist beijeder Vorlage an einen Vorgesetzten, an denGeneralinspekteur und an ähnliche Lei-tungsebenen so. Sie werden das sicherlichauch in der Literatur über die Verwaltungs-theorie finden.

Vor diesem Erfahrungshintergrund sageich: Es kommt mir sehr seltsam vor, dasseine objektive synoptische Gegenüberstel-lung gewünscht ist und eine aufeinanderfol-gende Beschreibung geliefert wird. - Das undnicht mehr ist der Punkt, um den es mir geht.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Gut, vielenDank. - Sie hatten weiterhin gesagt, hinsicht-lich der Tätigkeit des IMAK wisse man nicht -deshalb sind ja auch Fragezeichen in IhrerTischvorlage -, warum es in der Phase Au-gust bis November zu einem Nichthandelngekommen war.

Sie sind beruflich ja nicht in der Ministeri-alverwaltung groß geworden, wenn ich dasrichtig sehe. Deshalb möchte ich Sie fragen:Wie viel Erfahrung in Bundesverwaltungenbringen Sie an dieser Stelle mit, um beurtei-len zu können, ob das merkwürdig war odernicht? - Ich selbst war in einer Bundesver-waltung und kann Ihnen sagen: Auch inProjektgruppen und anderen interministe-riellen Arbeitsgruppen dauert es manchmaldurchaus einige Wochen und gibt es immerwieder einmal Stillstandsphasen, es sei

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denn, der Druck ist so hoch, dass das wirk-lich ohne Verzögerung erledigt wird. Dashabe ich aber, ehrlich gesagt, noch nie er-lebt.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Wie lautet die konkrete Frage?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ich habenach Ihrer Verwaltungserfahrung gefragt.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Ja. - Die hatte ich ja bereits beantwortet.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das wares.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Okay.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Dankesehr, Frau Vorsitzende. - Ich habe Fragen anbeide Sachverständige.

Herr Dr. Möller, wir haben jetzt verschie-dene Ausführungen gehört. Die Bewertungergibt sich aus dem Aktenvermerk, den Sieuns vorgelegt haben. Dort steht etwas vonPlatzziffer 2 und Platzziffer 3.5. Im Unter-schied dazu wird bezogen auf das nieder-sächsische Auswahlverfahren von einer er-reichbaren Punktzahl von 250 gesprochen,wobei Gorleben 200 Punkte erreicht hat.

Können Sie uns erklären, welche Kriterienbei den beiden Bewertungsverfahren ange-legt wurden und wie man bei dem einenVerfahren auf die Platzziffer 2 und bei demanderen Verfahren auf diese Punktzahlkommt? Ich wüsste gerne, wie sich das un-terscheidet und inwiefern das deckungs-gleich ist, damit ich das etwas besser ver-stehe.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Zum Ersten: Die Tatsache, dass beim nie-dersächsischen Auswahlverfahren Punkteund beim KEWA-Auswahlverfahren Platzzif-fern vergeben wurden, ist ein sehr deutlicherHinweis darauf, dass sich die Aussage imvorgelegten Gesprächsvermerk auf dieKEWA-Studie bezieht.

Zum Zweiten: Die Kriterien, nach denendie Auswahl auf beiden Seiten erfolgt ist,sind in der Studie des NMU aufgelistet. Hin-sichtlich des niedersächsischen Auswahl-prozesses ist ebenfalls aufgelistet und inzwi-schen auch im Internet veröffentlicht, dassdie Bereiche Sicherheit und Umwelt in der

Hauptkriteriengruppe einen Anteil von - ichweiß es nicht mehr genau - 72 Prozent ha-ben, dass der Anteil des Bereichs Endlager-geologie 12,8 Prozent beträgt, dass dieStrukturpolitik im Vergleich dazu einen Anteilvon 9,6 Prozent hat usw. Das alles ist gut zuwissen.

Ich betone es noch einmal: Ich habebeide Sachen nicht im Original gesehen undbeziehe mich auf die Angaben in der Studie.

Es ist das eine, zu wissen, nach welchenKriterien und welchem Maßstab null bis vierPunkte vergeben worden sind; das andere istaber, historisch konkret nachzuweisen, wieder Schritt ausgesehen hat, dass anhandeines uns bekannten Kriterienkatalogs diePunktevergabe durch eine Gegenüberstel-lung der einzelnen Standorte erfolgt ist.

Wenn Sie sich die KWA 1224, also dieerste Studie, angucken, werden Sie feststel-len, dass das durchaus möglich ist. DieFrage ist: Warum ist es nicht passiert?

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Gestat-ten Sie, dass ich Sie kurz unterbreche?Meine Frage war nicht, warum irgendetwasnicht passiert ist, sondern ich hatte die Bitte,dass Sie mir die Unterschiede der Bewertungerläutern. Sie sagen, Sie haben sich selbstnicht damit beschäftigt, kommen aber zuSchlussfolgerungen, die Sie ja andeuten;jedenfalls hört man das heraus.

Die Frage war, welche Grundlagen je-weils dahinterstanden, damit wir nachvollzie-hen können, welche Vermutungen sich beiIhnen ergeben haben und welche nicht. Obes eine vergleichende Studie war oder nicht,das wäre in einem nächsten Schritt zu klä-ren. Jetzt geht es mir um den ersten Schritt.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Welche Kriterien dahinterstehen, habe icheben in Teilen ausgeführt, zumindest was dieKriterienblöcke, die Gesamtbewertung undauch die Prozentzahlen angeht.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Das sindja auch nur Überschriften.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ja.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Tieferkönnen Sie da nicht gehen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichkann an dieser Stelle nicht tiefer gehen.Wenn ich die Studie jetzt aufschlagen würde

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und wir sie gemeinsam lesen würden, wür-den wir wahrscheinlich ein Bild davon erhal-ten. Wenn es denn so für Sie im Vordergrundsteht, können wir uns gern hineinbegeben.

In der Studie steht, ein Auswahlkriteriumist, dass sich in einem Umkreis von30 Kilometern des ausgewählten Standortskeine Großstadt befindet. Das ist ein weitererAnsatzpunkt.

Die erste Frage lautete ja: Ist ein Salz-stock vorhanden? Dann geht es um die Tie-fenlage des Salzstocks und danach um dieFrage: Befindet sich im Umkreis des vorge-sehenen Standorts der geplanten Anlageeine Großstadt? Das hat sicherheitstechni-sche Aspekte, hat aber auch Facetten, diesich auf eine Durchsetzung beziehen. Beidesfindet man im gleichen Punkt.

Es ging um die Tiefenlage des Salz-stocks, weil das wirtschaftliche und sicher-heitstechnische Aspekte hat. Es ging um dieVerfügbarkeit von Wasser, für das Entsor-gungszentrum zu Kühlungszwecken undauch zur Sohleableitung, weil es anfangsnoch um die Anlage eines Kavernenfeldesging. Weiter kann ich jetzt nicht ins Detailgehen.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Es gingja um eine vergleichende Betrachtung. Viel-leicht kann uns Herr Rösel dazu etwas sa-gen. Wurden unterschiedliche Kriterien an-gewandt, um bei beiden Bewertungsmaßstä-ben zu einem Ergebnis zu kommen?

Sachverständiger Henning Rösel: Estut mir leid, dazu kann ich nichts sagen. Mirwar zwar die KEWA-Studie bekannt; ichhabe sie auch in der Hand gehabt. Die an-dere Studie kenne ich nicht, habe sie niegesehen, nie gelesen. Deswegen weiß ichnicht, wo die Unterschiede liegen. Tut mirleid.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: DasFragerecht erhält jetzt die SPD-Fraktion.

Ute Vogt (SPD): Ich fahre an dieserStelle fort. In dem Vermerk gibt es eine Auf-listung. Ich möchte Herrn Rösel fragen, obich dies recht verstanden habe: Die Auflis-tung der interministeriellen Arbeitsgruppe, dieda Prozentpunkte zuordnet - der Sachver-ständige Kreusch hat uns dies in der letztenSitzung erläutert; danach entfallen nur12,8 Prozentpunkte auf das Thema Endla-gergeologie -, hat bei Ihnen damals keine

Rolle gespielt? Ich kann mir nicht vorstellen,dass das nicht Thema war.

Sachverständiger Henning Rösel: Daswar für uns nicht das Thema. Diese Prozent-punkte leiten sich nach meiner Überzeugungdavon ab, dass sich der Standortvergleichauf das NEZ bezog und die Geologie da mitSicherheit eine andere Bewertung erfahrenhatte. Ab dem Zeitpunkt, zu dem uns derStandort Gorleben vorgegeben wurde, habenwir uns um die Fragen aus der KEWA-Studienicht mehr gekümmert, sondern zunächst umdie Frage: Ist das ein Standort, den wir, ge-messen an den vorhin von mir genanntenKriterien, akzeptieren können? Das war rela-tiv einfach zu beantworten. Es gab eine aus-reichende Teufe, ein ausreichendes Deckge-birge, Unverritztheit, und es ging um die Zu-ordnung des Endlagerbereichs. Diese Punktewaren für uns entscheidend, und diese hatder Salzstock erfüllt. Damit hatten wir eineBasis, um dann Schritte zur Erkundung ein-zuleiten. Wir haben uns nicht um das Aus-wahlverfahren und die Auswahlkriteriengekümmert. Dies hatte sich die Bundesregie-rung uns gegenüber ausdrücklich vorbehal-ten.

Ute Vogt (SPD): Sie haben im ersten Teildarauf hingewiesen, dass Sie es im Nachhi-nein als richtig oder als ausreichend empfin-den, dass man damals keine Suche nacheinem alternativen Standort durchgeführt hat,und haben, wenn ich es recht verstandenhabe, gesagt: Es gab damals auch keineDiskussion über eine Suche nach einemalternativen Standort. Unserem Ausschussliegt als Material A 4/3 eine zusammenfas-sende Bewertung von der PTB vom Mai1983 vor, in der es unter anderem - da gehtes um die Frage des Berichts - heißt: Un-tertägige Erkundung ist mit Unsicherheitenbehaftet. Ich zitiere:

Das darin liegende Risiko hinsicht-lich der Art und der Menge endla-gerbarer radioaktiver Abfälle kanndurch vorsorgliche Erkundungs-maßnahmen an anderen Standor-ten (Standortvorsorge) verringertwerden. Mit dem Schachtabteufenparallel laufende übertägige Erkun-dungsmaßnahmen anderer Stand-orte vermeiden somit Sachzwängebei der Realisierung dieses Endla-gers. Dies würde auch die Akzep-tanz des Standortes Gorleben er-höhen.

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Das war der berühmte Absatz, der am06.05.83 noch drin war und danach ver-schwunden ist. Ich frage mich, wie Sie dazukommen, zu sagen: Es gab keine Diskussionüber die Suche nach einem alternativenStandort.

Sachverständiger Henning Rösel: FrauVogt, ich antworte darauf, obwohl ich meine,dass man dann das Beweisthema etwasanders hätte anlegen müssen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): FrauVorsitzende, dem Sachverständi-gen kann doch zumindest einmaldie Fundstelle vorgelegt werden,

damit er das auch einordnen kann!)

Ich kannte den Berichtsentwurf. Ich habean der Sitzung, die meines Erachtens in derBGR stattfand, an der plötzlich, obwohl esals Fachgespräch geplant war, auch die Mi-nisterien am Tisch saßen, nicht teilgenom-men, kenne aber das Ergebnis, weiß, wassich am nächsten Tag in der PTB abspielte.

Nach meiner Erinnerung - das betone ichnachdrücklich - haben wir damals diskutiert -ich war zumindest an der Entwurfsabfassungbeteiligt -, ob der Salzstock Gorleben, des-sen Innenaufbau wir damals nicht kannten,ausreichend ist, um Abfall, der aus einemZubau von Kernenergie von 30 auf60 Gigawatt resultieren würde, aufzuneh-men.

Wie gesagt, wir kannten den Innenaufbaunicht. Wir hatten Abfallmengenabschätzun-gen. Deswegen wurde in der PTB diskutiert,ob es nicht günstig wäre, der Bundesregie-rung vor dem Hintergrund, dass dort mögli-cherweise zwar eine Teilmenge endgelagertwerden könnte, darüber hinausgehendeMengen jedoch nicht, zu empfehlen, einenalternativen Standort zu erkunden. DieserVorschlag stellt ein gewisses Politikum darund ist etwas, über das man nicht ohneWeiteres berichtet.

Der Vorschlag ist dann nicht zum Zugegekommen. Ich kann mich entsinnen, dasssich mein damaliger Vorgesetzter ärgerte,aber nicht darüber, dass das Thema eigent-lich vom Tisch war, sondern mehr darüber,dass er nicht informiert worden war, in wel-chem Kreise das diskutiert wird. Ich kannmich noch entsinnen, dass ich ihn daraufaufmerksam gemacht habe, dass es, wenner sich übergangen fühle, Instrumentariengebe, um sich dagegen zu wehren, nämlichzu remonstrieren. Da wurde dann gesagt:

Nein, das machen wir nicht; das lohnt sichnicht. - So ist das aus meiner Sicht einzuord-nen.

Die Frage der alternativen Standortewurde nicht in der Weise diskutiert, wie mandies heute diskutiert, sondern es ging ausmeiner Sicht - ich extemporiere aus der Er-innerung, an der genannten Sitzung habe ichnicht teilgenommen, sondern an der Vor- undNachbereitung - um den Zubau der Kern-energie und die Befürchtung, dass das End-lagerpotenzial untertage in Gorleben nichtausreichen könnte.

Ute Vogt (SPD): Meine Nachfrage stelleich auch vor dem Hintergrund, dass Sie da-mals - wenn man es übersetzt und vielleichtfrei interpretiert - gesagt haben: Unter demeinen Kanzler hat sich das Kanzleramt umwichtige Dinge weniger gekümmert als unterdem anderen Kanzler. - Meiner Kenntnisnach war es so, dass Vertreter des Bundes-kanzleramtes an der Sitzung, von der Sieberichten, dass Ihr Vorgesetzter sich überden Teilnehmerkreis zumindest erregt hat,unerwartet teilgenommen haben. Sie habengesagt, da war Unmut, dass welche dabeiwaren - so habe ich es verstanden; wennman es einmal übersetzt -; es ging alsodarum, dass Vertreter des Kanzleramtes undeinige Ministeriale teilnehmen würden, diedort nicht erwartet worden waren. Trifft daszu?

Sachverständiger Henning Rösel:Wenn ich mich recht entsinne, war dieseSitzung ursprünglich als internes Fachge-spräch zwischen der PTB, der BGR, der DBEund womöglich weiteren Teilnehmern konzi-piert. Die Information, dass diese Sitzungstattfinden sollte, ist auf irgendeinem Wegein Bonn bekannt geworden, und es saßenalso mehrere am Tisch. Das war der Punkt,über den sich mein Vorgesetzter aufgeregthat, nicht über das Ergebnis. Das ist meineErinnerung; ich war nicht dabei. Da solltenSie Leute befragen, die dabei gewesen sind.Ich kann mich sehr gut entsinnen, dass ichvorgeschlagen habe, zu remonstrieren. Daswurde jedoch mit dem Hinweis abgelehnt,dies sei kein Remonstrationsgrund.

Ich kann mich auch entsinnen, dass meindamaliger Vorgesetzter - auch vor kurzem imFernsehen - gesagt hat: Im Übrigen habe ichdas nicht so empfunden. Wir haben gewisseDinge auch gar nicht berücksichtigt.

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Ute Vogt (SPD): Vertreter des Kanzler-amts waren zumindest ab und zu dabei?

Sachverständiger Henning Rösel: DasKanzleramt war dabei, aber vor dem Hinter-grund dessen, was ich einleitend zur Rolledes Kanzleramts gesagt habe, war es fürjemanden, der nicht an jeder Sitzung teilge-nommen hat - Vorgesetzte entsenden übli-cherweise ihre Mitarbeiter -, der das so nichtkannte, vielleicht ein Punkt, über den er sichwunderte. Denn das, was diskutiert werdensollte, war ein Entwurf, war noch nicht dieEndfassung.

Ute Vogt (SPD): Danke schön. - Meinefolgende Frage betrifft den Hinweis in Ihrenschriftlichen Ausführungen, in dem Sie da-rauf Bezug nehmen, dass das BMFT daraufhingewiesen hat: Es ist beabsichtigt, imLaufe des nächsten Jahres das atomrechtli-che Genehmigungsverfahren für den bestge-eigneten Standort einzuleiten. - Das steht aufSeite 2 Ihrer Ausführungen, zitiert aus demBMFT.

Ich beziehe mich jetzt einmal auf andereLebensbereiche: Wenn man wissen will, obder rheinland-pfälzische oder der baden-württembergische Wein besser ist, mussman einen vergleichenden Test anstellen.Meine Frage lautet daher: Wie wollen Siedas Bestgeeignete herausfinden, ohne einenVergleich angestellt zu haben? Da finde ich:Es gibt schon einen Widerspruch in IhrenAusführungen. Ohne Vergleich kann man janicht das Beste finden, sondern man findetirgendetwas.

Sachverständiger Henning Rösel: Dasist ein wörtliches Zitat, das sich meiner Über-zeugung nach auf die Tatsache bezieht, dassdas BMFT die KEWA-Studie in Auftrag ge-geben hatte. Die KEWA-Studie hatte ebendas Ziel, den bestmöglichen Standort zufinden. Da das Überraschungsmoment Gor-leben zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht inder Debatte war, war dieses Argument ausmeiner Sicht stringent.

Ute Vogt (SPD): „ÜberraschungsmomentGorleben“. - Vielleicht kann uns HerrDr. Möller weiterhelfen, an welcher Stelle -Herr Rösel hat ja bestätigt, dass die KEWA-Studie mit dem Vergleich begonnen hat -dieser Vergleich im Grunde zu den Aktengelegt wurde.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Diepräzise Stelle kann ich nicht nennen,

(Ute Vogt (SPD): Den Zeitraum!)

weil ich die Ministerialakten aus Niedersach-sen nicht kenne. Es ist aber ein Zeitraumabzusehen. Die Studie des NMU sagt selbst:Es ist eng verknüpft mit dem Protest, derdurch die Probebohrungen entsteht.

Ministerpräsident Albrecht erlebte am15.01., dem Tag seiner Wahl, dass sich inWahn an den Probebohrungen der Funkedes Protestes entzündet. Die Erfahrung war:An jedem Standort, der in den KEWA-Stu-dien benannt ist, führte der Versuch, auchnur Erkundungsmaßnahmen vorzunehmen -ich differenziere zwischen Erkundungsmaß-nahmen und Probebohrungen -, zu Protes-ten. Das war unterschiedlich ausgeprägt; dasmüsste man sich im Einzelnen ansehen.Aber die Lehre auf niedersächsischer Regie-rungsseite wird gewesen sein: Probebohrunggleich Protest. Protest ist zunächst einmaletwas, was landespolitisch schwierig zuhandhaben ist und - das ist etwas, was kon-kret in der Studie steht - zu erhöhtem Poli-zeieinsatz und erhöhten Kosten führt. BeideElemente sind in der Studie des NMU ent-halten.

Die Einengung auf einen Standort ergibtsich nach meiner Einschätzung in der Vorbe-reitung auf das Ministergespräch und istspätestens in der Zeit zwischen dem 08. unddem 10.11. erfolgt. Es ist möglich, dass dieWeichen dorthin schon deutlich früher ge-stellt worden waren.

Sebastian Edathy (SPD): Herr Rösel, ichhabe eine Nachfrage: Wie ist denn der Be-griff „Überraschungsmoment Gorleben“ zuverstehen, den Sie eben gebraucht haben?Gorleben kam da wie Kai aus der Kiste in dieDiskussion?

Sachverständiger Henning Rösel:Nachdem sich der Bund auf drei Standortefestgelegt hatte - das waren Wahn, Weesen-Lutterloh und Lichtenhorst - und man davonausging, dass einer dieser drei Standorte dieAkzeptanz des Landes Niedersachsen findenwürde, war die Benennung Gorlebens in derTat ein gewisses Überraschungsmoment,was letztlich auch dazu geführt hat, dass esfast ein halbes Jahr dauerte, bis der Standortakzeptiert wurde.

Ich gehe davon aus, dass das Folgende,was Frau Vogt zitiert hat - das stammt aus

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der Bundestagsdrucksache 7/381 vom16.07.75 -, galt. Da sagt die Bundesregie-rung:

Eine detaillierte Untersuchung, ins-besondere zur Endlagergeologie,hat begonnen. Es ist beabsichtigt,im Laufe des nächsten Jahres dasatomrechtliche Genehmigungsver-fahren für den bestgeeignetenStandort einzuleiten.

Da die Untersuchung der Endlagergeolo-gie begonnen hatte, konnte sich das nur aufdie Standorte des Bundes beziehen. Gorle-ben kam plötzlich von außen hinzu. Ich gehedavon aus, dass der Bund damit nicht ge-rechnet hat, vielleicht damit auch nicht rech-nen konnte; ich weiß es nicht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Das Fragerecht geht jetztan die FDP-Fraktion.

Angelika Brunkhorst (FDP): Danke,Frau Vorsitzende. - Meine Herren Sachver-ständigen, bitte nehmen Sie es nicht persön-lich, wenn ich noch einmal Fragen aufrolle,bei denen Sie selbst vielleicht meinen, Siehätten sie ausreichend beantwortet.

Zunächst frage ich Herrn Dr. Möller. Siehaben, wenn ich es recht verstanden habe,gesagt: Die technologisch günstigste Platz-ziffer 2 wurde Gorleben erteilt, ohne dassdas durch Kriterien belegt worden wäre. -Das habe ich falsch verstanden? - Gut, dannergänze ich meine Frage: Welche Kriterienhaben Ihrer Meinung nach zu dieser Punkte-bewertung geführt? Wir haben verstanden,dass es drei Auswahlverfahren gab - BGR,KEWA und Niedersachsen. Mich interessiertder direkte Zusammenhang zwischen Krite-rien und Punktebewertung. Können Sie et-was dazu sagen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichhabe nur von zwei Auswahlverfahren ge-sprochen; sie sind aus der Tischvorlage er-sichtlich. Es gibt zum einen die KWA 1224.Sie liegt in Berichtsform vor und betrifft dasJahr 1974. Im Laufe des Jahres 1974, wäh-rend KWA 1224 läuft, ergibt sich auf bun-despolitischer Ebene eine Änderung derKriterien, eine Verschiebung in RichtungEndlagergeologie, weil das integrierte Ent-sorgungskonzept hinzukommt. Bis zu diesemZeitpunkt will die Industrie, die möglichstwenig in die Wiederaufarbeitung investierenwill, die Endlagerung nicht mitbehandeln.

Auf der Grundlage der KWA 1224 werden26 Standorte synoptisch, in Gegenüber-stellung, verglichen und mit Punkten bewer-tet. Als Ergebnis geht aus dieser Bewertunghervor, dass Wahn, Lichtenhorst und Lutter-loh die Standorte der Wahl sind. Man be-trachtet das gesamte Bundesgebiet - mansieht sich auch Schleswig-Holstein, Bayernund andere Länder an -, aber man kommt zudem Ergebnis, dass in Niedersachsen diedrei besten Standorte liegen.

Zum Stellenwert der Endlagergeologie inKWA 1224 ein Beispiel: Dort ist auch derStandort Uchte genannt.

(Angelika Brunkhorst (FDP): BeiHannover?)

Uchte bekommt beim Kriterium Endlagerpo-tenzial ein Nein und befindet sich trotzdem inder Kategorie „noch gut geeignet“. Das heißtzunächst nichts Schlimmes, sondern bedeu-tet nur - das hat Herr Rösel mehrfach gesagt,und auch ich habe es gesagt -: Es geht umdie Errichtung eines Entsorgungszentrums,einer oberirdischen Wiederaufarbeitungsan-lage mit einem Endlager.

Für die Industrie, die dafür zahlen soll, istes ganz wichtig, dass sie die Wiederaufar-beitungsanlage an dem günstigsten Standorterrichten kann. Für die Industrie ist es nach-rangig, das Endlager zu haben. Von dahererklärt sich das in KWA 1224. Es gibt einenZwischenbericht und den AbschlussberichtKWA 1225, der aber erst im Oktober 77 vor-liegt.

KWA 1224 und KWA 1225 sind - das istGegenstand der Tischvorlage - ohne Be-teiligung der niedersächsischen Landesregie-rung zustande gekommen; das muss manklar sehen. Als aufgrund des Protestes ambevorzugten Standort Wahn, auch aufgrunddes kommunalpolitischen Protestes in derCDU, die Untersuchungen mehr und mehrvorlaufen, ist man bei einem solchen Schlüs-selprojekt natürlich bestrebt, zu sagen: Wohaben wir Plan B? - Das, was in der Tisch-vorlage steht, scheint mir Plan B zu sein. Ichhabe allerdings die Akten nicht gesehen.Aber es kommt zu einer alternativen Stand-ortermittlung.

In meinen Unterlagen befindet sich einDokument vom 05.08.1976, aus dem hervor-geht, dass sich die Beteiligten mit dem BMFTin Frankfurt, bei Hoechst, treffen und sagen:Wir müssen die Standorte aus der KEWA-Studie noch einmal überdenken, weil sich

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zwischenzeitlich neue Aspekte ergeben ha-ben.

Am 27.08. - das sind die Rahmendatendieses Prozesses - erfährt das Referat vonKlaus Stuhr von der engeren Auswahl derneuen Standortalternativen der KEWA. DieKEWA beginnt zwischen dem 05.08.76 unddem 27.08.76, neue Standortalternativenauszusuchen. Jetzt bin ich an dem Punkt,nach dem Sie gefragt haben: Die technolo-gisch günstigste Platzziffer ergibt sich ausder Untersuchung der neuen Standortalter-nativen.

Angelika Brunkhorst (FDP): Also sindnach Ihrer Meinung die Erwägungen desLandes Niedersachsen dort eingeflossen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist etwas, was ich zur Diskussion stelle.Deswegen steht ein Fragezeichen an dieserStelle.

Angelika Brunkhorst (FDP): Ein Frage-zeichen ist da? - Gut.

Ich hätte noch eine Frage an Herrn Rösel.Herr Rösel, Sie haben eine sehr wohlwol-lende Erklärung für das auffällige Interessedes Bundeskanzleramtes in den Jahren 1976bis 1982 für diese Aufgabenstellung gefun-den. Welche Qualität hatte diese Aufmerk-samkeit? War das Bundeskanzleramt ständigmit hochrangigen Vertretern als Beobachterda? Haben sie aktiv in die Diskussion einge-griffen? Haben sie eigene Impulse gegeben?Wie muss man sich das vorstellen?

Sachverständiger Henning Rösel: Vonhochrangigen Vertretern würde ich nichtsprechen. In der Regel waren es, auch vonden anderen Ministerien, Referenten, auchmal Referatsleiter. Die Beiträge haben sichaus der Diskussion ergeben und waren ausmeiner Sicht in der Regel dadurch geprägt,dass man im Hinblick auf die Realisierungeines Endlagers Fortschritte erzielen und dasauch dokumentieren wollte, was nicht heißt,dass von anderen Ministerien andere Zieleverfolgt worden wären. Alle Beteiligten ver-folgten das Ziel, für die Realisierung einesEndlagers zu sorgen. Nur hat das Bundes-kanzleramt aus meiner Sicht sein politischesGewicht in die Waagschale geworfen. Es warder Primus inter Pares, mehr nicht. Ich habedas nur der Vollständigkeit halber dargestellt.

Mich hat schon überrascht, dass dasBundeskanzleramt neben den beteiligten

Fachministerien ein solches Interesse hatte.Das fällt auf. Es fällt mir auch deswegen auf,weil ich das nachher in dieser Form nichtwieder erlebt habe. Dass sich, bis zum heuti-gen Tage, bei ganz wichtigen Weichen- oderFragestellungen das Bundeskanzleramt mel-det und sich einen Bericht anfertigen lässt,das hat es immer wieder gegeben. Aber dasMit-am-Tisch-Sitzen und Mitdiskutieren wareine Qualität, die mir bis dahin unbekanntwar. Ich habe das nicht als negativ empfun-den, muss ich Ihnen ehrlich sagen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann erhält die Fraktion Die Linke das Fra-gerecht.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Meine Herren, wir habenimmer wieder gehört, dass es bei der Stand-ortbewertung damals nicht nur um ein Endla-ger, sondern um ein Entsorgungszentrumging. Mir liegt zum Beispiel ein Schreiben derKEWA aus dem Jahre 1972 vor, in dem mansich an die Bundesanstalt für Bodenfor-schung wendet und Kriterien aufführt, dierelativ wenig mit Endlager, sondern viel mehrmit einer oberirdischen Eignung für die ande-ren Betriebsbereiche zu tun haben. Es istauch die Rede von einer Aussohlung, sprich,ein großer Fluss soll in der Nähe sein.

Wie sind Ihrer Erinnerung nach bzw. vordem Hintergrund Ihrer Forschung die Krite-rien in der Zeit zwischen den frühen 70ernund Mitte der 70er-Jahre angepasst worden?Oder fand keine Anpassung statt, und dieursprünglich in den frühen 70er-Jahren auf-gestellten Kriterien wurden so belassen undeinfach abgearbeitet?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichversuche, etwas dazu zu sagen. Zu der ers-ten Kontaktaufnahme mit der BfB bzw. ins-besondere dem NLfB im Beisein des BMWi -ich habe in meinen Unterlagen drei Studiendazu; sie sind von April und September undaus der Zwischenzeit - befindet sich in denAkten des Bundesarchivs eine Unterlagevom 13. April 1972. Darin werden von denje-nigen, die nach dem Standort für die Wieder-aufarbeitungsanlage suchen, noch einmaldie alten Kavernenstandorte, die in den 60er-Jahren betrachtet worden waren, angeprie-sen. Der Referent des BMWi sagte damals:Es gibt aber einen neuen Salzstocknut-zungsplan des NLfB, der einige Tage alt ist;vielleicht schauen wir uns den besser einmal

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an. - Die Standortbetrachtung hat sich alsogeändert, die Sicherheitskriterienbetrachtunghat sich entwickelt.

Man müsste sich - deswegen lautet dieAntwort vorab, dass man sich das noch ein-mal im Detail ansehen muss - ansehen, wiedas gelaufen ist. Ich habe auch das Verfah-renskonzept für die Wiederaufarbeitungsan-lage, für die große 1 500 jato Uranoxid-An-lage - davon habe ich eine Kopie in den Un-terlagen -, für meine Doktorarbeit genannt.

Die Industrie versucht, sich spätestens1973, als klar ist, wie viel all das kostenwürde, auf die Wiederaufarbeitung im engenSinn zu beschränken, und betrachtet End-konditionierung und Endlagerung stiefmütter-lich. Ich betone: Das ist nur 1973. Diesestiefmütterliche Betrachtung wird dann vomBMFT mit dem integrierten Entsorgungskon-zept ausgeglichen, und es wird gesagt: LiebeIndustrie, du musst aber auch den gesamtenProzess sehen. Wir erwarten von euch, dassihr nach dem Verursacherprinzip alles finan-ziert.

Jetzt erfahren die Sicherheitskriterien fürdie Endlagerung eine Steigerung. Ich habees schon eben einmal erwähnt: Im Verlaufder KWA 1224 steigert sich das. Es wirdimmer mehr, je weiter es in die 70er-Jahregeht, möchte ich betonen, ohne es an kon-kreten Einzelbeispielen festmachen zu wol-len. Wir haben eben schon gesagt: Es gingbeim integrierten Entsorgungszentrum auchum die Anlage eines Kavernenfeldes. DieKavernentechnologie war lange beschrieben,aber nicht erprobt. Vonseiten des BMFT gabes Fördermaßnahmen, um sie per

7

Genehmigungsverfahren genehmigungsfähigzu machen. Da sich die niedersächsischeSeite massiv dagegen wehrte, hat man aufdas Kavernenkonzept verzichtet, weil manfür die Anlage eines Kavernenfeldes - auchdas sagt die Studie des NMU -Probebohrungen hätte durchführen müssen.Über den 20. September 1976 bzw. denZeitraum September/Oktober 1976 gibt esjede Menge Protokolle über Gesprächezwischen NLfB, Gerd Lüttig, Preul, denKEWA-Vertretern und anderen, in denengesagt wird: Wenn wir eine qualitativeAussage über die Eignung eines Salzstockszur Anlage eines Kavernenfeldes machenwollen, dann brauchen wir mindestens eineProbebohrung, eine Tiefbohrung. Wir brau-chen, wenn wir es wirklich bewerten wollen,

7Richtigstellung des Sachverständigen: streiche „per“,

setze „für das“, Anlage 2

vier bis fünf Bohrungen. - Das ist die Sacheim Endlager aus geologischer, qualitativerSicht. Ich betone aber noch einmal: Manmüsste es sich im Ganzen ansehen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Gibt esangesichts dessen, was Sie wissen odersagen können, Anhaltspunkte dafür, dass -nachdem klar war, es wird kein umfassendesEntsorgungszentrum, sondern vorrangig einEndlagerstandort - sich da Stimmen mehrtenoder Stimmen laut wurden und gewünschtwurde, eine vergleichende Standortsuchedurchzuführen bzw. eine neue Bewertungunter diesen veränderten Planungen vorzu-nehmen? Wurden solche Stimmen laut, undwenn ja, von wem wurde dies geäußert?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichhabe keine Kenntnis von solchen Stimmen.Das wäre eine sehr lohnenswerte Untersu-chung.

Sachverständiger Henning Rösel: Mirist dies ebenfalls nicht bekannt. Nachdemder berühmte Satz: „Sicher ist es technischmachbar, politisch jedoch nicht durchsetz-bar“, gefallen war, wurde der Standort Gorle-ben aus meiner Sicht weder im Land Nieder-sachsen noch beim Bund diskutiert, sondernals Endlagerstandort akzeptiert. In der Kon-sequenz haben wir mit der Erkundung be-gonnen.

Bezüglich der Frage, ob die Akten dazuetwas enthalten, kann ich mich nur HerrnDr. Möller anschließen: Das müsste manuntersuchen. Wir sind mit solchen Sachver-halten nie konfrontiert worden.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Wennman alte Dokumente liest, weiß man, dasszumindest Ministerpräsident Albrecht ur-sprünglich ganz andere Präferenzen für einEndlager hatte. Ich erinnere an die Vorstel-lung, man könne eine Nordseeinsel, könneGrönland nehmen. Ist aus Ihrer Erfahrungoder Ihren Studien benennbar, wann sich dieMeinung so nachhaltig änderte, dass Gorle-ben als konkreter Standort gewünscht, be-nannt, ins Spiel gebracht wurde?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Meine Antwort lautet ganz klar: Nein. Ichhabe von diesen konkreten Überlegungenzum ersten Mal aus der Studie des NMUerfahren. Ich warne davor, bestimmte Dinge,

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1. Untersuchungsausschuss 49[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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die damals gelaufen sind, einfach so zunehmen, wie sie sind.

Meiner Doktorarbeit können Sie einenVermerk über ein Gespräch zwischen Bun-deskanzler Schmidt und Ernst Albrecht ent-nehmen. Darin geht es um die Frage einerEndlagerung im Ausland, die auch etwas mit„nicht in Niedersachsen“ zu tun hat und diesicherlich rein von den technologischen An-forderungen her vordringlicher zu verwirkli-chen gewesen wäre als ein Standort in derNordsee. Darin sagt Schmidt - deswegenhabe ich das eingangs betont -: Ich habeHerrn Albrecht angeboten, mit befreundetenRegierungen Konsultationen zu dieser Frageaufzunehmen. Die dienen aber seiner takti-schen Entlastung. - Dann sagt er: Über die-sen Punkt herrschte in unserem Gesprächvollständige Klarheit. - Ich habe das in mei-ner Doktorarbeit zitiert. Auf der Grundlagedessen sage ich: Es geht um Taktik.

Sie werden meiner Doktorarbeit entneh-men, dass diese Konsultationen stattgefun-den haben. Sie werden feststellen: Die gabes. Es ist aber eine Frage der Einordnungund Bewertung. Dieser Gesprächsvermerksagt ganz deutlich: Vorsicht! Es kann auchalles Taktik sein, was in diesem Zusammen-hang läuft.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Jetzt sind die Grünen ander Reihe.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Danke, Frau Vorsitzende. - Ichmöchte Herrn Dr. Möller bezüglich der Ent-scheidungen der Jahre 1976 und 1977 be-fragen. Wir alle wissen, dass Gorleben imersten KEWA-Verfahren als möglicherStandort gar nicht berücksichtigt wurde,jedoch in der Nachbewertung durch dieKEWA als angeblich bester Standort benanntworden ist. Wir kennen die Akten allerdingsnur durch die Darstellung von Herrn Tigge-mann und sind darauf angewiesen, heraus-zufinden: Sind es Bewertungen, sind es Un-tersuchungen? Meine erste Frage lautet:Was hat Ihrer Kenntnis nach zu dieser Ände-rung geführt? Ich möchte gleich nachsetzen:Wie erklären Sie sich, dass die Ergebnisseder Nachbewertung, die wir zumindest ausder Untersuchung von Herrn Tiggemannoder aus der Studie kennen, in keiner Kabi-nettsvorlage von 1976 - es gab die Sitzungim Dezember oder die entscheidende Sit-zung im Februar 1977 - auftauchen, jedoch

gleichzeitig, wie wir auch den Darstellungenentnommen haben, die sachliche Grundlagefür die Standortentscheidung von ErnstAlbrecht und Herrn Leisler Kiep dargestellthaben sollen?

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ha-ben Sie das auch für uns da? Nurzur Information: Woher haben Siedas Wissen, dass das nicht in denUnterlagen war? Ich kenne die Un-

terlagen nicht! Haben Sie dieschon?)

- Nein, natürlich nicht. Deswegen frage ichHerrn Dr. Möller, ob er im Rahmen seinerDoktorarbeit auf Genaueres gestoßen ist.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Um das aufzugreifen: Nein, ich bin nicht aufGenaueres gestoßen. Was diese Studie sagtund was ich Ihnen dazu sagen kann, ist derKnackpunkt Lage im Ferien- und Erholungs-gebiet.

In Anlage 1 des Berichts der KWA 1224ist die gesamte Bundesrepublik mit unter-schiedlich schraffierten Zonen abgebildet. Inder Anlage 1 finden Sie die 26 Standorte. InRichtung Lüchow-Dannenberg werden Sieeine rot oder braun schraffierte Fläche undeine grün schraffierte Fläche feststellen.Gorleben ist nicht darin. - So viel zu dem La-gebild.

Selbstverständlich fragt man sich: Warumist Gorleben nicht darin enthalten, obwohlnachher festgestellt wurde, dass es so gutgeeignet sei? Ja, es kann sein, dass es eineVorgabe des NMW gegeben hat: Die Lageim Ferien- und Erholungsgebiet ist ein Aus-schlusskriterium. Ich kann es nicht anhandvon Akten belegen, aber es wird eine Ab-stimmung zwischen KEWA und NMW gege-ben haben. Wahrscheinlich hat das NMWirgendwann entschieden: Die Lage im Fe-rien- und Erholungsgebiet ist kein Kriteriummehr. - Das kann ich aber nicht an Aktenfestmachen. Man muss sich klarmachen: DerAbschlussbericht KWA 1225 ist vom Oktober1977. Der erste, KWA 1224, ist ganz nah amBerichtszeitraum erstellt worden. Bezüglichdes Zwischenberichts, KWA 1225, lässt mansich in dem neuen Jahr zwei, drei MonateZeit, etwas dazu zu sagen. KWA 1225 Ab-schlussbericht wird ganz lange danach vor-gelegt und enthält deswegen sämtlichepolitischen Überlegungen, die in dieser Zeitgelaufen sind. Man findet in KWA 1225 einensehr rudimentären Bezug auf die Änderun-gen. Da wird einfach nur gesagt: Es hat eine

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Änderung der Kriterien gegeben. Wir habennoch einmal neu betrachtet. Deswegenhaben wir jetzt auch die Lage im Ferien- undErholungsgebiet herausgenommen. - Unterdiesen Aspekten konnte Gorleben danngewählt werden.

Die Studie besagt selbst, dass Gorlebenim Erholungsgebiet lag. Warum es auf ein-mal möglich war, diesen Standort in Erwä-gung zu ziehen, kann ich anhand von Aktennicht belegen. Man sieht jedoch: Der Erkun-dungsprozess war aufgrund des Protestes anden bevorzugten Standorten zum Stillstandgekommen. Das gesamte Projekt drohte zumStillstand zu kommen. Die bevorzugte, präfe-rierte Einleitung des Genehmigungsverfah-rens drohte sich um bis zu zwei Jahre nachhinten zu verschieben; dies steht ebenfalls inder Studie.

In dieser Situation, als es darum geht,dass das gesamte Schlüsselprojekt für denAusbau der Kernenergie zum Stillstandkommt, und als es erst einmal nur darumgeht, ins Genehmigungsverfahren zu kom-men, kommt entweder das NMW oder dieIndustrieseite mit neuen Standortalternativen,die dann auch Gorleben enthalten. Man hatangesichts dieser Situation - man kann dieEinzelaspekte nicht einfach noch einmal neubewerten - eine Gewichtung vorgenommenund gesagt: Okay, dann kippen wir halt dieLage im Ferien- und Erholungsgebiet.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Dann frage ich bezüglich derBesteignung weiter; denn in den Akten tauchtnach Herrn Tiggemanns Angaben häufigerder Hinweis auf, dass Gorleben am bestengeeignet sei. Unter anderem betonte einMitarbeiter von Herrn Leisler Kiep, dassGorleben eine geologische Spitzenstellunghat. Sie schreiben in einer Anmerkung IhrerDoktorarbeit, dass sich dieser Hinweis nungerade nicht habe überprüfen lassen. Wel-che Quellen gibt es für die Aussagen, diesich auf die Endlagergeologie beziehen?Gibt es andere wissenschaftlich-geologischeStudien, auf die sich die Protagonisten hättenbeziehen können?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Ganz klar: Mir liegen keine Studien und Gut-achten vor, die sich damit konkret befassen.

Wenn wir uns den Bereich Endlagergeo-logie, der auch in der Studie des NMU ge-nannt ist und nachher auch Einfluss in dieneuen Standortalternativen findet, ansehen,

stellen wir fest: In der Bewertungsliste derKWA 1224 steht noch „Endlagerpotenzial“:Können wir da möglicherweise ein Endlageranlegen? - Dann geht man zur Endlager-geologie über.

Man muss sich aber fragen: Was heißt„Geologie“ in diesem Zusammenhang? Wel-che Kriterien werden da unter „Geologie“subsumiert? Wenn Sie sich das ansehen,stellen Sie fest, dass das lagerstättenkundli-che Aspekte sind, nämlich die Ausdehnungdes Salzstocks und seine Tiefenlage. BeideKriterien zusammen, die rein lagerstätten-kundliche Aspekte sind, liefern den Aus-gangspunkt für die Erstauswahl. Wenn mandiese Vorentscheidung getroffen hat, mussman natürlich in die Akten sehen. Das zu-ständige Fachamt war das NLfB, bei dem dieErdölprospektion und die Flachseismik, diegesamten physikalischen Messungen, dieErgebnisse, die Bergämter, all das zusam-menläuft. Man kann erst, wenn man die Erst-auswahl getroffen hat, unter Einbeziehungund Mitarbeit des NLfB oder einer anderenFachbehörde tatsächlich etwas zur Qualitätdes Salzstocks sagen. Ohne die Bohrungenist es, wie ich schon eben einmal gesagthabe, lediglich eine Eignungshöffigkeit, diesich auf die beiden lagerstättenkundlichenAspekte Ausdehnung und Teufenlage be-zieht. Mit geophysikalischen Messungen,Flachbohrungen und Tiefbohrungen ergebensich verdichtete Aussagen. An dieser Stellesind wir bei der letzten Tischvorlage und demunter sehr großem Zeitdruck stattfindendenniedersächsischen Auswahlprozess.

Sie müssen sich einmal ansehen, wie vielZeit das Niedersächsische Landesamt fürBodenforschung für die Bewertung hatte.Herr Tiggemann erwähnt in seiner Disserta-tion die Aussage von Herrn Hofrichter, dasser für die Bewertung des Standorts Gorlebennur eine Woche Zeit gehabt habe. Ich habedas nie im Original gesehen, sondern nehmediese Aussage der Studie. In Anbetrachtdessen, unter welchem Zeitdruck dieserAuswahlprozess stattfand, habe ich einfachdie Assoziation - könnte aber wahr gewesensein, weil ich mich aufgrund meiner Verwal-tungserfahrung frage: was kommt da hin-ein? -: Das NMW tritt an einem schönenNovembertag mit 13 Standorten ans NLfBheran und sagt: Sagt uns doch bitte inner-halb einer Woche, ob die geologisch geeig-net sind oder nicht. - Wenn in einer solchenOrganisation 13 Gutachten oder Stellung-nahmen zu erstellen sind, muss man erst

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einmal schauen, wer dort zur Verfügungsteht und wer was mit welchen Präferenzenmachen kann? Dann kommen gewisse Be-wertungen zustande.

Um es wieder auf eine sachlichere Ebenezu holen: Man müsste einmal feststellen,welche konkreten Informationen zum Zeit-punkt der Auswahl im NLfB zur qualitativenSeite des Salzstocks Gorleben vorgelegenhaben. Hat es Tiefbohrungen gegeben? Washaben die Messungen ergeben usw.? Da-tenmaterial dazu enthält die Studie nicht. Erstwenn das Material da ist, kann man klar da-rüber diskutieren.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wollen wir noch eine Runde eröffnen? - HerrKollege Grindel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Herr Rö-sel, Sie müssen jetzt helfen, weil ich HerrnMöller nicht verstehe. Er spricht von Frage-zeichen und anderen Dingen. Ich lasse seinekritischen Anmerkungen zu dem, was1976/1977 passiert ist, dahingestellt sein undfrage: Ist es falsch, zu sagen: 1983 lautetentsprechend der Studie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt die Empfehlungan die Bundesregierung: „Jawohl, ihr könnt indie untertägige Erkundung einsteigen“? Ichbin Laie und möchte daher wissen, ob manda nicht sagen könnte: Es ist doch gut ge-gangen. - Spätestens seit 1983 existiert derBeweis, dass nicht unkorrekt gewesen seinkann, was da 1977 abgelaufen ist. Kann mandas in eine solche etwas platte - das räumeich ein - Zusammenfassung bringen?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichhabe schon vorhin gesagt, dass die PTBnach der Benennung des Standorts Gorle-ben keinen Grund hatte, an der Standortent-scheidung zu zweifeln. Das machte sich anwenigen Kriterien fest; Herr Möller hat siegenannt. Es ging um die Unverritzheit undÄhnliches. Wichtig ist zunächst das Ergebnis,das wir 1983 erzielt haben. Dieses Ergebnisist keine einsame Entscheidung der PTB,sondern ist unter Beteiligung von vielenFachfirmen, der BGR, von Universitäten - ichhabe sie in dem Papier aufgelistet - zustandegekommen, sodass ich sagen kann: 1983 hatsich bestätigt, was wir 1977 vermutet haben:dass an der Qualität der Standortentschei-dung ohne Weiteres nicht zu zweifeln war.

Wenn wir auf der Zeitachse weiter-schauen - auf die Zeit nach der Diskussion in

den Jahren 1977 bis 1983 -, kommen wirrelativ schnell zur Anlage 4, zu dem Morato-rium, in dem auch Minister Trittin damals dieEignungshöffigkeit bestätigt hat. Es gibt vieleZwischenberichte des NLfB, des geologi-schen Sachverstandes des Landes Nieder-sachsen, in denen zwar der eine oder anderePunkt kritisiert wurde, aber an der Grundaus-sage der Eignungshöffigkeit in dem vorhingenannten Verständnis - Eignungshöffigkeitheißt Grundkenntnisse mit einem Zuwachsan Erkenntnissen auf dem Weg hoffentlichzur Feststellung einer Eignung - keine Zwei-fel aufkamen. Rückblickend mag die Ent-scheidung in Teilbereichen dünn gewesensein, aber im Ergebnis habe ich keinenZweifel daran, dass Gorleben ein Standortist, der durchaus seine Qualitäten im Hinblickauf das Ziel hat, ein Endlager für alle Artenradioaktiver Abfälle einzurichten, wie es be-antragt worden ist.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wenn ichIhren Vortrag richtig verstanden habe, habenSie sich mit den Ereignissen des Jahres1983 näher und intensiver befasst als mitdenen des Jahres 1977.

Es ist mehrfach von einem zeitlichen ge-drängten Verfahren die Rede gewesen. Ichlese in der mehrfach zitierten Studie - imGrunde genommen zeigt das auch das Ver-halten danach -, dass der Zeitdruck docheher durch die drei Bundesminister hineinge-kommen ist, die am 11. November 1976 inHannover auftauchten, als Ernst Albrechteine Landtagswahl vor der Brust hatte. Esspricht auch die menschliche Erfahrung da-für, dass man solche umstrittenen Dingeungern davor macht. Können Sie aus eigenerKenntnis sagen, ob der Zeitdruck, wenn esihn gegeben hat, aus Bonn kam oder inHannover selbst gemacht war?

Sachverständiger Henning Rösel: Daskann ich nur vermuten, aber meine Erfahrungauf der Zeitachse vor dem Hintergrund derDurchführung von Maßnahmen und derenSuspendierung aus Gründen, die im Zu-sammenhang mit Kommunal-, Landtags- undBundestagswahlen stehen, sprechen sehrdafür, dass das damals so war. Mich würdees reizen, mich dort einmal hinzusetzen unddie Maßnahmen, die wir durchführen wollten,an dem zu spiegeln, was an politischen Ent-scheidungen anstand. Dann werden Sie sichwundern, wo die Zeit bleibt.

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1. Untersuchungsausschuss 52[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich würdegern noch einmal auf 1983 zu sprechenkommen. Sie haben mehrfach von einemVorgesetzten gesprochen. Das war Profes-sor Röthemeyer?

Sachverständiger Henning Rösel:Richtig.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Weil Sievon der möglichen Suche nach einem zwei-ten oder dritten Standort gesprochen haben,stelle ich die Frage: Habe ich Sie richtig ver-standen, dass das weniger damit zusam-menhing, dass Sie die Eignungshöffigkeitbezweifelt haben, als damit, dass Sie dasauch aus Kapazitätsgründen - davon abge-sehen, dass Wissenschaftler ohnehin aufNummer sicher gehen, was dann natürlichmit einer zweiten, dritten Standortsuche derFall gewesen wäre - zumindest in Betrachtgezogen haben?

Sachverständiger Henning Rösel: Sosehe ich das, und dafür spricht auch, dassdas Stichwort „Akzeptanz“ in diesem Zu-sammenhang genannt worden ist. Wir woll-ten verhindern, dass die Frage der friedlichenNutzung der Kernenergie vor dem Hinter-grund in die Diskussion gerät, dass mögli-cherweise nicht genug Endlagerkapazitätvorhanden war. Hinzu kam, dass später dieEntsorgungsgrundsätze hochkamen und unszum Beispiel das OVG Schleswig im Zu-sammenhang mit dem Verfahren Brokdorfvierteljährlich aufgefordert hat, einen Endla-gerfortschritt nachzuweisen. Es gab daschon einen Sachzusammenhang. Wir woll-ten als Fachbehörde verhindern, dass wirplötzlich vor der Situation stehen, zwar einEndlager zu haben, aber die Kapazität nichtausreicht.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das warauch der Grund zum Remonstrieren, nichtaus Sicherheitsgründen, sondern mehr ausKapazitätsgründen?

Sachverständiger Henning Rösel: Dasist meine Erinnerung. Ich habe damals in derAufregung gesagt: Es gibt Instrumentarien,sich gegen Einflussnahmen der vorgesetztenBehörden zu wenden, nämlich die Re-monstration. Das Thema Remonstration warsofort vom Tisch, weil das Problem nicht alsRemonstrationsgrund anerkannt wurde.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): ZumThema vorgesetzte Behörde. Sie wissen ausdem Zeitungsstudium um die Sachverhalte,über die wir uns hier zu unterhalten haben.Es wird immer gesagt: Die Regierung Kohlhat Einfluss genommen. Laienhaft würdeman denken, die Regierung - wenn schonnicht Kohl selbst -, das waren zumindest dieMinister. Haben Sie in dem Prozess1982/1983 selbst erfahren oder von Drittengehört, dass irgendwann ein leibhaftigerMinister oder ein leibhaftiger Staatssekretärauf diese Studie und andere Dinge, die damitzusammenhängen, Einfluss genommenhätte?

Sachverständiger Henning Rösel: Klippund klar: Nein. Ich habe vorhin gesagt, dassich auf meine Dienstzeit auch im Zusam-menhang mit der Endlagerung stolz bin, inder ich mich mit solchen Sachverhalten Gottsei Dank nie befassen musste. Ich war zu-nächst als Jurist beschäftigt, das heißt, warderjenige, der solche Fragen im Sinne vonRemonstration aufarbeiten musste, und warspäter in etwas anderen Hierarchiestufen -sei es als Projektleiter Konrad und Gorlebenusw. - tätig. Daher kann ich klipp und klarsagen: Nein.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich habeHerrn Dr. Möller noch keine Frage gestellt.Weil mir einige seiner Ausführungen nichtschlüssig und nachvollziehbar erschienen,möchte ich nachfragen. Herr Dr. Möller, Siehaben mehrfach Ihre Dissertation angespro-chen. Wie viel Prozent der Dissertation be-schäftigten sich mit Gorleben und wie viel mitder Asse?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist eine sehr wichtige Frage, auf die ichIhnen sehr gern eine Antwort gebe. Ich finde,dass eine fundierte wissenschaftliche Be-wertung in der Tat nur vorgenommen werdenkann, wenn man eine dichte Aktengrundlagehat. Zu dem Zeitpunkt, als ich meine Doktor-arbeit geschrieben habe, war die Akten-grundlage primär für den Bereich Asse IIverfügbar. Sie war aber auch durch mehrereFreigaben für den Bereich Gorleben verfüg-bar. Ich sehe das Gorleben-Thema als sowichtig an, dass man dazu nicht mit vor-schnellen Äußerungen und Ähnlichem ineiner wissenschaftlichen Dissertation Stel-lung nimmt. Wenn Sie die Dissertation gele-sen haben, werden Sie auch festgestellt

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1. Untersuchungsausschuss 53[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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haben, dass ich gesagt habe: Mein Schwer-punkt liegt auf den Jahren bis 1974; dannnehme ich noch das integrierte Entsorgungs-zentrum hinein. Alles andere muss dannGegenstand einer Folgearbeit sein, die sichmit Rückgriff auf die Akten intensiv damitbefasst.

Ja, ich habe bereits im Zuge der Arbeitenzu meiner Dissertation den Gesprächsver-merk gefunden, den ich Ihnen auch vorgelegthabe. Wenn man in das Thema Gorlebeneintaucht - deswegen habe ich es schonmehrfach gesagt -, merkt man, dass es sehrviel an Taktik, Strategie enthält. Der Kanzlerselbst sagt: Es gibt eine StrategieAlbrechts. - Kitschelt als einer der ersten, diedarüber geschrieben haben, sagt: Es sindtaktische Momente enthalten. - Die Studiedes NMU spricht auch mehrfach von takti-schen Elementen darin und charakterisiertdie Situation von Albrecht an einer Stelleziemlich genau.

All das ist extrem interessant, extrem loh-nenswert. Es gehört in eine ausgewogeneStudie, die das Ganze auf breiter Akten-grundlage umfassend untersucht. Das ist derGrund, aus dem ich bislang nicht in diesemUmfang bzw. nur für diesen Ausschuss dazuStellung genommen habe.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Uns istmitgeteilt worden, Sie arbeiten heute beimBundesamt für Strahlenschutz. Womit sindSie derzeit genau beschäftigt?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Esist richtig, dass ich für das Bundesamt fürStrahlenschutz arbeite. Da die Auswahl derfür diesen Ausschuss wesentlichen Doku-mente auf der Grundlage meiner Dissertationerfolgt ist, habe ich keine Aussagegenehmi-gung zu diesem Bereich eingeholt. Dasheißt, ich kann Ihnen jetzt nichts dazu sagen,weil keine Aussagegenehmigung vorliegt,weil ich sie nicht eingeholt habe.

(Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Aberwas Sie machen, müssen Sie doch

sagen können!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): VerzeihenSie: Wofür brauchen Sie eine Aussagege-nehmigung? Um mir zu berichten, dass Siederjenige sind, der die Akten für uns aus-sucht? Dafür brauchen Sie eine Aussagege-nehmigung?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichkann Ihnen keine Angaben zu diesem Punktmachen, weil ich dazu eine Aussagegeneh-migung benötige.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das sindja nun Dinge, die in der Person begründetsind.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielleicht darf ich etwas dazu sagen: Entwe-der Sie würden noch einmal als Zeuge gela-den - es mag sein, dass die Fraktion dasentscheidet -, oder aber die Bundesregierungwürde freundlicherweise dazu Stellung be-ziehen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich ver-suche es einmal anders: Erfolgte Ihre Ein-stellung beim BfS aufgrund einer Ausschrei-bung?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichkann zu diesem Bereich nichts sagen. Nocheinmal: Ich bin hier, weil ich eine Dissertationüber Gorleben geschrieben habe, eine Dis-sertation über die Endlagerung. Ich bin hier,weil ich mich intensiv mit der Frage - intensi-ver als in meiner Dissertation niederge-schrieben - auseinandergesetzt habe. Ichhabe die Diskussion verfolgt. Alles, was ichals Grundlage für den heutigen Tag verwandthabe, finden Sie in meiner Dissertation, imInternet oder in der Studie des NMU.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wenn ich noch einmal dazwischengehendarf: Es ist ja keine Dienstangelegenheit, obeine öffentliche Ausschreibung stattgefundenhat oder nicht, sondern es ist eine Tatsache.Daher würde ich Sie schon bitten, im Rah-men Ihrer Möglichkeiten darauf zu antworten.Oder die Frage richtet sich noch einmal andie Bundesregierung.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichverstehe den Sachzusammenhang nicht,Frau Vorsitzende.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das isteine Frage der Qualität. Ich weiß auch nicht,warum er die Frage nicht beantworten kann.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: DerKollege Grindel fragt - so wie wir das auch inder letzten Sachverständigenanhörung ge-macht haben - nach der Person des Sach-

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1. Untersuchungsausschuss 54[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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verständigen. Ich denke, das ist eine imRahmen einer solchen Aussprache gerecht-fertigte Frage. Von daher bitte ich um Beant-wortung.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Estut mir leid. Ich kenne die rechtlichen Grund-lagen nicht. Mir ist gesagt worden, dass ichfür diesen Tag, wenn es um dienstliche Be-lange geht, eine Aussagegenehmigungbrauche.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): DieFrage, ob Sie aufgrund einer Ausschreibungeingestellt worden sind, ist keine Angelegen-heit - -

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichwerde zu diesem Bereich so lange keineFrage beantworten, bis mir jemand rechtlichzwingend nachweist, dass ich dazu eineAussage machen muss. Ich verstehe nicht,was das soll. Ich verstehe wirklich nicht, HerrGrindel, was das soll.

(Sebastian Edathy (SPD): Da sindSie nicht allein, Herr Sachverstän-diger! Ich verstehe das auch nicht!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dannstelle ich eine andere Frage. Mit wem habenSie Ihre Aussage vor dem Untersuchungs-ausschuss abgestimmt? Mit wem haben Siesich darüber abgesprochen, wie Sie hierauftreten?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Siekönnen mir solche und ähnliche Fragen invielen Varianten stellen. Ich habe zu diesemBereich keine Aussagegenehmigung. Ichkann dazu nichts sagen. Das kann ich for-melhaft in der nächsten halben Stunde wie-derholen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Kann icheinmal die Aussagegenehmigung von HerrnDr. Möller sehen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Erhat keine; das hat er ja gesagt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Vor-sitzende, Sie haben vorhin gesagt, dass wirdie Aussagegenehmigung haben müssen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Nein, das betraf Herrn Rösel, nicht HerrnDr. Möller.

(Sebastian Edathy (SPD): Der einehat sie nicht dabei, und für Herrn

Möller spielt die Aussagegenehmi-gung überhaupt keine Rolle!)

- Genau.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Er hatalso keine?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Soist es. Das hat er mehrfach gesagt.

(Sebastian Edathy (SPD): Deswe-gen kann er ja auch nichts sagen,

Herr Grindel!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Frageist, wofür er eine hat.

Dann darf ich, Herr Dr. Möller, Folgendesin aller Deutlichkeit sagen: Wir wissen sehrviel über das, was Sie beim Bundesamt fürStrahlenschutz machen. Ihr Verhalten trägtnicht zur Stärkung des Vertrauensverhältnis-ses bei.

(Sebastian Edathy (SPD): Wir sindhier nicht bei McCarthy, Herr Kol-

lege!)

Wir sollten als Abgeordnete im Untersu-chungsausschuss ein Interesse daran haben,zu ergründen, wie der Mann, der uns dieAkten aussucht, seine Arbeitsauffassungversteht - bei aller Liebe.

(Zurufe: Dann müssen wir jetzt dieUnterbrechung der Sitzung bean-

tragen! - Das geht zu weit!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichsehe unbedingten Beratungsbedarf bei denFraktionen. Deshalb unterbreche ich dieSitzung. Wir beraten jetzt in nichtöffentlicherBeratungssitzung und klären diese Frage.Deswegen bitte ich die Öffentlichkeit, denSaal zu verlassen.

(Zuruf: Den brauchen wir nicht!)

- Aber die Opposition.

(Zuruf: Wir haben dringenden Be-ratungsbedarf!)

Die Opposition hat Beratungsbedarf. Deswe-gen unterbreche ich jetzt die öffentliche Sit-

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1. Untersuchungsausschuss 55[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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zung und bitte die Öffentlichkeit, den Saal zuverlassen.

(Unterbrechung des SitzungsteilsSachverständigenanhörung, I:Öffentlich: 17.02 Uhr - Folgt

Fortsetzung des SitzungsteilsBeratung, II: Nichtöffentlich)

(Wiederbeginn des SitzungsteilsSachverständigenanhörung, I:

Öffentlich: 18.28 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Damit ist die Öffentlichkeit wiederhergestellt.

Ich begrüße Herrn Dr. Möller und HerrnRösel sowie die Öffentlichkeit auf das Herz-lichste und stelle einleitend noch einmal fest,dass die aufgeworfene Frage, inwieweit eseiner Aussagegenehmigung bedürfe odernicht, nicht etwa bedeutet, dass HerrnDr. Möller als Sachverständigem irgendetwasunterstellt würde, es Beschuldigungen odergar eine Vorverurteilung gäbe. Solche Fra-gen können bei einer Befragung im Rahmeneines Untersuchungsausschusses aufkom-men.

Wir haben die rechtlichen Rahmenbedin-gungen jetzt erörtert und sind uns innerhalbdes Ausschusses über das weitere Verfahreninsofern klar geworden, als wir die öffentlicheBeratung fortsetzen wollen.

Die Aussagegenehmigung liegt uns undIhnen, wie ich gehört habe, vor. Zudem istdie Bundesregierung als Dienstherr vertre-ten, um auch darüber zu wachen, dass hierIhnen gegenüber alles mit rechten Dingenzugeht. Ich achte ebenfalls darauf.

Nun erteile ich der Union wieder dasWort. Sie haben noch 8 Minuten und50 Sekunden Redezeit von Ihrer Fragerunde.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich kannan das anknüpfen, was wir zuvor besprochenhaben. Herr Dr. Möller, mittlerweile hat dasBundesumweltministerium mitgeteilt, Sieseien am 1. Mai 2010 eingestellt worden. Ichwürde gern wissen, ob die Einstellung aufGrundlage einer Ausschreibung oder unterwelchen Umständen sie erfolgte.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichdarf korrigieren: Ich bin zum 1. April 2010eingestellt worden. Das ist aufgrund einerAusschreibung geschehen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sind Sieim Hinblick auf die Arbeit des Untersu-

chungsausschusses eingestellt worden, umdie Akten für uns aufzuarbeiten?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist ein Teilbereich. Ich bin derzeit in derZentralabteilung Z tätig - solche Abteilungengibt es auch bei Ministerien und anderenBehörden - und da im Referat Z 2, das fürÖffentlichkeitsarbeit, Allgemeines und Son-deraufgaben zuständig ist. Zu den Son-deraufgaben zählt auch die Vorbereitung derBfS-Unterlagen für diesen Untersuchungs-ausschuss. Das ist eine Sonderaufgabe imklassischen Sinne. Es gibt ein diesbezüg-liches Projekt, und es gibt diesbezüglich dieklassische Linienzuständigkeit. Es gehtdarum, zu klären, was im GesamtbestandBfS überhaupt vorhanden ist. Es geht um dieSichtung, Bewertung und Erfassung vonAkten sowie um die Beantwortung bzw. dieMitwirkung an der Beantwortung von Anfra-gen dieses Ausschusses, der Öffentlichkeitund der Medien im Hinblick auf das Erkun-dungsbergwerk Gorleben, insbesonderegeschichtliche Fragen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Inwieweitspielt die Aktenkenntnis bei der Beantwor-tung der Fragen von Journalisten, von denenSie gerade gesprochen haben, eine Rolle?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Eswurden bisher keine Anfragen an mich ge-richtet. Sie würden gegebenenfalls eine Rollespielen, nur: Ich mache das ja nicht allein.Um es ganz klar zu sagen: Als die Anfragekam, ob ich vor diesem Ausschuss als Sach-verständiger aussagen würde, habe ich ge-genüber meinem direkten Vorgesetzten da-rauf hingewiesen, dass eine solche Anfragevorliegt. Ich habe erklärt: Ich finde dasThema sehr spannend und bin durchauswillens, dieser Anfrage nachzukommen. -Dann ist das in der Organisation auf einemWege, den ich nicht kenne, nach oben ge-wandert, und ich bekam eine Mail, in der mirmitgeteilt wurde: Ja, Sie dürfen aussagen; esgeht um den Bereich Ihrer Dissertation.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): WelcherTeil Ihres Vortrags, den Sie erarbeitet habenund uns noch ganz zur Verfügung stellenwollen, beruht auch auf Ihrer jetzigen Tätig-keit im BfS?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Gar nichts.

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Reinhard Grindel (CDU/CSU): MusstenSie Ihren Vortrag, den Sie hier halten wollten,im BfS abstimmen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Nein. Ich sage ganz klar: Dieser Vortrag hatheute keiner der Fraktionen vorgelegen. Ichhabe ihn nicht abgestimmt, ihn nicht einmalim engsten Freundeskreis erwähnt; nie-mand - noch nicht einmal mein Bruder - hatihn gelesen. Ich habe diesen Vortrag alleingeschrieben und ihn mit niemandem abge-stimmt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sind Sieallein mit der Aufarbeitung der Akten für denUntersuchungsausschuss - ich frage danach,weil Sie im Referat Z 2 tätig sind - befasst,oder haben Sie Hilfe?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Esgibt derzeit eine Projektgruppe, die neunMitglieder hat.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Das ist ein we-

nig grenzwertig!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): LassenSie den Sachverständigen doch antworten!

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Lassen Sie diese Antwort bitte zu.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Esgeht angesichts der Aktenfülle, die wir dahaben, auch um Scan-Tätigkeiten, um dieVorbereitung, um eine rechtzeitige Akten-übergabe sicherzustellen. Der größere Teildieser Gruppe ist mit der Aktenvorbereitungim Sinne von Scannen und Qualitätssiche-rung beschäftigt. Außer mir befassen sichnoch zwei weitere Herren mit Grundsatzfra-gen der Aktenbewertung.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): KönnenSie die Frage beantworten, was „Aktenbe-wertung“ heißt? Nach welchen Gesichts-punkten bekommen wir Akten? Welche be-kommen wir nicht?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Edathy.

Sebastian Edathy (SPD): Zur Ge-schäftsordnung! - Darf ich den Vertreter desBundesumweltministeriums, Herrn Sperling,

um Antwort auf die Frage bitten, ob er dieBeantwortung einer solchen Frage, wie sievon Herrn Grindel gerade gestellt worden ist,von der Aussagegenehmigung für den Sach-verständigen gedeckt sieht?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): DerSachverständige hat selbst gesagt, er be-werte Akten. Da werde ich wohl nach demBegriff „bewerten“ fragen dürfen!

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: ImMoment ist der Vertreter des BMU gefragt.

(Zuruf: Da kommen wir sehr insDetail!)

RD Peter Sperling (BMU): Ich sehe dieFragen durchaus als zulässig an. Die Beur-teilung dessen, ob sie vom Auftrag des Un-tersuchungsausschusses gedeckt sind,möchte ich nicht vornehmen, sondern Ihnenüberlassen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Esgeht im Moment um die Aussagegenehmi-gung, Herr Sperling. Die Fragen hinsichtlichdes Untersuchungsauftrages müssen wir hierklären, aber die Frage bezüglich der Aussa-gegenehmigung bedarf Ihres freundlichenZutuns. Deshalb bitte ich Sie, auf die Fragedes Kollegen Edathy zu antworten.

RD Peter Sperling (BMU): Was dieAussagegenehmigung betrifft, sehe ich dasals nicht gedeckt an. Ich sehe nicht die Not-wendigkeit, dass Herr Dr. Möller auf dieseFragen so speziell antwortet.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Könnenwir das gemeinsam festhalten und denSachverständigen darauf hinweisen, dass ernicht verpflichtet ist, diese Frage zu beant-worten?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Gut.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ichmöchte die Frage an Herrn Sperling richten.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Un-sere Diskussion über diese Frage würdewieder in eine Beratungssitzung münden. Istdas so, Herr Kollege Grindel?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nein. Erhat die Frage doch beantwortet. Ich wollte

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wissen, ob ich die Antwort richtig verstandenhabe. Herr Sperling, haben Sie für das Bun-desumweltministerium gerade erklärt, dass,wenn der Sachverständige sagt, er bewerteAkten, und ich nachfrage - nachdem Sie dieFrage, die ich eben gestellt habe, offenbarzugelassen haben -, was man unter demBegriff „Bewerten von Akten“ zu verstehenhat, Sie sagen, dass die Antwort darauf vonder Aussagegenehmigung nicht umfasst ist?Habe ich das richtig verstanden?

RD Peter Sperling (BMU): Ich bitte umNachsicht, dass ich den Sachverhalt etwasanders verstanden habe. Er kam ja vonHerrn Edathy.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann unterbreche ich die Sitzung, und wirtreten wieder in eine Beratungssitzung ein.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Vor-sitzende, ich nehme zur Kenntnis, dass dasBMU erklärt, dass ich den Sachverständigennicht fragen darf, was er unter „Bewertungvon Akten“ versteht. Das nehmen wir zurKenntnis. Wir müssen jetzt in unserer Frak-tion beraten, wie wir mit der Situation umge-hen; vielleicht sehen wir uns noch einmalwieder.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann haben wir diese Situation so geklärt,wie es denn ist. Ich hatte das BMU vorherdarauf hingewiesen, dass es seinerDienstherrnobliegenheit nachzukommen hat.Das hat Herr Sperling getan. Wie im Weite-ren damit umgegangen wird, steht auf einemanderen Blatt.

Die Union hat noch Fragerecht; ihr stehennoch 4 Minuten und 35 Sekunden zu. Möch-ten Sie die Zeit nutzen?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ja, ichhabe eine Frage. - Herr Möller, Sie sprachendavon, dass Sie die Tagebuchaufzeichnun-gen von Herrn Leisler Kiep im Rahmen desAsse-Untersuchungsausschusses gelesenhätten. Trifft das zu?

(Sachverständiger Dr. Detlev Möllernickt)

- Ja. - Sie sagten, Sie hätten die Akten, diedort auch vonseiten des NMU - nicht zuletztzu dem Themenkomplex „AuswahlverfahrenGorleben“ - zur Verfügung gestellt worden

seien, nicht eingesehen. Habe ich das richtigverstanden?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichbeziehe mich bei all meinen Aussagen, dieich heute zu diesem Themenbereich ge-macht habe, auf die Studie des NMU. Mirsind Akten der niedersächsischen Seite, dieGorleben betreffen, nicht bekannt - weder aufder Bergamtsebene noch in der Staatskanz-lei. Alle Aussagen, die ich heute hier zu die-sem Thema getroffen habe, was den nieder-sächsischen Auswahl- und Entscheidungs-prozess angeht, finden sich entweder in die-ser Studie oder in der Veröffentlichung vonHerrn Tiggemann bei Hocke/Grunwald ausdem Jahre 2006. Das ist der eine Aufsatz.Daneben gibt es die Dissertation. Des Weite-ren gibt es als Anhang an eine Veröffentli-chung eine PDF-Datei des niedersächsi-schen Umweltministeriums, die auch im In-ternet zu finden ist, ein weiterer Aufsatz, deraber im Wesentlichen auf der Dissertationberuht. Betrachtet man all dies sowie das inder Studie Niedergelegte, ergibt sich ein sehrdichtes Bild. Dieses Bild reicht aus, einesolche Bewertung vorzunehmen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ich binkein Historiker, aber was Sie geschilderthaben, ist die klassische Auswertung vonSekundärquellen und nicht die Auswertungvon Primärquellen. Das heißt, die Akten, diedas NMU zur Verfügung gestellt hat, wärendie Primärquellen, aus denen sich auchRückschlüsse ziehen lassen.

Sie haben sich aber, wenn ich das richtigverstehe, auf Dinge wie den Bericht desNMU - wie er zusammengestellt wurde, wis-sen wir nicht, weiß ich jedenfalls nicht - undandere Sekundärquellen beschränkt. Warumhaben Sie sich, wenn Sie sich so sehr fürdas Thema interessieren und auch LeislerKieps Äußerungen entsprechend bewerten,nicht mit den Akten auseinandergesetzt?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Diese Frage habe ich eben beantwortet; ichwill es gern wiederholen. Der Beweisbe-schluss, dem ich heute gefolgt bin - das habeich zu Beginn wirklich ausreichend deutlichgemacht -, bezog sich auf die Geschichte derAuswahl von Endlagerstätten. Ich habe deut-lich gemacht, dass mein Vortrag einen Teilzu den 60er-Jahren und einen Teil zu den70er-Jahren mit Schwerpunkt „IntegriertesEntsorgungszentrum Gorleben“ gehabt und

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somit vollständig im Bereich dieses Beweis-beschlusses gelegen hätte.

Die Akten, die ich Ihnen vorgelegt habe,sind ausschließlich im Rahmen meiner Dok-torarbeit entstanden. Sie sind der Naturnach - denn sonst würden sie Ihnen nicht indieser Form vorliegen - keine Sekundär-,sondern Primärquellen. Es ist richtig, dassich neben zentralen Primärquellen auch Se-kundärquellen herangezogen habe. Das istaber eine ganz generelle Sache, wenn esdarum geht, eine Einführung ins Thema zugeben und zu verdeutlichen, dass vielleichtbestimmte Aussagen nach dem neuestenhistorischen Forschungsstand schon alleinwegen dieser Quellenbasis, der Sekundär-quellen, stärker hinterfragt werden müssen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das heißtim Umkehrschluss, Sie kennen einen be-stimmten Ausschnitt bzw. kennen Quellen,die etwas über Quellen sagen. Das heißt,was alles in den Primärquellen steht, könnenSie nicht beurteilen, weil Sie die nicht gese-hen haben. Richtig?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichweiß nicht, warum dieses Verfahren im All-gemeinen so vertiefenswert ist. In der Ge-schichtswissenschaft wie in anderen Wis-senschaften ist es durchaus so, dass mansich der Sekundärliteratur bedient, um sichein Bild zu machen, weil man sich sehr wohldarüber im Klaren ist, dass die Einsicht-nahme in Akten jede Menge Zeit und Geldverschlingt. Insofern halte ich es für ein ab-solut angemessenes und übliches Verfahren,sich auf diese Weise auf eine Einführungvorzubereiten.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): DiesesVorgehen schließt natürlich in keiner Weiseaus, dass eine Befassung mit Primärquellenmöglicherweise andere Rückschlüsse zu-lässt.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ja.Ihnen wird aber nicht entgangen sein, dassich gesagt habe - das habe ich immer wiederbetont -: Da besteht noch Untersuchungsbe-darf. Ich habe mehrfach betont, dass ich dasnicht im Detail gesehen habe. Ich habemehrfach betont: Um da zu verlässlicherenAussagen zu kommen, um bestimmte Frage-stellungen, die ich aufgeworfen habe, letzt-lich zu entscheiden, muss man in die Aktenschauen, und zwar tief. Ich habe gegenüber

Herrn Grindel betont, dass es für die Bewer-tung eines solchen Vorgangs sehr wichtig ist,tief in die Akten zu gehen. Insofern gebe ichIhnen in dieser einen Sache, in diesem Punktvollkommen recht, sage aber noch einmal:Es ist ein vollkommen übliches Verfahren.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank. - Die SPD-Fraktion fragt jetzt.Herr Edathy, bitte.

Sebastian Edathy (SPD): Da ich dieGlaubwürdigkeit des Sachverständigen nichtin Zweifel ziehe, erlaube ich mir, wieder aufSachfragen zurückzukommen, die uns viel-leicht auch inhaltlich weiter bringen könnenals das, was wir in der letzten halben Stundeerlebt haben.

Das richtet sich an die Kolleginnen undKollegen, aber auch an die anderen Anwe-senden: Wir haben das Problem, dass wirnoch auf etliche Unterlagen warten, die wirangefordert haben, insbesondere aus demBereich Niedersachsen. Sie sind noch nichthier.

Kann ich davon ausgehen, dass die Ver-öffentlichungen von Greenpeace von derSubstanz her, was die Authentizität der an-gegebenen Quellen betrifft, nicht infragegestellt werden? Das müsste ich wissen,bevor ich meine Fragen stelle. Ich gehe da-von aus, dass alle Kolleginnen und Kollegenkurz Kenntnis genommen haben. Ich geheauch davon aus, dass Herr Dr. Möller zurKenntnis genommen hat, was da veröffent-licht worden ist. Weil er sich mit dem Themasehr intensiv beschäftigt, liegt das nahe. Istdas so, Herr Dr. Möller, und kann ich michdarauf beziehen? - Es gibt keinen Wider-spruch.

Herr Dr. Möller, ich habe folgende Frage.In den Greenpeace-Veröffentlichungen be-finden sich Angaben zu einem Vergleich vonpotenziellen Standorten, und zwar wird dorteine Auflistung des TÜV Hannover von No-vember 1976 wiedergegeben. Da tauchtGorleben nicht auf. Ein Standort in Schles-wig-Holstein wird mit der höchsten Punktzahlbewertet. Ist Ihnen diese Tabelle bekannt?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: DieTabelle ist mir bekannt, aber auch hier mussich sagen: nicht aus den Originalakten, son-dern aus der Greenpeace-Veröffentlichungund aus der Studie des NMU, um die es hierauch schwerpunktmäßig geht; denn sienimmt darauf Bezug. Das Gegenargument,

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das die Studie des NMU zu dieser Tabellebringt - - In dieser Studie ging es um diesicherheitstechnischen Kriterien, um sicher-heitstechnische Probleme in erster Linie inRichtung Wiederaufarbeitungsanlage. Ausder Tabelle ergibt sich, dass Fragen desEndlagerpotenzials und der Endlagergeolo-gie nicht berücksichtigt worden sind. Alles,was ich jetzt gesagt habe, gibt das wieder,was die Studie zu dieser Sache sagt. Mehrweiß ich nicht darüber.

Sebastian Edathy (SPD): Ein Faktor istjedoch enthalten, nämlich das Thema Lang-zeitausbreitungsfaktor, aber eben nur als einAspekt von vielen.

Sie haben sich mit dem Zeitraum 1976/77sehr intensiv beschäftigt. In der Veröffent-lichung von Greenpeace zu dem Themafindet sich die erwähnte Tabelle, handschrift-lich um zwei weitere Standorte, nämlich Ma-riaglück und Gorleben, ergänzt, in einemPapier des niedersächsischen Sozialministe-riums, offenkundig von Januar 1977. Wieerklären Sie sich aus Ihrer Befassung mit derMaterie diese Auflistung des TÜV Hannover?Wie ist sie zustande gekommen? Haben Siedazu Erkenntnisse? Wie erklären Sie sich,dass offenkundig im Nachhinein diese Ta-belle - auffälligerweise handschriftlich - sei-tens der Niedersächsischen Landesregierungum zwei Standorte ergänzt worden ist, diebis dahin ganz offenkundig jedenfalls demTÜV nicht zur Überprüfung vorgelegen ha-ben?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Alsich das zum ersten Mal gesehen habe, habeich ein bisschen in mich hineingelächelt undmir gesagt: Jede Nennung Gorlebens vordem 11. November 1976 ist sehr viel wert;jede Nennung Gorlebens nach dem11. November 1976 ist nichts Besonderes.

Ich habe im ersten Moment angenom-men - das haben wir heute schon im Detaildargelegt -: Am 11. November 1976 - ich willes nicht noch einmal vertiefen - ist klar: DerWirtschaftsminister, der Ministerpräsidentund ein wichtiger Referatsvertreter habeneine Grundpräferenz für Gorleben bzw. favo-risieren Gorleben. Wenn der Staatssekretärnach dem gesamten - auch niedersächsi-schen - Auswahlprozess, der Bestandteil derTischvorlage ist, im Januar 1977 - das sagtauch die Studie des NMU - schon intern da-rauf hinweist, dass man öffentlich über Lü-chow spricht, halte ich es prinzipiell für kei-

nen besonders nennenswerten Vorgang,wenn da jemand hingeht und das einfach malum zwei Standorte ergänzt, die noch in derDiskussion sind. Da sitzt vielleicht - das istnur eine Interpretation - ein Sachbearbeiter,der jetzt dieses Ding auf die neue Lagebringt. Ich bin nicht detailliert genug infor-miert, um sagen zu können, ob er dabei auchZahlenwerte verwendet hat und woher siestammen.

Sebastian Edathy (SPD): Das heißt, Siekönnen auch nicht sagen, ob diese Zahlen-werte vom TÜV oder seitens der niedersäch-sischen Landesregierung ergänzt wordensind?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Nein, das kann ich nicht sagen.

Sebastian Edathy (SPD): Ist Ihnen be-kannt, dass offenkundig - jedenfalls ent-nehme ich das der Greenpeace-Veröffentli-chung - noch im April 1977 zwischen Lan-desregierung und Bundesregierung strittiggewesen sein muss, ob man sich auf Gorle-ben verständigt hat oder nicht?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist mir bekannt; Sie finden dies in meinerDissertation als kleine Nebenbemerkung. Ineiner Akte im Depositum Helmut Schmidt imArchiv der sozialen Demokratie ist davon dieRede, dass ein Staatssekretärsausschusseingesetzt worden sei, der noch einmal dieHaltung des Bundes zu der Standortent-scheidung der niedersächsischen Landesre-gierung überprüft habe. Herr Rösel hat daseben schon vollkommen richtig angeführt.

Die Benennung von Gorleben am22. Februar 1977 hat zunächst einmal dazugeführt, dass die DWK - ich glaube, im März1977 - als ersten Schritt das Genehmigungs-verfahren eingeleitet hat. Dann hat es vonFebruar oder März 1977 bis zum 5. Juli1977, dem Tag, der allgemein als Tag derEntscheidung für Gorleben gewertet wird,gedauert, bis die Bundesregierung gesagthat: Ja, dann nehmen wir es halt.

Man wusste - ich glaube, das hat HerrTiggemann auch in seiner Dissertation ge-schrieben -, dass Wahn der favorisierteStandort ist, und hat wahrscheinlich nocheinmal versucht, mit dem Verteidigungsmi-nisterium eine Absprache dahin gehend zutreffen, dass der Schießplatzbetrieb einge-

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schränkt wird oder sonst irgendwas getanwird.

Sebastian Edathy (SPD): Haben Sie ei-nen Vermerk aus der Staatskanzlei Nieder-sachsen vom 14. April, ebenfalls Bestandteilder Veröffentlichung von Greenpeace, ver-fasst von einem Referenten namensSchwope, zur Kenntnis genommen, und,wenn ja, wie bewerten Sie ihn? Der Referentbezieht sich auf eine Landespressekonfe-renz. Er sieht sich da durch die Braun-schweiger Zeitung falsch wiedergegeben undfertigt einen hausinternen Vermerk, weil eretwas richtigstellen möchte, übrigens nichtöffentlich, weil er - Zitat - „dem Thema keineweitere unerwünschte Publizität“ gebenmöchte. Er kommt in seinem Vermerk zufolgender Aussage - April 1977 -, die ich fürerklärungsbedürftig halte:

Bekanntlich habe der Sprecher derBundesregierung unmittelbar nachder Entscheidung der Landesregie-rung für Gorleben angekündigt, daßdie Bundesregierung durch diePhysikalisch-Technische Bundes-anstalt in Braunschweig auch an-dere mögliche Standorte auf ihreTauglichkeit hin überprüfen lassenwolle. Demgegenüber habe Minis-terpräsident Dr. Albrecht erklärt, dieEntsorgungsanlage werde entwederbei Gorleben oder überhaupt nichtin Niedersachsen gebaut.

Entspricht es Ihren wissenschaftlichenErkenntnissen, dass die LandesregierungNiedersachsen zu dem Zeitpunkt gesagt hat:„Entweder Standort Gorleben oder überhauptkein Standort bei uns!“, um damit auch dieBundesregierung unter Druck zu setzen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist Stand der Forschung. Das schreibtHerr Tiggemann auch.

Sebastian Edathy (SPD): Vielen Dank. -Ich habe noch eine Frage, weil ich Folgendesfür erläuterungsbedürftig halte. Sie schreibenin Ihrer sehr knappen Vorlage für unsereheutige Sitzung - das ist MAT A 56 zu BB 17-105 - im zweiten Absatz - Zitat -:

Die (Vor)Auswahl von Gorleben ...vollzog sich unter dem Druck vonBundes- und Industrieinteressen.

Welche Belege haben Sie für den von Ih-nen konstatierten Druck seitens der Indus-trie?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Der Druck der Industrie ist sicherlich noch imEinzelnen nachzuweisen.

Ein sehr schönes Beispiel, das wir heuteauch behandelt haben, ist, dass sich HeinrichMandel am 8. November 1976 schriftlich anMinisterpräsident Albrecht gewandt hat undihm noch einmal grundsätzliche Fragen derWichtigkeit des ganzen Vorhabens verdeut-licht hat. Er hat es eben nicht beim8. November 1976 belassen, sondern war,wie wir heute auch anhand der Tagebuch-einträge gesehen haben, unmittelbar vor derBesprechung bei Herrn Kiep. Ich weiß nicht,ob da Druck ausgeübt worden ist. Es gabnatürlich insgesamt ein großes Interesse derIndustrie daran, nachdem man sich zusam-mengerauft hatte und endlich die Wiederauf-arbeitungsanlage hinbekam, nachdem mansich in einer Zwangslage befand, nachdemdie Teilerrichtungsgenehmigungen für dieKernkraftwerke erteilt worden waren, in dersogenannten Entsorgungsvorsorge nachvorn zu kommen. Es mussten im Genehmi-gungsverfahren Fortschritte in der Entsor-gung nachgewiesen werden. Insofern gibt esein ganz massives Bundesinteresse und einganz massives Industrieinteresse daran,Fortschritte in der Endlagerverwirklichungund -genehmigung und auch für die damalsgeplante Entsorgungsanlage zu erreichen.

Ute Vogt (SPD): Ich habe eine kurzeNachfrage. Die Motivlage Niedersachsens istschwer zu ergründen. Klar ist, dass mankeinen Ärger wollte. Halten Sie es für denk-bar, dass Ministerpräsident Albrecht zur da-maligen Zeit dachte, Gorleben sei ein vonder Bundesregierung nicht gewünschterStandort, weshalb man ihn in der Hoffnungvorgeschlagen hat, dass es dann keinenStandort in Niedersachsen geben werde?

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ei-nes geht ja nur! Entweder sich dem

Druck der Wirtschaft beugenoder - -)

- Das war meine Frage, und die wird er jetztbeantworten.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Moment! Im Sinne eines geregelten Mitein-anders schlage ich vor: Frau Vogt fragt, undHerr Dr. Möller antwortet jetzt.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichhabe eben deutlich gemacht, dass es sehrwichtig ist, dies im Detail zu betrachten. Ich

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1. Untersuchungsausschuss 61[7. Sitzung am 17.06.2010 - Sitzungsteil Sachverständigenanhörung] - endgültig

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könnte jetzt gewisse diesbezügliche Äuße-rungen, die es seit den 80er-Jahren bei Kit-schelt gibt, die Tiggemann sämtlich in seinenVeröffentlichungen genannt hat, aufgreifen.Das nutzt jedoch nichts, weil diese Aussagenicht systematisch erarbeitet worden ist.Diese Aussage hat in der Gesamtdiskussionund -situation einen solchen Stellenwert,dass ich an dieser Stelle keine Aussage dazumachen möchte.

Ute Vogt (SPD): Danke, das akzeptierenwir. Dann haben wir selbst einen weiterenAuftrag.

Ich möchte in den zweiten Teil gehen,und zwar in das Jahr 1983. Es ging nocheinmal um die Frage, dass all das eindeutigauf die Festlegung Gorlebens als einzigemStandort hinauslief. Folgende Frage möchteich von beiden Sachverständigen beantwor-tet haben: Trifft es zu, dass es damals auchWissenschaftler gab, die massive Zweifel ander Sicherheit dieses Standorts geäußerthaben?

Sachverständiger Henning Rösel: Mirist bekannt, dass Herr Professor DuphornZweifel geäußert hat. Herr ProfessorDuphorn hat im Auftrag der PTB für die Uni-versität Kiel die Quartärgeologie über demSalzstock bewertet, ist auf die GorlebenerRinne gestoßen und hat dann gebeten, dieStudien vertiefen zu können. Dieser Bitte hatdie PTB nicht entsprochen, weil der Auf-tragsgegenstand aus ihrer Sicht abgearbeitetwar. Herr Professor Duphorn hat dann ohneAbstimmung mit uns und ohne Rückkopplungseine Kritik geäußert, die er bis heute auf-rechterhält.

Es gab in einer Übergangsphase durch-aus auch eine Kritik von Herrn ProfessorHerrmann. Jedoch hat er sie später zurück-genommen. Er ist von Gorleben-Kritik zuGorleben-Befürwortung umgeschwenkt. Beidieser Position ist Herr Professor Herrmannbis heute geblieben, so wie Herr ProfessorDuphorn bei seiner Kritik geblieben ist.

Es gab noch Äußerungen von Herrn Pro-fessor Grimmel, die aus unserer Sicht aller-dings nicht geeignet waren, die Eignungshöf-figkeit zu erschüttern.

Das sind die Namen der Personen, vondenen ich sage, dass sie zu dem Zeitpunkt,über den wir hier reden, im Vordergrundstanden: Duphorn, zwischenzeitlich Profes-sor Herrmann und Professor Grimmel.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist der Sachstand. Dazu steht auch inder Dissertation von Herrn Tiggemann nichtsNeues. Ich habe das in meiner Dissertationnicht behandelt. Ich habe dem nichts hinzu-zufügen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank für die Antworten. - Nun erhältdie FDP-Fraktion das Fragerecht.

Marco Buschmann (FDP): Ich habe zweiFragen. Meine erste Frage: Herr Möller, Siehaben den Gedanken ausgeführt, dass esnatürlich Interessen der Industrie gibt. Diehat immer welche. Sie haben ausgeführt,dass die Industrie versucht hat, diese Inte-ressen geltend zu machen. Das ist in derpluralistischen Demokratie auch normal.Briefe an Entscheidungsträger zu schreiben,sich mit ihnen zu treffen und mit ihnen zusprechen - das ist auch ein normaler Vor-gang. Ich habe in meiner Kenntnismappejeden Tag sicherlich 20 Briefe mit Anliegenvon Interessengruppen.

Gibt es denn eine dichtere Quellenlageals einzelne Gespräche oder Briefe, die tat-sächlich Indiz dafür ist, dass man sich das zueigen gemacht oder es gewissermaßenübernommen hat? Ich habe also die Bitte anSie, einmal auszuführen, ob die Quellenlageso ist, wie Sie in Ihrem Brief beschriebenhaben, oder aber dichter ist. Ich frage da-nach, um diese Aussage einordnen zu kön-nen.

An Herrn Rösel richte ich unter demStichwort „Einfluss der Industrie“ die Frage:Hatten Sie im Verlauf Ihrer Tätigkeit jemalsden Eindruck, dass versucht wurde, Ihnenauf einem Wege, auf dem dies funktionierenwürde, möglicherweise von oben, nahezule-gen, Interessen der Industrie über Ihre eige-nen fachlichen Erwägungen zu stellen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: DieFrage lässt sich zweigeteilt beantworten.Zuerst muss ich sagen: Nein, über das vonmir Gesagte hinaus gibt es dafür noch keineAnsatzpunkte. Ich habe mir schon immerGedanken über dieses generelle Interesse,das ich beschrieben habe und das plausibelist, gemacht. Ich habe in der Studie des NMUerstmalig von diesen beiden Terminen undden möglichen Einflussnahmen gelesen unddeswegen den Ausschuss darauf hingewie-sen, dass es sich lohnen könnte, dieserFrage nachzugehen. Die Antwort auf Ihre

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Frage lautet also: Nein, es gibt noch nichtmehr als das, was ich vorgetragen habe. Ja,es könnte sich lohnen, dieser Frage nachzu-gehen.

Ansonsten kann Einflussnahme durchausauch anders und auf anderer Ebene erfol-gen. Ich habe die Besprechungen im Nieder-sächsischen Ministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten, als es um dieFrage des Trinkwassers in Lutterloh undLichtenhorst ging, sowie die Besprechung beiHoechst am 05. August 1976 erwähnt. Dabeiwar auch immer ein Vertreter eines Bundes-ministeriums anwesend. In den Akten, die ichdazu gesehen habe, werden Sie keine di-rekte Einflussnahme feststellen können; aberes ist nicht auszuschließen, dass in anderenAkten Einflussnahme zu finden ist. Das wäre,wie gesagt, eine Frage, die weiter zu unter-suchen ist.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichkann sagen, dass in dem fraglichen Zeitraumund darüber hinaus ernsthafte Einflussnah-men nicht stattgefunden haben. Es gab, ins-besondere nachdem die Endlagervoraus-leistungsverordnung und der Begriff desnotwendigen Aufwandes eingeführt wordenwaren, immer wieder Diskussionen darüber,ob etwas, was zum Jahresende abgerechnetworden war, notwendiger Aufwand sei. Demsind wir aber immer erfolgreich begegnet,indem wir darauf hingewiesen haben, dasssich die Notwendigkeit durchzuführenderMaßnahmen an der Sicherheit orientiert. Dorthaben wir als PTB unser Primat gesehen;das BfS tut das auch heute noch. Das heißt,über notwendigen Aufwand, Kosten undAbrechnungen ist diskutiert worden, diesstellte aber keinen Einfluss dar, der in ir-gendeiner Form dahin führte, dass man ver-suchte, in Planungen einzugreifen oder Ähn-liches. Es war ein generelles Unwohlsein: Dawird mit unserem Geld geaast. - Entschuldi-gung, das ist nicht so gemeint; so ist derHintergrund.

Dann erhielten wir das Angebot für - dasStichwort ist mehrfach gefallen - Mariaglück.Ich kann den Zeitpunkt nicht mehr genaufestmachen. Anfang der 80er-Jahre hat unsdie Kali + Salz Mariaglück angeboten nachdem Motto: Wenn ihr schnell ein Endlagerhaben wollt, dann nehmt doch Mariaglück.Das bekommt ihr auch für wenig Geld. - Klarist: Ein aufgelassenes Bergwerk kostet etwasund bringt nichts. Also ist man froh, wennman es los wird; denn dabei gewinnt man

etwas. Da hatten sie allerdings die Rechnungohne den Wirt gemacht. Wir hatten vorherfestgelegt, dass wir ein Endlager mit demFokus auf Hohlraumminimierung bauen wol-len. Mariaglück war maximal Asse-geeignet,mehr aber nicht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Darfich kurz dazwischengehen? Die Zeit ist ge-stoppt, Herr Kollege Buschmann.

Wir sehen das Zeichen, dass gleich wie-der eine namentliche Abstimmung im Plenumstattfinden wird. Könnten die Fraktionen da-rüber nachdenken, ob wir nach der Unterbre-chung Herrn Rösel weiter als Sachverständi-gen benötigen? Zunächst war avisiert, dasser gegen 15.30 Uhr gehen könne. Dann hater freundlicherweise angeboten, noch zubleiben. Jetzt ist 19 Uhr. Denken Sie bittedarüber nach; denn wir müssen die Sitzungin Kürze unterbrechen. Gegen 19.20 Uhrfindet die namentliche Abstimmung statt,daher schlage ich vor, dass wir noch5 Minuten, also bis 19.10 Uhr, weiterfragen.Dann sollten Sie mir freundlicherweise einSignal geben, ob wir Herrn Rösel nach derWiederaufnahme unserer Beratungen nochbrauchen.

Marco Buschmann (FDP): Herr Rösel,das Ansinnen, Mariaglück anzubieten, findeich sehr interessant. Ist das Ihrer Ansichtnach nicht ein Beleg dafür, dass die Vorge-hensweise wie folgt war: Man hat erst Krite-rien festgelegt, hat sie an Standorte angelegtund sich dann für oder gegen Standorte ent-schieden? Ich frage das vor dem Hinter-grund, weil ja immer wieder im Raum steht,man habe Kriterien im Nachhinein - ich drü-cke es einmal flapsig aus - aufgeweicht, umsich der Standortsuche schneller zu entledi-gen. Ist Mariaglück, so wie Sie es beschrei-ben, nicht der Beleg dafür, dass es geradenicht so war?

Sachverständiger Henning Rösel: Ma-riaglück ist zumindest Beleg dafür, dass sichdie PTB a) an den vorhandenen Kriterienorientiert hat und dass sie b) ihre Schlüsseaus der Asse gezogen hatte. Wir sind sol-chen Ansinnen nie gefolgt. Wir haben uns anden Sicherheitskriterien orientiert.

Ein Aufweichen macht man ja an anderenDingen fest. Man mag die 1982/83 angeleg-ten Kriterien rückblickend kritisieren, aber zudem Zeitpunkt, als die Kriterien verabschie-det und verbindlich gemacht wurden, waren

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wir froh, dass wir sie hatten, weil damit einesachlich orientierte Basis gegeben war, diefür alle Beteiligten - für PTB, NMU, Gutachterund das BMI als Aufsichtsbehörde - verbind-lich war. Das war einer der Wünsche, die wirhatten, um im Hinblick auf die Unterlagenge-winnung und die Sicherheitsnachweise in eingeordnetes Verfahren zu kommen. Ich kannnicht nachvollziehen, inwiefern von einemAufweichen gesprochen werden könnte.

Angelika Brunkhorst (FDP): MeineFrage richtet sich an Herrn Dr. Möller; sie istjetzt etwas verspätet, aber ich war vorhernicht an der Reihe. Sie haben eine verant-wortungsvolle Aufgabe in der Projektgruppe.Leiten Sie die Projektgruppe?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Nein, das tue ich nicht.

Angelika Brunkhorst (FDP): Okay.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Gibtes weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall.Dann schlage ich vor, dass wir jetzt Klarheitdarüber erzielen, ob der SachverständigeRösel weiter gebraucht wird. - Frau Menzner,bitte schön.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ichhabe noch einige Fragen, die ich im nächs-ten Block stellen wollte. Diese möchte ichgern beantwortet bekommen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: DieFrage ist, ob wir Herrn Rösel jetzt entlassenkönnen oder nicht. Wenn Sie noch Fragenhaben, ist es so, dass wir beide Sachver-ständige nach der Unterbrechung der Sit-zung gern noch zur Verfügung hätten.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Vielleicht könnten wir die Fragen anHerrn Rösel bündeln! Wir machensozusagen eine Rösel-Runde undkehren dann zur Berliner Stundezurück! - Ute Vogt (SPD): Wir ha-ben schon um 20 Uhr die nächsteAbstimmung! - Reinhard Grindel

(CDU/CSU): Deswegen sollten wireine Rösel-Runde machen und

dann zur Berliner Stunde zurück-kehren!)

- Ja, wir würden nach der nächsten Abstim-mung zügig hierher zurückkehren.

Frau Kotting-Uhl möchte das nicht sohandhaben?

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Ich hätte nicht gern, dass alleFraktionen Herrn Rösel noch einmal befra-gen.

(Ute Vogt (SPD) Wie wäre es, wennwir die Runde jetzt abschließen?)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Wirsollten die Runde abschließen, damit FrauMenzner noch an die Reihe kommt. Wernoch Fragen an Herrn Rösel hat, stellt sie indieser Runde zuerst. Wir eröffnen nicht nocheine neue Runde.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: Ichmöchte nur zu bedenken geben, dass ichheute Abend zurück nach Hause fahrenmuss. Ich beantworte gern sämtliche Fragen,die Sie noch haben, werde aber heute Abendzurückfahren und morgen pünktlich auf derArbeit erscheinen müssen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasist so, Herr Dr. Möller. Daher müssen mir dieFraktionen jetzt helfen; das kann ich jetztnicht allein bestimmen. - Herr Edathy.

Sebastian Edathy (SPD): Wir disziplinie-ren uns nach der Unterbrechung und stellenzügig die Fragen, die noch zu stellen sind.Herr Sachverständiger Möller, es ist prinzi-piell so, dass Sie dem Ausschuss länger zurVerfügung stehen müssten. Aber wir wollendas nicht überstrapazieren; ich denke, das istKonsens.

Ich will eine Anregung machen, weil wir inden nächsten Sitzungen des Ausschussessicherlich des Öfteren die Situation habenwerden, dass wir aufgrund von namentlichenAbstimmungen im Plenum kurz unterbrechenmüssen. Ich fände es problematisch, wennder Wiederbeginn der Sitzung jeweils davonabhinge, ob man Lust hat, direkt nach derAbstimmung hierher zurückzukehren, oderob man sich noch etwas Zeit lassen möchte.Mein Vorschlag ist - das können wir auch imObleutegespräch regeln -: 10 oder 15 Minu-ten nach Schließung des Wahlgangs wird dieSitzung hier wiedereröffnet. Ich habe denEindruck, dass ansonsten größere Zeiträumeverstreichen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Daserörtern wir gleich in der Beratungssitzung,Herr Edathy. Ich müsste ja dann so lange im

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Plenarsaal bleiben, bis der Wahlgang ge-schlossen wird; dazu hätte ich keine Lust.

Ich schließe die Sitzung. Unmittelbarnachdem wir abgestimmt haben, sollten wirhierher zurückkehren.

(Unterbrechung von 19.10 Uhr bis19.38 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichschlage vor, dass wir schnell wieder in unserBeratungsgeschehen einsteigen. Darüberhinaus möchte ich darauf hinweisen, dass wirmiteinander vereinbart hatten, dass wir un-sere Sitzungen in der Regel um 19 Uhr be-enden, jedoch länger tagen, wenn es not-wendig ist. Ich würde es nicht für völlig falschhalten, wenn wir einen Zeitpunkt, an dem wirdie Sitzung beenden wollen, im Auge haben.

Sachverständiger Henning Rösel: FrauVorsitzende, darf ich eine uns beide betref-fende Bitte äußern? Der letzte für uns eini-germaßen zuträgliche Zug fährt um21.06 Uhr; dann wären wir, wenn die Zügepünktlich sind, gegen Mitternacht zu Hause.Herr Dr. Möller hat noch keine Fahrkarte. Wirmüssen auch den Fußweg zum Hauptbahn-hof einplanen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar,wenn Sie das wohlwollend berücksichtigten.

Aus meiner Sicht noch eine Bitte: Sie ha-ben vorhin erwähnt, dass uns der Entwurfdes Protokolls zugeschickt wird. Ich bin vom26. Juni 2010 bis 20. Juli 2010 nicht erreich-bar. Wenn das Protokoll in dieser Zeit käme,könnte ich meine Korrektur- oder Ergän-zungswünsche nicht äußern. Würden Siedies bitte berücksichtigen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dieses Problem hatten wir schon einmal. Wirwerden Ihnen selbstverständlich dahin ge-hend entgegenkommen, dass die Frist vonzwei Wochen erst beginnt, wenn Sie zurück-gekehrt sind. Sie haben es mitgeteilt; essteht im Protokoll. Es dürfte in Ordnung ge-hen, dass Sie den Entwurf des Protokollserst dann korrigieren.

Wir müssen unsere Sitzung also spätes-tens um 20.30 Uhr beenden. Das Sekretariatversucht, beim Fahrdienst ein Auto für Sie zubekommen, das Sie zum Bahnhof bringt; derWeg dorthin dauert dann etwa 10 Minuten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bestehtEinvernehmen, dass wir die Sachverständi-genbefragung spätestens um 20.30 Uhr ab-

schließen? - Dann gebe ich jetzt den Linkendas Wort.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Ich möchte meine Fragenzuerst an den Sachverständigen Rösel rich-ten. Habe ich vorhin richtig verstanden, dassSie sagten, man sei in den 70-er Jahrendavon ausgegangen, dass der Salzstockunter der Elbe auf 2000 Meter abtaucht?

Sachverständiger Henning Rösel: Esist mein Kenntnisstand, dass er abtaucht;nageln Sie mich nicht auf 2000 Meter fest.Ich weiß nur, dass er abtaucht und auf deranderen Seite bei Lenzen wieder nach obengeht.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): In einerUntersuchung des Geologen Ulrich Schnei-der, die ich kenne, steht, dass er lediglich auf450 Meter abtaucht. Das ist ein Unterschied.

Gab es in der Zeit, als klar war, dass manjenseits der Elbe nicht untersuchen kann, einProblembewusstsein bzw. Überlegungendazu, oder ist man davon ausgegangen,dass das zwei gänzlich getrennte Salzstöcke,dass das vernachlässigbar ist? Mich würdeinteressieren, wie man damals - vielleichtauch sich im Zeitverlauf verändernd - dieZweistaatlichkeit bewertet hat.

Sachverständiger Henning Rösel: Ichhabe vorhin versucht, darzulegen, dass wirnatürlich das Problembewusstsein hatten -insbesondere die für uns den geowissen-schaftlichen Sachverstand stellende BGR -und dass wir durchaus darüber diskutierthatten, ob das in irgendeiner Form Rückwir-kungen auf einen potenziellen Endlager-standort Gorleben haben würde. Wir sind zudem Ergebnis gelangt, dass dies nicht derFall ist.

Da die Salzstöcke - ich sage das nocheinmal - eine gemeinsame Basis haben, warman der Auffassung, dass man über eineintensive Kenntnis der Oberfläche und desSalzstocks Rückschlüsse auf den Salzstocköstlich der Elbe ziehen könne und dies aus-reichend sei, um einen Sicherheitsnachweiszu führen. Die Frage, ob uns dieser gelungensei, hätte an die Planfeststellungsbehördegerichtet werden müssen; aber dies hattesich dann erledigt. Wir haben nach der Wie-dervereinigung in durchaus großem UmfangStandorterkundungsmaßnahmen östlich derElbe durchgeführt.

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Dorothée Menzner (DIE LINKE): Daswäre meine nächste Frage gewesen. Zuvormöchte ich nachfragen: Das war bis 1989Stand Ihrer Erkenntnisse und Ihrer Auffas-sung? Gab es seitens der DDR Reaktionen,weil man etwas in einem Salzstock vorhatte,der sich zu rund zwei Fünfteln in ihrem Ter-ritorium befand?

Sachverständiger Henning Rösel: Dazuliegen mir keine Erkenntnisse vor. Ich weißzwar aus den Studien von, ich glaube, HerrnTiggemann, dass es Reaktionen der DDRauf die Benennung des Standortes Gorlebengegeben hat, aber mir sind keine Reaktionenbekannt, die uns in irgendeiner Form zumUmdenken hätten veranlassen müssen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Es wur-den auch keine Amtshilfeersuche an dieDDR gerichtet, in denen man sie zum Bei-spiel gebeten hat, ihre geologischen Er-kenntnisse jenseits der Elbe mitzuteilen?

Sachverständiger Henning Rösel: Vonunserer Seite nicht. Ob und inwieweit espolitische Gespräche gegeben hat, weiß ichnicht. Wir haben keine Initiativen ergriffen.Das mag auch daran liegen, dass die Fach-meinung der Geologen war, dass dies nichtzwingend notwendig ist.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Siesagten, nach 1990 wurden östlich der Elbedie neuen Möglichkeiten genutzt, und dortwurde dann geforscht. Könnten Sie darstel-len, wie man sich das vorstellen muss?

Sachverständiger Henning Rösel: Dasist genauso abgewickelt worden wie im west-lichen Bereich. Ich habe vorhin die Vorge-hensweise vorgestellt: Wir haben Bohrungenabgeteuft, und wir haben, meine ich, auchseismische Untersuchungen durchgeführt.Diese Ergebnisse haben wir in unsere Ge-samtbewertung einbezogen. In der Vorge-hensweise gab es keinen Unterschied. Dereinzige Unterschied bestand darin, dass wirdas Salzstockinnere nicht erkundet haben,weil wir die Daten über das Salzstockinnereauf der anderen Seite nicht benötigten.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Sie ha-ben also Messungen von der Oberfläche ausvorgenommen, aber keine Bohrungen ge-macht?

Sachverständiger Henning Rösel: Wirhaben durchaus Bohrungen durchgeführt, mitderen Hilfe wir die Geologie und die Hydro-geologie des Deckgebirges erkundet haben,aber wir haben keine Salzstockerkundungs-bohrungen vorgenommen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): HabenSie in diesem Zusammenhang auch Aktender Bergämter der DDR, die ja dann neuverteilt wurden, aus den Jahren davor zurategezogen? Oder haben Sie sich nur auf ei-gene Erkenntnisse gestützt?

Sachverständiger Henning Rösel: Ichhätte Ihnen die Frage sicherlich beantwortenkönnen, wenn ich gewusst hätte, dass dasBeweisthema bis in diese Zeit reicht. Da ichdies nicht vorher wusste, kann ich Ihnen dieFrage jetzt nicht beantworten.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Dannmöchte ich Sie, Herr Dr. Möller, fragen, obSie in Ihren Studien Erkenntnisse dazu ge-wonnen haben.

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Nein, keine Erkenntnisse.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): DesWeiteren hätte ich an beide Herren dieFrage: Welche Kenntnisse haben Sie da-rüber, dass der Standort Wahn auf Druck ausReihen der CDU fallen gelassen wurde?Haben Sie Erkenntnisse bezüglich der Dar-stellung, dass dies geschehen ist, weil mandie Sorge hatte, dass die Remmers-Brüderim Wahlkreis Wahn unter Umständen beiWahlen keine Mehrheiten mehr erreichenwürde? Wie ist Ihre Sicht auf die Tatsache,dass Wahn von der Prioritätenliste ver-schwunden ist?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist eine interessante, sehr wichtigeFrage. In der Studie des NMU wird erwähnt,dass es Protest und Widerstand gegebenhat; aber dieser Punkt wird nicht konsequentverfolgt. Insofern kann ich dazu nicht mehrsagen als das, was ich gerade gesagt habe.

Sachverständiger Henning Rösel: Wirwaren mit dem Standort Wahn nie befasst,ebenso wenig mit den beiden StandortenLutterloh und Lichtenhorst. Wir haben ledig-lich den Standort Gorleben zugewiesen be-kommen; mit diesem haben wir uns befasst.

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Nunerhält Bündnis90/Die Grünen das Fra-gerecht.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Danke schön. - Herr Möller, ichhabe noch ein paar Fragen an Sie, zum ei-nen zu Kennzeichen KWA 1225. Sie sagten,dass Sie die Akten, die Herrn Tiggemanndafür zur Verfügung standen, nicht eingese-hen haben. Warum nicht? Hatten Sie keinenZugang?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das hat mit Zugang nichts zu tun. Das beruhtvielmehr auf der Tatsache, dass ich mich mitden Akten zum Thema Gorleben bislangnicht befasst habe. Das war nicht mein Inte-resse; ich habe es nie versucht.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Gut, danke. - Dann zu den Krite-rien. Kriterien sind in meinen Augen in demgesamten Standortauswahlprozess ein ganzentscheidender Aspekt. Ich möchte nocheinmal zum IMAK-Standortauswahlverfahrenkommen, und zwar zu dem Zeitpunkt, andem von den untersuchten 13 Standorten dievier Salzstöcke Wahn, Lichtenhorst, Gorle-ben und Höfer übrig blieben. In der letztenBewertung heißt es plötzlich, dass alleStandorte - außer Gorleben - mindestens einAusschlusskriterium aufweisen. Für denSalzstock Wahn wurde angegeben, dass erim bzw. am Gelände eines Schießübungs-platzes der Bundeswehr liegt. Für den Salz-stock Lichtenhorst wurde angegeben, dasser im Grundwasservorranggebiet von Han-nover liegt. Der Salzstock Höfer wurde mit25 Quadratkilometern Ausdehnung als zuklein für die Anlage eines Endlagers angese-hen. Gorleben blieb übrig.

Da Sie sich mit solchen Auswahlverfahrenstärker befasst haben, lautet meine Frage anSie: Ist es üblich, Auswahlverfahren zu ge-stalten, Kriterien anzuwenden und dann ge-gen Ende, wenn man nur noch vier möglicheStandorte hat, festzustellen, dass drei davoneinem Ausschlusskriterium unterliegen?Müssten die Ausschlusskriterien nicht etwasfrüher in dem Auswahlverfahren zum Tragenkommen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das greift genau den Punkt auf, den ich amAnfang angesprochen habe. Das eine ist, dieKriterien offenzulegen; das andere ist die

konsequente Anwendung dieser Kriterien.Das ist die Stelle in der Studie des NMU, ander auf die zweite Phase eingegangen wird.Ich glaube, Herr Tiggemann beschreibt dieverschiedenen Phasen, die durchlaufen wur-den. Die zweite Phase besteht darin, wennich es richtig vor meinem geistigen Augehabe, dass die Salzstöcke im Hinblick aufihre Größe geprüft werden. Dann stellt manin der letzten Phase - also der vierten Phase;von dieser haben Sie gesprochen - fest, dassHöfer aufgrund der Größe nicht infragekommt. Das ist ein Widerspruch innerhalbdieser Studie; das ist zumindest erklärungs-bedürftig. Ich kann dazu aber nicht mehrsagen.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Danke, das ist mir im Momentergiebig genug. - Ich will etwas weiter in derZeit zurückgehen. Nach dem 11. November1976, an dem das berühmte Gespräch statt-fand, entstand ein ungeheuer starker Zeit-druck. Ich will etwas in die Zeit davorschauen: Die Bohrungen an den KEWA-Standorten wurden aufgrund von Widerstandeingestellt; da entstand das Zeitproblem.Zuvor, 1976, kam von StaatssekretärSchmude die Androhung - so nennt es Tig-gemann in seiner Studie -, dass die Geneh-migungspolitik überdacht werden könnte.Daraufhin wurde von Professor Mandel, derinteressanterweise nicht nur RWE-Vor-standsmitglied, sondern auch Präsident desAtomforums und Aufsichtsratsvorsitzenderder PWK war, der PWK-Terminplan vorge-legt und erklärt, dass der Baubeginn desBrennelementelagerbeckens des NuklearenEntsorgungszentrums für den März 1978geplant ist. Die entscheidende Vorausset-zung dafür war aber, dass der Standort fürden Entsorgungspark rechtzeitig von derBundesregierung zur Verfügung gestellt wird.Ich entnehme dieser Studie, dass diesbezüg-lich Einvernehmen bestand. Außerdem warzu diesem Zeitpunkt absehbar, dass dieAtomgesetznovelle, in der ein Entsorgungs-vorsorgenachweis gefordert werden sollte,zusätzlich Druck ausüben würde.

Es bestand also aus verschiedenenGründen ein ungeheuer starker Zeitdruck.Könnte dieser Druck dazu geführt haben,dass man versuchte, einen Standort zu fin-den, von dem man annehmen konnte, dasser nicht durch politischen Widerstand auf-gehalten werden würde, und alle Standorte,

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an denen politischer Widerstand zu erwartenwar, auszuschließen?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller: DieFrage des politischen Widerstandes ist einPunkt, den ich in der Tischvorlage noch ein-mal zur Hauptdiskussion gestellt habe. Diesdeckt sich - darauf will ich an dieser Stellenoch einmal hinweisen - im Übrigen mit derStudie des NMU. In der Einleitung der Studiedes NMU steht: Es geht um die Motive, diezur Standortauswahl geführt haben. - DieStudie des NMU gibt, ich glaube, irgendwoab Seite 90, drei Motive Albrechts wieder:

Erstens. Der am besten geeignete Salz-stock soll gewählt werden.

Zweitens. Ein strukturpolitischer Impuls,der dringend benötigt wird, soll ausgelöstwerden.

Drittens. Es soll ein Standort sein, an demsich die Bevölkerung nicht von vornhereinabweisend verhalten hat.

Wenn man diese Punkte betrachtet, siehtman, dass an erster Stelle die Überlegungvon Kiep, Durchsetzungsfähigkeit, steht. Anzweiter Stelle steht der strukturpolitischeImpuls. Die Albrecht-Überlegung, dass sichdie Bevölkerung nicht von vornherein ableh-nend verhalten hat, wird erst an dritter Stellegenannt.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Würden Sie mir zustimmen, dassein sehr starker Einfluss der Elektrizitätswirt-schaft zu vermuten ist?

Sachverständiger Dr. Detlev Möller:Das ist eine Frage, der man in diesem Aus-schuss beim Betrachten wissenschaftlicherUntersuchungen vordringlich nachgehenmuss.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Danke. - Ich habe noch eineFrage an Herrn Rösel.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Frau Kotting-Uhl, ich habe Respekt vor IhremFragerecht. Wir haben jedoch gerade dieNachricht bekommen, dass wir schon um20.05 Uhr wieder zu einer namentlichen Ab-stimmung gehen müssen. Das deckt sichnicht ganz mit der Nachricht aus meinerFraktion, die 20.10 Uhr besagt. Wir alle ha-ben Interesse daran, rechtzeitig zur nament-lichen Abstimmung im Plenarsaal zu sein. Ichwürde Sie bitten, jetzt keine weiteren Fragen

an die Sachverständigen zu richten, weil wirihnen zugesagt haben, dass sie um20.30 Uhr gehen dürfen, um ihren Zug zuerreichen. Wir haben bereits ein Auto be-stellt, um ihren Weg zum Bahnhof zu be-schleunigen.

Ich muss Sie, die Sachverständigen, nochförmlich über Ihre Verpflichtungen gegenüberdem Ausschuss bezüglich des Protokollsbelehren. Wir kehren nach der namentlichenAbstimmung so schnell wie möglich hierherzurück. Dann haben Sie, die Grünen, nocheine Minute Fragerecht; Sie beginnen also imPrinzip wieder. Es tut mir leid; aber ich mussdas aus Praktikabilitätsgründen so handha-ben.

Ich möchte Ihnen, den Sachverständigen,jetzt Folgendes mit auf den Weg geben -zugleich bitte ich Sie, dass Sie dem Aus-schuss tatsächlich noch bis 20.30 Uhr zurVerfügung stehen -: Das Sekretariat über-sendet Ihnen das Protokoll nach Fertigstel-lung. Sie haben dann die Möglichkeit, Kor-rekturen vorzunehmen. Nach § 28 Abs. 1und § 26 Abs. 3 des Untersuchungsaus-schussgesetzes bin ich gehalten, Sie daraufhinzuweisen, dass die Anhörung eines Sach-verständigen erst abgeschlossen ist, wennder Untersuchungsausschuss dies durchBeschluss feststellt. Die Entscheidung hierzudarf erst ergehen, wenn nach Zustellung desAnhörungsprotokolls an den Sachverständi-gen zwei Wochen verstrichen sind - im Fallvon Herrn Rösel haben wir eben festgestellt,dass diese Frist erst beginnt, wenn er ausdem Urlaub zurückgekehrt ist - oder wennauf die Einhaltung dieser Frist verzichtetworden ist.

Ich muss die Sitzung erneut unterbre-chen, damit wir zur Abstimmung gehen kön-nen. Wir kehren so schnell wie möglich zu-rück, um noch so viel wie möglich von Ihnenprofitieren zu können.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 19.58 Uhr bis20.24 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Icheröffne die Sitzung wieder. Alle Fraktionensind anwesend. Frau Kotting-Uhl, Sie habennoch 56 Sekunden.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN): Diese Zeit reicht. - Ich habe einekurze Frage zum Begriff „Eignungshöffigkeit“.Herr Rösel, Sie haben bei Ihren Ausführun-

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gen zu Gorleben den Begriff „eignungshöffig“erklärt, indem Sie sagten, die Hoffnungwerde langsam zur Realität. Sie sagten, nie-mand habe bestritten, dass Gorlebeneignungshöffig sei. In dem gleichen Zusam-menhang sagten Sie: Gorleben ist grund-sätzlich geeignet. - Meine Frage an Sie lau-tet - wenn wir die Zeit hätten, würde ich sieauch Herrn Dr. Möller stellen -, ob„eignungshöffig“ in irgendeiner Weise mit„geeignet“ gleichzusetzen ist.

Sachverständiger Henning Rösel:„Eignungshöffig“ bedeutet nicht „geeignet“und ist auch nicht mit „geeignet“ gleichzuset-zen. Falls ich „grundsätzlich geeignet“ gesagthabe, habe ich mich in der Terminologievergriffen. „Eignungshöffig“ bezieht sich aufdas Wissen über die Geologie übertage unduntertage und bedeutet, dass es keine Er-kenntnisse gibt, die den Standort in irgendei-ner Form ausschließen würden. Dies ist ver-bunden mit der Hoffnung, dass zu einemspäteren Zeitpunkt, wenn alles vorliegt, eineEignungsaussage getroffen werden kann,und zwar durch den Antragssteller, die aberkeine Bindungswirkung entfaltet. Er sagtdann: Damit sind die Erkundungsmaßnah-men aus meiner Sicht abgeschlossen. Dieabschließende Eignungsfeststellung - ob einPlanfeststellungsbeschluss ergeht oder obaus sachlichen Gründen kein Planfeststel-lungsbeschluss ergehen kann - liegt immerbei der Planfeststellungsbehörde.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,wenn mir jetzt kein heftiger Widerspruch ausden Fraktionen entgegenschallt, möchte ichdie Sitzung beenden.

(Sylvia Kotting-Uhl(BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Ichhatte noch Herrn Möller gefragt! -Sebastian Edathy (SPD): Ich habe

eine ganz kurze Frage!)

- Wir müssten ja noch eine Berliner Rundemachen; da wäre zuerst die Union an derReihe.

(Sebastian Edathy (SPD): Wenn siekeinen Bedarf hat, muss sie nicht

davon Gebrauch machen!)

Wir haben nur noch drei Minuten.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wirhaben es so verstanden, dass diebeiden Herren zum Bahnhof müs-

sen!)

Wenn weiterer Fragebedarf besteht undder Ausschuss meint, dass es notwendig sei,besteht kein Problem, beide Herren nocheinmal als Zeugen oder Sachverständigeeinzuladen; ich bin sicher, das wird mit gro-ßer Begeisterung aufgenommen werden. Ichschlage vor, dass wir vereinbaren, die Sit-zung jetzt zu schließen. Widerspruch dage-gen gab es, aber er war nicht vehement ge-nug.

Ich möchte mich sehr herzlich bei Ihnenbeiden bedanken, zum einen für Ihre großeGeduld und zum anderen für Ihre Auskunfts-bereitschaft. Ich bedanke mich bei Ihnen,Herr Rösel, weil Sie zunächst nur ein einge-schränktes Zeitfenster zur Verfügung gestellthatten, es dann aber erweitert haben. HerrDr. Möller, ich bedanke mich, dass Sie eineganze Weile gewartet haben, bis Sie endlichan der Reihe waren. Ich wünsche Ihnen jetzteine gute und gesunde Heimreise. Ihnen,Herr Rösel, wünsche ich einen schönen Ur-laub. Von Ihnen beiden hören wir letztendlichnoch bezüglich der Genehmigung des Proto-kolls.

Ich darf mich auch herzlich beim Steno-grafischen Dienst bedanken.

Ich schließe die öffentliche Sitzung undberufe die Beratungssitzung für 20.35 Uhrein.

(Zurufe: Nein! Unmittelbar!)

- Gut, unmittelbar. Dann stellen wir jetzt dieNichtöffentlichkeit her und eröffnen die Be-ratungssitzung.

(Schluss des Sitzungsteils Sach-verständigenanhörung, I: Öffentlich:20.30 Uhr - Folgt Fortsetzung des

Sitzungsteils Beratung, II:Nichtöffentlich)

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