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Deutscher Bundestag Drucksache 15/6015 15. Wahlperiode 17. 10. 2005 Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung Internet und Demokratie – Abschlussbericht zum TA-Projekt „Analyse netzbasierter Kommunikation unter kulturellen Aspekten“ Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Formen netzbasierter Kommunikation und kultureller Wandel 16 1. Das Internet als Informationsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Überblick über wichtige Nutzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Entwicklung von Nutzung und Nutzungsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. Netzbasierte Kommunikation und kultureller Wandel . . . . . . . . . . . . 24 5. Potenziale und Realität der Internetnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Demokratie und Internet – Zum Stand der Diskussion . . . . . . . . 28 1. Internet und Politik – zwischen Aufbruchstimmung und Ernüchterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Visionen, Potenziale und Befürchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.1 Effizienzsteigerung demokratischer Prozesse und Institutionen . . . . 30 2.2 Belebung der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.3 Befürchtungen und Sorgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.4 Aktuelle Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Politische Öffentlichkeit und das Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.1 Öffentlichkeit und Interaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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Deutscher Bundestag Drucksache 15/601515. Wahlperiode 17. 10. 2005

Berichtdes Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung

Technikfolgenabschätzung

Internet und Demokratie –Abschlussbericht zum TA-Projekt „Analyse netzbasierter Kommunikation unter kulturellen Aspekten“

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

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Vorwort des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

II. Formen netzbasierter Kommunikation und kultureller Wandel 16

1. Das Internet als Informationsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2. Überblick über wichtige Nutzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 19

3. Entwicklung von Nutzung und Nutzungsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4. Netzbasierte Kommunikation und kultureller Wandel . . . . . . . . . . . . 24

5. Potenziale und Realität der Internetnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

III. Demokratie und Internet – Zum Stand der Diskussion . . . . . . . . 28

1. Internet und Politik – zwischen Aufbruchstimmung und Ernüchterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2. Visionen, Potenziale und Befürchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.1 Effizienzsteigerung demokratischer Prozesse und Institutionen . . . . 302.2 Belebung der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.3 Befürchtungen und Sorgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322.4 Aktuelle Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

3. Politische Öffentlichkeit und das Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.1 Öffentlichkeit und Interaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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3.2 Teil- und Gegenöffentlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.3 Deliberative Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4. Transnationale Demokratiepotenziale des Internets . . . . . . . . . . . . . . 374.1 Globalisierung, transnationale Politik und das Internet . . . . . . . . . . . 374.2 Transnationale Internetöffentlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

5. Politische Potenziale netzbasierter Kommunikation und Ansätze zu ihrer Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

IV. Politische Institutionen und Netzöffentlichkeit – Auf dem Weg in die digitale Demokratie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1. Digitale Demokratie auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411.1 Onlinekommunikation und „partizipative Demokratie“ . . . . . . . . . . 421.2 „Ihre Stimme in Europa“: Ein Beispiel für interaktive Politik-

gestaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431.3 Ein neuer Trend in der Informations- und Kommunikationsstrategie

der EU? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

2. Digitale Demokratie in Deutschland und Großbritannien . . . . . . . . . 472.1 Regierungsprogramme und -aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.2 Nicht staatliche Internetöffentlichkeit, Netzkultur und deren

Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522.3 Websites der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3. Parlament und digitale Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.1 Individuelle Webangebote von Parlamentariern . . . . . . . . . . . . . . . . 633.2 Petitionsrecht, Bürgerbeteiligung und netzöffentliche Diskussion . . 653.3 Parlamentsreform und E-Demokratie in Großbritannien . . . . . . . . . . 663.4 Die Onlineanhörungen des britischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . 683.5 Aktivitäten des Deutschen Bundestages zur digitalen Demokratie . . 72

4. Zur Einschätzung des Entwicklungsstands digitaler Demokratie . . . 77

V. Netzöffentlichkeit – das Internet als Raum politischer Information und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

1. Der Internetnutzer als Rezipient und Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801.1 Netzbasierte politische Information und Meinungsbildung . . . . . . . . 801.2 Politische Artikulation im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811.3 Politische Weblogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821.4 Partizipatorischer Journalismus und Qualitätssicherung . . . . . . . . . . 831.5 Politische Mobilisierung durch netzbasierte Kommunikation? . . . . . 84

2. Nutzung des Internets durch zivilgesellschaftliche Gruppen . . . . . . . 852.1 Neue Formen von Gegenöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852.2 Kommunikation und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862.3 Netzaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882.4 Zur Bedeutung der Netzkommunikation für zivilgesellschaftliche

Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

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3. Politische Debatten im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893.1 Das Internet mit sich selbst befasst – Urheberrecht und Copyright . . 893.2 Politische Öffentlichkeit im Internet – der Diskurs über

gentechnisch veränderte Nahrungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

VI. Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1061. Das Internet – eine neue Form politischer Öffentlichkeit? . . . . . . . . 1072. Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181. In Auftrag gegebene Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1182. Weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1271. Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1272. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/6015

Vorwort des Ausschusses

Auf Initiative des Ausschusses für Kultur und Medien hat das Büro für Technikfol-genabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in der 14. Wahlperiode eine Un-tersuchung mit dem Titel „Neue Medien und Kultur – bisherige und zukünftige Aus-wirkungen der Entwicklungen neuer Medien auf den Kulturbegriff, dieKulturpolitik, die Kulturwirtschaft und den Kulturbetrieb“ durchgeführt. Um derBreite und Komplexität des Themas gerecht werden zu können, hatte das TAB einzweistufiges Untersuchungsverfahren empfohlen. In der dem Deutschen Bundestagim März 2002 als Bundestagsdrucksache 14/8434 zur Unterrichtung vorgelegtenVorstudie werden die theoretisch-begrifflichen Grundlagen dargelegt, die Entwick-lungen in der Mediennutzung untersucht, Medienmärkte analysiert und die durchneue Medien bedingten Veränderungen an ausgewählten Kulturbereichen beschrie-ben.

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat nach der Beratung des Berichtes beimAusschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung die Durchführungder zweiten Untersuchungsphase erbeten.

Die Leitfragen der vorliegenden weiterführenden Analyse, in der die Thematik „In-ternet und Demokratie“ im Mittelpunkt stand, waren,

– welche Auswirkungen das Internet angesichts der weiter gestiegenen Zahl der In-ternetnutzer und der wachsenden Zahl der Online-Angebote von Politikern, poli-tischen Organisationen und Institutionen sowie zivilgesellschaftlicher Initiativenauf die politische Information, Kommunikation und Partizipation hat,

– ob das Internet als neue Form und erweitertes Forum politischer Öffentlichkeitangesehen werden und Potenziale zur Stärkung der Demokratie entwickeln kann,

– welche politischen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten geeignet erschei-nen, die Potenziale des Internets für Meinungsbildung, Beteiligung und Entschei-dungsvorbereitung im politischen Prozess auszuschöpfen.

Die Autoren des Berichtes entwickeln ihre Thesen zum politischen Gestaltungs-bedarf und zu den Gestaltungsmöglichkeiten (Kap. VI) auf der Basis einer Aufarbei-tung medien- und kulturwissenschaftlicher Aspekte der Thematik (Kap. II) sowiedes politikwissenschaftlichen und demokratietheoretischen Forschungsstandes(Kap. III). Weitere Schwerpunkte des Berichtes sind die Untersuchung von Formen„digitaler Demokratie“ (Kap. IV) am Beispiel ausgewählter Internetangebote aufeuropäischer (EU und Großbritannien) und nationaler Ebene (Bundestag und Bun-desregierung) und eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Internets für die Struk-turen politischer Öffentlichkeit („Netzöffentlichkeit“) sowie die Möglichkeiten bür-gerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements (Kap. V).

Die Untersuchungsergebnisse der Analyse zeigen einerseits die mittlerweile fast un-begrenzt scheinenden Möglichkeiten der netzbasierten Information und Kommuni-kation und dass ihre Nutzung aus dem politisch-öffentlichem Raum nicht mehr weg-zudenken ist. Andererseits wird die nüchterne Einschätzung zum Ausdruck gebracht,dass das Internet noch kein Garant für eine neue Qualität des politischen Dialogs ge-worden ist und dass dessen Potenziale vor allem von bereits politisch Interessiertenund Aktiven genutzt werden. Das Netz begründet daher in vielerlei Hinsicht nochkeinen Mehrwert gegenüber den traditionellen Angeboten der politischen Informa-tion und Kommunikation.

Zur Förderung der „digitalen Demokratie“ und zur Vermeidung von „Digital Di-vides“ werden Maßnahmen zur Verbesserung des Netzzugangs, der Vielfalt und Qua-lität der Angebote im Netz sowie zur Stärkung der Medienkompetenz der Nutzerempfohlen. Staatliche Institutionen könnten stärker als bisher ihre Foren für politische

Drucksache 15/6015 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Debatten ausweiten, ihre eigenen Informationsdienstleistungen erweitern und mitqualitätsgeprüften Angeboten der Zivilgesellschaft verlinken.

Der Deutsche Bundestag erhält mit diesem Bericht eine umfassende Informations-grundlage für eine zukünftige Befassung mit den kultur –, medien- und bildungspoli-tischen Fragestellungen der Kommunikation im Netz und wertvolle Anregungen füreine Optimierung seines Internetangebots.

Berlin, den 2. September 2005

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Cornelia Pieper, MdBAusschussvorsitzende

Ulla Burchardt, MdB Axel E. Fischer, MdBStellvertretende Vorsitzende, BerichterstatterBerichterstatterin

Hans-Josef Fell, MdB Ulrike Flach, MdBBerichterstatter Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/6015

ZusammenfassungGegenstand der vorliegenden Studie sind Auswirkungender Internetkommunikation auf die Demokratie und ihrekulturellen Grundlagen. Die Auseinandersetzung mit die-ser vielfältigen Thematik erfolgt entlang der nachstehen-den Fragen:

– Wie verändern sich durch das Internet die technischenMöglichkeiten für politische Information, Kommuni-kation und Partizipation?

– Welche durch das Internet induzierten kulturellen Ver-änderungen mit Folgen für politische Kommunikationsind erkennbar?

– Welche Visionen und Potenziale des Internets für dieDemokratie, aber auch welche diesbezüglichen Be-fürchtungen wurden und werden wissenschaftlich dis-kutiert, und wie sind diese heute einzuschätzen?

– Wie sehen und nutzen Institutionen der Exekutive undParlamente die Internetkommunikation? Inwieweitträgt dies zur Realisierung der Demokratiepotenzialedes Internets bei?

– Wie nutzen zivilgesellschaftliche Akteure das Internetfür politische Kommunikation und was verändert sichdadurch in der politischen Öffentlichkeit? Inwieweitlässt sich die These vom Internet als neue Form politi-scher Öffentlichkeit („Netzöffentlichkeit“) stützen?

– Wo liegen politischer Gestaltungsbedarf und politi-sche Gestaltungsoptionen, insbesondere beim Deut-schen Bundestag?

Das Internet wird in dieser Studie somit als möglichesMedium der Unterstützung und Stärkung der Demokratieuntersucht. Auch in Auseinandersetzung mit skeptischenEinschätzungen und Befürchtungen einerseits und mithoch fliegenden Visionen und Erwartungen andererseitssucht dieser Bericht nach realistischen Antworten auf dieFrage nach den Auswirkungen des Internets auf politischeKommunikation und demokratische Kultur.

Ungeachtet des faktischen politischen Bedeutungszu-wachses des Internets treten die einschlägigen Debatten– zumindest in Bezug auf die übergreifende Einschätzungpolitischer Auswirkungen – oft auf der Stelle. Zwar ha-ben im wissenschaftlichen „Mainstream“ sowohl der„Cyberoptimismus“ – der den Blick vor allem auf Poten-ziale lenkt – als auch der „Cyberpessimismus“ – der uner-freuliche Begleiterscheinungen und mögliche Risiken derEntwicklung fokussiert – an Einfluss verloren. Die neueBescheidenheit, die sich u. a. in der häufigen, fast rituellanmutenden Betonung des „Business-as-usual“-Aspektspolitischer Netznutzung äußert, hat jedoch auch ihreSchattenseiten: Weitreichende Hoffnungen wie Befürch-tungen bestehen fort, werden aber nur noch selten explizitund kritisch diskutiert. Sie üben so weiter Einfluss aus,ohne als normativer Hintergrund deutlich sichtbar zusein.

Ein Vorteil der Entwicklung der letzten Jahre ist aber dieverstärkte Hinwendung zur empirischen Erforschung tat-sächlicher politischer Nutzungsweisen des Internets, wo-

bei verstärkt auch die zentralen politischen Akteure inden Blick genommen wurden. Die vorliegende Untersu-chung trägt dieser Tendenz Rechnung und setzt sichzugleich mit weitergehenden demokratietheoretischenFragestellungen auseinander. Dabei waren der Entwick-lungsstand und die Potenziale des Internets zu berück-sichtigen:

– Zum einen spricht – denkt man an frühere medien-technologische Entwicklungen – einiges für die An-nahme, dass sich das spezifische Internet-„Mediendis-positiv“ bisher noch nicht herausgebildet hat – dassbisher also viele Potenziale noch nicht realisiert sindund oft Anwendungen vorherrschen, die – als Nachah-mungen älterer medialer und nicht medialer Prakti-ken – vermutlich Übergangsphänomene darstellen.

– Zum anderen weist das Internet eine Reihe von As-pekten auf, die Annahmen erheblicher quantitativerSprünge und sogar neuer Qualitäten medialer Informa-tion und Kommunikation nahe legen. Beispiele dafürsind die Schnelligkeit, mit der durch das Internetgroße Mengen von Information (Texte, Bilder undTöne) über weite Entfernungen übermittelt werdenkönnen, die Entstehung gänzlich neuer Möglichkeitenmedialer Kommunikation sowie die weitreichendenMöglichkeiten der Abbildung, Speicherung und Ar-chivierung von kommunikativen Prozessen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich der Argumentations-gang wie folgt skizzieren:

– Ausgangspunkt bei dem normativen Leitbild einer de-liberativen Demokratie, das demokratietheoretisch gutbegründet und im politischen Diskurs verankert ist;

– Befassung mit den möglichen Beiträgen des Internets(Potenzialen) zur Verwirklichung dieser normativenVorstellungen;

– Blick in die Realität der politischen Internetkommuni-kation und Prüfung, ob und inwieweit diese Potenzialebereits umgesetzt sind;

– Bestimmung von fördernden Faktoren, aber auch vonHemmnissen, die einer Umsetzung bislang im Wegestehen;

– Nutzung dieser als Ansatzpunkte zur Identifikationpolitischer Handlungsmöglichkeiten.

Auf diese Weise soll zur konkreten Einschätzung deraktuellen politischen Nutzungsweisen des Internets bei-getragen werden, ohne über das Gegenwärtige hinausge-hende Innovationspotenziale und mögliche Risiken aus-zublenden.

Technischer und kultureller WandelDas Internet stellt neue Möglichkeiten der Information,der Kommunikation und der Partizipation bereit. Das In-ternet ermöglicht Datenübertragung, die

– entfernungsunabhängig (und damit potenziell globalfür „Fernkommunikation“ nutzbar) ist,

– preisgünstig und leicht bedienbar ist,

Drucksache 15/6015 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– schnell (praktisch ohne Zeitverlust) erfolgt und dabeiOnlinekommunikation und Interaktivität ermöglicht,

– dezentral organisiert ist,

– Möglichkeiten der Einspeisung von Informationen fürjedermann bereitstellt, und

– durch Links und Suchmaschinen Orientierung ermög-licht.

Im Gegensatz zu den traditionellen Massenmedien mitOne-to-many-Kommunikation und der Individualkom-munikation (z. B. beim Telefonieren) eröffnet die Kom-munikation im Internet auch Interaktionsmöglichkeiten inder Weise, dass von jedermann – also auch von denen, diein der massenmedialen Kommunikation nur Empfängersind – Inhalte bzw. Informationen für einen potenziellglobalen Adressatenkreis bereit gestellt werden können.Durch die technischen Möglichkeiten des Internets wirddamit jeder Nutzer (a) potenziell auch zum Sender undhat (b) die Möglichkeit, direkt auf Informationen andererNutzer/Anbieter zuzugreifen, wobei sich ein Zugang zuInformationen ergibt, der in quantitativer und qualitativerHinsicht historisch beispiellos ist.

In Bezug auf die Möglichkeiten der Internetkommunika-tion sind verschiedene Dienste und Anwendungen zuunterscheiden. Neben solchen, die der Informationsver-teilung dienen (wie z. B. Newsletter), stehen Diskussions-formate (wie z. B. Onlineforen und Chats). Die Diensteund Anwendungen weisen Unterschiede in Bezug aufihre Potenziale für politische Kommunikation auf undmüssen entsprechend differenziert untersucht und bewer-tet werden. Insgesamt ist, bei aller Betonung der Rele-vanz des Internets für politische Kommunikation,allerdings zu beachten, dass – wie in der Offlinekommu-nikation – nur ein eher geringer Anteil netzbasierterKommunikation politische Themen betrifft.

Durch neue technische Möglichkeiten der Kommunika-tion ergeben sich nicht automatisch kulturelle Verände-rungen. Es bedarf nicht nur technischer, sondern auch so-ziokultureller Innovationen, um einen kulturellen Wandelim Sinne von neuen individuellen wie kollektiven Kom-munikations- und Handlungsmustern herbeizuführen. Diewesentlichen sozialen und kulturellen Wirkungszusam-menhänge des Internets rühren weniger von seinen tech-nischen Eigenschaften her als davon, dass Menschen eszu einem alltäglichen sozialen Interaktionsraum machen,es gleichsam „erobern“ und sich aneignen, wodurch neuegesellschaftliche Kommunikations- und Handlungsmus-ter entstehen.

Netzbasierte Kommunikation als technische Neuerungkann daher nicht losgelöst von anderen Aspekten der Kul-turentwicklung gesehen werden. Die Veränderungen dermodernen Lebensführung in den industrialisierten Län-dern zu „postmodernen“ Formen sind weitaus vielfältigerund haben ihre Ursache nicht allein in der Entstehungneuer technischer Artefakte; vielmehr ist es ein komple-xer Mix aus zahlreichen sozialen, politischen und techni-schen Faktoren, der kulturelle Veränderungen bewirkt(oder auch verhindert). Netzbasierte Kommunikation ist

damit nur ein Faden im komplexen „Gewebe“ der Kultur.Sozialer und kultureller Wandel, an dem Formen netzba-sierter Kommunikation maßgeblich beteiligt sind, zeigtsich aber z. B. in Tendenzen zunehmender Individualisie-rung, der Vervielfältigung kultureller Identitätsangeboteund in kulturellen Globalisierungsprozessen. Bei diesenProzessen kommt es zu Wechselwirkungen zwischen ho-mogenisierenden Tendenzen (z. B. in Bezug auf diesprachliche Vielfalt), neuen Verbindungen zwischen loka-len und globalen Kontexten („Glokalisierung“), Ansätzenzur Herausbildung posttraditionaler transnationaler Kom-munikationsgemeinschaften (z. B. im Bereich der NGOs,Netzkulturen und Jugendkulturen) sowie neuen Formensozialer Spaltung auf nationaler und globaler Ebene („Di-gital Divide“). Diese Entwicklungen gehören zumHintergrund der politischen Nutzung des Internets undwerden dementsprechend an verschiedenen Stellen dervorliegenden Studie angesprochen.

Absehbar ist, dass das Internet zur weiteren internen Aus-differenzierung der Gesellschaft beitragen wird, wobeineue Kommunikations- und Informationsweisen entste-hen. Durch netzbasierte Kommunikation werden Indivi-duen und Gruppen befähigt, sich zu bestimmten Anlässenzusammenzuschließen, um gemeinsam als wichtig erach-tete Ziele durchzusetzen. Es sind ansatzweise neue kultu-relle Muster in der Spannung zwischen Individualisierungund Fragmentierung auf der einen Seite sowie Verge-meinschaftung und themenbezogenen gemeinsamen Ak-tivitäten andererseits erkennbar. Die durch netzbasierteKommunikation ermöglichte „abwesende Präsenz“ oder„virtuelle Gegenwart“ auf vielen gleichzeitigen Aktions-feldern stellt den Internetnutzer aber auch vor neue He-rausforderungen. Sie bringt ein neues Entscheidungs-dilemma auf der individuellen Ebene mit sich, denn dieBürger müssen noch häufiger entscheiden, welche Akti-vitäten sie verfolgen wollen, um angestrebte politischeZiele zu unterstützen.

Für die Ausgestaltung netzbasierter Kommunikation undihre Verbreitung deutet sich als weiteres Problem an, inwelchem Umfang interpersonale Kommunikation, dieelektronische Spuren hinterlässt, auch als vertrauenswür-dige Kommunikation angesehen wird. Mechanismen oderFilter müssen entwickelt werden, die in der Lage sind,Vertrauen in die gesendeten/empfangenen Mitteilungenherzustellen. Hinsichtlich kultureller Praktiken netzba-sierter Kommunikation sollte das Moment der Selektionund Kontrolle der Kommunikations- und Informationsan-gebote verstärkt berücksichtigt werden.

Internet und Demokratie – Tendenzen der wissenschaftlichen DebatteDas Internet eröffnet als interaktives Medium grundle-gende Kommunikationsmöglichkeiten neu und ist damitauch demokratietheoretisch relevant. Dies betrifft vor al-lem die Konstituierung von Öffentlichkeit und Gegenöf-fentlichkeiten und die Möglichkeiten politischer Informa-tion, Deliberation und Partizipation.

Die wissenschaftliche Analyse hat zunächst klar die posi-tiven Potenziale der Internetnutzung für die politische

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Kultur in den Vordergrund gestellt. Angesichts unbefrie-digender Entwicklungen in den westlichen Demokratien(wie Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit und Legitima-tionsprobleme des repräsentativen Demokratiemodells inzunehmend weniger hierarchisch strukturierten Gesell-schaften) erschien vielen die Nutzung des Internets alsKönigsweg der Problemlösung. Neue interaktive Kom-munikations-, Deliberations- und Partizipationsmöglich-keiten wurden als Chance zur Wiederbelebung der Demo-kratie gesehen.

Im Zuge weiterer Analysen und der Krise der Internet-ökonomie folgte jedoch eine Phase der Ernüchterung. DerTechnikdeterminismus, nach dem bereits das Angebotneuer Technik ausreichen würde, um neue Formen politi-scher Kultur zu begründen, erwies sich als eindimensio-nal und naiv. Denn zum einen kam in den Blick, dass dasInternet neue Probleme schafft, besonders hinsichtlichder Zugangsmöglichkeiten und der Anforderungen an dieNutzer hinsichtlich ihrer Medienkompetenz in umfassen-der Hinsicht. Zum anderen stellt sich die Realisierung derPotenziale des Internets nicht von selbst ein. Nicht Tech-nik löst die Probleme der Demokratie, sondern Technikkann von gesellschaftlichen Akteuren eingesetzt werden,um die Probleme zu lösen. Die Technik Internet muss so-zial und kulturell aktiv „angeeignet“ werden, um ihrePotenziale zu entfalten.

Aktuelle Konzepte sind geprägt von dem „zweiten Blick“auf die Rolle des Internets in der und für die Demokratie.Über die Ernüchterungsphase hinausgehend folgen sieSpuren der real erkennbaren Veränderungen politischerKommunikation und betonen die Möglichkeit der Intensi-vierung der Kommunikation zwischen Bürgern unter-einander und zwischen Bürgern und dem politischen Sys-tem – ohne dabei gleich die Lösung der großen Problemeder Demokratie zu erwarten. Sie setzen auf mittel- undlängerfristige Entwicklungen stärkerer gesellschaftlicherInteraktivität, Responsivität und Deliberation unter Ein-schluss der Möglichkeiten, die das Netz zur Effizienz-steigerung von Kommunikation und Informationsversor-gung bietet.

Im transnationalen Bereich deuten sich Entwicklungenan, die es rechtfertigen, auch von einem transnationalenDemokratiepotenzial des Internets zu sprechen. So sindim europäischen Bereich, wenigstens in Teilöffentlichkei-ten und einigen Eliten, bereits Vernetzungsaktivitäten undOnlinedeliberationen in größerem Umfang zu beobach-ten. Das Internet wird auch von transnational orientiertenNGOs und sozialen Bewegungen genutzt, vor allem umzu mobilisieren, Proteste oder andere Aktivitäten zu be-stimmten Anlässen (z. B. Weltgipfel) und Themen zukoordinieren oder internationale Solidarisierungsaktionenin Gang zu setzen. Zivilgesellschaftliche Akteure gehörenin diesem Bereich zu den Vorreitern, nationalstaatlicheund übergeordnete demokratische Akteure stehen da-durch unter dem Druck, sich ebenfalls an diesen Teil-öffentlichkeiten zu beteiligen. Wenn auch sicher bishernicht von einer umfassenden europäischen oder gar glo-balen Öffentlichkeit gesprochen werden kann, so gibt esdoch deutliche Anzeichen dafür, dass zu bestimmten The-

men und unter einzelnen Gruppen – also in Teilöffentlich-keiten – das Internet bereits erhebliche Folgen für politi-sche Kommunikation hat.

Politische Institutionen und NetzöffentlichkeitDie Politik hat sich in den letzten Jahren hin zu Netzöf-fentlichkeit und Netzkultur geöffnet und reagierte dabeiauch auf die Ansprüche von Bürgern, die das Netz als einMittel der einfachen und direkten Kommunikation (auchim politischen Bereich) betrachten. Durch Fördermaß-nahmen, Vernetzung der eigenen Webangebote mit denennicht staatlicher Akteure, Teilnahme an Onlinediskussio-nen, dem eigenen Experimentieren mit verschiedenenOnlinediskussionsformaten und die zunehmende Bereit-stellung von Informationen im Internet spielt die Politikmittlerweile eine wichtige Rolle in der Netzöffentlichkeit.Zudem werden innerhalb der Netzkultur und von poli-tisch aktiven Bürgern vielfältige Aktivitäten zur Stärkungund zum Ausbau digitaler Demokratie entfaltet. Von zen-traler Bedeutung für die weitere Entwicklung wird dahersein, wie sich jeweils die Logik, Kultur und das Zeitre-gime der Politik mit den – oft netzkulturell grundierten –Erwartungshaltungen stark kommunikationswilliger, anPartizipation interessierter Bürger in Einklang bringenlassen werden. Weder politische Kulturen noch Netzkul-turen oder die Kultur bürgerschaftlichen Engagementsallgemein sind starre Gebilde: Allein durch die weiter zu-nehmende Durchdringung vieler Lebensbereiche durchdas Internet werden bestehende Unvereinbarkeiten undReibungsflächen aller Voraussicht nach an Bedeutungverlieren.

Bereits heute wird das Netz vielfältig für die Kommuni-kation zwischen Politik und Bürgern genutzt, an verschie-denen Orten sind Routinen entstanden. Auch internatio-nal und auf EU-Ebene wurden in den letzten Jahren dieAktivitäten zur E-Partizipation und Onlinediskussion ver-stärkt. Es besteht programmatischer Konsens darüber,dass dem Internet eine wichtige Rolle für eine Stärkungrepräsentativer Demokratie zukommen kann. Trotzdemlässt sich insgesamt gesehen immer noch von einer Expe-rimentierphase sprechen. Einige vorsichtige Einschätzun-gen der bisherigen Praxis sind aber schon möglich:

– (Außerhalb Deutschlands) besonders weit entwickeltist die Nutzung von Onlinebefragungen im Rahmenvon Anhörungen.

– Onlinediskussionsformate (wie Foren, Chats, Weblogsmit Kommentarfunktionen etc.) werden vielfach ge-nutzt und das inhaltliche Niveau und der Grad anSachlichkeit der Diskussionen sind dabei häufig hoch.

– Erfolg versprechen vor allem Themen, die im speziel-len Interesse von Fachleuten und besonders gut infor-mierten Bürgern liegen, oder solche, bei denen be-stimmte Bevölkerungsgruppen politisch besondersstark betroffen sind.

– Im Vergleich zu den Nutzerzahlen der klassischenMassenmedien ist die Zahl der Nutzer staatlicher On-linediskussionsangebote aber gering, die durch ver-mehrte Werbung zu erschließenden Potenziale jedoch

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auch noch nicht ausgeschöpft. Die Nutzung von Dis-kussionsergebnissen und (in den meisten Fällen auch)von Befragungsergebnissen für den Zweck plebiszitä-rer Legitimation ist – vor allem wegen der in der Re-gel relativ niedrigen Teilnehmerzahlen – nicht mög-lich.

Trotz vieler (im Sinn der offiziell proklamierten Ziele)positiver Erfahrungen mit politischen Onlinediskussions-angeboten weist die Politik zu diesem Bereich digitalerDemokratie – zumindest in Deutschland und auf EU-Ebene – Verbesserungsbedarfe und Inkonsequenzen auf.Es fällt z. B. auf, dass viele der Onlinediskussions-angebote nicht durchgängig den Qualitätskriterien undEmpfehlungen entsprechen, die von der OECD, der Bun-desregierung und anderen relevanten Akteuren selbst ent-wickelt worden sind.

Die kommunikativen Potenziale des Internets führen al-lerdings auch hier nicht per se zu einem verstärkten En-gagement der Nutzer. Das Netz erleichtert aber die Kom-munikation zwischen Bürgern und Staat und kann insoferndie politische Meinungs- und Willensbildung sowie dieResponsivität der Institutionen der repräsentativen Demo-kratie gegenüber Ansprüchen und Erwartungen der Ge-sellschaft unterstützen. Bei entsprechender Konzeptionder Angebote ergeben sich auch neue Zugangsmöglich-keiten zum politischen Prozess für gesellschaftlicheGruppen, die in dieser Hinsicht eher benachteiligt sind(z. B. Jugendliche, Personen mit knappen Zeitressourcenoder geringer Medienkompetenz und solche, die aufgrundihrer Gefährdung auf Anonymität angewiesen sind).

Aus der Perspektive einer deliberativen „digitalen Demo-kratie“ – in der Politik durch netzbasierte Information undEinbeziehung der Bürgerinnen und Bürger transparenter,effizienter und responsiver werden soll – ist es zu begrü-ßen, wenn diejenigen Strukturen und Prozesse gefördertund unterstützt werden, die ein erweitertes bürgerschaftli-ches Engagement ermöglichen und zu einer vitalen politi-schen und kulturellen Netzöffentlichkeit beitragen. Parla-mente können hier durch die eigenen Websites und beider Gestaltung der Politik zur digitalen Demokratie einewichtige Rolle spielen.

Netzöffentlichkeit und Zivilgesellschaft

Der Frage, in welcher Art und Weise politische Kommu-nikation als öffentliche Kommunikation im Internet statt-findet, wurde im vorliegenden Bericht auch hinsichtlichder drei folgenden Aspekte nachgegangen:

– Inwiefern ergeben sich aus der Perspektive des Bür-gers als Internetnutzer neue Möglichkeiten der politi-schen Meinungsbildung, der politischen Artikulationund des Zugangs zu politischer Öffentlichkeit?

– Wie nutzen NGOs und soziale Bewegungen das Inter-net für ihre Zwecke und welche Bedeutung kommt da-bei der Herstellung von Netz(gegen)öffentlichkeit zu?

– Was lässt sich mit Blick auf spezifische politische De-batten (anhand der Beispiele Copyright und „Gen-

food“) zur Bedeutung des Internets für politische Öf-fentlichkeit feststellen?

Die dem individuellen Nutzer zur Verfügung stehendenKommunikations- und Informationsmöglichkeiten lassenes gerechtfertigt erscheinen, vom Internet als politischemKommunikationsraum mit eigenen, von massenmedialerKommunikation unterscheidbaren Merkmalen zu spre-chen – womit allerdings über die weitreichende These derMobilisierung und politischen Aktivierung der Bürgerdurch das Netz noch wenig ausgesagt ist. Das Internet er-öffnet aber neue Möglichkeiten politischer Kommunika-tion und diese werden auch von politisch interessiertenNutzern wahrgenommen. Zu nennen sind hier sowohl dievielfältigen Möglichkeiten, Informationen direkt bei denAngeboten verschiedener gesellschaftlicher Akteure ab-zurufen, als auch die im Vergleich zu den Massenmedienerweiterten Möglichkeiten, sich im Netz zu artikulieren,bis hin zu Ansätzen von Laienjournalismus im Netz. Zubeobachten sind auch Fälle, in denen es Nutzern gelingt,z. B. über so genannte Weblogs, Einfluss auf die Agendader Massenmedien auszuüben. Die Nutzung der Poten-ziale des Netzes als Raum politischer Kommunikation(sowohl als Rezipient als auch als Autor) setzen aber ne-ben Kompetenz im Umgang mit dem Internet auch politi-sches Wissen und Engagement voraus. Es sind vor allemdie seit langem politisch Aktiven und Kenntnisreichen,die das Potenzial ausschöpfen können.

Die Forschung zur aktuellen Bedeutung der Netzkommu-nikation für zivilgesellschaftliche Gruppen zeigt, dass dernetzbasierten Kommunikation insbesondere für die Orga-nisation transnationalen Protestes und transnationaler So-lidarisierung offenbar eine wichtige Funktion zukommt.Andererseits zeigen Untersuchungen zu den Internetange-boten wichtiger auch transnational agierender NGOs,dass die Angebote eher konventionell gehalten sind unddas der Technik inhärente Interaktionspotenzial nur we-nig genutzt wird. Auch bezüglich der Auswirkung netz-basierter Kommunikation auf die innerorganisatorischenStrukturen sind die Erkenntnisse uneinheitlich. Für eherlose thematisch diversifizierte Netzwerke scheint netzba-sierte Kommunikation eine conditio sine qua non ihresFunktionierens zu sein. Veränderungen der innerorgani-satorischen Kommunikationsstrukturen bei eher hie-rarchisch organisierten NGOs sind aber auch durch dieerweiterte Nutzung der Möglichkeiten netzbasierterKommunikation nicht zu erwarten. Von wesentlicher Be-deutung für die Arbeit und die Selbstdarstellung zivilge-sellschaftlicher Gruppen scheint die Möglichkeit zu sein,Informationen zu sammeln und an Mitglieder und die in-teressierte Öffentlichkeit via Website oder Mailinglistenzu verbreiten. Es wird auch versucht, das Netz zur Her-stellung von Gegenöffentlichkeit zu nutzen.

Die beiden im Rahmen des Projekts durchgeführten em-pirischen Untersuchungen zu den Strukturen und Inhaltenvon politischen Debatten im Netz (mit den Themen „Co-pyright“ und „genetisch modifizierte Nahrungsmittel“)zeigen, dass das Angebot an Informationen zu diesenpolitischen Themen im Netz groß ist, wobei die Sichtbar-keit der Angebote von Staat und Parteien oft eher gering

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ist. Die Masse der angebotenen Informationen macht esgerade für den einfachen Nutzer nahezu unmöglich, sicheinen eigenen Überblick über die Breite der vorhandenenArgumente und Meinungen zu verschaffen.

Insbesondere die Untersuchung zum Thema „Genfood“stützt die Annahme, dass sich im Internet ein breiteresSpektrum von Akteuren breitenwirksam artikulieren kannals in der massenmedialen Öffentlichkeit. Zwar dominie-ren „starke“, gut organisierte Akteure, aber auch Akteu-ren, die kaum Zugang zur massenmedialen Öffentlichkeithaben, bietet sich die Chance, im Netz wahrgenommen zuwerden. Deutlich wird auch die im Vergleich zur Presseausgeprägtere internationale oder grenzüberschreitendeAusrichtung der Netzkommunikation.

Widersprüchliches erbrachte die vorliegende Untersu-chung zur Qualität der im Netz geführten Debatten. Ob-wohl sich im Fall der Untersuchung zum Thema Copy-right die Nutzer recht gut informiert zeigten und obwohldie meisten Nutzer gerade die interaktiven Möglichkeitendes Netzes und den Austausch mit anderen Nutzern inOnlinediskussionen schätzen, wurde die schlechte Quali-tät der Diskussionen in den vorhandenen Onlineforen be-klagt. Offensichtlich werden die thematisch einschlägigenForen von urheberrechtskritischen Nutzern dominiert, diesich in oft emotionalisierter Art und Weise in ihrer Posi-tion selbst bestärken, und diese Form selbstreferenziellerKommunikation wird von diesen selbst als unbefriedi-gend empfunden.

Bezüglich der argumentativen Qualität der im Netz ein-fach per Suchmaschinenrecherche auffindbaren Textezeigte sich aber im Falle der „Genfood“-Debatte kein re-levanter Unterschied zur Behandlung des Themas in derPresse. Die Bandbreite von Texttypen und Formaten istim Netz hier größer und das argumentative Spektrum zumThema „Genfood“ zumindest nicht enger als in der Pres-seberichterstattung. Von vergleichsweise geringerer Be-deutung sind Texte, die – journalistischen Normen ent-sprechend – das Für und Wider gegeneinander abwägen(wenngleich die klassischen journalistischen Formate dasGros der Texte ausmachen). Dagegen fanden sich relativoft Positionen zum Thema in authentischer Art undWeise – eben Stellungnahmen, Dokumente etc. vonAkteuren selbst, und nicht Berichte über solche Stellung-nahmen. Das Internet ist hier somit ein Medium fürSelbstdarstellungen und Verlautbarungen und nicht fürjournalistische Berichterstattung. Es lässt sich vermuten,dass es netzbasierte Kommunikation stärker als die Re-zeption der massenmedialen Berichterstattung erlaubt,nur einen bestimmten Ausschnitt aus dem öffentlichenMeinungsspektrum wahrzunehmen bzw. überhaupt erstaufzusuchen.

Das Beispiel Copyright liefert Hinweise auf die Existenzeiner eigenständigen, von massenmedialer Vermittlungweitgehend unabhängigen politischen Teilöffentlichkeitim Netz. Die Möglichkeit verbesserter Selbstdarstellungund Artikulation für zivilgesellschaftliche Initiativen unddie interaktiven Möglichkeiten des Netzes können zurFormierung von Interessengemeinschaften und z. T. auch

zur politischen Mobilisierung solcher Gemeinschaftenbeitragen.

Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen

Es ist nach einer Zeit weitreichender, teils euphorischerThesen zur Bedeutung des Internets als Raum politischerKommunikation mittlerweile geradezu en vogue, Netz-kommunikation als politisch bedeutungsloses Rauschenaufzufassen. Auch die Ergebnisse der vorliegenden Un-tersuchung stützen die weitreichenden Thesen vom Netzals neue demokratische Form politischer Öffentlichkeitnicht. Ebenso wenig aber geben sie Anlass, die Rede vonder politischen Belanglosigkeit des Internets zu stützen.Zwar ist tatsächlich kein fundamentaler Wandel im Sinneeiner Systemveränderung festzustellen und auch wenigerdramatische Prognosen waren offenkundig – zumindesthinsichtlich des Tempos der Entwicklung – falsch. ImWandel der kulturellen Grundlagen demokratischer Ge-sellschaften und politischer Öffentlichkeit, der zivilge-sellschaftlichen Nutzung des Internets wie auch im Be-reich staatlicher Onlinediskussionsangebote lassen sichaber Anzeichen dafür finden, dass Besonderheiten netz-basierter Kommunikation bereits Auswirkungen zeitigenund auch neue Fragen aufwerfen. Die sich – zum Teil ra-sant, zum Teil eher schleppend – vollziehende Integrationdes Internets in das politische Leben verläuft tatsächlichan vielen Stellen weder bruchlos noch unspektakulär.Kulturelle und politische Praktiken der Internetnutzunghaben sich noch nicht verfestigt, viele Nutzungsweisenwirken vorläufig, unfertig oder dem Internet unangemes-sen. Netzbasierte Kommunikation hat sich aber alsintegraler Bestandteil von Politikprozessen mit neuenMöglichkeiten der Information und Beteiligung von Bür-gerinnen und Bürgern und der Kommunikation zwischenpolitischen Akteuren und dem Netzpublikum etabliert.Weitreichende Ziele sind in nationalen und internationa-len politischen Programmen festgeschrieben.

Aus den in der vorliegenden Studie identifizierten, durchnetzbasierte Kommunikation induzierten Veränderungenpolitischer Öffentlichkeit lassen sich folgende allgemeineHerausforderungen ableiten, auf die sich Parlament, Re-gierung und Administration einstellen müssen:

– Auf Seiten politischer Akteure wird das Netz als Me-dium politischer Kommunikation (Selbstdarstellung,Mobilisierung) und auf Seiten der Nutzer als Quellepolitischer Information an Bedeutung gewinnen.

– Ohne dass die massenmediale Öffentlichkeit an Be-deutung verlieren würde, wird eine Reihe von politi-schen Prozessen im Internet stattfinden (politischeInformation, Meinungsbildung und Deliberation,Agenda Setting, Organisation und Mobilisierung) undin Form von Themen, Debatten, politischen Aktionenauf die massenmediale Öffentlichkeit ausstrahlen.

– Die Ausbildung „virtueller“ politischer Kommunika-tionsgemeinschaften (entlang von politischen Interes-sen, Befindlichkeiten, Themen, Weltanschauungen)wird durch das Internet erleichtert. Damit nimmt nicht

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nur die Vielfalt politischer Kommunikation, sondernauch die Segmentierung von Öffentlichkeit zu.

– Die Ansprüche politisch interessierter und gut infor-mierter Bürger hinsichtlich des Zugangs zu politischenInformationen, der Transparenz politischer Prozesseund auch der Teilhabe an der Entscheidungsfindungüber das Netz werden wachsen.

– Für Nutzergruppen mit geringer Kompetenz im Um-gang mit den Möglichkeiten politischer Kommunika-tion und Information im Netz (aufgrund des sozioöko-nomischem Status, Bildungsabschlusses, Alters) kanndas Internet als Quelle politischer Information undTeilhabe verschlossen bleiben.

– Die Offenheit des Netzes impliziert als negative Be-gleiterscheinung auch einen Mangel an Instanzen derQualitätssicherung. Die Bewertung der Zuverlässig-keit und Seriosität der vielfältigen im Netz verfügba-ren Informationen und Quellen und entsprechendeSelektionsprozesse könnten nicht nur für die letztge-nannten Nutzergruppen zu Problemen werden.

Unter dem Gesichtspunkt einer lebendigen und deliberati-ven Demokratie mit möglichst aktiven und gut informier-ten Bürgerinnen und Bürgern ist es zu begrüßen, wenndiejenigen Strukturen und Prozesse gefördert und unter-stützt werden, die neue Formen politischen bürgerschaft-lichen Engagements ermöglichen. Ebenso sollte – soweitdies in der Macht von Regierung und Parlament liegt –negativen Tendenzen (Digital Divide, Segmentierung, Ni-vellierung von Informationen, antidemokratische Aktivi-täten etc.) entgegengewirkt werden.

Insbesondere für Parlamente eröffnen sich durch die Ver-besserung der eigenen Webpräsenz, die Verlinkung mitNetzangeboten der Zivilgesellschaft sowie die stärkereNutzung der interaktiven technischen Potenziale Mög-lichkeiten, auch im Zeitalter politischer Netzkommunika-tion ihre Rolle als Forum politischer Debatten und alsScharnier zwischen Öffentlichkeit und politischem Sys-tem wahrzunehmen.

Die vorliegende Studie identifiziert vier Handlungsfelder,die sich aus der aktuellen und sich abzeichnenden Ent-wicklung netzbasierter Kommunikation für die Politik er-geben:

– Das bereits seit langem diskutierte Thema „Digital Di-vide“ bleibt weiter aktuell. Neben der Gewährleistungeines Netzzugangs für solche Gruppen, die aus ökono-mischen oder sozialen Gründen bisher nicht über ei-nen solchen verfügen, stellt sich aber mindestensebenso dringlich die Aufgabe, einem „Digital Divide“entgegenzuwirken, der sich (sozialstrukturell oder kul-turell bedingt) aus den individuell unterschiedlichenFähigkeiten ergibt, das enorme Potenzial des Internetsals politisches Informations- und Kommunikationsme-dium sinnvoll zu nutzen. Zugang zu Informationen auserster Hand, erweiterte Möglichkeiten, sich politischzu artikulieren und mit anderen auszutauschen – diessind zentrale Beiträge der Netzkommunikation zurFörderung einer aufgeklärten, demokratischen Öffent-

lichkeit. Diese Potenziale zu nutzen, setzt aber ein er-hebliches Maß an Medienkompetenz und Wissen vo-raus. Neben der allgemeinen Förderung politischerBildung und Medienkompetenz ist auch die Förderunggruppenspezifischer politischer Internetangebote vonBedeutung, vor allem um ansonsten von der politi-schen Kommunikation im Netz ausgeschlossene oderin dieser Hinsicht kaum aktive Bevölkerungsgruppenbei ihren Interessen und Anliegen „abzuholen“.

– Der Zugang zur Öffentlichkeit als „Sprecher“ ist durchdas Internet erleichtert. Dennoch sind die Chancen, inder Vielfalt der Netzangebote auch wahrgenommen zuwerden, durchaus nicht demokratisch gleich verteilt.Kommerzialisierung und Massenmedialisierung derNetzkommunikation sowie die Entstehung von Teilöf-fentlichkeiten sind Entwicklungen, die die Vielfalt,Transparenz und gesellschaftliche Bedeutung politi-scher Netzkommunikation einzuschränken drohen.Die Unterstützung der Webpräsenz schwach organi-sierter Gruppen und vernachlässigter Themen wieauch die Förderung und staatliche Bereitstellung vonWebportalen als Knotenpunkte und Wegweiser fürpolitische Kommunikation können Mittel zur Förde-rung politischer Vielfalt im Netz sein.

– In der politischen Öffentlichkeit wird dem Nutzer dieAufgabe der Selektion des Sinnvollen, Relevanten undSeriösen aus der vorhandenen Informationsflut nichtdurch massenmediale Filter abgenommen. Dies machtdie Autonomie des politisch interessierten Internetnut-zers aus, es stellt sich hiermit aber auch ein Problemder Qualitätssicherung, das z. B. auch durch eine Aus-weitung des Onlineangebots der öffentlich-rechtlichenMedienanbieter angegangen werden könnte. Ein Bei-trag zur Qualitätssicherung politischer Netzkommuni-kation ist auch die Förderung bestimmter politischerInternetprojekte wie z. B. Angebote, die sich gegenExtremismus und Rassismus richten. Daneben kämenverstärkte Bemühungen in Frage, durch Zertifizierungvon Netzangeboten oder die Vereinbarung von „Codesof Conduct“ die Qualität des Angebots an politischerInformation und Kommunikation zu fördern und demNutzer Orientierungshilfen bei der Suche nach Infor-mationen im Netz zu geben.

– Ein direkter Weg der Einflussnahme auf die politischeNetzöffentlichkeit ergibt sich für Regierung und Parla-ment aus der inhaltlichen und technischen Gestaltungder eigenen Webpräsenz. Neben der Gewährleistungeines umfassenden Angebots an politischen Informa-tionen, das politische Meinungsbildungs- und Entschei-dungsprozesse für die Bürger transparent macht, istinsbesondere die Nutzung der interaktiven Möglich-keiten des Internets für die direkte Kommunikationzwischen Staat und Bürgern zu nennen. EntsprechendeAngebote (Onlineforen, Chats etc.) werden von Regie-rungen und Parlamenten in Europa vielfach angebo-ten. Die Erfahrungen hinsichtlich der Qualität des indieser Weise intensivierten Austauschs zwischen Re-präsentanten und Repräsentierten und der erweitertenBeteiligung von Bürgern an politischen Beratungen

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sind durchaus gut. Die vorliegenden Erfahrungen wei-sen aber auf zwei oft nicht beachtete, für den Erfolgstaatlicher Onlineangebote aber entscheidende Vo-raussetzungen hin: Zum einen sollten die Angebote sokonzipiert, ausgestattet und betreut sein, dass vermeid-baren Enttäuschungen der Bürger entgegengewirktwird. Die dafür notwendigen Maßnahmen unterschei-den sich im Einzelfall – zentral sind aber eine klareZweckbestimmung der Diskussionen, Transparenz inBezug auf die Beteiligung der Politiker und die Nut-zung der Ergebnisse, den Diskussionen angemesseneModerationsleistungen und Maßnahmen zur Werbungund Zielgruppenansprache. Zum anderen und insge-samt gesehen ist die Weiterentwicklung staatlicherAngebote zur digitalen Demokratie nicht die Aufgabeeines einzigen Akteurs. Ein Konsens der relevantenpolitischen Kräfte und die Kooperation zwischen denverschiedenen Akteuren bestimmen maßgeblich denErfolg in diesem Bereich. Eine Herausforderung, diesich der ganzen Politik stellt, sollte auch durch die Po-litik gemeinsam angegangen werden.

I. Einleitung

Für die Demokratie sind funktionierende informelle wieauch institutionalisierte Kommunikationsformen von ent-scheidender Bedeutung, vor allem zwischen politischenFunktionsträgern und Bürgern, zwischen Bürgern unterei-nander sowie zwischen Funktionsträgern und der (organi-sierten) Öffentlichkeit. Die Problemlösekapazität desdemokratischen Systems und die Legitimation demokrati-scher Entscheidungen hängen davon vielfach ab. Techni-sche Entwicklungen werden daher in einem besonderenSinn wichtig für die Demokratie, wenn sie mittelbar oderunmittelbar zu Veränderungen der Möglichkeiten politi-scher Kommunikation führen. Hier erscheint Techniknicht als ein „bloßer“ Anwendungsfall für Technikpolitikoder Regulierung, sondern kann die kulturellen Grundla-gen der Demokratie selbst beeinflussen.

Das Internet hat, so die Ausgangsdiagnose dieser Studie,das Potenzial, kulturelle Fundamente politischer Kommu-nikation und damit der Demokratie zu verändern: Zumeinen dadurch, dass das Internet wesentliche Grundlagefür allgemeine kulturelle Veränderungen ist, die dannauch auf politische Kommunikation durchschlagen.Hierzu gehören vor allem Globalisierungsprozesse imökonomischen, sozialen und kulturellen Bereich. Zum an-deren wird die Politik durch netzbasierte Kommunikationauch direkt beeinflusst. Der unmittelbare Einfluss zeigtsich nicht nur in den Ansätzen von „E-Government“ und„E-Demokratie“, sondern auch in den vielfältigen neuenMöglichkeiten und Anforderungen, die sich für das politi-sche Handeln unterschiedlicher Akteure ergeben. Für Par-lamente sind dies ganz wesentliche Entwicklungen, da sieeinerseits durch ihren Beitrag zur Internetkommunikationdie politische „Netzöffentlichkeit“ stark mitprägen (kön-nen), und andererseits das Internet Möglichkeiten bietet,die – oft beklagte – Distanz zwischen den Repräsentieren-den und den Repräsentierten durch neue Kommunika-tionsformen zu verringern.

Fragestellung, Gegenstand und Zielsetzung der Untersuchung

Vor diesem Hintergrund wurde – auf Vorschlag des Aus-schusses für Kultur und Medien – das TAB im Sommer2003 mit einem Forschungsprojekt zur „Analyse netzba-sierter Kommunikation unter kulturellen Aspekten“ be-auftragt. Die Beauftragung knüpfte an Ergebnisse undSchlussfolgerungen aus dem TAB-Arbeitsbericht Nr. 74„Neue Medien und Kultur“ an. Die gestellte Ausgangs-frage war, welche Möglichkeiten und Auswirkungen dasInternet hinsichtlich neuer Formen der politischen Infor-mation, Kommunikation und Kooperation hat und inwie-weit dabei kulturelle Grundlagen der Demokratie betrof-fen sind. Aus der Vielfalt der dafür relevanten Aspekte(wie z. B. das Internet als neue Form der Tradierung undGlobalisierung von Kultur, Zugangsbedingungen zur In-ternetkommunikation; Ermöglichung neuer Formen derBürgerbeteiligung an politischer Kommunikation) wurdedie Frage nach den Auswirkungen netzbasierter Kommu-nikation auf die kulturellen Grundlagen und die Praxisdemokratischer Gesellschaften herausgegriffen und inden Mittelpunkt gestellt. Die übergreifende Untersu-chungsfrage lautete: Wie sind die Möglichkeiten undAuswirkungen des Internets hinsichtlich neuer Formender kulturellen und politischen Information, Kommunika-tion und Kooperation einzuschätzen? Folgende Teilfragenverdeutlichen die Untersuchungsrichtung:

– Wie verändern sich durch das Internet die technischenGrundlagen medialer Öffentlichkeit und der Medien-kultur, und was bedeutet das für die Gestaltungs- undInteraktionsmöglichkeiten des Individuums?

– Wie verändern sich durch netzbasierte Kommunika-tion die Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkei-ten von politischen Organisationen und soziokulturel-len Gruppen sowohl in Bezug auf die Zivilgesellschaftals auch auf politische Institutionen in Legislative undExekutive?

– Welche Bedeutung haben neue Möglichkeiten kultu-reller Selbstentfaltung und Teilhabe, des Wissens-erwerbs sowie netzbasierter Interaktion für die Quali-tät politischer Diskurse, Partizipationsansprüche unddas Ziel der Chancengleichheit bei Information undBildung?

– Inwieweit lässt sich die These vom Internet als neueForm politischer Öffentlichkeit („Netzöffentlichkeit“)stützen?

– Wo liegen politischer Gestaltungsbedarf und politi-sche Gestaltungsoptionen, insbesondere beim Deut-schen Bundestag?

Auf diese Weise steht das Internet als mögliches Mediumder Stärkung der Demokratie im Mittelpunkt dieser Stu-die. Die Thematik steht in der Spannung zwischen Behar-rung und Neuerung: Führt das Internet zu neuen Formendemokratischer Kommunikation oder reproduziert es inder virtuellen Welt nur die schon in der politischen „Real-welt“ vorhandenen Strukturen und Tendenzen? Diegenannten Untersuchungsfragen berühren zum einen

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normative Erwartungen (vor allem demokratie- und kul-turtheoretischer Art) und sind zum anderen teilweise ei-ner empirischen Analyse nur schlecht zugänglich. Fragennach Wechselwirkungen zwischen Demokratie und Inter-net sind von erheblicher Komplexität und sperren sich ge-genüber einem einfachen methodischen Zugriff. Es kön-nen immer nur – im Hinblick auf Themen, Teilnehmer,genutzte Internetdienste und -anwendungen – stark einge-grenzte Teilaspekte untersucht werden. Daher sind erheb-liche Deutungsleistungen erforderlich, um die Relevanzund Aussagekraft empirischer Ergebnisse vor dem Hin-tergrund der Fragestellung zu bewerten. Nicht erleichtertwird diese komplexe Situation zudem dadurch, dass eskeine einheitliche Verwendung wichtiger Begriffe wiez. B. Deliberation, Partizipation, Diskurs, Dialog, Kon-sultation etc. gibt.

Bei der Untersuchung der politischen Bedeutung netzba-sierter Kommunikation im nationalen, europäischen undtransnationalen Bereich1 wurde besonderes Augenmerkauf empirische Untersuchungen zu tatsächlichen Nut-zungsformen des Internets für politische Kommunikationgelegt. In der Spannung zwischen hoch fliegenden Visio-nen und Erwartungen einerseits und skeptischen Ein-schätzungen sowie Befürchtungen andererseits sollen indiesem Bericht – im Rückgriff auf einschlägige, teils zudiesem Zweck in Auftrag gegebene empirische Arbeiten– nachvollziehbare und realistische Antworten auf dieFrage nach den Folgen der Internetnutzung für politischeKommunikation gegeben werden. Eine wesentliche Rollespielt dabei selbstverständlich der Deutsche Bundestag,dem auf der Basis der vorgenommenen UntersuchungenHandlungsoptionen für die weitere Ausgestaltung seinerInternetkommunikation und die Realisierung demokratie-theoretischer Potenziale des Internets an die Hand gege-ben werden sollen.

In der Ausarbeitung dieser Analysen und Überlegungendient als normativer Hintergrund die den meisten demo-kratietheoretischen Erwartungen an das Internet (undauch vielen politischen Programmen; vgl. Kap. IV) zu-grunde liegende Vorstellung, dass Netzkommunikationdeliberative Formen der Demokratie fördern könne. Er-wartungen an eine stärkere Bürgerbeteiligung in politi-schen Diskussionen und Meinungsbildungsprozessen, aneine Verringerung der Distanz zwischen Regierenden undRegierten bzw. zwischen Bürgern und ihren gewähltenVertretern sowie Hoffnungen auf eine – z. B. gegenüberder Fernsehkultur – wachsende Bedeutung argumentativgehaltvoller Kommunikation gehören in diesen Erwar-tungshorizont. Die Hauptfrage, auf die dieser BerichtAntworten verspricht, kann daher umformuliert werdenin die Frage, inwieweit diesen Erwartungen reale Ent-wicklungen entsprechen – ob, inwieweit und unter wel-chen Bedingungen die normativen Hoffnungen in derPraxis anschlussfähig sind. Auf diese Weise wird der Bo-gen von demokratietheoretischen Diskussionen in Philo-

sophie und Politikwissenschaften bis hin zu den ganzkonkreten Anforderungen an die Ausgestaltung politi-scher Internetangebote gespannt.

Zur Durchführung des Projekts

Das Projekt bestand aus drei Phasen. Phase 1 war demStand der Forschung gewidmet, wobei eine Auseinan-dersetzung mit Konzepten aus der kultur- und medien-soziologischen Forschung zum Internet sowie aus derpolitikwissenschaftlichen und demokratietheoretischenDiskussion erfolgte, parallel zu einer Aufarbeitung der re-levanten empirischen Forschung.

In dieser Phase wurden sechs Gutachten vergeben, in de-nen Spezifika und Potenziale netzbasierter Kommunika-tion (Schönberger 2004a), deren demokratietheoretischeBedeutung (Leggewie 2004; Kettner 2004; Siedschlag2004), politische Nutzungsweisen des Internets (Bieber2004) und Aspekte transnationaler Öffentlichkeit(Winter/Groinig 2004) aufgearbeitet wurden. Neben derDarstellung des jeweiligen Forschungsstands und ein-schlägiger wissenschaftlicher Debatten ergab sich aus denGutachten bereits eine Vielzahl von Hinweisen auf kon-krete Nutzungsformen des Internets für politische Zwe-cke.

In Phase 2 wurden ausgewählte Forschungsthemen aus-führlicher behandelt. Eine wichtige Grundlage dafür warein Fachgespräch zu Methoden der Internetforschung undOnlineinhaltsanalyse, an dem sich dankenswerterweiseeine Reihe von Experten bei der inhaltlichen Vorberei-tung und durch ihre Teilnahme beteiligte. Geeignete Ge-genstände solcher Untersuchungen sind sowohl inter-aktive Formen netzbasierter Kommunikation (wie z. B.Onlineforen und Chats) als auch ausgewählte Debattenim Internet unter Berücksichtigung der Webpräsenzen un-terschiedlicher Akteure. Für die Analyse boten sich einer-seits tagespolitisch relevante Themen an, die eine breiteÖffentlichkeit bewegen. (Hier wurde das Thema „Gen-food“ gewählt). In Frage kamen aber andererseits auchspeziellere Debatten, die hinsichtlich des Internets selbstvon besonderem Interesse sind. (Hierzu wurde das Thema„Urheberrecht“ gewählt.) Des Weiteren wurden in dieserPhase Internetangebote von politischen Institutionen(Deutscher Bundestag und Bundesregierung) untersuchtsowie eine Analyse einschlägiger britischer Erfahrungenvorgenommen.

Inhaltlich stützte sich die Phase 2 auf sieben Gutachten,deren Vergabe durch Fachgespräche vorbereitet wurde.Drei größere empirische Gutachten analysierten spezifi-sche politische Debatten im Internet zu den Themen „Co-pyright und Urheberrecht“ (pol-di.net 2004) und „Gen-food“ (Rucht et al. 2004) sowie „Quantitative undqualitative Aspekte der Onlinedialogangebote von Bun-destag und Bundesregierung“ (IZT 2005). Weitere Gut-achten setzten sich mit britischen parlamentarischen On-linekonsultationen (Trénel 2004), der netzbasiertenKommunikation zwischen Bürgern und Abgeordnetenauf deren privaten Websites (Zittel 2004), mit dem Wan-del der Öffentlichkeit durch Netzkommunikation(Neuberger et al. 2004) sowie mit der Nutzung des Inter-

1 Die kommunale und regionale Ebene sind, dem Auftrag des Deut-schen Bundestages entsprechend, trotz der unbestrittenen Relevanzder Internetkommunikation dort nicht Gegenstand dieser Untersu-chung.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/6015

nets durch soziale Bewegungen, NGOs und „Netzaktivis-ten“ (Schönberger 2004b) auseinander.

Die Phase 3 diente der Auswertung von Phase 1 und 2 so-wie der Erarbeitung von Thesen hinsichtlich des politi-schen Gestaltungsbedarfs und politischer Gestaltungs-möglichkeiten. Zentrales Element war ein Fachgesprächmit Kultur- und Medienpolitikern, einschlägigen wissen-schaftlichen Experten und Vertretern der Verwaltung desDeutschen Bundestages. Auf dieser Veranstaltung wur-den Fragen der politischen Bedeutung von Internetöffent-lichkeit und Internetkultur vertieft behandelt sowieSchlussfolgerungen für politisches Handeln erörtert, ins-besondere für den Deutschen Bundestag.

Der Aufbau der Studie

Die Gliederung der Studie folgt den o. g. Arbeitsphasendes Projekts. Die Kapitel II und III beziehen sich – als Er-gebnisse der Phase 1 – auf die Ausgangslage der Untersu-chung und gehen auf den „State of the Art“ in Bezug aufdie im Internet bestehenden Kommunikationsmöglichkei-ten ein sowie auf Thesen zum dadurch induzierten kultu-rellen Wandel und zum Verhältnis von Demokratie undInternet. In den Kapiteln IV und V sind dann – als Ergeb-nisse der Phase 2 – die Ergebnisse der weiterführendenund auf ausgewählte Fragen bezogenen Untersuchungenenthalten. Dies sind – teils empirische – Analysen zurFunktion und zu Nutzungsweisen des Internets im politi-schen System (Exekutive und Legislative) sowie zu derFrage, ob und inwieweit sich durch das Internet neue Fa-cetten der politischen Öffentlichkeit ausbilden. Das Kapi-tel VI enthält die Schlussfolgerungen in Bezug auf dieFrage des Entstehens einer eigenen „Netzöffentlichkeit“und auf politische Handlungsmöglichkeiten. Diese Struk-tur sei im Folgenden näher erläutert.

Im Kapitel II werden zur Einführung einige technischeund kommunikative Charakteristika des Internets darge-stellt. Neben einer kurzen Erklärung der technischen Ba-sis geht es vor allem um verschiedene Dienste undAnwendungen netzbasierter Kommunikation. Deren Or-ganisations- und Nutzungsformen sind sehr heterogen.Da diese Vielfalt bedeutsam auch für die Nutzung desNetzes im Bereich der politischen Information und Kom-munikation ist, wird ein Überblick über verschiedene In-ternetdienste und -anwendungen geboten, ergänzt durcherste Hinweise auf deren politische Relevanz. Weiterhinwird kurz auf den Wissensstand zur aktuellen Nutzungdes Internets eingegangen. Daran schließt sich eine Erör-terung von Aspekten des durch netzbasierte Kommunika-tion zu erwartenden oder bereits beobachtbaren kulturel-len Wandels und dem Verhältnis von Beständigkeit undWandel kultureller Muster an.

Im Kapitel III geht es um die Analyse der Potenziale desInternets für die Demokratie, zunächst im Rahmen tradi-tioneller (westlicher) Nationalstaaten, dann aber auch imHinblick auf die transnationale Ebene. Hierzu wird diewissenschaftliche Diskussion zum Verhältnis von Demo-kratie und Internet aufbereitet, für die – teils utopisch ge-färbte – positive Erwartungen einer Belebung der Demo-kratie einerseits und skeptische Einschätzungen bis hin zu

Befürchtungen einer Verstärkung negativer Tendenzender „Massen-“ oder „Mediendemokratie“ andererseitskennzeichnend sind. Die Frage nach den kulturellenGrundlagen der Demokratie und den Auswirkungen desInternets auf dieser Ebene führt sodann auf die relevantendemokratietheoretischen Grundlagen mit den zentralenBegriffen Öffentlichkeit, Deliberation und Partizipation.Der aktuelle Forschungsstand spiegelt sich in Konzeptendigitaler Demokratie wider, deren Aufarbeitung als Aus-gangsbasis für die Analyse in den folgenden Kapitelndient.

Im Kapitel IV steht die Nutzung des Internets durch Re-gierung und Parlament im Mittelpunkt, vor dem Hinter-grund der weitreichenden Erwartungen an einen „aktivie-renden Staat“ und an eine intensivere Kommunikationzwischen Politik und Bürgern. Initiativen der Bundes-regierung und der EU zur digitalen Demokratie und ins-besondere zur politischen Kommunikation mit und zwi-schen Bürgern werden untersucht. Die Ausführungenorientieren sich dabei an den Leitfragen, wie sich Pro-grammatik und Praxis des Onlinedialogs zwischen Politikund Bürgern entwickelt haben, welche Bedeutung die In-stitutionen der repräsentativen Demokratie den eigenenAngeboten zur politischen Onlinediskussion beimessenund welche Innovationspotenziale, Hemmnisse und Risi-ken sich vor dem Hintergrund der normativ geprägten Er-wartungen abzeichnen. In Bezug auf die parlamentarischeNutzung des Internets für den Dialog mit den Bürgernwird ausführlich auf die Rolle des britischen Parlamentsinnerhalb der dortigen nationalen E-Demokratie-Politikeingegangen. Vor diesem Hintergrund werden Ge-schichte, Konzept und aktuelle Praxis des Onlinedia-logangebots des Deutschen Bundestages diskutiert.

Im Kapitel V steht das Internet als politische Öffentlich-keit im Mittelpunkt. Die in der Frühphase des Netzes häu-fig vertretene These einer (Re-)Vitalisierung der Demo-kratie durch die politische Aktivierung der Bürgerschaftvia Netzkommunikation wird vor dem Hintergrundaktueller Forschungsergebnisse und der Ergebnissezweier im Rahmen des Projekts in Auftrag gegebenerGutachten geprüft. Wenn auch die Erwartung einer weit-gehenden und schnellen Belebung bürgerschaftlichen En-gagements durch das Netz sich als Illusion erwiesen hatund auch erweiterte Möglichkeiten politischer Partizipa-tion bisher kaum realisiert sind, ist dennoch eine starkePräsenz unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Gruppenim Netz und eine intensive Nutzung des Netzes durchdiese Gruppen für die Kommunikation ihrer Anliegen zubeobachten. Es wird – vor allem anhand der Fallbeispiele„Genfood“ und „Urheberrecht“ – untersucht, wie diesePräsenz sich konkret zeigt, und diskutiert, welche demo-kratietheoretische Relevanz sie besitzt.

Im Kapitel VI werden schließlich Ergebnisse der voran-gegangenen Kapitel zusammengeführt, um zunächst eineAntwort auf die Frage nach Strukturen und Relevanz „po-litischer Netzöffentlichkeit“ zu geben. Weiterhin wirddargelegt, welcher politische Handlungsbedarf und wel-che Handlungsoptionen sich hinsichtlich der Gestaltungder politischen Internetöffentlichkeit und der netzbasier-ten Kommunikation zwischen Staat und Bürgern aus denErgebnissen der Untersuchung ergeben.

Drucksache 15/6015 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

In Auftrag gegebene Gutachten und Danksagungen

Folgende Gutachten wurden im Rahmen dieses Projektsvergeben und sind in die Bearbeitung der Fragestellungeingeflossen:

– Neue netzbasierte sozio-kulturelle und politischeKommunikations- und Handlungsmuster (KlausSchönberger, Forschungsinstitut für Arbeit, Technikund Kultur Tübingen e.V. in Verbindung mit der Uni-versität Tübingen)

– Die Bewertung des Internets als Kanal und Verstärkerdeliberativer Demokratiekultur (Alexander Sied-schlag; München)

– Politik im Netz – Akteure, Formate, Trends politischerOnlinekommunikation (Christoph Bieber; Heuchel-heim)

– Netzbasierte Kommunikation und transnationale Öf-fentlichkeit (Rainer Winter, Sonja Groinig; Institut fürMedien- und Kommunikationswissenschaft, Universi-tät Klagenfurt)

– Die Rolle netzbasierter Kommunikation für die Ratio-nalität demokratischer Deliberation (Matthias Kettner;Frankfurt a. M.)

– Demokratietheoretische und demokratiepolitischeEinordnung netzbasierter Kommunikation (ClausLeggewie; Gießen)

– Möglichkeiten netzbasierter Kommunikation für Par-lamente: Erfahrungen aus Großbritannien (MatthiasTrénel; Berlin)

– Copyright und Urheberrecht. Formen und Strukturendes netzbasierten Diskurses (Christoph Dowe,Christian Hochhuth; pol-di.net e.V. für eine demokra-tische und digitale Entwicklung der europäischen In-formationsgesellschaft, Berlin)

– Die Besonderheiten netzbasierter politischer Kommu-nikation am Beispiel des Genfood-Diskurses (DieterRucht, Mundo Yang, Ann Zimmermann; Wissen-schaftszentrum für Sozialforschung gGmbH, Berlin)

– Direkte Personalisierte Wählerkommunikation imWWW – Wunsch, Wirklichkeit und Perspektiven(Thomas Zittel; Mannheim)

– Wandel der aktuellen Öffentlichkeit im Internet(Christoph Neuberger, Christoph Kaletka, DanielMeyering, Ann Schlichting; Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Kommunikationswis-senschaft)

– Persistenz und Rekombination. NGOs und zivilgesell-schaftliche Organisationen zwischen traditionalen undweiterentwickelten Praktiken politischen Handelns innetzbasierter Kommunikation (Klaus Schönberger;Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kultur Tü-bingen e.V. in Verbindung mit der Universität Tübin-gen)

– Quantitative und qualitative Aspekte der Onlinedialo-gangebote von Bundestag und Bundesregierung (Mi-

chaela Wölk, Britta Oertel, Jan Oppermann, MandyScheermesser; IZT – Institut für Zukunftsstudien undTechnologiebewertung gGmbH Berlin)

Den Gutachterinnen und Gutachtern sei an dieser Stelleganz herzlich für ihre Arbeit gedankt. Sie bildet das Fun-dament für viele der in diesem Bericht getroffenen Ein-schätzungen. Im laufenden Text sind in den Kapitelnjeweils Verweise enthalten, welche Passagen sich schwer-punktmäßig auf welche Gutachten stützen.

Ein herzlicher Dank geht auch an die Expertinnen undExperten, die zum Fachgespräch zu Methoden der Inter-netforschung (Berlin, 28. November 2003) beigetragenhaben. Bei dem Fachgespräch im TAB waren anwesendMarkus Blume (Content AG, München), Walter Heinzel(mab Methoden-Analysen-Beratung, Hockenheim),Harald Klein (Social Science Consulting, Rudolstadt),Andreas Metzner-Szigeth (Universität Münster), PatrickRössler (Technische Universität Ilmenau) und aus demGutacherkreis Dieter Rucht und Ann Zimmermann.Wichtige inhaltliche und zudem organisatorische Beiträgezu dem Projekt wurden auch von Robert Hauser (For-schungszentrum Karlsruhe/ITAS), Kang-Jin Lee (Berlin),Barbara Lippa (Berlin) und Constanze Scherz (TAB) ge-leistet. Ihnen sei ebenfalls herzlich gedankt.

II. Formen netzbasierter Kommunikation und kultureller Wandel

Das Internet hat sich von einer Kommunikationstechnolo-gie der wissenschaftlich-militärischen Forschung zu ei-nem Universalmedium entwickelt, das in vielen Berei-chen unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutunggewinnt. Weil die ihm zugrunde liegende Netzwerk-Ar-chitektur prinzipiell offen ist, kann es für die unterschied-lichsten Informations-, Transaktions- und Kommunika-tionszwecke eingesetzt werden, wobei es herkömmlicheInteraktionsformen ergänzt oder ersetzt. Die Entwicklungdes Internets ist so ein zentraler Aspekt der neueren Me-dienentwicklung, die u. a. gekennzeichnet ist durch Digi-talisierung und eine Tendenz zur Allgegenwärtigkeit(Ubiquität), durch Mobilität, Vernetzung, Konvergenz,Datenkompression, Miniaturisierung sowie Interaktivität(s. a. TAB 2001). Das Internet bietet, als ein weltweitesNetzwerk, zahlreiche Dienste und Anwendungen, derenOrganisations-, Aneignungs- und Nutzungsformen sehrheterogen sind.

Seine Auswirkungen werden in vielen wissenschaftlichenDisziplinen untersucht und diskutiert. Je nach Reichweiteder Analysen prognostizieren die Studien z. B. Verände-rungen in einzelnen Wirtschaftsbranchen, Reformbedarfim Rechtssystem, neue Potenziale für lebenslange online-gestützte Lernprozesse oder sogar einen strukturell tiefgreifenden und globalen gesellschaftlichen Wandel. Zuberücksichtigen ist, dass die Entwicklung des Netzes indie unterschiedlich interpretierbaren Prozesse der Indivi-dualisierung und der Globalisierung eingebunden ist.Eine differenzierte Analyse des Internets, gerade im Hin-blick auf seine kulturellen und politischen Potenziale,muss berücksichtigen, dass bestimmte funktionale techni-sche Charakteristika zwar bestimmte Gebrauchsweisen

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nahe legen, jedoch die individuelle Aneignung der Tech-nologien, ihre gesellschaftliche Nutzung sowie die Insti-tutionalisierung des Internets von einer Vielzahl andererFaktoren beeinflusst wird.

So sind z. B. die Interaktivität ermöglichenden techni-schen Charakteristika netzbasierter Kommunikation ingesellschaftlicher Hinsicht lediglich Potenziale für einenverstärkten Austausch zwischen den unterschiedlichenAkteuren. Auch wenn die massenhafte Verbreitung desInternets und seine Bedeutung als Chiffre für Modernitätdie Nutzung dieser Potenziale in immer mehr gesell-schaftlichen Bereichen „zur Pflicht“ macht, stellt sich je-weils konkret die Frage, wie die Technologien genutztwerden, also wer mit wem auf welche Weise und zu wel-chem Zweck interagiert.

Das Internet als Gesamtsystem wird zwar oft auch alsMedium bezeichnet, kann aber zutreffender als eine In-formations- und Kommunikationsinfrastruktur und als einKommunikations- und Sozialraum begriffen werden. ImRahmen dieser Informations- und Kommunikationsinfra-struktur existiert eine Reihe unterschiedlicher, funktionaldifferenzierter Dienste und Anwendungen, die klassischeAufgaben von Massen- und Individualmedien überneh-men und sie um neue Optionen ergänzen. Da das „Multi-funktionsmedium“ Internet Kommunikationsweisen be-einflussen kann, ist es somit zugleich sowohl alstechnisches System als auch als Raum sozialer, kulturel-ler und politischer Praxis zu begreifen (TAB 2001).

1. Das Internet als Informationsinfrastruktur

Das Internet ist gegenwärtig nicht nur das dominierendeund dynamischste Element im Bereich der neuen Medien,sondern auch das Element mit den quantitativ wie qua-litativ am relevantesten Folgewirkungen soziopolitischer,-kultureller und -ökonomischer Art (hierzu und zum Fol-genden z. B. Banse/Metzner-Szigeth 2005; Metzner-Szigeth 2005).

„Internet“ steht für „Interconnected Networks“. Es ist einVerbund von Teilnetzen, in dem Daten in digitalisierterForm paketvermittelt zwischen Computern ausgetauschtwerden. Die Universalität und Medialität des Computerswerden hierbei in eine Eigenschaft des Netzes überführt:Computer können nicht nur als „Rechner“ fungieren, son-dern genauso gut als „Symbolverarbeiter“ oder „Virtuali-tätsgenerator“ und stellen daher nicht nur eine Maschineoder ein Werkzeug dar, sondern nehmen selbst die Quali-täten eines Mediums an (z. B. Petsche 2005; Schelhove1997). Das Netz ist nicht nur dafür prädestiniert, sich – obnun als „World Wide Web“ (WWW) oder in andererForm – global auszudehnen, sondern auch dazu, alle er-denklichen Schnittstellen und Funktionen auszubilden,alle möglichen Anwendungen miteinander zu verbindensowie jedwede Programme zu integrieren.

Das Internet „lebt“ von der Synergie zwischen Einzel-computer und Netzverbund, die einen „elektronischenRaum“ erzeugt, in dem u. a. Rechnerzeiten aufgeteilt undAufgaben in verteilter Form erledigt werden können, indem interaktive Datenbanken genutzt, verwaltet und er-

weitert werden können, in dem Software bereitgestellt,nach Bedarf abgerufen und im Arbeitsspeicher eingesetztwerden kann. Die Attraktivität und Wachstumsdynamikdes Internets erklärt sich darüber hinaus durch die weit-reichenden Möglichkeiten, vorgängig bestehende Kom-munikations- und Interaktionspraktiken zu integrieren.Bereits heute modifiziert, ergänzt oder ersetzt das Internetin diesem Sinne eine Vielzahl historisch gewachsenerKulturtechniken samt den für sie relevanten Einzel-medien. Es vereinigt in sich und rekombiniert bereits jetztdie Eigenschaften von Individual-Kommunikations-medien, Gruppen-Kommunikationsmedien und Massen-medien. In der Verschränkung dieser drei medialen Kom-munikationsebenen eröffnen sich ferner weitreichendeOptionen zur Übernahme und zum Ausbau von Funktio-nen, mit Hilfe derer das Internet die gesellschaftlichenBedarfe nach einem Informations- und einem Unterhal-tungsmedium zunehmend an sich zieht und weiter for-ciert, was seinerseits verstärkend auf die rapide Verbrei-tung von Haushaltsanschlüssen rückgewirkt haben dürfte.In Bezug auf das Internet ist daher auch von hybridenMedien (Höflich 1997) die Rede. Als „Hybridmedienvereinen und ergänzen“ demnach „Netzmedien die […]Funktionen von herkömmlichen Massen- und Individual-medien“ (Döring 2003a, S. 425). Neu ist die Integrationdiverser Interaktionsmodi in ein und dasselbe technischeSystem, was sich z. B. in der Entwicklung der WWW-Browser zeigt.

Das Internet kann so verstanden werden als eine „kumu-lative, multimediale Evolution, die alles leistet, was alteMedien je für sich zu leisten imstande sind, aber vor al-lem eine Eigenheit aufweist: das interaktive Potenzial“(Leggewie 2003b, S. 116). Insofern ist das Internet „einneues Multimedium, dessen Innovation ironischerweise‘nur’ in der Zusammenfassung aller bekannten Kommu-nikationsformate besteht“ (Leggewie 1998, S. 16) – abermit starken Interaktivitätskomponenten.

Das World Wide Web

Das Internet war bis Anfang der 1990er Jahre nicht multi-medial. Die Bedienung war vergleichsweise schwierigund auch die so genannten Links bzw. Webseitenver-weise, die inzwischen sehr komfortabel von einer zu an-deren Webseiten führen, existierten noch nicht. Die Navi-gation im „Netz der Netze“ war nicht spielend leicht. Mitder Entwicklung des World Wide Web (WWW) und derWebbrowser hat sich hier eine – gerade mit Blick auf diemassenhafte Nutzung – einschneidende Veränderung er-geben. Das Web eröffnet die Möglichkeit, entsprechendaufbereitete Webseiten, die physikalisch weltweit ver-streut vorgehalten werden, über ein spezielles Protokoll(http: Hypertext Transfer Protocol) miteinander zu ver-knüpfen. Dabei ist es unerheblich, von wo aus die jeweili-gen Seiten aufgerufen werden. Das WWW vereint zudemin einer einheitlichen grafischen Benutzeroberfläche dieverschiedenen Internetbasisdienste (E-Mail, Chat etc.),die vor einigen Jahren noch weitgehend getrennt genutztwerden mussten. Websites können neben Text, Fotos,Grafiken auch Animationen, Audio- und Video-Elementeenthalten. Diese Eigenschaften haben das WWW für

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viele zum Synonym für das Internet insgesamt werdenlassen. Das Web kommt in seiner Funktionsweise demklassischen Verteilmassenmedium am nächsten und er-möglicht eine unidirektionale und asynchrone Kommuni-kation (s. u.). Es lassen sich passwortgeschützte von all-gemein zugänglichen Webseiten unterscheiden. Wer imBesitz des Passwortes ist, darf die Seiten betrachten. DasWeb wird häufig auch als Datenbank oder Archiv ver-standen. Es ist zudem die Basistechnik für eine Vielzahlvon weiteren Anwendungen.

Durch das WWW hat sich für weite Teile der Bevölke-rung die Reichweite für interpersonale und private Kom-munikation erheblich vergrößert. Die Grenze zwischenMassen- und Individualkommunikation löst sich tenden-ziell auf („Hybridmedien“), auch wenn jeweils empirischzu überprüfen ist, inwieweit die gegebenen sozialen Be-ziehungen durch die Internetnutzung verändert werden.Das Web ermöglicht nicht nur die Rolle des passiven Re-zipienten, sondern es bietet auch die Gelegenheit, sich in-dividuell oder als Gruppe durch eine eigene Webpräsenzoder gegebenenfalls auf den interaktiven Angebotenfremder Websites zu Wort zu melden oder zu präsentie-ren. An Austausch interessierte Website-Betreiber im-plementieren in der Regel zumindest die Möglichkeit, viaE-Mail erreichbar zu sein, viele bieten aber auch einennetzöffentlichen Raum an, in dem die Besucher Kom-mentare online stellen können. Das Web stellt zudem fürIndividuen eine Fülle von relativ schnell und unaufwän-dig abrufbaren Informationen bereit. Insgesamt gesehenrechtfertigen es die quantitativen und qualitativen Verän-derungen der Information, Kommunikation und Inter-aktion durch das WWW, von der Entwicklung des Inter-nets als einem tief greifenden und umfassenden Wandeldes Mediensystems zu sprechen.

Informationsmodi

Im Hinblick auf die Frage nach den kulturellen und politi-schen Potenzialen netzbasierter Kommunikation und de-ren tatsächlichen Nutzungsweisen lassen sich die Inter-netdienste und -anwendungen kommunikations- undmedienwissenschaftlich anhand dreier Kommunikations-parameter systematisieren:

– Teilnehmeranzahl

– Richtung der Kommunikation

– zeitlicher Faktor

In Bezug auf die Teilnehmeranzahl lassen sich drei Kom-munikationsmodi unterscheiden:2

– One-to-one-Kommunikation: unter vier Augen, direktund persönlich, wie etwa individuelle schriftlicheKommunikation im Chat oder per E-Mail und ver-gleichbar dem Telefon, dem klassischen Brief oder derSMS.

– One-to-many-Kommunikation: Sender-Empfänger-Kommunikation, also der klassische Massenmedium-Modus, der in diversen Internetangeboten wie bei-spielsweise WWW-Onlineportalen integriert ist unddurch den disperse und große Menschengruppen– etwa wie beim Fernsehen, Radio, bei der Zeitungoder mit einem Flugblatt – in individualisierter Formerreichbar sind.

– Many-to-many-Kommunikation: in Form von News-groups, Onlineforen oder auch Mailinglisten, die vie-len Teilnehmern – im Sinne eines „horizontalen Kom-munikationsmediums“ (Pisani 2003) – erlauben,Nachrichten an viele andere Teilnehmer zu senden.

Die Richtung der Kommunikation gibt Aufschluss da-rüber, in welcher Weise der Übertragungskanal zwischenSender und Empfänger benutzt werden kann:

– Unidirektionale Kommunikation ist gegeben, wenndem Empfänger eine unmittelbare Antwortmöglich-keit auf dem gleichen Kanal nicht möglich ist.

– Bidirektionale Kommunikation ist dann möglich,wenn Sender wie Empfänger auf dem Übertragungs-kanal sowohl senden als auch empfangen können.

– Multi- oder polydirektionale Kommunikation findetdann statt, wenn auf dem Übertragungskanal mehrerePersonen senden und empfangen.

Ein weiterer zentraler Aspekt auch der netzbasiertenKommunikation ist die Unterscheidung zwischen zeit-gleicher (synchroner) und zeitverschobener (asynchroner)Kommunikation. Eine zeitverschobene asynchrone Kom-munikation ist nicht nur bei der E-Mail, in Onlineforenetc. möglich, sondern auch beim Brief, Telefax, Tele-gramm oder einer gesprochenen Nachricht auf dem An-rufbeantworter gegeben. Eine zeitgleiche synchroneKommunikation erfolgt beim Chat, bei Onlinegames etc.,aber auch mittels Telefon oder Videokonferenz. Ange-sichts der Fülle an Onlineangeboten und der Dynamik indiesem Bereich stellt sich die Aufgabe, trennscharfe Ta-xonomien zu entwickeln, allerdings immer wieder neu(Döring 2003a).

Das Netz bietet diverse Möglichkeiten zur bi- und multi-direktionalen Kommunikation, weshalb die interaktivenAspekte seiner Nutzung auch stark betont werden. So istz. B. von „interaktivitätsermöglichenden Medien“ dieRede (Höflich 1997). Interaktivität kann dabei verstandenwerden als netzbasierte „Mensch-zu-Mensch-Interak-tion, die Formen sozialer Organisation ermöglicht, ohneeine Kopräsenz im gemeinsamen physikalischen Wahr-nehmungsraum vorauszusetzen“ (Schütte 2000, S. 143;s. a. TAB 2001). Empirisch ist hier immer zu überprüfen,wie die Interaktion konkret verläuft, in welchen Berei-chen und zwischen welchen Akteuren sie sich wann ver-dichtet.

Ein Großteil insbesondere der frühen Forschung zumNetz hat Charakteristika des Kommunizierens und Inter-agierens im „virtuellen Raum“ (Chatrooms, Multi-User-Dungeons etc.) zum Gegenstand – wie z. B. die aus derMöglichkeit der Anonymität sich ergebende Option zum

2 Andere Systematisierungen unterscheiden massenmediale Kommu-nikation, interpersonale (bilateral wie multilateral) sowie Mensch-Maschine-Kommunikationen (Simulationsspiele/Avatare).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/6015

Spiel mit Identitäten. In psychologischer, sozial- und kul-turwissenschaftlicher Forschung wird zudem seit länge-rem untersucht (z. B. Thiedeke 2000; Thimm 2000), in-wieweit aus „virtueller“ Kommunikation und Interaktioninterpersonale Beziehungen entstehen, die funktional,psychologisch und kulturell äquivalent zu herkömmli-chen Formen des zwischenmenschlichen Austauschssind.

Kritisch gefragt wird aber auch, ob maschinenvermittelteKommunikation überhaupt eine zwischenmenschliche In-teraktion ermöglichen könne oder ob nicht die Nutzungdes Werkzeugs Computer und der Programme zumindestdas analytisch vorrangige Phänomen bei netzbasierterKommunikation sei (z. B. Krämer 1997). Die Internetnut-zung zum Zweck des Informationsaustauschs mit anderenMenschen wäre dann als eine Praxis zu verstehen, in derdurch die Interaktion zwischen Maschinen und Program-men diverse Mensch-Maschine-Interaktionen zu einemneuartigen Kommunikationszusammenhang werden. DerAspekt der Kopplung von Medien, bei dem der Menschlediglich als Anhängsel der Maschinenkommunikationerscheint, wird im so genannten medientheoretischen„Posthumanismus“ extrem betont (TAB 2001).

2. Überblick über wichtige Nutzungs-möglichkeiten

Auf der „Prozessebene kommunikativer Verfahren undArbeitsroutinen“ gibt es im Internet eine Vielfalt unter-schiedlicher Dienste und Anwendungen, die in der Litera-tur bereits sehr differenziert und ins Detail gehend be-schrieben und analysiert worden sind (z. B. Döring2003a). Im Folgenden werden daher lediglich Diensteund Anwendungen angesprochen, die hinsichtlich der inden anderen Kapiteln diskutierten Aspekte politischer In-ternetkommunikation von besonderem Interesse sind. DieDarlegungen zu den weithin bekannten Nutzungsmög-lichkeiten des Netzes sind dabei relativ knapp gehalten,es wird jedoch in aller Kürze auch auf grundlegende Cha-rakteristika der Dienste und Anwendungen eingegangen.Keine Auseinandersetzung erfolgt mit Tendenzen derKonvergenz klassischer Massenmedien mit dem Internet,u. a. deshalb weil die politische Nutzung der interaktivenPotenziale des Fernsehens immer noch nicht weit entwi-ckelt ist.

E-Mail

Die E-Mail gilt als die Hauptapplikation des Internets mitder größten Bedeutung für dessen Popularisierung. Siedient der direkten Verständigung zwischen Kommunika-tionspartnern, die sich entweder kennen oder mit denenKontakt aufgenommen werden soll. E-Mail ist eine bidi-rektionale, asynchrone Kommunikationsform und beson-ders geeignet, im Hinblick auf persönliche Kontakte In-formationen weiterzuleiten und damit einen persönlichenKommunikationspartner direkt anzusprechen. E-Mail istzudem eine schnelle Anwendung für die Kommunikationinnerhalb von Organisationen. Sie ist technisch eingebun-den in weitere Dienste des Internets. So bieten z. B. fastalle Websites die Möglichkeit der Kontaktaufnahme via

E-Mail an. E-Mail ermöglicht sowohl Gruppen als auchIndividuen, die Rolle des Senders zu übernehmen. DieErreichbarkeit von Institutionen und einzelnen Politikernund Funktionsträgern durch E-Mail ist mittlerweile einStandard politischer Kommunikation. Dieser potenzielleZuwachs an Transparenz und Responsivität wird aller-dings in der Praxis nicht selten geschmälert durch dasPhänomen der so genannten „E-Mail-Flut“: Durch dieVereinfachung und (tendenziell) Verbilligung der Kon-taktaufnahme mit staatlichen Akteuren können deren Ka-pazitäten zur Reaktion überlastet werden. Hinzu kommtdas dem Dienst inhärente Problem des „Spamming“, alsoder Beeinträchtigung dieses Kommunikationskanalsdurch die Versendung von Massenmails zu Werbezwe-cken, ermöglicht u. a. durch die maschinelle Durchfors-tung des WWW zum Zweck der Sammlung von E-Mail-Adressen. Die Eindämmung des „Spam“-Problems ist inden letzten Jahren zu einem wichtigen Gegenstand der In-ternetpolitik geworden.

Mailingliste

„Eine Mailingliste bezeichnet ein Verbreitungsmediumzur Verteilung von E-Mails innerhalb einer endlichenMenge an E-Mail-Adressen zu einem ausgewiesenenThema oder Zweck“ (Rost 2001). Bei Mailinglisten las-sen sich moderierte und unmoderierte, öffentliche undnicht öffentliche Mailinglisten unterscheiden. Sie sind je-doch nur nach einer Anmeldung nutzbar. Darüber hinausbietet sich eine Unterscheidung in Verlautbarungs-,Diskussions-, Aktivierungs- und Koordinierungs-Mai-linglisten an. Mailinglisten lassen sich nach der „Publika-tionsberechtigung“ unterscheiden. Diese Publikationsbe-rechtigung lässt sich differenzieren (vgl. Rost 2001) nach

– Allseitigkeit (vorbehaltslose Weiterleitung im „All-to-all“-Modus),3

– Mehrseitigkeit („many to all“), und

– Einseitigkeit („one to all“)

Im Falle eines einseitigen Schreibrechts handelt es sichum einen Newsletter. Darüber hinaus ist ein weiteres Un-terscheidungskriterium die „Bewertungsberechtigung“(vgl. Rost 2001): Dabei wird nach moderierten oder un-moderierten Listen unterschieden. In moderierten Listenentscheidet ein Moderator über die Weiterversendung ei-ner Nachricht. Neben der Diskussion und dem inhaltli-chen Austausch wird die Mailingliste häufig auch zur Ko-ordination in Gruppen oder zuweilen zur schlichtenUnterhaltung eingesetzt. Sie können von Individuen wievon Organisationen eingerichtet und betrieben werden.Mitunter sind sie nur für einen befristeten Zeitraum miterhöhtem Kommunikationsbedarf relevant und werdennach Erfüllung ihres Zwecks wieder eingestellt. Mailing-listen sind ideal, wenn es darum geht, schnell und einfacheine netzbasierte Diskussionsrunde einzurichten. Im Kon-text der Frage nach neuen soziokulturellen und politischen

3 Da bei Mailinglisten tatsächlich die Gesamtheit bekannt ist, kannhier mit einer gewissen Berechtigung von „all“ gegenüber dem unbe-stimmten „many“ ausgegangen werden.

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Handlungsmustern interessieren insbesondere Mailinglis-ten mit All-to-all-Kommunikationsmodus. Im Bereichder politischen – und insbesondere der staatlichen –Webangebote überwiegt aber die Nutzung zur Informa-tionsverteilung (one to all), also der Newsletter.

Website

Die Website ist für sich genommen zunächst eine unidi-rektionale und asynchrone Form der Kommunikation.Durch die Einbindung verschiedener anderer Kommuni-kationskanäle ermöglichen Websites allerdings sowohluni- wie bidirektionale, synchrone wie asynchrone undzudem multimediale Formen der Kommunikation. DieseIntegration von Individual- und Massenkommunikations-elementen „auf einer Plattform“ macht „die strukturelleBesonderheit dieses Mediums aus“ (Misocha 2004). Diesist vor allem deshalb von Bedeutung, weil eines der we-sentlichen Motive für Website-Inhaber die daran anknüp-fende Möglichkeit zur weiteren Kommunikation darstellt(Misocha 2003).

Das Web bietet mit seinen unzähligen Websites undNewskanälen jedem Nutzer Informationsmöglichkeiten,die bis Anfang der 1990er Jahre für den einzelnen Bürgerkaum vorstellbar gewesen sind. Wer über einen Internet-zugang verfügt, kann diese Quellen für sich nutzen oderauch anderen zugänglich machen. Es ist somit zu dem In-formationsmedium schlechthin geworden, das eine Viel-zahl an Inhalten, Fakten, Meinungen und Perspektivenbereithält. Websites sind mittlerweile zu einem Standard-instrument der politischen Kommunikation geworden,kaum ein relevanter politischer Akteur verzichtet auf eineeigene Webpräsenz.

Netzbasierte Diskussionsforen

Historischer Ausgangspunkt der Entwicklung von netzba-sierten Diskussionsforen war das vor gut 25 Jahren ent-standene Usenet. Die Vielzahl der Diskussionsforen zuden unterschiedlichsten Themen erhält eine Strukturie-rung durch die Unterteilung in Newsgroups zu bestimm-ten Oberthemen sowie die weitere Unterteilung inUnterthemen. Das Usenet ist über das Internet und archi-vierte Newsgroup-Diskussionen sind z. B. via Google(„Groups“) zu erreichen.

Newsgroups funktionieren bidirektional sowie als Many-to-many-Kommunikation. Ihr asynchroner Charakter er-gibt sich aus der Art und Weise der Nachrichtenversen-dung und -speicherung. Will ein Nutzer einen Artikel ineiner Newsgroup publizieren, so sendet er diesen an einenNewsserver. Seitdem die Kommunikation im Usenetüberwiegend über das Internet abgewickelt wird, verbrei-tet sich ein Newsgroup-Artikel von einem Server zu einerVielzahl anderer Server weiter. Die Teilnehmer sendenihre gegenseitigen Anfragen und Antworten – oder in ei-nem gesonderten Bereich des Usenet („binaries“) auchDateianhänge (Bilder etc.) – auf ihren jeweils lokalenNewsserver, der seinen Bestand mehrmals täglich mitweiteren Newsservern synchronisiert. Diese dezentrale,Redundanz erzeugende Struktur macht die Newsgroup-

Diskussionen praktisch resistent gegen nachträglicheZensur, da die versendeten Beiträge auf einer Vielzahlvon Servern liegen.

Die Nutzer können zu einem beliebigen Zeitpunkt abfra-gen, welche Nachrichten in den sie interessierenden Fo-ren neu hinzugekommen sind. Daher kann bei den News-groups im Gegensatz zu den Mailinglisten und dem dortzugrunde liegenden „Push-Prinzip“ hier von einem „Pull-Prinzip“ (aktives Abholen der Nachrichten) gesprochenwerden (Runkehl et al. 1998). Es hat sich gezeigt, dassNewsgroups sich mehr noch als Mailinglisten – und ähn-lich wie Weblogs (s. u.) – zur schnellen Verbreitung vonInformationen an eine große Zahl von Nutzern eignen.Bei Aufsehen erregenden Ereignissen kann es zu einemmassiven Kommunikationsaufkommen im Usenet kom-men. Bedeutung und Inhalte politischer Kommunikationim Usenet werden schon seit längerem untersucht (z. B.Hill/Hughes 1998), für die Mitte der 1990er Jahre wurdez. B. ein relativ geringer Anteil politischer Kommunika-tion – von allerdings kaum überschaubarem Gesamt-umfang – konstatiert (Rössler 1998).

Andere Onlineforen sind webbasiert. Diese Onlineforenwerden über Webseiten abgerufen und beliefert. Es han-delt sich also um eine Abbildung von Newsgroups imWWW. Von einem „Board“ spricht man, wenn verschie-dene Diskussionsforen zusammengefasst werden. Klassi-sche Medienanbieter und eine Vielzahl politischer Ak-teure bieten mittlerweile Newsboards an, in denenverschiedene Themen in einzelnen Onlineforen diskutiertwerden können.4 Auch in den Onlineforen wird bidirek-tional, asynchron und im Many-to-many-Modus kommu-niziert. Die Art und Größe des Teilnehmerkreises ist starkabhängig von der Popularität einer Website. Auch hierfindet sich oft eine weitere Unterteilung in Unterthemen,und Nutzer haben oftmals die Möglichkeit, eigene Dis-kussionsstränge („threads“) zu starten. Viele Boardsbieten registrierten Benutzern die Möglichkeit, sich perE-Mail darüber benachrichtigen zu lassen, wenn in einemvorher bestimmten Forum eine neue Nachricht hinzuge-fügt wurde.

Foren unterscheiden oft zwischen der Benutzerrolle desgewöhnlichen Forennutzers und den Administratoren undModeratoren. Administratoren bzw. Moderatoren könnenBeiträge anderer löschen oder bearbeiten. Sie können dar-über hinaus Threads „sperren“, also weitere Diskussions-beiträge zu einem Thema verhindern. Dies ist ein ent-scheidender Unterschied gegenüber den in der Regelunmoderierten Newsgroups, bei denen zudem ein einmalverschickter Beitrag im Netz präsent bleibt. Die Beiträgein den Webonlineforen liegen hingegen nicht dezentralauf verschiedenen Servern, sondern zentral auf einemRechner.

In der Diskussion zur Nutzung des Internets für die politi-sche Kommunikation werden Internetforen oft als beson-ders gut geeignete Instrumente politischer Deliberation

4 Oft werden die Termini „Diskussionsforum“ und „Onlineforum“auch im Sinne des „Board“-Begriffs verwendet.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/6015

eingeschätzt und dementsprechend seit längerem auch aufWebsites staatlicher Akteure angeboten (Kap. IV).

ChatWährend beim Telefonieren ein Anrufer in den Telefon-hörer spricht und das Gesprochene nahezu zeitgleichbeim Angerufenen eintrifft, tippt beim Chatten der jewei-lige Teilnehmer mittels Tastatur seinen Text, der beimAdressaten ebenfalls nahezu zeitgleich auf dem Bild-schirm erscheint: „Wie beim Telefonieren erfolgt die In-teraktion also direkt, synchron, wechselseitig, aber ebennicht sprechsprachlich, sondern schriftsprachlich“ (Run-kehl et al. 1998, S. 73; s. a. Eberle 2003). Die Kommuni-kation beim Chat erfolgt synchron und entweder zwi-schen zwei Personen oder mehreren Personen.

In der öffentlich-medialen Wahrnehmung der Chats do-miniert die Funktion der Kontaktaufnahme und -pflegezwischen Jugendlichen – die tatsächlich stark überdurch-schnittlich diesen Dienst nutzen. Im Vordergrund stehtzumeist der spontane Kontakt in Echtzeit mit Gleichge-sinnten. Zudem verfolgen große Internetanbieter die Stra-tegie, über Chaträume Besucher zu binden. Es findet sichauch eine Vielzahl von Chaträumen, in denen kulturelleund politische Themen verhandelt werden. Es ist zu er-warten, dass die jugendkulturell erworbene Routine in derChatkommunikation vermehrt Anknüpfungspunkte fürden Transfer dieses Formats in andere gesellschaftlicheBereiche bieten wird.

In Deutschland existiert seit der ersten Hälfte der 1990erJahre eine Tradition von Chats mit Politikern („Politiker-chats“). Politikerchats werden hierzulande – im interna-tionalen Vergleich gesehen – häufig durchgeführt (Bieber2004 und Kap. IV). Die relativ weit verbreitete Nutzungdieses Instruments „politischer Onlineversammlungen“(Bieber 2003) wird aber auch kritisch beurteilt: Der starkePopularitätszuwachs von Politikerchats in Deutschlandsei ein zentrales Element der Kommerzialisierung, derSpaß- und „Event“-Orientierung politischer Internetkom-munikation (Leggewie 2003b; Bieber 2004). Chats dien-ten vor allem der Selbstdarstellung der Politiker, währendder größte Teil des Publikums eine ähnlich passive Rollewie der Fernsehzuschauer einnehme. Chats seien somitnicht selten lediglich eine „Fortsetzung der Talkshow mit‘moderneren’ Mitteln“ (Leggewie 2003b, S. 122). DiePotenziale der netzbasierten Kommunikation für gehalt-volle politische Deliberation und eine „interaktive Demo-kratie“ blieben bei einer Konzentration auf Chats unge-nutzt.

Auch wenn der allgemeinen Einschätzung zuzustimmenist, dass Chats – vor allem im Vergleich zu Onlineforen –für niveauvolle und dialogische politische Kommunika-tion weniger geeignet sind, sollten Unterschiede zwi-schen Chats und den gängigen TV-Talkshows nicht über-sehen werden (Diekmannshenke 2001): Einerseits bleibtes im Gegensatz zu TV-Talkshows den Politikern stärkerselbst überlassen, auf welche Beiträge sie antworten, undes findet in der Regel kein Gespräch zwischen verschie-denen Politikern statt. Andererseits verfügen die Teilneh-mer – auch wenn viele von ihnen den Chat nur passiv ver-

folgen oder einige Beiträge nicht in die Liste der Fragenaufgenommen werden – über andere Möglichkeiten alsdas Saal- und Fernsehpublikum von TV-Talkshows. Siekönnen ggf. Beiträge einstellen und somit Themen vorge-ben sowie Antworten einfordern.

Auf jeden Fall sind auch hinsichtlich der politischen Qua-litäten der Chatkommunikation die unterschiedlichen Ty-pen dieses Formats zu differenzieren: Dabei lassen sich(a) moderierte, selektierte Chats, die die große Zahl derPolitikerchats ausmachen, (b) moderierte, unselektiertesowie (c) unmoderierte, unselektierte Chats unterschei-den (vgl. dazu und zum Folgenden Diekmannshenke2004). Während der letztgenannte Typ in der Regel dieInteraktion zwischen den Teilnehmern sowie auch infor-mellen Sprachgebrauch begünstigt, zeichnen sich die Po-litikerchats in der Regel durch ein Frage-Antwort-Schema aus, bei dem es nur sehr selten zu Nachfragenund nochmalige Antworten (also zu einem Austausch)kommt. Somit wird ein politischer Verlautbarungsstil be-günstigt. Hinzu kommt, dass Politikerchats von Seiten derAnbieter und der teilnehmenden Politiker oft eher als einpolitisches Unterhaltungsangebot (Diekmannshenke2004) angesehen werden. Des Weiteren erreichen bei denselektierten moderierten Chats nicht alle Teilnehmerbei-träge das „Licht der Netzöffentlichkeit“. Die Moderationhat somit die Möglichkeit, die Auswahl der erscheinen-den Beiträge den Bedürfnissen und Interessen des teilneh-menden Politikers anzupassen.

Weblog

Ein vergleichsweise neues Phänomen, das in den USAseit einigen Jahren – und seit kurzem auch in anderenLändern – viel diskutiert wird, stellen die so genanntenWeblogs (kurz: „Blogs“) dar.5 Eine genaue Eingrenzungdessen, was dieses Phänomen ausmacht, ist bisher nochnicht gelungen: Sowohl innerhalb der Szene der Weblog-betreiber („Blogger“) selbst als auch in der wissenschaft-lichen Forschung bestehen unterschiedliche Auffassun-gen (vgl. hierzu und zum Folgenden z. B. Blood 2002;Möller 2005; Neuberger 2003; Schönberger 2004a u. b,2005a). Oftmals werden Blogs mit Onlinetagebücherngleichgesetzt, wodurch aber nur ein Aspekt dieses Inter-netformats eingefangen wird.

Die Genese der „Blogosphäre“, wie die Gesamtheit vonWeblogs auch genannt wird, lässt sich folgendermaßenskizzieren: In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurdemit dem (aus „Web“ und „Logbuch“ zusammengesetz-ten) Kunstwort „Weblog“ in den USA eine Reihe vonWebsites bezeichnet, in denen die Betreiber Links zu an-deren Seiten im Netz aufführten und kurz kommentierten– was allerdings eine Praxis war, die vom Anbeginn desWWW bekannt war. Die Ende der 1990er Jahre als„Weblogs“ bekannt gewordenen Websites zeichnetensich aber überdies dadurch aus, dass die häufig aktuali-sierten Beiträge des Betreibers in chronologischer Ab-

5 Das Wort „Weblog“ nahm in den letzten Jahren z. B. Spitzenplätzebei den US-amerikanischen Wahlen zum „Wort des Jahres“ ein.

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folge (mit den jeweils neuesten Beiträgen an obersterStelle) erschienen und in vielen Fällen auch einen anek-dotisch-biographischen Charakter hatten. Es handeltesich weniger um pure Orientierungshilfen im Netz undschlichte Hinweise auf andere Websites als vielmehr umErlebnisberichte vom eigenen „Surfen“ und um die Prä-sentation und Kommentierung interessanter „Funde“ imNetz – eventuell auch ergänzt durch Informationen zuOfflineaktivitäten des Bloggers. Ebenfalls bereits in den1990er Jahren wurden Websites aber auch dazu genutzt,Tagebücher im engeren Sinn netzöffentlich zu machen,also solche Aufzeichnungen, die über das eigene Lebender Autoren berichteten, ohne dabei einen Schwerpunktauf Erfahrungen beim Internet„surfen“ zu legen.6 Zu An-fang des neuen Jahrzehnts wurden dann einfach handhab-bare Software-Programme zur Erstellung von Weblogsverfügbar, was das Onlinepublizieren stark erleichterteund kostengünstig machte: Programmierfähigkeiten fie-len als Voraussetzung weg und jeder mit Internetzugangkonnte ohne großen Aufwand seine eigene, ständig aktua-lisierte Website betreiben. Die Erstellung von Weblogserfolgt also nicht mehr über ein spezifisches Webdesign-Programm, sondern die Bearbeitung von Texten und Bil-dern kann direkt im Browser vorgenommen werden.

Während einige Blogs – und insbesondere politische –auf große Resonanz stoßen, existiert eine Vielzahl vonanderen Blogs, die – wenn überhaupt – nur „Mikroöffent-lichkeiten“ erreichen. Inhalte und Zwecke von Weblogssind dabei sehr unterschiedlich und reichen von im We-sentlichen rein privaten Tagebüchern über Hobbyseitenund politische Blogs – auch von traditionellen Medienan-bietern bzw. bei ihnen angestellter Journalisten – bis hinzu Weblogs, die von Unternehmen oder wissenschaftli-chen Einrichtungen für die professionelle Kommunika-tion betrieben werden. Die letztgenannten Weblogs sindhäufig kollaborative Formate, bei denen kein einzelnerBlogger der Anbieter ist, sondern es sich um gemeinsaminhaltlich erstellte Websites handelt. Die Grenzen zu an-deren kollaborativen Internetformaten (Kap. V.1) sindfließend. Zumeist werden unter „Weblogs“ aber die An-gebote von Einzelpersonen verstanden.

Viele Weblogs bieten die Option, die Beiträge des Anbie-ters zu kommentieren sowie Kommentare zu denKommentaren anderer Leser zu senden, wodurch sie In-teraktivität zwischen den Lesern und Many-to-Many-Kommunikation ermöglichen. Hinsichtlich ihrer Bedeu-tung für die Netzöffentlichkeit ist zudem relevant, dass inder Bloggerszene selbst – aber z. B. auch durch wissen-schaftliche Einrichtungen – verschiedene Möglichkeitender Beobachtung der aktuellen Entwicklungen in der„Blogosphäre“ angeboten werden, z. B. statistische An-gaben zur jeweiligen Verbreitung bestimmter Beiträge.

Weblogs werden anscheinend, zumindest in den USA(Rainie 2005), vorwiegend von erfahrenen Internetnut-

zern betrieben. Zudem sind die üblichen demographi-schen Charakteristika der Netzpopulation auch in der„Blogosphäre“ festzustellen, auch wenn es hier Anzei-chen für eine Veränderung gibt. Auffällig ist aber, dass– trotz eines gewissen Aufmerksamkeitszuwachses fürdas Phänomen in den High-Quality-Massenmedien –Blogs unter Internetnutzern noch immer wenig bekanntsind.

Im Bereich der politischen Internetnutzung spielenWeblogs eine nicht unerhebliche Rolle (Kap. IV u. V),insbesondere in den USA, aber auch in einigen asiati-schen und europäischen Ländern.

3. Entwicklung von Nutzung und Nutzungsweisen

Von 2003 bis 2004 wurde ein deutlich nachlassendesWachstum bei der Ausbreitung des Internets festgestellt,wobei aber zu beachten ist, dass das starke Wachstum zu-vor vor allem durch die gestiegene Popularität von On-lineshopping, Onlineauktionen (eBay) und Preisverglei-chen im Netz verursacht war (dazu und zum Folgendenvan Eimeren et al. 2004). Bei einer Befragung von über13-Jährigen im Jahr 2004 gab gut die Hälfte an, das Inter-net in den letzten vier Wochen genutzt zu haben. Zu-gangsbarrieren für die meisten „Offliner“ blieben weiter-hin mangelnde Kenntnisse im Umgang mit PC undSoftware sowie die Anschaffungs- und Folgekosten, vieleNichtnutzer sehen aber auch keinen Mehrwert gegenübertraditionellen Medien. Bei den Nachzüglern, die erst indiesem Jahrzehnt – und vornehmlich nicht aus beruflicherNotwendigkeit – mit der Internetnutzung begonnen ha-ben, stellt man häufig ein Gefühl der Überforderung fest.Durch die Ausbreitung des Internets hat sich „ein gravie-render Strukturwandel vollzogen – von den experimen-tierfreudigen Internetpionieren, die die Möglichkeiten desNetzes in seiner vollen Breite ausschöpfen, hin zu derüberwiegenden Zahl an Nutzern, die ihre wenigen, für sierelevanten Websites gefunden haben […]“ (van Eimerenet al. 2004, S. 355). Die aktive Suche nach neuen Web-sites findet demnach „vornehmlich nur noch in denjeni-gen Gruppen statt, für die das Internet zum ‘virtuellen Le-bensraum’ und zum zentralen Medienangebot gewordenist“ (van Eimeren et al. 2004, S. 355).

Bei den Inhalten steht die tagesaktuelle Information ander Spitze. 46 Prozent der Nutzer greifen mehr oder weni-ger regelmäßig darauf zu – vor Freizeit-, Produkt- undRatgeberinformationen (van Eimeren et al. 2004; s. a.Kap. VI). Von herausragender Bedeutung für die Popula-rität des Netzes ist auch die persönliche Kommunikationper E-Mail.

Mit der fortschreitenden Diffusion des Internets entwi-ckeln sich zugleich neue soziokulturelle (einschließlichpolitische) Kommunikations- und Handlungsmuster, diezu einer Ausdifferenzierung der „Nutzertypen“ und derenjeweiligen Nutzungsweisen führen. Zur Erfassung diffe-renter Nutzungsmuster gibt es seitens der damit befasstenWissenschaften unterschiedliche Angebote. Es kann da-von ausgegangen werden, dass allein am Umfang und amInhalt der Internetnutzung ausgerichtete Mediennutzerty-

6 Dabei kam es auch zu literarischen Experimenten, bei denen dieseNetzöffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit der Rezeption mas-senmedialer und alltäglicher Diskurse genutzt wurde (z. B. Goetz2003).

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pologien nicht ausreichend sind. In anderen Mediennut-zungstypologien wird nicht nur versucht, die Internetnut-zung bestehenden Modellen sozialer Schichtung undGruppierung (Milieus) zuzuordnen, sondern es wird auchdie Perspektive der verschiedenen sozialen Kontexte zumAusgangspunkt der Analyse alltäglicher Aneignung derTechnik genommen (hierzu und zum Folgenden Schön-berger 2004a). Frühe Klassifikationsversuche der Inter-netnutzung unterschieden beispielsweise zwischen Nut-zern, die das Internet überwiegend als Werkzeugverstehen, und denjenigen, die das Internet als Kultur-und Lebensraum begreifen, indem sie „sich für Netzbe-lange einsetzen, netzspezifische Ausdrucksformen undTraditionen pflegen, mehr netzvermittelte Kontakte un-terhalten und insgesamt über ein größeres Internet-bezo-genes Wissen verfügen“ (Döring 2003a, S. 180). Einesolche Unterscheidung war für die Phase der „Binnendif-ferenzierung“, der Diffusion des Internets durchaus sinn-voll, weil die hier beschriebene Netzkultur für sich ge-nommen eine hervorgehobene Bedeutung hatte. Nach der„universellen Öffnung“ des Internets und angesichts derTendenzen zu einer „globalen Öffentlichkeit“ (vgl.Kubicek et al. 1997) im Netz erscheint eine solche Klassi-fikation heutzutage aber nur noch wenig aufschlussreich.Die Anknüpfung an das Konzept „alltäglicher Lebensfüh-rung“ erscheint hier sinnvoll, „denn wie auch immer dieIndividuen ein Medium in ihren Alltag einpassen, sie tundies nicht frei, sie sind gebunden (wenn auch nicht immerin einem determinierenden Sinn) an objektive Verhält-nisse, sozio-kulturelle Normen, ihre Lebensformen undden Imperativ, diese mehr oder minder eigenständig zuintegrieren“ (Berker 1999, S. 11).

Ein Medium hat nur dann Aussicht auf Verbreitung, wennes sich in einer Gesellschaft in das System der „alltägli-chen Lebensführung“ von vielen Menschen einpassenkann (Kubicek et al. 1997). Dies ist zunächst abhängigvon der Funktion (Brauchbarkeit) eines Mediums. Da-rüber hinaus prägen Medien, die sich als soziales Verhält-nis durchgesetzt haben, wiederum die jeweilige „alltägli-che Lebensführung“. Erst dieser Blick auf dieLebensbedingungen, die Einstellungen und die Lebens-formen erklären die empirisch feststellbare unterschiedli-che Nutzung (Schönberger 2000a u. b, 2003). Dabei sindes auch hier weniger die klassischen Stratifikationen(z. B. Geschlecht, Alter), sondern vielmehr die Lebens-führungskonzepte, die die Unterschiede in der Intensitätund der Art der Nutzung erklären helfen sollen. Die Nut-zungspraxis derjenigen, die Arbeit und Freizeit zeitlich,räumlich oder inhaltlich nicht (mehr) trennen könnenoder wollen, unterscheidet sich von denjenigen, die nochweitgehend im „traditionellen“ Sinn arbeiten und leben(Berker 1999; Schönberger 2000a).

Auch für netzbasierte politische Kommunikation sinddiese Nutzertypologien bedeutsam, da beim Design undbei der Bekanntmachung der unterschiedlichen Informa-tions-, Kommunikations- und Partizipationsangebote dasspezifische „Netzverhalten“ verschiedener gesellschaftli-cher Zielgruppen von besonderem Interesse ist. Beispiel-haft lässt sich dies anhand der Ergebnisse der „ARD/ZDF-Onlinestudien“ (vgl. zuletzt van Eimeren et al.

2004; s. a. Schönberger 2004a; TAB 2001) zeigen. In die-sen wurden unterschieden (van Eimeren et al. 2004):

– Junge Wilde

– Erlebnisorientierte

– Leistungsorientierte

– Neue Kulturorientierte

– Unauffällige

– Aufgeschlossene

– Häusliche

– Klassisch Kulturorientierte

– Zurückgezogene

Bemerkenswert erscheint, dass die „Klassisch Kultur-orientierten“ – also ein kulturell und politisch stark inte-ressierter, traditionelle Medien intensiv nutzender Teil derBevölkerung – weiterhin unterdurchschnittliche Nutzer-raten aufweist. Diese Nutzer hegen oft Zweifel daran,dass das Internet die gesellschaftliche und individuelleWeiterentwicklung fördert.

Für die Onlinenutzertypen der „Jungen Hyperaktiven“(7 Prozent aller Nutzer) und für die „Routinierten Info-nutzer“, die weitgehend von den Erlebnis- und denLeistungsorientierten gebildet werden (17 Prozent allerNutzer), ist das Internet hingegen zum „virtuellen Le-bensraum“ bzw. zum zentralen Medienangebot gewor-den. Nur in diesen Gruppen wird in hohem Maß die Be-reitschaft bekundet, neue Webangebote aufzusuchen undausgiebig zu surfen. Ein deutlicher Trend der letztenJahre ist zudem die – relativ gesehen – abnehmende At-traktivität der interaktiven Möglichkeiten des Internets(Newsgroups, Chats, Foren, Onlinespiele). Mindestenseinmal wöchentlich wurden Foren, Chats oder News-groups von 16 Prozent aller über 14-Jährigen Internetnut-zer genutzt. (2002 waren es 23 Prozent, 2003 noch18 Prozent.) Die 14- bis 19-Jährigen sind hier deutlich amaktivsten: Gesprächsforen, Newsgroups und – vermutlichvor allem – Chats wurden von dieser Altersgruppe relativstark genutzt, insgesamt von ca. 45 Prozent mindestenseinmal wöchentlich.

Jugendliche Nutzer bildeten auch die Hauptbasis für deninsgesamt starken Bedeutungszuwachs von Computer-spielen, wobei Onlinespiele von besonderer Bedeutungsind. Ökonomisch sind Computerspiele allgemein seitJahren von schnell wachsender Relevanz, wobei die Ver-besserung der Onlinespielmöglichkeiten durch die Diffu-sion von breitbandigen Übertragungstechniken zu demAnfang dieses Jahrzehnts prognostizierten (vgl. z. B.TAB 2001) Wachstumsschub geführt hat. Verbreitet ha-ben sich – insbesondere von Südkorea aus – zudem sozio-kulturelle Erweiterungen der reinen Spielpraxis, die vonder Industrie gefördert in diesem Jahrzehnt u. a. zur Eta-blierung der so genannten „E-Sports“ geführt haben, beidenen u. a. auch Offlineturniere (auch mit TV-Übertra-gungen) und Sponsoring stattfinden. Im politischen Be-reich spielen Computerspiele ebenfalls eine gewisseRolle, u. a. didaktische Spiele, die auf staatlichen

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Webangeboten an Jugendliche häufiger zu finden sind,oder durch Politiksimulationen wie z. B. www.dol2day.com.

Für die Gestaltung politischer Onlinediskussionsangebotelässt sich aus dem Gesagten folgern, dass diese am ehes-ten bei Jugendlichen und anderen sehr aktiven Internet-nutzern auf Interesse stoßen dürften. Auch wenn hierselbstverständlich das Thema des Diskussionsangebotsvon zentraler Bedeutung ist, müsste demnach beim in-haltlichen Design, der Bekanntmachung und Betreuungvon solchen Angeboten der Bedeutung und den Beson-derheiten dieser Zielgruppen Rechnung getragen werden(vgl. Kap. IV). Dabei ist hinsichtlich der jungen Nutzerallerdings zu bedenken, dass es sich bei der Rede von„der Internetgeneration“ um ein Klischee handelt, zumin-dest insoweit man dabei Unterschiede innerhalb dieserAltersgruppen (z. B. in Bezug auf soziale Herkunft, Bil-dung und Medienkompetenzen) ausblendet (Iske et al.2004). Zudem wären – auch bezüglich des Typus des„Routinierten Infonutzers“ – die hohen Erwartungen zuberücksichtigen, die viele Nutzer in Bezug auf staatlicheOnlineinformationsangebote hegen.

Ungeachtet der Bedeutung der stark internetaffinen Nutz-ergruppen müssten viele staatliche Webangebote aller-dings (zur Abmilderung der Folgen „digitaler Spaltun-gen“) gerade auch so angelegt sein und beworbenwerden, dass nicht nur diese Nutzergruppen in relevan-tem Ausmaß auf sie zugreifen.

4. Netzbasierte Kommunikation und kultureller Wandel

Mit der Metapher der Netzwerkgesellschaft beschreibtManuel Castells die charakteristische Gesellschaftsstruk-tur des Informationszeitalters, die insbesondere durch dieEntwicklung der Mikroelektronik, Globalisierung und In-dividualisierung befördert wird. „Netzwerke bilden dieneue soziale Morphologie unserer Gesellschaften, und dieVerbreitung der Vernetzungslogik verändert die Funk-tionsweise und die Ergebnisse von Prozessen der Produk-tion, Erfahrung, Macht und Kultur wesentlich“ (Castells2001a, S. 527). Dabei sind Netzwerke keine grund-sätzlich neue Form sozialer Organisation, neu sind dieInformationsnetzwerke, die sich auf neue Informa-tionstechnologien stützen (Castells 2001b). Angesichtsexpandierender computergestützter Kommunikation stelltsich zunächst die Frage nach sich ändernden Kommuni-kationsformen, sodann, weitergehend, nach neuen Mög-lichkeiten und Bedingungen für das individuelle wie kol-lektive Handeln. Im Fokus steht somit das Verhältnis vontechnischen Nutzungspotenzialen und kulturellen Nut-zungskontexten.

Kultur wird durch die Nutzung des Internets und seinerDienste unterschiedlich tangiert, vor allem aber in folgen-den Richtungen (s. a. TAB 2001):

– Es verändert sich Kultur im engeren Sinn, z. B. in denBereichen Buchproduktion und -vertrieb, Literatur-rezeption und Tonträgernutzung.

– Es sind neuartige Möglichkeiten zur Bewahrung deskulturellen Erbes („kulturelles Gedächtnis“) entstan-den, z. B. auch durch Multimedia-Nutzung sowie digi-tale Bearbeitungstechniken.

– Alltagskur und die Arbeitswelt werden verändert, dadurch das Netz Inhalte, Strukturen und Abläufe in Er-werbsarbeit wie Freizeit tangiert werden. Das gleichegilt für Lebensstile, Verhaltensweisen und Wertvor-stellungen.

– Schließlich führt die Nutzung des Internets zur „Ein-übung“ neuer, netzbasierter Kulturtechniken (etwadurch die Gleichstellung von eigenhändiger Unter-schrift und digitaler Signatur) und kann zum „Verlust“tradierter Kulturtechniken führen (z. B. durch die sogenannte „neue Oralität“).

Diese kulturellen Wandlungsprozesse haben erst vor rela-tiv kurzer Zeit begonnen, werden aber aller Voraussichtnach lebensweltliche, alltägliche Kommunikations- undHandlungszusammenhänge weiter verändern. Viele Aus-wirkungen, die die technische Differenz zwischen Off-line- und Onlinebereich hat, sind nur als Frage oder Ver-mutung formulierbar, vor allem, was generalisierte, starkverallgemeinerte Aussagen betrifft. Weitreichende Poten-ziale und Auswirkungen netzbasierter Kommunikationwerden angenommen hinsichtlich

– neuer Formen der politischen und kulturellen Kommu-nikation, Interaktion und Kooperation;

– neuer Möglichkeiten des Erlangens, des Austauschsund der Archivierung von Wissen;

– der Rolle der Massenmedien und der Strukturen politi-scher Öffentlichkeit sowie

– der Möglichkeiten kultureller Vernetzung, des inter-kulturellen Dialogs und transnationaler Kommunika-tion.

Zu den möglichen gesellschaftlichen Folgen der Entwick-lung finden sich in der wissenschaftlichen und gesell-schaftlichen Diskussion oft recht weitgehende positivewie negative Vorstellungen bis hin zu utopischen unddystopischen Zukunftsprognosen. Solche Vorstellungenberuhen vielfach auf Extrapolationen auf der Basis tech-nischer Entwicklungstrends und unterschätzen das sozialewie kulturelle Beharrungsvermögen bzw. die Möglichkei-ten steuernder Einflussnahme auf die gesellschaftlicheImplementierung der technischen Potenziale (etwa überpolitische und ökonomische „Rahmungen“, Lernpro-zesse, Folgenabschätzungen usw.).

In den folgenden Abschnitten wird nun kurz auf einige– auch politisch – relevante Aspekte des kulturellen Wan-dels unter Einfluss des Internets eingegangen. Diese Aus-führungen dienen als Hintergrund der anschließendenAnalyse der Potenziale und Entwicklungen im Bereichder politischen Internetnutzung.

Kultur und TechnikBei der inhaltlichen Bestimmung dessen, was unter „Kul-tur“ zu verstehen sei, ist man – auch in der Diskussion

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über das Internet – mit der historischen wie aktuellenVielfalt von Kulturverständnissen konfrontiert (TAB 2001).Diese Konzepte sind insgesamt nicht „restlos“ ineinanderüberführbar – es „gibt daher weder ‘das’ allgemein ak-zeptierte Verständnis von Kultur noch ‘die’ Kulturtheo-rie“ (Panther/Nutzinger 2004, S. 289). Die vielfältigenFacetten der Debatte über Kultur und Kulturtheorien kön-nen hier nicht nachgezeichnet werden (s. a. TAB 2001;Siedschlag 2004). Für die Zwecke dieser Untersuchungreicht es aus, von einem hinreichend breiten und weitge-hend akzeptierten Kulturverständnis auszugehen.

Kultur kann als das Ergebnis menschlicher Lebens- undDaseinsbewältigung in einer Handlungs- und Kommuni-kationsgemeinschaft angesehen werden: Unter Kulturwird dann z. B. „die Gesamtheit der bewussten und unbe-wussten Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmustersowie deren Vergegenständlichung verstanden, die vonMenschen als Mitglieder einer Gemeinschaft sozial er-worben und tradiert werden und eine spezifische, ab-grenzbare Eigenschaft dieser Gemeinschaft bilden“ (Her-meking 2001, S. 18). Allerdings sollte Kultur dabei nicht– wie noch vor einigen Jahrzehnten weithin üblich – alslatente Systemstruktur oder als normativer Kontext desHandelns aufgefasst werden, sondern als Ausdruck desständigen Wandels der Alltagswelt (Siedschlag 2004).Die neuere Kulturtheorie betont mehrheitlich das Mo-ment des Wandels und hat sich auch verstärkt kulturellenDifferenzen innerhalb von Nationalkulturen oder überge-ordneten „Kulturkreisen“ zugewandt (TAB 2001), unterbesonderer Berücksichtigung neuer Formen kulturellerVergemeinschaftung und Assoziation, die zum Teil – wiez. B. einige Jugendkulturen – eher flüchtige Gebilde dar-stellen können.

Kulturelle Gemeinschaften können somit auf verschiede-nen Ebenen bestehen: auf transnationaler, nationaler oderregionaler Ebene, aber auch innerhalb bestimmter Teil-bereiche der Gesellschaft (z. B. politische Kultur), be-stimmter Bevölkerungsgruppen (z. B. historische Arbei-terkulturen und Jugendkulturen), innerhalb bestimmterOrganisationen (z. B. Unternehmenskulturen) oder auchbezogen auf spezifische kulturelle Praktiken (z. B. Fan-kulturen). Zum Teil können diese Kulturen hierarchischund geographisch geordnet werden – wie z. B. die deut-sche Kultur als Teil der „abendländischen“ Kultur, diedeutsche politische Kultur als Teil der deutschen Kulturoder Regionalkulturen als Teil der nationalen Kultur.Auch die Kulturen (oder in älterer Terminologie: „Sub-kulturen“) bestimmter Bevölkerungsgruppen können alsTeile übergeordneter kultureller Gemeinschaften begrif-fen werden. Dagegen sind einige traditionelle Kulturen(z. B. sorbische Kultur in Deutschland) und – insbeson-dere durch die Medienentwicklung befördert – vieleneuartige Kulturen (z. B. zahlreiche Jugendkulturen)transnational ausgerichtet und entziehen sich daher her-kömmlichen, an der Geographie und Staatsgrenzen orien-tierten Versuchen kulturtheoretischer Klassifizierung.Kulturelle Traditionen und Entwicklungen dieser Art sind– zusammen mit den durch Migration entstandenen neuenDiaspora- und Hybridkulturen (z. B. Kultur türkischstäm-miger Menschen, die in Deutschland geboren sind) –

wichtige empirische Bezugspunkte neuerer Kulturtheo-rien, in denen ältere Konzepte einer im Kern unveränder-lichen (nationalen) Kultur kritisiert werden. Eine wich-tige Strömung innerhalb dieser neuen Kulturtheorien (vorallem in den „Cultural Studies“) betont dabei stark dieBedeutung der individuellen Aneignungsweisen von Kul-tur und neuer Möglichkeiten der Individuen zur Schaf-fung ihrer kulturellen Identität bzw. Identitäten (z. B.Winter 2001; s. a. TAB 2001 u. kritisch Siedschlag 2004).Auch wenn hier zwischen den verschiedenen wissen-schaftlichen Disziplinen Unterschiede bestehen, kanneine starke Tendenz zur kulturtheoretischen Wiederbesin-nung auf die Rolle des Individuums konstatiert werden –wobei aber dessen Sozialität keineswegs ausgeblendetwird.

Ungeachtet der Frage der Kultur tragenden Akteure kannKultur aufgefasst werden als die Gesamtheit habituali-sierter, alltäglicher Handlungsrepertoires und -strategien(einschließlich der Kommunikationspraktiken) sowie dervergegenständlichten Artefakte (dazu schon Kroeber/Kluckhohn 1952) – etwa in Form technischer Sachsys-teme, mit denen das Leben gestaltet wird. Unterstellt wirdhier eine immanente Wechselwirkung zwischen der Habi-tualisierung von Handlungsrepertoires und Strategien ei-nerseits und der Vergegenständlichung von technischenSachsystemen andererseits (s. a. Schönberger 2004a): Dievon gesellschaftlichen Akteuren entwickelten und prakti-zierten Kommunikationsformen werden durch neue tech-nische Angebote in ihrem jeweiligen kulturellen Kontexterprobt, restrukturiert und modifiziert; diese wiederumwirken auf Generierung, Design und Diffusion techni-scher Angebote zurück. Auch im Zusammenhang mitComputernetzen ist es sinnvoll, von soziotechnischenSystemen zu sprechen: Die Nutzer „konstruieren“ durchihre habitualisierten und tradierten Weisen des Medienge-brauchs das, was ein Medium jeweils tatsächlich (undnicht nur der Möglichkeit nach) ist und wie es in den All-tag eingebunden wird. So wird E-Mail gleichsam auch als„beschleunigter Brief“ genutzt, bei dem räumlich ge-trennte Arbeitschritte (wie z. B. der Gang zur Post) durchAktivitäten am Computer ersetzt werden, wobei dannaber auch der eigene „virtuelle Briefkasten“ oft mit Wer-bung („Spam“) verstopft ist.

Neue Medien werden durch die gegenwärtige Kulturgeformt. Die sozialen Bedingungen beeinflussen die Ge-staltung, die Einführung und den Gebrauch der neuenTechnologien. Umgekehrt wirken die technischen Gege-benheiten ihrerseits auf die kulturellen Handlungs- undNutzungsmuster und verändern sie. Keine Technologiehat also (nur) universelle, (nur) ihr inhärente Effekte. Diesozialkulturellen Rahmenbedingungen wirken auf die Er-gebnisse an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmtenZeit. Auch wenn davon gesprochen wird, dass sich imweltweiten Fluss von Informationen Raum- und Zeitgren-zen verflüssigen (TAB 2001), so sind diese dochweiterhin von Bedeutung: Menschen interpretieren die„globalen Botschaften“ vor dem Hintergrund ihressoziohistorischen und -kulturellen Kontextes. Lokale Be-dingungen bleiben somit, auch wo sie sich durch Glo-balisierungsprozesse rapide verändern, relevant für die

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Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsmustervon Individuen und kulturellen Gemeinschaften „vorOrt“.

Es sind folglich nicht nur finanzielle, sondern auch kultu-relle Barrieren, die die uneingeschränkte Teilnahme vie-ler Personen an den neuen Kommunikationstechnologienbe- bzw. verhindern können. Die Realisierung von Struk-turen und Verfahren der „E-Demokratie“ (Kap. III u. IV)z. B. ist deshalb nicht nur abhängig vom technologischenFortschritt, sondern auch von einem tief greifenden kultu-rellen Wandel: Dem einzelnen Bürger muss ganz bewussteine aktive Rolle in politischen Prozessen zugewiesenwerden – auch im digitalen Raum. Auch die politischeKultur, wie sie sich in den Institutionen niederschlägt, be-darf der Veränderung, wenn eine Belebung der Demokra-tie durch netzbasierte Kommunikation gelingen soll.

Bei den in diesem Bericht interessierenden Veränderun-gen in der politischen Kommunikation handelt es sichalso nicht um unmittelbar technisch bewirkte Wandlungs-prozesse, sondern um Prozesse, die Potenziale für ein ver-ändertes Handeln und Kommunizieren der Menschen, fürveränderte soziale und kulturelle Praxen herstellen unddamit insgesamt eine andere Konstitution sozialer undkultureller Wirklichkeit in Gang setzen (können). Nach-zugehen ist den Fragen, (a) wie sich in den unterschiedli-chen Internetangeboten sowohl neue als auch traditionelleHandlungsmuster verbinden, und (b) wo und wie sichganz neue kulturelle oder soziale Praktiken finden, dietendenziell erweiterte Partizipations- und Gestaltungs-möglichkeiten oder ganz neue Formen politischer Öffent-lichkeit erlauben.

Netznutzung zwischen Beständigkeit und Wandel

Als Ausgangspunkt dient hier die These, dass die neuenKommunikationstechnologien des Internets nicht nur zurBildung neuer Kommunikationsformen, kultureller Mus-ter, sozialer Beziehungen und Netzwerke führen werden,sondern vorhandene soziale und kulturelle Verhältnisseauch ergänzen, unterstützen und transformieren (hierzuund zum Folgenden Schönberger 2004a). Der sich voll-ziehende Wandel schließt sowohl die Anpassung beste-hender kultureller und sozialer Praktiken als auch derenIntensivierung und Erweiterung im und mittels des Inter-nets ein. Auch für das Internet gilt, dass sich die Nut-zungsformen neuer Technologien nur bedingt prognosti-zieren oder gar planen lassen: Gerade beim auf vielfältigeWeise nutzbaren Internet werden die Nutzungsformenund damit die gesellschaftlichen Auswirkungen wesent-lich durch die konkrete Praxis der Anwendungen mitge-prägt. Im Gebrauch von netzbasierter Kommunika-tionstechnik ist von zwei die Integration technischerMöglichkeiten in die Alltagspraxis bestimmenden Hand-lungsmustern auszugehen: Beharrung und Beständigkeit(Persistenz) einerseits und Weiterentwicklung und Wan-del andererseits.

Von Beständigkeit oder Persistenz kann dann gesprochenwerden, wenn sich die dominanten Gebrauchsweisen ent-lang bekannter und offline eingeübter Kommunikations-und Handlungsmuster vollziehen (Schönberger 2004a).

Netzbasierte Kommunikation geht in diesen – mituntersehr differenzierten Nutzergruppen – mit der Übernahme,Reproduktion und Verdoppelung von Verhaltensweisenaus dem „real life“ einher. Deshalb bedeutet beispiels-weise die (technische) Möglichkeit, andere Personen undInhalte mittels netzbasierter Kommunikation kennen zulernen, nicht, dass sich dies in allen gesellschaftlichenNutzergruppen zu einem ubiquitären Kommunikations-und Handlungsmuster verdichtet.

Dies verweist darauf, dass ein neues medientechnischesArtefakt nicht automatisch eine veränderte Alltagspraxisoder eine Erweiterung des sozialen Nahbereichs „be-wirkt“, auch wenn seine technische Struktur ein anderesHandeln nahe legt. Hier zeigt sich vielmehr ein „culturallag“ zwischen dem softwaretechnisch gegebenen (sozia-len) Potenzial und der tatsächlichen Nutzung. Dieser„cultural lag“ ist dabei nur zu einem Teil eine Folge vongeringer technischer Medienkompetenz. Entscheidend fürdie Art des Gebrauchs netzbasierter Kommunikation, alsobeispielsweise dafür, ob die lokale bzw. persönliche Off-linelebenswelt erweitert oder überschritten wird, sindnicht nur sozialstrukturelle Faktoren. Mindestens genausowichtig sind die (Selbst-)Positionierung von Nutzern inbestehenden sozialen Netzwerken sowie Lebensstile undsozialer Habitus, die eine entsprechende Nutzung netzba-sierter Kommunikation als subjektiv sinnvoll erscheinenlassen. Hierbei kommt es insbesondere auf die jeweiligeBedeutung von Arbeit, Freizeit, Partnerschaft und Fami-lie für die personale Identität und Lebensführung an.

Der Blick auf die Rezeption der Medieninhalte im Inter-net ergibt starke Indizien für Tendenzen der Beharrungvon bestehenden Kommunikations- und Handlungsmus-tern. Die Verfügbarkeit von Informationen hat sich zwarprinzipiell erheblich erweitert, doch bedarf es zu derenNutzung angemessener Strategien des Wissensmanage-ments, die ein Mindestmaß an Begriffsbildung, Abstrak-tionsvermögen und an kommunikativen Kompetenzen er-fordern, die (noch) nicht als etablierte Kulturtechnikenvorausgesetzt werden können. Das Netz bietet eine solcheFülle an Informationen, dass das Sichten, Gewichten undFiltern von Informationen als basale Kulturtechniken im-mer größere Bedeutung gewinnen werden.

Das Internet eröffnet zwar medientechnisch einen neuenHorizont. Eine Vielfalt an Informationsquellen und Kom-munikationsmöglichkeiten ist erschließbar. Eine solcheHorizonterweiterung setzt aber mehr als die Verfügbar-keit technischer Medien voraus. Erst wenn sich wesentli-che soziale und kulturelle Rahmenbedingungen einesNutzers ändern (vom verfügbaren Zeitbudget über das so-ziale Umfeld bis hin zu Lebensstilen und Identitäten)steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch die habitua-lisierten Formen der Medienwahl und Mediennutzung än-dern.

Die Analyse gegenwärtiger Nutzungsweisen des Internetszeigt, dass die anfänglichen Erwartungen hinsichtlichsich rasch und umfassend wandelnder kommunikativerPraxen überzogen waren. Genauso wenig ist es aber zu-treffend, keinen Wandel anzunehmen. Das Neue bestehtvor allem darin, dass Information, Kommunikation und

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Partizipation vielfach einfacher, schneller und kosten-günstiger möglich sind. Auch wenn es sich hier zunächstvor allem „nur um quantitative Größen handelt, so istdoch davon auszugehen, dass die Zunahme dieser Quanti-täten in eine neue Qualität umschlagen kann. Von wesent-licher Bedeutung ist dabei, dass die Vernetzung von Per-sonen im Sinne von Gemeinschaft nicht nur – wiebislang – dort erfolgt, wo diese real zusammenkommen,sondern überall dort möglich ist, wo sie sich „einloggen“bzw. dort, wo sie Nachrichten empfangen bzw. sendenkönnen.

So haben etwa der gegenseitige Austausch und die Unter-stützung in gesundheitlichen Selbsthilfegruppen über dasInternet großen Auftrieb erhalten, da sich neuartige Kom-munikations- und Vernetzungsmöglichkeiten bieten. Dienetzbasierte Kommunikation trägt hier zur Bildung einerGemeinschaft bei, in der Rat- oder Hilfesuchende An-schluss finden können. Die in solchen Selbsthilfe-Web-sites verfügbaren Informationen über Beratungsangeboteund Behandlungsmöglichkeiten gibt es für die meistenNutzer außerhalb des Netzes in ihrer unmittelbaren sozia-len Umgebung zunächst nicht. Hier konstituiert sich einesoziale Praxis auf der Grundlage des Internets tatsächlichneu.

5. Potenziale und Realität der Internet-nutzung

Zum Abschluss dieses Kapitels sei auf einige Aspekte derInternetnutzung hingewiesen, die hinsichtlich der Bewer-tung der politischen Bedeutung netzbasierter Kommuni-kation besonders relevant erscheinen:

– Über die den traditionellen Medien entsprechendenFormen der One-to-many-Kommunikation und derOne-to-one-Kommunikation hinaus eröffnet die Inter-netkommunikation Interaktionsmöglichkeiten in derWeise, dass auch von der herkömmlichen Nachfrager-oder Rezipientenseite aus Inhalte und Informationenbereit gestellt werden können. Über diese beiden tradi-tionellen Modelle hinausgehend ermöglicht das Inter-net die allseitige öffentliche Kommunikation mehrererPartner (many to many) in großem Umfang. In diesemZusammenhang sind die unterschiedlichen Spezifikader verschiedenen Internetdienste und -anwendungenzu berücksichtigen.

– Die Nutzungspraxis zeigt, dass computervermittelteKommunikation durchaus anspruchsvoll und voraus-setzungsreich ist. Insofern ist es wichtig, nicht nur dieMöglichkeiten netzbasierter Kommunikation, son-dern auch deren Grenzen, die Bedingungen ihrer Nut-zung sowie die Spezifika der verschiedenen Nutzer-gruppen zu kennen. Ein genereller, durchgängigerWandel der Kommunikationsmuster durch netzba-sierte Kommunikation kann nicht festgestellt werden,vieles verbleibt nach wie vor in den tradierten Struktu-ren: „Mehr als die Hälfte aller Internetnutzer weist einsehr eingeschränktes Nutzungsspektrum auf, was […]auch auf die bewusste Distanz zu dem Medium zu-rückzuführen ist. Die technisch Versierten, die das In-ternet in vollem Umfang nutzen, stellen innerhalb der

Internetcommunity eine zwar meinungsstarke Gruppe,aber doch eine Minderheit dar“ (van Eimeren et al.2004, S. 369).

– Netzbasierte Kommunikation als technische Neuerungkann nicht losgelöst von der umfassenden Kulturent-wicklung gesehen werden. Die Veränderungen dermodernen Lebensführung sind vielfältig. Sie habenihre Ursache nicht in der Entstehung neuer technischerArtefakte. Vielmehr ist es ein komplexer Mix aus so-zialen, kulturellen und technischen Faktoren, der je-weils Veränderungen bewirkt oder verhindert, auch impolitischen Bereich. Netzbasierte Kommunikation istsomit nur ein Faden im „Gewebe“ Kultur.

– Gleichwohl werden vom Internet gemeinhin (und seitlangem auch seitens der Politik) einige weitreichendeVeränderungen der Kulturentwicklung erwartet. ImKern steht dabei die Vorstellung, dass durch das Netzeine weltumspannende Infrastruktur für den schnellenInformationsaustausch und die Kommunikation überalle Grenzen hinweg entsteht. Daran werden auchHoffnungen auf einen neuen Kosmopolitismus festge-macht (vgl. Winter/Groinig 2004). Tatsächlich weisenForschungsergebnisse darauf hin, dass neben der Mi-gration und im Rahmen der allgemeinen Medienent-wicklung dem Netz eine wichtige Rolle in kulturellenGlobalisierungsprozessen zukommt (vgl. TAB 2001;Winter/Groinig 2004): Kontrovers diskutiert werdenhier u. a. Tendenzen kultureller Homogenisierung, Di-versifizierung und Hybridisierung. Zumindest poten-ziell ist das Netz auch von großer Bedeutung für poli-tische Globalisierungsprozesse, z. B. hinsichtlich derSchaffung transnationaler Öffentlichkeiten (wie derauf EU-Ebene angestrebten „europäischen Öffentlich-keit“).

– Kulturelle Veränderungen ergeben sich nicht automa-tisch durch neue technische Möglichkeiten, sondernsind von den Kompetenzen und dem Sinnverständnisder Nutzer abhängig. Wesentliche soziale und kultu-relle Wirkungszusammenhänge des Internets rührenweniger von seinen technischen Eigenschaften her,sondern von der Tatsache, dass Menschen es zu einemalltäglichen sozialen Interaktionsraum machen. Um-stritten ist hier z. B., ob netzbasierte Kommunikationzu einer Zunahme kommunikativen Aktivitäten insge-samt führt (Mobilisierungsthese) oder ob sich durchdie Nutzung des Internets vor allem die kommunikati-ven Aktivitäten derjenigen vermehren, die in ihremKommunikationsverhalten schon zuvor aktiver warenals andere (Verstärkungsthese).

– Das Internet verstärkt die Tendenz einer Differenzie-rung der Gesellschaft und der Kultur. Einzelne Grup-pen oder Gemeinschaften bilden eigene Kommunika-tions- und Informationsweisen oder Codes aus. Dabeiist anzunehmen, dass eine – wie auch immer geartete –Ausbildung von neuen Kommunikationsweisen undkulturellen Mustern an vorhandene Formen von Kom-munikation „andockt“. Der Zusammenhang von Inter-nettechnik und kulturellem Wandel lässt sich als län-gerfristiger Restrukturierungs- oder soziokultureller

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Lernprozess verstehen. Erst im Zeitverlauf stellt sichheraus, welche Kommunikationsweisen und d. h. auchNutzungsweisen des Netzes sich für welche Gruppie-rungen oder Teilöffentlichkeiten als neue kulturelleMuster festschreiben.

III. Demokratie und Internet – Zum Stand der Diskussion

Demokratie lebt von gelingender Kommunikation. Kom-munikationsbeziehungen zwischen politischen Funk-tionsträgern und Bürgern, zwischen Bürgern untereinanderoder zwischen Funktionsträgern und der (organisierten)Öffentlichkeit gehören zu den kulturellen Grundlagen derDemokratie. Wenn technische Entwicklungen Auswir-kungen auf gesellschaftliche Kommunikationskulturenhaben, sind sie daher von unmittelbarer Bedeutung für dieDemokratie. Das Internet ist ohne Zweifel eine der ge-genwärtig wichtigsten technischen Entwicklungen mitdem Potenzial zur Veränderung der kulturellen Grundla-gen demokratischer Politik.

Die Funktion des vorliegenden Kapitels im Gesamtzu-sammenhang dieser Studie besteht darin, die „großen Li-nien“ und die Themen der wissenschaftlichen und derpolitischen Diskussion zum Verhältnis von Demokratieund Internet nachzuzeichnen. Damit wird das theoreti-sche Feld abgesteckt und sichtbar gemacht, das den Hin-tergrund für die folgenden vertieften – und zum Teil em-pirischen – Untersuchungen bildet. Insbesondere wird dernormative Hintergrund der weitreichenden Erwartungenan eine positive Rolle des Internets in der Demokratiedargestellt. Dieser lässt sich in weiten Teilen als Wunschnach einer stärker deliberativen Demokratie beschreiben,zu deren Realisierung vom Internet wesentliche Beiträgeerwartet wurden (und teils noch werden). Das Leitbild derdeliberativen Demokratie ist einerseits durch demokratie-theoretische Arbeiten motiviert (vor allem von JürgenHabermas; vgl. z. B. Habermas 1992a); andererseits fin-den sich auch in vielen nationalen und internationalenpolitischen Dokumenten entsprechende Ansätze(Kap. IV).

Durch das vorliegende Kapitel werden also auf einertheoretischen Basis die Fragen präzisiert, die in den fol-genden Kapiteln beantwortet werden sollen – so generelldie Frage, ob, inwieweit und unter welchen Bedingungendie Hoffnungen auf Demokratiepotenziale des Internetsin der gesellschaftlichen Praxis anschlussfähig sind undsich reale Auswirkungen zeigen.

1. Internet und Politik – zwischen Aufbruch-stimmung und Ernüchterung

Die Bedeutung jeweils neuer Medien für politische Pro-zesse und öffentliche Kommunikation ist aus historischenAbläufen bekannt. Die Rolle, die Zeitungen als Massen-medien in der Ausbildung öffentlicher Meinung im19. Jahrhundert übernahmen, die Funktion des Rund-funks in der politischen Propaganda (vor allem des Drit-ten Reichs) und die Entwicklung des Fernsehens zu„dem“ gesellschaftlichen Massenmedium in den 1960er

und 1970er Jahren (so dass die Rede von der „Fernseh-Demokratie“ aufkam) – noch einmal verstärkt durch dieEinführung des Privatfernsehens in den 1980er Jahren –zeigen deutlich die Auswirkungen neuer Medientechni-ken auf politische Öffentlichkeit und Kultur. Dabei wur-den jeweils auch hohe Erwartungen hinsichtlich derPotenziale dieser Technologien für eine informierte,emanzipierte und aufgeklärte Demokratie gehegt, oftmalsmit direktdemokratischen Zielsetzungen. Die Beispielereichen hier von Bertolt Brechts Radiotheorie über dieHoffnungen auf eine Nutzung des Fernsehens und ande-rer neuer und alter Medientechnologien für eine Stärkungbürgerschaftlicher Partizipation und direktdemokratischerElemente bis hin zu frühen Hoffnungen auf eine „Compu-terdemokratie“ (hierzu und zum Folgenden Siedschlag2004).

In Zeiten, in denen das demokratische Regierungssystemin den westlichen Ländern so selbstverständlich gewor-den ist, dass darum nicht mehr gerungen werden muss,sondern in denen Stichworte wie Politikverdrossenheitund Wahlmüdigkeit Sorgen einer Aushöhlung der Demo-kratie „von innen“ artikulieren, scheint das Internet demdemokratischen System neue Chancen zu eröffnen. Ange-sichts der vielfachen Diagnose, dass das Interesse derBürger an politischen Themen zwar groß, an staatlicherPolitik und Parteien dagegen eher gering ist, liegt es nahe,Hoffnungen auf das Internet mit seinen neuen kommuni-kativen und interaktiven Potenzialen zu setzen. Hinsicht-lich des Ziels einer Revitalisierung der Demokratie wur-den schon in den 1990er Jahren (und werden noch) voninternetgestützter Kommunikation praktische Antwortenauf reale Probleme demokratischer Politik erwartet, so-wohl auf nationaler Ebene (Kap. III.2) als auch im trans-nationalen Bereich (Kap. III.4).

Die Erwartung, dass das Internet zu neuen Formen einesbasisdemokratischen politischen Aktivismus motiviereund den Austausch von Ideen erleichtere (z. B. Rheingold1993), wird als Mobilisierungsthese bezeichnet. Derleichter mögliche Informationszugang, vor allem aber dieeinfache und preisgünstige Interaktionsmöglichkeit vonBürgern mit der Regierung (citizen to government [C2G]und government to citizen [G2C]) und Bürgern unterei-nander (citizen to citizen [C2C]) sollte danach einen Mo-bilisierungsschub der Bürger in Fragen der politischenMeinungsbildung und Partizipation auslösen. Darüber hi-naus wurde, vor allem in der amerikanischen Diskussion,durch das Internet (mit dem Fokus auf der C2C-Kommu-nikation) ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung gemein-schaftlicher Belange erwartet, um den anhaltenden Ten-denzen zur gesellschaftlichen Zersplitterung entgegen zuwirken.

Die Vision einer neuen „Agora“, auf der die Bürger direktund gemeinsam ihre Belange regeln könnten, wurde raschauf das Internet übertragen, insbesondere durch den ehe-maligen US-Vizepräsidenten Al Gore. Auch von einemweltweiten Umschlagplatz für Ideen, dem „globalenDorf“, von dem in den 1960er Jahren bereits MarshallMcLuhan gesprochen hatte, und anderen Visionen einermedientechnologisch vermittelten Weltgesellschaft war

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oft die Rede (Coenen 2005; TAB 2001). Ein radikaler In-stitutionenwandel der Gesamtgesellschaft könne dieFolge dieser Entwicklungen sein. In der „virtuellen Ge-sellschaft“ mit der grenzenlosen Chance der Vernetzungkönnte demnach z. B. der traditionelle Nationalstaat zu-nehmend seine Machtmittel verlieren (Bühl 1997), Staa-ten würden praktisch überflüssig (Dyson 1999).

Diese ursprünglichen Erwartungen sehr weitreichenderFolgen der Internetnutzung für politische Kommunika-tion und Institutionen werden gegenwärtig kaum noch ge-teilt (Siedschlag 2004; Schönberger 2004a). Stattdessenwird betont, dass die neue Technik Internet nicht von sichaus neue demokratische Verhältnisse mit sich bringe, alsovon einem Technikdeterminismus auch hier nicht auszu-gehen sei. Das Internet müsse vielmehr allmählich gesell-schaftlich „erobert“ werden, und in diesem Aneignungs-prozess würden traditionelle gesellschaftliche Strukturen(Machtverhältnisse, Bildung, Wohlstandsgefälle) eine be-deutende Rolle spielen (Castells 2001a). Der Mobilisie-rungsthese wurde die These entgegengesetzt, dass das In-ternet nicht die politischen und staatsbürgerlichenDefizite behebe, sondern eher die in Staat und Gesell-schaft bereits angelegten Tendenzen, Strukturen und Mo-tivationen verstärke (Verstärkungsthese bzw. Reinforce-ment; vgl. Siedschlag 2004). Wer bereits ohne Internetüberdurchschnittlich gut sozial vernetzt, politisch enga-giert und aktiv ist, schöpft demnach auch die neuen Mög-lichkeiten des Internets aus; wer aber nicht politisch inte-ressiert ist, wird es auch durch das Internet nicht. Dementspricht in der allgemeinen wissenschaftlichen Diskus-sion eine – z. B. als „Reproduktionstheorem“ (Schaper-Rinkel 2003) bezeichnete – Position, die das Netz als das„virtuelle Abbild der Realwelt“ sieht. Dementsprechendschaffe das Internet unmittelbar weder neue Bürger nocheine lebendigere Demokratie. Wenn das Internet über-haupt tief greifende Auswirkungen auf politische Kultu-ren habe, dann nur vermittelt und allmählich. Ursprüng-liche Hoffnungen auf das Entstehen neuer, dezentralerund horizontaler Formen politischer Selbstorganisationund -steuerung durch Internetkommunikation gelten seiteinigen Jahren als enttäuschte Utopien (z. B. Margolis/Resnick 2001; Schmalz-Bruns 2001). Betont werdenPotenziale für die Modernisierung und Weiterentwick-lung repräsentativer Demokratie – im Gegensatz zu ei-nem fundamentalen Wandel (z. B. Gibson et al. 2004b).Es wird auch davor gewarnt, die ersten Ansätze zur On-linediskussion zwischen Politik und Bürger durch zuweitreichende Partizipationsansprüche zu gefährden(Welz 2002).

Eine Reaktion auf die skizzierte Entwicklung war inDeutschland, bei der Diskussion über politische Poten-ziale der Internetnutzung die Funktion der Informations-vermittlung zu fokussieren (Kap. III.2.2). Paradigma-tisch für diesen Ansatz ist die um das E-Governmentzentrierte Diskussion über netzbasierte Kommunikationals „Königsweg“ zum modernen Staat (z. B. Priddat/Jansen 2001). Gedanken zur Revitalisierung der Demo-kratie spielen hier – wie auch in der E-Government-Poli-tik selbst (Kap. IV) – keine größere Rolle (z. B. InitiativeD21 2002). Im Vordergrund steht – hinsichtlich der G2C-

und C2G-Kommunikation – die Effizienzsteigerung desrepräsentativen Demokratiemodells und seiner konkretenInstitutionen und Prozesse durch Internetnutzung. Seitlängerem werden zudem mögliche Risiken einer Internet-nutzung für politische Kommunikation diskutiert(Kap. III.2.3), wie sie vor allem in den Stichworten derdigitalen Spaltung(en) und der Exklusion Eingang in diewissenschaftliche und gesellschaftliche Diskussion ge-funden haben (Bechmann et al. 2003). Sie markieren indeutlicher Weise den Umschlag der Debatte von einer aufutopische Ideale ausgerichteten Aufbruchstimmung hinzu einer abwägenden und auf konkrete Aspekte des Inter-nets und seiner Nutzung abstellenden Einschätzung.

Ein deutlicher Unterschied in der Beurteilung der politi-schen Potenziale des Internets zeigt sich zwischen denUSA und Deutschland. Die in den USA vertretenen Mo-delle internetgestützter Demokratie reflektieren Zuständeund Defizite der eigenen politischen Kultur und suchenAnschluss an allgemeine Konzepte der bürgerschaftli-chen Belebung der Demokratie. Sie lassen sich jeweilsselber als Ausdruck einer bestimmten politischen Kulturinterpretieren (Siedschlag 2004; vgl. Kap. III.2.1). DieNähe zu laufenden Debatten über die Reform des politi-schen Systems und den Wandel der politischen Kultur er-laubte, schnell den Bogen zu theoretischen und staatsphi-losophischen Konzepten und Positionen zu schlagen,insbesondere zum Kommunitarismus und seiner Forde-rung nach einer Revitalisierung der Zivilgesellschaft. Diewichtigste kulturelle Grundlage der Demokratie ist inamerikanischen Augen zumeist die gefühlsmäßige Ver-bundenheit der Bürger mit den gemeinsamen Idealen, dieLiebe zur Gemeinschaft als Voraussetzung und Vollen-dung des individuellen Strebens nach Glück. Um diese„Zivilreligion“ zu stärken, werden dem Internet wichtigeFunktionen zugeschrieben: die Bürger untereinander zubinden, Verantwortungsgemeinschaften zu schaffen undschließlich die emotionale Verankerung der gemeinsamenVerfassungsinstitutionen und ihrer Grundideen zu stär-ken. Wenn der spannungsreiche Gegensatz zwischen In-dividuum und Gesellschaft schon als durch die Art derTechnik konstruktiv überbrückt gedacht wird, repräsen-tiert das Netz beinahe das „kollektive Unbewusste“ derGesellschaft – ähnlich wie das James Madison 1788 inden Federalist Papers Nr. 49 geschrieben hat: „Die Ver-nunft des Menschen, der Mensch überhaupt ist furchtsamund vorsichtig, wenn er sich allein gelassen fühlt, und erwird kräftiger und zuversichtlicher, in dem Maße in demer glaubt, dass viele andere auch so denken wie er“ (nachSiedschlag 2004). Das Netz wird daher in den USA auchals probates Mittel gesehen, um ein bürgerschaftlichesGegengewicht zu immer stärker auftretenden demokra-tisch nicht legitimierten Politikakteuren (Konzerne, Ver-bände, Medien) zu bilden. Dementsprechend früh wurdendort neue Formen netzbasierter Kommunikation insbe-sondere für lokale Politik (z. B. Kubicek et al. 1995;TAB 1995; Toffler 1980) genutzt und auch in jüngererZeit sind Angebote zur E-Partizipation auf starke Reso-nanz gestoßen (Needham 2004).

In Deutschland ist die Situation – trotz ähnlicher Pro-bleme mit der Demokratiemüdigkeit der Bürger –

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aufgrund der unterschiedlichen politischen Kulturen, Ent-scheidungs- und Mediensysteme anders (Kleinsteuber/Hagen 1998, Pfetsch 2001). Orientierte sich die deutschePolitik zu sehr an amerikanischen Modellen, würde dasNetz daher zur Stärkung von demokratischen Funktionengenutzt, die hier kaum beeinträchtigt sind (Siedschlag2004): So macht es z. B. die nur lockere Organisation derParteien im präsidialen Regierungssystem der USA fürdie Kandidaten zu einer attraktiven Option, im Netz starkpräsent zu sein. Dementsprechend hat das Internet dortbereits große Bedeutung für die Mobilisierung von Unter-stützern und finanziellen Ressourcen. Deutschland jedochist eine parlamentarische Parteiendemokratie. Dies hatKonsequenzen wie z. B. den so genannten „Fraktions-zwang“ und einen in der Regel auf Parteien und derenFührungselite, nicht aber auf einzelne Kandidaten ausge-richteten Wahlkampf. Es gibt in Deutschland also weni-ger Motivationen für eine eigenständige Öffentlichkeits-arbeit im Netz vor allem derjenigen Abgeordneten, dienicht ihren eigenen Wahlkreis haben (s. a. Zittel 2004;Kap. IV.3.1), was verdeutlicht, dass politische Kulturenund Traditionen auch für die politische Nutzung des In-ternets eine wichtige Rolle spielen.

2. Visionen, Potenziale und Befürchtungen

Wenn man in Überlegungen zu den politischen Potenzia-len des Internets zwischen der Informations-, der Kom-munikations- und Beteiligungsfunktion des Internetsunterscheidet, rücken zum einen Aspekte der Effizienz-steigerung demokratischer Politik durch Verbesserung derInformationsversorgung (Kap. III.2.1), zum anderen neueMöglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements und dieBelebung und Erneuerung der Demokratie (durch verbes-serte Mobilisierung, Partizipation, Interaktion etc.) in denMittelpunkt (Kap. III.2.2). Neben den Hoffnungen undoptimistischen Erwartungen spielen aber auch Befürch-tungen hinsichtlich der politischen Internetnutzung einegewisse Rolle (Kap. III.2.3). Neuere Modelle digitalerDemokratie (Kap. III.2.4) führen den gegenwärtigen Dis-kussionsstand konzeptionell zusammen und überwindendabei die alte Polarisierung zwischen utopischen Hoff-nungen und weitreichenden Ängsten (hierzu und zumFolgenden Siedschlag 2004).

2.1 Effizienzsteigerung demokratischer Prozesse und Institutionen

Die technischen Kapazitäten des Internets können vonden Verfassungsorganen und der Administration genutztwerden, um ihre Funktionen effizienter wahrzunehmenund ihre Arbeit insgesamt auf eine verbesserte Informa-tionsgrundlage zu stellen. Das seit einiger Zeit wichtigsteStichwort in der Nutzung des Internets zur Effizienzstei-gerung des politischen Systems ist E-Government imSinne der E-Administration (Kaiser 2001; Siedschlag etal. 2001). Dieser Ansatz hat mit den oben genanntenHoffnungen auf eine Belebung der Demokratie durch In-teraktivität und Beteiligung direkt nichts zu tun, sondernzielt in erster Linie auf das internetgestützte Abwickelninterner wie externer administrativer Vorgänge mit größe-

rer Geschwindigkeit und Interaktivität. Im Gegensatz zurCyberdemokratie oder zum Konzept „E-Governance“(dazu vgl. Kap. III.2.2) stehen hier nicht politischeMeinungsbildungsprozesse, sondern Verwaltungsab-läufe und ihre Innen- wie Außenseite im Mittelpunkt.Dem E-Government liegt das Staatsverständnis einer Ver-braucherdemokratie zugrunde (Hoff et al. 2000), derenBürger das Ausmaß an administrativer Einschränkungmöglichst gering halten wollen und die daher vor alleman bürgerfreundlichen Leistungen der Verwaltung interes-siert sind (z. B. für die Möglichkeit der Onlineabwick-lung von behördlichen Vorgängen wie Kfz-Zulassungoder An- und Abmeldung eines Wohnsitzes). Als wesent-liche Leistung des Netzes wird die Möglichkeit aufge-fasst, politische und soziale Probleme zunehmend dezen-tral zu bearbeiten und zu lösen: näher an ihremEntstehungsort, also auf der lokalen und kommunalenEbene.

E-Government ist bereits in vielfältiger Hinsicht reali-siert, so vor allem im lokalen und kommunalen Bereich(Bechmann et al. 2003). Dabei zeigt sich, dass die Imple-mentierung entsprechender Anwendungen häufig nichtnur eine gesteigerte Effektivität, sondern auch größereBürgerfreundlichkeit und Transparenz mit sich bringenund damit indirekt durchaus auch zur Qualität der Demo-kratie beitragen kann.

Deutsche Regierungskonzepte verbinden das E-Govern-ment-Modell (vgl. Kubicek/Wind 2005) zum Teil auchmit der „virtuellen“ Einbindung von Bürgern und exter-nen Sachverständigen in den Verwaltungsprozess, mitdem Ziel, eine bürgernahe, interaktive Verwaltung zuschaffen (siehe die Initiativen www.bund.de;www.deutschland-direkt.de; www.staat-modern.de). DieHauptaufmerksamkeit in Deutschland gilt jedoch nachwie vor dem E-Government in Verwaltungsverfahren,viel weniger seiner Nutzung als technische Basis für in-ternetgestützte Demokratie (vgl. dazu kritisch z. B. Füh-les-Ubach 2005a).

2.2 Belebung der DemokratieAngesichts von mittlerweile zu Gemeinplätzen geworde-nen Diagnosen des Zustandes westlicher Demokratien– Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit und Legitima-tionsprobleme – richten sich die Erwartungen an das In-ternet auch auf eine Revitalisierung der Demokratie(Schönberger 2004a). In diesem Zusammenhang sind vorallem die Leitbilder eines „aktivierenden Staates“, einesoffenen und transparenten „guten Regierens“ („good go-vernance“), einer „partizipativen Demokratie“, „interakti-ver Politikgestaltung“ und einer „aktiven Bürgergesell-schaft“ relevant (Kap. IV). Anvisiert werden eine neueRolle des Staates sowie ein verstärktes bürgerschaftlichesund politisches Engagement gut informierter Bürger unterintensiver Nutzung des Internets. Hierzu ist eine Reihevon Modellen entwickelt worden, die zum Teil Vorläuferin den Diskussionen über ältere Medientechnologien ha-ben (zum Folgenden Hagen 1999; Siedschlag 2004).

Am Anfang der politikwissenschaftlichen Internetfor-schung stand vor allem die Idee, mit neuen technischen

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Möglichkeiten eine „strong democracy“ (im Sinne vonBarber 1984) zu verwirklichen und der repräsentativenDemokratie eine digital vermittelte neue Lebendigkeitoder eine neue Demokratie als Lebensart gegenüberzu-stellen. Untersuchungen, die großes Interesse der Bürgeran politischen Themen und neuen Möglichkeiten politi-schen Engagements, aber nur ein geringes an den konkre-ten Prozessen des politischen Systems zeigen (z. B. Ber-telsmann-Stiftung 2004), deuten auf Unzulänglichkeitenbisheriger Kommunikationsformen zwischen Bürgernund Politik als Ursache der Probleme hin. Das Internetscheint hier durch die Senkung der Zugangsschwelle fürInformationen, die Vergrößerung der Raum- und Zeitun-abhängigkeit von Kommunikation und die Ermöglichunginteraktiver Kommunikation Abhilfe zu versprechen.Derzeit ist dieses Konzept einer Erneuerung repräsentati-ver Demokratie durch das Internet („digitale Demokra-tie“) in der Diskussion über die demokratieförderndenPotenziale des Netzes vorherrschend.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dassArt und Weise der Politikvermittlung Einfluss auf diepolitische Beteiligung haben (z. B. Sarcinelli 1987). Be-reits von älteren Medientechnologien wurde erwartet(z. B. im Konzept der Teledemocracy; Arterton 1987),dass neue Kommunikationstechniken auch neue Formendirekter politischer Beteiligung ermöglichen – oder zu-mindest einen direkteren Austausch zwischen Wählernund Politikern. Basis war hier oft die These, dass größereVielfalt in der politischen Kommunikation unmittelbar zu„empowerment“ führe: mehr Vielfalt mache die Demo-kratie vitaler. Insbesondere vom Fernsehen, in der Regelin Kombination mit anderen Medien (Telefon, Computer)wurde erwartet, dass intermediäre Institutionen, vor allemdie Parteien, an Bedeutung verlieren würden und neue di-rektdemokratische Elemente zu einer Effizienzsteigerungund Stärkung der Demokratie – durch medienvermitteltePartizipation kompetenter Bürger – beitragen könnten(z. B. Arterton 1987; Krauch 1972; Toffler 1980; Vowe/Wersig 1983). Bereits damals zeigten sich jedoch Pro-bleme (s. a. Kleinsteuber/Hagen 1998), die auch die Nut-zung ähnlicher Internetpotenziale betreffen, z. B. dieFrage gleicher Zugangschancen für alle, das Problem derManipulation sowie die Schwierigkeit, sachbezogene Ar-gumentation zu erreichen (Arterton 1987).

Das Konzept der Cyberdemokratie (cyberdemocracy,z. B. Dyson 1999) steht hingegen in der Tradition der Ge-genkultur-Bewegung in den USA der 1970er und 1980erJahre mit ihren alternativen und unkonventionellen Kom-munikationsformen und Themen. Vor allem die chaoti-schen, ungeregelten und subversiven Möglichkeiten desInternets werden als Chance gesehen. Es geht um dieIdee, die technisch möglich gewordene Many-to-many-Kommunikation (C2C) und den entsprechenden Abbauvon Kommunikationshierarchien zum Aufbau einerneuen gemeinsamen Verständigungspraxis zu nutzen, ausder eine spezifische neue Integrationskraft des Gemein-wesens wachsen sollte. Das Internet soll als demokrati-scher Marktplatz und eigener politischer Raum dienen, indem unmittelbarer Kontakt zwischen Bürgern und dempolitischen System sowie zwischen den Bürgern unterei-

nander stattfindet. Bereits die bloße Verfügbarkeit inter-netgestützter Informations- und Kommunikationsmög-lichkeiten steigere das politische Bewusstsein derBevölkerung, was wiederum zu einer verstärkten Teil-nahme am politischen Prozess führe (Net Empowerment,z. B. Leggewie/Maar 1998) und eine aktive demokrati-sche Gestaltung des virtuellen Raums (Rheingold 1993)initiiere. Mit einer massiven Partizipation auf der Ebenevon Kommunen und der Verknüpfung ähnlicher kommu-naler Projekte über große räumliche Entfernungen hin-weg würde aus der repräsentativen Demokratie mehr undmehr eine direkte Demokratie bzw. eine Basisdemokratiemit verschiedenen räumlichen Maßstäben. In dieserSichtweise fördert das Internet gewissermaßen automa-tisch die demokratischen Bürgertugenden. Endzustand ei-ner konsequent umgesetzten Cyberdemokratie wäre einedirektdemokratische, über den elektronischen Diskursselbst organisierte virtuelle Gemeinschaft mit größerempolitischem Einfluss des Einzelnen, einem geschärftendemokratischen Bewusstsein und einem intensiviertenstaatsbürgerlichen Engagement.

In Konzepten der staatlichen E-Democracy werden hin-gegen Bürger oft auch als eine Art „Kunden“ des politi-schen Systems betrachtet, ähnlich wie in den E-Govern-ment-Ansätzen. Politik müsse demnach ein Interessedaran haben, seine „Kunden“ möglichst zufrieden zu stel-len. Um diese besser als bislang zu erreichen, biete dasInternet den Volksvertretern neue Möglichkeiten, ihr Wis-sen über die Interessen ihrer Wählerschaft zu verbessernund in ihren Entscheidungen stärker zu berücksichtigen,was die Responsivität von Politik steigere: Responsivitätbedeutet die kontinuierliche Rückkopplung des Handelnsder Volksvertreter an die Interessen und Bedürfnisse derBevölkerung. Hier wird eine strukturelle Verwandtschaftzu Marktverhältnissen hergestellt, in denen die Anbieterwissen müssen, was die Konsumenten wollen. Dies istauch am Einzug von E-Business-Modellen wie des Cus-tomer Relationship Management (CRM) (Bill et al. 2001)in die Politik erkennbar. Demnach ist durch das Internetein direkter Kontakt der Politik zum „Kunden“ bzw.„Endverbraucher“ möglich geworden, und die Politikkann ihre „Produkte“ auch im Internet bewerben. Mögli-cherweise kann der politische „Kunde“ sogar mit einemmaßgeschneiderten Angebot besonders aktiv eingebun-den werden. Im Gegenzug erhält der politische „Anbie-ter“ die Unterstützung des „Kunden“ (Wählerstimme,Spende, Mitgliedschaft oder ideeller Einsatz). Um seinAngebot zu optimieren, muss der politische Anbieter seinWissen über den potenziellen Kundenstamm vertiefen,damit er seine Inhalte nicht an den Kundeninteressen vor-bei ausrichtet. Abgeordnete könnten ohne physische An-wesenheit den Dialog mit ihrer Wählerschaft pflegen undzum anderen durch CRM über wirksamere Werkzeugezur individualisierten, auf ihre persönlichen Sach- undKarriereinteressen zugeschnittenen Politikvermittlungverfügen (Bill 2002) – wodurch allerdings das politischeMandat auch imperativer würde. In den USA wird mitgroßem Erfolg etwa unter www. vote-smart.org oderwww.calvoter.org Politikbeobachtung betrieben und eineArt politischer „Verbraucherschutz“ realisiert, bei dem

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das Internet hilft, die Bürger schnell und flächendeckendüber das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten imVergleich zu ihren Versprechungen in Kenntnis zu setzen.

Im Konzept der E-Governance sollen netzwerkartig orga-nisierte politische Steuerung und themenbezogene vir-tuelle Bürgergemeinschaften Möglichkeiten für eine „ent-staatlichte“ und pragmatische Problembearbeitung aufkommunaler Ebene eröffnen (von Bismarck et al. 2003).Die konkrete Beteiligung von Bürgern an politischenMeinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen stehtvor allem im Hinblick auf die Themensetzung der institu-tionalisierten Politik im Mittelpunkt. Politische Kommu-nikation im Internet solle hauptsächlich der Artikulierungvon allgemein interessierenden politischen Themen die-nen, mit denen sich Regierung und Parlament dann aus-einander setzen sollen (Snider 1994). Dadurch soll er-reicht werden, dass Gemeinschaftsfragen auf breiterBevölkerungsbasis und nicht von vornherein gemäß denInteressen einzelner Parteiungen thematisiert werden.Das steht im Rahmen einer größeren Diskussion um dieMethoden, mit denen die Bürgerkompetenz („citizencompetence“ und „civic skills“) zu öffentlicher Rede(„public talk“) verbessert und die traditionellen Institutio-nen der Demokratie mit gesellschaftlichem Leben (stattmit mächtigen Einzelinteressen) gefüllt werden können(Elkin/So_tan 1999). Gedacht ist beispielsweise an eineorientierende Diskussion anstehender Probleme mit Be-troffenen und an eine Dehierarchisierung der Verwal-tungsorganisation in Richtung auf den „Netzwerkstaat“(Bilgeri/Siedschlag 2003). Das Effektivitäts- und das Par-tizipationspotenzial des Internets sollen gemeinsam ge-nutzt werden, um die Lücke zwischen Bürgern und Poli-tik zu schließen, vor allem im lokalen und kommunalenBereich.

2.3 Befürchtungen und Sorgen

Neben positiven Demokratiepotenzialen des Internetswurden und werden auch mögliche negative Folgen dis-kutiert, wenngleich die positiven Erwartungen klar über-wiegen. Diese negativen Erwartungen sind zum Teil inähnlicher Weise angesichts früherer Medieninnovationengeäußert worden.

Hier ist zunächst die Frage nach den Folgen des Internetsfür das Funktionieren demokratischer Institutionen vonBelang. Eine Sorge ist, dass die Internetnutzung zur Ero-sion der traditionellen demokratischen Institutionen füh-ren könnte. Politik und die öffentliche Diskussion überPolitik fänden dann immer weniger in den Einrichtungenstatt, die unsere Verfassungsordnung (als Ergebnis jahr-hundertelanger Überlegungen in der abendländischenGeistesgeschichte ebenso wie infolge historischer Erfah-rungen) dafür vorsieht. Das kann auf längere Sicht einenLegitimitätsverlust derjenigen Institutionen bedeuten, diedas Funktionieren der Demokratie sichern (vor allem derParlamente). Onlinewahlen könnten die für die moderneDemokratie fundamentale Bedeutung der symbolischenDimension des Wählens abschwächen (Neymanns 2002).Zu weitreichende, die Grundlagen repräsentativer Demo-kratie berührende Ansätze zur Onlinepartizipation könn-

ten die Weiterentwicklung digitaler Demokratie gefähr-den (Welz 2002).

Auch könnten traditionelle Formen der Öffentlichkeitdurch eine durch das Internet beschleunigte gesellschaft-liche Zersplitterung gefährdet werden. Eine Fülle von un-tereinander intransparenten und von außen kaum in ihrergesellschaftlichen Eindringtiefe einschätzbaren virtuel-len Teilöffentlichkeiten würde die allgemeine Öffentlich-keit aushöhlen: „[…] die Onlinepolitik [könnte] die Indi-vidualisierung der Politik und der Gesellschaft weitervorantreiben. Dabei könnte ein Punkt erreicht werden, andem es in gefährlicher Weise schwierig würde, Integra-tion, Konsens und den Aufbau von Institutionen zu be-werkstelligen“ (Castells 2002, S. 373). Befürchtungen be-stehen auch hinsichtlich der Auswirkungen des Internetsauf das Zeitungswesen, dass nämlich die Onlineangeboteder etablierten Medienanbieter in diesem Bereich dieKrise der Branche eher verschärfen als abmildern helfen(z. B. Patalong 2005a u. b). Durch die immer nochgeringe Bereitschaft vieler Onlineleser, Werbung oderzahlungspflichtige Angebote zu akzeptieren, können Zu-wächse im Onlinebereich Verluste im Printbereich an-scheinend oftmals nicht ausgleichen. Demnach droht eine„Selbstkannibalisierung“ der Qualitätszeitungen durchihre Webpräsenzen, die dann weitreichende Auswirkun-gen auf die politische Öffentlichkeit hätte, für die Zeitun-gen eine wichtige Rolle spielen (vgl. auch Glotz/Meyer-Lucht 2004).

Zudem könnte die oft beklagte Informationsüberflutungdurch das Internet zu Überforderungssituationen führen.Bürger wie Politiker würden mit Orientierungsproblemenbei der Trennung relevanter von irrelevanter Informationkonfrontiert. Aufgrund des Fehlens von Qualitätsprüfun-gen im Internet seien die Nutzer oft damit überfordert,selbständig die Vertrauenswürdigkeit von Information zubeurteilen. Die Abhängigkeit von technischen Hilfen wiez. B. Suchmaschinen und deren eigenen Mechanismender Auswahl und Priorisierung könnte zunehmen. DieÜberschwemmung von Politikern mit Kommunikations-wünschen (vor allem per E-Mail) führe womöglich zurAbstumpfung und mache damit gerade die erhofftenInteraktionspotenziale des Internets zunichte. Auch in an-derer Hinsicht beständen Risiken für die politischen Insti-tutionen: Deliberative Formen der Meinungsbildungkönnten zu unabschließbar langen Beratungsprozessenvon geringer Effizienz – und Entscheidungen dadurchverlangsamt – werden oder politische Institutionen in derBewältigung der inhaltlichen Komplexität umfangreicherund stark kontroverser Internetkommunikation scheitern.

Das „digitale Ohr“ am Bürger würde eventuell auch beiden Repräsentanten den Hang zu politischem Aktivismusverstärken, nach dem Motto, dass schnelle und für allesichtbare inhaltliche Reaktion im Internet wichtiger ist alssorgfältige und fundierte Sachüberlegung. Es könne sodie Gefahr des Realitätsverlustes und der Verwechslungvirtueller mit „realen“ Realitäten und einer daraus resul-tierenden Virtualisierung der Politik bestehen. Das Inter-net werte potenziell auch die Nahumgebung ab, da sichdie „Cyberbürger“ täglich überwiegend in virtuellen Wel-

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ten bewegen würden, wobei zu erwarten sei, dass ihr Inte-resse am sozialen Geschehen in ihrer unmittelbaren Um-welt abnimmt.

Die weithin als zentrales Problem angesehenen Formendigitaler Spaltung (z. B. Bechmann et al. 2003; Norris2001) beeinträchtigen alle genannten positiven Demokra-tiepotenziale des Internets. Fortdauernde digitale Spaltun-gen hätten bei einer weitgehenden Realisierung digitalerDemokratie den Ausschluss ganzer Bevölkerungsschich-ten von wichtigen Formen der politischen Information,Kommunikation und Partizipation zur Folge.

Die Mehrzahl der genannten Sorgen betrifft Fragen desWissensmanagements – in Bezug vor allem auf den Zu-gang zum Wissen, der Verteilung und der Bewertung desWissens unter Relevanzaspekten. Aus den Befürchtungenist daher zumindest zu lernen, dass neue Kompetenzen ei-nes jeden Bürgers zur Medien- und Informationsselektionund -bewertung umso dringender sind, je mehr neue Me-dien das politische Informations- und Interaktionspoten-zial erhöhen (Mandel et al. 1998). Weiterhin müssen Stra-tegien zur Internetnutzung im politischen Raum sich imEinzelfall mit diesen Bedenken auseinander setzen undggf. Vorkehrungen treffen.

2.4 Aktuelle Ansätze

Die aktuelle Diskussion zeichnet sich durch differenzierteSichtweisen aus, die sich nicht mehr auf die Konfronta-tion „Mobilisierungs- gegen Verstärkungsthese“ be-schränken. Das Internet ist, so der aktuelle Stand der Dis-kussion, weder ein eigener politischer Raum, noch hat esdazu geführt, die Politik an grundlegend neuen Kriterienzivilgesellschaftlicher oder basisdemokratischer Politik-gestaltung zu messen. Wie sich die Demokratie weiterent-wickelt und welche politische Kraft ihr zukommt, hängtnicht von der Qualität und der Form der Technologie ab,sondern von der Güte der jeweiligen politischen Institu-tionen und dem Naturell der jeweiligen Bürgerschaft(Barber 2001a). Die Beständigkeit kultureller Traditionenver- oder behindere die (rasche) Realisierung der Poten-ziale des Internets (Kap. II): Ein neues kommunika-tionstechnisches Artefakt bewirkt dennoch nicht automa-tisch eine veränderte Alltagspraxis in der politischenKommunikation. Vielmehr bedarf es nicht nur medien-technischer, sondern auch soziokultureller Innovationen,damit aus Potenzialen des Internets Realität wird(Schönberger 2004a). Statt der anfänglichen Gratwande-rung zwischen euphorischer Überschätzung des Neuen ei-nerseits und Unterbewertung der für neue Kommunika-tions- und Vernetzungsmöglichkeiten konstitutivenWirkung des Internets andererseits geraten stärker Fragender Praxis in den Blick, z. B. nach hemmenden oder för-dernden Faktoren für die Nutzung der demokratischenPotenziale des Internets. Als Chiffre für aktuelle Ansätzeder Modernisierung der repräsentativen Demokratie(nicht ihrer Ablösung) durch Internetkommunikationwerden im Folgenden die Begriffe „digitale Demokratie“(Siedschlag 2004) und – bezogen auf staatliche Aktivitä-ten – „E-Demokratie“ verwendet.

Ein zeitnahes Bild des deutschen Diskussionsstandes zuModellen internetgestützter Demokratie liefert eine nachder Delphi-Methode durchgeführte Prognosestudie überdie deliberativen Potenziale politischer Internetforen(Kaletka 2003): Danach werden Politikforen im Internetzunehmend zu Informationsdienstleistern in Bezug aufkomplexe Themen werden. Die Bedeutung des Modera-tors als Bindeglied zwischen den Nutzern des Forums undden Politikern wird weiter wachsen. Durch themenzen-trierte Angebote können Foren Parteipositionen polarisie-ren und divergierende Positionen der Parteien bei kom-plexen Themen herausarbeiten. Diese Foren werdenallerdings bisher politisch Uninteressierte nicht zu Parti-zipation motivieren, sie werden den politischen Diskurszu bereits bestehenden Themen nicht radikalisieren undbei den Nutzern keinen großen Einfluss auf die Akzep-tanz politischer Entscheidungen haben, es sei denn, dasForum wurde bereits vorher an den Politikprozess gekop-pelt. Sie werden aber vermehrt virtuelle (rein in der Netz-diskussion entstandene) politische Themen produzierenund dadurch die Parlamentsagenda beeinflussen. EineSchwächung der gesellschaftlichen Stellung von Parteiendurch themenzentrierte Politikforen ist nicht zu erwarten.

Diese Einschätzungen werden beim Blick auf die Praxisder Nutzung von Onlineforen durch staatliche Akteurezum Teil bestätigt (Kap. IV). Sie weisen auch darauf hin,dass das Internet aller Voraussicht nach nicht folgenlosfür politische Kommunikationskulturen bleiben wird.Hier setzen das Modell der digitalen Demokratie (Sied-schlag 2004) und andere aktuelle Konzepte an (z. B. ITA2005; Trénel 2004). Sie nehmen keine direkte Einwir-kung der Internettechnologie auf die Politik an, sondernfordern, die Folgen der Internetnutzung in Abhängigkeitvon der Struktur und der politischen Kultur des betreffen-den politischen Systems zu konzeptualisieren und zu un-tersuchen (Siedschlag et al. 2002; Kap. IV). Die Wirkunginternetgestützter Demokratie ist danach nicht durch die„Technik Internet“ determiniert, sondern hängt von re-gionalen Kulturen, Geschichten und Werten ab (Noveck2001). Deshalb erscheint es nicht sinnvoll, auf der Grund-lage der technisch gegebenen digitalen Möglichkeiteneine vermeintliche Universalversion von internetgestütz-ter Demokratie zu verfolgen. Es kann nur darum gehen,allgemeine demokratische Entscheidungsregeln zu entwi-ckeln, die Raum für kultur- und traditionsabhängige insti-tutionelle Variationen lassen. Eine digitale Demokratiehat keinen technikdeterminierten „Bauplan“, sondernmuss sich pragmatisch erst entwickeln bzw. gestaltet wer-den (Holznagel/Hanßmann 2001).

Digitale Demokratie in diesem Sinn zielt nicht in Rich-tung direkte Demokratie, sondern auf mehr Kommunika-tion zwischen Repräsentanten und Repräsentierten undeine Verringerung der Distanz zwischen Politik und Bür-gerschaft. Dabei könnten sich neue Wege und Formen derBürgerbeteiligung ergeben, bei denen Online- wie Off-linekommunikation dazu genutzt wird, sachorientierte,deliberative Diskussionen zu politischen Meinungsbil-dungs- und Entscheidungsprozessen auf unterschiedlichs-ten Ebenen zu ermöglichen oder zu fördern.

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3. Politische Öffentlichkeit und das Internet

Die Herausbildung einer politischen Öffentlichkeit ist de-mokratiepolitisch von höchster Relevanz, wenngleich sienicht der alleinige Garant von Demokratie ist. Öffentlich-keit kann als Netzwerk beschrieben werden, das dazudient, Informationen und Sichtweisen auszutauschen(Habermas 1996). Sie ist durch unterschiedliche Formendes Engagements der Bürger gekennzeichnet. Manchewollen sich nur informieren, andere wollen am eigenenInteresse orientierte Wissensbestände aufbauen und pfle-gen, wieder andere wollen andere informieren oder über-zeugen. Bürger beteiligen sich an Meinungsbildungs- undEntscheidungsprozessen in der Demokratie vor allemdeshalb, weil die politischen Entscheidungen letztlich sieselbst betreffen. Folgen des Internets für die politischeÖffentlichkeit oder die Ausbildung einer eigenen politi-schen Internetöffentlichkeit sind eng mit dem interaktivenCharakter des Internets verbunden (Kap. III.3.1). Es bie-tet Raum für Teil- und Gegenöffentlichkeiten(Kap. III.3.2) sowie Potenziale für stärker deliberativeKommunikationsformen (Kap. III.3.3).

3.1 Öffentlichkeit und Interaktivität

Öffentlichkeit ist ein durch Kommunikation erzeugter so-zialer Raum. Sie stellt Transparenz von demokratischerPolitik im Sinne der Veröffentlichung getroffener Ent-scheidungen her und ermöglicht es politischen Akteuren,um Alternativen zukünftigen politischen Handelns zustreiten (Rogg 2003b). Öffentlichkeit dient auch derRückbindung der Repräsentierenden an die Repräsentier-ten und zum Austausch zwischen Regierenden und Re-gierten. Die politische Öffentlichkeit kann ihre Funktion,gesamtgesellschaftliche Probleme wahrzunehmen und zuthematisieren, freilich nur in dem Maße erfüllen, wie siesich aus den Kommunikationszusammenhängen derpotenziell Betroffenen bildet (Habermas 1992b). Wesent-lich für eine demokratische Öffentlichkeit sind dabei dieForderungen nach

– Chancengleichheit in der Teilhabe (niemand darf aus-geschlossen werden),

– thematische Offenheit (kein Thema darf von vorn-herein ausgeschlossen werden),

– Ergebnisoffenheit (kein möglicher Lösungsweg darfvon vornherein ausgeschlossen werden).

Gefundene Lösungen sollen auf geteilten Überzeugungenberuhen, und Kritik der eigenen als auch anderer Meinun-gen soll jederzeit möglich sein. Basis ist die Anerkennungdes Anderen als gleichberechtigten Gesprächspartner. DieQualität einer öffentlichen Debatte hängt vom Grad ab, inwelchem es den Teilnehmern gelingt, eine gemeinsameGesprächsbasis zu finden. Funktionen von politischer Öf-fentlichkeit sind (Neidhardt 1994):

– Transparenzfunktion: Öffentlichkeit habe die mög-lichst allgemeine und umfassende Wahrnehmung vonden in einer Gesellschaft vertretenen Themen undMeinungen zu gewährleisten.

– Validierungsfunktion: Die Konfrontation mit Meinun-gen und Themen der anderen soll die Revision der ei-genen Position erlauben – zumindest wenn die Argu-mente der anderen überzeugender sind.

– Orientierungsfunktion: Im Rahmen der Begegnungverschiedener Standpunkte bilden sich so genannte„öffentliche Meinungen“ heraus. Diese fungieren vorallem als Handlungsorientierung für diejenigen, diebeauftragt sind, allgemein verbindliche Beschlüsse zutreffen.

Diese Funktionsbestimmungen zeigen auch die herausra-gende Bedeutung, die interaktiven Kommunikationsfor-men in der Ausbildung einer lebendigen politischen Öf-fentlichkeit zukommt. Klassische Massenkommunikationstellt dagegen einen politischen Kommunikationsstil dar,in welchem Großorganisationen und Medien als Sendereinseitig auf das relativ homogen gedachte Massenpubli-kum einwirken, das man als passiven Empfänger betrach-tete. Paradigma dieses Verständnisses von Massenkom-munikation war die „Zuschauerdemokratie“ angesichtsder „großen Fernsehöffentlichkeit“ (Luhmann 1996). DieRealisierung der für die Demokratie wichtigen interakti-ven Kommunikation blieb – abgesehen von einigenExperimenten mit den interaktiven Möglichkeiten desFernsehens (Kap. III.2) – vor der Zeit des Internets auf di-rekte Face-to-face-Kommunikation und das Telefon be-schränkt. Bürgerversammlungen, Parteitage und weitereVeranstaltungstypen dienten und dienen diesem Zweck.Allein durch die begrenzte Teilnehmerzahl sind dieseFormen jedoch in ihrer Breitenwirkung begrenzt, wäh-rend das Internet hier ganz neue Möglichkeiten eröffnet.

Interaktive digitale Politikprozesse können dabei denkommunikativen Austausch zwischen den (etablierten)Akteuren des politischen Systems und den (engagierten)Akteuren der Zivilgesellschaft fördern, seien es Interes-sengruppen, Initiativen, Vereine oder auch einzelne„sachkundige Bürger“ (Kap. IV u. V). Die wechselseitigeKommunikation politischer Interessen und Argumenteüber neue Medien erhält so ihre wesentliche Qualität inder Ermöglichung qualifizierter Rückkopplungen. In derEinrichtung von Rückkanälen an unterschiedlichen, aberessenziellen Stellen innerhalb des politischen Systemsliegen die Anknüpfungspunkte für eine Modernisierungdemokratischer Prozesse und die Ausbildung interaktiverpolitischer Öffentlichkeit auf Basis der Internetkommuni-kation.

3.2 Teil- und GegenöffentlichkeitenDas Konzept der allgemeinen Öffentlichkeit wird ergänztdurch die Konzeptualisierung von Teilöffentlichkeiten,die sich z. B. um ein Einzelthema, einen Regionalbezugoder eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe konstituie-ren. Das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten, durchInformationsverbreitung und Kommunikation innerhalbbestimmter Gemeinschaften eine intensive Diskussion zuführen und dadurch zur Gemeinschaftsbildung beizutra-gen. In dieser Hinsicht fördert das Internet (z. B. überMailinglisten) die Vernetzung innerhalb solcher Teilöf-fentlichkeiten, kann aber dadurch auch zu einer weiteren

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Fragmentierung der allgemeinen Öffentlichkeit beitragen,da Teilöffentlichkeiten von außen oft kaum wahrnehmbarsind (Kap. V).

Als Reaktion auf wahrgenommene Defizite der massen-medial vermittelten allgemeinen Öffentlichkeit wurde derBegriff der Gegenöffentlichkeit geprägt: „Gegenöffent-lichkeit bezeichnet Aktivitäten zur Verbreitung von Infor-mationen und Meinungen, die […] die Aufmerksamkeitder Bevölkerung auf weitgehend unbeachtete, nichtsdes-toweniger für die Allgemeinheit als bedeutsam angese-hene Themen zu richten versuchen“ (Plake et al. 2001,S. 25; zitiert nach Winter/Groinig 2004). Gegenöffent-lichkeiten formieren sich als Antwort darauf, dass sie ausden vorherrschenden, massenmedial strukturierten gesell-schaftlichen Debatten ausgeschlossen sind. Sie könnensich entweder durch eigene Medien Gehör verschaffen(z. B. durch eine eigene Website und „virtuelle“ Netz-werke) oder sie veranlassen traditionelle Medien durchInszenierungen (z. B. Kampagnen), auf sie hinzuweisenund das übliche Inhaltsspektrum zu übersteigen (nachWinter/Groinig 2004). Öffentlichkeit ist nicht monoli-thisch, sondern ein vielschichtiges, dezentrales Phäno-men, ein offenes und inklusives Netzwerk mit fließendenzeitlichen, sozialen und sachlichen Grenzen (Plake et al.2001). Dominante Öffentlichkeiten existieren neben Tei-löffentlichkeiten und Gegenöffentlichkeiten, die wie-derum oft füreinander kaum einsehbar sind. Das Netz bie-tet den Teil- und Gegenöffentlichkeiten in dieserkomplexen Situation zusätzliche öffentliche Bühnen an.

Auch im digitalen Raum sind zwei Dimensionen von Öf-fentlichkeit zu erkennen (Plake et al. 2001): einer zivilge-sellschaftlichen, durch Bürgerinteressen konstituiertenDimension, die initiativ Themen, Argumente und Positio-nen aufbringt, steht die Dimension der „Rechtfertigung“bereits getroffener Entscheidungen gegenüber: Einerseitsverfolgen zivilgesellschaftliche Organisationen häufigdas Ziel, durch offene Kommunikation und teils unortho-doxe Methoden politischer Artikulation sowie durch dieBereitstellung ansonsten schlecht erreichbarer Informa-tionen neue Erkenntnisse und Urteile auf Seiten der Bür-ger zu ermöglichen, welche in der Folge zu aktivem Han-deln motivieren und zur Themensetzung für die politischeEbene beitragen sollen. Andererseits dienen viele Web-sites vor allem für repräsentative Zwecke und zur Eigen-werbung.

Die Netzöffentlichkeit ist nicht von anderen Öffentlich-keiten abgeschottet: „Die Vorstellung von einer Alternati-vität massenmedialer Öffentlichkeit auf der einen und In-ternetöffentlichkeit auf der anderen Seite entspricht nichtden tatsächlichen Entwicklungen. Es lassen sich Ver-flechtungen aufzeigen“ (Marschall 1998, S. 51). So agie-ren etablierte Medienanbieter im Netz und nutzen es zurRecherche für die eigene journalistische Arbeit. Die Öf-fentlichkeiten im Internet und massenmediale Öffentlich-keiten grenzen einander nicht aus, sondern sind Bestand-teil eines komplexen Systems, in dem die Bürger anverschiedenen Teilöffentlichkeiten partizipieren.

3.3 Deliberative Demokratie

Das Internet weist durch seine interaktive und offeneStruktur eine Affinität zu deliberativen Vorstellungen vonPolitik auf (Kettner 2004). Diese Sicht war prägend fürdie Diskussion um die demokratietheoretischen Poten-ziale des Internets in den 1990er Jahren (Kap. III.2.2).Meist finden im öffentlichen Raum lediglich „Debatten“statt, welche häufig im bloßen Schlagabtausch von Posi-tionen und Meinungen, in emotionaler Auseinanderset-zung oder zuweilen auch in Polemik bestehen. Demokra-tietheoretisch ist jedoch die Öffentlichkeit normativ auchdadurch charakterisiert, dass argumentationsgeleitete Be-ratungen (Deliberationen) stattfinden sollen, um ihre de-mokratischen Funktionen erfüllen zu können. Die Beteili-gung an solchen Diskursen verlangt vom einzelnenBürger Reflexion, wohldurchdachte Kommunikationsbei-träge und ein Eingehen auf oppositionelle Meinungen,um Konsensmöglichkeiten auszuloten und verbleibendeDissense isolieren zu können. Sie unterstellt die Fähigkeitder Bürger, ihre Standpunkte rational zu begründen, sichmit anderen Bürgern über differente Standpunkte argu-mentativ auszutauschen und zu Klärungen – wenn auchnicht notwendigerweise zur Ausräumung der Differen-zen – zu kommen (Kettner 2004). Die Ausrichtung politi-scher Themenfindungs-, Meinungsbildungs- und Ent-scheidungsprozesse an öffentlichen Diskursen unter die-sem Anspruch charakterisiert deliberative Demokratie(Leggewie 2004).

In der deliberativen Demokratie wird „[…] der demokra-tische Raum […] als relativ herrschaftsfreier Diskurs-raum gedacht, in welchem Autorität vor allem durch dieGültigkeit, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft vonArgumenten erlangt wird und der Zwang besteht, im öf-fentlichem Gespräch Positionen zu vertreten, die sich amGemeinwohl orientieren müssen, damit sie breite Zustim-mung gewinnen“ (Leggewie 2002/2003, S. 102 f.). Alsdeliberativ werden jene Aspekte des politischen Prozes-ses bezeichnet, die Entscheidungen vor- und nachgelagertsind: diskursive, im Ideal mehrstufige und entscheidungs-orientierte Erörterungen öffentlicher Angelegenheiten inder Öffentlichkeit. Sprache ist dabei das wesentliche Me-dium. Die Hoffnung ist, dass öffentliche Deliberation eingeeignetes Meinungsbildungs- und Beratungsverfahrenauch (und gerade) für Entscheidungsalternativen ist, diedurch einen tiefen, gerechtfertigten und unvermeidbarennormativen (häufig moralischen) Dissens gekennzeichnetsind (Gimmler 2000). Individuelle Präferenzen werden inder öffentlichen Deliberation offen gelegt und öffentlichausgetauscht. Dadurch, dass hier nicht nur Experten undPolitiker, sondern auch die Betroffenen (argumentativ) zuWort kommen, wird erwartet, dass die Ergebnisse vonPolitik (Kettner 2004):

– für sich die Vermutung moralischer Integrität in An-spruch nehmen können,

– durchsichtiger hinsichtlich ihres Grades an Gemein-wohlorientierung sind,

– mehr Ansatzpunkte für die Wahrnehmung von Proble-men aufweisen und für Selbstkorrekturen offener sind,

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– Chancen für die Bildung politischer Urteilskraft bietenund

– die wechselseitige Achtung der Bürger als Freie undGleiche besser zum Ausdruck bringen.

Unter bestimmten Voraussetzungen und für bestimmteFragen verbessere daher Deliberation sowohl die Qualitätder Politikergebnisse als auch ihre Legitimation. Sie seidie bessere Methode im Vergleich zu traditionellen Ent-scheidungsverfahren, indem sie die Betroffenen zu Wortkommen lässt, Frustration abbaut, mehr Argumente ver-sammelt und dadurch die Qualität der Entscheidung ver-bessert, also eine „bessere Politik“ ermöglicht.

Demgegenüber werden jedoch auch Bedenken erhoben,dass dieses Konzept zu idealistisch sei. Es könnte sein,dass „[…] die Erörterung öffentlicher Angelegenheitenrasch an Grenzen [stößt], die durch die anspruchsvolleQualität der Kommunikation und den gewollten oder un-gewollten Ausschluss kommunikationsunwilliger Privat-leute gezogen sind“ (Leggewie 2002/2003, S. 103). Esfehlt manchmal nicht nur an der Bereitschaft für die Teil-nahme an deliberativen Prozessen, sondern auch an dennötigen informationellen und kommunikativen Vorausset-zungen. Die „starken Kriterien“ der Reziprozität delibera-tiver Kommunikation, wonach einzig die Kraft der vorge-tragenen Argumente in der Auseinandersetzung mitanderen Positionen zählen solle, sind in der Regel nichterfüllt. Die Verpflichtung auf das „Gemeinwohl“ kann ei-nerseits eine ideologische Verschleierung von partikula-ren Interessen und Elite-Entscheidungen sein (Dahl1989), andererseits kann die Artikulation von Eigeninte-ressen in Deliberationsprozessen durchaus legitim undangebracht sein. Auch wird die gelegentlich geforderteKonsensorientierung der deliberativen Demokratie alsüberzogen betrachtet. Deliberation kann, muss aber nichtnotwendig auf volle Übereinstimmung hinauslaufen. Eskann ebenso legitim und wertvoll sein, wenn ein Konfliktnicht gelöst, wohl aber geklärt und womöglich dadurchsogar verschärft wird.

Onlinemedien bieten die Möglichkeit, Diskurse zwischenentfernten und zeitversetzt kommunizierenden Teilneh-mern zu organisieren. Bürgerversammlungen, Media-tionsverfahren, Bürgerforen und Expertenanhörungenkönnen auch online veranstaltet werden. Die Frage, durchwelche spezifischen Funktionen und Mechanismen dasInternet es fördern kann, dass sich politische Positionendeliberativ einander annähern, gilt in der deutschen De-batte aber nach wie vor als ungeklärt (Heim et al. 2003).In Deutschland wurde die Frage, wie sich das Internet aufdie Deliberationsfähigkeit demokratischer Öffentlichkeitauswirkt, bislang vor allem mit Blick auf internetbasierteinnerparteiliche Mitbestimmung (z. B. „virtueller Partei-tag“) untersucht (z. B. Bubeck/Fuchs 2001; Rogg 2001).

Auch die lokale Nutzung des Netzes für politische Kom-munikation und bürgerschaftliches Engagement zur Fort-entwicklung digitaler Demokratie sind von wachsenderBedeutung: Viele der in den letzten Jahren entstandenenInformations-, Kommunikations- und Aktionsplattformenim Internet sind Produkte bürgerschaftlichen Engage-

ments (s. a. Kap. IV.2.2). Betreiber, Programmierer, Au-toren und Techniker erbringen den größten Teil ihrerLeistungen für politische Projekte im Internet auf ehren-amtlicher Basis. Auch in konkreten politischen Entschei-dungen bestehen Möglichkeiten zur deliberativen Bürger-beteiligung durch neue Medien. Hier ist die Nutzungbürgerschaftlicher Expertise für Planungs-, Mediations-oder Gesetzgebungsverfahren zu nennen. Weitere Ak-teure sind die mittlerweile zahlreichen regionalen „Bür-gernetze“, die sich um die kleinräumige „Verkabelung“von Landkreisen, Kommunen oder Stadtvierteln küm-mern (seit neuerem auch auf W-LAN-Basis) und einengroßen Beitrag zur Verbreitung digitaler Medienkom-petenz leisten. Nicht selten unterstützen diese nichtkommerziellen Internetprojekte bestehende Angebote öf-fentlicher Informationsdienstleister, fügen deren Leis-tungsspektrum neue Facetten hinzu und dienen politi-schen Akteuren als Beispielgeber.

Experimente mit deliberativen Meinungsumfragen, digi-talen Planungszellen und virtueller Konfliktmediationzeigen, dass Onlinekommunikation bei entsprechenderModeration ausgezeichnete Ergebnisse zeitigen kann.Dies verdeutlicht sowohl das Potenzial des Internets in ei-ner deliberativen Demokratie als auch die Tatsache, dassbestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen, um dasPotenzial zu realisieren.

Diese Bedingungen – hierzu gehören neben der erwähn-ten Moderation auch eine gute Vor- und Nachbereitungsowie eine adressatenentsprechende Informationsbereit-stellung und -aufbereitung – scheinen auf den erstenBlick einfacher zu erfüllen zu sein, wenn deliberativeVerfahren auf lokale Fragestellungen beschränkt werden,also auf Gegenstände, die eine abgegrenzte Region undeine überschaubare Zahl von Beteiligten betreffen. Weit-gehend Übereinstimmung in Politik und Wissenschaftenbesteht daher darüber, dass der kommunalen Ebene be-sondere Bedeutung hinsichtlich der digitalen Demokratiebeizumessen ist. Dies hat sich sowohl in den politischenFörderaktivitäten (Kap. IV) als auch in der empirischenForschung (Holtkamp 2002; Westholm 2002) niederge-schlagen. Auch hinsichtlich der demokratietheoretischenImplikationen der verstärkten staatlichen Nutzung des In-ternets für bürgerschaftliche Partizipation wird der kom-munalen Ebene – als dem „Hauptexperimentierfeld“ fürinternetgestützte Partizipation – oft besondere Beachtunggeschenkt. Ein nahe liegendes Feld für Bürgerbeteiligungist sie, weil bei lokalen Angelegenheiten das Interesseund die Kompetenz von Bürgern als besonders hoch ein-geschätzt werden. Allerdings wird dabei oft eine bislangsuboptimale Ausschöpfung der Potenziale netzbasierterKommunikation festgestellt (Hart/Pflüger 2004; InitiativeeParticipation 2004), oder es wird die eigentliche Stärkedes Internets in diesem Bereich eher in begleitendenInformationsangeboten zu herkömmlichen Partizipations-verfahren gesehen denn in der Ermöglichung neuer Parti-zipationsverfahren (Holtkamp 2002). Anhand der Erfah-rungen auf kommunaler Ebene (vgl. Hart/Pflüger 2004)lassen sich auch die bekannten und zentralen Problemeder digitalen Demokratie beleuchten. Hierzu gehören vorallem soziale Schieflagen bei der Zusammensetzung der

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Teilnehmer (z. B. Trénel et al. 2001) und die Tatsache,dass – wie etwa viele Themen der „lokalen Agenda 21“eindrucksvoll gezeigt haben – scheinbar auf lokale Di-mensionen und Akteure begrenzte Fragen häufig weitausgreifende, nicht selten globale Konsequenzen haben,die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, und die die Be-arbeitung lokaler Fragestellungen erheblich erschweren.

4. Transnationale Demokratiepotenziale des Internets

Fragen der Art, was Demokratie auszeichnet, in welcherWeise von einer demokratischen Öffentlichkeit gespro-chen werden kann, und welche Rolle hierbei das Internetspielen kann, stellen sich im transnationalen Bereich indeutlich anderer Weise als im innerstaatlichen Bereich(hierzu und zum Folgenden Winter/Groinig 2004).

4.1 Globalisierung, transnationale Politik und das Internet

Die immer stärker global agierende Wirtschaft, zuneh-mende Migration und Mobilität in Beruf und Freizeit,globale Umweltveränderungen, international vernetzterTerrorismus und zahlreiche andere Phänomene werdenheute unter dem Begriff der Globalisierung zusammenge-fasst. Damit verbunden ist häufig die Einschätzung, dassnationale Politiken an Gestaltungsspielraum verlieren,zumindest aber stärker die transnationalen Entwicklungeneinbeziehen müssen. In der globalen Netzwerkgesell-schaft (Castells 2001a) muss die Frage nach der Rolle dertraditionellen Nationalstaaten neu beantwortet werden.Ansätze zu einer „global governance“ sind Antworten aufdiese Veränderungsprozesse, die sich auch als „Glokali-sierung“ begreifen lassen, in der das Lokale – vor demHintergrund der Globalisierung – wieder stärkeres Ge-wicht bekommt. Auch konkrete internationale Strategiender Problemdiagnose und Problemlösung wie etwa derIPCC-Prozess (Intergovernmental Panel on ClimateChange) und die Kyoto-Folgeverhandlungen in der inter-nationalen Klimapolitik oder der Internationale Wäh-rungsfonds (IWF) stellen Reaktionen auf bestimmte As-pekte der Globalisierung dar. Unterschiedliche politischeKulturen müssen in derartigen Institutionen und Prozes-sen beachtet werden, wozu in erheblichem Umfang trans-nationale Kommunikation erforderlich ist. Globalisie-rungsskeptiker sind sich mit den Optimisten darin einig,dass der Grad der Vernetztheit zwischen Kontinenten,Staaten und Individuen steigt und weiter steigen wird.Der Bedarf nach einer transnationalen demokratischenÖffentlichkeit steigt in gleichem Maße.

Die Globalisierung hat auch erhebliche kulturelle Impli-kationen: „Das Internet ist Medium und Gegenstand einer‘Globalisierung’, die nicht auf wirtschaftliche Vorgängebeschränkt ist, sondern eine kulturelle Kerndimensionaufweist und den politischen Prozess in all seinen Aspek-ten ergriffen hat“ (Leggewie 2003, S. 119). Individuenmüssen sich in einem globalen Bedeutungssystem zu-rechtfinden und ihre Identitäten und Standpunkte darinverorten. Graduell verlieren klassische räumliche Bezüge(lokal/regional/national) an Bedeutung („Deterritoriali-

sierung“; TAB 2001); stattdessen müssen die eigenen kul-turellen Kategorien und Bedeutungsmuster vermehrt inBeziehung zu anderen kulturellen Bedeutungssystemengesetzt werden. Individuelle Identität und die kollektivenIdentitäten von staatlichen, regionalen oder institutionel-len Zusammenschlüssen werden im Spannungsfeld zwi-schen den traditionellen lokalen Bezügen und den neuenglobalen Kontexten gebildet, mit möglicherweise weitrei-chenden kulturellen Folgen.

Die Globalisierung ist ohne moderne Informations- undKommunikationstechnik, vor allem EDV, Mobilfunk undInternet, nicht denkbar. Auch die internationale Politikund transnational arbeitende Organisationen sind aufdiese Medien angewiesen. Hier ergibt sich die Frage, in-wieweit die neuen Medien, insbesondere das Internet,auch zur Ausbildung einer transnationalen demokrati-schen Öffentlichkeit beitragen können oder bereits beige-tragen haben. Zumeist werden hier die Möglichkeiten derkostengünstigen, entfernungsunabhängigen und schnellenInformationsverbreitung und die Interaktivität als förder-liche Faktoren genannt, aber auch die mangelnde Regu-lierbarkeit und damit ein gewisser „subversiver“ Charak-ter des Internets. Mit den neuen Medien ist auch dieHoffnung verbunden, dass infrastrukturell benachteiligteund kaum an die Trends in den globalen Metropolen an-gebundene Regionen stärker integriert werden.

Die Fragen nach den Potenzialen des Internets zur He-rausbildung von globalen Öffentlichkeiten wird in denwissenschaftlichen Diskussionen zum großen Teil unterdem begrifflichen Dach der „Zivilgesellschaft“ geführt,wie sie seit dem Weltgipfel von Rio (1992) auch Bestand-teil des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung ist(Kopfmüller et al. 2001). Die Idee einer globalen Zivilge-sellschaft bezieht sich auf soziale Bewegungen, Nicht-regierungsorganisationen (NGOs) und Netzwerke vonBürgern, die über nationale Grenzen hinweg unter ge-meinsamen Zielsetzungen operieren (Kaldor 2003).NGOs erzeugen Bausteine einer transnationalen öffentli-chen Sphäre, in der sie Mitglieder aus verschiedenen Län-dern für ihre Anliegen mobilisieren können. Dabei habensie es in gewisser Weise leichter als Regierungen. Dennsie können sich auf bestimmte Themen („issues“) fokus-sieren und territoriale Fragen außen vor lassen, währendpolitische Akteure einerseits ihren Wählern gegenüberverpflichtet und deshalb an räumliche Bezüge gebundenbleiben (Wahlkreise, Staatsgebiete) und andererseits ein-zelne Maßnahmen und Themen stets im Kontext des Gan-zen sehen müssen.

Das Internet hingegen ist bereits in seiner Struktur daraufausgelegt, dass staatliche Grenzen keine Rolle spielen.Prinzipiell sind beliebige globale Informations-, Kommu-nikations- und Deliberationsvorgänge möglich. Diesetechnischen Gegebenheiten haben zu vielerlei Hoffnun-gen geführt, dass das Internet zu einem neuen Kosmo-politismus beitragen könne und dass sich die Teilung inZentrum und Peripherie auflösen könnte, weil im Netzalle Orte gleichberechtigt seien und dass dadurch globaldie Ausrichtung am Gemeinwohl und an einer demokrati-schen Konsensfindung gefördert werden könnte (Winter/Groinig 2004).

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Der Realisierung dieses Potenzials stehen jedoch erhebli-che Hindernisse entgegen. Ein ganz entscheidendes Hin-dernis ist, dass die Zugangschancen zum Internet drama-tisch ungleich verteilt sind. So gibt es zum einen nicht dienötige globale Infrastruktur. Bestimmte kulturelle Räumesind in das digitale Netzwerk weitaus weniger eingebun-den als die klassischen industrialisierten Länder (Nord-amerika, Europa, Teile von Asien). Von einem weltum-spannenden transnationalen digitalen Raum kann dahernicht gesprochen werden. Regionen, die nicht an das Netzangeschlossen sind, sind sozusagen digital nicht existentund bilden damit auch in ökonomischer Hinsicht„schwarze Löcher des informationellen Kapitalismus“(Castells 2002, S. 396). Vor allem der afrikanische Kon-tinent ist auf dem Internetglobus kaum präsent. ImGegensatz dazu weisen globale Metropolen Hyperkon-zentrationen von informationeller Infrastruktur mit ent-sprechenden Ressourcen auf. Es existieren geographischeKommunikationsverdichtungen. Zum anderen sind selbstdort, wo die technischen Voraussetzungen erfüllt sind, dieZugangschancen innerhalb der jeweiligen Bevölkerungenungleich verteilt. Transnationale Internetkommunikationkönnte damit sogar desintegrative Effekte durch die Ver-tiefung der digitalen ebenso wie der zivilisatorischenSpaltung haben (Siedschlag 2004).

Eine weitere Differenz zur Situation innerhalb eines de-mokratischen Staates in Bezug auf den Aufbau einer de-mokratischen Öffentlichkeit besteht transnational darin,dass auf globaler Ebene nur relativ wenige Staaten denbasalen Kriterien einer Demokratie entsprechen, ge-schweige denn, dass sie ein Interesse an oder die Mög-lichkeit zu deliberativer Onlinedemokratie haben. In Be-zug auf undemokratische Systeme gibt es Hoffnungen,dass die schlechte Regulierbarkeit und die Offenheit desInternets in einem „guten Sinne“ subversiv wirken, dendemokratischen Kräften Gelegenheiten zur Vernetzungmit internationalen Gruppen geben und das Informations-monopol diktatorischer Systeme unterlaufen könnte.Diese Hoffnungen haben sich in Teilen bereits andeu-tungsweise erfüllt (z. B. im Nahen Osten). Die Internet-nutzung ist jedoch in vielen Diktaturen (z. B. in China)stark beschränkt. In der Regel ist jedoch durch das Inter-net jede Form von Geheimhaltung schwieriger geworden.Auf der anderen Seite ist auch zu beachten, dass der inobigem Sinne potenziell subversive Charakter des Inter-nets eine Kehrseite hat: Auch terroristische Gruppen wieAl-Kaida können es zur weltweiten Vernetzung und zurInformations- und Ideenverbreitung nutzen.

4.2 Transnationale Internetöffentlichkeiten

Netzgestützte Kommunikation kann zur Konstituierungtransnationaler Öffentlichkeit besonders dann beitragen,wenn gemeinsam interessierende Themen von räumlichgetrennten Kommunikationsgemeinschaften behandeltwerden müssen. Dies ist in der Europäischen Union derFall (Kap. IV.1). EU-weite Themen (z. B. die Bewälti-gung der EU-Erweiterung, eine gemeinsame Außen- undSicherheitspolitik, bioethische Konflikte oder die Chemi-kalienregulierung) sind relevant auch über die Grenzen

der Mitgliedstaaten hinweg. Die Diskussion solcher The-men kann immer weniger durch räumlich (regional odernational) zusammenhängende Kommunikationsgemein-schaften erfolgen, sondern bedarf themen- oder politik-feldbezogener europäischer Teilöffentlichkeiten als de-mokratische Unterstützung für europäische Gesetzgebungund europäisches Regieren.

Vor diesem Hintergrund ist interessant, dass die europäi-schen Parteien sich vor allem auch dank ihrer Webpräsen-zen aus dem Schlaglicht der nationalen Parteien zu lösenbeginnen und eigene Perspektiven auf Europa mit gestei-gerter Breitenwirkung vertreten (Siedschlag 2004). Wenndiese Entwicklung dazu führt, dass Bürger in nationalenÖffentlichkeiten netzbasiert über die gleichen europäi-schen Probleme sprechen, steigt die Wahrscheinlichkeit,dass sie auch grenzüberschreitend mit ihren europäischenMitbürgern über diese grenzüberschreitenden Problemesprechen (Clemens 2001, S. 242). Da es bislang keine ei-gentliche „europäische“ Öffentlichkeit gibt, die ähnlichweit entwickelt wäre wie die nationalen Öffentlichkeiten,wird dem Internet hier oft eine wichtige Rolle zugespro-chen. Inwieweit das Netz diese Rolle aktuell und in Zu-kunft spielen kann, wird in letzter Zeit wissenschaftlichverstärkt untersucht. Da dieser vermutete Effekt sich je-doch höchstwahrscheinlich auf spezifische Themen oderPolitikfelder und somit auf Fachöffentlichkeiten be-schränken würde, wäre er für die grenzüberschreitendeIntegration von ganzen Kommunikationsgemeinschaften(für „die“ europäische Öffentlichkeit) nur ein ersterSchritt. Eine größer angelegte empirische Untersuchung(Koopmans/Zimmermann 2003) kam zu dem Ergebnis,dass durch das Internet, zumindest wenn Suchmaschinenverwendet werden, ähnlich wie bei traditionellen Print-medien vor allem nationale Akteure und Themen öffentli-che Sichtbarkeit erlangen.

Im globalen Rahmen entfalten sich die genannten Poten-ziale des Internets am besten; hier stellen sich aber auch– vor allem aufgrund der digitalen Spaltung zwischen rei-cheren und ärmeren Ländern – die größten Hindernisse.Zwar zeigen die Staaten der „Dritten Welt“ deutliches In-teresse daran, am Entstehen einer globalen Informations-gesellschaft beteiligt zu werden, was sich z. B. anlässlichdes zweiteiligen Weltgipfels zur Informationsgesell-schaft (WSIS) gezeigt hat, dessen zweites „Segment“ imNovember 2005 in Tunis stattfinden wird (s. a. Sied-schlag 2004).7 Und auch verschiedene NGOs aus „demSüden“ und entwicklungspolitische Organisationen set-zen große Hoffnungen in die Internetkommunikation undnutzen das Netz bereits in vielfältiger Weise für ihre Zwe-cke. Angesichts des aktuellen Entwicklungsstands in die-sem Bereich kann jedoch von der Existenz einer (realenoder virtuellen) Weltöffentlichkeit keine Rede sein(Tobler 2001).

7 Das TAB wurde vom Deutschen Bundestag beauftragt, im Jahr 2006einen Bericht zum Thema „Internetkommunikation in und mit Ent-wicklungsländern. Chancen für die Entwicklungszusammenarbeitam Beispiel Afrika“ vorzulegen. Im Rahmen dieses TA-Projekts wirdauch der WSIS-Prozess untersucht.

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Jedoch gibt es vor dem Hintergrund politischer, wirt-schaftlicher und kultureller Bedrohungen durchaus spe-zifische und auf konkrete Themen bezogene transnatio-nale Öffentlichkeitssphären, die Aufmerksamkeit über dieeigenen nationalen Interessen hinaus erzeugen (Beck2003). Hierfür liefert das Internet die adäquaten techni-schen Möglichkeiten der Mobilisierung von Aufmerk-samkeit und der Verbreitung von Informationen (vgl. dasBeispiel der mexikanischen Zapatisten in Kap. V). An-lassbezogene transnationale Netzöffentlichkeiten bildensich auch zur zivilgesellschaftlichen Teilnahme an Gip-felveranstaltungen wie dem WSIS oder in der Koordina-tion von internationalen Protestbewegungen zu solchenVeranstaltungen. Von den Aktivisten wird aber nicht sel-ten beklagt, dass sich dabei die digitale Spaltung zwi-schen „Nord und Süd“ fortschreibt, da die NGOs aus denärmeren Ländern zumeist über deutlich weniger Ressour-cen und Kapazitäten für die netzbasierte Kommunikationverfügen als die Aktivisten aus „dem Norden“.

Allerdings versorgt stetiges Engagement insbesonderevon NGOs interessierte Teilöffentlichkeiten – häufig kon-stituiert durch individuelle und nur informell oder garnicht vernetzte Bürger – mit Informationen zu globalenProblemlagen und Missständen. Diese können sich poten-ziell entweder aktiv an der Konstruktion von politischerNetzöffentlichkeit beteiligen oder die politischen Ange-bote einfach rezipieren und sie in ihrer individuellenIdentitätsbildung und politischen Meinungsbildung be-rücksichtigen. Während nationalstaatliche Akteure aufdem internationalen Parkett üblicherweise mit Blick aufihr nationales Publikum agieren, ist es transnationalenNGOs auf diese Weise gelungen, Ansätze zu einer globa-len Öffentlichkeit zu schaffen. Da zivilgesellschaftlicheAkteure keine exekutiven Vollmachten haben, hat eineentsprechende transnationale (virtuelle Netz-)Öffentlich-keit aber vor allem die Aufgabe der Themenfindung undder koordinierten Themenartikulation (s. a. Kap. V).

5. Politische Potenziale netzbasierter Kommunikation und Ansätze zu ihrer Realisierung

Die wissenschaftliche Analyse hat zunächst klar die posi-tiven Potenziale der Internetnutzung für die politischeKultur in den Vordergrund gestellt. Angesichts unbefrie-digender Entwicklungen in den westlichen Demokratien(wie „Politikverdrossenheit“, Wahlmüdigkeit und der Le-gitimationsprobleme des repräsentativen Demokratiemo-dells in zunehmend weniger hierarchisch strukturiertenGesellschaften) erschien in der wissenschaftlichen, aberauch der politischen Diskussion – in der diese Phase im-mer noch stark nachwirkt (Kap. IV) – das Internet oft alsKönigsweg der Problemlösung. Neue interaktive Kom-munikations-, Deliberations- und Partizipationsmöglich-keiten wurden als Chancen zur Wiederbelebung der De-mokratie gesehen.

Im Zuge weiterer Analysen und erster empirischer For-schungsergebnisse zur politischen Nutzung des Netzesfolgte jedoch Ernüchterung. Der Technikdeterminismus,nach dem bereits das Angebot neuer Technik ausreichen

würde, um neue Formen politischer Kultur zu begründen,erwies sich als eindimensional und naiv. Denn die Reali-sierung der Potenziale des Internets stellt sich nicht vonselbst ein, sondern bedarf eines expliziten Gestaltungs-prozesses. Nicht Technik löst die Probleme der Demokra-tie, sondern Technik kann von gesellschaftlichen Akteu-ren eingesetzt werden, um die Probleme zu lösen. Auchist das Internet nicht nur Problemlöser, sondern auch Ver-stärker vorhandener oder Verursacher neuer Probleme(z. B. von Zugangsproblemen).

Aktuelle Konzepte – z. B. die „digitale Demokratie“ – be-tonen die Möglichkeit der Intensivierung der Kommuni-kation zwischen Bürgern untereinander und Bürgern unddem politischen System, ohne dabei gleich die Lösungder großen Probleme der Demokratien zu erwarten. Siesetzen auf mittel- und längerfristige Entwicklungen stär-kerer gesellschaftlicher Interaktivität, Responsivität undDeliberation unter Einschluss der Möglichkeiten des In-ternets zur Effizienzsteigerung von Kommunikation undInformationsversorgung.

Das Internet eröffnet als interaktives „Hybridmedium“(Kap. II) grundlegende Kommunikationsmöglichkeitenneu und ist damit auch demokratietheoretisch relevant.Dies betrifft vor allem die Konstituierung von Öffentlich-keit und Gegenöffentlichkeiten, sowie darüber hinaus dieMöglichkeiten der Information, Deliberation und Partizi-pation. Auch hier zeigt sich, dass Potenziale nicht vonselbst real werden, sondern dass ihre Realisierung ent-sprechender gesellschaftlicher Resonanz und Rahmenbe-dingungen sowie teils auch gezielter politischer Gestal-tung bedarf.

Im transnationalen Bereich deuten sich Entwicklungenan, die es rechtfertigen, auch von einem transnationalenDemokratiepotenzial des Internets zu sprechen. Sinddiesbezüglich im europäischen Bereich, wenigstens inTeilöffentlichkeiten und einigen Eliten, bereits konkreteVernetzungsaktivitäten und Onlinedeliberationen zu beob-achten, so wird das Internet im internationalen Bereichbislang vor allem in singulären Situationen genutzt, umProteste zu mobilisieren und zu koordinieren, transnatio-nale Solidarisierungsaktionen in Gang zu setzen oder aufinternationale Organisationen direkt einzuwirken. Zivil-gesellschaftliche Akteure sind in der Regel die Vorreiterin diesen Prozessen. Nationalstaatliche und übergeord-nete demokratische Akteure stehen dadurch unter demDruck, sich ebenfalls an diesen Teilöffentlichkeiten zubeteiligen.

Die in diesem Kapitel skizzierten wissenschaftlichen Dis-kussionen und politischen Debatten haben verschiedeneLeistungen des Internets für die Demokratie thematisiert– vor allem als wünschenswerte Beiträge zu einer stärkerdeliberativen Demokratie. Diese vor einem normativenHintergrund formulierten Potenziale lassen sich – mitaufsteigender demokratietheoretischer Relevanz – nachden Schlagworten Information, Kommunikation und Par-tizipation gruppieren und führen damit in das Feld der inden folgenden Kapiteln dargestellten vertiefenden Unter-suchungen hinein.

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(1) Information: Das Internet erhöht ohne Zweifel die In-formationsbeschaffungs- und -verbreitungsmöglichkei-ten für Akteure auf allen Ebenen. Information als Voraus-setzung einer freien Meinungsbildung des Bürgers wirdnational und international leichter verfügbar. Ist dies zu-nächst nur ein quantitativer Effekt, so kann er jedoch an-gesichts der Dimensionen, in denen Information weltweitschnell verfügbar geworden ist, in einen qualitativen Ef-fekt umschlagen – mit erheblichen Folgen für demokrati-sche Politik und deren kulturellen Grundlagen. Dies kannan den Stichworten der Transparenz und der Möglichkeit,sich Gehör zu verschaffen, verdeutlicht werden. So kannz. B. heute prinzipiell über das Internet ein Gesetzge-bungsverfahren unter Einbezug aller Expertisen und Be-ratungsschritte völlig transparent erfolgen und zwar aufeine Weise, in der sich die Bürger zeitnah in jedem Sta-dium des Verfahrens über den Stand der Dinge informie-ren, entsprechende Dokumente einsehen und sich dazufundiert ihre eigene Meinung bilden können. Weiterhinsenkt, als ein völlig anderer Effekt, das Internet dieSchwelle, sich mit unkonventioneller Information an eta-blierten Medien vorbei Gehör zu verschaffen – oder zu-mindest die Voraussetzung zu schaffen, um Gehör zu fin-den, nämlich entsprechende Information an allgemeinzugänglicher Stelle im Internet zu platzieren. Sowohl In-formationsverbreitung und -beschaffung können vomBürger direkt vorgenommen werden. Auf diese Weisestellt der Informationsaspekt eine Voraussetzung allerweitergehenden demokratietheoretischen Hoffnungen inBezug auf das Internet dar. Allerdings ist zu beachten,dass die Nutzung entsprechender Potenziale nur unter derVoraussetzung eines entsprechend internetkundigen undmedienkompetenten Bürgers möglich ist, und dass zur In-ternetkundigkeit nicht nur gehört, Suchmaschinen effi-zient bedienen, sondern auch mit den erlangten Informa-tionen kompetent umgehen zu können.

(2) Kommunikation: Über den reinen Informationsaus-tausch hinaus ermöglicht das Internet auch die Kommuni-kation entfernter und möglicherweise zeitversetzt arbei-tender Akteure. Interaktive Angebote können auch dasKommunikationsdefizit zwischen Politik und Bürgern ab-bauen. Ansätze zur Realisierung der Potenziale des Inter-nets zeigen sich bei der Netznutzung durch NGOs undsoziale Bewegungen sowie, in gewisser Weise komple-mentär dazu, in der Förderung deliberativer Formen derDemokratie. Im Internet findet mittlerweile eine unüber-schaubare Fülle von Mobilisierungen, Protesten und Ak-tionen statt (Kap. V). Die Nutzung des Internets durchpolitische Institutionen (Kap. IV) kann, so die demokra-tietheoretische Hoffnung, zu einem eher deliberativen Po-litikstil beitragen, auch wenn sich die Praxis staatlicherAkteure in diesem Bereich vielfach noch in der Experi-mentierphase befindet.

(3) Partizipation: Über die Deliberation im Vorfeld vonThemenfindung („Agenda-Setting“) und Entscheidungs-prozessen hinaus stellt Partizipation einen Schlüssel-begriff in der demokratietheoretischen Diskussion derletzten Jahrzehnte dar. Partizipation bezeichnet die Teil-nahme an politischer Kommunikation, um – eingebettetin politische Meinungsbildungs- und Entscheidungspro-

zesse – gezielt politische Sach- und Personalentscheidun-gen zu beeinflussen oder unmittelbar an solchen Ent-scheidungen mitzuwirken (Siedschlag et al. 2002). Durchdas Internet wird eine Erleichterung der Partizipation ampolitischen Alltag erwartet, da Bürger nun weit häufigersowohl Empfänger als auch Sender von politischen Bot-schaften sein können (Interaktivität). Die Bedeutung derdigitalen politischen Öffentlichkeiten in Bezug auf Parti-zipation wird gegenwärtig vor allem darin gesehen, dassin ihnen die Themen ausgehandelt werden, mit denen sichdann Politik und Experten näher befassen sollen. Exper-ten liefern dann – möglicherweise rückgekoppelt mit derdigitalen Öffentlichkeit über Onlinediskurse – die wissen-schaftliche Basis für die politische Entscheidungsfin-dung. Die Netzöffentlichkeit kann demnach ein Platzsein, an dem politische Partizipation durch die Einbin-dung von Bürgern in Onlinediskurse stattfindet und sichvor allem in der Mitgestaltung der öffentlichen Agendaund der gesellschaftlichen Problemwahrnehmung äußert.

Die Kapitel IV und V greifen diese potenziellen Funktio-nen des Netzes für eine lebendige Demokratie auf. Vordem Hintergrund des normativen Modells deliberativerDemokratie (Kap. III.3.3) wird analysiert, inwieweit diePraxis politischer Internetkommunikation verschiedenerAkteure bereits den bestehenden Erwartungen entspricht.Dabei wird auch untersucht, welche hemmenden und för-dernden Faktoren die Realisierung der Potenziale dernetzbasierten Kommunikation beeinflussen. Diese Ursa-chenanalyse – soweit sie sich angesichts einer beschränk-ten Datenlage schon durchführen lässt – ist sodann derAusgangspunkt zur Erarbeitung von politischen Hand-lungsmöglichkeiten.

IV. Politische Institutionen und Netz-öffentlichkeit – Auf dem Weg in die digitale Demokratie?

Durch das Internet sind neue Möglichkeiten der politi-schen Kommunikation zwischen Politik und Bürgern ent-standen. Unterscheiden lassen sich „Government-to-citi-zen (G2C)“-Kommunikation, „Citizen-to-government(C2G)“-Kommunikation und „Onlinedialog“: Bei derG2C-Kommunikation handelt es sich um ein neues Ele-ment politischer Information und Öffentlichkeitsarbeit.C2G-Kommunikation eröffnet Bürgern neue Möglichkei-ten zur politischen Artikulation gegenüber staatlichenAkteuren. Und beim Onlinedialog (C2G plus G2C)kommt es zu einem Austausch zwischen Politik und Bür-gern. Diese Nutzungsweisen des Internets gehen über diehorizontale Kommunikation zwischen Bürgern („Citizen-to-citizen“- bzw. „C2C“-Kommunikation) hinaus undleisten damit einen spezifischen Beitrag zur politischenNetzöffentlichkeit. Auf staatlichen Websites können allevier genannten Kommunikationen stattfinden.

Die Bedeutung staatlicher Akteure für die Gestaltung derpolitischen Netzöffentlichkeit erschöpft sich allerdingsnicht in eigenen Angeboten zur Onlinekommunikation,sondern umfasst zudem deren Regulierung und Förde-rung. Zu nennen sind hier vor allem die Setzung rechtli-cher Rahmenbedingungen der Internetnutzung sowie die

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finanzielle Förderung (Kap. IV.2.2) oder sonstige Unter-stützung von privaten Beiträgen zur Netzöffentlichkeit(wie z. B. durch die Bereitstellung von politischer Infor-mation, die Verlinkung eigener Webangebote mit denenDritter sowie die Teilnahme von Politikern an Foren,Chats etc. privater Anbieter).

In diesem Kapitel steht jedoch die netzöffentliche politi-sche Kommunikation auf staatlichen Websites im Mittel-punkt und dabei speziell die Onlinediskussion (im Gegen-satz z. B. zu Onlineumfragen und zur E-Mail-Einreichungvon Stellungnahmen zu Konsultationsthemen). Gefragtwird zum einen nach den Erfolgsbedingungen und Quali-täten der Onlinediskussionen und zum anderen nach de-ren Bedeutung im Rahmen der E-Demokratie-Strategienausgesuchter Akteure (in Deutschland, Großbritannienund auf EU-Ebene). Zu beachten ist dabei, dass staatlicheOnlinediskussionsangebote (und insbesondere solche miteinem starken partizipatorischen Anspruch) zumindest inEuropa immer noch selten sind (OECD 2003; van Auden-hove et al. 2005) und dass zum Teil große Unterschiedezwischen den Herangehensweisen und den politischenSystemen bestehen. Für eine vertiefte Analyse der Pers-pektiven digitaler Demokratie wird hier daher derSchwerpunkt auf eine Gegenüberstellung der Entwick-lung in Deutschland und Großbritannien (Kap. IV.2 u.IV.3) gelegt. Das Vereinigte Königreich bietet sich dafürzum einen an, weil dort bereits eine ganze Reihe interes-santer Erfahrungen mit digitaler Demokratie gemachtwurde. Zum anderen handelt es sich bei Deutschland undGroßbritannien um Länder, die in vielerlei Hinsicht Ähn-lichkeiten – aber auch relevante Differenzen in den politi-schen Systemen – aufweisen. Zumindest ansatzweise sollalso vergleichend dargestellt und analysiert werden, wiesich in beiden Ländern die digitale Demokratie seit den1990er Jahren entwickelt hat. Eingeleitet wird das Kapiteldurch einen Blick auf die internationale politische Dis-kussion und die Aktivitäten der EU zur digitalen Demo-kratie (Kap. IV.1), wodurch auch supra- und transnatio-nale Aspekte der Thematik aufgegriffen werden.

Wesentliche Teile der Ausführungen und Einschätzungenin diesem Kapitel basieren auf Gutachten für dieses Pro-jekt (Bieber 2004; IZT 2005; Neuberger et al. 2004;Schönberger 2004a; Siedschlag 2004; Trénel 2004; Win-ter/Groinig 2004) sowie auf anderer einschlägiger For-schung (wie z. B. ITA 2005).

1. Digitale Demokratie auf europäischer Ebene

Mittlerweile besteht in demokratischen Staaten weitge-hend Konsens darüber, das Internet und neue Medien aufallen Ebenen auch für einen intensiveren Dialog zwischenPolitik und Bürgern nutzen zu wollen. Durch netzbasierteKommunikation sollen die politischen Institutionen ver-stärkt die Anregungen und Interessen von Unternehmen,zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gruppen so-wie einzelnen Bürgern berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang sind u. a. die Leitbilder eines„aktivierenden Staates“, offenen und transparenten „gu-ten Regierens“ („good governance“), einer „partizipati-

ven Demokratie“, „interaktiven Politikgestaltung“ und„aktiven Bürgergesellschaft“ relevant (z. B. BMI 2004;Bundesregierung 1999 u. 2005b; EU-Kommission2001b). Anvisiert werden durch sie eine neue Rolle desStaates, ein verstärktes bürgerschaftliches Engagementsowie ein intensiverer Austausch zwischen Politik undBürgern. Hinsichtlich des zuletzt genannten Punkts wirdzum einen die Einbeziehung von Bürgern in die Politik-gestaltung angestrebt, mit dem Ziel, dabei bisher brach-liegende gesellschaftliche Wissensressourcen zu aktivie-ren. Zum anderen besteht die Hoffnung, durch neueMedien auch die politische Information und Teilhabe be-stimmter Gruppen der Bevölkerung (z. B. Jugendliche)zu verbessern. Die genannten Leitbilder, übergreifendenHandlungsziele und Ideale haben gemein, dass sich in ih-nen ein neues Verständnis des Verhältnisses von Gesell-schaft und politischem System ausdrückt, bei dem die Po-litik zum einen auf die Stimulierung und Ermöglichungbürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engage-ments setzen und zum anderen Ergebnisse dieses Engage-ments in den eigenen Meinungsbildungs- und Entschei-dungsprozessen aufgreifen soll. Bürgerbeteiligung undeine vitale Zivilgesellschaft sollen zudem eine wichtigeRolle bei der Schaffung einer „Europäischen Öffentlich-keit“ spielen.

Auch auf internationaler politischer Ebene werden dieChancen betont, die sich durch das Internet für eine Inten-sivierung der Kommunikation zwischen Politik und Bür-gern ergeben. Dies hat sich z. B. in Aktivitäten und Posi-tionsbestimmungen der G8, der OECD und desEuroparates niedergeschlagen (vgl. Europarat Minister-komitee 2004; G8 Government On-Line 1999; OECD2001 u. 2003; UN 2003 u. 2004). Eine viel zitierte Studieder OECD nennt als Beweggründe für eine verstärkteEinbindung von Bürgern sinkende Wahlbeteiligungenund Mitgliederzahlen von Parteien sowie Anzeichen füreinen Vertrauensverlust zentraler öffentlicher Institutio-nen (OECD 2001). Die Information, Konsultation sowiedas Engagement und die Partizipation von Bürgern be-wertet die Studie als Kernelemente guten Regierens undMittel zur Förderung von Offenheit und Transparenz. Re-gierungen könnten sich so neue Informationen und Res-sourcen erschließen sowie das Vertrauen der Bevölkerun-gen, deren bürgerschaftliche Kompetenz und die Qualitätder Demokratie erhöhen. Auch der Europarat spricht sichdafür aus, neue Medien und Informations- und Kommu-nikationstechnologien – und insbesondere das Internet –zur Stärkung und Weiterentwicklung der Demokratie inseinen Mitgliedstaaten zu nutzen. Erhofft werden von„E-Governance“ Verbesserungen der bürgerschaftlichenPartizipation auf allen politischen Ebenen, der Transpa-renz demokratischer Entscheidungsprozesse, der Respon-sivität öffentlicher Institutionen sowie der öffentlichenDeliberation politischer Themen. Der Europarat emp-fiehlt zudem Maßnahmen zur Bekanntmachung, fortlau-fenden Evaluation und zur kompetenten bürgerschaftli-chen Nutzung von staatlichen Onlinedialogangeboten zuergreifen (Europarat Ministerkomitee 2004).

Neue Medien werden in der internationalen politischenDiskussion also vor allem in einem zweifachen Sinn als

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wichtige Instrumente für ein besseres Regieren angese-hen: Zum einen erhalten die Bürger neue Möglichkeitender Information über politische Meinungsbildungs- undEntscheidungsprozesse sowie erweiterte, technisch mo-dernisierte Optionen, sich in diese einzubringen. Zum an-deren kann die Politik davon einen Zuwachs an Vertrauenseitens der Bürger erhoffen, einen besseren Zugang zu ge-sellschaftlichen Wissensressourcen sowie größere Kennt-nisse der vielfältigen politischen Interessenlagen.8

Die genannten weitreichenden Erwartungen prägen auchdie Programmatik der EU und nationaler Regierungen zudiesem Thema. Da diese Akteure aber zudem praktischeAktivitäten zur Onlinekommunikation zwischen Politikund Bürgern durchführen, die – gemessen an den pro-grammatischen Ansprüchen – oft suboptimal sind, hatsich eine bedenkliche Kluft zwischen Ideal und Wirklich-keit geöffnet, die als ein Dilemma digitaler Demokratieaufgefasst werden kann: Die politischen Akteure haltenan den – in den Jahren der Interneteuphorie erklärten –weitreichenden Zielen im Kern fest oder erweitern sie so-gar noch, versäumen es in der Praxis aber oft, die kleinenSchritte in Richtung dieser Ziele kontinuierlich und mitBedacht zu tun. Gewachsene Partizipationsansprüche(insbesondere gut informierter, technikaffiner und jungerBürger) sowie eine weit verbreitete Kritik an der Perfor-manz demokratischer Institutionen stoßen hier auf staatli-che Akteure, deren diesbezügliches Handeln zwar auchdurch die allgemeine Wahrnehmung eines Reform-bedarfs, vor allem aber durch institutionelle Behar-rungskräfte, gewachsene politische Kulturen, unklareKompetenzverteilungen, budgetäre Restriktionen und un-terschiedliche Demokratieverständnisse bestimmt wird.Welche Ausprägung das Dilemma in der E-Demokratie-Politik der verschiedenen Akteure hat und wie sie mitdiesem umgehen, wird im Folgenden zunächst für die EUdargestellt.

Die Aktivitäten der Europäischen Union (EU) zur digita-len Demokratie entwickelten sich in diesem Jahrzehnt– abgesehen von der Ebene der Projektförderung (s. a.Liikaanen 2004) – vor allem im Rahmen der Bemühun-gen (vgl. EU-Kommission 2001a u. b, 2002b u. c, 2004)um

– eine verbesserte Informations- und Kommunikations-strategie der EU (insbesondere vor dem Hintergrundder Erarbeitung des EU-Verfassungsvertrags und derErweiterung der Union),

– eine Reform der Arbeit der EU-Kommission (und da-bei insbesondere im Zuge der Initiative „e-Commis-

sion“, die sich auch auf den Aktionsplan „eEurope2005“ bezog) sowie

– neue Formen von „European Governance“ (und dabeivor allem im Kontext der Arbeiten an dem Weißbuch„Europäisches Regieren“).

Waren die 1990er Jahre in diesem Zusammenhang nochgeprägt durch die verstärkte Einbeziehung von Unterneh-men und (zunehmend auch) zivilgesellschaftlichen Orga-nisationen in Prozesse der EU-Politikgestaltung, hat inder neuen Dekade – zumindest auf Verlautbarungsebene –auch der Onlinedialog zwischen Politik und Einzelbürgeran Bedeutung gewonnen.

Von besonderem Interesse ist die EU-spezifische Ausprä-gung des Dilemmas digitaler Demokratie deshalb, weildie EU eigene Legitimationsdefizite nicht nur offen be-kundet hat, sondern zudem – erklärtermaßen und objek-tiv – unter solchen in einem sehr hohen Maß leidet:„Ebenso wie die Mitgliedstaaten bekommt die Europäi-sche Union das allgemeine Desinteresse an der Politikvoll zu spüren. Diese Krise der repräsentativen Demokra-tie tritt auf europäischer Ebene noch deutlicher zutage, dadie Legitimität der europäischen Institutionen für die Bür-ger nicht deutlich erkennbar ist. Die gegenwärtigen Um-stände mit ihren neuen Herausforderungen für die Uniontragen nicht zur Klärung der Verhältnisse bei, wie diejüngsten Referenden oder Wahlen zeigen“ (EU-Kommis-sion 2002c; s. a. Notre Europe 2002). Diese Einschätzungder Kommission aus dem Jahr 2002, die sie mit Blick aufdie bevorstehende Verhandlungen zur EU-Erweiterungund zum Verfassungsvertrag traf, wurde in den letztenJahren durch mehrere Umfragen bestätigt und dement-sprechend durch die Kommission und das Parlament auchmehrmals bekräftigt.

Im Folgenden sollen nun die thematisch relevanten pro-grammatischen Zielsetzungen und Festlegungen, das indiesem Zusammenhang zentrale Webangebot „YourVoice in Europe“ und aktuelle Entwicklungen im Bereichder Informations- und Kommunikationsstrategie der EUskizziert werden.

1.1 Onlinekommunikation und „partizipative Demokratie“

Im Europäischen Verfassungsvertrag von 2004 heißt eszum „Grundsatz der repräsentativen Demokratie“ (Arti-kel I-46), dass alle Entscheidungen so offen und bürger-nah wie möglich getroffen werden. In einem eigenen Ar-tikel (I-47) wird der „Grundsatz der partizipativenDemokratie“ festgeschrieben, der u. a. einen „offenen,transparenten und regelmäßigen Dialog“ mit der Zivilge-sellschaft und „umfangreiche Anhörungen von Betroffe-nen“ beinhaltet.

In den Jahren vor Abschluss der Arbeiten an dem Verfas-sungsvertrag erfolgte eine intensive Auseinandersetzungmit Fragen der Informations- und Kommunikationsstrate-gie der EU und den Möglichkeiten verstärkter organisiert-zivilgesellschaftlicher (EU-Kommission 2002a u. b) undbürgerschaftlicher Partizipation. Dabei spielte das Inter-net zum einen eine zentrale Rolle bei den konzeptionellen

8 Gewarnt wird dabei aber oft auch davor, das Internet direktdemokra-tisch einzusetzen und dadurch die Parlamente zu schwächen. So hatz. B. die Interparlamentarische Union (IPU) zwar bereits im Jahr2000 den Einsatz von Onlineforen, Mailinglisten und Internetumfra-gen vorgeschlagen und betont, dass es in der Natur von Parlamentenliege, offen für die Interaktion mit Bürgern zu sein. Es sei aber Vor-sicht bei der Implementierung angebracht, um zu verhindern, dasssich die Webpräsenz störend auf die normale Funktionsweise der In-stitutionen auswirkt.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/6015

Überlegungen und programmatischen Aktivitäten – ins-besondere in der Phase der Interneteuphorie. Zum ande-ren wurde das Internet in das Anhörungswesen der EU in-tegriert und kam auch als Infrastruktur für politischeDiskussion zum Einsatz – insbesondere zur Arbeit andem europäischen Verfassungsvertrag, zur Erweiterungder EU sowie allgemein zur Zukunft Europas.

Während in den 1990er Jahren die wenigen konzeptionel-len und praktischen Aktivitäten zur Partizipation (Chad-wick/May 2003) auf Unternehmen und – in geringerem,im neuen Jahrzehnt aber rasch zunehmendem Umfang –auf zivilgesellschaftliche Organisationen konzentriert wa-ren, rückte am Anfang des neuen Jahrzehnts also auch dereinzelne Bürger in den Mittelpunkt des Interesses. Das er-klärte Ziel war die Einbeziehung von Bürgern in den ge-samten Prozess der Politikgestaltung – mittels Nutzungverschiedener Möglichkeiten netzbasierter Kommunika-tion für den Dialog zwischen Bürgern und der Verwaltungder Kommission (EU-Kommission 2001a). Durch Nut-zung dieser Angebote sollten die Bürger ein wirklichesMitspracherecht („a real say“) erlangen. Entsprechenddem Zeitgeist dieser – durch die Interneteuphorie gepräg-ten – Jahre wurde den Websites der EU eine zentraleRolle für die Einbeziehung von Unternehmen, zivilgesell-schaftlichen Organisationen und Bürgern in Prozesse derPolitikgestaltung zugesprochen. Insbesondere Online-foren seien auf ihren Nutzen für die Politikgestaltung zuuntersuchen. Moderierte Onlineforen wurden als einmögliches Mittel dazu angesehen, spezielles Feedback zukonkreten Themen von relevanten „e-Communities“ ein-zuholen sowie deren Meinungen und Positionen zu diesenThemen zu beeinflussen. Seit Februar 2000 wurden imRahmen des so genannten „Dialogs über Europa“ (EU-Kommission 2001c), einer Initiative der Kommission,praktische Erfahrungen mit der Nutzung von Foren undChats für die Onlinekommunikation zwischen Politik undBürgern gesammelt.

Im Prozess der Vorbereitung des Weißbuchs „Europäi-sches Regieren“ (EU-Kommission 2001b) erfolgte eineintensive Auseinandersetzung mit Aspekten digitaler De-mokratie – mit Blick auf die Überwindung wahrgenom-mener Demokratiedefizite sowie auf Herausforderungen,die sich bei der Schaffung einer europäischen Öffentlich-keit ergeben. Auch in den Folgejahren förderte die Kom-mission verschiedene wissenschaftliche Aktivitäten zumThema. In dem Weißbuch selbst wurde – als erster kon-kreter Punkt überhaupt – angekündigt, dass die Kommis-sion „online laufend aktualisierte Informationen über allePhasen der Entschlussfindung bereitstellen“ (EU-Kom-mission 2001b, S. 3) wird. Der Begriff „Governance“steht in dem Weißbuch für „die Regeln, Verfahren undVerhaltensweisen, die die Art und Weise, wie auf euro-päischer Ebene Befugnisse ausgeübt werden, kennzeich-nen, und zwar insbesondere in Bezug auf Offenheit, Parti-zipation, Verantwortlichkeit, Wirksamkeit und Kohärenz“(EU-Kommission 2001b, S. 10, FN 1). Zum Grundsatzder „Partizipation“ heißt es u. a.: „Wie gut, sachgemäßund wirksam die Politik der Union ist, hängt davon ab, in-wieweit die Akteure in den Politikgestaltungsprozess– von der Konzipierung bis zur Durchführung – einbezo-

gen werden. Verstärkte Teilhabe bewirkt größeres Ver-trauen in das Endergebnis und die Politik der Institutio-nen“ (EU-Kommission 2001b, S. 13). Partizipationbedeute „nicht Institutionalisierung von Protest“, sondernvielmehr „wirkungsvollere Politikgestaltung auf derGrundlage frühzeitiger Konsultationen und Erfahrungender Vergangenheit“ (EU-Kommission 2001b, S. 21). An-schließend an eine Bemerkung zur zentralen EU-Websitewird festgestellt: „Mehr Information und eine effizientereKommunikation sind Vorbedingungen dafür, dass ein Ge-fühl der Zugehörigkeit zu Europa entsteht. Ziel sollte da-bei sein, einen transnationalen ‘Raum’ zu schaffen, indem Bürger verschiedener Länder über das diskutierenkönnen, was in ihren Augen die wichtigen Aufgaben derUnion sind“ (EU-Kommission 2001b, S. 15). Effektivereund transparente Konsultationen werden als „Herzstückder EU-Politikgestaltung“ bezeichnet, wobei Onlinekon-sultationen und „interaktive Politikgestaltung“ Erwäh-nung finden. Gefordert wird eine neue „Konsultations-und Dialogkultur“, unter Einbeziehung des EuropäischenParlaments, das verstärkt öffentliche Anhörungen durch-führen solle.

Im Frühjahr 2001 wurden im Rahmen der Reform derKommission und speziell der Initiative „e-Commission“die Grundzüge der „Interactive Policy Making (IPM)“-In-itiative9 der Öffentlichkeit vorgestellt. Insgesamt gesehendient IPM aus Sicht der Kommission

– der Einschätzung der Auswirkungen ihrer Politik vorOrt,

– der Bewertung von Vorschlägen für einzelne Maßnah-men,

– zur schnellen Reaktion auf neu auftretende Problemeund dafür,

– besser die Verantwortung für eigene Maßnahmen tra-gen zu können.

Im Rahmen der IPM-Initiative entstand auch das Internet-portal „Ihre Stimme in Europa“ („Your Voice inEurope“).10 In ihm sind Links und Informationen zu denwichtigsten Maßnahmen und Angeboten der EU zur „par-tizipativen Demokratie“ integriert. Dieses Portal und diemit ihm verbundenen Angebote werden im Folgenden nä-her betrachtet.

1.2 „Ihre Stimme in Europa“: Ein Beispiel für interaktive Politikgestaltung?

Mit „Ihre Stimme in Europa“ – im Folgenden „ISE“ ab-gekürzt – wurde versucht, die zentralen Ziele zur E-Parti-zipation und Onlinekonsultation von Bürgern und organi-sierter Zivilgesellschaft praktisch umzusetzen. Es wurdeim Oktober 2001 eingerichtet und ermöglichte u. a. denZugang zu Onlinekonsultationen, E-Mail-Kontaktadres-sen, Onlineforen und Chats. Neben dem Zugang zu den

9 Für einen Überblick über die wichtigsten Aktivitäten im Rahmen die-ser Initiative (bis Oktober 2004) siehe http://europa.eu.int/yourvoice/ipm/timeline/index_en.htm#2000.

10 http://europa.eu.int/yourvoice/index.htm

Drucksache 15/6015 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Onlinekonsultationen erhielt man über ISE u. a. auch Zu-gang zu dem interinstitutionellen Angebot „Futurum“,das zur Diskussion über die Zukunft Europas und die Re-form der EU-Verträge dienen sollte. Im Januar 2003 er-folgte ein Relaunch von ISE, bei dem vor allem das Spra-chenangebot erweitert und das Angebot zu denKonsultationen verbessert wurde. Bürgern und Unterneh-men sollte es erklärtermaßen durch ISE so einfach wiemöglich gemacht werden, den politisch Verantwortlichenauf EU-Ebene ihre Meinung mitzuteilen.

Die Indexseite von ISE verweist auf vier Hauptelementedes Angebots: Konsulta-tionen, Diskussionen, Möglich-keiten zur direkten Beratung und eine Linkliste. Im Kon-text des vorliegenden Berichts sind die Konsultationenund vor allem die Diskussionen von besonderem Inte-resse.

1.2.1 Das Angebot „Konsultationen“

Mit dem Angebot wurde einer der 2002 beschlossenenGrundsätze und Mindeststandards für Anhörungen (EU-Kommission 2002a) verwirklicht, nämlich die Einrich-tung einer einzigen Anlaufstelle für Konsultationen derEU. (Zudem wurde die Internetdatenbank „Consultation,the European Commission and Civil Society“[CONECCS] eingerichtet.) Auf der Startseite erhält manZugang zu laufenden sowie zu den Archiven abgeschlos-sener Konsultationen, die nach Einschätzung der Verant-wortlichen für eine breitere Öffentlichkeit von Interessesind. Des Weiteren kann man mit Hilfe einer Themenlisteweitere Seiten (zu spezifischen Politikfeldern) auffinden.Bei einigen Konsultationen werden Links sowohl zu On-lineumfragen als auch zu Seiten mit weiterführenden In-formationen sowie Brief- und E-Mail-Kontaktadressen(für die Einreichung schriftlicher Beiträge) bereitgestellt.Zu anderen Konsultationen finden sich lediglich Links zuOnlineumfragen (zum Teil mit Freifeldern). Die Ergeb-nisse der abgeschlossenen Konsultationen werden inForm von knappen Resümees, durch die Bereitstellungder Umfrageergebnisse oder mittels eines ausführlichenErgebnisberichts veröffentlicht.

Eine aktuelle Studie zu ISE (ITA 2005) kam – auf Basisvon sechs Experteninterviews – bezüglich der Relevanzdes Angebots für die Politikgestaltung der EU zu folgen-den Ergebnissen:

– Die Onlinekonsultationen sind keine geeigneten Betei-ligungsinstrumente für breite Beratschlagungspro-zesse, da der Zugang zu ihnen sowohl eine hohe Sach-kompetenz als auch eine Einbindung in bestimmteNetzwerke voraussetzt. Das Angebot ist in der breitenÖffentlichkeit wenig bekannt.

– Sie können gleichwohl eine wichtige Funktion bei derGenerierung und Nutzung von Expertennetzwerkenspielen.

– Die Vertrauensbeziehungen zwischen den Teilneh-mern und den EU-Repräsentanten werden gestärkt.

– Die Beiträge weisen ein hohes Maß an Sachkompe-tenz aus und bieten wertvolle Inputs für die Politikge-staltung.

Onlinekonsultationen kämen aber nur als ergänzendeMaßnahmen zu anderen Beteiligungsformen in Frage. IhrVorteil liege vor allem darin, dass durch Onlinebefragun-gen schnell eine relativ große Zahl von europäischen„Stakeholdern“ einbezogen werden kann. Das vorrangigeProblem sei die mangelnde Transparenz beim Umgangmit den Ergebnissen und beim Feedback zu deren Rele-vanz für die Entscheidungsprozesse. Zudem wird von denbefragten Experten die fehlende rechtliche Einbettungvon Onlinekonsultationen bemängelt. Durch diese Pro-bleme seien ihr Zweck und Mehrwert fraglich. Im Rah-men der Konsultationen bestanden keine Möglichkeitenzur Onlinediskussion.

1.2.2 Das Angebot „Diskussionen“

Das inzwischen weitgehend inaktive Angebot zu Diskus-sionen ist in drei Rubriken unterteilt: Debatten, Chats undSpezifische Foren. Der derzeitige Zustand und Aufbauspiegeln zwar noch die ursprünglichen, ambitioniertenAbsichten wider, wirken aber mittlerweile wie ein nichtgepflegtes, historisches Anhängsel zu den anderen Teilenvon ISE. Die zuletzt genannte Rubrik enthält fast nurLinks zu nicht mehr vorhandenen (und dabei nicht archi-vierten) Angeboten. Die einzige Ausnahme, eine Mai-lingliste zu Fragen der öffentlichen Beschaffung, hat ei-nen geringen Umfang und dient vor allem der Verbreitungaktueller Informationen. Die Rubrik Chats enthält zweiLinks, einen zu einem einzelnen Chat vom Oktober 2003und einen zweiten zu dem Angebot „Europa Chats“. Dortfanden sich im April 2005 keine Hinweise auf kommendeChats, aber eine Liste mit den Transkripten von 28 Chats(aus den Jahren 1998 bis 2004) mit Politikern der Kom-mission, wobei jeweils nur ein Chat aus den Jahren 2003und 2004 aufzufinden war. Die Transkripte werden zumTeil in verschiedenen Sprachen angeboten. Einige liegenlediglich als (schwer zugängliche) Rohfassungen vor, an-dere sind nach Fragen und Antworten – oder zudem nochnach Themenbereichen – geordnet.

Die Rubrik Debatten besteht ausschließlich aus einemLink zum interinstitutionellen Angebot „Futurum“11 derEU, das nach Beendigung der Arbeiten am EuropäischenVerfassungsvertrag eingestellt wurde. Ein Archiv der„Diskussionsecke“ ist vorhanden, mit einer Vielzahl vonForen zu verschiedenen Themen rund um die Arbeit ander Europäischen Verfassung und andere Themen zur Zu-kunft der EU. „Futurum“ war als ein Informations- undDialogangebot konzipiert und sollte ursprünglich einezentrale Rolle in der Debatte über die „Zukunft Europas“spielen (EU-Kommission 2001c).

11 Siehe http://europa.eu.int/constitution/futurum/index_en.htm. In demAngebot ging das vorherige Onlineangebot zum „Dialog über Euro-pa“ (2000) auf.

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1.2.3 Zur Analyse und Einschätzung des Diskussionsangebots auf „Futurum“ (2001 bis 2004)

In der bereits erwähnten aktuellen Studie des österreichi-schen Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA2005), durchgeführt in Zusammenarbeit mit dem Zen-trum für Soziale Innovation, wurde auch untersucht, in-wieweit die Foren auf „Futurum“ Orte öffentlicher Deli-beration waren (zum Folgenden auch Hart/Pflüger 2004;Winkler/Kozeluh 2005; Winter/Groinig 2004; Wodak/Wright 2005a u. b; Wright 2005a u. b).

Das dabei zugrunde gelegte Verständnis von Deliberationentspricht der Konzeption einer partizipativ und delibera-tiv ausgerichteten repräsentativen Demokratie (Kap. IIIund Kettner 2004), in der einer aktiven politischen Öf-fentlichkeit und dem Austausch rationaler Argumentezentrale Bedeutung beigemessen wird. Dementsprechendwurde in der quantitativen Inhaltsanalyse (626 Beiträgevon 225 Personen aus 702 Unterthemen zweier Einzel-foren) die deliberative Qualität der Diskussionen auf „Fu-turum“ anhand der Kernvariablen „Interaktivität“ und„Rationalität“ untersucht.

Zu den Rahmenbedingungen ist zu erwähnen, dass dieTeilnehmer die Diskussionsthemen zur Zukunft Europasfrei wählen konnten, sich dabei aber an den Themen derErklärung von Laeken orientieren sollten. Verboten wa-ren strafbare, diskriminierende, beleidigende, nazistische,proterroristische und andere extreme politische Äußerun-gen. Allerdings soll nach Auskunft eines Verantwortli-chen nur ein kleiner Teil der Beiträge tatsächlich inhalt-lich geprüft worden sein (Wodak/Wright 2005a).

Wie in Internetdiskussionen (Winkler, Kozeluh 2005) undDiskussionen überhaupt (Trénel 2004) üblich, verteiltensich die Beiträge sehr unterschiedlich auf die Teilnehmer:Ungefähr ein Zehntel der Diskutanten steuerte ca. dieHälfte aller untersuchten Beiträge bei. In 95 Prozent derFälle war Englisch die vorherrschende Sprache, wobei ei-nige Teilnehmer – zumeist ohne Erfolg – versuchten, inihrer jeweiligen Muttersprache zu diskutieren.

Zur Interaktivität wurde festgestellt, dass in 89 Prozentder untersuchten Beiträge inhaltlich auf andere BeiträgeBezug genommen wurde. Dieses Ergebnis lässt auf einhohes Interesse der Teilnehmer an einem kommunikati-ven Austausch schließen (s. a. Wright 2005b). Allerdingsfand fast ein Drittel der erfassten Grundgesamtheit vonUnterthemen keinen Anklang bei anderen Nutzern.

Zur Rationalität der Diskussionen wurde in der Untersu-chung des ITA festgestellt, dass mehr als zwei Drittel derBeiträge sehr gut nachvollziehbare Argumentationen auf-wiesen. Die Untersuchungsergebnisse insgesamt ließenden Schluss zu, dass eine deutliche Mehrheit der Disku-tanten ein starkes Interesse an ernsthafter Diskussionhatte: Konfrontativ angelegte Beiträge – bei denen ein-deutig eine zustimmende oder ablehnende Haltung zumStandpunkt eines anderen Teilnehmers eingenommenwurde – machen demnach nur etwas mehr als ein Zehntelder gesamten untersuchten Beiträge aus. In ungefähr ei-nem Drittel aller Beiträge war die Darstellung verschiede-

ner Positionen zum Thema „sehr ausgewogen“ – unter-schiedliche Positionen wurden sachlich wiedergegeben.Etwa 40 Prozent aller Beiträge wiesen eine gute Argu-mentation (im Sinne der Unterlegung der eigenen Mei-nung mit fundierten Gründen) auf. Emotionalität und Iro-nie, deren Abträglichkeit für Deliberation in derForschung kontrovers diskutiert wird, spielten in den un-tersuchten Diskussionen keine große Rolle.

Die Studie (ITA 2005) kommt zu dem Schluss, dass auf„Futurum“ – im Gegensatz zu anderen Internetforen –sehr rationale Diskussionen geführt wurden. Des Weite-ren lasse die Themenauswahl den Schluss zu, dass es sichzumindest bei den besonders aktiven Teilnehmern um ei-nen Personenkreis mit weitreichenden Kenntnissen zurPolitik der EU handelte (s. a. Wright 2005b). Dieser Per-sonenkreis hatte auch das stärkste Interesse an einem in-tensiven kommunikativen Austausch. Die Untersu-chungsergebnisse zeigten also, dass die Foren auf„Futurum“ als Orte politischer Deliberation genutzt – undwie aus einigen Beiträgen deutlich wird (Winkler/Kozeluh 2005) – auch geschätzt wurden.

Andere Studien zu „Futurum“ und dem Onlinedialogan-gebot der EU (Wodak/Wright 2005a u. b) weisen daraufhin, dass von einer deutlichen männlichen Dominanz inden „Futurum„foren auszugehen ist und zudem von derNutzung der englischen Sprache als Lingua Franca (mitca. 80 Prozent aller Beiträge) – während nur knapp zweiProzent in Deutsch waren. Einige Nutzer stellten aller-dings selbst mehrsprachige Beiträge ein. Eine Dominanzweniger Länder konnte nicht festgestellt werden. Diequalitative Inhaltsanalyse zu einer Einzeldiskussion(Wodak/Wright 2005a u. b) ergab, dass bei dieser einetransnationale politische Onlinedeliberation stattgefundenhatte – indem eine anfangs polemische, an nationalen Un-terschieden festgemachte Debatte sich in einen konstruk-tiven und respektvollen Austausch über Sachfragen ver-wandelte.

Von Seiten der EU wurde keine wissenschaftliche oderpolitische Nachbetrachtung zur Nutzung des Forenange-bots auf „Futurum“ und seiner Resultate veröffentlicht.Unbekannt ist, ob – wie angekündigt – Ergebnisse derDiskussionen in Prozesse der EU-Politikgestaltung einge-flossen sind. Ein mit dem Forum befasster EU-Mitarbei-ter äußerte jedoch (Wodak/Wright 2005a), dass die Dis-kussionen in keiner Weise politisch analysiert odergenutzt wurden und zudem als ein nur peripherer Teil derbreiteren öffentlichen Debatte zur Zukunft der EU ange-sehen worden seien. Zusammenfassungen der Beiträgewurden – entgegen den ursprünglichen Intentionen (EU-Kommission 2001c) – nicht angefertigt – erklärtermaßenaufgrund mangelnder Ressourcen und aus Gründen politi-scher Neutralität (Hart/Pflüger 2004).

Es nahmen aber u. a. drei EU-Spitzenpolitiker (ein amtie-render Ratspräsident, ein Kommissar und die Parlaments-präsidentin) zu ausgesuchten Nutzerbeiträgen Stellung.Dies erfolgte in drei Einzelforen, die von „Mitteilungen“dieser Politiker zu bestimmten Themen eingeleitet wur-den. Die EU-Spitzenpolitiker antworteten in Ich-Form– bzw. ließen von Mitarbeitern entsprechende Beiträge

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verfassen –, wobei sich jeweils auf eine Reihe von Nut-zerbeiträgen bezogen wurde. Solche „Reaktionen“ ge-schahen ein- oder dreimal im Verlauf des Forums und je-weils noch einmal in einem Fazit zum Abschluss.

Während also vieles dafür spricht, dass es sich bei den„Futurum“-Diskussionen um ein bemerkenswertes Bei-spiel für eine transnationale bürgerschaftliche Debatteüber Europa handelt, ist – trotz gewisser Ansätze in dieserRichtung – fraglich, ob das Angebot einen politischenAustausch zwischen der EU und einzelnen Bürgern odergenerell eine Bürgerbeteiligung ermöglichte, die für denProzess der EU-Politikgestaltung von Belang waren.

Im Rückblick bewertet die Kommission „Futurum“ (EU-Kommission 2004) durchaus positiv und verweist dabeiauf die Zahl von 170 Organisationen, die Vorschläge zumVerfassungsentwurf einreichten, und die ca. 16 000 – bzw.nach einer anderen Quelle über 18 700 (Wodak/Wright2005a) – Beiträge, die in den Diskussionsforen auf „Futu-rum“ zwischen 2002 und 2004 gemacht wurden. Nimmtman die Absichtserklärungen im Weißbuch zum Maßstab,erscheint das „Futurum„-Angebot allerdings als ein sin-guläres Beispiel für (überwiegend) „gute Praxis“, wes-halb sich festhalten lässt, dass während der Amtszeit derletzten Kommission die anfangs anvisierten Ziele zurNutzung des Internets für den Dialog mit Bürgern nichterreicht worden sind.

1.2.4 „Ihre Stimme in Europa“ als Beispiel für „Interaktive Politikgestaltung“?

Das Angebot ISE entspricht den programmatischen An-strengungen der EU zur Stärkung der „partizipativen De-mokratie“ nur sehr bedingt.

Durch die Einrichtung des zentralen Portals zu den Kon-sultationen der EU wurde eine der Voraussetzungen desKonzepts „interaktive Politikgestaltung“ erfüllt. Das An-gebot erfüllt jedoch im Wesentlichen den Zweck, Fachöf-fentlichkeiten besser in die Politikgestaltung der EU ein-zubeziehen, und nutzt dabei keine öffentlichenOnlinediskussionen. Gleichwohl erhöht die – allerdingsuneinheitliche – Praxis der Veröffentlichung der Anhö-rungsergebnisse die Transparenz dieser Verfahren sowieder Arbeit von Expertennetzwerken. Dadurch wird einBeitrag zur politischen Netzöffentlichkeit geleistet.

Das Chatangebot, das über ISE zu erreichen ist, hatte sei-nen Höhepunkt in den Jahren 2000 bis 2002. AndereLinks, z. B. zu Mailinglisten, funktionieren nicht mehroder führen zu offensichtlich seit längerem nicht mehr ge-nutzten Angeboten. Die Onlineforen des interinstitutio-nellen Angebots „Futurum“, auf das von ISE aus verwie-sen wurde, sind ebenfalls nicht mehr aktiv. Dieangekündigte Integration von Diskussionsforen in dasNachfolgeangebot zu „Futurum“ (z. B. Hart/Pflüger2004), einer Website zum Verfassungsvertrag, hat bishernicht stattgefunden.

Während man hinsichtlich der Einbeziehung der organi-sierten Zivilgesellschaft durch das Internet ein kontinuier-

liches und im Großen und Ganzen konsequentes politi-sches Handeln konstatieren kann, waren die bisherigenAktivitäten zum Onlinedialog mit den Bürgern peripher,für die Politikgestaltung irrelevant und diskontinuierlich.Nimmt man ISE zum Maßstab, stellt sich somit das Ver-hältnis von Anspruch und Wirklichkeit der „partizipati-ven Demokratie“ auf EU-Ebene als ambivalent dar. (Vonnicht nur wissenschaftlichem Interesse wäre eine Nutzer-und Wirkungsanalyse des Gesamtangebots und speziellder Foren auf „Futurum“.) Es bleibt abzuwarten, ob andie durchaus vorhandenen positiven Erfahrungen mit denverschiedenen Instrumenten des Onlinedialogs in der Zu-kunft angeknüpft wird, und ob es dabei – von Seiten derPolitik und der Verwaltung – auch zu verstärkten Bemü-hungen in Richtung eines Austauschs mit den Bürgernkommt. Allerdings bestehen derzeit offenkundig keinePläne für eine Wiederaufnahme der Politik zur Förderungvon Onlinedeliberation im zentralen Webangebot der EU.

1.3 Ein neuer Trend in der Informations- und Kommunikationsstrategie der EU?

In jüngster Zeit ist die Informations- und Kommunika-tionsstrategie der EU noch weiter in den Mittelpunkt desInteresses gerückt, bedingt wahrscheinlich durch die sichabzeichnenden Akzeptanzprobleme des Verfassungsver-trags und neuer Erweiterungsrunden: Die vormalige Um-weltkommissarin Margaret Wallström bekleidet in derKommission seit Spätsommer 2004 das neu eingerichteteAmt des Kommissars für „Institutionelle Beziehungenund Kommunikationsstrategie“ und ist zugleich Vizeprä-sidentin der Kommission. Mit der Einrichtung des Amtswurde auch auf die wachsende Kritik innerhalb der EU-Institutionen an der Öffentlichkeitsarbeit der Kommissionreagiert. Insbesondere vom Parlament wird darauf ge-drängt, die Probleme im Bereich der Öffentlichkeitsarbeitzügig anzugehen, wobei es im Internetbereich vor allemdarauf ankomme, dessen sprachliche Vielfalt zu vergrö-ßern. Für Juni 2005 wurde eine Mitteilung der Kommis-sion über eine erneuerte Informations- und Kommunikati-onsstrategie angekündigt.

Wallström betonte im Rahmen der öffentlichen Anhörungder designierten Kommissare im Europaparlament(30. September 2004), dass sie sich dem Ziel einer „wahr-haft partizipatorischen Demokratie“ verpflichtet fühle. Essei essenziell, weniger zu und mehr mit den Bürgern zusprechen. Man müsse sich stärker auf einen Dialog ein-lassen, die Beziehungen zu den Bürgern wieder stärken(„reconnect to people“) und diesen zuhören. Die neueKommunikationsstrategie sei darauf ausgerichtet, früh-zeitige Bürgerbeteiligung bei der Arbeit an Vorschlägender Kommission zu ermöglichen. Des Weiteren solle dieorganisierte europäische Zivilgesellschaft noch besser un-terstützt werden und am Prozess der Schaffung einer eu-ropäischen Öffentlichkeit stärker beteiligt werden. EineVoraussetzung für eine „wahrhaft partizipatorische De-mokratie“ der EU sei der Ausbau der „demokratischen In-frastruktur“, insbesondere durch die Förderung trans-

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europäischer Netzwerke für eine Diskussion „von untennach oben“.

In der Debatte über die Informations- und Kommunika-tionsstrategie spielt die Webpräsenz jedoch keine zentraleRolle und Onlinediskussionsangebote werden nur verein-zelt erwähnt. Auf die weitreichenden Hoffnungen in Be-zug auf die interaktiven Möglichkeiten netzbasierterKommunikation wird zwar gelegentlich noch verwiesen,die anvisierten Ziele (wie insbesondere die Ansprache be-stimmter Zielgruppen) sind aber eher vage formuliert. AlsGründe für die langsame Entwicklung bei den Webange-boten werden in der Diskussion vor allem eine unzurei-chende Mittelbereitstellung durch die verschiedenenGeneraldirektionen sowie fehlendes Engagement der Mit-gliedstaaten genannt.

Eine Ausnahme bilden in diesem Zusammenhang ledig-lich Aktivitäten der zuständigen Kommissarin selbst, aufdie allerdings auf dem zentralen Portal „Your Voice inEurope“ nicht verwiesen wird: Margot Wallström hat sichnicht nur an Chats mit Jugendlichen beteiligt, sondern be-merkenswerter Weise auch ein eigenes Weblog12 einrich-ten lassen.

Das Anfang 2005 gestartete Weblog soll über die gesamteAmtszeit der Kommissarin lang bestehen bleiben und ei-nen Einblick in ihre Arbeit und eine Innensicht der EUbieten. Das Blog ist mit bisher wöchentlich mindestenseinem Beitrag recht aktuell, zum Teil auch betont persön-lich gehalten (z. B. mit Aussagen zum nicht realisiertenKinderwunsch der Kommissarin und zu ihren Figur-problemen) und bietet den Lesern die Möglichkeit derKommentierung. Wallström legt dabei Wert auf die Fest-stellung, dass sie alle ihre Beiträge selbst verfasst, wasdas Angebot von vielen anderen Politiker-Weblogs unter-scheide. Angesichts dessen ist es bemerkenswert, dass inihren Beiträgen zum Teil sehr explizit zu politischen Fra-gen Stellung genommen wird wie z. B. in einer Passage,in der sie ihre Abneigung gegen den derzeitigen US-Prä-sidenten deutlich macht.13 Bemerkenswert an demWeblog ist zudem, dass

– mit ihm ein Angebot gemacht wurde, das sich explizitauch an die politische Bloggerszene richtet,

– in ihm zum ersten Mal zu den um die Jahrhundert-wende anvisierten politischen Diskussionen zwischenEU-Verwaltungsmitarbeitern und Bürgern gekommenist,

– in den Beiträgen Wallströms auf Teilnehmerbeiträgeimmerhin vereinzelt reagiert wurde,

– diese Ansätze zu einem Onlinedialog zwischen EUund einzelnen Bürgern durch eine – von beiden Seiten

(einschließlich der Moderation) – überwiegend starkkonfrontativ bis polemisch geführte Auseinanderset-zung geprägt sind, und schließlich

– sich im Kommentarbereich eine Art „Online-community“ gebildet hat, die anscheinend zu einemgroßen Teil von (vor allem britischen) „EU-Skepti-kern“ und -Gegnern gebildet wird.

Aussagen der Kommissarin und des Sprechers der Kom-mission bieten Anhaltspunkte für die Annahme, dass dasWeblog gleichsam ein Testballon für eine neue Informa-tions- und Kommunikationsstrategie ist, bei der auf „Hu-man Touch“ gesetzt wird, auf eine Personalisierung derPolitik der EU, die von vielen Bürgern als anonyme, un-bekannte Macht angesehen wird.

Unzweifelhaft handelt es sich bei einem einzelnen, unauf-wändig zu betreibenden Weblog aber nicht um ein Ange-bot, das den am Anfang des Jahrzehnts proklamiertenZielen einer umfassenden Stimulierung bürgerschaftli-cher Onlinedeliberation und eines intensiven Onlinedia-logs zwischen Kommission und Bürgern Genüge tut.Zum derzeitigen Zeitpunkt ist somit nicht abzusehen, wiemit dem offensichtlichen Auseinanderklaffen von An-spruch und Wirklichkeit in diesem Bereich in Zukunftumgegangen werden soll. Es hat allerdings den Anschein,dass der Weg bevorzugt wird, die Kluft durch eine Relati-vierung der weitreichenden Zielsetzungen zu reduzieren.Wenn der – früher fast als „Allheilmittel“ geltende – On-linedialog aber keine wichtige Rolle mehr spielen soll,stellt sich die Frage, wie dann die Entwicklung einer„partizipativen Demokratie“ und europäischer Öffentlich-keit voranzutreiben wäre.

2. Digitale Demokratie in Deutschland und Großbritannien

Regierungsaktivitäten zur digitalen Demokratie stehen oftim Kontext umfassender E-Government-Initiativen, beidenen E-Demokratie nur ein untergeordneter oder rand-ständiger Aspekt ist.14 Dennoch sind Regierungen in derRegel die staatlichen Hauptakteure der E-Demokratie-Po-litik und prägen diese in stärkerem Maße als Parlamente.Um die spezifischen Beiträge von Parlamenten zur digita-len Demokratie zu bezeichnen, bietet sich der – allerdingsnoch nicht etablierte – Begriff „E-Parlament“ (Fühles-Ubach 2005a) an.

In Großbritannien und Deutschland sind die Aktivitätenim Bereich E-Parlament bereits relativ weit fortgeschrit-ten. Das gleiche gilt für den Bereich des E-Government,wobei in Bezug auf die deutschen Regierungsangeboteoft ein Schwerpunkt auf den administrativen Elementen

12 http://weblog.jrc.cec.eu.int/page/wallstrom13 Im Beitrag heißt es: „For those leaders who believe they act on a call

‘from beyond the stars’ I recall a prayer with a sentence like this: ‘Ialso pray for those that I don’t like […]’. The worst is that so many ofthose who talk about God are so distanced from the message oflove.“ Siehe dazu die Ansprache George W. Bushs unter http://www.whitehouse.gov/news/releases/2005/01/20050119-15.html.

14 Im Folgenden wird – entsprechend der in den Dokumenten vorherr-schenden Terminologie – der Ausdruck „E-Demokratie“ zur Be-zeichnung des staatlichen Angebots zur bürgerschaftlichen E-Partizi-pation verwendet. Mit dem Ausdruck „digitale Demokratie“(Kap. III) wird hingegen auch auf die politische Internetnutzung durchnicht staatliche Akteure abgezielt. Als „E-Government“ wird allge-mein die Internetnutzung durch die Exekutive bezeichnet.

Drucksache 15/6015 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

des E-Government („E-Administration“) und eine Ver-nachlässigung der E-Demokratie konstatiert werden.15 In-ternationale Vergleichsstudien kommen z. B. zu dem Er-gebnis, dass Großbritannien seine insgesamt führendePosition im Bereich E-Government auch seinen Angebo-ten zur bürgerschaftlichen E-Partizipation verdanke,Deutschland hingegen hier abfalle (UN 2003 u. 2004).

In einer neueren Studie (Fühles-Ubach 2005a) wird dem-entsprechend geurteilt, dass in Deutschland keine strate-gische Grundlinie in Bezug auf E-Demokratie zu erken-nen sei, was sowohl die Angebote der Bundesregierungals auch die des Deutschen Bundestages betreffe. ImGegensatz dazu hätten Regierung und Parlament im Ver-einigten Königreich durch den Ausbau von Onlineanhö-rungen eine klare Schwerpunktsetzung im Bereich E-De-mokratie vorgenommen und dadurch diese auf nationalerEbene etabliert. Hinzu kämen Unterschiede bei der Inter-netnutzung durch einzelne Parlamentarier (Kap. IV.3.1)und bei bürgerschaftlichen Initiativen zum Thema E-Par-lament (Kap. IV.2.2).

Der Diagnose, dass in Großbritannien – durch dieSchwerpunktsetzung auf das Anhörungswesen – einwichtiger Beitrag zur Entwicklung der E-Demokratie ge-leistet wurde, ist im Kern zuzustimmen. Im Folgendensoll aber aufgezeigt werden, dass sich die Situation inDeutschland differenzierter darstellt, als es die bündigeEinschätzung in dem erwähnten Aufsatz nahe legt. ImRahmen dieses Kapitels kann jedoch die staatliche E-De-mokratie-Politik (oder gar die digitale Demokratie insge-samt) in beiden Ländern nicht systematisch verglichenwerden. Die Ausführungen sollen lediglich dazu dienen,durch eine Gegenüberstellung von Programmen, Akteu-ren und Praxisbeispielen zu vertieften Erkenntnissen zurThematik und zu spezifischen Anregungen in Bezug aufdie Rolle des Deutschen Bundestages in der digitalen De-mokratie zu kommen. Dabei ist zu beachten, dass – ähn-lich wie auf EU-Ebene – in Großbritannien die politisch-öffentliche Diskussion über Defizite der parlamentari-schen repräsentativen Demokratie intensiver als inDeutschland geführt wird. Ebenfalls ein Unterschied zuDeutschland ist die Tatsache, dass die neuen britischenParlamente (und insbesondere das schottische Parlament)in gewisser Hinsicht als Avantgarde der E-Demokratieagieren. Ein gemeinsamer Hintergrund der hiesigen unddortigen Aktivitäten ist der Umschlag von Interneteupho-rie in Ernüchterung – und bisweilen überzogenem Pessi-mismus –, im Anschluss an die Krise der Internetwirt-schaft. In beiden Ländern gibt es auch eine Reihe vonWechselwirkungen und Überschneidungsbereichen zwi-schen gesellschaftlichen Initiativen zur digitalen Demo-kratie und staatlicher Politik (Kap. IV.2.2).

2.1 Regierungsprogramme und -aktivitäten

Sowohl die britische als auch die deutsche E-Demokratie-Strategie orientiert sich an den Leitbildern eines „aktivie-renden Staats“ und einer „aktiven Zivilgesellschaft“. Ei-nem wirtschafts- und sozialpolitisch „schlankeren“ Staatwurde die Aufgabe zugewiesen, verstärkt als Mediator ingesellschaftlichen Auseinandersetzungen aufzutreten, aufdie Bürgerschaft aktivierend und befähigend („enabling“)einzuwirken sowie Anregungen zivilgesellschaftlicherGruppen und der Bürger in der Politikgestaltung aufzu-nehmen. E-Demokratie wurde dementsprechend vor al-lem als ein Element moderner „Governance“ betrachtet.Andere europäische Regierungen haben in den letztenzehn Jahren ähnliche Auffassungen vertreten, legten denSchwerpunkt ihrer E-Demokratie-Politik zum Teil aber– wie z. B. im Fall der italienischen Regierung Berlusconiund der spanischen Regierung Aznar – explizit stärker aufE-Partizipation unterhalb der nationalen Ebene, also aufderen Einsatz zur Stärkung von Regionen und Kommu-nen gegenüber der Zentralregierung. Zumindest de factoist aber in Europa – und darüber hinaus – die lokaleEbene ein zentrales Handlungsfeld staatlicher Förderungdigitaler Demokratie und die Netznutzung für ein ver-stärktes bürgerschaftliches Engagement erklärtermaßenein zentrales Anliegen.

Die augenfälligsten Unterschiede in den programmati-schen Aktivitäten der britischen und der deutschen Regie-rung zur E-Demokratie sind der weit größere Umfangdieser Aktivitäten in Großbritannien und deren aktivereVermittlung in der Öffentlichkeit. Die Gründe dafür dürf-ten – neben den Besonderheiten in der allgemeinen Inter-netpolitik – vor allem auch in Spezifika des politischenSystems zu suchen sein: Die Regierung hat in Großbritan-nien eine relativ gesehen sehr starke Stellung gegenüberdem Parlament. Sie übt (insbesondere über das Amt des„Leader of the House“) Einfluss auf dessen Tagesordnungaus und dominiert den Gesetzgebungsprozess. In Groß-britannien – einem typischen Mehrheits- und Konkur-renzdemokratie parlamentarischen und (zumindest bisvor kurzem) zentralistischen Typs – bieten sich der parla-mentarischen Opposition und regionalpolitischen Akteu-ren relativ wenige Möglichkeiten zur Mitgestaltung dernationalen Politik. Das Parlament als Ganzes gesehen er-scheint oft als bloßer Erfüllungsgehilfe bei der Durchset-zung der Regierungspolitik. Positiv betrachtet kann inGroßbritannien die Regierung ihre politische Agendaweitgehend unverwässert durch verhandlungsdemo-kratische Elemente durchsetzen, was die Transparenzpolitischer Verantwortlichkeiten und die Durchset-zungschancen von Regierungsinitiativen erhöht. In derAusarbeitung und Bekanntmachung der nationalen E-De-mokratie-Strategie spielte diese Konstellation eine wich-tige Rolle.

2.1.1 Britische Regierung

Bereits in der Endphase der konservativen Major-Regie-rung gab es im Vereinigten Königreich international vor-bildhafte Angebote zur bürgerschaftlichen Beteiligung anOnlineanhörungen und zur Onlinedeliberation (Coleman

15 Angesichts dieser Schwerpunktsetzung wurde von der Bertelsmann-Stiftung das Konzept des „Balanced E-Government“ vorgeschlagen:Neue Technologien sollen demnach nicht nur zur Steigerung der Effi-zienz und Erhöhung der Servicequalität genutzt werden, sondernauch zur Verbesserung des Zusammenspiels zwischen Bürger undStaat im Dienste einer neuen Bürgergesellschaft. Bei derartigen Un-terscheidungen tritt in den Hintergrund, dass Onlinediskussionen(z. B. in Expertenforen) gerade auch mit dem Ziel der Effizienzstei-gerung eingesetzt werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/6015

1999; Needham 2004). Des Weiteren wurde durch dieneue Praxis der Veröffentlichung von Gesetzesentwürfender Regierung – mit dem Zweck sie vom Parlament vorabprüfen zu lassen („pre-legislative scrutiny“) – auch dieMöglichkeit eröffnet, dass das Parlament Bürger an dieserPrüfung beteiligt.

Die Blair-Regierung bekundete von Anfang ihrer Regie-rungszeit an (Mai 1997) großes Interesse an dem Thema„e-democracy“ und verfolgt ein ambitioniertes E-Demo-kratie-Programm, von dem wichtige, auch internationalwirksame Impulse für die Weiterentwicklung digitalerDemokratie ausgingen. Experimente mit netzöffentlicherC2G-Kommunikation erfolgten z. B. im Dezember 1997(durch ein Onlineforum) in einer Konsultation zu einemRegierungsentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz(Needham 2004) und (in Form von Onlineforen zu spe-ziellen Themen und einer „Speaker’s Corner“ für allge-meine Meinungsbekundungen; vgl. Wright 2005a) aufder Website des Regierungschefs (www.number-10.gov.uk). Trotz anderslautender Absichtsbekundungenspielte die Nutzung von Onlineforen aber eine periphereRolle im Rahmen des zügig ausgebauten Angebots zuOnlinekonsultationen (Needham 2004) und das viel ge-nutzte Diskussionsangebot auf der Seite des Premiermi-nisters litt unter umstrittenen Moderationsmaßnahmenund einer großen Zahl inakzeptabler Beiträge (Wright2005a).

Das E-Demokratie-Programm insgesamt wurde im Rah-men einer umfassenden nationalen Internetinitiative ent-wickelt. Diese Initiative ging von der Feststellung eineserheblichen Nachholbedarfs des Königreichs in diesemBereich aus und führte u. a. zur Einrichtung neuer Regie-rungsämter zur Förderung von E-Government, E-Com-merce und der Internetnutzung allgemein (wie z. B. dasAmt des e-Envoy, einem Internetbeauftragten). Im Sep-tember 2003 wurden die Kompetenzen im Bereich derstaatlichen Internetnutzung in einer „e-Government Unit“gebündelt. Diese Einrichtung übernahm im Jahr 2004auch die Kompetenzen des Amts des „e-Envoy“. Der För-derung der E-Demokratie wurde durchgängig – auch nachdem Ende der „Interneteuphorie“ – eine wichtige Rolleim Rahmen der nationalen E-Government-Strategie zuge-sprochen.

Ausgangspunkt war die Feststellung eines Demokratiede-fizits, festgemacht an niedrigen Wahlbeteiligungen undsinkenden Mitgliederzahlen politischer Parteien (Alexan-der 2001; Waller et al. 2001): Angesichts dieses Defizitssollten neue Kanäle für die Beziehungen zwischen Regie-rung, Parlamentariern und Bürgern eröffnet werden undletztere über den Wahlakt hinaus vielfältige Möglichkei-ten der politischen Partizipation erhalten.

Einen starken Schub erhielt die britische E-Demokratie-Politik durch das Entsetzen über das hohe Maß an Wahl-abstinenz junger Menschen bei den nationalen Wahlen2001 sowie durch die Ernennung des vormaligen Außen-ministers Robin Cook zum „Leader of the House“, dersich das Thema E-Demokratie stark zu eigen machte(Needham 2004). Der „Leader of the House“ ist Kabi-nettsmitglied und dabei zuständig für die Organisation

der parlamentarischen Befassung mit Regierungsangele-genheiten, wie vor allem von der Regierung eingebrachteGesetzesentwürfe und ministerielle Erklärungen. DieseRegierungsangelegenheiten beanspruchen einen großenTeil der Arbeitszeit des Parlaments. Cook war auch Vor-sitzender des „Select Committee on Modernisation of theHouse of Commons“, eines Modernisierungsausschussesdes Unterhauses, sowie des „Cabinet Committee on e-de-mocracy“, eines Regierungsausschusses für E-Demokra-tie, der im November 2001 vom Premierminister ein-gerichtet wurde. Durch diese Konstellation wurde eserleichtert, die nationale Strategie zur E-Demokratiekoordiniert weiter zu entwickeln.

„In the Service of Democracy“Im Juli 2002 veröffentlichte die Regierung das Papier „Inthe Service of Democracy“ (Office of the e-Envoy 2002),in dem sie ihre programmatischen Vorstellungen und Um-setzungsideen zur E-Demokratie noch einmal bekräftigteund ausführlich darlegte. Die Veröffentlichung war ver-bunden mit einer Anhörung zu diesem Programm (ein-schließlich eines Onlinediskussionsforums mit sehr akti-ver Moderation; vgl. Wright 2005a), die bis Oktober 2002lief und in der interessierte Bürger auch auf eine Reihevon Anhörungsfragen reagieren konnten, die in dem Pa-pier aufgelistet waren. Des Weiteren ließ die Regierungdas bis heute bestehende Onlineangebot www.edemo-cracy.gov.uk einrichten.

In Bezug auf die Interaktion zwischen Bürgern und Re-gierung werden in dem Papier – unter Hinweis auf briti-sche und ausländische Projekte sowie auf Positionen derEU – u. a. folgende Auffassungen vertreten:

– Durch Internetnutzung sollten relevante Informationenleichter zugänglich und zudem Anhörungen interakti-ver werden. Die Regierung solle nicht erst nach Erhaltund Auswertung aller Beiträge reagieren, sondern fall-weise durch die zuständigen Mitarbeiter schon vorher.

– Die Kultur von Anhörungen müsse verändert werden,weg von der fast ausschließlichen Nutzung durch Ex-perten und Interessengruppen, hin zur stärkeren Ein-beziehung der allgemeinen Öffentlichkeit und insbe-sondere von bisher unterrepräsentierten oder absentenGruppen (und vor allem der überdurchschnittlich starkdas Internet nutzenden Jugend).

– Bürger seien an Partizipation nur interessiert, wennihre Meinung zählt (im Sinne einer Kenntnisnahme,Veröffentlichung und Kommentierung). Mindestvo-raussetzung einer Onlineanhörung sei daher, dass alleBeiträge veröffentlicht und dabei durch andere Teil-nehmer kommentierbar würden. Ein nächster Schrittwäre die Integration von Onlinediskussionen zwischenBürgern und den politisch Verantwortlichen.

Des Weiteren wird eine Reihe von Einzelmaßnahmen zurVerbesserung des Austauschs zwischen Bürgerschaft undRegierung vorgeschlagen. Demnach sollten z. B. alle Re-gierungsanhörungen über eine zentrale Website onlineerreichbar sein (realisiert im Angebot www.consulta-tions.gov.uk), alle Anhörungen zu Grün- oder Weißbü-chern – also zu Gesetzesentwürfen, die noch nicht in den

Drucksache 15/6015 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

parlamentarischen Prozess eingespeist sind – ein mode-riertes Diskussionsforum aufweisen, bei allen Anhörun-gen relevante – und insbesondere auf traditionelle Weiseschwer erreichbare – Gruppen via Internet einbezogenwerden, die Angebote von „Citizen Space“ neu aufgelegtwerden und sich langfristig zu einer weithin bekanntenAnlaufstelle für die Partizipation an Politikprozessen ent-wickeln, Pilotprojekte zum Onlinedialog zwischen Poli-tik, Bürgern und Unternehmen gestartet und alle relevan-ten Ergebnisse von Anhörungen online veröffentlichtwerden.

Zudem wird in dem Papier angeboten, dass die Regierungdas Parlament dabei unterstützt, Gesetzesentwürfe derRegierung verstärkt auch mit Hilfe von Onlineanhörun-gen vorab zu prüfen, unter Einbeziehung der interessier-ten Öffentlichkeit („online pre-legislative scrutiny“). Zudiesem Zweck würden mehr Gesetzesentwürfe online zurVerfügung gestellt. Es wird die Hoffnung geäußert, dassOnlinekonsultationen im Rahmen der Vorabprüfung vonGesetzesentwürfen – sollten sie sich als nützlich erwei-sen – zu einer Standardpraxis parlamentarischer Arbeitwerden. In dem Dokument werden zudem Kriterien fürdie erfolgreiche Durchführung von Onlineanhörungen be-nannt.

Auch wenn einige Ziele dieses Programms – wie vor al-lem die verstärkte Nutzung von Onlinediskussionen – bis-her nicht oder nur ansatzweise verwirklicht sind, kannfestgehalten werden, dass es sich um einen bemerkens-werten Entwurf einer nationalen E-Demokratie-Politikhandelt, der für die einschlägige nationale und internatio-nale Debatte eine wichtige Rolle gespielt hat.

Aktuelle Entwicklungen

In der neueren Entwicklung der britischen Regierungsak-tivitäten zur E-Partizipation zeichnet sich eine Konzentra-tion auf die lokale Ebene ab. Im Mittelpunkt der laufen-den Arbeit zur E-Demokratie stehen die im September2003 eingerichtete „Interdepartmental group on e-partici-pation“ (IGEP) der Regierung und das neue „Nationalproject on local e-democracy“, das nationale Projekt zurFörderung lokaler E-Demokratie. Das Programm soll fürdas kommende Jahr mit 500 000 britischen Pfund vonder Regierung gefördert werden. Der weitere Ausbau derE-Demokratie auf nationaler Ebene ist hingegen etwas inden Hintergrund gerückt, was anscheinend mit einem re-lativ hohen Maß an Zufriedenheit mit dem bisher Erreich-ten zusammenhängt. Die Zielsetzungen wirken beschei-dener als früher und beschränken sich im Wesentlichenauf die Fortführung und Verbesserung der Onlineanhö-rungen auf www.consultations.gov.uk, die Intensivierungdes interinstitutionellen Erfahrungsaustauschs, verstärkteBemühungen um eine Einbeziehung nicht staatlicher Ak-teure, Überlegungen zur Nutzung partizipativer Möglich-keiten auf dem zentralen Angebot www.direct.gov.uk unddie Förderung der Diffusion von E-Partizipationsinstru-menten (vgl. auch Waller 2004). Andere Akteure – wiedas Parlament, NGOs, Bürgerschaft und Medienorganisa-tionen – hätten wichtige Rollen in der digitalen Demokra-

tie zu spielen und dürften nicht durch Regierungsaktivitä-ten an den Rand gedrängt werden.

Onlinediskussionsangebote der Regierung wurden in letz-ter Zeit vorwiegend im Rahmen von Onlinekonsultatio-nen gemacht, u. a. zur EU-Verfassung, zu genetisch ver-änderten Lebensmitteln, zur Rentenpolitik und zu Afrika.Überdies verweist die Regierung auf Diskussionsange-bote Dritter wie z. B. auf www.thesite.org, das sich an Ju-gendliche richtet. Zum eigenen Diskussionsangebot be-steht, soweit ersichtlich, auf keiner der Websites einzentraler Zugang.

2.1.2 Bundesregierung

Trotz durchaus – auch im internationalen Vergleich – be-achtenswerter Entwicklungen in den Bereichen E-Demo-kratie-Dienstleistungen, Aktivismus und Forschung(Bieber 2004) spielt das Thema E-Demokratie inDeutschland keine zentrale Rolle im politischen Diskurs.Zudem hat sich hier der Umschlag von der Interneteupho-rie zur Ernüchterung anscheinend sehr stark ausgewirkt.

In der Zeit um die Jahrhundertwende wurden vom Bun-deskanzler (z. B. in seiner Regierungserklärung 1998),weiteren hochrangigen Regierungsvertretern sowie zahl-reichen anderen Politikern dem Internet allgemein – undauch der bürgerschaftlichen E-Partizipation im Besonde-ren – oft und öffentlichkeitswirksam hohe Bedeutung zu-gesprochen (Coenen 2000). Das Thema Internet dürfe– so eine Vielzahl von einflussreichen Akteuren – nichtauf ökonomische Aspekte wie E-Commerce reduziertwerden, sondern es müssten vor allem auch kulturelleWandlungsprozesse sowie die Chancen für neue Formenbürgerschaftlicher politischer Partizipation verstärkte Be-achtung finden.

Die Entwicklung ab 2001 legt gleichwohl die Vermutungnahe, dass die Auswirkungen der Krise der „New Eco-nomy“ auch auf den politischen Diskurs über digitale De-mokratie abgefärbt haben. Vorherrschender Tenor in denselten gewordenen politischen Äußerungen zur Thematikwar es, die Interneteuphorie zu kritisieren und sich dabeiggf. auch von weitreichenden demokratiepolitischenHoffnungen zu distanzieren wie sie in den frühen Diskus-sionen über die politische Internetnutzung verbreitet wa-ren (Kap. III).

Während aber in den Wissenschaften starke Veränderun-gen in der Ausrichtung des Forschungs-Mainstreams denVorteil haben können, Erkenntnisgewinne in Bezug aufvormals vernachlässigte Fragen zu ermöglichen – ohnedass dabei andere Fragen irrelevant würden –, verursachteine starke Beeinflussung durch Themenkonjunkturen impolitischen Bereich oft problematische Entwicklungen:Gerade wenn – wie in Deutschland im Fall der E-Demo-kratie – eine strategisch als relevant eingeschätzte politi-sche Aufgabe in den konkreten politischen Aktivitäten– in diesem Fall der E-Government-Politik – noch nichtverankert ist, kann in Folge einer solchen Entwicklungeine bedenkliche Kluft zwischen politischen Leitbildern

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/6015

und dem praktischen politischen Handeln entstehen.16

Die deutsche Ausprägung dieses Dilemmas digitaler De-mokratie ist relativ stark, da bisher weder durch Online-konsultationen noch durch ein zentrales Angebot zur On-linediskussion eine Schwerpunktsetzung erfolgt ist.

So entwickelten sich zwar die Regierungsaktivitäten indiesem Bereich durchaus fort – vor allem bei der Förde-rung kommunaler und nicht staatlicher Projekte(Kap. IV.2.2), aber auch durch die relativ weite Verbrei-tung von Chats mit Regierungspolitikern und die eigeneNutzung von Onlineforen (Kap. IV.2.3), die Kommunika-tion der Regierung mit der speziell interessierten Öffent-lichkeit (Fachkonferenzen, Messen u.ä.) sowie durch dieFörderung von Forschungsprojekten (z. B. Wienhöfer etal. 2002). Insgesamt gesehen erweckte die Regierungs-politik zur Förderung der E-Partizipation aber den Ein-druck, sie sei nicht nur unzureichend koordiniert und fi-nanziert, sondern zudem ein äußerst randständigerBereich politischen Handelns. Im Gegensatz zu den weit-reichenden Bekenntnissen zur E-Demokratie und speziellzur Nutzung von Onlineforen, die in verschiedenen Do-kumenten gemacht wurden, stand die geringe Bedeutung,die dem Thema in öffentlichkeitswirksamen Äußerungenund Aktivitäten von Regierungspolitikern sowie in derÖffentlichkeitsarbeit der Regierung zukam. Dadurch un-terblieb – mit Ausnahme der Chats – auch die in einem(anscheinend chronisch) unterfinanzierten Bereich beson-ders wichtige Stimulierung zivilgesellschaftlichen undbürgerschaftlichen Engagements sowie des Interesses po-tenzieller Sponsoren.

Bemerkenswert ist hier die Tatsache, dass die Bundesre-gierung – im Gegensatz zur EU-Kommission und zur bri-tischen Regierung – die programmatischen Zielsetzungenin Bezug auf die E-Demokratie nach dem Ende der Inter-neteuphorie noch einmal ausgeweitet hat. In dem imHerbst 2003 vorgestellten Aktionsprogramm „Informa-tionsgesellschaft Deutschland 2006“ heißt es unter derÜberschrift „Partizipation stärken“, dass – parallel zumAusbau des E-Government – durch „eDemocracy“ die„demokratische Beteiligung“ verbessert werde: DemStaat eröffneten sich hier „neue Wege und Möglichkeiten,Bürgerinnen und Bürger umfassend zu informieren, mitihnen zu diskutieren und sie in die Gestaltung von politi-schen Entscheidungen mit einzubeziehen“ (BMWA/BMBF 2003, S. 59). Zuwächse an Transparenz, Vertrauenund Akzeptanz seien die Folge, weshalb E-Partizipationals „eine sinnvolle Ergänzung des Systems der repräsen-tativen Demokratie“ gelten könne.

Konkretisiert wurde dies in einer Reihe von Ankündigun-gen. Angestrebt wurden u. a. (BMWA/BMBF 2003,S. 59 f.):

– eine zentrale Anlaufstelle im Netz für Bürger und Ex-perten, die an Onlineforen und Onlinekonsultationender Bundesregierung interessiert sind;

– mittelfristig eine Ausweitung der E-Partizipationsan-gebote;

– die Nutzung von Onlineforen zur Diskussion von Ge-setzesentwürfen mit Experten und interessierten Bür-gern;

– die Onlinediskussion auch hoch kontroverser Themen(wie die Reformvorhaben der „Agenda 2010“).

Im selben Jahr veröffentlichte das BMI – in Anknüpfungan Aktivitäten innerhalb der OECD (OECD 2003) – einenLeitfaden für die Nutzung von staatlichen Onlineforen, indessen Vorbereitung auch Onlineforen der Bundesverwal-tung evaluiert wurden (BMI 2003; s. a. Kap. IV.2.3 u.VI.2).

Die Ankündigungen und Maßnahmen wurden allerdingsgegenüber der Öffentlichkeit kaum kommuniziert undsind z. B. auch bei einigen mit dem Internetangebot be-fassten Mitarbeitern der Bundesverwaltung nicht be-kannt. Zum Hintergrund der Ankündigungen und Maß-nahmen gehört ein Beschluss des Deutschen Bundestagesvom 14. März 2002 (zum Antrag „e-Demokratie: Online-wahlen und weitere Partizipationspotenziale der NeuenMedien nutzen“ der Regierungsfraktionen vom 29. Ja-nuar 2002), in dem die Bundesregierung ermutigt wird,vermehrt eigene Erfahrungen mit den Partizipations-potenzialen neuer Medien zu machen, und aufgefordertwird, einen Bericht zu diesen Potenzialen vorzulegen. Siesolle zudem die eigenen Webangebote aufmerksam da-hingehend beobachten und auswerten, ob die Potenzialein diesen genutzt werden und welche neuen Fragen undProbleme dabei auftauchen.

Aktuelle Entwicklungen

Eine weitere Evaluation des Onlineforenangebots aufBundesebene wurde im Frühjahr 2005 im BMI vorberei-tet. Laut Auskunft der Verantwortlichen ist geplant, denaktuellen Stand der Nutzung von Onlineforen in der Bun-destagsverwaltung zu erheben, auf ähnliche Weise wiebei der Evaluation im Jahr 2002. In dem dazu notwendi-gen Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierungwerde auch das Vorhaben geprüft, ein zentrales Portal zurbürgerschaftlichen Teilhabe an den Prozessen der Moder-nisierung von Staat und Verwaltung einzurichten. Dieserzentrale Punkt der E-Demokratie-Strategie der Bundes-regierung wurde von der Bundesregierung auch anläss-lich einer Antwort auf eine Große Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zum Thema „Umgang mit Bürger-anliegen und Stärkung des Petitionsrechts“ von neuembetont. Dort heißt es zur Förderung der demokratischenTeilhabe, dass diese eine Aufgabe sei, die über die Dauereiner einzigen Wahlperiode hinausweist. Sie umfasse einSpektrum, „das von Maßnahmen zur Förderung des Dia-logs mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Weiter-entwicklung einer bürgerfreundlichen, transparenten öf-fentlichen Verwaltung bis hin zur Stärkung undErgänzung politischer Beteiligungsrechte reicht“ (Bun-desregierung 2005b, S. 2). Bundesregierung und Deut-scher Bundestag seien hier grundsätzlich gemeinsam ge-fordert. Ein Ansatzpunkt in der Bundesverwaltung seien

16 Zum Umgang mit Themenkonjunkturen in der – parlamentarischen –Technikfolgen-Abschätzung zu neuen Medien und Informations- undKommunikationstechnologien s. a. Coenen (2005).

Drucksache 15/6015 – 52 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

dabei „Modelle und Instrumente zur Optimierung bürger-schaftlicher Beteiligung (e-Democracy)“. Des Weiterenfördere die Regierung auch Internetplattformen zur Un-terstützung bürgerschaftlichen Engagements. Zur bürger-schaftlichen Beteiligung an politischen Entscheidungs-prozessen heißt es: „Die Möglichkeiten, die das Internetfür die Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen an Ent-scheidungsprozessen in Politik und Verwaltung bietet,können noch besser genutzt werden. Die Einrichtung vonOnlineforen ist hierfür ein geeignetes, effizientes undbürgernahes Instrument. Die Bundesregierung beabsich-tigt, einen einheitlichen Internetzugang zu den Online-foren der Bundesverwaltung zu schaffen. Dies macht dieMöglichkeiten elektronischer Bürgerbeteiligung transpa-renter und erleichtert die Erreichbarkeit der Foren we-sentlich“ (Bundesregierung 2005b, S. 5 f.). Onlinedialogund die Förderung netzbasierter Öffentlichkeit(Kap. IV.2.2) nehmen also weiterhin eine zentrale Rollein der politischen Programmatik der Bundesregierung zurbürgerschaftlichen Partizipation ein. Als wichtigstes In-strument des Onlinedialogs gelten Diskussionsforen.

2.1.3 Zur Einschätzung der E-Demokratie-Strategien

Beide Regierungen haben seit Ende der 1990er Jahrehohe Erwartungen an die Nutzung des Internets für bür-gerschaftliche und zivilgesellschaftliche Partizipation for-muliert. Die programmatische Entwicklung in Deutsch-land stellt sich aber inhaltlich kontinuierlicher dar undwirkt dabei zunehmend anspruchsvoll – was auch dieKluft zwischen Angekündigtem und Erreichtem beson-ders breit erscheinen lässt. Die britische Regierung hat inletzter Zeit einige weitreichende Vorstellungen zur E-De-mokratie auf nationaler Ebene implizit oder explizit rela-tiviert. Mit dem zentralen Webangebot zu ihren Onlinean-hörungen ist aber auch ein zentrales Element digitalerDemokratie bereits realisiert. Die Bundesregierung setzterklärtermaßen vor allem auf ein vielfältiges Angebot zurOnlinediskussion – und dabei insbesondere auf Foren –und plant, dieses durch ein eigenes Webportal zentral zu-gänglich zu machen. Das Forenangebot soll zudem durcheine umfassende Evaluation und den Erfahrungsaus-tausch der diversen Anbieter innerhalb der Bundesregie-rung verbessert werden.

Eine strategische Grundlinie der Bundesregierung zurE-Demokratie ist also auszumachen: Sie setzt stärker alsdie britische Regierung darauf, dass durch bürgerschaftli-che politische Onlinediskussionen allgemein die Politik-gestaltung und -vermittlung verbessert und zudem dienetzöffentliche politische Deliberation und allgemein dieöffentliche Meinungsbildung gefördert werden können.17

Aus diesem Ansatz ergeben sich Herausforderungen inBezug auf die Gestaltung der Diskussionsangebote: ZurVermeidung von Frustrationen bei den teilnehmendenBürgern muss der jeweilige Zweck der Angebote deutlich

gemacht werden. Soweit sie nicht nur die Möglichkeit derDiskussion zwischen Bürgern bieten sollen, ist sicherzu-stellen, dass es zu einer effizienten Nutzung der Diskus-sionsergebnisse seitens der Politik sowie zu einer Erfül-lung legitimer Erwartungen der teilnehmenden Bürgerkommt.

In beiden Ländern wurden die erklärten Ziele zur Förde-rung bürgerschaftlicher politischer Onlinediskussion so-wie zum Dialog zwischen Politik und Bürgern bisher nurin begrenztem Maße realisiert. Im Vereinigten Königreichsind durch die Onlinekonsultationen wichtige Möglich-keiten der bürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichenE-Partizipation geschaffen worden. Sie betreffen aber– im Gegensatz zu einigen frühen, problembehaftetenOnlinediskussionsangeboten der Regierung – zumeistsehr spezifische Themen und Zielgruppen. Das Diskus-sionsangebot der Bundesregierung wird dadurch beein-trächtigt, dass die gerade erwähnten Herausforderungenbei der Durchführung solcher Angebote zum Teil nichtausreichend angegangen worden sind (Kap. IV.3.2).

Zu beachten sind die Unterschiede im Verhältnis von Re-gierung und Parlament: Während durch die institutionel-len Gegebenheiten des britischen Parlamentarismus eineenge Abstimmung zwischen den programmatischen Ini-tiativen von Legislative und Exekutive relativ einfachmöglich war und damit auch die nationale Schwerpunkt-setzung auf Onlineanhörungen erleichtert wurde, ist dieAbstimmung zwischen Bundesregierung und DeutschemBundestag in Bezug auf die E-Demokratie eher punktuell.Die neueren Aktivitäten der Bundesregierung weisen aberdarauf hin, dass die Weiterentwicklung des eigenen An-gebots in der durch das Parlament aufgezeigten Richtungerfolgen soll.

2.2 Nicht staatliche Internetöffentlichkeit, Netzkultur und deren Förderung

Bei den Ausführungen in diesem Unterkapitel handelt essich nur um eine schlaglichtartige Beleuchtung von Aus-schnitten des interessierenden Feldes. Der Schwerpunktliegt bei den Ausführungen zu Großbritannien auf Ent-wicklungen, die für die politischen Akteure in Deutsch-land von besonderem Interesse sein könnten. Bei denAusführungen zu Deutschland wird insbesondere auf ei-nige relevante Aktivitäten der Bundesregierung hinge-wiesen.

Von nicht staatlichen Angeboten zu politischer Netzöf-fentlichkeit werden hier insbesondere auch Beiträge vonAkteuren berücksichtigt, die im Kontext allgemeiner„netzkultureller“ Entwicklungen stehen. Die „Netzkul-tur“ kann als eine globale kulturelle Strömung begriffenwerden, die aus den geteilten netzbezogenen Praktiken,Verhaltensstandards, Wertvorstellungen und Erzeugungenvon Internetnutzern gebildet wird, für die das Netz zu ei-ner zentralen Informationsquelle und einem wichtigenKommunikations- und Sozialraum geworden ist(Kap. II). Die Gemeinsamkeiten zwischen den verschie-denen netzkulturell Aktiven bestehen allerdings auf einersehr allgemeinen Ebene und sind zudem auf das ThemaInternet selbst beschränkt. Angesichts der Vielfalt der

17 Dem entsprechen auch die vielfältigen Maßnahmen zur Förderungund Unterstützung nicht staatlicher Beiträge zur kulturellen und poli-tischen Netzöffentlichkeit (Kap. IV.2.2).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/6015

Praxis der Häufignutzer des Internets – die z. B. von denbei Jugendlichen sehr beliebten Chats und Onlinespielenüber Softwareweiterentwicklung bis hin zu Netzkunstreicht – ist es sinnvoller von „Netzkulturen“ – also imPlural – zu sprechen. Gleichwohl bestehen – über gewisseVerhaltensstandards in der Internetkommunikation (z. B.die „Netiquette“) hinaus – auch übergreifende Charakte-ristika der Netzkultur: Sie ist dadurch gekennzeichnet,dass sie an Gepflogenheiten und Ideale der frühen Phasender Internetnutzung anknüpft wie vor allem an der Visiondes Internets als einem universalen, für jeden zugängli-chen Wissensspeicher und freiem Kommunikationsraum.Bei ihren konkreten Anliegen sind die netzkulturell Akti-ven zum Teil bereits auf Resonanz in Massenmedien undPolitik gestoßen, z. B. im Fall der „Open-source“-Bewe-gung, die die Offenlegung von Softwarecodes und einekollektive Weiterentwicklung der Programme propagiertund praktiziert. Zudem ist mittlerweile unumstritten, dassmöglichst viele staatliche politische Informationen kos-tenlos im Netz verfügbar sein sollten, weitergehende For-derungen nach der kostenlosen Verfügbarkeit aller mit öf-fentlichen Geldern finanzierter Forschungsergebnisse(„Open Access“) sind dagegen bisher selten. Die „Open-content“-Bewegung hat sich allgemein zum Ziel gesetzt,das kostenlos zugängliche Information und Wissen im In-ternet zu erhalten und weiterzuentwickeln. KollaborativeInternetprojekte (Kap. V.1) – wie die von den Nutzern ge-meinsam erstellte Enzyklopädie Wikipedia – spielen da-bei eine wichtige Rolle. Konflikte gibt es – angesichtsvon Kollisionen mit dem Urheberrecht – über die Peer-to-Peer-Netzwerke, die eine zentrale Rolle beim Informa-tionsaustausch innerhalb der Netzkultur spielen.

Wechselwirkungen zwischen politischer Kultur und Netz-kultur sind offensichtlich von grundlegender Bedeutungfür den Bereich staatlicher Onlinediskussionsangebote, indem die Politik mit den jeweils aktuellen Hervorbringun-gen aus der Netzkultur experimentiert und sich zum Teilauch auf den Dialog mit den netzkulturell Aktiven ein-lässt. Zudem tragen zahlreiche nicht staatliche Internet-projekte politischer Natur zur Weiterentwicklung digita-ler Demokratie bei. Die allgemein gewachseneBedeutung der Netzkultur schlägt sich auch in staatlichenAktivitäten zu deren Förderung nieder.

2.2.1 Großbritannien

Hinsichtlich der Entwicklung digitaler parlamentarischerDemokratie in Großbritannien sind zahlreiche Web-angebote im Überschneidungsbereich von Netzkultur undE-Demokratie relevant. Diese Angebote beruhen bislanggrößtenteils auf dem freiwilligen Engagement von poli-tisch interessierten und medienkompetenten Bürgern so-wie der Arbeit von demokratiepolitischen Think-Tanks.

Beachtung verdienen z. B. die Aktivitäten im Umkreisdes Projekts MySociety, das im letzten Jahr erstmals250.000 britische Pfund Förderung durch die Regierungerhielt. Zu nennen sind hier ein Angebot zur erleichtertenschriftlichen Kontaktaufnahme mit britischen Abgeord-neten verschiedener Parlamente (Writetothem), ein Infor-mationsdienst zu Presseerklärungen der Regierung (Dow-

ningStreetSays) sowie vor allem die beiden auf dasUnterhaus bezogenen Projekte PublicWhip und They-WorkForYou:

– PublicWhip (www.publicwhip.org.uk) bietet Möglich-keiten zur personen- und themenbezogenen Recherchezu den Abstimmungen des Parlaments. Ergänzt wirddies u. a. durch Diskussionsforen sowie durch dieMöglichkeit, sich einen persönlichen „Ideal-Abgeord-neten“ („Dream MP“) zu schaffen, dessen Abstim-mungsverhalten vollständig den eigenen Präferenzenentspricht. Dabei wird auch ausgewertet, in welchemMaße das Abstimmungsverhalten realer Abgeordnetermit den eigenen Präferenzen übereinstimmt.

– TheyWorkForYou (www.theyworkforyou.com) bietetexzellente personen- und themenbezogene Möglich-keiten der Recherche in Plenarprotokollen. ZahlreicheBegriffe in den Plenarprotokollen sind mit weiterfüh-renden Informationen (aus der Webpräsenz des Parla-ments und von www.wikipedia.org) verlinkt. Es be-steht die Möglichkeit, sich per E-Mail darüberinformieren zu lassen, wenn ein bestimmtes Thema imParlament behandelt wird oder ein bestimmter Abge-ordneter spricht. Im Frühjahr 2005 wurde daran gear-beitet, auch die Transkripte der parlamentarischenAusschussverhandlungen in das Angebot zu integrie-ren. Bemerkenswert ist zudem, dass registrierte Nutzerdie Möglichkeit haben, Kommentare zu Debattenbei-trägen, schriftlichen Anfragen an die Regierung, zuderen Antworten und zu schriftlichen Ministererklä-rungen abzugeben. Diese Kommentare erscheinen aufderselben Seite wie die Beiträge, Erklärungen etc., aufdie sie sich beziehen, und können wiederum von ande-ren Nutzern kommentiert werden.

Von wachsender Bedeutung ist die britische politischeBloggerszene. Politische Weblogs sind in Großbritannienweiter verbreitet als in Deutschland. Zu den bisherigenErfolgen der „Weblog Lobby“ – die u. a. von dem Think-Tank Voxpolitics unterstützt wird – ist die Tatsache zuzählen, dass Blogs bereits seit 2003 die massenmedialeÖffentlichkeit – und in geringem Umfang auch das Parla-ment – erreicht haben (Ferguson/Howell 2004). EinigeParlamentarier aus allen drei nationalen Parlamentspar-teien sind bereits selbst Blogger, des Weiteren einige Lo-kalpolitiker. Auch im nationalen Wahlkampf 2005 spielenBlogs eine Rolle. Die drei großen Parteien haben eigeneBlogs – bzw. (im Fall von Labour) ein Wahlkampf-Tage-buch des Premierministers, das einem Blog ähnelt –, siewerben für die Weblogs ihrer Parlamentarier und Kandi-daten und sie unterstützen die Vernetzung mit ihnen sym-pathisierender Blogger.

Einige Blog-Aktivisten verwenden radikalere Methodenin ihrem Bemühen, Blogs zu popularisieren: Sie erstellenungefragt Weblogs für Abgeordnete und bemühen sich– mit Erfolg – darum, diese bei Google-Recherchen zudem Namen der Parlamentarier auf den Spitzenplätzen er-scheinen zu lassen. Die Fake-Weblogs sind zumeist alssolche ausgewiesen. In einigen Fällen handelt es sich umWeblogs, die den Abgeordneten in einem schlechtenLicht erscheinen lassen, in anderen Fällen um neutrale bis

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positive Darstellungen der Arbeit des Parlamentariers.Meistens ist es das erklärte (und auch durch direkte Kon-taktaufnahmen verfolgte) Ziel, den Abgeordneten davonzu überzeugen, selbst ein Weblog mit Kommentarfunk-tion (oder ein anderes Onlinedialogangebot) einzurichten.Es gibt aber auch Ausnahmen wie z. B. ein – anlässlichder nationalen Wahlen 2005 eingerichtetes – kritisch-sati-risches Fake-Weblog im Namen des konservativen Partei-chefs.

Die öffentliche Aufmerksamkeit für die demokratischenPotenziale des Internets wird auch durch das iCan-Projektder BBC gefördert, das man direkt über die Homepageder BBC erreicht. Es soll Bürgern vor allem dabei helfen,sich über sie interessierende lokalpolitische – aber auchüber andere politische – Themen zu informieren, mit an-deren Interessierten zu vernetzen und Onlinekampagnendurchzuführen. In iCan werden auch Informationen zuden parlamentarischen Onlineanhörungen bereitgestellt.Die BBC berichtet zudem regelmäßig über Themen digi-taler Demokratie und insbesondere über staatliche On-linedialogangebote. Ähnliches gilt für verschiedene Qua-litätszeitungen.

Zudem trägt das Engagement einzelner Telekommunika-tions-, IT- und Informationsdienstleistungs-Unternehmen(als Sponsoren von E-Demokratie-Forschung und -Pra-xis) zur Aufrechterhaltung eines günstigen Umfelds auchfür parlamentarische E-Demokratie bei.

Zur Rolle der Hansard SocietyEine Schlüsselrolle in der britischen E-Demokratie-Poli-tik spielt seit Jahren die eng mit dem Parlament verzahnte(und durch personelle Überschneidungen zudem eng mitder Regierung vernetzte) Hansard Society. Sie kann auchals die treibende Kraft hinter den parlamentarischen On-lineanhörungen gelten (Trénel 2004; Kap. IV.3.4). AlsReaktion auf zurückgehende Wahlbeteiligungen und dasnachlassende Vertrauen in Politiker hat die Gesellschaftseit den 1990er Jahren verstärkt nach Wegen gesucht, wiedie Beziehungen zwischen Repräsentierten und Reprä-sentanten enger gestaltet werden können. Dabei sah siebereits frühzeitig besondere Chancen in der digitalen De-mokratie. Ihre Rolle wird in nahezu allen für die britischeE-Demokratie-Strategie relevanten Dokumenten und inzahlreichen Reden von Politikern gewürdigt. Sie hat z. B.in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die G8 beraten,war an den britischen Pilotprojekten dieser Zeit beteiligt,spielt eine wichtige Rolle in der internationalen politi-schen Diskussion der Thematik (u. a. auf UN- und EU-Ebene) und Mitarbeiter der Gesellschaft haben an einerReihe von national und international politisch einflussrei-chen Publikationen zum Thema (wie z. B. Blumler/Coleman 2001; Coleman/Goetze 2001; OECD 2003) mit-gewirkt, in denen die Chancen ausgelotet werden, die dasInternet für die Stärkung repräsentativer Demokratie bie-tet. Zudem unterstützt die Gesellschaft die Arbeit derfraktionsübergreifenden Parlamentariergruppe zur E-De-mokratie.

Der Hansard Society kommt zugute, dass sie als politischneutral wahrgenommen wird, zugleich aber auch gute

Kontakte zur Regierung hat. Sie wurde 1944 mit dem Zielgegründet, die parlamentarische repräsentative Demokra-tie zu fördern. Beachtenswert ist die Organisationsstruk-tur: Präsident der Gesellschaft, die selbst nicht zum Parla-ment gehört, ist der „Speaker of the House“, der ähnlicheFunktionen wie in Deutschland der Bundestagspräsidenthat. Die Spitzen der im Parlament vertretenen Parteienbilden die Gruppe der Vizepräsidenten. Während dieserAufbau eine parteiliche Vereinnahmung verhindert,wurde die Gesellschaft anscheinend zudem auch von denan den Onlineanhörungen teilnehmenden Bürgern als ge-nügend unabhängig vom Parlament angesehen (Trénel2004).

2.2.2 Deutschland

Auch in Deutschland existieren Überschneidungsbereichevon Netzkultur und E-Demokratie sowie eine ausdiffe-renzierte Dienstleistungslandschaft im Bereich der politi-schen Internetnutzung. Es gibt zudem eine Reihe qualita-tiv hochwertiger, nicht staatlicher Politikportale im Netz(z. B. www.politikerscreen.de), bei denen auch Online-diskussionen zwischen Bürgern (z. B. www.politik-forum.de) und zusätzlich auch Politikerchats (z. B.www.politik-digital.de; www.dol2day.com) integriertsind. Auf kommunaler Ebene wurden, zum Teil gefördertdurch den Bund, bereits wichtige Erfahrungen mit digita-ler Demokratie gesammelt (vgl. Hart/Pflüger 2004;Holtkamp 2002; Initiative eParticipation 2004; Trénelet al. 2001; Westholm 2002). Auch für mehrere Stiftun-gen – wie z. B. die Bertelsmann-Stiftung (z. B. Hart/Pflüger 2004) und die Alcatel-Stiftung (z. B. Klumppet al. 2003) – ist die digitale Demokratie ein Schwerpunktihrer Arbeit. Ein auch im internationalen Vergleich be-merkenswert erfolgreiches Beispiel für die Nutzung desNetzes zur Förderung politischer Öffentlichkeit sind diegesellschaftspolitischen Onlineumfragen der Initiative„Perspektive-Deutschland“, an denen seit Anfang desJahrzehnts jedes Jahr hunderttausende Internetnutzerin-nen und -nutzer teilgenommen haben.

Die wohl auffälligste Besonderheit der politischen On-linediskussionskultur in Deutschland ist die weite Verbrei-tung von Chats. Private Anbieter – von speziellen E-De-mokratie-Dienstleistern über Computermessen bis hin zuden etablierten Massenmedien – führen Politikerchatsdurch, wobei die Tradition in diesem Bereich bis in dieerste Hälfte der 1990er Jahre zurückreicht. Chats habensich – im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern –zu einem festen Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit vie-ler politischer Akteure entwickelt, werden auch stark vonden Parteien genutzt (Bieber 2004) und spielten in denletzten fünf Jahren eine bemerkenswerte Rolle in Wahl-kämpfen. Vertreter der Bundesregierung nahmen eben-falls häufiger an Chats teil. Die politische Bloggerszeneist in Deutschland dagegen vergleichsweise klein.

Staatliche Förderung der Netzöffentlichkeit

Politische Netzöffentlichkeit und gesellschaftliche Bei-träge zur digitalen Demokratie werden in Deutschland anverschiedenen Stellen staatlich gefördert oder unterstützt –

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/6015

u. a. durch die Arbeit der Bundeszentrale für politischeBildung (BpB) und der „Stiftung Mitarbeit“, die das In-ternetportal „Wegweiser Bürgergesellschaft“ betreibt(BMI 2002). Das Portal soll auf Bundesebene bürger-schaftliches Engagement durch sein Informationsangebotunterstützen. Im Rahmen dessen werden auch Informatio-nen zur E-Demokratie zur Verfügung gestellt, allerdingsin geringem Umfang.

Staatlicherseits gefördert oder angeboten werden auchverschiedene Internetangebote mit interaktiven Kompo-nenten, die sich an Teilgruppen der Gesellschaft – wie vorallem Jugendliche – richten. So betreibt die BpB z. B. dieWebsite www.fluter. de, auf der Jugendliche zu politi-schen und kulturellen Themen Informationen einholenund diskutieren können. Das Angebot wird nach Angabender Bundesregierung monatlich von ca. 100 000 Personengenutzt, in den Diskussionsforen werden – bei steigenderTendenz – ca. 400 Beiträge gepostet und bei den Umfra-gen ca. 1 200 Stimmen abgegeben (Bundesregierung2005a, S. 41). Eine ähnliche Ausrichtung hat die im Rah-men der „Bundesinitiative Jugend ans Netz“ des BMFSFJgeförderte Website www.netzcheckers.de.

Internetprojekte spielen zudem eine wichtige Rolle indem Programm Entimon und auch in den Programmen„Xenos“ und „CIVITAS“ der Bundesregierung, die auf-grund ihrer jugendpolitischen Ausrichtung ebenfalls inder Verantwortung des BMFSFJ liegen. Die Programmestarteten 2002 und sollten zur Bekämpfung und Eindäm-mung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit,Antisemitismus und Gewalt dienen. Neben fünf (bzw. seitAnfang 2005 noch drei) direkt geförderten reinen Inter-netprojekten wurden auch Projekte mit starker Online-komponente gefördert (hierzu und zum Folgenden Deut-scher Bundestag 2005, S. 15147–15148). Über denTrägerverein „Tacheles Reden e.V.“ wurde zudem diedeutschsprachige jüdische Internetzeitung „haGalil“ – einin mehrerlei Hinsicht einzigartiges Onlineinformations-und Kommunikationsangebot – unterstützt, das auch zurBekämpfung von Antisemitismus – u. a. durch ein On-line-„Meldeformular für nazistische Propagandadelik-te“ – beitragen will.18 In anderen, vom BMFSFJ auch2005 noch geförderten Projekten wird ebenfalls gezieltgegen den Rechtsextremismus – insbesondere auch wo ersich im Internet äußert19 – gearbeitet. An der Förderungdieser Projekte beteiligen sich zum Teil auch die EU-Kommission und die BpB.

Ein weiteres aktuelles Beispiel für die Förderung kultu-reller und politischer Netzöffentlichkeit ist das von derKulturstiftung des Bundes geförderte Projekt www.sign-andsight.com, dessen Mutterprojekt www.perlentau-cher.de seit längerem tagesaktuelle Internetrundschauenzu Feuilletonartikeln aus deutschsprachigen Qualitätszei-tungen bereit stellt. Das englischsprachige „Signand-sight“ soll – so die Hoffnung der Beauftragten der Bun-desregierung für Kultur und Medien – zur Realisierungtransnationaler Potenziale der netzbasierten Kommunika-tion beitragen. Das deutsche Feuilleton verdiene interna-tionale Aufmerksamkeit u. a. deshalb, weil es in seinerMischung aus kulturellen, gesellschaftlichen und politi-schen Themen einzigartig sei. Mit dieser kulturpoliti-schen Maßnahme soll also explizit politische Netzöffent-lichkeit (auf europäischer und „transnationaler“ Ebene)gefördert werden.

Das Angebot erlaubt dem Nutzer einen schnellen Zugriffauf eine Reihe von Angeboten unterschiedlicher (und un-terschiedlich politisch positionierter) Qualitätsmedien.Bemerkenswert, wenn auch nicht innovativ, ist die Tatsa-che, dass mit Hilfe des Netzes die Wirkung von aktuellenDebatten in den Qualitäts-Printmedien verstärkt werdensoll, durch ein Format, das an printmediale Traditionen(Presseschau) anknüpft. „Signandsight“ kann potenziellzur Förderung europäischer Öffentlichkeit dienen, dabeiwird aber keine breite Öffentlichkeit angesprochen, son-dern eine Teilöffentlichkeit mit fortgeschrittenen Eng-lischkenntnissen und Interesse am Feuilleton von Quali-tätszeitungen.

Die Förderung von „Signandsight“ durch die Kulturstif-tung des Bundes ist eine Anschubfinanzierung in Höhevon 1,4 Mio. Euro. Das Angebot soll sich in Zukunft al-lein durch Werbeeinnahmen und Sponsoren tragen. DieRedaktion geht davon aus, dass sich Ende des Sommers2005 beurteilen lassen werde, ob ein internationales Pu-blikum den neuen Dienst überhaupt wahrnimmt undnutzt. Eine Evaluation des Projekts und der Fördermaß-nahmen könnte zu einem vertieften Verständnis der staat-lichen Handlungsmöglichkeiten und -bedingungen beider Unterstützung von Netzöffentlichkeit beitragen.

Auch andere von der Kulturstiftung des Bundes geför-derte Projekte sind hinsichtlich kultureller und politischerNetzöffentlichkeit relevant, wie z. B. „Wizards of OS“,eine international renommierte Konferenz „für freie Wis-senskulturen im Internet“, die „Werkleitz-Biennale“, einostdeutsches Kunstfestival, das im Jahr 2004 die aktuelleCopyrightdebatte zum Thema hatte, „Female HipHop“,ein Forschungsprojekt, in dessen Rahmen u. a. eine Inter-netplattform zum Thema Frauen und HipHop entwickeltwurde, oder ein Projekt im Rahmen der „Transmediale“,einer (ebenfalls international renommierten) Veranstal-tung zur Netzkultur.

2.3 Websites der BundesregierungIn einem Gutachten für das Projekt (IZT 2005) wurdeeine Bestandsaufnahme des aktuellen Webangebots derBundesregierung vorgenommen, unter Einbeziehung on-line archivierter Foren und Chats. Dabei erfolgte eine

18 Seit Anfang 2005 erhält „haGalil“ jedoch keine Mittel mehr aus derProjektförderung des Programms. Laut BMFSFJ konnten sich derTrägerverein und „haGalil“ nicht über eine gemeinsame Fortsetzungdes Projekts einigen, eine weitere Förderung in diesem Jahr sei auf-grund der Programmgrundsätze nicht möglich (BMFSFJ 2005). DieRedaktion von „haGalil“ widerspricht diesen Einschätzungen auf ih-rer Website.

19 Die Entwicklung rechtsextremistischer Websites wird bereits seit län-gerem beobachtet, mit dem Ziel, diese zu schließen (z. B. http://www.jugendschutz.net/pdf/entimon2004.pdf; http://www. nazis-im-in-ternet.de; http://www.naiin.org/de/). Dennoch kann weiterhin – durchden transnationalen Charakter des Internets, der die Durchsetzung desdeutschen Verbots nazistischer Propaganda praktisch unmöglich macht,sowie durch Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene in Deutsch-land – eine Vielzahl von Websites dieser Art relativ problemlos aufge-funden werden.

Drucksache 15/6015 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Schwerpunktsetzung auf Aspekte der Nutzerfreundlich-keit und Sichtbarkeit. Da es sich bei diesen um Grundvo-raussetzungen auch für den Erfolg der Diskussionsange-bote handelt, werden zunächst einige der Ergebnisse derUntersuchung vorgestellt.20

Die Aufgabe, sich einen Überblick zu verschaffen, erwiessich als nicht einfach. Insgesamt konnten in den Recher-chen zum Gutachten (IZT 2005) – u. a. durch Suchma-schinen, Nutzung der internen Suchfunktionen und spe-zielle Software – 78 Auftritte identifiziert werden(November 2004 bis Januar 2005). In die Analyse einbe-zogen wurden davon 74 Sites, da vier Angebote erst nachBeginn der Analyse ausfindig gemacht werden konnten.Diese 74 Websites wurden dann auf Basis ausgewählterBewertungskriterien analysiert. Dabei wurde lediglich dieIdentifikation bestimmter erheblicher Mängel und beson-ders dringlichen Verbesserungsbedarfs angestrebt. Wennanhand der gewählten Indikatoren in einem Bereich (wiez. B. behindertengerechte Gestaltung oder Leistungsfä-higkeit der Suchfunktion) kein Mangel oder Verbesse-rungsbedarf festgestellt wurde, heißt dies also nicht, dasssich die reale Nutzung der Angebote für den Nutzer pro-blemlos gestalten muss.

Die Mehrzahl der Angebote weist jeweils Mängel oderVerbesserungsbedarf in den Bereichen Impressum undsehbehindertengerechte Gestaltung sowie vor allem beiden Navigationsmöglichkeiten auf. Hier bestehen beirund 90 Prozent der Angebote Verbesserungsbedarfe oderstarke Mängel. Insgesamt betrachtet stellt sich die Situa-tion am schlechtesten bei den Möglichkeiten zur Suchenach und in den Websites dar. Im Bereich Suchmaschi-nenoptimierung wurden 44 Angebote als mangelhaft ge-wertet und 29 Angebote bei der Leistungsfähigkeit der in-ternen Suchfunktionen. (Im letztgenannten Bereich weistaber auch über die Hälfte der Angebote keine Auffällig-keiten auf.) Zwischen den Angeboten bestehen deutlicheQualitätsunterschiede.

Fokussiert man die Angebote der Bundesregierung, dieden Namen oder die Abkürzung der Institutionen im Do-main-Namen haben, ist das Bild erfreulicher. Insbeson-dere fehlen keine grundlegenden internen Suchfunktio-nen. Bei fast allen Angeboten besteht ein gewisserVerbesserungsbedarf bei der Gestaltung der Navigationund bei einigen bei der Suchmaschinenoptimierung. Ins-gesamt gesehen hinterlassen diese 15 Angebote aber ei-nen gepflegten und gut positionierten Eindruck. Als Defi-zite fallen vor allem die fehlende Unterscheidung vonbenutzten und unbenutzten Links sowie die unzurei-chende Positionierung in der Suchmaschine „Google“auf. Insbesondere der letzte Punkt ist hier – mit Blick aufdie Bedeutung dieser Suchmaschine – bemerkenswert.

In einer vertieften Untersuchung der Angebote werden– wie in den nächsten Abschnitten aufgezeigt wird – wei-tere Struktur- und Detailprobleme im Bereich der Nutzer-

freundlichkeit deutlich, die (insbesondere im Bereich derinternen Navigation und der Vernetzung der Angeboteuntereinander) auf konkreten Handlungsbedarf hinwei-sen. Dieser Bedarf ergibt sich vor allem auch aus der Tat-sache, dass die Nutzer von Onlineinformationsangebotenbesonderen Wert auf gute Navigationsmöglichkeiten le-gen (van Eimeren et al. 2004, S. 356). Zu beachten ist indiesem Zusammenhang aber, dass die Pflege und Weiter-entwicklung umfangreicher, historisch gewachsenerWebsites sehr aufwändig ist.

2.3.1 Das Diskussionsangebot

In dem erwähnten Gutachten (IZT 2005) wurde auch un-tersucht, ob Websites der Bundesregierung Onlinediskus-sionsangebote aufweisen. Die Ergebnisse der im Novem-ber 2004 durchgeführten Recherchen stimmen in zweiwesentlichen Punkten mit denen eigener Recherchen desTAB im Sommer 2004 überein: Zum einen war festzu-stellen, dass die Angebote selbst bei aktiver Suche relativschwer aufzufinden sind. Zum anderen zeigte sich, dassdie Zahl der Websites mit aktuellen oder archivierten Dis-kussionsangeboten (und insbesondere mit Foren) geringwar: Während Chats von mindestens sieben Ministeriensowie dem BPA durchgeführt wurden, fand sich ein kon-tinuierliches Onlineforenangebot nur beim BMWA.

Die Mängel bei der Sichtbarkeit der Angebote verdienenBeachtung, weil durch sie wichtige Mittel zur Populari-sierung der Angebote ungenutzt bleiben. So lassen sichz. B. im zentralen Angebot www.bundesregierung.deHinweise auf Foren nur mühselig mittels der internenSuchfunktion finden. Einige Links mit Informationen zuabgeschlossenen Foren oder zu den Foren des BMWA be-stehen auch auf den unteren Ebenen, funktionieren aberzum Teil nicht oder führen in die Irre. Es fehlt eine engeVernetzung mit den Websites der Ministerien, die aller-dings auch mit einigem Aufwand verbunden wäre. Nach-teilig ist zudem, dass Angebote der Bundesregierung inder Regel keinen der Rubrik „Dialog“ auf www.bundes-tag.de (Kap. IV.3.5.) vergleichbaren Menüpunkt aufwei-sen. Auf vorhandene Onlinediskussionsangebote wird zu-meist – aber nicht immer systematisch – in der Rubrik„Service“ verwiesen, in der man solche Angebote nichtunbedingt vermutet.

Verbesserungsbedarf lässt sich auch hinsichtlich der Ar-chivierung feststellen. Archive beendeter Foren sind ent-weder online nicht vorhanden oder lassen sich nur schwerfinden. Ein wichtiger Vorteil der Netzöffentlichkeit wirdsomit suboptimal genutzt, nämlich die Möglichkeit, In-formationen zum Verlauf einer gesellschaftlichen Debattelangfristig für jeden verfügbar zu halten (Gedächtnis- undArchivfunktion des Internets). Aufgrund dieser Schwie-rigkeiten wird beim folgenden Überblick nicht der An-spruch erhoben, dass alle oder auch nur alle aktuellen undonline archivierten Angebote der letzten Jahre erfasstwurden. Durch ergänzende Recherchen – per Anfrage beizuständigen Mitarbeitern und durch Suchmaschinen –wurde aber versucht, Informationen zu vergangenen,nicht archivierten Diskussionen zu erlangen.

20 In die Untersuchung einbezogen wurden diejenigen Angebote, dievom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) odervon den Bundesministerien direkt herausgegeben werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57 – Drucksache 15/6015

Chats

Angesichts der besonderen Eigenschaften von Chats so-wie der relativ großen Bedeutung, die Chats mit Politi-kern in Deutschland haben (Kap. II), wurden in einemGutachten für das Projekt elf Chats mit Vertretern derBundesregierung näher untersucht (IZT 2005). Zehn die-ser Chats waren klassische Politikerchats mit Vertreternder Bundesregierung – in einem Chat (zum Thema Urhe-berrecht), veranstaltet vom BMJ, konnten sich hingegendie interessierten Bürger mit Experten des Ministeriumsaustauschen.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass imGegensatz zu Onlineforen bei den Chats sichergestellt ist,dass die Bürger mit ihren Beiträgen nicht „unter sich blei-ben“, da in den Chats durch Politiker oder MitarbeiterBeiträge zu politischen Themen gemacht werden. Aller-dings ist der Onlinedialog zwischen Politik und Bürgernim Sinne eines Austauschs eher selten: Die Möglichkeitder Nachfrage von Bürgern zu den Antworten der Politi-ker und deren nochmalige Antwort ergibt sich aufgrundder zeitlichen Beschränkungen hier kaum. Ebenfalls sel-ten möglich ist die bei Onlineforen häufig anzutreffendeC2C-Kommunikation.

Die Chatangebote der Bundesregierung spiegeln deren er-klärten Hauptzweck wider, nämlich den, Fragen von Bür-gern zu beantworten. Die Antworten sind dabei durch-schnittlich ungefähr doppelt so lang wie die Fragen.Diskussionen mit den Bürgern entwickelten sich hinge-gen nur ansatzweise, das gleiche gilt für den Austauschzwischen Bürgern. Die Ergebnisse von Chats bleiben inder Regel online verfügbar, in Form von Zusammenfas-sungen oder Mitschnitten auf Seiten der Bundesregie-rung. Dies gilt auch für die nicht analysierten Chats wiez. B. den ersten Chat mit Bundeskanzler GerhardSchröder (auf www.bundeskanzler.de im März 2002). Beiden analysierten Chats konnten jedoch keine Beispiele füreine über die Veröffentlichung hinausgehende Nachfolge-kommunikation ermittelt werden. Die Diskussionsergeb-nisse dürften also nicht systematisch in der Politikgestal-tung aufgegriffen worden sein.

Ein herausragendes Beispiel für die Nutzung von Chatsauf Websites der Bundesregierung ist die Chatreihe imRahmen des Angebots „Dialog Nachhaltigkeit“, die inzwei Staffeln in den Jahren 2002 und 2004 durchgeführtwurde. Bemerkenswert an dieser ist, dass zu einem ein-zelnen – allerdings auch sehr vielfältigen – Thema relativviele Chats durchgeführt wurden, an denen sich regelmä-ßig Vertreter der Regierung (zumeist Staatssekretäre) be-teiligten. Die Chats waren in einen Informationskontexteingebunden und als Diskussionsgrundlagen wurden einKonsultationspapier und (in der zweiten Staffel) der Ent-wurf des Fortschrittsberichts zur Nachhaltigkeitsstrategieangeboten. Ebenfalls ein längerfristiges Onlinediskus-sionsangebot, das auch Chats beinhaltete, wurde vomAuswärtigen Amt in den Jahren 2002 und 2003 gemacht.Dabei ging es um eine Diskussion über die EU – und ins-besondere über die Zukunft Europas und die Arbeit andem Europäischen Verfassungsvertrag. Die sechs durch-geführten Chats werden von zuständigen Mitarbeiterin-

nen des Auswärtigen Amtes im Nachhinein jedoch alsnicht so gut geeignetes Mittel für den Onlinedialog mitden Bürgern eingeschätzt: Ertrag und Aufwand hätten ineinem ungünstigen Verhältnis zueinander gestanden, auchwenn die Beteiligung – aufgrund des Themas oder derProminenz des teilnehmenden Politikers – in zwei Fällenzufrieden stellend war. Die nochmalige Nutzung vonChats durch das Auswärtige Amt sei eher unwahrschein-lich.21

Onlineforen

Für den Zweck der folgenden Ausführungen werden Ex-perten-, Beratungs- und Selbsthilfeforen auf der einenSeite und allgemeine politische Diskussionsforen auf deranderen Seite unterschieden. Während die letztgenanntenAngebote der Diskussion (und idealiter der Deliberation)im engeren Sinne politischer Themen dienen, sollen dieanderen Foren vorrangig andere Zwecke erfüllen, näm-lich – im Fall der Expertenforen – die Einholung bürger-schaftlichen (und insbesondere professionellen) Sachver-stands zumeist für die Arbeit der Bundesverwaltung bzw.– im Fall der Beratungs- und Selbsthilfeforen – die Infor-mation und den gegenseitigen Erfahrungsaustausch vonBürgern mit einem konkreten Anliegen. Nachstehendwird – entsprechend den thematischen Schwerpunktender vorliegenden Studie – lediglich auf die politischenDiskussionsforen ausführlicher eingegangen und in gerin-gerem Umfang auf Beratungs- und Selbsthilfeforen.Diese Schwerpunktsetzung bietet sich auch deshalb an,weil der Nutzen von Expertenforen prinzipiell unumstrit-ten ist.

Der Schwerpunkt bei den aktiven oder online archiviertenForen liegt – soweit ersichtlich – bei Expertenforen undBeratungs- bzw. Selbsthilfeforen. Auch bei der bereits er-wähnten Evaluation der Onlineforen, die von der Projekt-gruppe „Internet und Demokratie“ des BMI im ZeitraumJuli bis Dezember 2002 durchgeführt wurde, wurden mitwenigen Ausnahmen keine allgemeinen Diskussionsforenberücksichtigt.22 Die beiden Projektmitarbeiterinnen füh-ren in ihrem Bericht u. a. folgende Evaluationsergebnisseauf: Die befragten Veranstalter hätten den Nutzen der Fo-ren für die Erschließung relevanter Wissensressourcenund die Vor- und Nachbereitung von Präsenztreffen

21 Chats spielten auch eine wichtige Rolle bei dem niederländisch-deut-schen Onlinediskussionsangebot zum Thema „Future of Food“(Herbst 2001; http://www.future-of-food.org/Winter 2001/2002), dasauf deutscher Seite vom BMVEL getragen wurde. In der bilateralenDialoginitiative „Future of Food“ wurden Offline- und Onlinekon-sultationsinstrumente kombiniert, wobei der Schwerpunkt auf der„digitalen Diskussion“ lag. Die Verantwortlichen zählten rund22 000 Besucher der Website, 2 000 Beiträge zu Chats und über450 Diskussionsbeiträge in asynchroner Kommunikation. Letzteresind (größtenteils bilingual) archiviert. Die Zusammenfassung derDialogergebnisse ist auf der Website auch in Englisch und Französischverfügbar.

22 Auf Nachfrage teilte das BMI mit, dass in der Evaluation insgesamt14 Onlineforen berücksichtigt wurden. Nur zwei davon waren politi-sche Diskussionsforen für eine breitere Öffentlichkeit. Bei den an-sonsten vorbildhaften Fragebögen (BMI 2003, Anhang, S. 25–30;Kap. VI.2) vermisst man lediglich Fragen zur Archivierung und Auf-bereitung der Diskussionen.

Drucksache 15/6015 – 58 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

betont. Von besonderer Relevanz seien Werbung im Vor-feld und Zielgruppenansprache mit Hilfe verschiedenerMedien. Aufmerksamkeit für Foren könne auch durch dieKopplung an Offlineereignisse geschaffen werden. Me-thoden der Moderation seien z. B. einleitende und ab-schließende Statements, provokante Nachfragen, Zusam-menfassungen von Diskussionssträngen und -ergebnissenin regelmäßigen Abständen und zeitliche Orientierungs-punkte wie Terminkalender oder Visualisierungen gewe-sen. Der Zeitaufwand und die Kosten bei der Organisa-tion der Foren hätten sich generell in engen Grenzengehalten und viele Foren von einer Person im Rahmender täglichen Arbeit mitbetreut werden können. Dem ver-gleichsweise höheren Aufwand für Expertenforen steheein höherer politischer Nutzen der Teilnehmerbeiträge ge-genüber.

Politische Diskussionsforen für eine breitere Öffentlich-keit gab es, ausweislich der Archive auf den zentralenWebsites der Bundesregierung, seit 2002 u. a. zu denThemen Nachhaltige Entwicklung (2002), mögliche poli-tische Konsequenzen des Amoklaufs von Erfurt (2002),neue Themen der Legislaturperiode (2002) und demKyoto-Protokoll (2004/2005). Online nicht archivierteForen fanden z. B. statt zur „Agenda 2010“ (Titel „Mutzur Veränderung“) und – im Rahmen des bereits erwähn-ten Angebots des AA in den Jahren 2002 und 2003 – zurZukunft Europas und der Arbeit an dem EuropäischenVerfassungsvertrag. Dieses Angebot stand im KontextEU-weiter Aktivitäten zur Förderung des Dialogs überdiese Themen und war mit Onlinediskussionsangebotenauf EU-Ebene und in anderen Mitgliedstaaten verlinkt(Kap. IV.1).

Die Diskussionen im Forum zur „Zukunft Europas“konnten – weil (zumindest online) nicht archiviert – nichtuntersucht werden. Nach Auskunft der Verantwortlichenwar die Beteiligung stark: Seit der Eröffnung im Mai2002 seien über 4 000 Beiträge eingegangen und mehr als76 000 Bürgerinnen und Bürger hätten als Lesende teilge-nommen. Ergebnisse der Diskussionen seien zeitnah andas Sekretariat des Konvents weitergeleitet wurden. Obdieser bürgerschaftliche Beitrag zur Debatte tatsächlichvon den deutschen Mitgliedern des Konvents berücksich-tigt wurde, ist allerdings nicht bekannt. Ungewöhnlich fürein staatliches Onlinedialogangebot ist, dass die Beiträgesofort in dem Forum erschienen und dennoch zeitnah in-haltlich überprüft wurden, mittels E-Mail-Benachrichti-gung der Moderation zum Volltext jedes neuen Beitrags.Eine solche Vorgehensweise kann als „beste Praxis“ gel-ten.

Insgesamt betrachtet kann in Bezug auf das Forenangebotder Bundesregierung festgestellt werden, dass es in derRegel technisch sehr avanciert ist, der Aufwand für dieinhaltliche Betreuung der Foren, die Zweckbestimmungsowie der Umgang mit zentralen Problemen derdeliberativen Onlinekommunikation (wie die Frage derVorabprüfung von Teilnehmerbeiträgen und die Struktu-rierung und Stimulierung der Diskussionen) aber starkvariieren. Erinnert sei bei dieser Einschätzung daran, dasssie lediglich auf der Sichtung jener Angebote besteht, die

bei der skizzierten Recherchestrategie ermittelt werdenkonnten, wobei sich das oftmalige Fehlen von Onlinear-chiven negativ bemerkbar machte. Zudem ist darauf hin-zuweisen, dass es auch eine Reihe von kaum genutztenForen gab, bei denen nur in Einzelfällen in Erfahrung ge-bracht werden konnte, warum keine größere Resonanzzustande kam. Für den Misserfolg einiger Foren ist offen-kundig auch fehlendes Interesse der fachlich Zuständigenin den Ministerien mit verantwortlich, das es den jeweili-gen Redaktionen erschwerte, den notwendigen inhaltli-chen Input für die Foren zu generieren. Zudem macht sichoffensichtlich das mangelnde Engagement politischerEntscheidungsträger negativ bemerkbar.

2.3.2 Drei Forenangebote der Bundesregierung

Unter den im Frühjahr 2005 aktuellen Diskussionsange-boten ragen ein Forenangebot des BMJ zum Thema Urhe-berrecht und das BMWA-Forum heraus. Das Urheber-rechtsforum, das überwiegend den Charakter einespolitischen Diskussionsforums hat, ist hier auch deshalbvon Interesse, weil bei diesem Thema hohe Erwartungenan staatliche Webangebote bestehen (pol-di.net e.V. 2004;Kap. V). Das BMWA-Forum ist das umfangreichste Fo-renangebot der Bundesregierung zur Beratung von Bür-gern und Förderung bürgerschaftlicher Selbsthilfe undsticht auch in mehrerlei Hinsicht qualitativ hervor. Einedetaillierte Fallanalyse erfolgt zu einem Einzelforum des„Kanzler Forums“ (aus dem Jahr 2002).

Das „BMWA-Forum“

Das BMWA-Forum ist über die Rubrik „Service“ auf derHomepage des Ministeriums zu erreichen23, wobei daswenig erfolgreiche Angebot zum Thema „Mobilfunk“aber nur schwer aufzufinden ist. Als aktuelles Angeboterscheinen Einzelforen zu den Themen „Ich-AG“ und„Existenzgründung im Handwerk“. Am 8. April 2005verzeichnete das Forum zur „Existenzgründung im Hand-werk“ 506 Themenstränge und 2 036 Beiträge, das „Ich-AG“-Forum, das im Folgenden kurz beschrieben wird,140 Themenstränge und 858 Beiträge.

Das Einzelforum zum Thema „Ich-AG“ ist gut navigier-bar und bietet z. B. neben einer Suchfunktion auch dieMöglichkeit, sich alle Beiträge eines Teilnehmers anzei-gen zu lassen. Die Redaktion spielt mit insgesamt37 Beiträgen eine aktive Rolle. Neben der erklärtenHauptaufgabe – der Informationsvermittlung – äußertesie sich u. a. zur technischen Gestaltung des Forums,nahm dabei auch Anregungen von Nutzern auf und erläu-terte Moderationsmaßnahmen. In Nutzerbeiträgen wur-den – bei insgesamt gesehen positiver Bewertung desBMWA-Forums – dessen mangelnde Sichtbarkeit auf derWebsite des Ministeriums und vor allem die Tatsache kri-tisiert, dass es aufgrund der Vorabprüfung der Beiträgeoft relativ lange (bis zu drei Tagen) dauert, bis die Bei-träge der Nutzer erscheinen. Die Moderation sieht abergrundsätzlich aus Sicherheitsgründen keine Möglichkeit,

23 http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Service/bmwa-forum.html

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59 – Drucksache 15/6015

von einer Vorabprüfung abzusehen. Der Freischaltungs-rhythmus habe „sich in anderen (Fach)foren der Bundes-regierung und verschiedener Bundesbehörden bewährt“.Ehrenamtliche Moderatoren aus dem Teilnehmerkreiseinzusetzen, lehnte die Redaktion ab. In einer ihrer Be-gründungen für die Vorabprüfung von Beiträgen weist dieRedaktion auch darauf hin, dass es im gesamten BMWA-Forum keine Probleme mit „unangemessenen Beiträgen“gab. Konkretisiert wurde dies auf telefonische Nachfragevon dem Moderator, der angab, sich an keine extremisti-schen Äußerungen zu erinnern und nur an sehr wenigeBeiträge, bei denen einzelne Formulierungen zu bean-standen waren. Seines Wissens nach machten inakzep-table Beiträge generell in Experten- und Beratungsforenkeine nennenswerten Probleme. Diese Einschätzungwurde von anderen Befragten geteilt.

Auch wenn – entsprechend dem Forumszweck – in denDiskussionen praktische Probleme thematisch überwie-gen, wurden von Nutzern auch politische Diskussionenüber das Konzept „Ich-AG“, dessen Umsetzung und an-dere wirtschafts- und sozialpolitische Fragen geführt. DieRedaktion beteiligte sich an diesen nicht. Interaktion zwi-schen den Nutzern fand relativ häufig statt, das Ziel derStimulierung von C2C-Kommunikation zu Selbsthilfe-zwecken wurde also erreicht. Auffallend ist der hoheGrad an Zufriedenheit und zum Teil sogar Identifikationmit dem Forum. Kritik, die an der Praxis der Vorabprü-fung geäußert wird, ist eingebunden in viel Lob. Es wirdauch die Sorge geäußert, dass das Forum „einschlafen“könnte, und beklagt, dass es zu wenig sichtbar sei.

Fallanalyse zu einem Einzelforum des „Kanzler Forums“

Von den drei archivierten Foren des im Wahlkampfjahr2002 existierenden „Kanzler-Forums“ weist das Forumzu den politischen „Konsequenzen aus der Gewalttat vonErfurt“ die mit Abstand größte Zahl von Beiträgen (806)auf, was vermutlich auf das starke Interesse von Sport-schützen und Jägern einerseits und Computerspielern an-dererseits zurückzuführen ist. Die Themen der Einzelfo-ren des Erfurt-Forums (mit der Zahl der Beiträge inKlammern) waren: „Verschärfung des Waffenrechts“(454), „Novellierung des Jugendschutzgesetzes“ (144)und „Eindämmung von Gewaltdarstellungen in Medien“(205). Insgesamt registrierten sich 606 Bürger, für dieStartseite wurden ca. 20 000 Zugriffe verzeichnet(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung2002). An einem begleitenden Onlinevoting beteiligtensich ca. 12 000 Personen.

Das Einzelforum „Eindämmung von Gewaltdarstellungenin Medien“ bietet sich für eine Fallanalyse an, weil hierexemplarisch Wechselwirkungen von politischer Kultur,Massenmedien und Netzkulturen aufgezeigt werden kön-nen. Zudem hat zum Erfurt-Forum insgesamt das BPAeine Analyse in Auftrag gegeben (Presse- und Informati-onsamt der Bundesregierung 2002) und in einem Gutach-ten für das Projekt (IZT 2005) wurde es ebenfalls vertieftanalysiert.

Das Einzelforum wurde stark von Fans eines bestimmtenGenres von Computerspielen (Kap. II.3) geprägt, das inDeutschland oft als „Ego-Shooter“ bezeichnet wird. Ins-besondere handelte es sich um Fans des international be-liebten Spiels „Counter Strike“ (im Folgenden „CS“ ab-gekürzt). Ego-Shooter sind Computerspiele, bei denender Blick in die dreidimensionale virtuelle Spielewelt (da-her oft: „3D Shooter“) aus den Augen der Spielfigur er-folgt, in der Regel mit den Armen und der Waffe vor sich.Der Spielinhalt besteht zu einem großen Teil aus dem re-aktionsschnellen Schießen auf virtuelle Gegner. WichtigeElemente sind auch die Orientierung im virtuellen Raumund die schnelle und geschickte Bewegung der Figur indiesem (Funken/Löw 2002 u. 2003). Die meisten Ego-Shooter verfügen über einen Modus, der es ermöglichtmit anderen entweder über das Internet (Onlinegames)oder über ein lokales Netzwerk (LAN) – privat oder auföffentlichen „LAN-Parties“ – zu spielen. Dadurch kom-men kooperativ-taktische Elemente ins Spiel. „CS“ unter-scheidet sich von vielen anderen „Ego-Shootern“ da-durch, dass der Spielerfolg nicht notwendig von derTötung virtueller Gegner abhängen muss und detaillierte,spektakuläre Gewaltdarstellungen eine relativ geringeRolle spielen. Im Rahmen der „E-Sports“-Szene(Kap. II.3) kam es auch zur Bildung so genannter „Clans“durch „CS“-Spieler. Die Clans haben häufig Websites undzum Teil eigene Server und die Mitglieder unterhalten oftauch außerhalb des Netzes soziale Beziehungen zueinan-der. Ein weiteres (mehr oder weniger) geselliges Elementsind die „LAN-Parties“, bei denen die Spieler an einemOrt zusammenspielen. Beides rechtfertigt es – zumindestaus Sicht vieler Spieler –, hier von einer eigenständigenJugend(netz)kultur zu sprechen.

Zum Hintergrund der starken Präsenz von „CS“-Spielernin dem Forum zählt, dass schon vor dem Amoklauf vonder Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien(BPjM) über eine Indizierung des Spiels beraten wurdeund im Anschluss an diesen berichtet wurde, dass derAmokläufer ein „CS“-Spieler gewesen sein soll. DerKanzlerkandidat der CDU/CSU forderte ein Verbot derar-tiger Spiele, und nachdem die Indizierung von der BPjM– im Anschluss an eine Anhörung, an der auch Vertreterder Industrie und der Fanszene teilnahmen – abgelehntworden war, äußerten der Bundeskanzler und die dama-lige Bundesjugendministerin scharfe Kritik an der Ent-scheidung der Behörde. Die Massenmedien griffen – zumTeil mit geringen Kenntnissen über das Spiel – dasThema auf und in zahlreichen Internetforen wurde da-rüber diskutiert. Aus jugendschutzrechtlicher Sicht ist fürdie Bewertung einzelner Spiele u. a. entscheidend, wel-che Relevanz detaillierte und spektakuläre Gewaltdarstel-lungen für das Spielgeschehen haben und ob sich dieSpielziele in der Tötung von gegnerischen Figuren er-schöpfen. Die BPjM sprach sich aufgrund Erwägungendieser Art gegen eine Indizierung aus, zu einem Zeitpunktals das Forum bereits lief.

Der Kontext des vom 9. bis 21. Mai 2005 laufenden Fo-rums wurde dementsprechend vor allem von zwei Ele-menten geprägt: Zum einen legte die Regierung einenSchwerpunkt auf die Frage der Indizierung von „CS“, sah

Drucksache 15/6015 – 60 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sich dann aber mit einer Bewertung des Spiels durch dieBPjM konfrontiert, die den eigenen Absichten zuwider-lief. Zum anderen mobilisierte die „CS“-Szene, unter-stützt von der Industrie, ihre Ressourcen zur Verhinde-rung der Indizierung und griff dabei, ihrem Charakter alsNetzkultur entsprechend, auch stark auf das Internet zu-rück: durch E-Mails an Politiker und die BPjM, die Betei-ligung an Onlinediskussionen (z. B. auch in Foren desDeutschen Bundestages) sowie zur internen Abstimmung(u. a. durch eine Internetwahl der Personen, die die „CS“-Szene bei einer Anhörung durch die BPjM vertreten soll-ten).

Der Diskussionsverlauf im Forum entspricht zunächst ei-nem Muster, das in Onlinethemenforen häufiger anzutref-fen ist, wird dann aber durch die Nachrichten zur Stel-lungnahme der BPjM (16. Mai 2002) sowie der Kritik andieser durch den Bundeskanzler (17. Mai 2002) ein-schneidend verändert (IZT 2005): In der Anfangsphase,den ersten zwei Tagen, dominieren starke Meinungsäuße-rungen das Bild. Die Eindämmung von Gewaltdarstellun-gen in den Medien wird fast durchgängig abgelehnt. DerKommunikationsstil ist überwiegend deskriptiv und eswerden vor allem Informationen zur Stützung der eigenenPosition übermittelt. Zum Teil sind polemisch-agitativeBeiträge festzustellen. Die zweite Phase – die Woche vorder Entscheidung der BPjM – macht den größten Teil derDiskussionen aus. Nach wie vor herrscht fast einhelligKonsens, dass keine zusätzlichen Regulierungsmaßnah-men ergriffen werden sollten, es sind jedoch etwas häufi-ger ambivalente Einstellungen zum Thema und auchvereinzelt Gegenmeinungen festzustellen. Deutlich zunimmt das Bedürfnis nach Interaktivität – in Bezug aufandere Teilnehmer, den Bundeskanzler und die Modera-tion. Die zahlreichen Beiträge, in denen der Bundeskanz-ler direkt angesprochen wird, weisen darauf hin, dass die(ganz überwiegend jungen) Forumsteilnehmer hohe Er-wartungen an einen Onlinedialog mit der Politik hegten.Es wird Dankbarkeit für die Einrichtung des Forums be-kundet und die Diskussionsqualität gelobt. Gleichzeitigzeichnet sich in der Selbstwahrnehmung vieler Diskutan-ten aber auch eine deutliche Frontstellung ab (Wir Com-puterspieler und Gegner von Zensur vs. populistischeMassenmedien und Politiker). Aufgrund des fehlendenFeedbacks seitens der Politik und der Moderation kommtes am Ende dieser Phase zunehmend zu Unmutsäußerun-gen. Diese verstärken sich massiv in der dritten Phase desForums: Bezogen auf die Stellungnahme des Bundes-kanzlers häufen sich Beiträge, die in kritischer Form di-rekt an diesen gerichtet sind. Negativ-fatalistische Ein-schätzungen, Ironie und Sarkasmus, die zuvor keine Rollespielten, treten auf: „Das Forum könnte man jetzt aucheinfach schließen, bringt ja nix. Eines Gute hat die Sachenatürlich. Ich weiß endlich wo ich mein Kreuz bei derWahl machen werde. 100 Prozent nicht die SPD“ (IZT2005, S. 43). Vom Meinungsbild und der Beitragszahl hergesehen ähnelt die dritte Phase der zweiten, jedoch ver-schärft sich die Polemik und der Bundeskanzler wirdnoch häufiger direkt angesprochen. Am vierten Tag nachdessen Stellungnahme endet das Forum.

Bei diesem Forum spiegelt die Onlinediskussion in ihremVerlauf also die massenmedial-öffentliche Diskussion.Bedingt durch die starke Präsenz von – durchaus auchkritisch ihr eigenes Hobby reflektierenden – „CS“-Spie-lern sind jedoch Inhalte vorherrschend, die in der allge-meinen Öffentlichkeit nur am Rande – vor allem aufWebsites von Qualitätsmedien – vorkamen. Die Diskus-sionen sind (zumindest vor dem 17. Mai 2002) durch ei-nen überwiegend höflich-respektvollen Kommunika-tionsstil gekennzeichnet sowie durch ein hohes Maß anInteraktivität und zahlreiche rational argumentierende,auf Informationen verweisende Beiträge. VerschiedeneAspekte des Themas wurden diskutiert, wobei auch Ge-genpositionen zu den eigenen Auffassungen oft berück-sichtigt wurden. Die politische Relevanz des Forums istschwer einzuschätzen. Offenkundig ist, dass eine traditio-nelle Partizipationsform – nämlich die Anhörung durchdie BPjM, bei der neben Industrievertretern auch zweiFans teilnahmen – eine wichtige Rolle spielte. Recher-chen im Rahmen des Projekts legen die Annahme nahe,dass auch dieses Forum – trotz der Evaluation im Auftragdes BPA, die als „beste Praxis“ gelten kann – im politi-schen Prozess keine Rolle spielte. Ziele und Motive derEinführung des Forums wurden den Teilnehmern so gutwie nicht vermittelt (IZT 2005). Als mögliche Motivekommen vor allem das Anregen einer öffentlichen De-batte und die Verbesserung der Kommunikation mit derÖffentlichkeit in Frage. Das Anliegen des ersten Punktswurde umgesetzt. Eine Recherche im September 2004 er-gab zudem, dass sich in zahlreichen Onlineforenangebo-ten (von Unternehmen, gesellschaftlichen Organisationenund der „CS“-Szene) Hinweise und Links zu dem Forumfinden lassen. Die Einbindung des Forums in die interes-sierte Netzöffentlichkeit war dabei offenkundig deren Ei-genleistung. Der zweite Punkt, die Verbesserung derKommunikation, wurde nicht erreicht; offenkundig hatsich vielmehr das Verhältnis zu einer Teilöffentlichkeitverschlechtert.

Vermeidbar erscheinen – im Nachhinein – die Frustrationund Demoralisierung der meist jugendlichen Diskutanten.Fruchtbringender wäre möglicherweise die Einrichtungeines Forums durch oder für die BPjM gewesen, womitauch die direkte Anbindung an einen Meinungsbildungs-und Entscheidungsprozess ermöglicht worden wäre. Da-bei ist jedoch zu bedenken, dass vor Einrichtung des Fo-rums die Anbieter nicht ahnten, dass es zu einem Ziel-punkt der Mobilisierung der „CS“-Szene werden würde.Hier stellt sich die Frage, wie der Kenntnisstand der Poli-tik über Netzöffentlichkeiten und -kulturen erhöht und fürdie Konzeption und Positionierung eigener Diskussions-angebote im Netz nutzbar gemacht werden kann. Nebeneiner sorgfältigen Zielgruppenauswahl wären dabei auchvorbereitende Internetrecherchen zu erwägen.

Die Website des BMJ zur Kampagne „Kopien brauchen Originale“

Die politische Debatte über das Urheberrecht wird auchdurch intensive Diskussionen im Netz begleitet (Kap. V).Ausschlaggebend ist dafür offensichtlich, dass neue Re-gulierungsmaßnahmen in diesem Bereich insbesondere

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für viele starke Netznutzer von herausragendem Interessesind: „Peer-to-Peer“-Netzwerke, die dem Austausch vonInhalten verschiedener Art dienen und ein wichtiger Be-standteil der Netzkultur sind, können auch zu Urheber-rechtsverletzungen im großen Stil eingesetzt werden.Innerhalb der internationalen Kulturszene bestehen aller-dings – z. B. bei der Initia-tive „Creative Commons“ –Ansätze für neuartige Umgangsweisen mit der Veröffent-lichung von eigenen Werken im Netz. Auch die Industriehat inzwischen neue Modelle entwickelt – wie z. B. das„Digital Rights Management“24 –, die aber auf zum Teilheftige Kritik von Nutzern und Aktivisten gestoßen sind.Die Auseinandersetzung ist allgemein stark emotionali-siert: Während die Industrie, die sich durch die neuen Ko-pier- und Verbreitungsmöglichkeiten besonders betroffenfühlt, mit Lobby-Arbeit und oft rüden sowie teilweiseethisch fragwürdigen25 Öffentlichkeitskampagnen ihreInteressen durchzusetzen sucht, stellt der aktivistischeund ebenfalls lobbyistisch tätige Kern der Gegenseitediese Unternehmen als „sterbende Industrien“ dar, dieihre Schwierigkeiten mit dem Internet durch politischeProtektion lösen lassen wollten. Um den aktivistischenKern, der auch außerhalb des Netzes „Gegenöffentlich-keit“ zum Thema schafft, existiert eine relativ große Zahlvon Gegnern der geplanten und bereits realisierten Urhe-berrechtsänderungen, die das Netz und die Möglichkeitender Onlinediskussion intensiv nutzt. Sie erwartet zu gro-ßen Teilen vom Staat – und insbesondere vom BMJ – einezur Versachlichung der Debatte beitragendeMediatorenrolle, auch durch Onlinediskussionsangebote(pol-di.net 2004; Kap. V).

In dem skizzierten Kontext steht die Initiative „Kopienbrauchen Originale“26 (ab jetzt „KbO“), die im Oktober2004 vom BMJ gestartet wurde. Start und Inhalte derKampagne wurden online wie offline öffentlichkeitswirk-sam kommuniziert. Bei Google-Recherchen zum Themaund nach dem Ministerium fand sich (im April 2005) dievon einer studentischen Arbeitsgruppe konzipierte undgestaltete „KbO“-Website immer unter den oberen20 Ergebnissen, zumeist unter den ersten zehn und zumTeil noch vor der zentralen Website des Ministeriumsselbst. Das Angebot hat also schnell eine wichtige Rollefür die Position des BMJ in der deutschsprachigen Netz-öffentlichkeit gewonnen. Die Website weist zwei Schwer-punkte auf: die Information über die Gesetzgebung zumUrheberrecht und das Angebot zur Onlinediskussion.Hinsichtlich des ersten Schwerpunkts ist bemerkenswert,dass hier auf weitgehende Weise ein Webangebot auf ei-nen Gesetzgebungsprozess bezogen wird, u. a. mit Erläu-terungen zum Konzept der „kooperativen Gesetzgebung“sowie Dokumenten zu Ergebnissen der Arbeitsgruppenzur Erarbeitung des Referentenentwurfs, in die nicht

staatliche Akteure eingebunden waren. Unter dem Punkt„Debatte“ in der Startseiten-Rubrik „Gesetzgebung“ sol-len nach Beginn der parlamentarischen Debatte Informa-tionen zu dieser (Stellungnahmen der Ausschüsse, Pres-semitteilungen, Reden der Fraktionssprecher etc.) zurVerfügung gestellt werden.

Das am 27. Dezember 2004 gestartete Onlineforum er-reicht man auf der „KbO“-Site über eine in der Menü-leiste hoch positionierte Startseitenrubrik („Forum“). Esist nutzerfreundlich gestaltet und verfügt über eher unge-wöhnliche Optionen, wie z. B. die, dass Teilnehmer ei-gene „Umfragen“ ins Forum einstellen können, und dasszu jedem Unterthema Angaben zu den Besuchszahlen(„Aufrufe“) zu erfahren sind. Eine Vorabprüfung vonBeiträgen erfolgt nicht. Bei der letzten Sichtung(23. April 2005) fanden sich sieben Unterforen, diedurchschnittlich 43 Unterthemen und 280 Beiträge auf-wiesen. Das mit weitem Abstand am intensivsten ge-nutzte Unterforum (182 Unterthemen und 1 462 Beiträge)hat als Thema „Privatkopie und Kopierschutz“. Die20 aufgefundenen Beiträge der Moderation beschränkensich auf Hinweise zu Aktivitäten und Positionen der Re-gierung und auf Fragen zur Organisation des Forums. DieAnbieter duzen die Teilnehmer. Eher an Chats mit Event-Charakter erinnert der Schlusssatz eines Texts zur „Neti-quette“: „Und jetzt: viel Spaß im Forum.“

Das Forum wurde überwiegend von Kritikern derGesetzesänderungen geprägt. Querverbindungen zuwww.heise.de (Kap. V) sind zahlreich. Oft – und im Laufder Zeit zunehmend – wird von Teilnehmern vermutet,dass das Forum eigentlich kein Angebot zum Onlinedia-log sei, sondern eine bloße Imagemaßnahme. Dem BMJwird häufig eine einseitige Parteinahme für die Industrievorgeworfen.27 Der Grad der Interaktivität zwischen denTeilnehmern scheint hoch zu sein, was vermutlich auf de-ren Onlinediskussionserfahrenheit und das Fehlen derVorabprüfung zurückzuführen wäre. Die Umfragen stie-ßen auf wenig Resonanz. Eine vertiefte Diskussionsana-lyse war im Rahmen des Projekts nicht möglich, es fan-den sich aber z. B. gut begründete Beiträge zu Detail- undGrundsatzfragen, undifferenzierte und zum Teil äußerstpolemische Meinungsäußerungen, viele sarkastisch-ironi-sche Beiträge, kritische Kommentare zu vulgären und an-deren niveaulosen Teilnehmerbeiträgen, Forderungennach einem Feedback der Anbieter sowie Fragen nachdem Sinn des Forums selbst.

Eine besonders intensive Diskussion fand zu dem letztge-nannten Punkt statt. Hier machte sich wieder die Kruxvieler staatlicher Diskussionsangebote im Netz deutlichbemerkbar: Das Zusammenwirken von geringer Respon-sivität der Politik, mangelhafter Anbindung an politischeProzesse und hoher Erwartungen der Teilnehmer. DieFolge dieses Zusammenwirkens ist, dass Teilnehmer

24 Siehe zu diesem Thema z. B. http://www.indicare.org.25 In einem Werbespot der Kampagne „Raubkopierer sind Verbrecher“,

die vor allem mit dem Motiv langjähriger Haftstrafen für Urheber-rechtsverletzer spielt, sieht sich der verurteilte „Raubkopierer“ derGefahr einer Vergewaltigung durch andere Gefängnisinsassen ausge-setzt.

26 http://www.kopien-brauchen-originale.de

27 Ein in den Foren mehrmals als positives Beispiel eingeschätztesWebangebot zum Urheberrecht ist www.irights.info. Es wird vomBMVEL gefördert und informiert u. a. zu Details des neuen Urheber-rechts und über alternative Ansätze wie z. B. das Konzept der „Crea-tive Commons“.

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– gerade wenn sie erhebliche Zeitressourcen für die Dis-kussionen aufwenden und diesen einen hohen Wert bei-messen – frustriert werden. Diese Frustration von Teil-nehmern entlud sich im KbO-Forum in wütendenStellungnahmen und sarkastischen Beiträgen, in denendie Glaubwürdigkeit der politischen Akteure in Frage ge-stellt wurde. Diejenigen, die von Anfang an Zweifel amSinn des Forums äußerten, fühlten sich in ihrer Skepsisbestätigt. Teilnehmer, die höhere Erwartungen an das Fo-rum bekundet hatten, sahen sich dem Vorwurf ausgesetzt,naiv zu sein. Für die Enttäuschten ist folgender Beitragexemplarisch: „[…] dieses Forum ist und bleibt eine ‘Ni-sche’ ohne breite Öffentlichkeit. Das BJM bestätigt zwardie Kenntnisnahme der Beiträge, aber irgendeine Reak-tion ist noch immer nicht erfolgt (wird wohl auchnicht!). […] Es macht keinen Sinn, diesen ‘Schuttablade-platz der vom Rechtsstaat frustrierten’ weiterhin zu be-dienen […].“

In der Pressemitteilung des BMJ zum Forumsstart(27. Dezember 2004) wird die Ministerin wie folgt zitiert:„Das Onlineforum ist eine interaktive Form der koopera-tiven Gesetzgebung. Ich hoffe auf eine rege Beteiligung.“Auf die Frage eines sehr aktiven Forumsteilnehmers (ineinem Chat am 15. März 2005), ob die Forumsbeiträgepolitisch berücksichtigt werden, antwortete die Ministe-rin: „Die Forumsbeiträge und Mails, die uns erreichen,werden wirklich gelesen. Im Übrigen haben wir mit allenbeteiligten Interessengruppen – gerade auch den Verbrau-cherverbänden – bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfsausführlich diskutiert. Es geht um einen Interessenaus-gleich der Kreativen, der Industrie und der Verbraucher.“Das Forum wirkt aber – im Vergleich zu den Aktivitätenzur Einbindung von Wirtschaft und organisierter Zivilge-sellschaft – wie ein zu spät nachgeschobenes Diskus-sionsangebot. Angesichts des Fehlens eines Hinweisesauf eine systematische Auswertung und der kurzen Zeit-spanne (15 Tage), die zwischen dem Forumsstart und derBekundung liegt, dessen Ergebnisse „sorgfältig ausge-wertet“ zu haben (BMJ 2005), ist ein Glaubwürdigkeits-problem nicht von der Hand zu weisen.

Der Grad der aktiven Beteiligung weist darauf hin, dassdie Akzeptanz des Angebots schnell sank. Die weit über-wiegende Mehrzahl der Beiträge entstand kurz nach Er-öffnung des Forums. Während die Themen bis Mitte Ja-nuar 2005 mehrheitlich die Hoffnung widerspiegeln, aufden Referentenentwurf des BMJ Einfluss nehmen zu kön-nen, verstärkte sich Mitte Januar – offenkundig in Folgeder Nachricht, dass der Regierungsentwurf keine wesent-lichen Veränderungen zum Referentenentwurf enthaltenwird – die Kritik an dem Forum und der Verfahrensweisedes BMJ insgesamt. Zwar hielten diese und andere Dis-kussionen noch einige Wochen an, aber insgesamt gese-hen ging die Aktivität stark zurück. Im April 2005 wardas Forum nahezu inaktiv: Die Besucherzahlen warenmassiv zurückgegangen und Diskussionen fanden keinemehr statt.

2.3.3 Erträge, Herausforderungen und ChancenInsgesamt gesehen machen sich das Fehlen eines zentra-len Portals zu den Onlinediskussionsangeboten und derenoft schlechte Sichtbarkeit in den einzelnen Websites ne-

gativ bemerkbar. Bei den ermittelten Angeboten fandensich aber mehrere Beispiele für beste und gute Praxis, dieaber – zum Teil auch bei ein und demselben Angebot –mit erheblichem Verbesserungsbedarf einhergehen. Sinn-voll wären Maßnahmen zum verstärkten Erfahrungsaus-tausch und zur engeren Kooperation zwischen den einzel-nen Anbietern sowie eine bessere Ausstattung mitRessourcen und deren effizienterer Einsatz. Dies betrifftvor allem die Vorbereitung (Timing in Bezug auf die rele-vanten politischen Prozesse, Zielgruppenorientierungusw.) und die Betreuung der Foren (Redaktion und Mode-ration). Von besonderer Bedeutung ist auch die Frage desEngagements (oder „commitment“) von Entscheidungs-trägern. Mindestvoraussetzungen für ein gutes Angebotsind eine transparente Zweckbestimmung und eine ver-lässliche und realistische Einschätzung des zu erwarten-den Feedbacks der Politik.

Die Bundesregierung hat nach eigener Einschätzung mitExpertenforen sehr positive Erfahrungen gemacht. Offen-kundig gute Ergebnisse werden zudem mit Foren für dieBeratung, den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und dieSelbsthilfe von Bürgern gemacht. Auch wenn es hier ne-gative Beispiele gibt, bei denen das Angebot auf geringeResonanz stieß oder inhaltlich unzureichend betreut war,kann mit solchen Angeboten ein wichtiger Service fürBürger geleistet werden, der dann auch entsprechendpositive Reaktionen bei diesen hervorruft. Eine wichtigeVoraussetzung dafür ist eine aktive Moderation.

Ambivalent bis negativ stellt sich die Situation bei denpolitischen Diskussionsforen dar: Während das techni-sche Design dieser Foren in der Regel von hoher Qualitätist, sind (zum Teil gravierende) Mängel bei der Vorberei-tung, Betreuung sowie der Anbindung der Foren an diepolitischen Prozesse festzustellen. Die relativ häufigeDurchführung von Chats kann diese Mängel nicht aus-gleichen, da – wie die Bundesregierung selbst feststellt –Foren die für den Zweck der Diskussion komplexer The-men weit besser geeigneten Instrumente sind. Bemer-kenswert ist die Tatsache, dass die Bundesregierung beipolitischen Diskussionsforen zu sehr umstrittenen The-men auf eine Vorabprüfung von Teilnehmerbeiträgen ver-zichtet hat. (Dies steht im Gegensatz zur Praxis des Deut-schen Bundestages in seinem Diskussionsforum(Kap. IV.3.5). Durch einen solchen Verzicht wird eine be-sondere Stärke von Onlineforen voll genutzt, nämlich diegleichzeitige Ermöglichung von sehr lebendigen Diskus-sionen – durch schnellen Austausch der Teilnehmer (In-teraktivität) – und von wohl überlegtem, deliberativemAustausch (durch die Zeitversetzung). Als beste Praxis,mit der bei Angeboten der Bundesregierung bereits Er-fahrungen gesammelt wurden, kann hier die zeitnahenachträgliche Prüfung von Teilnehmerbeiträgen gelten(z. B. durch E-Mail-Benachrichtigungen der Moderationüber neue Beiträge). Wenn Restriktionen der Interaktions-möglichkeiten der Teilnehmer als notwendig erachtetwerden, sollte dies durch begleitende redaktionelle Infor-mationen oder – wenn es zu diesbezüglicher Kritik vonTeilnehmern kommt – durch die Moderation im Forumbegründet werden. Das gleiche gilt in Bezug auf die Poli-tikerbeteiligung im Forum und die Aufbereitung und poli-

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tische Nutzung der Diskussionsergebnisse. An zwei Bei-spielen – dem Urheberrechtsforum des BMJ und demKanzlerforum – konnte zudem aufgezeigt werden, dassdiese und andere Herausforderungen sich im besonderenMaße dann stellen, wenn die Angebote stark von inter-netaffinen Personengruppen mit hohen Erwartungen anden Onlinedialog genutzt werden. Hier kann es zu Kolli-sionen von politischer Kultur und Netzkultur(en) kom-men und dadurch zu kontraproduktiven Folgen des Dis-kussionsangebots.

3. Parlament und digitale Demokratie

Für den Deutschen Bundestag und das britische Parla-ment bestehen – trotz einiger Ähnlichkeiten – un-terschiedliche Rahmenbedingungen in Bezug auf diedigitale Demokratie: Dies betrifft sowohl die Wechsel-wirkungen von Regierungspolitik und parlamentarischenAktivitäten zur E-Demokratie als auch das gesellschaft-lich-politische Umfeld staatlicher Angebote zur E-Partizi-pation und zur Onlinediskussion. Hinzu kommt, dass sichin Großbritannien der Parlamentarismus seit den 1990erJahren relativ stark gewandelt hat – zum einen durch dieneuen Parlamente in Schottland und Nordirland und diewalisische Versammlung, zum anderen durch intensiveAktivitäten zur Reform des nationalen Parlamentarismus(Kap. IV.3.3). Unterschiede bestehen auch in der indivi-duellen Nutzung des Internets durch Abgeordnete(Kap. IV.3.1) und bei der Nutzung für das Petitionswesen(Kap. IV. 3.2).

3.1 Individuelle Webangebote von Parlamentariern

Hinsichtlich der institutionellen parlamentarischen Ange-bote zur Onlinediskussion ist als Hintergrund auch die in-dividuelle politische Nutzung des Internets durch Abge-ordnete von besonderem Interesse: Zum einen rückenderen Erwartungshaltungen und Problemwahrnehmungenin Bezug auf das Netz ins Blickfeld, zum anderen kannder Status der institutionellen Angebote für die Arbeit derParlamentarier klarer werden. Mittlerweile liegt eineReihe international vergleichender Studien zu diesem As-pekt digitaler Demokratie vor (z. B. Hoff et al. 2004).Eine einschlägige Untersuchung, bei der auch die Web-präsenzen deutscher Bundestagsabgeordneter analysiertwurden (Zittel 2004b), bildete die Basis für ein Gutach-ten, das im Rahmen des Projekts an den für die Untersu-chung verantwortlichen Wissenschaftler vergeben wurde(Zittel 2004a) und auf das im Folgenden eingegangenwird.

3.1.1 Mitglieder des Deutschen Bundestages

Die empirische Grundlage des Gutachtens ist die auf denDeutschen Bundestag bezogene Auswertung der Ergeb-nisse einer international vergleichenden Untersuchung zuden Ländern Deutschland, USA und Schweden, die derGutachter zwischen 1998 und 2004 durchgeführt hat. Beidieser wurden alle privaten Websites von MdB in zweiWellen (April 2000 und April 2004) analysiert, in den

Jahren 1998 bis 2001 explorative Interviews mit Mitglie-dern nationaler Parlamente der genannten Staaten geführtsowie im Sommer 2004 (auf der Grundlage eines standar-disierten Leitfadens) 55 nach dem Zufallsprinzip ausge-wählte Parlamentarier (davon 28 MdB) befragt.

Im Vergleich zu den Abgeordneten der anderen Parla-mente haben die MdB zu einem frühen Zeitpunkt ein be-achtliches Niveau in der Nutzung des Internets erreicht.Die Zahl der MdB mit privaten Websites ist zudem seitden 1990er Jahren stark angestiegen: Lag der Anteil vonMdB mit persönlicher Website im Juli 1998 noch bei8,3 Prozent, hatten im April 2000 ein Drittel und im Juli2001 fast die Hälfte (47,9 Prozent) aller MdB eine eigeneWebsite. Im April 2004 schließlich warben 532 von603 Abgeordneten (88,2 Prozent) – per Hypertext-Ver-weis auf ihrer generischen Webpräsenz, die von der Ver-waltung des Deutschen Bundestages für jedes MdB ein-gerichtet wird – für eine persönliche Website.

Diese quantitative Zunahme ging auch mit einem Quali-tätszuwachs hinsichtlich der Kommunikation zwischenMdB und Bürgern einher. Dieser Qualitätszuwachs wirdvor allem im Bereich des Informationsangebots deutlich:Der Nutzer kann vermehrt auf solche Informationen zu-greifen, durch die eine Positionierung des MdB oder sei-ner Partei in Sachthemen deutlich wird – u. a. durch einegrößere Zahl von Möglichkeiten zum Abonnement einesNewsletter zum Abrufen von Positions- bzw. Themenpa-pieren der Partei und, seltener, eigenen Textangeboten derMdB sowie von aktuellen Presseerklärungen.

Deutlich langsamer haben sich hingegen die Onlinedis-kussionsangebote an die Bürger entwickelt: Gästebücher– die auch zur Kommunikation zwischen Besuchern einerWebsite genutzt werden können (Diekmannshenke 2000) –und Foren wiesen im April 2000 die Websites von4,5 Prozent und im April 2004 von 16,3 Prozent allerMdB auf. Onlinebefragungen der Nutzer fanden sich imApril 2000 auf keiner privaten Website eines MdB, wäh-rend im April 2004 13 Abgeordnete (2,2 Prozent allerMdB) solche auf ihren Websites anboten.

Zu den Gästebüchern wurde in einer älteren Studie(Döring 2003b) festgestellt, dass das Interesse an diesenverschwindend gering sei: Ein Drittel der Gästebücherenthalte nur ein bis zehn Einträge, mehr als hundert Ein-träge fanden sich auf 7 Prozent der Parlamentarier-Web-sites. Allerdings seien „selbst bei den zehn meistgenutz-ten Gästebüchern“ im Durchschnitt „nur etwa zwei bisdrei Einträge pro Woche“ eingegangen (Döring 2003b,S. 37; zitiert nach Neuberger et al. 2004). Außerdem han-dele es sich dabei zur Hälfte um „unterstützende“ Bei-träge eigener Anhänger, die zu Wahlerfolgen gratulierten,sich für Reden und Besuche bedankten oder die Politikerermutigten. Neben jeweils 15 Prozent neutralen oder un-politischen Einträgen und Hilfegesuchen fanden sich20 Prozent kritische Einträge. Die Responsivität, also dasöffentliche Beantworten der Anfragen durch die Politiker,falle sehr gering aus. Wenn die Zahl der Einträge großund die Kritik stark wurde, habe die Neigung bestanden,Gästebücher zu schließen oder Websites abzuschalten.

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Die Bedeutung der öffentlich-deliberativen Elemente derWebsites von MdB erscheint noch geringer, wenn mandie Ergebnisse der 28 Leitfaden-Interviews berücksich-tigt, die in dem erwähnten Gutachten (Zittel 2004a) vor-gestellt werden. Demnach werden die Nutzerbeiträge zuden Gästebüchern ausschließlich von Mitarbeitern desMdB oder externer Webagenturen gelesen. Es wurden zu-dem keine systematischen Verfahren zu ihrer Auswertungdeutlich, und keiner der Befragten konnte ein Beispiel fürkonkrete Wirkungen dieser Kommunikationsform auf dieinterne Meinungsbildung nennen. In Bezug auf die vor-handenen Diskussionsforen dominierten in den Gesprä-chen „Klagen hinsichtlich der geringen Aktivität im Fo-rum oder der fehlenden Qualität der Beiträge“ (Zittel2004a, S. 13). Überlegungen zur aktiven Gestaltung undStrukturierung der Foren – zur Steigerung der Quantitätund Qualität der Beteiligung – seien aus diesen Klagenjedoch nicht erfolgt. Die Praxis stelle sich aber als unein-heitlich dar: „Einige der Befragten beteiligen sich wederals Lesende noch als Schreibende an ihrem Forum. Mit-unter übernehmen nicht einmal Mitarbeiter diese Verant-wortung, so dass manches Forum völlig unbeachtet ‘da-hinvegetiert’. Im Gegensatz hierzu stehen Fälle, in denenAbgeordnete den Einträgen in ihrem Forum durchaus Be-achtung schenken und sich auch durch Beiträge aktiv be-teiligen“ (Zittel 2004a, S. 13).

Motive, Erwartungen und Problemwahrnehmungen der MdB

Die generell positive Haltung zur Nutzung des Internetsals Mittel „direkter personalisierter Wählerkommunika-tion“ ist durch vier Positionen gekennzeichnet:

– Insbesondere unter jüngeren MdB ist die Überzeugungvorherrschend, dass man das Internet zwingend in al-len Kommunikationszusammenhängen nutzen müsse,um nicht als rückständig zu gelten.

– Abgeordnete fühlen sich weniger abhängig von denMassenmedien hinsichtlich der Frage, welche ihrerAktivitäten wie Öffentlichkeit erlangt.

– Verbreitet ist auch die Vorstellung, dass man Wählernicht mehr über die etablierten Kommunikationska-näle wie etwa öffentliche Veranstaltungen, Parteiver-sammlungen oder Bürgersprechstunden erreichenkönne. Das Internet gilt hier als eine neue Chance zurWählerkommunikation angesichts einer Erosion dergewohnten Kanäle.

– Vom Internet erhofft man, dass gerade junge Wähler-schichten erreicht werden können.

Internetkommunikation erscheint den befragten MdB alsoals ein modernes Mittel zu einem stärker selbst bestimm-ten sowie intensivierten Austausch mit dem Bürger – undinsbesondere mit jungen Internetnutzern.

Der Zweck einer privaten Website wird von den Befrag-ten deutlich unterschiedlich bestimmt: Während die einenihre Website vor allem als Mittel der Öffentlichkeitsarbeitund Informationsverbreitung – hauptsächlich in Wahl-kampfzeiten – betrachten, erhoffen sich andere eine auf

Dauer gestellte, intensivere Interaktion mit den Bürgern –wobei Hoffnungen vor allem auf den Einsatz von Diskus-sionsforen zur Organisation von Sachdebatten gesetztwerden.

Hinsichtlich der Probleme wurde von den Abgeordnetenin den Interviews dreierlei besonders betont:

– Potenziell drohe eine Kommunikationsüberlastung fürMdB und ihre Mitarbeiter. Die Zeitbudgets würdenz. B. durch eine ansteigende Zahl von zu beantworten-den E-Mails, durch die Produktion von Texten eigensfür die Veröffentlichung im Internet oder durch diePflege von Diskussionsforen sowie deren Nutzung imZuge der internen Meinungsbildung belastet.

– Die Ressourcenprobleme würden zudem durch inhä-rente Probleme des Internets verschärft, insbesonderedurch das Spamproblem. Die befragten MdB beziffernden Spamanteil an ihrem gesamten Maileingang aufbis zu 50 Prozent und verwenden einen beträchtlichenTeil der Arbeitskapazität ihrer Mitarbeiter auf das Fil-tern und Löschen dieses „Kommunikationsmülls“(vgl. für Handlungsoptionen van der Meer 2004).

– Hinzu komme, dass der erhöhte Aufwand durch Netz-angebote nur bedingt zur Arbeitsreduktion in anderenBereichen führe, da die Website nur eine Ergänzungzu anderen Formen der Wählerkommunikation ist:Angesichts der Charakteristika der Netznutzerschaft– überdurchschnittlich jung, gebildet, einkommens-stark und politisch interessiert – müsse der Kontakt zuanderen Bevölkerungsgruppen weiterhin durch andereKommunikationsformen aufrechterhalten werden.

Als eine Hürde bei der Ausschöpfung des dialogischenPotenzials netzbasierter Kommunikation kann auch dasSelbstverständnis der MdB angesehen werden. Diese ver-stehen sich demnach oft in erster Linie als Vertreter einerPartei und stehen einer unabhängigen inhaltlichen Posi-tionierung in bundespolitischen Fragen eher skeptisch ge-genüber (Zittel 2004a): Die Beziehung zum Wähler wirdaus dieser Sicht zum einen als Dienstleistungsbeziehunggedeutet, bei der es darum geht, persönliche Hilfeleistun-gen etwa im Umgang mit Behörden zu gewähren. Zumanderen wird die spezielle Verpflichtung gegenüber demeigenen Wahlkreis betont. Angesichts der begrenztenRessourcen der MdB für die Einrichtung, technischePflege und inhaltliche Betreuung von Webpräsenzen regtder Gutachter an, dass die Aktivitäten der Abgeordnetenin diesem Bereich seitens des Deutschen Bundestagesverstärkt unterstützt werden könnten.

3.1.2 Britische AbgeordneteIn Großbritannien (zum Folgenden Gibson et al. 2004a)verfügten im Jahr 2004 insgesamt 42 Prozent der Abge-ordneten über eine funktionale – also regelmäßig ge-pflegte – Webpräsenz, die sie mit eigenen Ressourcenoder unterstützt durch standardisierte Angebote ihrer Par-teien erstellt hatten. Etwa 25 Prozent aller Abgeordnetennutzten das kostenlose Angebot von Epolitix, einem Pro-jekt des Politik-Informationsdienstleisters ParliamentaryCommunications Limited. (Epolitix bietet nicht nur Ab-

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geordneten die Möglichkeit an, innerhalb des eigenenAngebots eine Webpräsenz einzurichten, sondern aucheine Suchfunktion für alle Parlamentarier-Webpräsen-zen.) Über Diskussionsangebote (Foren oder Chats) ver-fügten 6 Prozent aller Webpräsenzen

Bemerkenswerte Entwicklungen der letzten Zeit warenu. a. ein in den Jahren 2003 und 2004 von Epolitix durch-geführtes Pilotprojekt, bei dem drei Abgeordnete mitEpolitix-Webpräsenzen eine Reihe privater, auf ihrenWahlkreis bezogener „Anhörungen“ – allerdings ohne dieMöglichkeit der Kommunikation zwischen den Befragten– durchführten, sowie die Nutzung von Weblogs durch ei-nige Parlamentarier aus allen drei großen Parteien.

Der erste und bisher erfolgreichste Parlamentarier-Bloghatte nach Auskunft des Abgeordneten bisher durch-schnittlich über 10 000 Besuche pro Monat, ein in dieserHinsicht weniger erfolgreicher z. B. knapp über500. Erklärte Beweggründe der Parlamentarier für dieEinrichtung eines Blogs sind das Interesse Jugendlicheran Onlinediskussion, die Möglichkeit der Kommunika-tion interessierter Bürger untereinander und der vertieftenDiskussion politischer Fragen, die Frustration über dieMassenmedien und vor allem die Möglichkeit eines di-rekten Austauschs mit interessierten Bürgern. Der Zeit-aufwand für das Verfassen der Beiträge halte sich inGrenzen; zudem könnten viele Texte gleichzeitig für Ver-öffentlichungen in Lokalzeitungen und andere Zweckeverwendet werden. Für die gezielte Ansprache der Bür-gerschaft im eigenen Wahlkreis seien allerdings Werbe-maßnahmen vonnöten.

Der Anteil der Abgeordneten, die Möglichkeiten zurnetzöffentlichen C2G-Kommunikation oder zum Online-dialog (Chats, Foren, Weblogs, Befragungen) anbieten,liegt deutlich unter 10 Prozent. Im Vergleich zu den Mit-gliedern des Deutschen Bundestages, von denen im April2004 16,3 Prozent private Websites mit Foren und Gäste-büchern aufwiesen, hatten britische Abgeordnete im letz-ten Jahr auch relativ wenige Diskussionsangebote auf ih-ren Webpräsenzen.

3.2 Petitionsrecht, Bürgerbeteiligung und netzöffentliche Diskussion

Die Bürger haben das Recht, sich mit Anliegen an die zu-ständigen Regierungsstellen oder aber den Petitionsaus-schuss des Deutschen Bundestages zu wenden. DiesesRecht wird in nicht unerheblichem Maße genutzt: In denJahren 1991 bis 2003 verzeichnete der Ausschuss durch-schnittlich jährlich über 18 000 Posteingänge. Hinzu ka-men jährlich mindestens 10 000 Nachträge, also weitereSchreiben der Petenten zu ihren Petitionen.

Onlineforen werden wiederum in nicht unerheblichemMaße von Bürgern dazu genutzt, ihrer UnzufriedenheitAusdruck zu verleihen. Soweit es sich dabei um konkreteAnliegen handelt, bei denen ein vom Staat behebbarerMissstand angezeigt und Handeln der Politik eingefordertwird, sind die Forenbeiträge auch für das Petitionsweseninhaltlich relevant. Daher stellt sich – zumindest in län-gerfristiger Perspektive – die Frage, welche Konsequen-

zen sich aus der parlamentarischen Nutzung von Foren,Chats etc. für die Arbeit des Petitionsausschusses erge-ben. Von besonderer Bedeutung sind hier Foren, die vor-rangig der Beratung der Bürger (und zum Erfahrungsaus-tausch zwischen diesen) zu konkreten Anliegen undProblemen dienen, und weniger allgemeine politischeDiskussionsforen. Solche Beratungs- und Selbsthilfefo-ren wurden allerdings vom Deutschen Bundestag bisherkaum angeboten, im Gegensatz z. B. zur Bundesregie-rung (Kap. IV.2.3).

Ein weiterer relevanter Aspekt ist das „E-Petitioning“selbst. International vorbildhaft ist hier das schottischeParlament, wo das entsprechende Angebot den Kernbe-reich der eigenen E-Demokratie-Aktivitäten ausmacht.Der schottische Ansatz zum E-Petitioning zeichnet sichdadurch aus, dass Petitionen nicht nur online erfolgenkönnen, sondern dabei netzöffentlich auf der Website desParlaments erscheinen und von anderen unterzeichnet so-wie diskutiert werden können. Auch der Deutsche Bun-destag gehört zu den Parlamenten, die sich vor Ort überdas schottische Petitionssystem informierten. Er hat diedort eingesetzte Software erworben.

Als Hintergrund der deutschen Diskussion zu diesemThema ist daran zu erinnern, dass die Regierungsparteienin ihrer Koalitionsvereinbarung im Jahr 2002 angekün-digt hatten, das „Petitionsrecht, über die Lösung individu-eller Anliegen hinaus, zu einem politischen Mitwirkungs-recht der Bürgerinnen und Bürger ausgestalten“ zuwollen. Die Obleute der Fraktionen der Regierungspar-teien haben dem Petitionsausschuss zum Ende des Jahres2004 erste Vorschläge zur Änderung des Petitionswesensunterbreitet. Die Vorschläge sehen Folgendes vor:

– Ermöglichung von Petitionen per E-Mail;

– Ermöglichung der öffentlichen Anhörung des Petentenbei Massen- und Sammelpetitionen;

– Durchführung eines Modellversuchs zur Mitzeich-nung von Petitionen im Internet.

Zum ersten Punkt ist anzumerken, dass zwar die Nutzervon www.bundestag.de darauf hingewiesen werden,dass aus rechtlichen Gründen bisher keine Bearbeitungvon E-Mail-Eingaben erfolgen kann, sich die Praxis aberde facto bereits weiterentwickelt hat. Die beim DeutschenBundestag einlaufenden E-Mails werden zentral gesam-melt und auch daraufhin ausgewertet, ob aus ihnen einAnliegen im Sinne des Petitionsrechts entnommen wer-den kann. Wenn der Absender eine Postadresse in seinerE-Mail mitgeschickt hat, antwortet ihm der Ausschuss-dienst. Zum zweiten und dritten Punkt ist darauf hinzu-weisen (vgl. auch Löwenstein 2004), dass hier Bedenkenseitens der Opposition bestehen: Von einer derartigenWeiterentwicklung profitierten demnach vor allem gut or-ganisierte NGOs, Verbände und Vereine. Die Onlinesigna-tur von Petitionen ist – als nicht diskursives partizipativesElement – allerdings für die Nutzung von E-Petitioning zurC2G-Kommunikation und zur bürgerschaftlichen Online-diskussion über politische Themen auch nicht relevant.

Drucksache 15/6015 – 66 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Entscheidend in diesem Zusammenhang sind die Online-veröffentlichung der Petitionen und die Möglichkeit fürandere Bürger, diese zu kommentieren und mit anderenBürgern über sie zu diskutieren. Diese Elemente desschottischen Systems sollen in dem Angebot des Deut-schen Bundestages übernommen werden. In Schottlandwird die Möglichkeit zur Onlinediskussion von Petitionendurchaus genutzt, auch wenn die Zahl der Kommentarebei allen E-Petitionen (zumeist deutlich) unter der Zahlder Onlinesignaturen liegt. Die 46 seit September 2003dem Parlament vorgelegten Petitionen konnten in der Re-gel innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen bis runddrei Monaten signiert oder kommentiert werden. In elfFällen gingen mehr als 15 Kommentare ein. Besondershäufig kommentiert wurde eine Petition zur Gesundheits-akutversorgung in ländlichen Regionen (89 Kommentare)sowie eine Petition, die sich – vor dem Hintergrund desNahostkonflikts – gegen die Einstufung einer jüdischenOrganisation als gemeinnützig richtete (135 Kommen-tare). Beim letzten Fall kam es (ausweislich des Onlinear-chivs der Kommentare) zu redaktionellen Eingriffen,nämlich der Löschung mehrerer Beiträge unter Verweisauf die Nutzungsbedingungen.

Von potenziell großer Bedeutung für digitale Demokratieist ein E-Petitioning nach schottischem Muster deshalb,weil Bürger dabei an einer herausgehobenen Stelle in derNetzöffentlichkeit Themen einbringen und diskutierenkönnen – mit einer direkten Anbindung an die parlamen-tarische Arbeit. Ein derartiges E-Petitionswesen könntepotenziell auch einen wichtigen Beitrag zur nachträgli-chen Onlinegesetzesfolgenbewertung leisten, da – beientsprechender Bekanntheit des Angebots – das Parla-ment öfter frühzeitig negative Auswirkungen von Geset-zen erfahren würde und betroffene Bürger über diesediskutieren könnten. Zudem ist der Aspekt der Qualitäts-sicherung und inhaltlichen Kontrolle der Beiträge hier be-reits verbindlich geregelt: Die übliche Vorabprüfung vonEingaben, bei der ihre Eignung als Petition überprüftwird, soll auch bei den E-Petitionen stattfinden. Beleidi-gende, strafbare, extremistische und andere inakzeptableBeiträge werden somit nicht netzöffentlich gemacht, wo-bei bei bestimmten Themen auch eine Vorabprüfung vonOnlinekommentaren zu den Petitionen zu erwägen wäre.Im Gegensatz zu anderen Formen der C2G-Kommunika-tion wäre bei E-Petitionen überdies eine Reaktion derPolitik gewährleistet. Vorteilhaft dürfte dabei sein, dass essich bei den Abgeordneten des Petitionsausschusses undden Verwaltungsmitarbeitern um Experten im Dialog mitdem Bürger handelt, die – informell – bereits auch um-fangreiche Erfahrungen speziell im Onlinedialog gesam-melt haben. Der Petitionsausschuss muss im Gegensatzzu anderen politischen Akteuren seine politische Kulturnicht ändern, um ein Höchstmaß an Offenheit gegenüberden Anliegen von Bürgern zu erreichen. Durch die Ele-mente der Netzöffentlichkeit von Petitionen und der bür-gerschaftlichen Onlinediskussion eröffnet sich zudem dieMöglichkeit zur bürgerschaftlichen Deliberation politi-scher Themen von zumeist konkreter Dringlichkeit.

3.3 Parlamentsreform und E-Demokratie in Großbritannien

Lange Zeit und bis zu den 1970er Jahren waren das Parla-ment und die Abgeordneten relativ wenig gefragte An-sprechpartner für Interessenverbände und gesellschaftli-che Gruppen (Norton 1994): In der neueren Geschichteder britischen parlamentarischen Demokratie hatte sicheine Arbeitsteilung zwischen Regierung und Parlamentherausgebildet, die letzterem nur sehr eingeschränkteMöglichkeiten zur Kontrolle der Regierung und zur Mit-wirkung an der Politikgestaltung (und insbesondere amGesetzgebungsprozess) bot.

Seit Mitte der 1970er Jahre setzte hier aber ein Wandelein, der allerdings die diesbezügliche starke Dominanzder Exekutive nur abgemildert hat. Offenkundig führtedieser Wandel aber zu einer Reihe von relevanten Verän-derungen der parlamentarischen Praxis, wobei ein inten-siviertes Experimentieren mit neuen Regelungen seit demRegierungswechsel 1997 zu beobachten ist.

Das britische Ausschusssystem unterscheidet zwischenStanding Committees und Select Committees: Eine fest-gelegte Rolle im Gesetzgebungsprozess spielen im We-sentlichen lediglich die Standing Committees. Sie habeneine Ad-hoc-Mitgliedschaft und die Aufgabe, Gesetzes-entwürfe im Detail zu diskutieren. Im Kontext der vorlie-genden Studie sind aber vor allem die Select Committeesvon Interesse, die in der Regel eine feste Mitgliedschaftüber eine Legislaturperiode hinweg haben. Select Com-mittees sind investigative Ausschüsse, deren Arbeit vorallem darin besteht, zu einem bestimmten Thema vonZeugen („witnesses“) Aussagen aufzunehmen („take evi-dence“), also die Meinungen von Experten, Interessen-vertretern und interessierten Bürgern einzuholen. Anhö-rungen sind dementsprechend ein zentrales Instrument inder Arbeit dieser Ausschüsse. (Neben der Petition ist diesdie Hauptmöglichkeit der Bürgerbeteiligung an der parla-mentarischen Arbeit.) Die Select Committees unterteilensich u. a. in Domestic Committees und Departmental Se-lect Committees, wobei erstere zur Beratung zu Dienst-leistungen für das Parlament dienen. Für die E-Demokra-tie-Politik waren von diesen vor allem der 1997 neueingerichtete Ausschuss zur „Modernisation of the Houseof Commons“ (Modernisierungsausschuss) sowie der In-formationsausschuss von Bedeutung. Die DepartmentalSelect Committees wurden 1979 eingerichtet28 und äh-neln in gewisser Hinsicht den Ausschüssen des Deut-schen Bundestages, da sie thematisch einzelnen Ministe-rien zugeordnet sind. Auch sie sind jedoch nicht fest inden Gesetzgebungsprozess eingebunden, sondern dienengrundsätzlich nur zur Untersuchung der Ausgaben, Ver-waltung und Politik der jeweiligen Ministerien.

28 Dadurch wurde sowohl der wachsenden Bedeutung des Parlamentsals Ansprechpartner von Interessenverbänden und Bürgern (Norton1994) Rechnung getragen als auch der gewachsenen Bedeutung vonBerufspolitikern (Sturm 2003). Relevant dürfte in diesem Zusam-menhang die größere Distanz der neuen konservativen Thatcher-Re-gierung zu davor stark eingebundenen Interessenverbänden gewesensein (Norton 1994).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 67 – Drucksache 15/6015

Bemerkenswert ist, dass es seit dem Regierungswechsel1997 zu einer Aufweichung der bis dahin relativ striktenTrennung zwischen den Aufgaben von Standing Commit-tees und Select Committees kam. Während zuvor die ge-naue Prüfung („scrutiny“) von Dokumenten nur vonwenigen Select Committees mit speziellen Aufgabenbe-reichen (z. B. Prüfung der EU-Gesetzgebung) durchge-führt wurden, wurden seit 1997 sowohl von DepartmentalSelect Committees als auch von eigens für diesen Zweckeingerichteten anderen Ausschüssen genaue Prüfungenvon Gesetzesentwürfen der Regierung durchgeführt.

Diese Entwicklung steht ebenfalls im Kontext der An-strengungen zur Stärkung der Rolle des Parlaments in derPolitikgestaltung: Durch die genaue Vorabprüfung vonGesetzesentwürfen („pre-legislative scrutiny“) eröffnensich den Parlamentariern auch neue Optionen der Ein-flussnahme auf den Gesetzgebungsprozess, vor allemdurch das Recht, Vorschläge zur Ergänzung der Entwürfezu machen. In diesem Zusammenhang wird auch der Ein-beziehung von Bürgern durch Onlineforen eine wichtigeRolle beigemessen. Zudem werden Berichte von SelectCommittees in den neu eingeführten „Westminster Halldebates“ diskutiert. Diese Innovation soll – u. a. durch dieSitzordnung – stärker konstruktive als konfrontative De-batten befördern helfen, und bietet zudem „Hinterbänk-lern“ („backbenchers“)29 die Möglichkeit, eigene Debat-ten zu initiieren.

Allgemein kann hier festgehalten werden, dass sich derbritische Parlamentarismus derzeit in einem Verände-rungsprozess befindet, in dem sich sowohl die Möglich-keiten des Parlaments im Gesetzgebungsprozess als auchtendenziell die Möglichkeiten bürgerschaftlicher Ein-flussnahme auf den Prozess der Politikgestaltung vergrö-ßern. Dabei wird der Raum für die Mitwirkung organi-sierter Interessen und der Bürger allgemein erweitert. Indiesem Zusammenhang bieten sich ebenfalls Chancen füreinen Ausbau der E-Partizipation.

Die Aktivitäten zur Modernisierung des Unterhauses um-fassen – neben einer Reihe anderer Aspekte (z. B. interneOrganisation) – auch zahlreiche Veränderungen im Ver-hältnis von Parlament, politischer Öffentlichkeit und denBürgern. Diese Veränderungen reichen von den skizzier-ten Wandlungsprozessen im Bereich des Ausschusssys-tems und der Prüfung von Gesetzesentwürfen über dieEinführung der „Westminster Hall“ debates bis hin zuMaßnahmen zu historisch bedingten Eigenheiten des bri-tischen Parlamentarismus (wie z. B. der Beschluss, Besu-cher des Parlaments in der Geschäftsordnung nicht mehrals „strangers“, also Fremde, zu bezeichnen).

Die Schlüsselrolle für den gesamten Modernisierungspro-zess spielt der 1997 neu eingerichtete Modernisierungs-ausschuss, dessen Vorsitz der Leader of the House hat,also ein Regierungsmitglied. Der Modernisierungsaus-schuss hat sich mit diversen Aspekten der Internetnut-zung u. a. in dem ersten Bericht der Periode 2003 und

2004 auseinandergesetzt, in dem es um Verbesserungs-möglichkeiten der Beziehungen zwischen Parlament undÖffentlichkeit ging (HC 2004a): In Bezug auf die parla-mentarischen Websites verweist der Ausschuss darauf,dass diese – nach Ansicht von Experten – schon jetzt zen-trale Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit des Parla-ments haben. Angesichts der voraussichtlich weiterwachsenden Bedeutung der parlamentarischen Webprä-senz erscheint dem Ausschuss die für die Neugestaltungim Jahr 2002 aufgewendete Summe von insgesamt130 000 britische Pfund (für beide Kammern des Parla-ments) als sehr bescheiden, ebenso wie die Zahl derhauptamtlich für die Koordination der inhaltlichen Ge-staltung zuständigen Mitarbeiter, nämlich zwei für beideKammern. In diesem Zusammenhang wird in dem Be-richt die Auffassung geäußert, dass das Parlament nurschwerlich Einsparungen in anderen Bereichen machenkönne, um sein Onlineangebot weiter zu verbessern: dasNetz werde Bibliotheken, Einladungen von Schülergrup-pen oder konventionelle Anhörungen nicht ersetzen.Gleichwohl bestehe dringender Verbesserungsbedarf beider Gestaltung des Webangebots: Die Suchfunktionenseien auf Experten und andere kenntnisreiche Nutzer zu-geschnitten, ein gewöhnlicher Bürger, der an einemThema interessiert ist, habe es schwer. Die geschilderteRessourcenproblematik und der Verbesserungsbedarf beiden Suchmöglichkeiten ähneln der Situation beim On-lineauftritt des Deutschen Bundestages (IZT 2005). DerAusschuss nennt in diesem Zusammenhang eine Reihevon Handlungsoptionen, u. a. die Ermöglichung vonSuchanfragen mit alltags- und umgangssprachlichen Be-griffen, die Veranlassung von Forschung zu den besonde-ren Bedürfnissen und Interessen spezieller Bevölkerungs-gruppen (Jugendliche und ältere Menschen, ethnischeMinderheiten, Behinderte) und die Nutzung der interakti-ven Möglichkeiten des digitalen Fernsehens für das Parla-mentsfernsehen. Eine bessere Ressourcenausstattung fürden Onlinebereich sei auf jeden Fall notwendig. In derUntersuchung ließ der Ausschuss auch eine öffentlicheOnlineanhörung durchführen, deren Ergebnisse in einemeigenen Bericht zusammengefasst wurden (HansardSociety 2004; s. a. Trénel 2004 u. Kap. IV.3.4).

Hinsichtlich der parlamentarischen Aktivitäten zum On-linedialog mit den Bürgern und zu den Onlineanhörungenist zudem auf einen Bericht des Informationsausschussesaus dem Jahr 2002 (HC 2002a) hinzuweisen. Dieser Aus-schuss beschäftigt sich für gewöhnlich mit Fragen derparlamentsinternen Nutzung neuer Informationstechnolo-gien für die Arbeit des Parlaments und dessen Aus-stattung mit neuen Medien. Der Bericht thematisierthingegen die Möglichkeiten, die sich aus digitaler Kom-munikation für den Austausch zwischen Parlament undÖffentlichkeit ergeben. Als Hintergrund der Untersu-chung wurden das Nachlassen öffentlicher Partizipationam politischen Prozess und die Wahrnehmung der Öffent-lichkeit sowie von Abgeordneten genannt, dass das Parla-ment zuwenig mit der Öffentlichkeit kommuniziere undzudem die Regierung besser kontrollieren müsse. ImRahmen der Untersuchung ließ der Ausschuss im Jahr2000 ebenfalls eine parlamentarische Onlineanhörung

29 Als „backbenchers“ werden alle Abgeordneten bezeichnet, die keineoffizielle Funktion in der Regierung oder ihrer Fraktion ausüben.

Drucksache 15/6015 – 68 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

durchführen. In dem Abschlussbericht des Ausschusses(HC 2002a) werden

– Empfehlungen für die Durchführung von Anhörungengemacht (u. a. klare Zweckbestimmung, themenange-passte Zielgruppenansprache, Zusammenfassung undInterpretation der Diskussionen durch eine unabhän-gige Einrichtung oder durch die Verwaltung, Feedbackan die Teilnehmer sowie quantitative und qualitative,zeitnah online veröffentlichte Evaluation),

– Überlegungen angestellt, ob und wie sich Onlineanhö-rungen institutionell und organisatorisch im Parlamentverankern lassen (anstatt vor allem auf Ressourcenund Know-how der Hansard Society zurückzugrei-fen), und

– die Ausweitung bürgerschaftlicher Partizipation sowieinsbesondere die verbesserte Integration von bisherweitgehend ausgeschlossenen Gruppen in den politi-schen Prozess als Ziele definiert.

Die skizzierten institutionellen Aktivitäten haben dazubeigetragen, dass sich seit Ende des vergangenen Jahr-zehnts ein Kreis von Abgeordneten aus verschiedenenFraktionen gebildet hat, der das Thema E-Demokratie re-gelmäßig bearbeitet und auf der parlamentarischenAgenda hält. Einen institutionellen Niederschlag fanddies auch in der Bildung einer All-Party ParliamentaryGroup on „e-democracy“30, die u. a. mit einer partei-übergreifenden Parlamentariergruppe zum Thema Inter-net, der Hansard Society und wissenschaftlichen Exper-ten zusammenarbeitet. Der Einfluss der an E-Demokratiestark interessierten Abgeordneten drückte sich z. B. in derTatsache aus, dass zwei auf Initiative eines einzelnen Ab-geordneten angesetzte Debatten („adjournment debates“)zur parlamentarischen E-Demokratie geführt wurden (HC2002b, Spalten 863–868; HC 2004b, Spalten 1WH–24WH).Die Debattenbeiträge zeigen, dass in vielen Punkten einparteiübergreifender Konsens – zumindest innerhalb derParlamentarier-Gruppe zur E-Demokratie – besteht.

Einige Erwartungen und Einschätzungen, die von Parla-mentariern in diesen Debatten geäußert wurden, seien imFolgenden erwähnt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dasseine der Debatten speziell die bürgerschaftliche E-Partizi-pation bei Vorabprüfungen von Gesetzesentwürfen („on-line pre-legislative scrutiny“) behandelte. Die Abgeord-neten machten folgende Aussagen:

– E-Partizipation könne den nachträglichen Korrektur-bedarf bei Gesetzen reduzieren und die – zum Teil dra-matischen – negativen Folgen schlechter Gesetzge-bung vermeiden helfen. Onlinediskussionen seien inallen Phasen des legislativen Zyklus einsetzbar und soll-ten insbesondere auch für „post-legislative scrutiny“ ge-nutzt werden, also für die nachträgliche Prüfung von Ge-setzesfolgen. Eine solche Gesetzesfolgenbewertung

könne wiederum neue Gesetzgebungsprozesse unter-stützen. Wünschenswert sei eine möglichst frühzeitigeEinbeziehung von Parlament und Öffentlichkeit in dieministerielle Erarbeitung von Gesetzesentwürfen, wo-bei der für viele Bürger schwer zugängliche Stil dieserTexte aber ein Problem darstelle.

– Die Wertschätzung der Bürgerbeteiligung solle sichu. a. darin niederschlagen, dass möglichst viele Bei-träge nicht nur veröffentlicht, sondern auch in denEndberichten berücksichtigt werden. Wer besondershilfreiche Informationen oder Überlegungen beisteu-ert, könne in den Veröffentlichungen persönlich ge-würdigt werden. Wenn Onlinedeliberationen hingegenstaatlicherseits nur halbherzig durchgeführt würden,trügen diese eher zu einer Zunahme denn zur Vermin-derung zynischer Auffassungen über „die Politik“ bei.Bürger erwarteten von parlamentarischen Anhörungenin der Regel nicht – so der initiierende Labour-Abge-ordnete –, dass ihre Vorschläge übernommen werden,wohl aber, dass sie zur Kenntnis genommen und kom-mentiert werden.

– Der Rolle eines unabhängigen Mediators, die bishervon der Hansard Society eingenommen wird, kommebesondere Bedeutung zu. Ausschussmitgliedern seisehr damit geholfen, wenn sie – wie von der HansardSociety praktiziert – zeitnah schriftliche Zusammen-fassungen der Bürgerbeiträge erhalten. Der Hauptnut-zen, den bürgerschaftliche E-Partizipation für Parla-mentarier habe, sei – so ein liberaler Abgeordneter –die Möglichkeit, bürgerschaftliche Onlinedeliberationzu verfolgen und an dieser teilzunehmen. Onlinemei-nungsumfragen seien von deutlich geringerem Nut-zen, weil ihr Erkenntniswert geringer sei.

– Durch den Onlinedialog zwischen Parlament und Bür-gern biete sich die Aussicht, dem Parlament gegen-über dem Wechselspiel von Regierung und Massen-medien wieder stärkeres Gewicht zu verleihen. Beidieser Neugestaltung politischer Medienöffentlichkeitkönne die BBC (durch Werbung und Information zuden Anhörungen) eine wichtige Rolle spielen.

– Die Arbeit von Mitgliedern des Unterhauses in ihrenWahlkreisen würde durchaus von den Bürgern ge-schätzt, das Imageproblem des Parlaments beruhe alsoauf einer negativen Wahrnehmung der Arbeit in West-minster. Zur Verbesserung dieser Situation seien – soein einflussreicher konservativer Abgeordneter – dieMöglichkeiten von E-Partizipation selektiv zu nutzen:Je nach Bedarf könnten Onlineumfragen, Foren zurDeliberation von Detailfragen und eher allgemeineOnlinediskussionen über grundsätzliche Fragen bevor-zugt oder kombiniert werden.

3.4 Die Onlineanhörungen des britischen Parlaments

Ausgangspunkt bei der Nutzung von Internetanhörungendurch das Parlament war nicht der Wunsch, ein Online-dialogangebot an die allgemeine Öffentlichkeit zu ma-chen (Coleman 2004): Im Vordergrund stand und steht

30 „All-Party Parliamentary Groups“ sind inoffizielle parteiübergreifen-de Parlamentariergruppen. Sie sind sehr zahlreich, konzentrieren sichauf eine bestimmte Weltregion oder ein bestimmtes Thema und kön-nen in das Register der All-Party Groups des Parlaments aufgenom-men werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 69 – Drucksache 15/6015

vielmehr der Wunsch der Abgeordneten und des Parla-ments, zu bestimmten politischen Themen Zugang zu Ex-pertenwissen und spezifischen Erfahrungen in der Bevöl-kerung zu erlangen. Als entscheidende Voraussetzungenfür eine sinnvolle Nutzung der Ergebnisse wurden derenunabhängige Auswertung und Zusammenfassung angese-hen. Die übergeordneten Ziele der parlamentarischen On-lineanhörungspraxis waren die Mobilisierung von bürger-schaftlicher Expertise und Sachkenntnis für die Arbeitdes Parlaments sowie die Einbeziehung von Bevölke-rungsgruppen mit spezifischen Problemen in die für sierelevanten Prozesse der Politikgestaltung.

In einem Gutachten für das Projekt (Trénel 2004), aufdem die Ausführungen in diesem Unterkapitel basieren,wurde ein Überblick über die parlamentarische Praxis derOnlineanhörung erstellt und eine vertiefte Auseinander-setzung mit drei Anhörungen unternommen, nämlich mit„Womenspeak“ (zur häuslichen Gewalt gegen Frauen),„Commbill“ (zu Regulierungsfragen im Telekommunika-tions- und Medienbereich) und „Connecting Parliamentwith the Public“ (zu den Beziehungen von Parlament undÖffentlichkeit) unternommen. Dabei wurden auch Inter-views mit sechs Verantwortlichen (einem Ausschussvor-sitzenden, der ehemaligen Vorsitzenden einer All-PartyParliamentary Group, einem Mitarbeiter des Leader ofthe House, zwei Moderatorinnen von der Hansard Societyund einer Vertreterin einer bei der Organisation kooperie-renden NGO) geführt. Auf diese Weise konnte – übereine allgemeine Bestandsaufnahme hinaus – auch auf Be-sonderheiten bestimmter Foren eingegangen und vor al-lem weiterführende Hinweise zum politischen Nutzen so-wie zu praktischen Problemen gewonnen werden.

3.4.1 Überblick: Geschichte, Akteure und technische Aspekte

Der parlamentarische Onlinedialog mit Bürgern in Groß-britannien weist eine Reihe von beachtenswerten Merk-malen auf, nämlich die langjährige Erfahrung mit Online-anhörungen, der relativ hohe Institutionalisierungsgrad,die zunehmend enge Verzahnung mit den Ausschüssen,die zahlreichen vorliegenden Evaluationsberichte (Trénel2004, S. 5 u. 8 f.) sowie die erwähnten übergeordnetenZiele der Information des Parlaments und der Inklusionbestimmter Bevölkerungsgruppen.31

Parlamentarische Onlineanhörungen werden bereits seitEnde der 1990er Jahre durchgeführt (Pearce 2001). Insge-samt fanden bisher 15 Anhörungen statt, mit einer Pauseim Jahr 2003. Während zwei der frühen Foren auf einge-ladene Experten beschränkt waren, richteten sich die rest-lichen 13 Konsultationen (zumindest auch) an interes-sierte Bürger. Alle Onlineanhörungen bis auf einen Fall

wurden öffentlich durchgeführt: Nur in der Anhörung„Womenspeak“, in der Frauen, die Opfer häuslicher Ge-walt geworden waren, konsultiert wurden, konnten dieBeiträge der Teilnehmerinnen aus Gründen der Vertrau-lichkeit von der Öffentlichkeit nicht gelesen werden.

Initiiert wurden die Anhörungen elfmal von Select Com-mittees, zweimal von parteiübergreifenden Parlamen-tariergruppen (Kap. IV.3.3) und zweimal vom „Parlia-mentary Office of Science and Technology (POST)“, dembritischen Pendant des TAB. Bei mehreren Anhörungenkooperierte das Parlament mit NGOs. So spielte z. B. bei„Womenspeak“ die NGO „Women’s Aid“ eine wichtigeRolle bei der Zielgruppenansprache, der inhaltlichen Vor-bereitung sowie der Bereitstellung von Infrastruktur (inFrauenhäusern) und der Unterstützung der Teilnehmerin-nen beim Umgang mit der Technik.

Während das POST vor allem eine wichtige Rolle dabeispielte, den Stein (mit der ersten Onlineanhörung 1998)ins Rollen zu bringen, war und ist die Rolle der HansardSociety noch weitaus bedeutsamer. Sie dürfte häufig dietreibende Kraft für die Durchführung der parlamentari-schen Onlineanhörungen gewesen sein und die von ihrvertretenen Auffassungen haben offenkundig auch einewichtige Rolle beim Design der Onlineanhörungen ge-spielt (Trénel 2004): Die Anhörungen zeichnen sich da-durch aus, dass sie den Schwerpunkt auf zugleich delibe-rative und interaktive Elemente legen und nicht etwa aufBefragungen der interessierten Bürger durch Onlinefrage-bögen („Onlinesurveys“) oder eine Beteiligung durchChats. Ziele sind die Entwicklung engerer kommunikati-ver Beziehungen zwischen Parlament und Bürgern undeine vertiefte Auseinandersetzung mit den Problemen,Sichtweisen und Anregungen von Bürgern. Die asyn-chrone, deliberative Kommunikation der Bürger unterein-ander sollte – als zusätzlicher Mehrwert – es diesen aucherlauben, voneinander zu lernen und sich für ihre Zweckeauszutauschen. Zudem sollten Parlamentarier die Gele-genheit haben, sich an Diskussionen zu beteiligen, dievom Format her mehr Möglichkeiten bieten als Chatdis-kussionen.

Diese Ausrichtung schlug sich in der verwendeten Tech-nik nieder: In den ersten Jahren waren Mailinglisten dietechnische Grundlage für die Onlineanhörungen. Diesewaren allerdings bereits mit dem WWW gekoppelt, dadort ein Archiv mit der gesamten Kommunikation derMailingliste verfügbar war. Vom Jahre 2000 änderte sichdas Verhältnis: Mailinglisten wurden nur noch für Ankün-digungen verwendet, während die Kommunikation überein Forum im WWW lief. Dieses Forum war ein typi-sches Onlinediskussionsforum, in dem also die Teilneh-mer interagieren konnten. Ab 2004 setzte man auf einneues, benutzerfreundlicheres Forum, das gegenüber demalten die Besonderheit aufweist, dass alle Diskussionsbei-träge in voller Länge auf einer Webseite stehen. Auch beider technischen Modernisierung der Anhörungen wurdemithin von Anfang an gezielt eine Stärkung der delibera-tiven Interaktion zwischen den interessierten Bürgern an-gestrebt.

31 Auf den zentralen Onlineangeboten des Parlaments (www.parlia-ment.uk; www.explore.parliament.uk) sind Hinweise auf die Anhö-rungen allerdings schwer auffindbar. Zugang und Informationen zuallen laufenden und kürzlich abgeschlossenen Onlineanhörungen er-hält man über www.tellparliament.net, einer im Jahr 2004 von derHansard Society eingerichteten Seite, und ggf. auf den Seiten der ini-tiierenden Ausschüsse – aber augenscheinlich auch dort in der Regelnicht auf der Startseite.

Drucksache 15/6015 – 70 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3.4.2 Moderation, Diskussionsaufbereitung und Einspeisung in die parlamentarische Arbeit

Die Hansard Society hat in bisher allen parlamentarischenOnlineanhörungen die Rolle der Moderation übernom-men. Zu dieser sehr aktiven Moderation gehörten die Vor-bereitung der Anhörungen (Einrichtung der Internetplatt-form, Ansprache von Teilnehmern), die Strukturierungder Kommunikation (Formulierung von Fragen; Beob-achtung der Teilnehmerbeiträge; Interventionen bei denseltenen unsachlichen Beiträgen; Bereitstellung von In-formationen; Zusammenfassung von Teilnehmerbeiträ-gen) und die Dokumentation und Präsentation der Ergeb-nisse. Eine notwendige Voraussetzung erfolgreicher Mo-deration parlamentarischer Onlinediskussionsangebote,die politische Neutralität, wird der Hansard Society of-fensichtlich sowohl vom Parlament als auch den Teilneh-mern zugesprochen.

Es fand keine Vorabprüfung der Beiträge statt. Die Struk-turierung der Diskussionen erfolgte angepasst an die je-weiligen Besonderheiten des Forums und des Diskus-sionsverlaufs. Stimulierung der Diskussion undAusrichtung auf die Informationsbedürfnisse gehörten zuden Moderationsaufgaben. Zudem wurden regelmäßigZusammenfassungen der Beiträge während der Laufzeitdes Forums verfasst und mit diesem publiziert sowie zumTeil auch direkt an die Parlamentarier weitergereicht. Ab-schlussberichte zu den Anhörungen wurden sowohl an in-itiierende Ausschüsse bzw. Parlamentariergruppen ver-sendet als auch im Netz veröffentlicht. Dabei wurdenauch Befragungen der Teilnehmer zu ihren Erfahrungenmit dem Forum durchgeführt.

3.4.3 Inhaltliche Aspekte und Interaktivität der Diskussionen

Die Themenauswahl entspricht im Wesentlichen denübergeordneten Zielen der parlamentarischen Onlinean-hörungspraxis – also der Mobilisierung von bürgerschaft-licher Expertise und Sachkenntnis für die Arbeit des Par-laments und der Einbeziehung von Bevölkerungsgruppenmit spezifischen Problemen in die für sie relevanten Pro-zesse der Politikgestaltung. In diesem Zusammenhangbot es sich offenkundig an, Themen zu wählen, die für In-ternetnutzer von besonderem Interesse sind, sowie solche,bei denen spezifische Vorteile netzbasierter Kommunika-tion zum Tragen kommen:

– In sechs von 13 Fällen32 wurde ein Weg beschritten,der zu einem hohen Grad an „Medien-Themen-Pas-sung“ führte: Drei Onlineanhörungen behandelten denEinsatz von Informations- und Kommunikationstech-nologien im Parlament und dabei auch den Einsatzvon Onlineanhörungen selbst. Die „Commbill“-Anhö-rung behandelte Regulierungsfragen im Telekommu-nikationsbereich, ein Thema, bei dem ebenfalls von ei-

nem relativ hohen Interesse besonders aktiverInternetnutzer auszugehen ist. Bei zwei weiteren On-lineanhörungen („Womenspeak“ und „Hate Crime“)ergab sich die besondere Medien-Themen-Passungaus dem Umstand, dass durch netzbasierte Kommuni-kation eine anonyme und damit für Opfer von Gewaltsicherere Teilnahme gewährleistet war. Zudem wur-den dabei – zumindest im Fall von „Womenspeak“ –auch Personen erfolgreich angesprochen, die über we-nig oder keine Kompetenzen beim Umgang mit digita-len Medien verfügten.

– In zwei weiteren Fällen – „Uspeak“ (Sozialhilfeemp-fänger und Niedrigverdiener) und „Seniorspeak“ (alteMenschen und Altenpfleger) – wurden Zielgruppenanvisiert, die unterdurchschnittliche Internetzugangs-raten aufweisen. Im Fall von „Uspeak“ wurden poten-zielle Teilnehmer durch eine kostenlose Telefon-Help-line bei der Suche nach dem nächstgelegenenkostenlosen Internetzugang unterstützt (Pearce 2001).Trotz dieser Maßnahme waren die Ergebnisse des Ex-periments ambivalent. Bemerkenswert mit Blick aufdas Problem der „digitalen Spaltung“ ist, dass bei„Uspeak“ eine sehr hohe Zahl an Registrierungen(395) vorlag – die zweithöchste überhaupt –, die Zahlder tatsächlichen Besucher der Website aber nur96 war, wovon jedoch 62 selbst einen Diskussionsbei-trag beisteuerten, was eine relativ hohe Quote dar-stellt. Eine mögliche Interpretation dieses Falls könntelauten: Die angesprochene Gruppe von Niedrigverdie-nern und Sozialhilfeempfängern hatte ein überdurch-schnittlich starkes Interesse an der Teilnahme, aberrelativ hohe Hürden beim Zugang (aufgrund fehlenderhäuslicher Internetzugänge). Der Anteil der aktivenNutzer des Angebots unterstreicht das große Interesseder Angesprochenen.

Der Grad der Interaktivität der Diskussionen wurde an-scheinend vor allem durch Themenauswahl und Zielgrup-penansprache bestimmt (s. a. Coleman 2004): Währendbei „Womenspeak“, das ja auch „Selbsthilfegruppen-Cha-rakter“ haben sollte, die Interaktivität sehr hoch war,wurde bei „Commbill“ nur in 14 Prozent der Fälle auf ei-nen anderen Beitrag explizit Bezug genommen.

3.4.4 Beteiligung und Zielgruppenansprache

In der Regel wurden die Onlineanhörungen über dieDauer eines Monats abgehalten. Die Zahl der Beiträgependelte mehrheitlich zwischen 100 und 400 Beiträgen(Ø = 291), wobei es auch einige Fälle mit deutlich mehrBeiträgen gab. Die besonders lebendigen Onlineanhörun-gen – mit jeweils mehr als 500 Beiträgen – hatten alsThemen häusliche Gewalt gegen Frauen, Überschwem-mungen sowie künstliche Befruchtung/pränatale Dia-gnostik. Mit 960 Beiträgen ragt „Womenspeak“ hervor.Anscheinend trugen die unmittelbare Betroffenheit derOpfer häuslicher Gewalt und das große Bedürfnis an ei-nem Erfahrungsaustausch im geschützten Raum dazu bei(Coleman 2004). Die meisten aktiven Teilnehmer, d. h.solche, die mindestens einen Beitrag schrieben, konntedie Onlineanhörung „Floodforum“ für sich verbuchen,

32 Die erste und die dritte Anhörung waren ausschließlich auf eingela-dene Experten beschränkt, weshalb sie hier nicht berücksichtigt wer-den.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 71 – Drucksache 15/6015

nämlich 157. Dies hing vermutlich damit zusammen, dasses kurze Zeit davor Überschwemmungen gab, und dasThema somit sehr aktuell war und es viele Betroffenegab. In der Regel beteiligten sich im Schnitt 50 bis100 Personen aktiv an der Diskussion (Ø = 68). Die Zahlder registrierten Teilnehmer lag aber in der Regel zwi-schen 100 und 350 Personen, war also durchschnittlichungefähr dreimal so hoch wie die Zahl der aktiven Teil-nehmer. Die Unterschiede in der Aktivität der Teilnehmerdürften vor allem auf die Auswahl des Themas und denGrad der Betroffenheit zurückzuführen sein.

In mehreren Fällen gelang die Zielgruppenansprache of-fensichtlich sehr gut: Bei „Womenspeak“ waren zahlrei-che Teilnehmerinnen politisch nicht aktiv und zudem imUmgang mit Computern unkundig. Bei „Commbill“ wa-ren die Teilnehmer politisch überdurchschnittlich aktiv,fachlich kompetent und partizipierten auch in andererWeise an dem Gesetzgebungsprozess. Verbesserungsbe-darf bestand bei mehreren Anhörungen hinsichtlich derWerbung für das Angebot. Ein hilfreiches Mittel war hier– neben der Kooperation mit NGOs – die Veröffentli-chung vorgefertigter Pressemitteilungen von Abgeordne-ten in ihren Wahlkreisen.

Eine Beteiligung von Abgeordneten an den Diskussionenfand nicht durchgängig statt, bei den näher untersuchtenForen fanden sich z. B. insgesamt 31 Beiträge von sechsParlamentariern bei „Womenspeak“, zusammen acht Bei-träge von vier Abgeordneten bei „Commbill“ und keineBeiträge bei „Connecting Parliament with the Public“.

3.4.5 Kosten und Aufwand

In den drei näher untersuchten Anhörungen blieb derAufwand für die Parlamentsverwaltung überschaubar,denn die Mitarbeiter des Parlaments waren nur an derAufbereitung der Diskussionsgrundlagen beteiligt. DerGroßteil des Aufwandes entstand bei parlamentsexternenEinrichtungen: der Hansard Society und – im Fall von„Womenspeak“ – auch bei der kooperierenden NGO Wo-men’s Aid. Die Interviews mit den Vertretern dieser Ein-richtungen ergaben, dass nicht nur mit der Beschaffung,Einrichtung und Anpassung des Webforums Aufwandund Kosten verbunden waren. Häufig unterschätzt wurdeder personelle Aufwand, der für die Werbung der Teilneh-mer, die Moderation der Diskussion und die Aufbereitungder Ergebnisse anfiel. Bei der Onlineanhörung „Women-speak“ wurden die Kosten für diese Dienstleistungen zueinem Teil von Sponsoren übernommen, zu einem nichtunerheblichen Teil aber auch von der Hansard Societyund Women’s Aid selbst getragen. Mit der Zunahme derHäufigkeit von Onlineanhörungen nahm allerdings beider Hansard Society – und gleichzeitig bei den Sponsoren –die Bereitschaft für finanzielles Engagement ab. Das Pro-jekt „Combill“ war das erste, in dem die Hansard Societyvom Parlament eine Aufwandsentschädigung von ca.14 500 Euro erhielt, und auch die Onlineanhörungen imJahre 2004, darunter das Projekt „Connecting Parliamentwith the Public“, wurden mit dieser Summe vergütet.Nach Aussage einer Mitarbeiterin der Gesellschaft seien

die Onlineanhörungen damit aber immer noch unterfinan-ziert.

Tatsächlich ist zu beobachten, dass in den Projekten desJahres 2004 der Aufwand für Teilnehmerwerbung und Er-gebnisaufbereitung (bloße Sammlungen von Zitaten) aufein Minimum reduziert wurde, was die Qualität der Onli-neanhörungen beeinträchtigt hat. Die Hansard Societyplant, zukünftig dem Parlament die realen Kosten für dieDurchführung von Onlineanhörungen in Rechnung zustellen. Diese lägen zwischen ca. 28 500 Euro und35 700 Euro pro Fall. Offen sei aber noch, ob dieseDienstleistung zukünftig nicht besser von der Parlaments-verwaltung oder einem privaten Anbieter erbracht werdensoll.

3.4.6 Nutzen für das Parlament, die teilnehmenden Bürger und politische Wirkung

Durch die Einführung von Onlineanhörungen wurde dieAnhörungspraxis nicht nur technisch verändert: Neu istu. a. auch, dass Bürger direkt – also nicht nur vermitteltüber Interessenverbände – gehört werden und dass Forenzur Erörterung und Diskussion der Ausschussthemen ge-schaffen werden. Zusammenfassend kann in Bezug aufdie Erfahrungen der Politik mit Onlineanhörungen festge-stellt werden:

– Die Interviewpartner waren erklärtermaßen sehr zu-frieden mit der Qualität und Konstruktivität der Dis-kussionen und sahen ein Potenzial für größere Teil-nehmerzahlen. Die Onlineanhörungen sollten daher inZukunft noch besser bekannt gemacht werden. Zu ver-bessern sei auch das Feedback an die Teilnehmer überdie Verwertung der Stellungnahmen.

– Die Onlineanhörungen hätten sich als ein effektivesMittel für die Abgeordneten erwiesen, die eigene Poli-tik noch besser zu überprüfen, zu illustrieren und for-mulieren sowie zu legitimieren. Der Gewinn neuer In-formationen stand hingegen für die beteiligtenFachpolitiker eher im Hintergrund.

Von entscheidender Bedeutung war nach Auskunft meh-rerer Beteiligter, dass die Diskussionsergebnisse währendund nach der Anhörung von der Hansard Society zusam-menfassend ausgewertet wurden. So wurden sie in eineForm gebracht, die eine Einspeisung in die parlamentari-sche Arbeit ermöglichte.

Die Teilnehmer äußerten sich durchgängig mehrheitlichzufrieden mit dem Angebot. Angesichts dessen ist es be-merkenswert, dass sie gleichwohl weit überwiegend dieAuffassung vertraten, die verantwortlichen Politiker hät-ten sich nicht für ihre Ansichten interessiert. Offenkundigwar für die Zufriedenheit also der Erfahrungs- und Infor-mationsaustausch zwischen den Bürgern entscheidend.(Im Fall von „Womenspeak“ bildete sich z. B. eine Grup-penidentität, und die Teilnehmerinnen bekundeten denWillen, nach Ende des Forums weiter in Kontakt zu blei-ben (s. a. Coleman 2004.)

Drucksache 15/6015 – 72 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zur politischen Wirkung der Anhörungen lässt sich fest-halten, dass „Womenspeak“ in der internationalen wis-senschaftlichen und politischen Diskussion zur digitalenDemokratie oft als „Best-practice“-Beispiel eingeschätztwird. Die Vorsitzende der initiierenden überfraktionellenParlamentariergruppe bekundet, dass der Gesetzgebungs-prozess zum Thema maßgeblich durch die Anhörung sti-muliert wurde, eine Einschätzung, die von anderen Betei-ligten und von Dritten bestätigt wird. (Zu bedenken istdabei allerdings, dass hier auch die überfraktionelle Zu-sammenarbeit positiv gewirkt haben mag.) Auch wenndie Abgeordneten mit Expertise kaum etwas substanziellNeues gelernt hätten, sei es – durch die Teilnahme mitdem Thema nicht vertrauter Parlamentarier – zu einemZuwachs an Wissen im Parlament gekommen. Im Fall„Commbill“ sah sich der Ausschussvorsitzende in seinerHoffnung bestätigt, dass durch die Onlineanhörung Posi-tionen in den Erörterungsprozess des Ausschusses einge-führt werden würden, die Bürger überzeugender vortra-gen können als er oder andere Mitglieder desAusschusses – wodurch das Ergebnis bürgerfreundlicherausgefallen sei. Der Ausschuss habe sozusagen die Urhe-berschaft des Gesetzes auf das Forum übertragen. Meh-rere Parlamentarier haben öffentlich bekundet, dass durchdie Anhörung die Qualität des Gesetzes deutlich verbes-sert werden konnte. Ergebnisse aus der „Connecting Par-liament with the Public“ flossen in den Endbericht desModernisierungsauschusses ein (s. a. Coleman 2004).

Auch andere parlamentarische Onlineanhörungen sowiedie Praxis insgesamt wurden von einer Reihe von Abge-ordneten und Regierungsvertretern als politisch wir-kungsvoll eingeschätzt, u. a. hinsichtlich des besseren Zu-gangs zu gesellschaftlichen Wissensressourcen, dergenaueren Kenntnis der öffentlichen Meinung und der Er-höhung der Aufmerksamkeit für das Thema (im Parla-ment oder in den Massenmedien).

3.4.7 Zusammenfassende Bewertungen

Onlineanhörungen haben sich als Instrument der parla-mentarischen Ausschussarbeit etabliert. Entsprechend derEmpfehlung des Modernisierungsausschusses, das Instru-ment regelmäßig in der Ausschussarbeit einzusetzen, ka-men im Jahr 2004 zwei Ausschüsse hinzu, die bisherkeine Onlineanhörungen durchgeführt hatten. Zudemwurden Richtlinien für eine gute Praxis entwickelt. DasParlament vergütet in gewissem Umfang die Durchfüh-rung der Anhörungen, und es gibt Bestrebungen, die Ab-läufe von Onlineanhörungen zu vereinheitlichen undRoutinen zu entwickeln. Die Gründe für diese Konsoli-dierungstendenzen lassen sich folgendermaßen zusam-menfassen (Trénel 2004):

– Verbessertes Wissensmanagement: Auch wenn dieFachpolitiker nicht immer aus den Anhörungen kon-krete neue Erkenntnisse gewinnen, bieten diese dochzumindest immer die Möglichkeit der Überprüfungder eigenen Positionen.

– Öffnung des politischen Systems hin zur Bürgerschaft:Hierbei sind insbesondere die Chancen zur Einbezie-

hung sonst dem Parlament sehr fern stehender Bevöl-kerungskreise attraktiv.

– Akzeptanz: Auch wenn viele teilnehmende Bürgerskeptisch in Bezug auf die politische Wirkung ihrerBeiträge und unzufrieden mit dem Beteiligungsum-fang der Parlamentarier waren, zeigte sich doch, dassdie Angebote selbst positiv wahrgenommen werden(s. a. Coleman 2004).

Die entscheidenden Erfolgsfaktoren waren eine gute Ziel-gruppenansprache, eine aktive Moderation sowie dieAufbereitung und Einspeisung der Ergebnisse in die par-lamentarische Arbeit. Verbesserungsbedarf ist beim Feed-back an die Teilnehmer, der Werbung und der Einbindungder Abgeordneten in die Diskussionen festzustellen. DieQualität der Diskussionen war hoch und konstruktiv.

Der Modernisierungsausschuss des Parlaments kam beiseiner Bewertung der Praxis zu folgenden Schlüssen(HC 2004a): Eine verstärkte Nutzung von Onlineanhö-rungen sei ein gut geeigneter Weg, die Ansichten einerweiteren Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Bemerkens-wert sei, dass in den bisher durchgeführten Onlineanhö-rungen von den Teilnehmern fast keine strafbaren oderbeleidigenden Äußerungen gemacht wurden, im Gegen-satz zu den Onlineanhörungen der Regierung, bei denender Anteil solcher Äußerungen 20 bis 25 Prozent ausge-macht habe. Der Ausschuss empfahl, dass Teilnehmer dasRecht haben sollten, in den Foren anonym zu bleiben, zu-gleich aber verpflichtet sein sollten, sich zu registrieren,um von einem unabhängigen Dritten identifizierbar zusein. Die Onlineanhörungen seien insgesamt gesehen er-folgreich gewesen und hätten dazu beigetragen, die Öf-fentlichkeit an der parlamentarischen Arbeit teilhaben zulassen und sonst ausgeschlossenen Menschen eineStimme im politischen Prozess zu geben.

3.5 Aktivitäten des Deutschen Bundestages zur digitalen Demokratie

Der Deutsche Bundestag und einzelne Parlamentarier ha-ben sich bereits in den 1990er Jahren mehrmals – prak-tisch und konzeptionell – mit den Chancen und Heraus-forderungen auseinandergesetzt, die sich durchnetzbasierte Kommunikation für die Kommunikation mitBürgern ergeben. Bereits seit Herbst 1996 existieren On-linediskussionsangebote an die Bürger auf der Websitedes Deutschen Bundestages. Vorher schon hatten sichAbgeordnete aus allen Fraktionen an einem Pilotprojektder Freien Universität Berlin beteiligt, bei dem der On-linedialog zwischen Parlamentariern und Internetnutzernerprobt wurde. In der Beratung des Parlaments spielte dasThema ebenfalls bereits relativ frühzeitig eine Rolle. Sowies ein Bericht des TAB (TAB 1995; s. a. Petermann/Grunwald 2005) – anhand eines vom Deutschen Bundes-tag in Auftrag gegebenen Gutachtens (Kubicek et al.1995) – auf politisch-partizipatorische Potenziale vonMultimedia und netzbasierter Kommunikation hin. Ent-wicklungen in den USA und innerhalb der internationalenNetzkultur wurden dabei – der Einschätzung des Gutach-tens folgend – als mögliche Vorbilder für Deutschlandcharakterisiert. Auch in dem Schlussbericht der Enquete-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 73 – Drucksache 15/6015

Kommission zur Zukunft der Medien wurde an verschie-denen Stellen auf die Potenziale netzbasierter Kommuni-kation für den gesellschaftlich-politischen Dialog hinge-wiesen (EK 1998). Vorgeschlagen wurde u. a. einExperimentieren „in kleinen Schritten“ mit den neuentechnischen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung sowiedie Beobachtung und Analyse internationaler Entwick-lungen in diesem Bereich – übrigens mit explizitem Be-zug auf die E-Demokratie-Debatte in Großbritannien.Insgesamt gesehen kann hinsichtlich der digitalen Demo-kratie von einer Vorreiterrolle des Parlaments innerhalbdes politischen Systems gesprochen werden.

Eine wichtige Rolle spielten politische und kulturelle As-pekte netzbasierter Kommunikation zudem in der parla-mentarischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Bür-gerschaftliches Engagement“, das in der laufendenLegislaturperiode durch einen eigenen Unterausschussbearbeitet wird. In der Arbeit der zuvor bestehendenEnquete-Kommission zu diesem Thema erfolgte aucheine Auseinandersetzung mit den Potenzialen neuer Me-dien (EK 2002): Die Möglichkeiten des Zugangs zumEngagement und zur Vernetzung engagierter Bürger seien– so die Aussagen im Schlussbericht – durch das Internetenorm gewachsen, durch „e-democracy“ veränderten underweiterten sich zudem politische Zugangsmöglichkeiten.Besondere Bedeutung hätte netzbasierte Kommunikationfür NGOs und Protestbewegungen (Kap. III u. V). Geradefür ressourcenschwache Akteure biete sich das Internetals Medium der Information, Diskussion, Organisationund Mobilisierung an. Sehr gute Möglichkeiten bötensich bei der Nutzung des Netzes im Bereich der bürger-schaftlichen Selbsthilfe.

3.5.1 Entwicklung des Onlinediskussions-angebots

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre definierte derDeutsche Bundestag eine Reihe von Zielen zur Verbesse-rung der Beziehungen zwischen Parlament und Bürgern(s. dazu Mambrey et al. 1999). Dabei ging es – entspre-chend der damaligen Entwicklung in anderen Ländern –vor allem darum, die elektronische Erreichbarkeit desParlaments und der MdB sowie das Onlineinformations-angebot des Deutschen Bundestages zu verbessern. In derRealisierung der interaktiven Sektion der Website wurdenjedoch seit Oktober 1996 – im internationalen Vergleichalso bemerkenswert früh – auch Dialogangebote an dieBürger gemacht, nämlich die bis heute existierenden„Onlinekonferenzen“, ein dem Chat ähnelndes Formatsynchroner Kommunikation.

Entwickelt vor allem für die Ausschussarbeit, bot dieSoftware die Möglichkeit, dass zwei bis fünf Abgeord-nete Fragen von Internetnutzern – die dafür nur einenBrowser benötigten – schriftlich beantworten konnten.Das neue Instrument der Öffentlichkeitsarbeit erwies sichals besonders erfolgreich im Vorfeld der Bundestagswahl1998, in dem z. B. alle Fraktionsvorsitzenden mehrfachauf diese Weise mit internetnutzenden Bürgern in Kon-takt traten. Dies dürfte dadurch begünstigt worden sein,dass es sich bei den Onlinekonferenzen – ähnlich wie bei

Chats – um ein Dialogangebot handelt, bei dem die Kom-munikationsmöglichkeiten des teilnehmenden Bürgersdeutlich eingeschränkter sind als die des Politikers. EinAustausch zwischen dem einzelnen Bürger und dem teil-nehmenden Politiker ist hier – aufgrund der oft großen,synchron nicht zu beantwortenden Zahl der Fragen33 –vielfach nicht möglich.

Bemerkenswert hinsichtlich des Umgangs mit der dama-ligen Netzöffentlichkeit – die sich von der heutigen aller-dings deutlich unterscheidet – ist die Tatsache, dass derDeutsche Bundestag bei der Werbung für die Onlinekon-ferenzen bewusst auch auf die Möglichkeiten des Inter-nets und die Eigeninitiative der Netzkultur setzte: Nebender eigenen Mailingliste fanden die Onlinekonferenzenauch in anderen Mailinglisten und Newsgroups (und zu-dem in den Onlineangeboten der etablierten Medienan-bieter) Beachtung. An andere Mailinglisten wurden Be-nachrichtigungen gesendet. Diese Praxis wurde bis heutebeibehalten und die Zahl der berücksichtigten Listen ist– wie allerdings die Netzöffentlichkeit auch – stark ge-wachsen. Zur Feier des dreijährigen Bestehens der Web-site des Deutschen Bundestages fand Anfang 1999 eineOnlinekonferenz mit dem Bundestagspräsidenten zumThema „Demokratie Online: Neue Medien – Wege zur di-rekten Demokratie“ statt. Der Geist dieser Jahre drücktsich in den Schlusssätzen eines Aufsatzes zur Webprä-senz des Deutschen Bundestages in den 1990er Jahrenaus, der auch in einem frühen Standardwerk zur Thematik(Coleman et al. 1999) erschienen ist: „Is the digital, inter-active parliament the future for the citizen? Whether oneagrees or not, the principles of visibility, interaction andresponsiveness as guiding visions of a democratic parlia-ment can be enhanced by Internet technologies if this isdesired by politics. Of course, it will not create the hyper-active political citizen but it enhances the mutual aware-ness of Parliament and citizens. Public relations for parli-aments should be developed as a forum for publicdialogue and not as a high-tech poll for measuring theshifting currents of popular opinion“ (Mambrey et al.1999, S. 130). Im Jahr 1999 kam die Nutzung von On-lineforen hinzu, die in der Folgezeit zusammen mit denOnlinekonferenzen den Kern (des auch international be-achteten) Angebots ausmachten.

International Beachtung fand zudem das vom Unteraus-schuss Neue Medien im Jahr 2001 initiierte Projekt„Elektronische Demokratie“, bei dem im Rahmen eineswissenschaftlichen Forschungsprojekts die intensive deli-berative Begleitung eines politischen Entscheidungspro-zesses – auf Beschluss des Ältestenrates zur Modernisie-rung des Informationsrechts – erprobt werden sollte.Neben den britischen Onlineanhörungen kann es immernoch als eines der fortgeschrittensten parlamentarischenOnlinedialog-Experimente in Europa gelten (van Auden-hove et al. 2005). Diese Einschätzung ist u. a. deshalb ge-rechtfertigt, weil

– hier auf innovative Weise interessierte Politiker in dasForum einbezogen wurden (vor allem mittels einer

33 Z. B. http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9803/9803083.html

Drucksache 15/6015 – 74 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

„virtuellen Podiumsdiskussion“, in die sich das Publi-kum mit „Zwischenrufen“ einschalten konnte);

– eine engagierte Moderation stattfand, bei der vom Mo-derator nicht nur zahlreiche aktuelle Informationen be-reitgestellt wurden, sondern mehrmals auch auf kon-struktive Kritik an dem Forum selbst reagiert wurde;

– besonderer Wert auf die Ermöglichung von Interakti-vität zwischen den Teilnehmern und einer lebendigenDiskussion gelegt wurde – u. a. durch einen Verzichtauf die Vorabprüfung von Beiträgen – und

– eine enge Anbindung an einen laufenden politischenEntscheidungsprozess angestrebt wurde.34

Das Projekt ruht aber seit Anfang 2002 und der Beschlussdes Deutschen Bundestages vom 14. März 2002, es wei-ter zu entwickeln und auszubauen, wurde bislang nochnicht umgesetzt. Das Archiv und der Abschlusstext desModerators sind online archiviert.35

Derzeit zeichnet sich ab, dass sich die Planungen zurWiederaufnahme des Projekts bzw. der Einrichtung einesähnlichen Angebots – unter dem neuen Titel „E-Parla-ment“ – wieder intensivieren. In diesem Zusammenhanghat sich auch das Interesse an den Chancen und He-rausforderungen verstärkt, die sich aus bürgerschaftlicherE-Partizipation für die Ausschussarbeit ergeben, an Mög-lichkeiten der diesbezüglichen Kooperation des Deut-schen Bundestages mit anderen Akteuren sowie an thema-tisch einschlägigen britischen Erfahrungen (Kap. IV.3.2u. IV.3.4).

Darüber hinaus sind neuerliche Maßnahmen zur Fortent-wicklung des Onlinegesamtangebots des Deutschen Bun-destages geplant. Zu diesem Zweck wurde erstmals aucheine gestufte Onlinebefragung durchgeführt (Fühles-Ubach 2005b): Dabei griff der Deutsche Bundestag aufein in Großbritannien entwickeltes Instrument der Onli-nekonsultation zurück, das zum einen eine relativ großeZahl von offenen Antwortkategorien anbietet und zumanderen die Möglichkeit, dass die Teilnehmer zu den zu-sammengefassten Ergebnissen der ersten Befragungs-runde noch einmal befragt werden. Auf diese Weise kön-nen potenziell Anregungen durch die Befragten besseraufgenommen und differenzierte Meinungsbilder gewon-nen werden. Zu den Meinungsäußerungen und Rankingserfolgte ein Feedback der Internetredaktion des Deut-schen Bundestages (Fühles-Ubach 2005b, Anlage 2), beidem u. a. Maßnahmen zur Verbesserung der Übersicht-lichkeit des Angebots und der Suchfunktionen angekün-digt wurden. Der Endbericht zu der Onlinebefragung fin-det sich in der Rubrik „Dialog“ (Kap. IV.3.5.2) derHomepage des Deutschen Bundestages, unter dem neuenPunkt „Onlinekonsultationen“.

3.5.2 Aktuelle Struktur des Onlinediskussions-angebots

Mit seinem Onlinediskussionsangebot kann der DeutscheBundestag auch heute im internationalen Vergleich als re-lativ weit fortgeschritten gelten (Trechsel et al. 2003;Trénel 2004; van Audenhove et al. 2005). Parlamentari-sche Websites verändern sich jedoch schnell, wodurch in-ternationale Rankings und Benchmarkings nur kurzfristigaussagekräftig sind. Tatsächlich zeigt sich, dass in letzterZeit Parlamente, die bisher kein avanciertes Onlinedis-kussionsangebot hatten, verstärkt mit den diesbezügli-chen Möglichkeiten netzbasierter Kommunikation expe-rimentieren.36

Das Angebot des Deutschen Bundestages erreicht manüber die Rubrik „Dialog“ auf der Homepage, also nicht– wie bei den meisten Regierungsangeboten – über denPunkt „Service“. Die Unterpunkte der Rubrik „Dialog“sind (Ende Mai 2005) „Newsletter“ (mit Informationenund Links zu den vier E-Mail-Informationsdiensten),„Onlinekonferenzen“, „Diskussionsforum“ (ein Link zumOnlineforenangebot), „E-Parlament“ (mit Informationenzu dem abgeschlossenen Pilotprojekt „Elektronische De-mokratie“ und einem Link zum Archiv), „Onlinekonsul-tationen“ (ein Link zum Ergebnisbericht der gestuftenOnlinebefragung zur Zukunft des Internetprogramms desDeutschen Bundestages), je ein Link zu den Angebotendes Petitionsausschusses und des Wehrbeauftragten sowieeine Reihe von Angeboten an Jugendliche.

Im Folgenden wird nun zunächst kurz auf die archiviertenOnlinekonferenzen, im Anschluss daran etwas ausführli-cher auf das „Diskussionsforum“ und ergänzend auf dasDiskussionsangebot der im Jahr 2004 eingerichteten ju-gendspezifischen Website des Deutschen Bundestages(www.mitmischen.de) eingegangen. Während die einemChat ähnelnden und dementsprechend an einem Tag statt-findenden Onlinekonferenzen bei Bedarf von Ausschüs-sen, Enquete-Kommissionen oder anderen parlamentari-schen Einrichtungen für ihre Arbeit eingesetzt werden, istdas „Diskussionsforum“ ein kontinuierliches Angebot mitwechselnden Themen, bei dem das jeweils aktuelle Fo-rum zum Teil über Monate hinweg läuft.

Onlinekonferenzen

Das Archiv der Onlinekonferenzen reicht bis ins Jahr2003 zurück. Insgesamt fanden sich Anfang 2005 fünf ar-chivierte Konferenzen aus den Jahren 2003 und 2004.37

Onlinekonferenzen wurden demnach von drei Ausschüs-sen durchgeführt. Dabei wurde in einem Fall an die Dis-kussionen in einer öffentlichen Anhörung zum Thema

34 Beeinträchtigt wurde das Projekt durch technische Probleme. Diesekonnten aber in Zusammenarbeit mit dem die Software zur Verfü-gung stellenden Sponsor – und zum Teil basierend auf Anregungenvon Teilnehmern – in einem Relaunch gelöst werden. Überschattetwurde das Projekt von den Anschlägen des 11. September 2001, inderen Folge auch die geplante Anbindung an einen politischen Ent-scheidungsprozess verunmöglicht wurde.

35 http://www.bundestag.de/dialog/info_e_dem.html

36 So hat z. B. das portugiesische Parlament im Jahr 2004 ein groß an-gelegtes, von mehreren Parlamentariern genutztes Weblogprojekt ge-startet, bei dem Bürger die Beiträge der Abgeordneten zu unter-schiedlichsten Themen netzöffentlich kommentieren können (s. http://blogs.parlamento.pt/indice).

37 Nicht nur aufgrund des zeitgeschichtlichen Interesses dieser Angebo-te, sondern auch im Kontext nationaler wie internationaler Aktivitä-ten zur Nutzung des Internets als „kulturelles Gedächtnis“ wäre essinnvoll, die Archive von Konferenzen und Foren früherer Jahre on-line zu stellen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 75 – Drucksache 15/6015

„Islamisches Recht und Menschenrechte“ angeknüpft, ineinem anderen wurden – im Vorfeld der Europawahlen –EU-Themen (und insbesondere auch die Arbeit an derVerfassung) behandelt und im dritten Fall fand ein Aus-tausch über das Thema der Ganztagsbetreuung für Kinderstatt. Ein Unterausschuss, die Kommission zur Wahrneh-mung der Belange der Kinder („Kinderkommission“),veranstaltete eine Konferenz zu den gesellschaftlichenTeilhaberechten und -möglichkeiten von Kindern. Diefünfte archivierte Konferenz wurde anbieterseitig alleinvon dem Vertreter des Deutschen Bundestages im EU-Konvent bestritten und diente der Diskussion des Euro-päischen Verfassungsvertrags. Die thematische Ausrich-tung der archivierten Foren entspricht damit – mit einerAusnahme („Islamisches Recht und Menschenrechte“) –dem Mainstream europäischer Aktivitäten zum Onlinedia-log mit dem Bürger: Jugend- und EU-Themen (und insbe-sondere die Verfassung) waren und sind Schwerpunkteoffizieller Onlinediskussionsangebote. Bemerkenswert istdie Tatsache, dass die Onlinekonferenzen von parlamen-tarischen Ausschüssen genutzt wurden, wodurch zumin-dest ansatzweise eine Anbindung von Diskussionsange-boten an konkrete politische Meinungsbildungs- undEntscheidungsprozesse erfolgte. Eine weitere neuere On-linekonferenz wurde von der Enquete-Kommission„Ethik und Recht der modernen Medizin“ am10. November 2004 zum Thema „Patientenverfügungen“durchgeführt. Die Kommission hatte im Jahr 2001 bereitszwei Onlineforen angeboten (IZT 2005).

Das Forenangebot

Auf der Startseite des „Diskussionsforums“, dem Foren-angebot, heißt es im Begrüßungstext: „Hier bieten wir Ih-nen den Platz, Meinungen zu ausgewählten Themen aus-zutauschen. Dann ist Ihre Meinung gefragt! Sie könnenaber auch mit anderen Teilnehmern allgemein über dasThema diskutieren.“ In dem Begrüßungstext werden dieForen zudem als moderierte Foren ausgewiesen, was be-deute, dass die Beiträge nicht sofort sichtbar sind, son-dern erst nachdem sie die Moderatoren der Onlineforenfreigegeben haben. Das geschehe spätestens innerhalbvon zwei Arbeitstagen.

Unterhalb des Begrüßungstexts finden sich Links zu denjeweils aktuellen Foren und das Archiv der abgeschlosse-nen Foren. Angaben über die geplante Dauer der laufen-den Foren fanden sich im Untersuchungszeitraum nicht.Der Archivbereich unterteilt sich in drei Einzelarchive:

– Das Archiv des „Onlineforums“ des Deutschen Bun-destages, in dem 22 Archive von Einzelforen (von An-fang 2002 bis Februar 2005) enthalten sind.

– Das Archiv des „Onlineforums“ des Ausschusses fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend enthält die Ar-chive dreier Einzelforen aus den Jahren 2001 und2002.

– Zudem findet sich das Archiv des Onlineforums derEnquete-Kommission „Recht und Ethik der modernenMedizin“ mit zwei Einzelforen aus dem Jahr 2001(IZT 2005).

Wie die Onlinekonferenzen sind auch die Foren des Deut-schen Bundestages auf die Bedürfnisse der Fraktionen zu-geschnitten. Neben einem kurzen Einleitungstext existie-ren auf der Startseite Links zu den Beiträgen, die (in derRegel) von je einem MdB pro Fraktion bereitgestellt wer-den. Die Teilnehmer können dann wählen, unter dem Textwelches Abgeordneten ihr Beitrag erscheinen soll. Zu-sätzlich besteht auf den Startseiten der Einzelforen einmit „Allgemeine Beiträge“ bezeichneter Link. Dadurchexistiert die Möglichkeit, sich auch ohne ausschließlichenBezug zu einem der Texte der Fraktionen äußern zu kön-nen. Diese Option wird häufig genutzt: Der Anteil der all-gemeinen Beiträge liegt bei den letzten zwölf archiviertenForen seit der Bundestagswahl 2002 (bis Februar 2005)bei ca. 45 Prozent aller Teilnehmerbeiträge.

Die von Anbieterseite eingestellten Beiträge – bis auf diesehr seltenen Postings der Moderation – sind inhalts-gleich mit Beiträgen zur Parlamentszeitschrift „Blick-punkt Bundestag“. Sie erscheinen dort ebenfalls im Na-men der Abgeordneten, sind in der Regel aber zugleichals „Stellungnahmen der Fraktionen“ ausgewiesen. In denForen existieren Links zu den Artikeln in der Onlineaus-gabe, der umgekehrte Weg wird aber – bei vier überprüf-ten Fällen – nicht beschritten: Weder in der Onlineversionnoch in der Zeitschrift selbst finden sich auf den Themen-seiten Hinweise auf das Forum. Das inhaltliche Angebot,für das im „Blickpunkt Bundestag“ selbst keine Publizitätgeschaffen wird, basiert also anscheinend auf einerZweitverwertung. Mögliche Synergieeffekte der ver-schiedenen Medienangebote werden somit suboptimalgenutzt.

In der Nutzerfreundlichkeit fällt das Forenangebot desDeutschen Bundestages z. B. deutlich gegenüber allenim Rahmen der Untersuchung näher betrachteten Foren-angebote der Bundesregierung ab. Dies liegt nicht nuram Fehlen einer Suchfunktion für die Diskussionen undanderer technischer Optionen, sondern auch an der Un-terteilung in allgemeine Beiträge und Beiträge zu Frak-tionstexten. Beim durchschnittlich eher geringen Um-fang der Gesamtbeitragszahlen dürfte diese Unterteilungeher dazu beitragen, Interaktivität zwischen den Teilneh-mern zu verhindern, als dazu, die Diskussion sinnvoll zustrukturieren. Ein im Rahmen des Projekts untersuchtesForum der Enquete-Kommission „Recht und Ethik dermodernen Medizin“ (im Jahr 2001) zum Thema Präimp-lantationsdiagnostik (PID) zeigt aber, dass unter be-stimmten Voraussetzungen auch bei der gegebenenStruktur und Organisation des Forenangebots des Deut-schen Bundestages eine durch ein hohes Maß an Inter-aktivität und diskursiver Qualität gekennzeichnete De-batte geführt werden kann (IZT 2005). DieTeilnehmerbeiträge konnten ausschließlich unter einemPositionspapier verortet werden, die Option „AllgemeineBeiträge“ fehlte. Bemerkenswert ist, dass hier in einemgrößtenteils sehr höflichen Tonfall und bei einem hohenGrad an Sachlichkeit, Reflektiertheit und Überlegtheitextrem gegensätzliche Positionen vertreten wurden, wasvon mehreren Teilnehmern als eine ungewöhnliche Er-fahrung beschrieben wurde. Positive und negative Posi-tionen hielten sich ungefähr die Waage und dominierten

Drucksache 15/6015 – 76 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

gemeinsam die Diskussion. Das Forum kann auch als einweiterer Beleg dafür gesehen werden, dass bei gewissenThemen ein niveauvoller und lebendiger Austausch alsEigenleistung der Bürger entsteht, unabhängig von dengegebenen Rahmenbedingungen. Angesichts des spezifi-schen Auftrags an die Kommission, die öffentliche Dis-kussion zu fördern, wäre eine über die Bereitstellung derPositionspapiere hinausgehende Beteiligung an dem Fo-rum sinnvoll gewesen.

Die inhaltliche Moderation der Onlineforen ist sehrschwach ausgeprägt, die Regeln der administrativen Mo-deration sehen vor, dass alle Beiträge vor Veröffentli-chung von Mitarbeitern der Internetredaktion gelesenwerden. Die interne Richtlinie ist hier „so wenig Eingriffewie möglich“ (IZT 2005). Aussortiert wurden vereinzeltbeleidigende und vulgäre Beiträge sowie solche, die vonSekten eingesendet wurden. Positiv zu vermerken ist inpunkto Nutzerfreundlichkeit die Auflistung aller Namenund (veröffentlichten) persönlichen Angaben der Teilneh-mer sowie des Datums der Beiträge auf den Startseitender Foren, was einen schnellen Überblick erlaubt – aller-dings fehlen hier Links direkt zu den Teilnehmerbeiträ-gen.

Die einzelnen Forenangebote stoßen auf stark unter-schiedliche Resonanz. Eine Untersuchung aus dem April2003 (Filzmaier8Winkel 2003) kommt zu der allgemei-nen Einschätzung, dass bei den – zu diesem Zeitpunkt ak-tiven oder online archivierten – Foren des DeutschenBundestages enger eingegrenzte Themen in der Regel ei-nen deutlich höheren Zuspruch hatten als weit gefasste.Eine Regelmäßigkeit dieser Art lässt sich für die zwölfForen, die seit der Bundestagswahl bis Ende 2004 gestar-tet wurden, nicht erkennen. Bei diesen Foren wurdedurchschnittlich ungefähr ein Beitrag pro Tag verfasst.Insgesamt wurden in dem gesamten Zeitraum knapp650 Beiträge eingestellt. Die beiden Foren, die mehr als100 Beiträge aufweisen, hatten als Themen Rentenpolitikund Krankenkassen. Foren, die keine wirtschafts-, sozial-oder gesundheitspolitischen Themen hatten, stießen miteiner Ausnahme (Auslandseinsätze der Bundeswehr) auffast keine Resonanz.

In der genannten Studie (Filzmaier/Winkel 2003) wird inBezug auf die damals archivierten und laufenden Forenfestgestellt, dass die Diskussionen vorwiegend von Fach-leuten geprägt wurden. Hinsichtlich der neueren Forenkommt man zu einem anderen Eindruck: Die Zahl dersich als Fachleute ausweisenden Teilnehmer ist gering,und in den Diskussionen stellt man – insbesondere inletzter Zeit – eine Häufung von Beiträgen fest, in denendie Autoren aus der Position (oder Pose) des besorgten,empörten oder verzweifelten „einfachen Bürgers“ Vor-schläge machen bzw. Appelle und Kritik an die Politikerrichten.

Wie in anderen Foren auch wird von Teilnehmern diemangelnde Präsenz von Politikern im Forum beklagt,nicht selten einhergehend mit – zum Teil stark polemi-schen – Vorwürfen, die Politiker ignorierten die Interes-sen der Bürger und genössen in ungerechtfertigter WeisePrivilegien. Der Stil vieler Beiträge wirkt eher förmlich

und steif, was untypisch für Onlinediskussionen ist. Einebesondere Internetaffinität der Teilnehmer ist nur seltenfestzustellen. Interaktion zwischen den Teilnehmern fin-det sich vor allem im Bereich „Allgemeine Beiträge“, inForm sachlichen Austauschs, gegenseitiger Bestätigunghinsichtlich der Kritik an Politikern und Staat oder alspolarisierte Debatte über wirtschafts- und sozialpolitischeThemen. Feste Ansprechpartner für die Bürger, z. B. inForm einer in den Diskussionen aktiven Moderation, feh-len.

Insgesamt gesehen wirkt dieser Teil des Onlinedialogan-gebots des Deutschen Bundestages vernachlässigt, wasoffenkundig auch zu Frustrationen bei teilnehmendenBürgern geführt hat. Ob mit dem aktuell laufenden Forumzum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG)eine Verbesserung erreicht werden kann, ist noch nichtabzusehen. Bemerkenswert ist, dass zu dem Gesetzge-bungsverfahren ein – mit dem Innenausschuss abge-stimmtes und auf der Website des Deutschen Bundestagesintensiv beworbenes – Informationsangebot besteht, indem auch Verweise auf bestehende und geplante Beteili-gungsangebote sowie auf die gesamte Palette der Infor-mationsmöglichkeiten (Web-TV, öffentliche Anhörungenetc.) enthalten sind. Verbunden ist dies mit der Aufforde-rung, seine Meinungen in das Gesetzgebungsverfahreneinzubringen. Offensichtlich ist man hier um eine engereAnbindung des Diskussionsangebots an politische Pro-zesse und eine Bündelung der Informations- und Diskus-sionsmöglichkeiten zu diesem Zweck bemüht. Die Initia-tive hat aber zunächst keine belebende Wirkung auf das„Diskussionsforum“ gezeitigt: Nachdem in den zwei Ta-gen nach Start des IFG-Forums am 12. April 200524 Beiträge von Befürwortern eines IFG eingingen, ka-men bis Mitte Mai nur zwei themenbezogene Beiträgehinzu.

Das jugendspezifische Onlinediskussionsangebot

Genauer untersucht wurde in einem Gutachten für dasProjekt (IZT 2005) auch das Diskussionsangebot aufwww.mitmischen.de (Startseitenrubrik „Mitreden“), derseit Juni 2004 bestehenden jugendspezifischen Websitedes Deutschen Bundestages. Die Gutachterinnen kamenzu der Einschätzung, dass es sich hier um ein gut gelun-genes Angebot handelt, mit dem einer in der (nationalenwie internationalen) Diskussion über digitale Demokratiezentralen Forderung entsprochen wurde – der Nutzungdes Internets für die verstärkte Einbeziehung von Jugend-lichen in das politische Leben. Die Diskussionen und zu-gehörigen Informationsangebote sind vollständig archi-viert, zusammen mit Ergebnisberichten zu denDiskussionen. Die Ende April 2005 laufenden Foren hat-ten als Themen „Genfood“, „Kinderwahlrecht“, „Jugend-kriminalität“ (mit einem Chat zugleich mit MdB und ju-gendlichen Straftätern) und „Rechtsextremismus“.

Links zum Angebot sind mittlerweile auch auf www.bun-destag.de gut positioniert, und es stellt auch einenSchwerpunkt bei der externen Werbung im Netz dar.Während bisher die Werbung vor allem über die ca. 200auf der Website registrierten Schulen lief, soll in Zukunft

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77 – Drucksache 15/6015

auch eine mehrere zehntausend Schulen umfassende Mai-lingliste genutzt werden und eine engere Vernetzung mitdem Jugendmagazin „Glasklar“ des Deutschen Bundesta-ges erfolgen. Auch verstärkte Werbung in der populärenJugendpresse ist vorgesehen. Das Angebot ist zudem mitjugendspezifischen Angeboten der Bundeszentrale fürpolitische Bildung, der Bundesregierung und anderer Ak-teure (Kap. IV.2.2) verlinkt. Bisher haben sich auf derWebsite knapp 2 000 Personen registrieren lassen.

Die ins Thema einführenden Informationstexte zu jedemForum werden hier – in Absprache mit den zuständigenParlamentariern – von der Internetredaktion erstellt. DasUrheberrechtsforum hatte beispielsweise einen mit insge-samt acht Seiten relativ umfangreichen Hintergrundtextzum Thema. Er ist in einem lockeren Stil formuliert, blen-det die zentralen Konfliktlinien in diesem Feld nicht ausund ist auch von einem pädagogischen Bemühen gekenn-zeichnet, illegale Aspekte der digitalen Kopierpraxis zuverdeutlichen.

Die Foren sind nutzerfreundlich und interaktionsförder-lich gestaltet, ein gewisser Verbesserungsbedarf bestehtnur bei den Such- und Navigationsmöglichkeiten. Im Ge-gensatz zum „Onlineforum“ des Deutschen Bundestagesgibt es hier z. B. eine Zitatfunktion, mit der die Interak-tion zwischen den Teilnehmern erleichtert wird, und dieMöglichkeit für die Teilnehmer, eigene Themensträngezu beginnen. Es besteht auch die – gerade für Jugendlichevermutlich attraktive und aus der neueren Onlinediskus-sionskultur bekannte – Möglichkeit, ein persönlich ausge-wähltes Bild für die eigenen Beiträge zu nutzen.

In der so genannten „Fraktion Mitmischen“ waren MitteMai 2005 insgesamt 46 MdB aufgeführt, die auch die Er-gebnisberichte der Diskussionen erhalten. Einige leistenaktive Beiträge zu den Foren und es finden weiterhinChats mit ihnen statt. Das Forum hat den Anspruch, zu ei-nem Onlinedialog zwischen Politik und Jugendlichen bei-zutragen, wie z. B. der folgende Abschlusstext zumThema Urheberrecht zeigt: „Das Forum zum Urheber-recht ist geschlossen – ihr habt diskutiert, geantwortetund eigene Threads gestartet. Danke an alle, die mitge-mischt haben! Eine Quintessenz eurer Gedanken gibt’shier. Wie immer sind nun die Abgeordneten an der Reihe!Sobald es ein Feedback gibt, ist das Forum wieder geöff-net! Natürlich könnt ihr das geschlossene Forum bis da-hin weiter einsehen“ (zitiert nach IZT 2005, S. 65).

4. Zur Einschätzung des Entwicklungsstands digitaler Demokratie

Insgesamt gesehen wird die britische E-Demokratie-Stra-tegie besser öffentlich vermittelt als die vergleichbarenAktivitäten der deutschen Politik. Gründe dafür dürftenu. a. die unterschiedlichen Problemwahrnehmungen inBezug auf bedenkliche Entwicklungen der repräsentati-ven Demokratie sein sowie Spezifika der beiden politi-schen Systeme. Im Rahmen ihrer umfassenden Internet-strategie und begünstigt durch ihre starke Position inBezug auf das Parlament ist es der britischen Regierunggelungen, das Thema E-Demokratie relativ weit oben aufder politischen Agenda zu halten. Dabei hat sie mit zum

Teil geringen Mitteln die öffentliche Aufmerksamkeit fürdas Thema gefördert. Im Gegensatz zur Politik der Exe-kutiven in Deutschland und auf EU-Ebene erscheint diebritische E-Demokratie-Politik daher als weniger abhän-gig von Themenkonjunkturen. Das nationale britischewie auch das schottische Parlament spielen zentrale Rol-len sowohl in der nationalen als auch in der internationa-len Weiterentwicklung digitaler Demokratie. Die Bundes-regierung engagiert sich an verschiedenen Stellen für dieWeiterentwicklung der Netzöffentlichkeit und betont sehrstark die Relevanz politischer Kommunikation zwischenBürgern.

Bei den staatlichen Onlinediskussionsangeboten auf na-tionaler Ebene ist der wesentliche Unterschied zwischenDeutschland und Großbritannien die Tatsache, dass imVereinigten Königreich Onlinekonsultationen eine he-rausragende Bedeutung besitzen und zwar sowohl Anhö-rungen der Regierung als auch des Parlaments. Dabeispielen Onlinediskussionen im Fall des Parlaments einezentrale Rolle, im Fall der Regierung eine periphere. Be-merkenswert ist, dass mit dieser Schwerpunktsetzungkonsequent eine vergleichsweise enge Anbindung derAngebote an politische Beratungsprozesse verwirklichtwurde. In Deutschland hat die Bundesregierung eineReihe von Expertenforen durchgeführt, mit erklärterma-ßen guten Ergebnissen. Diese waren allerdings öffentlichkaum sichtbar. Gute Erfahrungen werden auch mit Forengemacht, die zur Beratung von Bürgern und zur gegensei-tigen bürgerschaftlichen Selbsthilfe dienen, also Zielen,die auch in einigen britischen Onlineanhörungen vorran-gig waren. Im Vergleich zu ihren britischen Pendants ma-chen Bundesregierung und Deutscher Bundestag zudemeine große Zahl von allgemeinen Onlinediskussionsange-boten an die Bürger, wobei auch Chats eine wichtigeRolle spielten. Diese Diskussionen haben allerdings bis-her überwiegend keine oder nur eine minimale Anbin-dung an politische Entscheidungsprozesse.

Zu den Angeboten des Deutschen Bundestages – die einebesonders lange Tradition haben – ist festzuhalten, dasssie in letzter Zeit – mit Ausnahme der bemerkenswertenjugendspezifischen Angebote – eher spärlich sind. Insge-samt gesehen setzt der Deutsche Bundestag – im Ver-gleich zum britischen Parlament – eher auf eine Vielfaltvon allgemeinen politischen Diskussionsangeboten, diein der Regel ohne konkreten Zielgruppenbezug und nichtangebunden an politische Meinungsbildungs- und Ent-scheidungsprozesse sind. Durch die erstmalige Durchfüh-rung einer gestuften Onlinebefragung, deren Ergebnisbe-richt zudem auf der Homepage unter dem neuen Punkt„Onlinekonsultationen“ geführt wird, wurden aber auchErfahrungen gesammelt, die für einen Einsatz dieses In-struments für Anhörungen genutzt werden könnten. DerDeutsche Bundestag hat für den Einsatz von Onlineforenzur Modernisierung des parlamentarischen Anhörungs-wesens auf jeden Fall sehr gute Voraussetzungen: Zum ei-nen wurden mit dem Projekt „Elektronische Demokratie“im Jahr 2002 Erfahrungen gemacht, die den britischenentsprechen und zum Teil über diese hinausgehen, zumanderen hat der Deutsche Bundestag eine sehr lange Tra-dition der Nutzung von Onlinediskussionsangeboten und

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dementsprechend Routinen in diesem Bereich ausgebil-det. Einen wichtigen Beitrag zur digitalen Demokratiewürde auch die geplante Nutzung einer modifiziertenVersion der im schottischen E-Petitionswesen eingesetz-ten Software durch den Deutschen Bundestag darstellen.

Das Diskussionsangebot der Bundesregierung ist durch-aus vielfältig und dabei schwer zu überschauen. SeineEntwicklung verlief in den letzten Jahren – mit wenigenAusnahmen – eher sprunghaft und zudem nicht koordi-niert. Die Einrichtung eines zentralen Portals für die On-lineforenangebote ist allerdings geplant. Neben mehrerenBeispielen für beste Praxis – vor allem beim technischenDesign und bei der Durchführung von Beratungs- undSelbsthilfeforen – sind auch Mängel bei der inhaltlichenBetreuung insbesondere von allgemeinen politischen Dis-kussionsforen festzustellen.

Der Einschätzung (Fühles-Ubach 2005a), dass inDeutschland – im Gegensatz zu Großbritannien – die di-gitale Demokratie auf nationaler Ebene noch nicht weitvorangeschritten ist, kann in gewisser Weise zugestimmtwerden: Tatsächlich ist im Vereinigten Königreich mitden Onlineanhörungen ein zentrales Element partizipati-ver E-Demokratie erfolgreich in das politische System in-tegriert worden. Auch in Deutschland haben sich aber diezentralen Akteure zur Netzöffentlichkeit hin geöffnet undzwar vornehmlich mit politischen Onlinediskussionsan-geboten eher unverbindlicher Natur. Es spricht zudem ei-niges dafür, dass auch die – in vielerlei Hinsicht durchausbeispielhaften – britischen Onlineanhörungen unter ähnli-chen Problemen leiden wie andere Diskussionsangebote(und vor allem unter der geringen Responsivität der Poli-tik).

Allgemein ist zur Nutzung von staatlichen Onlinediskus-sionsangeboten festzustellen, dass viele dieser Angebotevon Bürgern angenommen und überwiegend konstruktivgenutzt werden. Die Krux vieler Diskussionsangebotesind unzureichende Möglichkeiten zum Austausch mitPolitikern oder Mitarbeitern und die mangelhafte Anbin-dung der Diskussionen an politische Meinungsbildungs-und Entscheidungsprozesse. Hinzu kommt gelegentlichfehlendes Gespür für die emotionalen Befindlichkeitenund Selbstwahrnehmungen der teilnehmenden Bürgerund infolgedessen ein problematisches Kommunikations-verhalten diesen gegenüber. Immer noch oft wird dasInternet nicht als ein Instrument zur politischen Delibera-tion und bürgerschaftlichen Partizipation ernst genom-men, sondern als ein unverbindliches Zusatzelement derÖffentlichkeitsarbeit angesehen, das vor allem Entertain-ment-Qualitäten aufweist.

Die bisherige Entwicklung digitaler Demokratie hat sich,nimmt man die Erfahrungen in Deutschland, Großbritan-nien und der EU zum Maßstab, in einem spezifischenSpannungsfeld entwickelt. Es ist gekennzeichnet durchvielfältige Wechselwirkungen zwischen den Beharrungs-kräften politischer Kultur, Anstrengungen zur Moderni-sierung des politischen Systems, gewachsenen Partizipa-tionsansprüchen, gestiegenem politischen Interesse(Bertelsmann-Stiftung 2004) und Protesthaltungen vielerBürger sowie den Spezifika der Internetkommunikation

und Netzkultur. Zu Innovationen, aber auch zu Interes-senkollisionen kommt es zum einen durch Unterschiedezwischen politischer Kultur und Netzkultur (z. B. in Be-zug auf die Aspekte der Transparenz und kommunikati-ven Interaktivität), zum anderen durch grundlegende Ver-änderungen im Verhältnis von Staat und Bürger. Was sichz. B. in den Akzeptanzproblemen bei staatlichen Online-diskussionsangeboten äußert, ist oft nicht netzspezifisch,sondern Ausdruck einer allgemeinen Vertrauenskrise, beider Bürger Unmut über eine angeblich „abgehobene poli-tische Klasse“ äußern. Insbesondere seitens der EU, aberauch in Großbritannien – und in gewissem Umfang auchin Deutschland – ist diese Vertrauenskrise erklärtermaßenein zentraler Beweggrund für die Nutzung des Netzes zurpolitischen Diskussion und Partizipation.

Zu konstatieren ist derzeit ein Dilemma digitaler Demo-kratie. Es ist das Resultat zweier Entwicklungen: Endeder 1990er Jahre rückten zum einen bedenkliche Tenden-zen im Verhältnis von politischem System und Bürgernauf der politischen Agenda nach oben – eine Entwick-lung, die in der Diagnose einer „Krise der Demokratie“kulminierte. Zum anderen wandte sich die Politik vordem Hintergrund der allgemeinen Interneteuphorie – imVergleich zu anderen Akteuren also relativ spät, dann je-doch in großem Umfang – den weitreichenden demokra-tiepolitischen Potenzialen netzbasierter Kommunikationzu. Ergebnis des Zusammentreffens dieser beiden Ent-wicklungen war eine Festschreibung sehr ambitionierterZiele zur Nutzung des Internets für die Modernisierungund Intensivierung der Beziehungen zwischen Politik undBürgerschaft. Es wurde jedoch versäumt, diese Ziele aufangemessene Weise in der Politikgestaltung zu verankernund die ausreichende Ausstattung mit Ressourcen aufDauer sicherzustellen. Aktuell wird das Bild daher – miteinigen bemerkenswerten Ausnahmen – bestimmt durchmangelhaft koordiniertes und diskontinuierliches Experi-mentieren mit Onlinediskussionen und das Vertrauen aufdie überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft thematischstark interessierter Mitarbeiter oder NGOs. Dadurch dassdie ambitionierten Ziele aufrechterhalten werden, gleich-zeitig aber die konkrete Weiterentwicklung digitaler De-mokratie nur schleppend oder sprunghaft vonstatten geht,können zentrale Herausforderungen oft nicht angemessenangegangen werden. Die Sorge, dass dies zu Enttäu-schungen führen kann (Welz 2002), hat sich als berechtigterwiesen.

In den letzten Jahren zeichnen sich aber auch Wege zurÜberwindung des Dilemmas ab: Zum einen öffnet sichdie Politik hin zur Netzkultur und zu all jenen Bürgern,die das Netz als Kommunikationsmittel schätzen. DurchFördermaßnahmen, Vernetzung der eigenen Angebotemit denen anderer Akteure, das Experimentieren mit denMöglichkeiten der Onlinekommunikation und die Bereit-stellung von Informationen im Internet spielt die Politikmittlerweile eine wichtigere Rolle in der Netzöffentlich-keit. Zum anderen werden von politisch und netzkulturellinteressierten Bürgern vielfältige Aktivitäten zum Ausbaudigitaler Demokratie entfaltet. Von zentraler Bedeutungfür die weitere Entwicklung wird daher die Frage sein,wie sich jeweils die Logik, Kultur und das Zeitregime der

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79 – Drucksache 15/6015

Politik mit den (oft netzkulturell grundierten) Erwar-tungshaltungen stark kommunikationswilliger, an Partizi-pation interessierter Bürger in Einklang bringen lassen.Weder politische Kulturen noch Netzkulturen oder dieKultur bürgerschaftlichen Engagements allgemein sindstarre Gebilde: Allein durch die zunehmende Durchdrin-gung vieler Lebensbereiche durch das Internet werdenbestehende Unvereinbarkeiten und Reibungsflächen anBedeutung verlieren. Von Seiten der Politik wäre die fort-laufende Untersuchung der Erträge, Chancen und He-rausforderungen (Kap. VI) anzustreben, die sich durchdas Netz für die politische Diskussion mit und zwischenBürgern ergeben, sowie eine systematische Realisierungder bestehenden Potenziale – ohne überschießende Er-wartungen, aber auch ohne Kleinmut hinsichtlich dermanchmal immer noch fremd wirkenden „Welt“ des Net-zes.

V. Netzöffentlichkeit – das Internet als Raum politischer Information und Kommunikation

Die meisten der in der Debatte um die Bedeutung netzba-sierter Kommunikation für die Demokratie behandeltenProbleme und vertretenen Thesen berühren die Frage, obund inwieweit das Internet eine neue virtuelle politischeAgora darstellt bzw. das Netz ein Potenzial zur Revitali-sierung der Demokratie aufweist. Neben der Frage nachverbesserten Möglichkeiten der Kommunikation zwi-schen Bürgern und Staat gehören zu diesem KomplexFragen

– nach verbesserten Möglichkeiten politischer Teilhabeder einzelnen Staatsbürger/-innen hinsichtlich politi-scher Information wie auch hinsichtlich der öffentli-chen Artikulation ihrer Interessen,

– nach veränderten Möglichkeiten der Konstituierungvon Gegenöffentlichkeit oder politischen Teilöffent-lichkeiten im Netz

– sowie nach dem deliberativen Potenzial politischerNetzkommunikation, d. h. ihrem Beitrag zur Gestal-tung des politischen Prozesses als öffentliche, an Stan-dards argumentativer Rationalität orientierte Beratungvon im allgemeinen Interesse liegenden Fragen (s. a.Kap. III.3).

Verglichen mit den weitreichenden Thesen, die die nun-mehr ca. 15-jährige Debatte um die politische Bedeutungdes Internets (Kap. III) hervorgebracht hat, ist die empiri-sche Forschung zur politischen Nutzung des Netzes durchpolitische Akteure und politisch interessierte Bürger, zumEntstehen, zum Charakter und zur Bedeutung politischerDebatten im Netz oder auch zu den Erfahrungen mit derNutzung der interaktiven Möglichkeiten der Netzkommu-nikation für politische Deliberation noch durch zahlreicheoffene Fragen geprägt. Im Folgenden werden – vor allemauf Basis der für das Projekt erstellten Gutachten(Neuberger et al. 2004; pol-di.net 2004; Rucht et al 2004;Schönberger 2004a u. b; Winter/Groinig 2004) – folgendeFragen eingehender diskutiert:

– Inwiefern ergeben sich aus der Perspektive des Bür-gers als Internetnutzer neue Möglichkeiten der politi-schen Meinungsbildung, der politischen Artikulationund des Zugangs zu politischer Öffentlichkeit?

– Wie nutzen NGOs und soziale Bewegungen das Inter-net für ihre Zwecke und welche Bedeutung kommt da-bei der Herstellung von Netz(gegen)öffentlichkeit zu?

– Was lässt sich mit Blick auf spezifische Debatten (Co-pyright und „Genfood“) zur Bedeutung des Internetsfür politische Öffentlichkeit feststellen?

Dabei wird nicht der Anspruch erhoben, diese Fragenvollständig und umfassend zu beantworten. Es werdenvielmehr – auf der Ebene der individuellen Nutzung desNetzes, der Ebene politischer Organisation und auf derEbene politischer Öffentlichkeit(en) – solche Aspekteund Tendenzen angesprochen, die hinsichtlich der Leit-fragen der Studie von besonderem Interesse sind. Gefragtwird nach möglichen Auswirkungen spezifischer politi-scher Nutzungsweisen des Netzes auf die Grundlagen de-mokratischer Gesellschaften und insbesondere auf politi-sche Öffentlichkeit, eine in Deutschland bisher kaum inwissenschaftlicher Politikberatung behandelte Thematik.

Das Kapitel ist folgendermaßen gegliedert: Der erste Teil(Kap. V.1) thematisiert auf der Basis verfügbarer Unter-suchungen die Bedeutung von „Politik im Netz“ aus derPerspektive des individuellen Nutzers. Dabei spielt zumeinen die Bedeutung von Politik als Inhalt der Netzkom-munikation eine Rolle: Ist das Netz als Medium politi-scher Information und Meinungsbildung relevant? Zumanderen geht es um die Frage, in welcher Weise das Netzden Individuen Möglichkeiten eröffnet, sich politisch alsSprecher oder Autor zu betätigen. Das Augenmerk wirddabei insbesondere auch auf die relativ neue Tendenz derWeblognutzung gerichtet. Im zweiten Teil (Kap. V.2) gehtes um den Aspekt der politischen Internetnutzung durchNGOs und soziale Bewegungen. Dabei stehen globalisie-rungskritische Organisationen sowie entwicklungspoliti-sche Initiativen im Mittelpunkt. Gefragt wird auch, obTendenzen einer Transnationalisierung politischer Kom-munikation und Interaktion festzustellen sind, die durchdas Netz befördert werden. Im dritten Teil (Kap. V.3)werden die Ergebnisse zweier in Auftrag gegebener Gut-achten zusammengefasst, in denen die Relevanz vonNetzöffentlichkeit für die politische Debatten über dasUrheberrecht und Copyright (pol-di.net 2004) sowie über„Genfood“ (Rucht et al. 2004) empirisch untersucht wur-den. Es soll schlaglichtartig und beispielhaft eingefangenwerden, wie politische Themen im Internet repräsentiertsind. Im Fall der „Genfood“-Debatte geht es um die Per-spektive von Internetnutzern, die mit Hilfe einfacher, un-aufwändiger Suchmaschinenrecherchen Informationenerlangen wollen, also nicht gezielt einschlägige Websitesoder die Onlineangebote etablierter Massenmedien aufsu-chen. Im Gegensatz dazu werden im Fall der Urheber-rechtsdebatte einschlägige Websites und an dem Themastark interessierte Internetnutzer fokussiert.

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1. Der Internetnutzer als Rezipient und AutorUrsprünglich war das Internet ein von seinen Nutzern in-haltlich selbst organisiertes Medium der Kommunikationund Information. Die einzelnen Nutzer, die in ihrer Mehr-heit versiert im Umgang mit Computer und Software wa-ren, fungierten sozusagen gleichzeitig als Rezipientenund Autoren (Sender und Empfänger). Vorbereitet schonin den Newsgroups des Usenet (Rössler 1998; s. a.Kap. II) und dann mit der massenhaften Durchsetzungdes Internets als alltägliches Kommunikationsmedium,der Vereinfachung vieler Nutzungsaspekte (vor allemdurch das WWW, Kap. II) und mit der Kommerzialisie-rung und Massenmedialisierung des Angebots begnügtesich aber bald die Mehrheit der Nutzer mit den Rollen despassiven Rezipienten und Kunden. Politische und an-spruchsvolle kulturelle Inhalte machen allem Anscheinnach nur einen eher geringen Anteil des – allerdings un-überschaubaren – Gesamtangebots des Internets aus, eineSituation, die auch schon für das Usenet in der zweitenHälfte der 1990er Jahre festgestellt wurde (Rössler 1998).

Vor diesem Hintergrund wirkt es vermessen, wenn von ei-nem politisch aktivierenden Potenzial der Netzkommuni-kation gesprochen wird, oder davon, dass die Netzkom-munikation Bürgerinnen und Bürgern neue Ressourcenpolitischer Meinungsbildung und politischen Handelnserschließe. Wenn man auch bisher tatsächlich nicht voneiner dramatischen Ausweitung des Spektrums politi-scher Kommunikation hinsichtlich der Themen und betei-ligten Akteure sprechen kann, so eröffnen sich aber den-noch – wie im Folgenden gezeigt wird – im öffentlichenRaum Internet neue Möglichkeiten bürgerschaftlicherTeilhabe an Öffentlichkeit, vor allem durch die interakti-ven Möglichkeiten der Kommunikation und das hier-durch bedingte Wegfallen von Filterfunktionen der Mas-senmedien: Im politischen Raum des Internets kann jederan zahlreichen Stellen als Sprecher auftreten und ist jedeWortmeldung im Prinzip für jeden Nutzer direkt zugäng-lich.

1.1 Netzbasierte politische Information und Meinungsbildung

Durch den Umstand, dass mittlerweile kaum ein relevan-ter Akteur oder eine relevante Institution aus Politik, Ge-sellschaft, Wirtschaft und Kultur auf einen Auftritt imNetz verzichtet, und dadurch, dass von allen wichtigengesellschaftlichen Akteuren Informationen – Selbstdar-stellungen, Berichte über Ziele und innerorganisatorischeVorgänge etc. – der „Netzöffentlichkeit“ zugänglich ge-macht werden, bildet das Internet ein umfangreiches poli-tisches Informations- und Wissensreservoir.

Empirische Untersuchungen zum Informationsverhaltenund zum Medienkonsum (s. a. Kap. II.3) geben Hinweisedarauf, dass das Internet sich dadurch mittlerweile zu ei-ner ernsthaften Konkurrenz für die klassischen Massen-medien entwickelt hat. Bei einer Umfrage von Allens-bach (Köcher 2004) aus dem Jahre 2004 gaben8,5 Prozent der Befragten an, aktuelle politische Informa-tionen häufiger aus dem Netz zu beziehen. Hinzu kamengut 12 Prozent, die angaben, das Internet „ab und zu“ zur

Information über das tagespolitische Geschehen zu nut-zen. 15,5 Prozent, der Befragten gaben an, das Internetan-gebot nur „ganz selten“ zu diesem Zweck zu nutzen. Im-merhin 37 Prozent der Befragten gaben an, auch oder nurim Internet zu suchen, wenn sie sich „über ein Thema nä-her informieren möchten“ (im Vergleich zu 9 Prozent imJahr 1999). 73 Prozent nannten Berichte im TV,60 Prozent in Zeitungen, 43 Prozent in Zeitschriften und34 Prozent im Radio. Bei den jüngeren Befragten hat dasInternet in seiner Bedeutung als Informationsmedium be-reits Presse und Radio überholt. Bei den 20- bis 29-Jähri-gen nennen als Medium zur näheren Information über einThema 67 Prozent das Fernsehen, 62 Prozent das Netz,50 Prozent Zeitungen, 45 Prozent Zeitschriften und29 Prozent das Radio. Die relativ geringe Rolle, die Zei-tungs- und Zeitschriftenlektüre mittlerweile im Medien-konsum Jugendlicher spielt, schürt Befürchtungen, dassdas Netz Krisentendenzen im Printmedienbereich ver-schärft (z. B. Patalong 2005a u. b).

Der Anteil an politischer Information im Netz ist zwar imVergleich zu kommerziellen Angeboten gering, dennochist die Nutzung des Internets zur politischen Informationvon nicht unerheblicher Bedeutung. Bei der genanntenUmfrage von Allensbach gaben 60 Prozent der befragtenInternetnutzer an, Informationen zum politischen Gesche-hen aus dem Netz zu beziehen (zum Vergleich: 73 Pro-zent Reiseziele; 71 Prozent Informationen für Schule,Ausbildung; 69 Prozent Nachschlagewerke; 66 ProzentProduktinformationen; 66 Prozent Wetterberichte;66 Prozent Fahr- und Flugpläne; 51 Prozent Compu-terthemen; 48 Prozent Wirtschaftsmeldungen; 45 ProzentSportnachrichten; 41 Prozent Zeitungs- und Zeitschrif-tenarchive; 27 Prozent Börsenkurse). Bei den Internetnut-zern dominieren also durchaus nicht die Interessen Unter-haltung, Spiele und Shopping.

Die „ARD/ZDF Onlinestudie 2004“ sieht bei der Nut-zung der Internetinhalte die tagesaktuelle Information ander Spitze. 46 Prozent der Nutzer greifen mehr oder weni-ger regelmäßig darauf zu – vor Freizeit-, Produkt- undRatgeberinformationen. „Bei den Nachrichten aus demNetz kann das World Wide Web seine Stärken voll aus-schöpfen: schnelle Verfügbarkeit und Aktualität, die nachMeinung vieler Nutzer durch kein anderes Medium er-reicht wird. Dadurch entsteht der Eindruck, direkt amWeltgeschehen teilzuhaben und zeitsouverän auf einenunvergleichlich großen Nachrichtenpool zugreifen zukönnen. […] Themenauswahl und Themenbreite sindnutzerspezifisch wählbar“ (ARD/ZDF Onlinestudie 2004,S. 356). Im Jahr 2003 gaben zudem 45 Prozent der Inter-netnutzer an, „Denkanstöße“ aus dem Internet erhalten zuhaben und nur noch jeweils 22 Prozent aus Tageszeitun-gen und Fernsehen sowie 11 Prozent aus dem Radio (vgl.Oehmichen/Schröter 2003).

Das Angebot an tagesaktuellen Informationen ist weitge-hend auch im Internet durch die Webportale der Massen-medien bestimmt und unterscheidet sich somit nicht we-sentlich von den Angeboten aus Presse und Rundfunk. Eskann aber davon ausgegangen werden, dass interessierteNutzer auch den erweiterten Zugang zu Informationen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81 – Drucksache 15/6015

aus „erster Hand“, d. h. direkt bei den Angeboten politi-scher Akteure (unter Umgehung des SelektionsfiltersMassenmedien) nutzen. So zeigen Untersuchungen, diesich um die Identifikation unterschiedlicher Nutzungs-weisen und Nutzertypen bemühen (Kap. II.2), dass diemit Abstand größte Nutzergruppe in der Tat von den sogenannten „Info-Suchenden“ gebildet wird, die am Inter-net vor allem als Wissensarchiv interessiert sind. DieseGruppe, bei der auch am ehesten eine Wahrnehmung poli-tischer Informations- und Kommunikationsangebote imNetz zu vermuten ist, besteht überwiegend aus „profes-sionellen“ Nutzern mit hohem formalen Bildungsgradund vergleichsweise hohem Einkommen (Sevenone Inter-active 2003). Für Journalisten selbst dürfte das Netz mitt-lerweile eine der wichtigsten Quellen für Recherchen dar-stellen.

Das Verhältnis von Potenzialen und Realität der Nutzungdes Netzes als politische Informationsquelle stellt sichambivalent dar: Einerseits bringen die Kommerzialisie-rung des Netzes und der wachsende Einfluss der massen-medialen Anbieter mit sich, dass die inhaltlichen Ange-bote auf den besonders populären Websites zumeist imWesentlichen die gleichen sind wie in der Offlinewelt.Zudem ist davon auszugehen, dass das inhaltliche Inte-resse von Internetnutzern bestimmt ist von den auch off-line vorherrschenden Interessen. Andererseits werdendurch das Internet sozusagen die Quellen politischer In-formation selbst ohne Dazwischentreten journalistischerAuswahl und Bearbeitung für jeden Nutzer selbst erreich-bar. Der Nutzer muss sich zwar der Mühe unterziehen,das bestehende Angebot zu erschließen, aber dieses istdurch die Präsenz eines breiten Spektrums politischer Ak-teure und Kommunikatoren im Netz weit vielfältiger alsin den Massenmedien.

Insgesamt gesehen ist das Netz ein unvergleichlich um-fangreicher und mit vergleichsweise geringem materiel-lem und zeitlichem Aufwand erschließ- und nutzbarer In-formationsspeicher und Kommunikationsraum. Dasbestehende Angebot bietet interessierten, und mit ent-sprechenden Medienkompetenzen ausgestatteten Nutzer-gruppen eine vorher nicht erreichbare Vielfalt und Füllevon Informationen, die unabhängig von den Filtern mas-senmedialer „gatekeepers“ zugänglich sind. Es sind abereben vor allem die bereits politisch Interessierten und Ak-tiven, die dieses Angebot wahrnehmen, auch weil sie dienötigen Kompetenzen für die Recherche, Bewertung undVerarbeitung von Informationen mitbringen, d. h. das be-stehende Angebot für sich sinnvoll zu erschließen in derLage sind. In der ungleich verteilten Kompetenz zur Nut-zung des Angebots an politischer Information und Kom-munikation im Netz ist langfristig (zumindest bezogenauf die westlichen Industrieländer) die größere Gefahr ei-nes „Digital Divide“ zu sehen als in der Ungleichvertei-lung des technischen Zugangs. „Wer bereits politisch in-teressiert, motiviert und aktiv ist, der schöpft auch dieneuen Potenziale des Internets aus; wer aber bislang poli-tisch unbeteiligt war, den vermag die neue Technik alleinweder zu motivieren noch zu mobilisieren.“ (Hoecker2002, S. 43; nach Schönberger 2004a, S. 185).

1.2 Politische Artikulation im Netz

Die Tatsache, dass im Netz jeder Nutzer technisch imPrinzip jederzeit in der Lage ist, als Sprecher in die lau-fende Kommunikation einzugreifen, eröffnet nicht alleinressourcenstarken Institutionen und Gruppen (die auch ei-nen vergleichsweise guten Zugang zur massenmedialenÖffentlichkeit haben), sondern auch relativ schwach orga-nisierten Gruppen deutlich bessere Chancen, ihr Anliegenzu kommunizieren (Kap. V.2 u. V.3). Dieser relative Vor-teil gilt auch für den individuellen Nutzer. Diesem stehtnicht allein die E-Mail-Funktion zur privaten Kommuni-kation zur Verfügung, sondern er ist in der Lage, im Netzselbst als Autor von für potenziell jeden anderen Nutzerrezipierbaren Äußerungen aufzutreten. Die Möglichkeithierzu eröffnen die im Netz vielfältig von unterschiedli-chen Anbietern bereitgestellten interaktiven Dienste undAnwendungen. Zu deren Nutzung in der politischenKommunikation sind verlässliche Daten nicht verfügbar.Bekannt ist die Beliebtheit von Chats gerade bei jüngerenNutzern, wobei aber politische Themen wohl kaum eineherausragende Rolle spielen dürften. Andererseits gehö-ren interaktive Angebote wie Chats und Foren zu politi-schen Themen mittlerweile oft zum Onlineangebot derWebsites von etablierten Medienanbietern, politischenOrganisationen, Parteien und politischen Institutionen(Kap. IV).

Den Ergebnissen einer repräsentativen Nutzerbefragungdes „Pew Internet & American Life Project“ im Frühjahr2003 in den USA zufolge, werden die Möglichkeiten,sich selbst im Netz zu präsentieren und zu artikulieren,durchaus vielfach genutzt (Lenhart et al. 2003, nach Neu-berger et al. 2004). Danach haben 17 Prozent der NutzerTexte im Internet veröffentlicht. 13 Prozent besaßen eineeigene Website und 2 Prozent ein Weblog. Ein Fünftel hatNewsgroups besucht (20 Prozent); von diesen wiederumhat die Hälfte (51 Prozent) Kommentare gepostet.11 Prozent haben Onlinetagebücher oder Weblogs ge-nutzt; dort hat ein Drittel (34 Prozent) Geschriebenesoder sonstiges Material hinterlassen. Hieraus lässt sichgenerell ersehen, dass das Internet tatsächlich auch in sei-nen interaktiven Facetten und nicht nur rezipierend ge-nutzt wird.

Hinsichtlich der politischen Artikulation im Netz sind Er-gebnisse einer anderen repräsentativen Untersuchung(Rainie et al. 2005) von Interesse, die im November 2004zur bürgerschaftlichen Nutzung des Internets im US-Prä-sidentschaftswahlkampf durchgeführt wurde. Demnachnimmt nicht nur die Nutzung des Netzes als politische In-formationsquelle während Wahlkämpfen zu, sondern eswerden auch vermehrt andere politische Onlineaktivitätenunternommen. Beides vollzog sich vor dem Hintergrundsinkenden Vertrauens in die etablierten Massenmedien.So sei von den nationalen Wahlen 1996 bis zu den natio-nalen Wahlen 2004 die Zahl der Teilnehmer an Online-wahlumfragen von 2 auf 18 Millionen gestiegen. Von dervorletzten zur letzten Präsidentschaftswahl betrug der Zu-wachs 6 Millionen. Die Zahl derjenigen, die an politi-schen Onlinediskussionen aktiv teilnahmen, hat sichdemnach von 2 Millionen (1996) auf 6 Millionen (2004)

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erhöht. Letzteres ist eine Verdopplung der Zahlen im Ver-gleich zu den letzten Präsidentschaftswahlen. 17 Millio-nen Nutzer sendeten als Teilnehmer an Mailinglisten oderDiskussionsforen E-Mails zum Wahlkampf an Familien-mitglieder oder Freunde. 32 Millionen versendeten odererhielten E-Mails mit Witzen zur Wahl.

Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang die inter-aktiven Möglichkeiten der Netzkommunikation genutztwerden, stellt sich die Frage, inwieweit politische Inter-netnutzung deutlich sichtbare Auswirkungen auf die poli-tische Öffentlichkeit zeitigen kann: Können – wie es eineseit langem bekannte These aus der Internetforschungnahe legt (Kap. III.2.2) – durch das Netz einzelne, unor-ganisierte Bürger verstärkt auf die politische Öffentlich-keit und das politische System einwirken? Hierbei ist zuunterscheiden zwischen Möglichkeiten, im Netz Auf-merksamkeit für politische Anliegen zu erzeugen, und derMöglichkeit, über das Netz Einfluss auf die Agenda dermassenmedial vermittelten Öffentlichkeit zu nehmen. Diedurch die Präsenz im Netz gegebene Reichweite einesAutors oder Sprechers ist nicht mit der durch die Präsenzin den Massenmedien gegebenen vergleichbar: Präsenzim Netz bedeutet – anders als Präsenz in den Massenme-dien – noch nicht Sichtbarkeit für eine breite Öffentlich-keit. Es steht außer Frage, dass nach wie vor politischeÖffentlichkeit in modernen Demokratien massenmedialvermittelt ist und dass das Internet weit davon entfernt ist,diese in ihrer Funktion zu ersetzen. In der Regel ist auch– schon über die starke Präsenz von Massenmedien imNetz – die Agenda des politischen Raums im Internet imWesentlichen bestimmt von den Themen der massenme-dialen Berichterstattung.

Dennoch ist mittlerweile auch in Deutschland ein umge-kehrter Einfluss zu verzeichnen. So hat das Netz z. B. imVerlauf zweier politischer Skandale eine wichtige Rollegespielt (zum Folgenden Schönberger 2004a u. b, 2005b):In der Affäre um den Bundestagsabgeordneten MartinHohmann fand dessen im Oktober 2003 in Neuhof (beiFulda) gehaltene Skandalrede – in der er unter Bezug aufantisemitische Quellen die Frage aufwarf, ob es sich beiden Juden im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts um ein„Tätervolk“ gehandelt habe – zunächst in der Öffentlich-keit keinen Widerhall. Da die Rede aber auf der Websitedes CDU-Gemeindeverbands Neuhof abrufbar war, stie-ßen verschiedene Netznutzer auf den Text. Nach den ers-ten Reaktionen in der massenmedialen Öffentlichkeitwurde die Rede ersatzlos von der Neuhofer CDU-Websitegelöscht bzw. die Website einige Zeit ganz vom Netz ge-nommen. Doch die ARD-Tagesschau und andere Anbie-ter dokumentierten die Rede auf ihren Websites gemäßdem Zustand der lokalen CDU-Website vom 30. Oktober2003. Die allgemeine Verfügbarkeit und Zugänglichkeitüber das WWW führte so dazu, dass eine weit abseits derpolitischen Schaltzentralen gehaltene Rede überregional,national und weltweit Aufmerksamkeit erregte. In der öf-fentlichen und parteiinternen Diskussion über die Redespielten zudem Onlineforen eine wichtige Rolle. Ähnlichwaren Entstehung und Verlauf der Affäre um die ehema-lige Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin und den von

ihr getätigten Vergleich George W. Bushs mit AdolfHitler. Sie hatte diesen Vergleich in ihrem Wahlkreis ge-zogen, bei einer Rede vor Gewerkschaftern in einem Ne-benzimmer einer Gaststätte in einem Vorort Tübingens.Über die Website des Schwäbischen Tagblatts wurde dieRede publik; schon kurz nach der Onlineveröffentlichungkamen – nach Auskunft einer Redakteurin – erste Anrufeüberregionaler Zeitungen. Allerdings hatte hier der He-rausgeber und Chefredakteur ganz bewusst einen ehe-maligen Mitarbeiter der Lokalzeitung und jetzigen Kor-respondenten der Financial Times informiert, wobei dasInternet dazu diente, die Affäre zitierfähig zu machen.Für den Verlauf der Debatte spielte das Netz dann keineso starke Rolle wie bei der Hohmann-Rede, obwohl esauch zu Diskussionen des Vergleichs in Onlineforen,Newsgroups etc. kam.

1.3 Politische Weblogs

Als relativ neue Form der Nutzung des Netzes zur indivi-duellen politischen Artikulation können die so genanntenWeblogs gelten (Kap. II), die mittlerweile – insbesonderein den USA – Einfluss auf die politische Öffentlichkeiterreicht haben. Hinweise auf den Bedeutungszuwachsvon Weblogs („Blogs“) sind das hohe Maß an massenme-dialer Aufmerksamkeit für politische Blogs und die fort-schreitende Integration dieses Internetformats in das On-lineangebot von politischen Akteuren und etabliertenMedienanbietern.

Bedingt durch die aktuelle weltpolitische Bedeutung die-ser Region haben Blogs aus dem Mittleren Osten welt-weit Aufsehen erregt: Das bekannteste Beispiel ist hier„Salam Pax“, ein Blog aus dem Irak, der im Vorfeld undwährend des Irakkriegs international starke Beachtunggefunden hat. Insbesondere auch in Deutschland hat die-ser Blog dazu beigetragen, dass über diese Internetan-wendung in den Massenmedien berichtet wurde. In denMassenmedien ebenfalls relativ starke Beachtung habeniranische Blogs gefunden, da sich dortige Oppositionellesowie Exil-Iraner dieses Mittels bedienen, um ihre – derIdeologie des Regimes politisch oder kulturell konträ-ren – Auffassungen zu veröffentlichen. Es kam zu Re-pressionsmaßnahmen, aber auch zur Einrichtung vonBlogs durch Vertreter des Regimes.

Im Zuge des Irakkriegs – und der Popularisierung desFormats allgemein – hat sich (vor allem in den USA) einedezidiert politische „Bloggerszene“ gebildet. Auch wennes den Anschein hat, dass die Betreiber politischer Blogsin der gesamten so genannten „Blogosphäre“ deutlich inder Minderheit sind (Schönberger 2005a), haben sie dochein erhebliches Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit er-langt. Die politische Bloggerszene in den USA wird dabeidurch konkurrierende Strömungen dominiert, einer(rechts)konservativen und einer (links)liberalen. In bei-den Strömungen sind die beteiligten Blogger nicht nureng miteinander vernetzt, sondern es existieren Ansätzezur Organisation als kollektiver Netzwerkakteur. Diewachsende politische Anerkennung des Phänomens zeigtsich z. B.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 83 – Drucksache 15/6015

– in der Zulassung von Bloggern als Berichterstatterbeim Konvent der US-Demokraten vor den letztenPräsidentschaftswahlen,

– in der Nutzung von Blogs durch US-Präsidentschafts-kandidaten und den Präsidenten selbst,

– in Ansätzen zur (partei)politischen Einflussnahme aufdie „Blogosphäre“ (und damit die Netzöffentlichkeit),wie im Fall des „Blogswarm“-Projekts38 der US-De-mokraten, mit dem vor allem die Vernetzung und netz-öffentliche Sichtbarkeit von Bloggern verbessert wer-den soll, die sich für die Demokraten engagieren, undschließlich

– in der Einrichtung von Politiker-Weblogs in vielen an-deren Ländern wie z. B. Frankreich, Island, Iran,Großbritannien und auf EU-Ebene (Kap. IV), wobeiauch hohe Regierungspolitiker Blogs betreiben.

Vor allem wegen der wachsenden Zahl von „bloggenden“Journalisten, von Blogs in den Webpräsenzen traditionel-ler Medienanbieter sowie aufgrund der starken Rezeptionvon Blogs durch Journalisten kann vor allem für die USAdavon gesprochen werden, dass politische Weblogs mitt-lerweile als eine wichtige Schnittstelle zwischen Netzöf-fentlichkeit und massenmedialer Öffentlichkeit fungieren(Drezner/Farrell 2004). Dabei verstehen sich die aktivenpolitischen Blogger als Protagonisten und Mediatoren ei-ner neuen Form von Öffentlichkeit. Viele politische Blog-ger beziehen sich explizit oder implizit auf einige der pro-minentesten Hoffnungen der frühen Cyberdemokratie-Enthusiasten („Jeder kann Sender sein“, Demokratisie-rung der Medien, Gegenöffentlichkeit, das Netz als politi-sches, soziales und kulturelles Wissensreservoir etc.), wo-bei aus ihrer Sicht die Netzöffentlichkeit als „fünfteGewalt“ erscheint, die auch die – von ihnen als politischnicht mehr unabhängig wahrgenommene – „vierte Ge-walt“, also die Massenmedien, kritisiert und kontrolliert.

Charakteristisch für Weblogs ist eine Mischung aus Linksauf politische Informationsangebote, deren pointierterKommentierung und der Veröffentlichung persönlicherAnsichten und Erfahrungen, was in den traditionellenMedien noch am ehesten in Glossen möglich war. Blogssind oft vor allem eine Art Internet-„Reader’s Digest“, er-stellt durch das Sichten, Zusammentragen, Filtern undKommentieren von Fakten, Informationen und Daten imInternet (Burg 2003a). Der Einzelne wird bei der Bearbei-tung seines Weblogs zu einem kreativen und aktiven Re-zipienten, zum Produzenten und – durch Kommentar-funktion oder E-Mail-Adresse – zum Ansprechpartner derLeser.

Eine wesentliche Leistung für die politische Netzöffent-lichkeit erfüllen Blogs durch ihre Funktion als Filter des

– in seiner Gesamtheit unüberschaubaren – Nachrichten-angebots im Web. Die als Blogger aktiven „Laienjourna-listen“ können somit in gewisser Hinsicht als funktionalesÄquivalent zu den professionellen journalistischen „gate-keepers“ der Massenmedien gelten (Neuberger 2003).Durch die interaktiven Elemente der „Blogosphäre“ – dieintensive Verlinkung der Blogs untereinander und die oftanzutreffende Option der öffentlichen Kommentierungder Beiträge durch die Leser – entsteht zudem eine Artkollektiver Qualitätskontrolle der Inhalte.

Trotz der o. g. Beispiele eines politischen „impact“ vonWeblogs ist allerdings festzuhalten, dass diese Internetan-wendung derzeit auch den meisten Netznutzern nochnicht bekannt ist und der Beweis nachhaltiger Anschluss-fähigkeit der oft enthusiastisch beschworenen „Blogo-sphäre“ (z. B. Möller 2005) an die sonstige Welt nochaussteht. Umstritten ist auch, ob Weblogs tatsächlich soeng vernetzt sind, dass dies – wie oft behauptet – Auswir-kungen auf ihr Google-Ranking hat (und damit auf dieChancen konzertierter Aktionen von Bloggern, im Inter-net Resonanz zu erzeugen). Vermutet wird des Weiteren,dass durch das Engagement traditioneller Medienanbieterin diesem Bereich die „Blogosphäre“ – analog zur Ge-samtentwicklung des Netzes – einschneidend verändertwird und dass sich Politiker und andere Akteure auf dieseneue Netzöffentlichkeit besser einstellen, wodurch diepolitische Durchschlagskraft der Blog-Kommunikationvermindert würde (Drezner/Farrell 2004). Eher skepti-sche Einschätzungen werden zudem gerade an demschnellen Erfolg dieser Internetanwendung festgemacht.So wird die Ansicht vertreten, dass die Zunahme derWeblogs „zwangsläufig ein Rauschen“ bedinge, bei dem„die einzelnen in dieser Masse kaum noch zur Kenntnisgenommen werden können. Hier offenbart sich auch eineKrux der basisdemokratischen Sender-Vervielfältigungs-utopien in der Praxis. Wenn jeder sendet, wer kann danoch zuhören oder zusehen?“ (Schönberger 2004a, S. 78f.).

1.4 Partizipatorischer Journalismus und Qualitätssicherung

In den Weblogs sehen manche Beobachter eine neueForm von „partizipatorischem Journalismus“ realisiert,bei dem aktive Laien einen Teil der Funktionen, die derJournalismus als „gatekeeper“ in den Massenmedienübernimmt, für das Internet erfüllen (hierzu und zum Fol-genden Neuberger 2003 u. Neuberger et al. 2004). Rele-vant erscheint hier vor allem die übergeordnete Fragestel-lung, wie ein „partizipatorischer Journalismus“ mit demAspekt der Qualitätssicherung umgehen soll, bzw. ob sol-che Modelle kollektiven Publizierens äquivalent zu denprofessionellen journalistischen Standards in denMassenmedien als Qualitätsfilter39 fungieren können, die

38 Vgl. http://blogswarm.blogdrive.com/. Mit dem Ausdruck „blog-swarm“ (Blogschwarm, analog zu Schwärmen in der Tierwelt) wer-den koordinierte bzw. durch gleichzeitige intensive Vernetzungs- undPublikationsaktivitäten gekennzeichnete Aktionen in der „Blogo-sphäre“ bezeichnet, bei denen die Blogger ein bestimmtes Thema– z. B. ein angebliches Fehlverhalten von Politikern oder prominen-ten Journalisten – aufgreifen.

39 Über die Wirksamkeit professioneller journalistischer Standards inden Massenmedien selbst lässt sich angesichts der Boulevardisierungder Massenmedien selbstverständlich streiten. Zumindest für die sogenannte Qualitätspresse und auch für die meisten politischen Re-daktionen kann aber von einer Wirksamkeit solcher Standards als„regulativer Idee“ ausgegangen werden.

Drucksache 15/6015 – 84 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

relevante von irrelevanter, vertrauenswürdige von un-seriöser Information unterscheiden helfen.

Neben den Weblogs mit Kommentarfunktion existierteine Reihe weiterer Möglichkeiten für partizipatorischenJournalismus, wobei sich – im Einzelfall jedoch oft nichttrennscharf – zwei Aspekte unterscheiden lassen:

– Kollaborativer bzw. kollektiver Journalismus, bei demdie Texte von einer bestimmten Gruppe oder – wiebeim kollektiven Publikationsprojekt der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, die seit 2004 auch ein parti-zipativ-journalistisches Projekt namens Wikinewshat – von einer unbestimmten Zahl von Personen ge-meinsam fortlaufend erstellt werden.

– Journalistische bzw. quasi-journalistische Beiträge,die an dem Ort, wo sie veröffentlicht wurden, kom-mentiert werden können. Hierbei handelt es sich zwarzunächst nur um eine elektronische Spielart des Leser-briefs, durch die Möglichkeit der Interaktion zwischenAutor und Leser sowie zwischen Lesern tritt aber einneues Element hinzu.

Neben Wikipedia gibt es bereits seit längerem andere kol-laborative Webangebote, die hinsichtlich politischer Net-zöffentlichkeit und Onlinediskussion von Interesse sind(z. B. slashdot.org und plastic.com). Im Prinzip kann hierjeder Netznutzer Beiträge publizieren, wenn er sich regis-trieren lässt und bestimmte, oft an den traditionellen Jour-nalismus angelehnte Regeln beachtet. Die Nutzer produ-zieren nicht nur die Inhalte, sondern kontrollieren undbewerten auch gegenseitig die Qualität der Beiträge, bei-spielsweise durch Kommentare und Einstufungen auf ei-ner Notenskala. Auf eine professionelle Redaktion wirdweitgehend verzichtet, es gibt aber bemerkenswerte Aus-nahmen wie z. B. das südkoreanische Angebot ohmy-news.com, das für die nationale politische Öffentlichkeitdes Landes eine wichtige Bedeutung erlangt hat. Auchetablierte Medienanbieter experimentieren mit partizipa-torischem Journalismus (z. B. shortnews.stern.de).

Die Funktion der journalistischen „gatekeepers“ in dermassenmedialen Öffentlichkeit besteht – neben der Se-lektion von Inhalten nach Kriterien des Nachrichtenwer-tes – vor allem in der Validierung von Informationen undMeinungen. Mit dem Wegfallen dieser Gatekeeper-Funk-tion im Internet findet nun aber nicht – wie vielfach ver-treten – eine vollkommene „Disintermediation“ statt: DieNutzer sind auch jetzt nicht der Informationsvielfalt desNetzes vollkommen ohne unterstützende Selektionsfilterausgesetzt. Es existieren andere Wege, Hilfe bei derOrientierung in der Informationsvielfalt und der Tren-nung von Relevantem und Informationsmüll zu erlangen.

Während Suchmaschinen und andere Angebote zurOrientierung im Netz als Instrumente der thematischenSelektion fungieren, entstehen durch die Interaktivität desInternets Ansätze zu partizipativen Formen der Qualitäts-sicherung. Im Vergleich zum massenmedialen Journalis-mus – in dem die Qualitätssicherung durch die Einhaltungjournalistischer Standards im Wesentlichen als interneAngelegenheit einer Profession organisiert ist und vor derPublikation erfolgt – besteht eine Besonderheit im partizi-

patorischen Journalismus auch darin, „dass die Prüfungvon Informationen und Meinungen erst nach der Publika-tion stattfindet: durch die Nutzer – sei es in einer offenenDiskussion auf einem Forum, sei es durch formalisierteBewertungsverfahren –, durch andere Anbieter im Inter-net oder in den traditionellen Medien. Was veröffentlichtwird, gilt als vorläufig und unfertig, es soll öffentlich in-frage gestellt und diskutiert werden“ (Neuberger et al.2004, S. 11).

1.5 Politische Mobilisierung durch netzbasierte Kommunikation?

Der direkte Zugang zu politischen Informationen imNetz, die Möglichkeit, selbst als Sprecher oder Autor imNetz zu agieren, sowie die Ansätze zu Formen von Laien-journalismus im Netz lassen es als gerechtfertigt erschei-nen, vom Internet als politischem Kommunikationsraummit eigenen und von massenmedialer Kommunikationunterscheidbaren Merkmalen zu sprechen. Damit ist aberüber die weiterreichende These der Mobilisierung undpolitischen Aktivierung der Bürger (Kap. III.2.2) nochwenig ausgesagt. Das Netz eröffnet zwar neue Möglich-keiten politischer Kommunikation und diese werden auchvon politisch interessierten Nutzern wahrgenommen. In-wiefern dies aber zu neuem staatsbürgerlichem Engage-ment führt – ob im Netz oder in der Offlinewelt – ist we-nig untersucht und auch nur schwer wissenschaftlichüberprüfbar.

Eine der wenigen deutschen Untersuchungen, die bisherversucht hat, die These politisch aktivierender Effekte desInternets empirisch zu überprüfen, wurde zu Anfang desJahrzehnts durchgeführt (auf Basis einer Befragung einerfür Kassel und Erfurt repräsentativen Stichprobe derdeutschsprachigen Wohnbevölkerung). Die Untersuchung(Emmer/Vowe 2004) ermittelte Veränderungen im politi-schen Kommunikationsverhalten von Internetnutzern undunterschied dabei drei Formen (im weitesten Sinne „parti-zipativer“) politischer Kommunikation: die rezeptive(z. B. TV-Nachrichten und Onlineanforderung von Infor-mationsmaterialien), die interpersonale (z. B. politischeGespräche am Arbeitsplatz und E-Mails an Politiker) so-wie die expressiv-öffentliche (z. B. Teilnahme an De-monstrationen und Einträge in Onlineforen). Die Autorenkamen zu folgenden Ergebnissen:

– Die Einrichtung eines Internetzugangs führe insge-samt gesehen nicht dazu, dass herkömmliche politi-sche Aktivitäten signifikant zurückgehen. Lediglicheine Abnahme beim aktiven Auftreten auf politischenVersammlungen und eine geringere Bereitschaft zurpersönlichen Kontaktaufnahme mit Politikern seien zukonstatieren.

– Eine Substitution politischer Offlineaktivitäten durchentsprechende Onlineaktivitäten bei Interneteinstei-gern ließ sich nur im Bereich „Onlineleserbriefe/Foreneinträge“ belegen. Die bei Interneteinsteigernbeobachteten Aktivitäten gingen jedoch weit überreine Substitution hinaus, insbesondere bei der Infor-mationsbeschaffung und -rezeption sowie in der inter-personalen Kommunikation über politische Themen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85 – Drucksache 15/6015

Zudem tauschten sich die Interneteinsteiger nach ei-nem Jahr insgesamt deutlich öfter über politische The-men aus als Nichtnutzer. Auch bei der öffentlichenMeinungsäußerung, die herkömmlich fast nur überden klassischen Leserbrief möglich war, führte die In-ternetnutzung zu einem Zuwachs an politischen Akti-vitäten, vor allem durch die Nutzung jener Dienste,die auch sonst in der netzbasierten Kommunikationbeliebt sind (wie E-Mail und Chat). Die Nutzung einereigenen Website spielte hingegen keine Rolle.

– Hinsichtlich der Mobilisierungsthese ergab sich eindifferenziertes Bild: Effekte des Internets zeigten sichinsbesondere bei der interpersonalen Kommunikationüber politische Themen (Mails zu politischen Themenan Bekannte, an Zeitungen oder Parteien). Expressiv-öffentliche Kommunikation wurde dagegen vom In-ternetzugang kaum beeinflusst, Onlineaktivitäten indiesem Bereich (Beiträge zu Foren, Chats, News-groups) seien kaum messbar gewesen. Der Zuwachsan politischer Kommunikation zwischen Bürgern lassesich aber durchaus als Folge der Internetnutzung deu-ten.

– Insgesamt gesehen lasse sich feststellen, dass dasInternet dazu beiträgt, dass bürgerschaftlichesEngagement für mehr Bürger bei mehr Gelegenhei-ten an Selbstverständlichkeit gewinnt – was auchseine Schattenseiten für die politischen Akteure habe(„E-Mail-Flut“). Die Ergebnisse wiesen zudem daraufhin, dass im Bereich der politischen InternetnutzungBildung und sozialer Status eine wichtige Rolle spie-len.

Zur Einordnung dieser Ergebnisse ist festzuhalten, dass inder Untersuchung knapp 90 Prozent der Befragten anga-ben, dass ihre politischen Internetaktivitäten weniger als5 Prozent ihrer Onlinezeit ausmachten. Dennoch liefertdie Studie aber Hinweise darauf, dass das Netz die inter-personale Kommunikation über politische Themen beför-dern kann. Es hängt jedoch von den individuellen Voraus-setzungen ab, ob und wie die neuen Möglichkeitengenutzt werden.

Eine neuere Untersuchung aus Großbritannien (Norris/Curtice 2004) kommt zu dem Ergebnis, dass dort Inter-netnutzer häufiger (z. B. mittels Teilnahme an Demons-trationen, Unterschriftenlisten, Leserbriefen) themen-orientiert politisch aktiv werden – und zudem sich öfterbürgerschaftlich engagieren (z. B. durch ehrenamtlicheTätigkeiten) – als der Durchschnitt der Bevölkerung. Fürein starkes Engagement in Parteien sei hingegen die Be-vorzugung der Zeitungslektüre ausschlaggebend, und beider Teilnahme an Wahlen deuten die Untersuchungs-ergebnisse eher daraufhin, dass Internetnutzer seltenerwählen.

2. Nutzung des Internets durch zivil-gesellschaftliche Gruppen

Die Erwartung einer starken Belebung bürgerschaftlichenEngagements durch das Netz hat sich nicht bestätigt, undauch die erweiterten Möglichkeiten politischer Partizipa-

tion sind bisher weitgehend Möglichkeiten (im Sinne vonunausgeschöpften technischen Potenzialen) geblieben.Was sich aber beobachten lässt, ist eine starke Präsenzunterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Gruppen im Netzund eine intensive Nutzung des Netzes durch diese Grup-pen für die Kommunikation ihrer Anliegen. Für die politi-sche Kommunikation von NGOs, Bürgerinitiativen,Selbsthilfegruppen etc. ist das Netz bisher von größererBedeutung als für die Institutionen der repräsentativenDemokratie (van den Donk et al. 2004, Schönberger2004b). Es scheint, dass Thesen, die von einer Art Wahl-verwandtschaft zwischen der offenen Struktur des Inter-nets und den Vernetzungsweisen und informellen Struktu-ren neuer sozialer Bewegungen ausgehen (z. B. Castells2002) und hieraus auf die Entstehung eines insbesonderevon zivilgesellschaftlichen Organisationen genutztenneuen Feldes informeller Politik – Information, Mobili-sierung, Kampagnen – im Internet schließen, seit länge-rem nicht ohne Entsprechung in der Realität sind (z. B.Ludwig 1998; McCaughey/Ayers 2003). Das Netz bietetauch bisher nicht dagewesene Möglichkeiten, Gleichge-sinnte oder an demselben Thema Interessierte ausfindigzu machen und zu kontaktieren und mit diesen dann überweite Entfernungen hinweg schnell und relativ kosten-günstig zu kommunizieren.

Die Nutzung der technischen Möglichkeiten des Netzesdurch zivilgesellschaftliche Initiativen und NGOs lässtsich in drei Dimensionen unterscheiden, an denen entlangim Folgenden Ergebnisse der Internetforschung zumThema zusammengefasst werden (hierzu und zum Fol-genden Schönberger 2004b):

– Durch das Internet verändern sich die Möglichkeitender Vermittlung von Information und Wissen inner-halb der eigenen Organisation und nach außen an eineinteressierte Öffentlichkeit. Hieran schließt sich dieFrage nach der Entstehung neuer internetspezifischerFormen von Gegenöffentlichkeit an.

– Die erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten kön-nen für die Kommunikation innerhalb und zwischenBewegungen und Organisationen genutzt werden. Da-ran schließt sich die Frage an, inwiefern das Internetzu neuen Formen der Kommunikation und Koopera-tion sozialer Bewegungen führt.

– Schließlich ergeben sich neue Möglichkeiten der Mo-bilisierung und des Protestes. Dies betrifft zum einendie erweiterten Möglichkeiten der Vorbereitung politi-scher Aktionen in der „realen Welt“ zum anderen aberauch neue Formen des Netzaktivismus.

2.1 Neue Formen von Gegenöffentlichkeit

Die Nutzung des Internets durch gesellschaftliche Grup-pen zur Verbreitung von Informationen und Stellungnah-men, d. h. der Herstellung von (Gegen-)Öffentlichkeit fürihre Anliegen, weist für diese ersichtlich Vorteile gegen-über der Herstellung eigener Printmedien auf. Diese Vor-teile betreffen – Verfügbarkeit von PC und Netzanschlussvorausgesetzt – die vergleichsweise geringen Kosten undden vergleichsweise geringen technischen Aufwand.

Drucksache 15/6015 – 86 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Hinzu kommt der erhebliche Gewinn an Aktualität unddie enorme Erweiterung der Reichweite (potenziell welt-weit). Diesen Vorteilen auf Seiten des Senders entspre-chen Vorteile auf Seiten der potenziellen Adressaten (in-teressierte Internetnutzer und Sympathisanten), dieschnell und relativ preiswert Informationsangebote abru-fen können. Von wesentlicher Bedeutung dürfte aber we-niger der rein technisch-materielle Vorteil gegenüber an-deren Mitteln der Informationsverbreitung sein, alsvielmehr der Umstand, dass durch das Internet gesell-schaftliche Gruppen nun zumindest potenziell eine breiteÖffentlichkeit erreichen können, ohne die Filter der Mas-senmedien passieren zu müssen. Zwar bedeutet – wie be-reits gesagt – die Präsenz im Netz noch nicht unmittelbarauch öffentliche Sichtbarkeit. Die Erreichbarkeit von ent-sprechenden Angeboten gesellschaftlicher Gruppen durchinteressierte Nutzer ist aber im Prinzip jederzeit gegeben;und als Informationsquelle rangiert das Angebot relativressourcenschwacher Gruppen im Netz gleichrangig ne-ben dem Angebot einflussreicher Organisationen ausWirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Andererseits ist aber die These einer „Kolonialisierungder Online-Öffentlichkeit durch reichweitenstarke und in-haltstiefe Websites etablierter Medienanbieter“ (Legge-wie 2003, S. 121 f.) nicht von der Hand zu weisen. Ver-glichen mit den Anfängen des Netzes und der Dominanzvon selbst organisierten Newsgroups ist das Internet mitt-lerweile dominiert von kommerziellen Angeboten und– im Bereich Nachrichten, Politik, Information – von denAngeboten traditioneller Massenmedien (Presse, Fernse-hen). Dennoch haben sich die oben angesprochenen Vor-teile der Netzkommunikation für vergleichsweise res-sourcenschwache Organisationen in der Tat in einerneuen Art von netzbasierter Gegen- oder Nebenöffent-lichkeit niedergeschlagen. Einige Beispiele zeigen, dassvia Internet das Veröffentlichungsmonopol der Massen-medien oder eine restriktive Veröffentlichungspolitikwirtschaftlicher oder staatlicher Akteure durchbrochenwerden kann, wie z. B. im Fall einer wissenschaftlichenStudie zur Geschichte der Firma Hugo Boss: Die von derFirma selbst in Auftrag gegebene Studie wurde von dieser– wegen darin enthaltender Hinweise auf die Beschäfti-gung von Zwangsarbeitern in der NS-Zeit – zurückgehal-ten, durch die Autorin aber im Internet publik gemacht.Das Internet kann auch – wie während des Kosovo- unddes Irakkriegs – ein wichtiges Kommunikationsmediumzivilgesellschaftlicher Gruppen in Kriegs- und Krisenzei-ten sein und ein Instrument, Publikationsmonopole undstaatliche Zensur zu umgehen (Rötzer 1999). Außerdemkönnen sich im Netz größere Teilöffentlichkeiten bilden,die wiederum Resonanz in den Massenmedien finden(wie z. B. ansatzweise im Fall der politischen Weblogs).

Als Beispiel für die Möglichkeiten einer relativ kleinenund lokal agierenden Gruppe für ihr Anliegen globaleAufmerksamkeit zu erzielen, kann der Erfolg der mexika-nischen Zapatista-Bewegung gelten (Winter/Groinig2004). Die Zapatisten insistierten auf der kulturellenIdentität der Indigenen und signalisierten mit ihrer Re-volte ihre Empörung über den Umgang der Regierung mitindigenen Dorfgemeinschaften angesichts einer geplanten

Umsiedlung. Es gelang ihnen, über das Internet ein welt-weites Netzwerk von Solidaritätsgruppen zu organisieren.Dabei nutzten sie das alternative Computernetzwerk LaNeta, um sich mit den weltweiten Solidaritätsgruppen zuvernetzen und Informationen zur Situation aus ihrer Pers-pektive zu verbreiten. Dieses internationale Unterstüt-zungsnetzwerk machte es der mexikanischen Regierungunmöglich, Repressionen im großen Stil auszuüben.Letztlich willigte die Regierung in Verhandlungen ein.Den Zapatisten gelang es auf diese Weise, Einfluss aufdie politische Entscheidungsfindung zu gewinnen und dievon der Regierung geplanten Umsiedelungen zu verhin-dern (Castells 2002).

Explizit kritisch gegenüber den Massenmedien und aufdie Schaffung von Gegenöffentlichkeit angelegt ist dieIndymedia-Bewegung (s. a. Kidd 2003): Seit 1999 eta-blierte sich ein weltweites Netzwerk von Medianaktivis-ten, die so genannten Independent Media Centers (IMC),mit dem Ziel, eine – gegen die dominante Rolle der Mas-senmedien in der Öffentlichkeit gerichtete – authentischeBerichterstattung „von unten“ zu organisieren. Insofernversteht sich diese Bewegung als klassische Gegenöffent-lichkeit (in der Tradition der Stadtteilzeitungen und unab-hängigen Radiostationen). Im Jahr 2004 existierten ca.160 lokale IMCs weltweit, zum Teil über Spenden finan-ziert. Die Organisation ist ehrenamtlich und dezentral unddie Koordination zwischen den Zentren erfolgt über Mai-linglisten. Die IMCs bündeln die Informationsarbeit un-terschiedlicher lokaler Gruppen und bieten Initiativen undEinzelpersonen die Möglichkeit zur Veröffentlichung vonInformationen und Diskussionsbeiträgen. In gewisserWeise wird die Berichterstattung über die Aktivität derglobalisierungskritischen Bewegung an den Massenme-dien vorbei via Internet organisiert: Die „alternative“ Be-richterstattung über den Protest gegen den WTO-Gipfelin Seattle 1999 gilt als Geburtsstunde von Indymedia undauch heute stellt die Berichterstattung über globalisie-rungskritische Protestaktionen einen Schwerpunkt derTätigkeit der IMC dar. Indymedia wird ein nicht unwe-sentlicher Anteil an der Formierung dieser übernationalenpolitischen Protestbewegung zugeschrieben (Schönberger2004a u. b): Erst durch die Selbstbeobachtung via Indy-media hätten sich isolierte Aktivisten als Teil einer globa-len Massenbewegung erfahren können. Wenn auch dielangfristige Bedeutung dieser alternativen Medienbewe-gung derzeit nur schwer eingeschätzt werden könne, soseien hier doch Ansätze zum Aufbau von eigener Me-dienmacht durch Nutzung der technischen Mittel des In-ternets erkennbar, die zumindest das Potenzial besitzen,sich von einfachen Websites zu alternativen „Informa-tionsportalen“ zu entwickeln (Barisic/Reinhardt 2004).

2.2 Kommunikation und KooperationÜber den Einfluss der Internetnutzung auf die interne Or-ganisation sozialer Bewegungen und die Mobilisierungvon Sympathisanten und Bürgern liegen bisher nur we-nige aussagekräftige Studien vor. Soziale Bewegungenund globalisierungskritische NGOs wie ATTAC nutzenaber z. B. das Netz zur Recherche, zum schnellen Aus-tausch von Informationen innerhalb der Mitgliedschaft

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87 – Drucksache 15/6015

(E-Mail, Websites) wie auch zur Selbstdarstellung, worinsie sich zunächst nicht von anderen organisierten politi-schen Gruppen und Parteien unterscheiden. In der wis-senschaftlichen Diskussion werden aber die besonderenMöglichkeiten betont, die das Netz gerade für – aufgrundmangelnder Ressourcen und bestehender sozialer Barrie-ren – bisher politisch eher unterrepräsentierte Gruppenbietet, z. B. in Bezug auf Frauen und feministische Grup-pen (Castells 2002; Sassen 2002). Konstatiert werdenu. a. erweiterte Möglichkeiten der Ressourcenmobilisie-rung (finanzielle Unterstützung, Mobilisierung von Mit-gliedschaft), die das Internet für soziale Bewegungen in-teressant machen.

Unbestritten ist, dass das Netz die Art und Weise verän-dert, in der soziale Bewegungen mit ihrer Umwelt inter-agieren. Der Einsatz netzbasierter Kommunikation ver-bessert die Möglichkeiten, kohärent und koordiniertpolitisch zu handeln, und macht die Bewegungen bei derVerbreitung ihrer Botschaften weniger abhängig von denetablierten Medien. Hiermit sind die Erwartungen ver-bunden, dass in Zukunft die Handlungsfähigkeit sozialerBewegungen und ressourcenschwacher Gruppen wachsenwird, Aktionen in kürzeren Zyklen aufeinander folgenkönnen und dass die Geschwindigkeit, mit der sich Argu-mente und auch Taktiken verbreiten, zunehmen wird (vanden Donk et al. 2004, nach Schönberger 2004b).

Darüber, ob auch der in NGOs und sozialen Bewegungeni. d. R. dominierende Informationsfluss von Oben nachUnten durch die Nutzung netzbasierter Kommunikationzugunsten eines Informationsflusses von der „Basis“ zurSpitze verändert wird, können nur Vermutungen ange-stellt werden. Das meist „basisdemokratische“ Selbstver-ständnis sozialer Bewegungen dürfte einer Nutzung desvorhandenen technischen Potenzials in diese Richtungeher förderlich sein als in traditionellen politischen Orga-nisationen. Die wenigen verfügbaren empirischen Unter-suchungen weisen aber darauf hin, dass dieses Potenzialvon NGOs und sozialen Bewegungen oft nicht ausge-schöpft wird: Technisch gesehen sind die meisten Web-sites von NGOs einfach gehalten und Angebote zurMany-to-many-Kommunikation eher die Ausnahme. Bis-lang werden eher die Möglichkeiten des schnellen Zu-griffs auf und des aktuellen Vermittelns von Informatio-nen (z. B. durch Newsletter) und Selbstdarstellunggenutzt (van den Donk 2004a; Rosenkrands 2004). DieErprobung neuer interaktiver Formen der Kommunika-tion stellt auch für die ja auch hierarchisch strukturiertenNGOs eine Herausforderung dar. Die intensive Nutzungdes interaktiven Potenzials könnte mit weitreichenden in-nerorganisatorischen Veränderungen verbunden sein.

Eine Fallstudie zur Organisation von ATTAC Frankreichbrachte deutliche Hinweise auf die zentrale Bedeutungdes Internets für den Bestand und die Funktion dieser Be-wegung, gleichzeitig aber auch auf Grenzen bzw. Pro-bleme einer Demokratisierung der innerorganisatorischenStrukturen (le Grignou/Patou 2004): Die Generierung undMobilisierung von Expertenwissen gehört zu den Schlüs-selfunktionen von ATTAC und ist prägend für das Selbst-verständnis der Organisation. Die insbesondere über das

Internetangebot organisierte Bereitstellung von Expertiseverändert die Wissensbasis der Aktivisten, die nun überdieselben Daten und Dokumente verfügen wie die Exper-ten. Damit werde der Internetzugang aber zur entschei-denden Voraussetzung für die Mitarbeit bei ATTAC. DieFülle der vorhandenen Information führe zu einer Spezia-lisierung und Fragmentierung der Bewegung in einzelnethematisch und/oder regional organisierte Gruppen.Gleichzeitig werde hierdurch aber auch die Vorausset-zung für die Koordination und Kooperation zwischen deneinzelnen Gruppen und Themen geschaffen. Allerdingsergaben die von den Autoren der Studie durchgeführtenInterviews eine deutliche Wissenskluft zwischen sehr ak-tiven Mitgliedern, die das Internet intensiv nutzen, undeinfachen Mitgliedern. Auch hier zeige sich eine digitaleKluft (Schönberger 2004b).

Die Beschleunigung von Kommunikation und die enormeVergrößerung der Reichweite führen auch zu Erwartun-gen einer verbesserten Kooperation innerhalb und zwi-schen Organisationen. Mittels netzbasierter Kommunika-tion „lassen sich Protestgruppennetze schnell über einenweiten geographischen Raum spannen, ohne dass festehierarchische Organisationsformen geschaffen werdenmüssen“ (Scott/Street 2002, S. 68, nach Schönberger2004b). Hieraus erwächst dem Internet dann auch eineherausragende Bedeutung für die Entstehung transnatio-naler Netzwerke, die Koordination von globalen Protest-aktionen und die Entstehung transnationaler sozialerBewegungen. Die technischen Möglichkeiten der Inter-netkommunikation können – parallel zur Bedeutung netz-basierter Kommunikation für die wirtschaftliche Globali-sierung – als konstitutiv für die Kommunikationtransnationaler politischer Anliegen und die Entstehungtransnationaler Protestbewegungen gelten (Winter/Groinig 2004; Kap. III.4). Generell können NGOs, diesich mit Fragen einer international gerechten Entwick-lung und globalen Umweltproblemen befassen, als politi-sche Akteure gelten, die das Netz zur Herstellung globa-ler Teilöffentlichkeiten zu nutzen versuchen. KonkreteBeispiele transnationaler virtueller Portale sind APC (As-sociation for Progressive Communication), FoEI (Friendsof the Earth International) und OneWorld (Winter/Groi-nig 2004): Während sich APC mit den Rechten der Bür-ger im digitalen Raum auseinandersetzt und als Hauptak-tionsfeld die Unterstützung von Entwicklungsländern undNGOs aus diesen Ländern festgelegt hat, beschäftigt sichFoEI allgemein mit umweltbezogenen und sozialen The-men. OneWorld versteht sich als informationspolitischesMetaportal für NGOs in den Bereichen Menschenrechte,Demokratie und Entwicklungshilfe. APC, FoEI und One-World arbeiten an virtuellen Netzwerken, über die sieEinfluss auf politische Entscheidungsprozesse gewinnenwollen. APC ist die einzige virtuelle Organisation unterdiesen Beispielen, die zum Großteil auf einer dezentrali-sierten virtuellen Basis arbeitet. Bei APC, FoEI und One-World konzentrieren sich die Partnerorganisationenhauptsächlich auf Europa und Nordamerika, während Af-rika und Asien stark unterrepräsentiert sind. Diese virtu-ellen Netzwerke versuchen, eine Balance zwischen ihrentransnationalen Interessen und den Interessen der lokalen

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Gruppen zu finden. Während die Grundlagen für einetransnationale Identität durch ein gemeinsames virtuellesMetaportal geschaffen werden, gibt es Subdomänen, indenen sich die einzelnen Mitgliederorganisationen prä-sentieren. Bei OneWorld oder FoEI sind das beispiels-weise die nationalen Websites der Partnerorganisationen.

2.3 NetzaktivismusIn dem Maße, in dem politische Kommunikation netzba-siert stattfindet, also politische Akteure (von staatlichenInstanzen über Parteien bis hin zu Protestgruppen) das In-ternet zur internen Kommunikation und zur Selbstdarstel-lung nutzen, kann es als Mittel zur Mobilisierung für poli-tische Aktionen und zur Koordination dieser genutztwerden, darüber hinaus aber auch selbst als Plattform fürdie Artikulation von Protest und als Bühne für politischeAktionen oder als Ziel politisch motivierter Angriffe die-nen.

Insbesondere die Möglichkeit gezielter Attacken auf Ser-ver staatlicher und wirtschaftlicher Organisationen – mitdem Ziel, diese erheblich zu stören oder lahm zu legen –hat auch zu Diskussionen über so genannten „Cyberterro-rismus“ geführt. Solche technisch voraussetzungsreichenAktionen sind für die meisten zivilgesellschaftlichen Or-ganisationen allerdings kaum realisierbar und hinsichtlichdes vorwiegenden Ziels der Mobilisierung von Unterstüt-zung und der Herstellung von Öffentlichkeit auch weniginteressant. Diesbezüglich scheinen symbolische Aktio-nen im Netz – analog den Protestformen des „real life“,wie Demonstrationen oder Sitzblockaden – von größererBedeutung. In der Tat lassen sich Beispiele für die Nut-zung solcher Formen des „Netzaktivismus“ finden. Politi-sche Aktionsformen aus der Offlinewelt werden in dieOnlinewelt übertragen bzw. netzspezifisch adaptiert undweiter entwickelt. Hierzu zählt z. B. die klassische Unter-schriftensammlung, die nun via E-Mail schnell und mitminimalem Aufwand durchgeführt werden kann.

Eine weitere Aktionsform ist das so genannte „mail bom-bing“, bei dem in einem kurzen Zeitraum eine große Zahlvon E-Mails an eine bestimmte Adresse gesendet wird,was zum Zusammenbruch des normalen Betriebs beimProtestziel führen kann. So wurde z. B. im Jahr 2001 dasUS-amerikanische Netzwerk der APC (Kap. V.2.2) aufInitiative zweier spanischer Tageszeitungen mit einer gro-ßen Zahl von „Protest-E-Mails“ überflutet, worauf dieAPC den „Protestmailern“ vorwarf, „Cyberterrorismus“zu betreiben (Gimmler 2000). Auch der Deutsche Bun-destag war bereits Ziel einer solchen Aktion – am15. März 2003 auf Initiative von ATTAC Deutschland mit(laut ATTAC) rund 600 000 „Protestmails“. Mittlerweilesind aber solche „Mail-bombing“-Aktionen anscheinendseltener geworden. Zum einen können sie technisch un-terlaufen werden, und zum anderen ist der Mobilisie-rungseffekt eher gering, da der Protest sozusagen „kos-tenlos“ durch Mausklick erfolgt, was die Aktion politischentwertet (Schönberger 2004b).

Eine weitere Aktionsform des Netzaktivismus stellen„netstrikes“ dar, bei denen durch massenhaftes und ge-zieltes Aufrufen der Webseiten einer Organisation deren

Webpräsenz (analog zur Sitzblockade) blockiert werdensoll. Zur Unterstützung der bereits erwähnten Zapatistaswurde eigens eine Software entwickelt, die den Serverdes Protestziels (in diesem Fall die mexikanische Regie-rung) mit automatischen Anfragen überflutet. Der techni-sche und wiederum der symbolische (mobilisierende) Er-folg solcher Aktionen blieb aber zweifelhaft. NebenAbwehrmaßnahmen der betroffenen Organisationen ist esauch hier die Anonymität des Protestes, die unter demBlickwinkel der Glaubwürdigkeit der Aktion und desMobilisierungseffektes den politischen Wert dieser Formdes Netzaktivismus begrenzt.

Eine Form der Nutzung des Netzes zur Herbeiführung ei-nes Imageschadens für das Protestziel sind unterschiedli-che Ansätze, dessen Webpräsenz zu manipulieren, z. B.durch Nutzung einer Internetadresse, die der einer offi-ziellen Website des Protestziels ähnelt, oder durchWebangebote, die bei der Suchmaschinenrecherche nachdem Namen des Protestziels auf einer hohen Position zufinden sind (z. B. Fake-Politiker-Weblogs; Kap. IV.2.2).So wurde z. B. 2003 von Gegnern des US-amerikani-schen Präsidenten George W. Bush dessen offizielle bio-graphische Website mit privaten Websites in Verbindungmit der Wortkombination „miserable failure“ verlinkt.Bei der Eingabe dieser Wortkombination in die Suchma-schine Google tauchte dann die Website des US-Präsiden-ten unter den Toptreffern auf.

Solche und andere Aktionen bleiben als Aktionen einerkleinen Gruppe technisch versierter Aktivisten in ihrerBedeutung begrenzt – insbesondere im Vergleich zurNutzung des Netzes zur Mobilisierung für politischeAktionen in der realen Welt. Sowohl hinsichtlich der öf-fentlichen Sichtbarkeit als auch hinsichtlich ihres symbo-lischen Wertes, den sie durch die – im Vergleich zu Inter-netprotesten – relativ hohen Anforderungen an daspersönliche Engagement der Teilnehmer erhalten, bleibenFormen politischen Protestes in der realen Welt den bis-her entwickelten Formen von Netzaktivismus überlegen.Nach einer Phase der Experimentierlust mit technischenMöglichkeiten ist die Bedeutung des Netzaktivismus inletzter Zeit anscheinend auch wieder zurückgegangen(Schönberger 2004b).

2.4 Zur Bedeutung der Netzkommunikation für zivilgesellschaftliche Gruppen

Insgesamt zeigt die – bisher nur in Ansätzen vorhandeneund vielfach eher impressionistische – Forschung zuraktuellen Bedeutung der Netzkommunikation für zivilge-sellschaftliche Gruppen ein vielschichtiges Bild. Einer-seits kommt der netzbasierten Kommunikation insbeson-dere für die Organisation transnationalen Protestes undtransnationaler Solidarisierung offenbar eine wichtigeFunktion zu. Andererseits zeigen Untersuchungen zu denInternetangeboten wichtiger auch transnational agieren-der NGOs, dass die Angebote eher konventionell gehal-ten sind und das der Technik inhärente Interaktionspoten-zial nur wenig genutzt wird (Rosenkrands 2004). Auchbezüglich der Auswirkung netzbasierter Kommunikationauf die innerorganisatorischen Strukturen sind die Er-

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kenntnisse uneinheitlich. Für eher lose thematisch diver-sifizierte Netzwerke wie ATTAC scheint netzbasierteKommunikation eine conditio sine qua non ihres Funktio-nierens zu sein. Veränderungen der innerorganisatori-schen Kommunikationsstrukturen bei eher hierarchischorganisierten NGOs sind aber auch durch die erweiterteNutzung der Möglichkeiten netzbasierter Kommunika-tion nicht zu erwarten. Von wesentlicher Bedeutung fürdie Arbeit und die Selbstdarstellung zivilgesellschaftli-cher Gruppen scheint die Speicherfunktion des Netzes zusein und vor allem die Möglichkeit, Informationen zusammeln und an Mitglieder und die interessierte Öffent-lichkeit via Website und Mailinglisten zu verbreiten. Überdie tatsächliche Bedeutung der Präsenz im Internet fürden Zugang zivilgesellschaftlicher Gruppen zur Öffent-lichkeit lässt sich über einzelne Beispiele – in denen dasNetz erfolgreich für die Kommunikation eigener politi-scher Anliegen genutzt werden konnte – hinaus zurzeitnichts sagen. Ob sich durch die zweifelsohne gegebenenMöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Gruppen, sich überdas Netz direkt unter Umgehung der Massenmedien anMitglieder und Sympathisanten zu wenden, auf langeSicht die Rahmenbedingungen von politischer Öffentlich-keit entscheidend verändern, bleibt abzuwarten.

3. Politische Debatten im Netz

Dass die in der politikwissenschaftlichen Diskussion kur-sierenden Thesen zur Bedeutung des Internets als öffent-licher politischer Raum bisher kaum mittels empirischerUntersuchungen überprüft worden sind, ist vor allem inder Struktur des Gegenstandes Internet selbst begründet.So vielfältig und offen sich der Kommunikationsraum In-ternet darstellt, so unübersichtlich und schwer metho-disch greifbar ist er. Schon die Erfassung aller im Internetverfügbaren Quellen zu einem Thema stellt ein unmögli-ches Unterfangen dar, und über die Repräsentativität er-fasster Teilausschnitte lässt sich kaum etwas Gesichertesaussagen. Ist es schon schwierig, Aussagen über dieStruktur des Angebots im Internet zu machen, oder überdie Nutzungsweise oder die Präsenz von politischen Ak-teuren im Netz, so ist nahezu unmöglich den politischenRaum Internet insgesamt, mit seinen vielfältigen Angebo-ten, Nutzern, Themen und den zwischen diesen bestehen-den Verweisstrukturen transparent zu machen.

Im Rahmen der vorliegenden TA-Studie wurde aber derVersuch unternommen, zumindest schlaglichtartig einenmethodisch geleiteten Blick in den politischen Raum In-ternet zu werfen, um die Plausibilität zumindest einigerder diskutierten Thesen zur politischen Internetöffentlich-keit einzuschätzen. Hierzu sollten die Strukturen (Ak-teure, Themen, Positionen, Argumente) aktueller politi-scher Diskurse im Internet rekonstruiert werden.

Ausgewählt wurden zwei politische Debatten – die Dis-kussion um gentechnisch veränderte Lebensmittel undum das Urheberrecht. Im Fall der „Genfood“-Debatteging es dabei um die Perspektive eines Internetnutzers,der – ohne auf etwaige Vorkenntnisse zu der Thematikund zu den relevanten Akteuren zurückzugreifen – einfa-che Suchmaschinenrecherchen zu diesem viel diskutier-

ten Thema vornimmt. Zum Vergleich wurde auch die Be-handlung des Themas in ausgesuchten Tageszeitungenherangezogen. Im Fall der Urheberrechtsdebatte wurdehingegen der Versuch unternommen, den Onlinediskursanhand einschlägiger Websites und einer Befragung andem Thema stark interessierter Internetnutzer zu analy-sieren.

3.1 Das Internet mit sich selbst befasst – Urheberrecht und Copyright

Mit dem politischen Diskurs zu Urheberrechtsfragen undCopyright wurde ein Thema als Gegenstand einer empiri-schen Untersuchung zur netzbasierten politischen Kom-munikation gewählt, das sozusagen selbst „netzbasiert“ist. Die Frage nach der „Politik im Netz“ verbindet sichhier mit Fragen der „Netzpolitik“, d. h. mit Fragen derpolitischen Regulierung der Nutzung der Kommunika-tionsmöglichkeiten des Internets. Es war davon auszuge-hen – und wurde durch ein Gutachten für das Projekt(pol-di.net 2004) bestätigt –, dass im Netz – weil die In-ternetnutzer sich in ihren Rechten als Nutzer selbst be-troffen sehen – zur rechtlichen Regelung des Kopierensund Austauschens von Musik- und Filmdateien eine in-tensive Debatte stattfindet (hierzu und zum Folgendenpol-di.net 2004).

Copyright und Internet – der Untersuchungs-gegenstand

Durch die Entwicklung des Internets als Mittel desschnellen Austauschs von digitalisierten Daten ist dieFrage einer rechtlichen Neuordnung des Urheberrechtsund des Copyrights auf die politische Tagesordnung ge-setzt worden. Insbesondere die Möglichkeit der Kopieund des Austauschs von Musik- und Filmdateien via In-ternet hat seit Ende der 1990er Jahre zu Klagen der Mu-sikindustrie (und später auch der Filmindustrie) über ei-nen massiven Rückgang der Umsätze durch den Handelmit digitalen „Raubkopien“ geführt. Nach einer vom„Bundesverband der Deutschen Phonoindustrie“ in Auf-trag gegebenen Studie der „Gesellschaft für Konsumfor-schung“ (GfK) zufolge ging die Anzahl der verkauftenCD-Alben von 198 Millionen im Jahr 1999 auf133,6 Millionen im Jahr 2003 zurück, während die illega-len „Downloads“ sich in den beiden Referenzjahren 2000und 2002 verdoppelten (Bundesverband der Phonogra-phischen Wirtschaft 2004).

Die Auseinandersetzung zwischen der Industrie auf dereinen und Initiativen von Internetnutzern auf der anderenSeite wird seit Jahren – nicht nur mit juristischen Mitteln –intensiv geführt. Dies geht bis hin zu generellen Boy-kottaufrufen gegen die Musikindustrie (wie z. B. durchATTAC, den Chaos Computer Club und weitere Organi-sationen im April 2004). Von Seiten der Industrie werdenSchadensersatzforderungen gegen Nutzer von Tauschbör-sen erhoben und recht drastische PR-Kampagnen (wie dievon der Filmindustrie Juli 2004 gestartete Kampagne„Hart aber gerecht“) initiiert, in deren Rahmen sich bei-spielsweise Menschen in deutschen Großstädten in eineöffentliche Gefängniszelle einsperren lassen konnten, um

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„fünf Minuten im Leben eines Raubkopierers“ nach-empfinden zu können. Mittlerweile kann man von zweipolarisierten Lagern sprechen, die mit juristischen und öf-fentlichkeitswirksamen Kampagnen ihre Interessen zuvertreten versuchen.

Das Thema Urheberrecht ist auch insofern von politischerAktualität, als im September 2003 das „Gesetz zur Rege-lung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“in Kraft getreten ist, das z. B. die Herstellung und Nut-zung von technischen Maßnahmen zur Umgehung desKopierschutzes und die Herstellung von Privatkopien vonoffensichtlich gesetzwidrig hergestellten Vorlagen verbie-tet. Zur Entscheidung steht weiterhin der rund ein Jahrnach der Verabschiedung des Urheberrechtsgesetzes vomJustizministerium vorgelegte Entwurf zum so genannten2. Korb des Urhebergesetzes an, in dem u. a. das neue ur-heberrechtliche Vergütungssystem und die Privatkopie-Frage geregelt werden sollen. Nur wenige Stunden nachVeröffentlichung der Vorschläge für den 2. Korb durchdas Bundesjustizministerium am 9. September 2004 er-schienen zahlreiche Pressemitteilungen von Interessen-verbänden und Organisationen, die den Entwurf von ver-schiedener Seite stark kritisierten. In der Offlinepressefand das Thema zwar nur begrenzt Beachtung, bei On-linemedien wie www.heise.de wurden allerdings inner-

halb von wenigen Stunden hunderte von Kommentarenregistriert.

Methode

Das Ziel der von pol-di.net durchgeführten Untersuchungzur Urheberrechtsdebatte war es, soweit möglich diejeni-gen Internetangebote zu erfassen, die für den politischenDiskurs als relevant angesehen werden können bzw.durch Nutzer und Anbieter selbst als thematisch einschlä-gig und für die Netzkommunikation zentral eingeschätztwerden. Dabei wurden in mehreren Schritten (Recher-chen mittels Suchmaschinen, Durchsuchen identifizierterWebsites nach relevanten Links zu und Verweisen auf an-dere Anbieter, Auswertung von Foren, Mailinglisten undNewslettern, gezielte Suche auf Portalen wichtiger Ak-teure und eine Nutzerbefragung) 113 einschlägige Web-sites identifiziert und hinsichtlich ihrer Struktur und In-halte beschrieben. Aus diesen 113 Websites wurden sechsausgewählt, die wegen ihrer Angebotsstruktur als Platt-form für eine Nutzerbefragung besonders geeignet er-schienen. Die angesprochenen Betreiber der Websites er-klärten sich bereit, einen von pol-di.net entwickeltenNutzerfragebogen zum Thema „Copyright und Urheber-recht“ auf ihren Websites online zu stellen und die Teil-nahme an der Umfrage dort zu bewerben (siehe Kasten).

NutzerbefragungBeschreibung der kooperierenden Websites, Zeitraum, über den der Fragebogen auf der entsprechenden Website angeboten wurde, und Fragebogenrücklaufwww.heise.de (2. August 2004 bis 23. August 2004; Rücklauf: 10 008 Fragebögen)Das Internetportal des Heise-Verlages konzentriert sich auf Berichterstattung, die sich vor allem mit Neuerungen inder Computerindustrie und dem Internet selbst beschäftigt. Ein mehrmals täglich aktualisierter Newsbereich stellt biszu 20 neue Nachrichten bereit. Ein umfangreich strukturiertes Forum enthält einen Themenstrang „Peer-to-Peer“, indem intensive Diskussionen stattfinden und rechtliche Fragestellungen zur Sprache kommen. Interessierte Nutzer fin-den in den Foren Hintergrundinformationen und werden zu entsprechenden Artikeln auf „Heise Online“ verwiesen.Die Kampagne „50 Cent und gut“ ist das zentrale partizipatorische Element zum Thema Urheberrecht.www.hartabergerecht.de (23. Juli 2004 bis 23. August 2004; Rücklauf: 288 Fragebögen)Die „Zukunft Kino Marketing GmbH“ (ZKM) ist der Organisator der Kampagne „Hart aber gerecht“, die im Auftrag„des Hauptverbandes deutscher Filmtheater“ (HDF), des „Multiplexverbandes Cineropa“ und des „Verbands derFilmverleiher“ (VdF) handelt. Es werden vor allem Informationen in Form von Erfolgsmeldungen der „Gesellschaftzur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen“ (GVU) und Gesetzestexten angeboten. Der Nutzer wird über denVerlauf der Offlinekampagne „Hart aber gerecht“ informiert. Die Website bietet als interaktives Tool eCards an.www.ifpi.de (20. Juli 2004 bis 21. August 2004; Rücklauf: 381 Fragebögen)Der „Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V.“ und die „Deutsche Landesgruppe der International Fe-deration of the Phonographic Industry“ (IFPI) vertreten die Interessen von rund 1 000 Tonträgerherstellern inDeutschland. Der in Berlin ansässige Interessenverband bietet mit seiner Website eines der zentralen Informationsan-gebote für Nutzer, die sich für Urheberrechtsfragen im Bereich Musik aus Sicht der Urheberrechtsinhaber interessie-ren. Die Website nutzt so gut wie keine interaktiven Tools und legt einen Schwerpunkt auf die Bereitstellung von In-formationsmaterial für Journalisten und Branchenkenner.www.privatkopie.net (23. Juli 2004 bis 20. August 2004; Rücklauf: 168 Fragebögen)„Privatkopie.net“ ist ein Zusammenschluss aus zahlreichen Vertretern der Zivilgesellschaft, Bürgerinitiativen, Verei-nen und politischen Organisationen. Bestandteil der Kampagne ist eine Petition, der sich mehr als 47 000 Personenangeschlossen haben und die das Recht auf eine digitale Privatkopie im neuen Urheberrecht verankert sehen möchte.Zentrales Angebot der Website ist neben der Petition ein großer Pressespiegel zum Thema Privatkopie sowie ein In-formationsangebot für Aktivisten.

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www.faires-urheberrecht.de (20. Juli 2004 bis 20. August 2004; Rücklauf: 34 Fragebögen)

Der „Landesverband der Jungen Union Hessen“ fordert eine Novellierung des Urheberrechts. Die Kampagne des inWiesbaden ansässigen Landesverbandes setzt sich für das bestehende Recht auf Privatkopie ein und will im Gegen-zug das Verbot von Tauschbörsen und Kopien von kommerziellen Leihgaben. In ihrer Stellungnahme machen sie einepauschale Abgabe auf Rohlinge als Kompensation für die Verwertungsgesellschaften von dem Recht der Privatkopieabhängig. Interessierte können die Unterschriftenaktion unterstützen, einen Eintrag im Gästebuch hinterlassen oderBanner der Kampagne auf ihre Website setzen.

www.giga.de (22. Juli 2004 bis 23. August 2004; Rücklauf: 171 Fragebögen)

„GIGA“ ist ein deutsches Fernsehprogramm des US-amerikanischen Senders NBC. Das Unternehmen hat seinen Sitzin Düsseldorf, sendet seit 1998 und versteht sich als Schnittstelle zwischen TV-Programm und Internetportal. DieZielgruppe sind männliche Teenager. Diese werden mit Informationen über Computerspiele, Computertechnik, Inter-net, Popkultur oder Politiker versorgt. Der Bereich „Netzwelt“ enthält Nachrichten zu Tauschbörsen und Urheber-recht. Die Artikel beinhalten eine Kommentarfunktion. Es gibt Umfragen und Foren, in denen Nutzer von Tauschbör-sen diskutieren.

Ergänzt wurden die Websites-Analyse und die Nutzerbe- Etwa 70 Prozent der ausgewählten Websites bieten mehr

fragung durch Interviews mit den Verantwortlichen vonvier einschlägigen Webangeboten. Es handelt sich dabeium die Websites www.ifpi.de (Bundesverband der Pho-nographischen Wirtschaft), www.hartabergerecht.de (Zu-kunft Kino Marketing GmbH), www.privatkopie.net (Ini-tiative von Netznutzern) und www.faires-urheberrecht.de(Junge Union Hessen).

Websites-Analyse

Entscheidend für die Auswahl der in die Untersuchungeinbezogenen 113 Websites war, dass nur solche Weban-gebote erfasst wurden, auf denen das Thema Copyrightnicht nur sporadisch behandelt wird, sondern kontinuier-lich in Form von Informationsangeboten oder auch inForm von Diskussionsangeboten (Chats etc.) präsent ist.Aufgrund des aufwendigen, gestaffelten Suchprozesseskonnte davon ausgegangen werden, dass die thematischrelevanten deutschsprachigen Websites annähernd voll-ständig erfasst wurden. Zu beachten ist jedoch, dass ei-nige der Websites mittels einfacher Suchstrategien nur re-lativ schwer zu finden sind. Charakteristisch für diebesondere Struktur der Debatte im Netz, die – wie nochzu zeigen sein wird – von einer recht aktiven „Commu-nity“ von intensiven Internetusern dominiert wird, undkennzeichnend auch für die Unübersichtlichkeit desKommunikationsraums Internet ist, dass erst im Laufeder Untersuchung durch Hinweise von Nutzern die the-matisch einschlägige Website „Savemusic“ entdecktwurde, die nach eigenen Angaben täglich mehrere Hun-dert Besucher zählt.

Eine Charakterisierung der Websites nach Anbietern zeigteine Dominanz der Film- und Musikindustrie (Verbändeund einzelne Unternehmen), die 38 der identifiziertenWebsites betreibt, danach folgen mit annähernd gleichenAnteilen Medienanbieter und Portale (24) und Einzelper-sonen und Initiativen (26). Auf staatliche Institutionenund politische Parteien entfallen 13 der identifiziertenWebsites.

oder weniger ausführliche Hintergrundinformationenzum Thema an – so z. B. Artikel zur Geschichte des Ur-heberrechts, zum Stand der Gesetzgebung und zur politi-schen Debatte. Auf 46 Prozent der Websites finden sichaktuelle Nachrichten zum Thema Urheberrecht; ca. einFünftel der Websites hat in den drei Monaten vor der Er-hebung täglich aktuelle Informationen zum Thema Urhe-berrecht veröffentlicht.

Auf nahezu allen Websites wird die Möglichkeit angebo-ten, sich per E-Mail an die Betreiber zu wenden. Abgese-hen von Diskussionsforen, die auf ca. einem Drittel derWebsites angeboten werden, finden sich weitergehendeAngebote zur Interaktion nur spärlich. Mailinglisten wieauch Weblogs wurden nur von knapp 10 Prozent der un-tersuchten Websites angeboten (Abb. 1), wobei bei denWeblogs eine nur geringe Veröffentlichungsfrequenz(Zahl der Einträge und Kommentare) auffällig ist.

Betrachtet man die Foren näher, zeigt sich, dass die meis-ten dieser Angebote auch eher spärlich genutzt werden.Von den insgesamt 36 identifizierten Internetforen wiesennur acht in den letzten vier Wochen vor der Erhebungmehr als zehn Themenstränge auf und bei mehr als derHälfte der Foren lag die Zahl der Beiträge im gleichenZeitraum unter 50.

Von noch geringerer Bedeutung ist die Nutzung des Net-zes für interaktive Partizipationsformen (wie E-Mail-Kampagnen, Unterschriftensammlungen und Petitionen).Eine Aufforderung zur Beteiligung an Abstimmungenoder Petitionen fand sich auf acht Websites. Unterschrif-tensammlungen wurden von drei Anbietern durchgeführt,darunter die Onlinekampagne „Privatkopie“, die dem Jus-tizministerium über 45.000 Unterschriften für die Siche-rung eines Rechts auf Privatkopien von Musik und Film-dateien übergeben hat, und die Unterschriftenaktion fürein „faires Urheberrecht“ auf der Website der JungenUnion Hessen.

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A b b i l d u n g 1

Kommunikationsangebote (in Prozent)

Quelle: pol-di.net 2004

Eine Analyse der Zahl der auf die einzelnen Websites ver- ren Webangeboten vorwiegend von den meist urheber-

weisenden, externen Links bestätigt die Relevanz dieserWebsites für den „Onlinediskurs“ über das Thema Urhe-berrecht: Nur rund ein Viertel der Websites weist wenigerals 20 Links von anderen Websites auf, knapp die Hälfteder Websites aber mehr als 100. Umso erstaunlicher istes, dass bei einer Suche mittels Google und dem Such-wort „Urheberrecht“ 95 Prozent der ausgewählten Web-sites nicht unter den ersten 100 Google-Treffern erschei-nen. Unter den ersten 100 Google-Treffern dominierendie Angebote von Medien und Portalen (38 Prozent) undein Viertel der Websites befasst sich aus juristischer Sichtmit dem Thema (Rechtsanwaltskanzleien, Universitäten).

Eine Liste mit Links zu anderen Webangeboten findetsich bei gut einem Drittel der untersuchten Websites.Auffällig ist, dass sich ein solches Angebot, das dem Nut-zer sozusagen einen Leitfaden zur weiteren Informationim Netz bietet (und ihn dabei oft an vom Anliegen oderauch der politischen Couleur her verwandte Anbieter ver-weist), bei 65 Prozent der von Einzelpersonen oder priva-ten Initiativen/Kampagnen zum Urheberrecht findet.Auch auf den Websites der Interessenverbände der Film-und Musikindustrie werden Linklisten vergleichsweisehäufig angeboten. Ein entsprechendes Angebot findetsich aber bei keiner der von staatlichen Stellen und politi-schen Parteien betriebenen Websites. Dass Links zu ande-

rechtskritischen Initiativen und Privatpersonen angebotenwerden, ist ein erster Hinweis darauf, dass es sich hier umeine recht aktive und relativ geschlossene Teilöffentlich-keit im Netz handelt.

Nutzerbefragung

Die Ergebnisse der Nutzerbefragung erbrachten deutlicheIndizien für die Existenz einer größeren Teilöffentlich-keit, die im Netz aktiv Informationen suchend und auchdiskutierend mit dem Thema Urheberrecht befasst ist, au-ßerhalb des Netzes aber vergleichsweise wenig wahrge-nommen wird. Das Thema Urheberrecht betrifft Internet-nutzer unmittelbar, insbesondere wegen der Frage derZulässigkeit privater Kopien von Film- und Musik-dateien – wobei vor allem Häufignutzer des Netzes be-troffen sind.

Der Fragebogen umfasste insgesamt 25 Fragen zum vor-handenen und gewünschten Angebot der besuchtenWebsites, zum Urheberrecht allgemein sowie zur Urhe-berrechtsdebatte im Netz. Es wurde sowohl mit Antwort-vorgaben als auch mit offenen Fragen gearbeitet. Schonder enorme Rücklauf an Fragebögen dokumentiert diehohe Aufmerksamkeit, die das Thema Urheberrecht beiInternetnutzern genießt. Es konnten 11 050 Fragebögen

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in die Untersuchung einbezogen werden. Dabei ist aller-dings zu bemerken (und zeigt die Bedeutung des Themasfür „passionierte“ Internetnutzer), dass allein10 008 Fragebögen von Nutzern des vorwiegend auf anComputer- und Kommunikationstechnik Interessierte zu-geschnittenen Angebots des Internetportals www.heise.destammt und sich der Rest auf die anderen fünf kooperie-renden Anbieter verteilt.40

Bei über 95 Prozent der Teilnehmer der Befragung han-delt es sich um Männer, und knapp 80 Prozent der Be-fragten sind zwischen 20 und 39 Jahre alt. 96 Prozent derBefragten gaben an, dass sie das Internet täglich nutzen.Die ausgewählte Gruppe kann somit in keiner Weise alsrepräsentativ für die Gesamtheit der Nutzer des Internetsbezeichnet werden, spiegelt aber in übermäßiger Formdie Zusammensetzung der besonders aktiven Teile der In-ternetpopulation wider (vgl. Kap. II.3). Es kann davonausgegangen werden, dass durch die Befragung eben einebesondere, internetspezifische Teilöffentlichkeit von amNetz stark interessierten – und damit in Bezug auf dieThemen Urheberrecht und Copyright besonders aufmerk-samen – Nutzern erfasst ist. Diese fühlen sich beimThema Urheberrecht besonders in ihren „angestammtenRechten“ als User betroffen und fühlten sich dadurchauch von der durch pol-di. net ins Netz gestellten Um-frage besonders angesprochen.

Bemerkenswert und kennzeichnend für die Bedeutungdes Themas für die genannte Teilöffentlichkeit ist die Tat-sache, dass die Nutzerbefragung selbst zum Dis-kursthema im Netz wurde. Der Bundesverband der Pho-nographischen Wirtschaft hatte am 26. Juli 2004 einePressemitteilung versendet, um die Kooperation mit pol-di. net bekannt zu geben und um über die verbandseigeneWebsite www.ifpi.de auf die gestartete Umfrage hinzu-weisen. Diese Meldung wurde in der Offlinewelt nichtaufgegriffen, stieß aber im Netz – wohl auch deshalb,weil es sich um eine Untersuchung im Auftrag des Deut-schen Bundestages handelte – auf reges Interesse. So warsie Anlass für die Betreiber der Website www.savemu-sic.de, einen Diskussionsstrang im Forum einzurichten,der das Studienvorhaben zum Thema hatte. Auch bei demKooperationspartner www.heise.de führte die Platzierungdes Umfragehinweises auf der Homepage zu einer aus-führlichen Diskussion über die Studie mit über250 Diskussionsbeiträgen in wenigen Tagen. Auf derSeite des Kooperationspartners www.giga.de startete einForumsmoderator zum Umfragebeginn einen Diskussi-onsstrang mit dem Titel „Raubkopierer in den Knast“, derzu einer lebendigen Diskussion des Themas mit mehr als100 Einträgen führte. Die Qualität der Einträge auf dengenannten Websites „variierte erheblich, zeigte aber vorallem eines: Das Thema Urheberrecht und Copyright ist

Gegenstand eines vitalen Internetdiskurses […]“ (pol-di.net 2004, S. 39).

Für die erfasste Teilöffentlichkeit ist – zumindest, was dieInformationen zum Thema Urheberrecht angeht – dasNetz als Informationsquelle von ebenso großer Bedeu-tung wie klassische Printmedien. Gefragt danach, woherdie Befragten ihre Informationen zum Thema Urheber-recht beziehen, geben 80 Prozent Zeitschriften und Zei-tungen als Quellen an. Dabei kann davon ausgegangenwerden, dass hier Computerzeitschriften eine wesentlicheRolle spielen. Das Internetportal www.heise.de – über daswie gesagt 95 Prozent der Befragten auf die Umfrage ge-stoßen sind – wird vom Herausgeber einer der größtendeutschen Computerzeitschriften betrieben. Das Netz hatsich aber für die erfasste Gruppe (zumindest beim ThemaUrheberrecht) als gleichberechtigte Informationsquelleneben den Printmedien etabliert: Onlineangebote werdenvon 78 Prozent der Befragten als Informationsquelle ge-nannt. Dass jeweils rund die Hälfte der Befragten Gesprä-che im beruflichen (45 Prozent) beziehungsweise pri-vaten Umfeld (52 Prozent) als wichtige Quellen fürInformationen zum Thema Urheberrecht nennt, unter-streicht weiter die Bedeutung des Themas für die erfassteGruppe.

Unter den Onlineangeboten, die als Quellen für Informa-tionen über das Thema Urheberrecht genannt werden,rangieren die Internetangebote von Medien und Internet-portalen wie www.heise.de an erster Stelle (57 Prozent),gefolgt von den Angeboten von Interessenverbänden derFilm- und Musikwirtschaft (47 Prozent) sowie den Ange-boten von Privatpersonen und Bürgerinitiativen(43 Prozent). Die Internetangebote staatlicher Institutio-nen (32 Prozent) und insbesondere von politischen Par-teien (16 Prozent) sind dagegen von vergleichsweisegeringerer Relevanz; sie rangieren noch hinter den Ange-boten aus dem Bereich Wissenschaft/Bildung (33 Pro-zent) bzw. von Wirtschaft/Industrie (34 Prozent).

Als Motivation für den Besuch der Website, auf der derFragebogen eingestellt war, gaben 57 Prozent der Nutzer„privates Interesse an der Urheberrechtsdebatte“ an(31 Prozent nennen „Neugierde“). Auch dies zeigt, dasses sich bei den erfassten Nutzern überwiegend um Inter-netuser, die sich in ihren Rechten durch die Bestrebun-gen, das Copyright einzuschränken, bedroht sehen, undsich aus diesem Grund über die Rechtslage informieren.89 Prozent der Befragten ist bekannt, dass das Urheber-recht im September 2003 geändert worden ist. Die er-fasste Teilöffentlichkeit kann als überdurchschnittlich in-formiert zum Thema charakterisiert werden. 70 Prozentder Befragten sehen das Angebot an Informationen zumUrheberrecht im Netz als ausreichend an und wünschenkeine weiteren Informationsangebote. Eindeutig ist dieskeptische bis kritische oder gar – wie eine Vielzahl deroffen formulierten Kommentare der Befragten zeigt –„aufgebrachte“ Einstellung gegenüber den rechtlichenEinschränkungen der Kopiermöglichkeiten: 90 Prozentder Befragten sind für ein Recht zum Kopieren von Mu-sik und Filmen für den Eigenbedarf, nur 1,7 Prozent spre-chen sich dagegen aus.

40 Das Antwortverhalten der Nutzer unterscheidet sich nicht signifikantzwischen den sechs Websites, auf denen die Umfrage eingestellt wur-de. Da ohnehin über 90 Prozent der Fragebögen von Nutzern der Sei-te www.heise.de stammen, wird im Folgenden i. d. R. auf eine Diffe-renzierung nach der Nutzerherkunft verzichtet.

Drucksache 15/6015 – 94 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

A b b i l d u n g 2

Woher beziehen Sie Ihre Informationen zum Thema Urheberrecht? (in %)

Quelle: pol-di.net 2004

Bei den offenen Antworten zur Motivation des Aufsu-chens der entsprechenden Website stand „sich über dieRechtslage informieren“ – oft verbunden mit Invektivengegen die Musik und Filmindustrie – an erster Stelle. Einstarkes inhaltliches Interesse der Nutzer zeigte sich darin,dass „News“ und „Artikel“ von annähernd jeweils80 Prozent der Befragten als gewünschtes Informations-angebot genannt wurden. Vor allem erwies sich die er-fasste Teilöffentlichkeit als stark interessiert an Diskus-sionsangeboten zum Thema Urheberrecht: Über60 Prozent der Befragten wünschen sich Onlineforen zumThema, gefolgt von knapp 20 Prozent, die sich an Wikis,d. h. ebenfalls an Angeboten, die sich zur Organisation ei-nes Diskussionsprozesses eignen, interessiert zeigen. Aufweniger Interesse stoßen Chats, Mailinglisten und andereinteraktive Angebote. Großes Interesse wird auch an Um-fragen zum Thema geäußert (ca. 45 Prozent der Befrag-ten). Aus den offenen Antworten lässt sich schließen,dass ein Teil der Befragten die Umfrage des TAB alsMöglichkeit wahrgenommen hat, ihre (nach ihrer Ansichtansonsten unterrepräsentierte) kritische Meinung zum Ur-heberrecht kundzutun und die Umfrage also fälschlich alseine Meinungsumfrage zum Pro und Kontra des Urheber-rechts auffasste.

Es besteht in der erfassten Teilöffentlichkeit ein erhebli-cher Unmut über die aus ihrer Sicht unzureichende Be-rücksichtigung der Nutzerinteressen (auch von Seiten derPolitik), der eine starke Bereitschaft zur Wahrnehmungvon Möglichkeiten, der eigenen Position Gehör zu ver-schaffen, entspricht. Die Kommunikationsangebote derjeweiligen Website wurden von den Nutzern überwiegendals sehr gut bis gut bewertet (ca. 60 Prozent). In der Be-wertung deutlich unterdurchschnittlich schnitt hier die

Website „hartabergerecht.de“ ab. Hier urteilten nur ca.6 Prozent der 288 über diese Website an der Umfrage be-teiligten Nutzer mit „gut“ oder „sehr gut“. Wie aus denKommentaren der Nutzer zu den offenen Fragen des Fra-gebogens geschlossen werden kann, äußerte sich aller-dings hierin auch der spezielle Unmut der erfasstenNutzergruppe gegen diese von der Filmwirtschaft finan-zierte Kampagne.

Die Mehrheit der Befragten ist der Ansicht, dass die Dis-kussionen zum Thema Urheberrecht im Internet kontro-verser geführt werde als in den Offlinemedien. 51 Prozentfanden diese Aussage „zutreffend“ und 28 Prozent „teil-weise zutreffend“. Diese Einschätzung spiegelt wahr-scheinlich den Eindruck wider, dass die befragte Gruppeihre urheberrechtskritische Position im Kommunikations-raum Internet eher wiederfindet als in der Berichterstat-tung der Massenmedien. Gleichzeitig wird die Diskussionauch als „emotionaler“ als die Auseinandersetzung mitdem Thema in den Massenmedien angesehen (13 Prozent„trifft zu“, 44 Prozent „trifft teilweise zu“).

Ganz überwiegend bejaht wird die Aussage, dass – in Be-zug auf das Urheberrecht – das Netz mehr Möglichkeitenzum Meinungsaustausch biete als andere Medien(67 Prozent „trifft zu“, 16,7 Prozent „trifft teilweise zu“).Dass die erfasste Gruppe darüber hinaus auch die interak-tiven Möglichkeiten des Internets schätzt, zeigt die Ant-wortverteilung zur Frage nach den persönlichen Vortei-len, die die Befragten mit dessen Nutzung in diesemZusammenhang verbunden sehen. Gut die Hälfte der Be-fragten nennt hier Onlinebeteiligungsangebote, 28 Pro-zent die Möglichkeit, sich mit anderen zum Thema auszu-tauschen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 95 – Drucksache 15/6015

A b b i l d u n g 3

Von welchen der folgenden Akteure haben Sie Internetangebote zum Thema Urheberrecht wahrgenommen? (in %)

Quelle: pol-di.net 2004

A b b i l d u n g 4

Welche persönlichen Vorteile haben Sie von der Nutzung des Internets bei der Urheberrechtsdebatte? (in %)

Quelle: pol-di.net 2004

Drucksache 15/6015 – 96 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

In den von den befragten Nutzern abgegebenen freienAntworten zu den Netzangeboten verschiedener Akteurezeigen sich eine eher skeptische Haltung gegenüber On-lineforen und der Wunsch nach ausgewogener neutralerInformation (insbesondere zu rechtlichen Fragen). Derhäufig geäußerte Wunsch nach Onlinediskussionsangebo-ten auch unter Beteiligung von politischen Entschei-dungsträgern ist oft gepaart mit der Forderung nachverlässlichen Qualitätsstandards, die durch eine entspre-chende Moderation gewährleistet werden sollen. Bei vie-len Nutzern scheint Enttäuschung über das niedrigeNiveau und die ideologische Einseitigkeit vieler Diskus-sionen zum Thema Urheberrecht im Netz durch. Beklagtwerden die Neigung zu so genanntem „flaming“ – alsodie durch die Anonymität der Onlinediskussion beför-derte Verletzung der üblichen Standards von Höflichkeitund Sachlichkeit – und ein Mangel an diskursivem Aus-tausch über konträre Positionen. Deutlich wird in denKommentaren der Wunsch nach neutralen, belastbarenInformationen, die offensichtlich im Netz vermisst wer-den. Der Verdacht der interessengefärbten, nicht neutra-len Information trifft dabei – entsprechend der Motiv-und Interessenlage der erfassten Nutzergruppe – vorwie-gend die Medienwirtschaft, aber auch die Angebote vonstaatlichen Stellen und Parteien, denen oft unterstelltwird, „lobbynah“ zu sein. Andererseits wird neben wis-senschaftlichen Einrichtungen oft das Justizministeriumals Anbieter von Informationen zum Thema Urheberrechtgewünscht (s. a. zu neueren Webangeboten des BMJ zumThema Kap. IV.3.1). Trotz Kritik und Skepsis besteht alsodurchaus die Auffassung, dass der Staat die Aufgabe der„Qualitätssicherung“ übernehmen solle.

Die skeptische Haltung gegenüber Onlinediskussionenwird von den befragten Betreibern von Websites zumThema Urheberrecht nur teilweise bestätigt – sie ist ab-hängig von der Positionierung der Website zum Thema.Über negative Erfahrungen – wie Diffamierungen undBeleidigungen – berichteten insbesondere die Betreiberder Filmindustrie-Website Faires-urheberrecht.de, was zueiner Abschaltung des Angebots führte.

Fazit

Das Thema Urheberrecht hat im Internet zu intensivenDiskussionen geführt, die in der Offlinewelt vergleichs-weise wenig wahrgenommen werden. Dabei scheint dieDebatte im Wesentlichen von urheberrechtskritischenNutzern bestimmt zu werden. Das Angebot an Informati-onen zum Thema im Netz ist groß. Angebote von Staatund Parteien sind allerdings kaum vorhanden bzw. sicht-bar. Die Masse der angebotenen Informationen macht esallerdings für den einfachen Nutzer nahezu unmöglich,sich einen eigenen Überblick über die Breite der vorhan-denen Argumente und Meinungen zu verschaffen. Auchbei der erfassten Gruppe von Nutzern – denen überdurch-schnittliche Kompetenz im Umgang mit dem Medium zu-gesprochen werden kann – scheint (wohl insbesonderewegen der komplexen rechtlichen Fragen) ein ausgepräg-ter Bedarf nach zentraler, glaubwürdiger, verlässlicherund nicht interessengeleiteter Information zu bestehen.

Widersprüchliches erbrachte die vorliegende Untersu-chung zur Qualität der im Netz geführten Debatten. Ob-wohl sich die Nutzer als recht gut informiert zum ThemaUrheberrecht zeigen und obwohl die meisten Nutzer ge-rade die interaktiven Möglichkeiten des Netzes und denAustausch mit anderen Nutzern in Onlinediskussionenschätzen, wird deren schlechte Qualität beklagt. Offen-sichtlich werden die Onlineforen – inwieweit diese mode-riert werden oder nicht, konnte nicht erhoben werden –dominiert von urheberrechtskritischen Nutzern, die sichin oft emotionalisierter Art und Weise in ihrer Positionselbst bestärken. Anscheinend wird diese Form selbstre-ferenzieller Kommunikation von diesen selbst als unbe-friedigend empfunden. Neben öffentlichen Foren zumThema Urheberrecht finden sich auch teilöffentliche For-mate, die eher der internetgestützten Expertendiskussiondienen. Diese konnten im Rahmen der Studie aber nur amRand betrachtet werden. Grundsätzlich für eine breite Öf-fentlichkeit zugänglich, scheinen die Einstiegsbarrierendieser Angebote allerdings sehr hoch zu sein. Das subjek-tiv wahrgenommene Niveau der Diskurse ist weitaus hö-her als das in den öffentlichen Diskursräumen wahrge-nommene.

Insgesamt stimmen viele befragte Nutzer und Expertenüberein, dass weitere Kommunikationsangebote lohnendwären, wenn eine ausreichend qualitative Betreuung derAngebote gewährleistet werden könnte. Gewünscht wirddabei neben Neutralität auch eine Möglichkeit, einenAustausch zwischen den verschiedenen Meinungen her-zustellen, der nachvollziehbar und transparent ist.

Die Möglichkeit zur Mobilisierung und politischen Akti-vierung durch kampagnenartige Unterschriftensammlun-gen, Petitionen oder Umfragen zum Thema wird vorwie-gend von NGOs genutzt. Gerade hier wird die hoheBereitschaft der urheberrechtskritischen Nutzer deutlich,sich an regierungs- und unterhaltungsindustrie-kritischenKampagnen zu beteiligen.

Das insgesamt bemerkenswerteste Ergebnis der Untersu-chung ist, dass deutliche Hinweise auf die Existenz einereigenständigen, von massenmedialer Vermittlung weitge-hend unabhängigen politischen Teilöffentlichkeit im Netzexistieren. Wenn dies auch im Wesentlichen der Tatsachegeschuldet sein dürfte, dass bei der Thematik „Urheber-recht und Privatkopie“ das Internet selbst eine wichtigeRolle spielt, so ist dennoch nicht auszuschließen, dasssich solche Teilöffentlichkeiten bei entsprechender Be-troffenheit aktiver Internetnutzer auch um andere politi-sche Themen herum bilden. Auch wenn im vorliegendenFall Kritik an der Qualität der im Netz stattfindenden De-batten geäußert wird, zeigt sich doch, dass zum einen dieMöglichkeit verbesserter Selbstdarstellung und Artikula-tion für zivilgesellschaftliche Initiativen und zum anderendie interaktiven Möglichkeiten des Netzes – obwohl nochin vergleichsweise geringem Umfang genutzt – zur For-mierung von Interessengemeinschaften und z. T. auch zurpolitischen Mobilisierung solcher Gemeinschaften beitra-gen können. Ein bereits bestehendes, von einem bestimm-tem Publikum genutztes und anerkanntes Informations-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 97 – Drucksache 15/6015

portal (wie in diesem Fall www.heise.de) mag solcheProzesse befördern. Erkennbar ist auch die durch dieStruktur der Netzkommunikation gegebene Möglichkeitoder Gefahr der Abschottung von Kommunikationsge-meinschaften bzw. der Fragmentierung einer allgemeinenÖffentlichkeit in kaum noch miteinander verbundene Tei-löffentlichkeiten. Eine solche partielle Abschottung istnatürlich einerseits Bedingung der Möglichkeit derAusbildung von Kommunikationsräumen für gruppen-spezifische Anliegen. Andererseits wäre aber eine – imvorliegenden Fall so nicht bestehende – vollständige Ab-kopplung von massenmedial vermittelten allgemein öf-fentlichen Diskursen nicht unproblematisch. Wie die Äu-ßerungen von vielen der befragten Internetnutzer zeigen,wird das Fehlen von „Links“ zu staatlichen Institutionenund den dort ablaufenden Prozessen der Meinungsbil-dung und Entscheidungsfindung zum Thema Urheber-recht als Defizit wahrgenommen. Dies ließe sich auch alsHinweis darauf lesen, dass mit zunehmender Verbreitungvon Netzkommunikation Regierung und Parlament vordie Herausforderung gestellt sein könnten, für sich eineaktive Rolle in verschiedenen politischen Netzöffentlich-keiten als Förderer von Debatten, als Moderator (sieheden artikulierten Bedarf an Qualitätssicherung) wie auchals Teilnehmer zu finden (s. a. die neueren Webangebotedes BMJ zum Thema; Kap. IV.3.1).

3.2 Politische Öffentlichkeit im Internet – der Diskurs über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel

Im Fallbeispiel „Genfood“ sollte – anders als für das Ur-heberrecht – der unübersichtliche KommunikationsraumInternet aus der Perspektive eines Internetnutzers rekons-truiert werden, der sich mittels unaufwändiger Suchma-schinenrecherchen informieren möchte. Die Untersu-chung, deren wesentliche Ergebnisse im Folgendenzusammengefasst werden, geht von folgenden Hypothe-sen aus (Rucht et al. 2004, S. 10):

– Diskurse im Internet zeichnen sich dadurch aus, dasssie eine größere Bandbreite von Sprechern bzw. Ak-teuren einschließen sowie einen höheren Anteil ankleinen und ressourcenschwachen Akteuren aufwei-sen. In diesem Sinne begünstigen sie – relativ zu Dis-kursen in Zeitungen – in stärkerem Maße die zivilge-sellschaftlichen Akteure der „politischen Peripherie“.

– Diskurse im Internet enthalten in ihrer Gesamtheit einbreiteres argumentatives Spektrum. Allerdings sindaufgrund weitgehend abwesender journalistischer Kri-terien und Kontrollen die einzelnen Texte stärker par-teilich und repräsentieren somit auch weniger die Ar-gumente der jeweiligen Gegenseite. Entsprechendenthalten sie auch mehr auf Mobilisierungen ausge-richtete Elemente (z. B. Protestaufrufe).

– Diskurse im Internet weisen eine stärker interaktive,verzweigte und dezentrale Kommunikationsstrukturauf.

Das Thema „gentechnisch veränderte Nahrungsmittel“wurde ausgewählt, weil es sich hierbei um ein seit vielenJahren auf nationaler und internationaler Ebene kontro-vers diskutiertes Thema handelt, zu dem sich eine großeZahl von Akteuren von Regierungsstellen und politischeParteien über wissenschaftliche Organisationen und dieIndustrie bis hin zu NGOs und Bürgerinitiativen zu Wortmelden. Es ist also ein weit gefächertes Akteursspektrumvorhanden. Zudem hatte das Thema „Genfood“ im Unter-suchungszeitraum durch die Diskussion um eine Kenn-zeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungs-mittel und die Umsetzung von EU-Vorgaben zurRegulierung des Anbaus gentechnisch veränderter Nah-rungsmittel in deutsches Recht genügend Aktualität, diees erwarten ließ, in Presse und Netz auch ausreichend ak-tuelles Material in Form von Artikeln und Stellungnah-men zu finden.

Methode

Zur Erfassung des Diskurses über „Genfood“ wurden dreiAnalyseebenen gewählt. Es wurde zunächst eine Stich-probe thematisch relevanter Texte sowohl aus dem Inter-net als auch aus der Presse inhaltsanalytisch untersucht.Zweitens wurde versucht, die Kommunikationsstrukturenzum Thema „Genfood“ im Netz durch die Verknüpfungder aufgefundenen Internetangebote untereinander (Hy-perlinks) nachzuzeichnen. Drittens wurden schließlichausgewählte Websites hinsichtlich der angebotenen kom-munikativen Formate und insbesondere der angeboteneninteraktiven Kommunikationsmöglichkeiten bewertet.

Inhaltsanalyse von Texten im Internet und in Massenmedien

Die Inhaltsanalyse von Texten in beiden Gattungen rich-tete sich in erster Linie auf eine Identifikation und Klassi-fizierung der Anbieter der Texte, der in den Texten alsHandelnde oder Sprecher erwähnten Akteure, der ange-sprochenen Themen sowie der vorgebrachten Forderun-gen, Positionen und Argumente. Hierzu wurden die the-matisch einschlägigen Texte erfasst, die im Zeitraum vom24. Mai bis zum 3. August 2004 in den folgenden Zeitun-gen bzw. Zeitschriften erschienen: Frankfurter Allge-meine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Tageszeitung,Die Welt, Bild, Der Spiegel, Focus und Die Zeit. DieMehrzahl der zur Analyse herangezogenen 148 Artikelerschien von Ende Mai bis Ende Juni. In diesen Zeitraumfielen folgende für die öffentliche Diskussion des Themas„Genfood“ relevanten Ereignisse:

– die Androhung einer Klage gegen die Regierung vonSachsen-Anhalt durch Greenpeace, um die Veröffent-lichung von geheim gehaltenen Versuchsfeldern zumAnbau von gentechnisch verändertem Mais durchzu-setzen (24. Mai),

– die Diskussion und Verabschiedung der Novelle desGentechnikgesetzes durch den Deutschen Bundestag(18. Juni) sowie

Drucksache 15/6015 – 98 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– die Entscheidung in einem Rechtsstreit über angebli-che Bestandteile gentechnisch veränderter Futtermittelin Produkten der Unternehmensgruppe Theo Müller(„Müller Milch“) zwischen besagtem Unternehmenund Greenpeace (zuungunsten der Klägerin Green-peace) (23. Juni).

Während bei der Analyse der massenmedialen Texte eineKompletterfassung der (in den berücksichtigten Zeitun-gen) publizierten Texte erfolgen konnte, war ein entspre-chendes Vorgehen für die im Netz verfügbaren Texte zumThema nicht möglich.

Hier wurde jeweils am 21. Juni 2004 und am 3. August2004 eine Internetrecherche mittels „Google“ durch-geführt. Dabei wurden verschiedene für das Thema „Gen-food“ einschlägige Suchworte bzw. Suchwortkombinatio-nen eingegeben und in den entsprechendenSuchergebnislisten nach einschlägigen Artikeln gesucht.Ziel war es, insgesamt 120 einschlägige Texte für dieAnalyse zu identifizieren. Um für jede der sechs Such-wortkombinationen zehn einschlägige Texte zu erhalten,musste, beginnend mit dem ersten Eintrag der Suchergeb-nisliste, durchschnittlich bis zum 15. Eintrag vorgegan-gen werden. Knapp 35 Prozent der Suchergebnisbeiträgehatten keinen hinreichenden Bezug zum Thema „Gen-food“. Insgesamt wurden so 119 Texte identifiziert und indie Analyse einbezogen. Auf diese Weise sollte dieSuchstrategie eines Internetnutzers simuliert werden, dersich der populärsten Suchmaschine in typischer Weise be-dient, also nur Ergebnisse zur Kenntnis nimmt, die aufden vorderen Plätzen stehen.

Damit wurden die Informationsmöglichkeiten zumThema außen vorgelassen, die sich im Netz für Nutzer er-geben, die keine Suchmaschinen verwenden – und statt-dessen z. B. ihre Netznutzung auf einzelne Portale be-schränken, auf Onlineangebote etablierter Massenmedienzurückgreifen oder – insbesondere im Fall eines starkenInteresses an der Thematik – gezielt Informationen aufeinschlägigen Seiten ihnen bekannter NGOs oder staatli-cher Stellen suchen. Es wurde somit ein besonderes Cha-rakteristikum der Informationsmöglichkeiten im Netz fo-kussiert, nämlich die schnelle und unaufwändigeRecherche mittels der populärsten Suchmaschine.

Hyperlinkanalyse

Der öffentliche Raum im Internet wird auch durch dieVerknüpfung verschiedener Angebote und Texte durch sogenannte Hyperlinks für den Nutzer strukturiert. DurchLinks, die auf andere Texte bzw. andere Anbieter im In-ternet verweisen, werden sozusagen „Wegweiser“ durchdie Unübersichtlichkeit des Netzes angeboten. Die zen-trale Fragestellung der Hyperlinkanalyse war: WelcheAkteure (sog. Ausgangsakteure) verweisen auf ihrenWebsites auf welche anderen Akteure („Zielakteure“) undtreten somit, ähnlich wie Journalisten, die Akteure oderInformationsquellen direkt oder indirekt zitieren, als„gatekeepers“ auf? Dazu wurden auf der Basis der Text-analyse zunächst relevante Anbieter von Informationen

zum Thema „Genfood“ identifiziert. Als solche wurdendiejenigen Akteure definiert, die bei den ersten Suchläu-fen am 21. Mai 2004 unter den ersten fünf Treffern in derErgebnisliste der Suchmaschine auftauchten. Auf dieseWeise wurden 17 Akteure identifiziert (siehe Liste, Tab. 7am Ende des Kapitels), deren Websites nach Hyperlinks(Verweise auf externe Seiten, nicht auf andere Texte im sel-ben Angebot) durchsucht wurden. Aus der Gesamtzahl vonüber 300 000 identifizierten Links wurden diejenigen aus-gefiltert, auf die von mindestens drei Websites der Aus-gangsakteure verwiesen wurde, und die einen engen Bezugzum Thema „Genfood“ aufwiesen. Auf diese Weise wur-den 69 Akteure identifiziert, auf die 244 Hyperlinks entfie-len. Weiterhin wurden die Verlinkungen zwischen den„Ausgangsakteuren“ erfasst.41 Neben dem Grad der kom-munikativen Dichte und den Akteursallianzen können soauch dominante und periphere Positionen einzelner Ak-teure innerhalb eines allerdings kleinen (und aufgrund derdargelegten Suchstrategie: speziellen) Ausschnitts desOnlinediskurses identifiziert werden.

Websites-Analyse

Um mögliche Auswirkungen auf die Gestaltungs- und In-teraktionsmöglichkeiten von Individuen und Gruppen wieauch auf die generelle Qualität des politischen Diskurseszu erfassen, wurden die Websites von 27 Akteuren, dieauf der Basis der Textrecherche bzw. der Hyperlinkana-lyse als besonders relevant erschienen, auf formale undinhaltliche Gestaltungsmerkmale untersucht. Bei derAnalyse der Websites stand im Vordergrund, wer zu denzentralen Anbietern zum Thema „Genfood“ zählt, welchePositionen diese Anbieter zu „Genfood“ einnehmen undwo sie verortet sind. Hier ließ sich zusätzlich zur Erfas-sung von Akteuren in der Textanalyse prüfen, ob im Netzzum Thema „Genfood“ ein relativ breites Spektrum vonAkteuren und Positionen vorhanden war. Daneben warenaber vor allem die Formate auf den untersuchten Websitesvon Interesse. Welchen Stellenwert haben interaktive For-mate, Selbstdarstellungen politischer Akteure oder solcheFormate, die ein breiteres Publikum zu politischen Hand-lungen mobilisieren wollen? Sind im Internet tatsächlichandere Formen der politischen Kommunikation zu erken-nen, die nicht den üblichen journalistischen Kriterien un-terliegen?

ErgebnisseHypothese I: AkteursspektrumDas Internet wird vielfach als ein Kommunikationsme-dium bezeichnet, das zivilgesellschaftlichen Akteurenneue Möglichkeiten der politischen Artikulation bietet.Wenn diese These (Kap. III) zutrifft, dann müssten die imInternet aufgefundenen Websites und Textangebote sichgegenüber der Presseberichterstattung durch die Reprä-

41 Von den 17 Ausgangsakteuren wurden nur 13 in die Analyse einbe-zogen. Vier fielen heraus, da ihr Angebot nicht auf einen der identifi-zierten Zielakteure (mit mindestens drei Links) verwies oder sich dieangebotenen Links als thematisch nicht einschlägig erwiesen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99 – Drucksache 15/6015

sentanz einer größeren Bandbreite von Sprechern bzw.Akteuren bzw. einen höheren Anteil an kleinen und res-sourcenschwachen Akteuren auszeichnen. Dies lässt sichin Bezug auf die durchgeführte Textanalyse durch dieFrage nach den in den untersuchten Internet- bzw. Presse-texten vorwiegend zu Wort kommenden Akteuren über-prüfen. Hierbei ist nach dem Spektrum der Anbieter vonTexten zu fragen, aber auch nach dem Spektrum von Ak-teuren, auf die in den Texten verwiesen wird bzw. die hierzu Wort kommen. Was die Anbieter von Texten angeht,so sind dies im Falle der Presseanalyse die Zeitungenselbst. Im Falle der Internetanalyse bieten sich die Anbie-ter an, deren Texte von der führenden Suchmaschine„Google“ hoch eingestuft werden. Ein direkter Vergleichzwischen massenmedialer und Internetöffentlichkeit istalso auf dieser Ebene nicht möglich. Aussagekräftig istsomit allein die Verteilung der Anbieter von Internettex-ten zum Thema „Genfood“ (siehe Tab. 1).

Auffällig ist zunächst die Dominanz der Akteurskategorie„Medien“ auch im Internet. Die Mehrzahl der Texte(51 Prozent) zum Thema „Gentechnisch veränderte Nah-rungsmittel“ stammt auch im Internet (jedenfalls in demdurch die dargelegte Suchstrategie eröffneten Teilbereichdes Gesamtangebots) von Medienanbietern. Die gerade inBezug auf das Angebot politischer Inhalte im Netz viel-fach vertretene These von der Dominanz der Massenme-dien im Internet scheint sich also in diesem Fall zu bestä-tigen. Die Dominanz der Massenmedien wird allerdingsdadurch etwas relativiert, dass 34,5 Prozent der Texte, dieder Anbieterkategorie „Medien“ zugeordnet sind, tatsäch-lich von reinen Internetmedien – also Portalen, die nichtvon Presse- oder TV-Unternehmen betrieben werden –stammen. Die Tatsache, dass die nach den Medien zweit-häufigste vertretene Kategorie zivilgesellschaftliche Ak-teure und Non-Profit-Organisationen sind – noch vor eta-blierten politischen Institutionen und Organisationen(Staat und Parteien), und deutlich vor Industrie und pri-vatwirtschaftlichen Organisationen (sozioökonomischeInteressengruppen) – unterstützt allerdings die These,dass das Internet als politischer Raum gerade unterreprä-sentierten Gruppen bessere Artikulationsmöglichkeitenverschafft. Relativierend ist aber festzuhalten, dass es sichbei den identifizierten zivilgesellschaftlichen Akteurenz. T. ebenfalls um durchaus ressourcenstarke und organi-sierte Akteure wie z. B. Greenpeace handelt. Einzelperso-nen oder lose organisierte Gruppen von Einzelpersonenmachen einen Anteil von 12 Prozent der identifiziertenAnbieter aus. Interessant ist auch, dass zwar mit demBundesinstitut für Risikoforschung ein zentraler staatli-cher Akteur prominent als Anbieter von mindesten dreiTexten, die beim ersten Download unter den ersten fünfSuchergebnissen erschienen, vertreten ist (Tab. 7 am Endedes Kapitels). Bemerkenswerterweise sind aber weder dieBundesregierung (z. B. das BMVEL) noch einzelne Poli-tiker oder Bundestagsabgeordnete mit ihren Webauftrittenin der Liste der Anbieter von durch Google identifiziertenTexten vertreten, obwohl doch in den Erhebungszeitraumeine intensive politische Debatte um die Umsetzung vonEU-Richtlinien in deutsches Recht fällt.

Ta b e l l e 1

Anbieter der Internettexte nach Akteurskategorien

Quelle: Rucht et al. 2004, S. 30

Vergleicht man das Spektrum der in den Internettextenund den Pressetexten als Sprecher oder Handelnde er-wähnten Akteure, zeigt sich kein signifikanter Unter-schied. Anders als bei den Anbietern spielen staatlicheAkteure als Sprecher oder Handelnde auch im Interneteine deutlich wichtigere Rolle (d. h. sie kommen häufigervor) als zivilgesellschaftliche Akteure. Auch sozioökono-mische Interessengruppen (Industrieverbände, Unterneh-men) sind häufiger vertreten. Zivilgesellschaftliche Ak-teure kommen in den Internet- und den Zeitungstextenannähernd gleich häufig vor. Allerdings ergibt eine Auf-schlüsselung der zivilgesellschaftlichen Akteure, dass dasSpektrum der Akteure in den Internettexten breiter ist.Anders als in den Zeitungen kommen im Netz auch Kir-chen sowie Gesundheits- und Verbraucherschutzverbändevor.

Die These, dass der politisch öffentliche Raum des Inter-nets weitaus internationaler (globaler) sei als die massen-medial repräsentierte Öffentlichkeit, wird von der Ana-lyse der geografischen Verortung der erwähnten Akteuretendenziell bestätigt. Schon bei den durch die (deutsch-sprachige) Google-Recherche gefundenen Texten entfal-len immerhin rund 26 Prozent auf Anbieter aus dem Aus-land bzw. auf Akteure, die internationalen Organisationenzuzurechnen sind (EU oder UN). Deutlicher – auch imVergleich zur Presseberichterstattung – wird die interna-tionale Ausrichtung des Internets bei der Analyse der inden Texten angesprochenen Akteure. Während in der Zei-tungsberichterstattung die genannten Akteure deutlichüberwiegend aus Deutschland kommen (71,5 Prozent),stellen solche in den Internettexten nur einen Anteil von27,9 Prozent. Im Internet sind es überwiegend ausländi-sche und internationale Akteure, die genannt werden. Dengrößten Anteil der Sprecher in den Internettexten machenAkteure aus dem Ausland aus (39,3 Prozent; gegenüber14,8 Prozent in den Pressetexten). Daneben spielen insbe-sondere Akteure aus dem Kontext EU eine herausragendeRolle in den Internettexten (27,4 Prozent; gegenüber10,6 Prozent in der Zeitungsberichterstattung).

Häufigkeit in %

Staat und Parteien 23 19

sozioökonomische Interessengruppen 4 3

Zivilgesellschaft, non-profit 29 24

Medien 61 51

Sonstige 2 2

gesamt 119 100

Drucksache 15/6015 – 100 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 2

Hyperlinkstruktur nach Herkunftsländern (in Prozent)

* Die Kategorie „international“ bezieht sich auf alle internationalen Ebenen außerhalb Europas.Quelle: Rucht et al. 2004, S. 75

Zielakteure

Ausgangs-akteure AT BE CH DE UK USA Eu-

ropa EUinter-natio-nal*

gesamt%

gesamtN

DE 2 2 1 52 6 5 5 10 18 100 102

EU 0 25 0 0 0 25 0 25 25 100 4

AT 23 2 4 28 7 7 2 11 16 100 138

gesamt % 14 2 2 37 7 7 3 11 17 100

gesamt N 34 6 6 91 16 16 8 26 41 244

Die größere Bedeutung ausländischer und internationaler Selbstdarstellungen und Positionspapiere von Akteuren

Akteure im Kommunikationsraum Internet bestätigt auchdie Hyperlinkanalyse (siehe Tab. 2). Knapp zwei Drittelder identifizierten Hyperlinks, die von insgesamt 13 beider Textrecherche als zentral identifizierten Akteuren aus-gehen (neun aus Deutschland, drei aus Österreich und eineEU-Organisation), verweisen auf Websites ausländischerAkteure. Von den Websites der neun deutschen Akteure,die als Ausgangspunkt der Linkanalyse ausgewählt wur-den, weisen immerhin 46 Prozent der Links auf die Web-sites von Akteuren aus dem nicht deutschsprachigen Aus-land bzw. auf die Websites internationaler Organisationen(z. B. EU). Auch wenn Hyperlinks zunächst nur ein Ange-bot zur Kommunikation und Information darstellen, istdennoch deutlich, „[…] dass der kommunikative Raum,den zentrale Akteure in Bezug auf das Thema ‘Genfood’durch Hyperlinks zu anderen Akteuren bilden, durchausPotenziale einer grenzüberschreitenden Information undKommunikation bietet“ (Rucht et al. 2004, S. 79)

Hypothese II: Spektrum der repräsentierten Argumente und Positionen

Verbunden mit der These der Repräsentanz eines breite-ren Spektrums an politischen Akteuren im Netz ist die Er-wartung, dass hier im Vergleich zu den Massenmedienauch ein breiteres Spektrum von Positionen und Argu-menten vertreten ist. Das Netz sollte offener sein auch fürrandständige Themen und Positionen. Zudem wird erwar-tet, dass auch ein breiteres Spektrum kommunikativerbzw. textlicher Formate im Internet vertreten ist. Zumin-dest bei umstrittenen Themen (wie „Genfood“) ist zu ver-muten, dass das Netz nicht allein als Plattform für „Infor-mation“ und „Meinung“ fungiert, sondern auch alsMedium der „Mobilisierung“ (Aufrufe zu Aktionen).

Wie die Auswertung der in der Recherche zum Thema„Genfood“ gefundenen Texte zeigt, stehen dem Internet-nutzer bei Wahl der dargelegten Suchstrategie in der TatTextformate wie Expertisen, Gesetzestexte und auch

zur Verfügung. Zumindest aber der Zugriff über eine Such-maschine (siehe Tab. 3) führt überwiegend zu Hintergrund-artikeln und Nachrichten, also zu typischen journalistischenTextformen, während andere Formen zwar erscheinen, aberdoch in einem vergleichsweise geringen Umfang. So führtedie Suchmaschinenrecherche nur zu zwei Treffern derTextsorte „Nutzerbeiträge“, also zu einem – dem Internetals Spezifikum zugeschriebenen – interaktiven Format. Im-merhin machte die Textsorte „Positionspapier/Programma-tik“ noch 9,2 Prozent der gefundenen Texte aus. Es wurdeaber nur ein Text gefunden der dem Format „Protestaufruf“zuzuschreiben war. Auf der Ebene der Textanalyse lässtsich somit die These einer signifikanten Häufigkeit der Nut-zung des Internets als Medium der politischen „Mobilisie-rung“ nicht bestätigen (ein Eindruck, der durch die Web-sites-Analyse [s. u.] relativiert wird).

Festzuhalten ist die offensichtliche Bedeutung des Netzesals Raum der Selbstdarstellung (Positionen, Organisa-tionsformen, Arbeitsfelder und Arbeitsweise) verschiede-ner Akteure, die in dieser Form in der massenmedialenKommunikation nicht möglich ist.

Eine Analyse der Formen politischer Stellungnahme oderpolitischen Handelns, über die in den Texten selbst berich-tet wird, zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischenNetzkommunikation und Presseberichterstattung. VerbaleStellungnahmen, d. h. Zitate oder Berichte über von ver-schiedenen Akteuren artikulierte Meinungen, Positionenetc. machen das Gros in beiden Medien aus, gefolgt vonBerichten über „staatliche Entscheidungen“, etwa zurKennzeichnungspflicht bei gentechnisch verändertenLebensmitteln, oder zur Ausgestaltung der rechtlichen Re-gelung für die Freisetzung gentechnisch veränderter Nutz-pflanzen in Deutschland – Themen, die im Untersu-chungszeitraum die politische Diskussion dominierten.Verweise auf Protestformen wie Flugblatt, Besetzung,Blockade und Boykott fanden sich in den Internettextenkeine, während solche Formen politischer Aktion in derPresseberichterstattung immerhin Erwähnung fanden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 101 – Drucksache 15/6015

Ta b e l l e 3

Texttypen im Internet und in den Zeitungen

Quelle: Rucht et al. 2004, S. 36

Internet Zeitungen

Anzahl in % Anzahl in %

Kommentar 2 1,7 18 12,2

Hintergrundartikel/Infomaterial 52 43,7 57 38,5

Nachrichten 34 28,6 46 31,1

Interview 4 2,7

Leserbriefe/Nutzerbeiträge 2 1,7 20 13,5

Positionspapier, Programmatik 11 9,2

Protestaufruf 1 0,8

Pressemitteilung 3 2,5

Forschung, Expertisen 2 1,7

Lehre 6 5,0

Gesetze und Verordnungen 3 2,5

Sonstige 3 2,5 3 2,0

gesamt 119 100 148 100

Deutliche Unterschiede fanden sich dagegen hinsichtlichder Unterthemen (oder Kontexte), mit denen das Ge-samtthema „Genfood“ in Verbindung gebracht wurde.Sowohl bei den Internettexten wie bei den Zeitungstextenspielt in der Auseinandersetzung mit dem Thema der As-pekt „staatliche Regulierung“ die wichtigste Rolle(39,1 Prozent Internet, 37,2 Prozent Zeitungen). Auchwenn der Aspekt Verbraucherschutz in der Pressebericht-erstattung (17 Prozent) häufiger eine Rolle spielt als inden Internettexten, weist der Anteil von 22,1 Prozent derInternettexte (versus 13,5 Prozent der Presseartikel), diesich mit dem Thema Gesundheit, Ökologie und Sozialesim Kontext der „Genfood“-Debatte befassen, auf einestärkere Betonung der genfoodkritischen Risikoaspektehin. Die wird auch durch eine Bewertung der in den Tex-ten vorherrschenden Tendenz bestätigt. Die untersuchtenTexte im Internet beurteilen das Thema „Genfood“ we-sentlich häufiger negativ (51 Prozent) als die zum Ver-gleich herangezogenen Zeitungsartikel (42 Prozent).Gleichzeitig berichten die Zeitungsartikel häufiger positiv(24 Prozent) und häufiger ambivalent (13 Prozent) überdas Thema als die Internettexte (18 Prozent bzw.8 Prozent). Keine oder eine neutrale Position vertrat inbeiden Mediengattungen etwas mehr als ein Fünftel derTexte (Internet: 23 Prozent, Zeitungen: 21 Prozent).

Die weitere Analyse der in den einzelnen Texten jeweilsvorkommenden Stellungnahmen pro oder kontra „Gen-food“ zeigt dann deutlich, dass im Netz stärker polarisiertwird als in der Presseberichterstattung. Zwar wird auchdie Presseberichterstattung stark von der Tendenz des je-

weiligen Organs geprägt. So ist z. B. die Berichterstat-tung zu „Genfood“ in der „TAZ“ überwiegend negativund in der „Welt“ überwiegend positiv. Innerhalb der je-weils in der Tendenz positiven oder negativen Artikel fin-den sich dann aber oft auch zur Tendenz des Artikels ge-genläufige Positionen oder Argumente wieder. Dasjournalistische Format sorgt also für eine, wenn nicht aus-gewogene, so aber doch Pro- und Kontra-Argumente be-rücksichtigende Berichterstattung. Dies trifft für die imNetz aufgefundenen Texte nicht im gleichen Maße zu.

Die Zahl gefundener positiv bzw. negativ gestimmterTexte hängt von der eingegebenen Suchwortkombinationab (siehe Tab. 4): Bei Suchwortkombinationen mit „Gen-food“ oder „genmanipuliert“ werden deutlich mehr nega-tiv gestimmte Texte (68 Prozent) gefunden, bei Such-wortkombinationen mit „gentechnisch“, „genetisch“ oder„genverändert“ beträgt der Anteil negativer Texte33 Prozent und es überwiegen Texte, die gentechnischveränderte Nahrungsmittel eher positiv beurteilen(40 Prozent). Die Suchstrategie bestimmt also in diesemFall, welche Tendenz das erschlossene Angebot aufweist.Personen, die mit dem eher abwertenden Suchbegriff„genmanipuliert“ recherchieren, eröffnet sich ein Infor-mationsangebot, das offensichtlich von gentechnikkriti-schen Anbietern und Texten dominiert ist, während sichdem mit dem eher neutralen Begriff „genverändert“ ope-rierenden Nutzer ein – bezüglich der Bewertung von„Genfood“ – deutlich anderes Informationsangebot (eine„andere Öffentlichkeit“) erschließt.

Drucksache 15/6015 – 102 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 4

Tendenz der Unterthemen nach Suchwortkombinationen und Zeitungen

Quelle: Rucht et al. 2004, S. 45

positiv negativ ambi-valent

neutral/keine

Tendenzgesamt

in % in % in % in % Anzahl in %

Google-Suchen

„Genfood“, „genmanipulierte“, „genmanipulierte Lebensmittel“

22 68 37

357 100

„gentechnisch veränderte“, „gen-veränderte“, „genetisch veränderte“

40 33 918

277 100

gesamt 30 53 6 12 634 100

Zeitungen

FAZ 47 43 1 9 115 100

WELT 39 48 4 9 161 100

FR 31 54 4 11 54 100

SZ 36 54 2 8 101 100

TAZ 31 53 4 12 191 100

gesamt 37 51 3 10 622 100

Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass die politischeKommunikation zum Thema „Genfood“ im Internet sichdoch deutlich entlang politischer Positionen strukturiert.Wenn auch nicht unbedingt davon gesprochen werdenkann, dass auf den per Suchmaschine aufgefundenenWebsites ein im Vergleich zur Presse eingeschränktesSpektrum von Positionen vertreten bzw. abgebildet ist, sohat es doch den Anschein, dass dort kritische Positionenstärker vertreten sind und weniger als in den journalis-tisch geprägten Presseberichterstattungen Pro- und Kon-tra-Positionen nebeneinander gestellt werden. Dies impli-ziert aber nicht unbedingt, dass im Vergleich zur Presseein Verlust an argumentativer Qualität politischer Kom-munikation zugunsten eines eher agitatorischen Stils vor-herrschen würde. Eine Kategorisierung der in den einzel-nen Texten aufgefundenen politischen Stellungnahmendanach, ob diese mit Gründen untermauert bzw. unbe-gründet wiedergegeben wurden, ergab keinen signifikan-ten Unterschied zum Medium „Zeitung“ (siehe Tab. 5).

In gewisser Weise wird allerdings die These von der Seg-mentierung des öffentlichen Raums Internet durch diesesErgebnis gestützt. Es ist ein breites Spektrum von Meinun-gen und Positionen vertreten, die einzelnen Angebote sindaber für andere Positionen und Meinungen nur wenigdurchlässig. Hinweise dafür gibt es auch aus der Hyper-linkanalyse (siehe Tab. 6). Von den als Ausgangspunkt derAnalyse gewählten 13 Akteuren waren vier der Kategorie„staatliche Akteure“, vier der Kategorie „Zivilgesellschaft/NGO“ und fünf der Kategorie „Medien“ zuzuordnen.

56 Prozent der von diesen Akteuren ausgehenden Linksverweisen auf die Websites staatlicher, 27 Prozent auf dieWebsites zivilgesellschaftlicher Gruppen und NGOs, nur15 Prozent auf die von Medien (überwiegend Internetme-dien). So gut wie nicht kommen Links zu Akteuren der Ka-tegorie Wirtschaft/sozioökonomische Gruppen vor. Deut-lich ist vor allem, dass es nur wenige Verbindungenzwischen den verschiedenen Akteurskategorien gibt. Staat-liche Akteure verweisen vorwiegend auf staatliche Ak-teure, zivilgesellschaftliche vorwiegend wiederum auf Ak-teure der gleichen Kategorie.

Das gleiche Bild eines eher segmentierten denn durchläs-sigen und offenen Kommunikationsraums zum Thema„Genfood“ ergibt sich, wenn man die Quell- und Zielak-teure der Links nach ihrer inhaltlichen Position unter-scheidet. Von den (insgesamt sieben) Ausgangsakteuren,die negativ zu „Genfood“ eingestellt sind, gehen54 Prozent der Links auf Websites von Akteuren, dieselbst eine negative Haltung gegenüber gentechnisch ver-änderten Nahrungsmitteln haben (nur 13 Prozent aufWebsites von positiv eingestellten Akteuren). Von denQuellen, die der Kategorie „Zivilgesellschaft/NGO“ zu-gerechnet wurden, gehen 77 Prozent der Links auf Web-sites von Akteuren mit negativer Haltung zu „Genfood“.42

42 Nur ein Akteur, der zu den 13 ausgewählten Quellen gehört, ist ge-genüber Genfood positiv eingestellt, daher können bezüglich dieserKategorie keine validen Schlüsse gezogen werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103 – Drucksache 15/6015

Ta b e l l e 5

Begründete und unbegründete politische Stellungnahmen

Quelle: Rucht et al. 2004, S. 48

Ta b e l l e 6

Hyperlinkstruktur nach Akteurskategorien (in Prozent)

Quelle: Rucht et al. 2004, S. 73

Internet Zeitungen

Anzahl in % Anzahl in %

begründet 342 55,6 316 54,2

unbegründet 273 44,4 267 45,8

gültige gesamt 615 100 583 100

gesamt 634 635

Zielakteure

Ausgangsakteurestaatliche Akteure/Parteien

Wirt-schaft/

sozioökon. Gruppen

Zivilgesell-schaft/NGOs

Medien gesamt % gesamt N

staatliche Akteure 78 2 10 10 100 83

Zivilgesellschaft/NGOs 14 0 66 20 100 44

Medien 56 3 24 16 100 117

gesamt Prozent 56 2 27 15 100

gesamt N 137 6 65 36 244

Hypothese III: Modus politischer Kommunikation Stellungnahme oder politisches Handeln) aufgefordert

Bei der Textanalyse konnte die dem Internet oft zuge-schriebene Qualität, Interaktivität zu fördern, nicht bestä-tigt werden. Unter den aufgefundenen Textformatenspielten Wortmeldungen von Nutzern so gut wie keineRolle. Weiteren Aufschluss in dieser Frage sollte dieAnalyse der Formate der aufgefundenen Webauftritteselbst erbringen (also nicht der durch die Suchmaschineaufgefundenen einzelnen Texte). Eine Einordnung dervon den ausgewählten 27 Websites angebotenen Formatein die Kategorien Information, Selbstdarstellung, Mobili-sierung und Diskussionsforum bestätigte den schon durchdie Textanalyse gewonnenen Eindruck, dass der Kommu-nikationsmodus Information überwiegt (25 der 27 Web-sites) und dass daneben die Akteure das Netz vor allem zurSelbstdarstellung, d. h. zur Präsentation der eigenen Akti-vitäten, Programme oder Positionen nutzen (19 der unter-suchten Websites wiesen entsprechende Formate auf).Immerhin zehn Websites enthielten Inhalte, die der Kate-gorie „Mobilisierung“ zuzuordnen sind, in denen also derNutzer zu einer Form politischer Aktivität (politische

wird. Dieses Format fand sich vorwiegend auf Websitesvon zivilgesellschaftlichen Akteuren (unterschiedlicheGruppen von Greenpeace stellten allein sechs dieserWebsites). Das Angebot an Nutzer, selbst Beiträge alsAutor auf der Website zu veröffentlichen, fand sich nurbei vier der ausgewählten Internetangebote.

Die Besonderheit des Internets als Raum politischerKommunikation wird oft an den Möglichkeiten derMany-to-many-Kommunikation festgemacht, da hier diein der massenmedialen Kommunikation bestehendeAsymmetrie von wenigen Sendern und vielen Empfän-gern tendenziell aufgehoben ist. Dies ist z. B. dadurch ge-währleistet, dass Nutzern die Möglichkeit eröffnet wird,Texte als Autoren auf einer Website zu publizieren. Ent-sprechende Angebote (wie Diskussionsforen, Weblogsund Chats) fanden sich bei fünf der untersuchten Web-sites. Dabei handelte es sich in drei Fällen um Internetpor-tale und in zwei Fällen um Portale zivilgesellschaftlicherAkteure. Häufiger fanden sich interaktive Many-to-one-Angebote, wie z. B. Formulare, mittels derer jeder Nutzer

Drucksache 15/6015 – 104 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Fragen an den Anbieter der Website richten kann, oderauch Onlinepostkartenaktionen, bei denen Nutzer eineMitteilung an politische Entscheidungsträger verschickenkönnen. Während sich bei sieben der neun zivilgesell-schaftlichen Akteure und fünf der sechs Internetportaleinteraktive Angebote dieser Art fanden, waren es bei denstaatlichen Akteuren nur vier von elf.

Die Möglichkeit, über das Internet direkt zu politischemHandeln aufzufordern (Mobilisierung), wie auch das in-teraktive Potenzial des Netzes als Plattform für politischeDiskussion werden also durchaus genutzt. In erster Liniegeht es aber – ähnlich wie bei Zeitungen – auch bei denuntersuchten Websites darum, einem breiten NutzerkreisInformationen über das Thema „Genfood“ anzubieten.Neben diese Funktion tritt vor allem die Möglichkeit, dieArbeit und Ziele der eigenen Organisation zu präsentie-ren. Auch eine Kategorisierung des „Stils“ der Gesamt-Webpräsenzen erbrachte, dass die Mehrzahl der Websites,nämlich 15, durch einen deskriptiven oder verlautbaren-den Kommunikationsstil geprägt ist. Weitere acht Web-sites waren durch einen eher agitatorischen und polemi-sierenden Kommunikationsstil geprägt, während nur dreiWebsites als „diskursiv“ eingestuft wurden.

Auch im Internet dominieren demnach also – bei den re-lativ leicht aufzufindenden Websites – Interaktionen nachdem Muster „one to many“. Dennoch ist hier im Ver-gleich zu herkömmlichen Massenmedien die interaktiveQualität des Netzes deutlich höher zu veranschlagen. Esbesteht zumindest die Möglichkeit auch für die indivi-duellen Nutzer, ihre Positionen neben denen von organi-sationsstarken Akteuren zu platzieren: „Anders als in Zei-tungen, die Themen und Sprecher rigoros filtern, stehenim Internet die Angebote großer und mächtiger Akteuregleichermaßen neben denen von kleinen und schwachenAkteuren“, wenn auch eine deutlich höhere Sichtbarkeitvon auch in der Offlinekommunikation dominanten Ak-teuren gegeben ist (Rucht et al. 2004, S. 94). Obwohl derAdressatenkreis, den große wie kleine Anbieter im Netzansprechen, theoretisch eine riesige Zahl von Menscheneinschließt, dürfte es – aufgrund des Selektionsmechanis-mus der Suchmaschinen und auch der Wahrnehmungs-muster der Nutzer – eher so sein, dass die Angebote ins-besondere der kleinen Akteure nur relativ wenigeAdressaten erreichen.

Fazit

Bei aller Vorsicht, die wegen der Begrenztheit des Aus-schnitts aus der Internetkommunikation, der durch dievorliegende Analyse erfasst wurde, geboten ist, lassensich doch einige Einsichten gewinnen, durch die gängigeAnnahmen zur politischen Kommunikation im Netz teilsbestätigt, teils relativiert werden. Ergebnisse der Text-und der Linkanalyse stützen die Annahme, dass sich imNetz ein breiteres Spektrum von Akteuren breitenwirk-sam artikulieren kann als in der massenmedialen Öffent-lichkeit. Zwar dominieren „starke“, gut organisierte Ak-teure, aber neben solchen haben doch auch Akteure, diekaum Zugang zur massenmedialen Öffentlichkeit haben,die Chance, im Netz wahrgenommen zu werden. Deutlichwird auch die im Vergleich zur Presse ausgeprägte inter-

nationale oder grenzüberschreitende Ausrichtung derNetzkommunikation. Dem interessierten Nutzer wirddurch Suchmaschinen und Hyperlinks (auch bei einerdeutschsprachigen Suche) die Möglichkeit eröffnet, sichauch über die Positionen ausländischer und internationa-ler Akteure sowie auch zunehmend wichtiger transnatio-naler Regulierungsinstanzen (wie der EU) ein Bild zu ma-chen.

Dass die Netzkommunikation von zivilgesellschaftlichenAkteuren dominiert wäre, lässt sich so hinsichtlich deruntersuchten Websites nicht bestätigen. Deutlich ist aller-dings das Überwiegen eher kritischer Positionen zumThema „Genfood“. Bemerkenswert ist auch, dass hier beiden Anbietern von Informationen zum Thema „Genfood“zivilgesellschaftliche Akteure durchaus eine Rolle spie-len, während (abgesehen vom Bundesinstitut für Risiko-bewertung) Angebote der Bundesregierung oder von Par-teien nicht aufgefunden wurden.

Bezüglich der argumentativen Qualität der recherchiertenTexte ließ sich kein relevanter Unterschied zur Behand-lung des Themas „Genfood“ in der Presse feststellen.Festhalten lässt sich, dass die Bandbreite von Texttypenund Formaten größer und das argumentative Spektrumzum Thema „Genfood“ zumindest nicht enger ist als inder Presseberichterstattung. Allerdings erschließt sichdieses Spektrum im Internet erst durch die Zusammen-schau voneinander unabhängiger oder nur durch Linksverbundener Texte. Von vergleichsweise geringerer Be-deutung sind Texte, die, journalistischen Normen entspre-chend, das Für und Wider von „Genfood“ gegeneinanderabwägen (wenngleich auch die klassischen journalisti-schen Formate das Gros der Texte ausmachen). Dagegenfanden sich bei der gewählten Suchstrategie im Interneteher Positionen zum Thema in authentischer Art undWeise – also viele Stellungnahmen, Dokumente etc. vonAkteuren selbst und weniger Berichte über solche Stel-lungnahmen. Das Internet erscheint hier demnach eher alsein Raum zur Selbstdarstellung und Verlautbarung als einMittel zur journalistischen Berichterstattung, wobei sichandererseits aber auch relativ wenige Texte finden ließen,die ausdrücklich zu politischem Handeln, zur Teilnahmean Kampagnen u.ä. aufriefen. Es lässt sich somit – imSinne der Segmentierungsthese – durchaus vermuten,dass es netzbasierte Kommunikation stärker als die Re-zeption der massenmedialen Berichterstattung erlaubt,nur einen bestimmten Ausschnitt aus dem öffentlichenMeinungsspektrum wahrzunehmen bzw. (siehe den Ef-fekt der Suchbegriffe) überhaupt erst aufzusuchen.

Es fällt auf der Basis der vorliegenden Untersuchungschwer, ein Urteil über die Bedeutung von interaktivenAngeboten, also eines neuen Modus politischer Kommu-nikation im Netz zu fällen. Möglichkeiten von Many-to-one- und Many-to-many-Kommunikation wurden auf denuntersuchten Websites durchaus aufgefunden, sind aberoffensichtlich auch bei ressourcenstarken NGOs undstaatlichen Akteuren kein Standard. Um weitere Aussa-gen über die Bedeutung der interaktiven Formate machenzu können, wären Untersuchungen zur Intensität undQualität der Nutzung der aufgefundenen Angebote nötig,die im Rahmen dieser Studie nicht durchgeführt werdenkonnten.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 105 – Drucksache 15/6015

Ta b e l l e 7

Anbieter aus dem ersten Download der Suchmaschinenanalyse*

höchster Rang Vorkommen

N %

Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft 1 1 2

Brainbows (Genfood.at) 1 3 5

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 1 2 3

Greenpeace Deutschland 1 2 3

Paradisi.de 1 1 2

Radio Eins Live (WDR) 1 2 3

Bionet 2 1 2

BIOPRO Baden-Württemberg GmbH 3 1 2

FH Darmstadt, Studiengang Online-Journalismus 3 1 2

Greenpeace, Gruppe Saar 3 1 2

ORF Science 3 2 3

Hauske, Thomas 4 1 2

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (Österreich) 4 2 3

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. 4 2 3

Evangelischer Entwicklungsdienst 4 1 2

Greenpeace, Koblenz 4 1 2

Flensburg meint (Stadtbuch-Redaktion Flensbuch) 5 1 2

Initiative zum Verbot genmanipulierter Nahrung 6 3 5

Konrad-Adenauer-Stiftung 6 1 2

Universität Mainz, DaF 6 1 2

Vista Verde (Portal für Umwelt – Natur – Nachhaltigkeit) 6 2 3

Bredtstedt im Internet 8 1 2

FAZ 8 1 2

Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz & Lebensmittel-sicherheit 8 2 3

NDR (Norddeutscher Rundfunk, Fernsehen) 8 2 3

Telepolis – Magazin der Netzkultur 8 5 8

Campaign to ban genetically engineered foods 9 3 5

Wissenschaft.de 9 1 2

TransGen – Transparenz für Gentechnik bei Lebensmittel 10 2 3

WDR 10 2 3

Scientificjournals (Portal für Fachzeitschriften) 11 1 2

Drucksache 15/6015 – 106 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

* Alle Akteure, die innerhalb der Google-Ergebnisliste auf Rang 1 bis 5 vorkamen, sind grau unterlegt. Alle Akteure, die mindestens dreimal in derTextanalyse als Anbieter vorkamen, sind kursiv gesetzt.

Quelle: Rucht et al. 2004, S. 59 f.

EUFIC, Europäisches Informationszentrum für Lebensmittel 12 2 3

Mannheimer Versicherung (Champ – Versicherungen für junge Leute) 12 1 2

ZDF Heute 12 1 2

MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) 14 1 2

Internationales Komitee der vierten Internationalen (World Socialist Website) 15 1 2

Netzeitung.de 17 1 2

www.gesundheit.de 21 1 2

Kantonales Labor Zürich 22 1 2

gesamt 61 100

höchster Rang Vorkommen

N %

VI. Schlussfolgerungen und größeren Veränderungen in diesem Bereichen mit sich

n o c h Tabelle 7

Handlungsoptionen

In der vorliegenden Untersuchung wurde die Bedeutungdes Internets für demokratische Politik aus einer be-stimmten normativen Perspektive heraus untersucht, diesich sowohl demokratietheoretisch begründen lässt(Kap. III) als auch dem internationalen programmati-schen Konsens zur „E-Demokratie“ (Kap. IV) entspricht.Sie ist in einem Konzept „digitaler Demokratie“ enthal-ten, mit dem vor allem auf die Möglichkeit abgestelltwird, die netzbasierte Kommunikation im Rahmen einerstärker responsiv und partizipativ ausgerichteten reprä-sentativen Demokratie zu nutzen. Dieses Verständnis di-gitaler Demokratie ist vor allem durch die folgenden zweiGrundannahmen gekennzeichnet, nämlich dass

– durch das Internet eine Belebung bürgerschaftlichenEngagements und zivilgesellschaftlicher politischerBeteiligung möglich ist, und

– das Internet erheblich dazu beitragen kann, einen en-geren Austausch zwischen Politik und Bürgern zu ver-wirklichen.

Anvisiert werden also zwar starke, aber eben nicht funda-mentale Veränderungen der Politik in demokratischenGesellschaften, was im Gegensatz zu den Ambitionen derBefürworter direkter Demokratie steht. Kritisch hinter-fragt wird aber auch die – seit dem Platzen der „NewEconomy“-Blase modisch gewordene – Einschätzung,das Internet sei – nach einigen Turbulenzen in der Früh-phase der Massenverbreitung – nahezu bruchlos in die be-stehenden Strukturen politischer Öffentlichkeit integriertworden, habe politische Prozesse lediglich technisch mo-dernisiert und werde auch in absehbarer Zukunft keine

bringen.

Zwar ist tatsächlich kein fundamentaler Wandel im Sinneeiner Systemveränderung festzustellen. Auch wenigerdramatische Prognosen waren offenkundig – zumindesthinsichtlich des Tempos vieler Entwicklungen – falsch.Im Wandel der kulturellen Grundlagen demokratischerGesellschaften und politischer Öffentlichkeit, der zivilge-sellschaftlichen Nutzung des Internets wie auch im Be-reich staatlicher Onlinediskussionsangebote lassen sichaber Anzeichen dafür finden, dass Besonderheiten netz-basierter Kommunikation bereits Auswirkungen zeitigenund auch neue Fragen aufwerfen. Die sich – zum Teil ra-sant, zum Teil eher schleppend – vollziehende Integrationdes Internets in das politische Leben verläuft tatsächlichan vielen Stellen weder bruchlos noch unspektakulär.Kulturelle und politische Praktiken der Internetnutzunghaben sich noch nicht verfestigt, viele Nutzungsweisenwirken vorläufig, unfertig oder dem Internet unangemes-sen. Die Veränderungen entsprechen aber keineswegsdurchgängig den Hoffnungen, die mit dem Leitbild der„digitalen Demokratie“ verbunden sind. Es überwiegenim Gegenteil – sowohl bei der praktischen Realisierungals auch grundsätzlich – offene Fragen und Anlässe zurSkepsis.

Durch die Nutzung massenmedial etablierter Formate inder netzbasierten Kommunikation und die – oft gewalt-sam wirkende – Einpassung des Internets in bestehendeStrukturen und herkömmliche Verfahren hat das Netzselbst sich zweifellos stark verändert. In den diesbezügli-chen Klagen z. B. vieler Internetpioniere und frühen Nut-zer wird aber die Komplexität des „hybriden Massenme-diums“ Internet ausgeblendet. Was für den Zeitzeugen,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 107 – Drucksache 15/6015

der die besonders experimentierfreudigen frühen Jahreder Netzkultur miterlebt hat, wie eine irrelevante oderschlechte Kopie vergangener Praxis wirken mag, kanneben nicht nur für die Mehrzahl der heutigen Nutzer et-was qualitativ Neues darstellen, sondern zudem auch(u. a. durch die Quantität der Netzkommunikation imWWW) eine weit höhere politische und kulturelle Rele-vanz als frühe Experimente besitzen. Damit sollen Ten-denzen der Habitualisierung in der individuellen Nutzungsowie der massenmedialen und kommerziellen Durch-dringung der Inhalte nicht in Abrede gestellt werden. DieNetzöffentlichkeit hat sich aber auch in jüngerer Zeitnicht nur quantitativ fortentwickelt – und dabei die Gren-zen der alten Netzkultur tatsächlich weit überschritten –,sondern auch an Traditionen aus den früheren Phasen an-geknüpft oder in dieselbe Richtung zielende Innovationenhervorgebracht. Die Frage, inwieweit diese netzkulturel-len Traditionen und Neuerungen für die große Masse derInternetnutzer relevant sind oder werden können, lässtsich pauschal nicht beantworten. Als ein übergreifendesund allgemeines Fazit dieser Untersuchung kann aberfestgehalten werden, dass – aus der eingenommenen Per-spektive digitaler Demokratie heraus – die Gesamtent-wicklung weiterhin im Fluss und ergebnisoffen erscheint.Wohin sie führt, ist auch – und keineswegs zuletzt – eineFrage des politischen Gestaltungswillens.

1. Das Internet – eine neue Form politischer Öffentlichkeit?

Zur Beschreibung und Bewertung des Internets als Raumpolitischer Kommunikation wird im Folgenden der Ver-such unternommen, die allgemeinen Strukturen undMerkmale der durch das Internet konstituierten politi-schen Öffentlichkeit zu charakterisieren. Dies erfolgt, so-weit möglich, durch Verweise auf die oben referierten Er-gebnisse der Forschung. Allerdings kann die ehertheoretisch angeleitete Charakterisierung nicht für sich inAnspruch nehmen, in allen Aspekten durch die oben imEinzelnen beschriebenen Befunde zur politischen Kom-munikation im Netz gedeckt zu sein, da die zur Verfü-gung stehende empirische Basis hierzu nicht ausreicht

Öffentlichkeit ist (und bleibt auf absehbare Zeit) in Mas-sendemokratien im Wesentlichen massenmedial vermit-telte Öffentlichkeit. Schon die These eines Strukturwan-dels der Öffentlichkeit (Habermas 1996) – nach der dieStaatsbürger von aktiv beratenden Teilnehmern am Poli-tikprozess auf die Rolle eines zuschauenden und bloß ak-klamierenden Publikums reduziert werden – ist im We-sentlichen an der vermittelnden Rolle der Massenmedienfestgemacht. Die hier angesprochenen „Verfallserschei-nungen“ setzen sich in der so genannten „Mediendemo-kratie“ fort. Dabei wird in letzter Zeit auch verstärkt einBedeutungsverlust des nationalen Parlaments durch dasWechselspiel von Regierung, EU und Massenmedienkonstatiert.

Trotz der unbestreitbaren zentralen Funktion der Massen-medien für die Herstellung von Öffentlichkeit in moder-nen Demokratien und der damit verbundenen Konse-quenz einer Reduzierung von Öffentlichkeit auf die

Vermittlung zwischen politischen Eliten hier und (akkla-mierendem) Publikum dort kann bezweifelt werden, dassÖffentlichkeit sich hierin erschöpft (Schmalz-Bruns1995). Neben der massenmedial vermittelten Öffentlich-keit existieren durch zivilgesellschaftliche Gruppen kon-stituierte Teilöffentlichkeiten, deren Bestreben es ist, ihreThemen und Anliegen auf der Agenda der allgemeinenpolitischen Öffentlichkeit zu platzieren, und die durchPublikationen und Events selbst (teil)öffentliche Räumepolitischer Kommunikation schaffen (Schmalz-Bruns1995). Öffentlichkeit lässt sich als komplexe, zwischenpolitischem System, Lebenswelt und spezialisierten Teil-systemen (Wirtschaft, Wissenschaft etc.) vermittelndeStruktur bezeichnen, zu der episodische (Straßen-)Öffent-lichkeit ebenso gehört wie veranstaltete Öffentlichkeit(von Parteiveranstaltungen oder Demonstrationen, Ver-einsversammlungen etc.). Teil dieser Struktur ist eineVielzahl zwar spezialisierter, aber füreinander durchlässi-ger und dem Laien durchaus prinzipiell zugänglicherTeilöffentlichkeiten (wie z. B. kirchliche, künstlerische,feministische und sozial- oder wirtschaftspolitische) (Ha-bermas 1992b, Kettner 2004). Die massenmedial vermit-telte Öffentlichkeit fungiert als allgemeine Öffentlichkeit,auf die Akteure Einfluss zu nehmen versuchen, um ihreAnliegen als im allgemeinen Interesse liegend darstellenzu können. Dabei hängt es von der Legitimität der Anlie-gen sowie den Machtressourcen der Akteure, aber auchvon den Selektionskriterien der Massenmedien – Nach-richtenwert von Ereignissen, vermutetes Publikumsinte-resse etc. – ab, welche Akteure es als Sprecher und wel-che Anliegen es als Thema auf die Bühne der allgemeinenÖffentlichkeit schaffen.

Das Internet hat bisher diese bestehenden Strukturennicht wesentlich verändert. Nach wie vor und wohl auchweiterhin ist politische Öffentlichkeit ein durch Massen-medien vermittelter Raum politischer Kommunikationmit mehr oder weniger festgeschriebenen Rollen. Es istaber darüber hinaus ein Potenzial des Internets zur Ergän-zung dieser Strukturen, und in Ansätzen auch eine Reali-sierung dieses Potenzials zu erkennen. Befürchtungen be-stehen hinsichtlich der Auswirkungen des Internets aufdas Zeitungswesen: dass nämlich die Onlineangebote deretablierten Medienanbieter in diesem Bereich die Kriseder Branche eher noch verschärfen als abmildern helfen.

Das Internet als Öffentlichkeit ist der massenmedial ver-mittelten Öffentlichkeit nur schwer vergleichbar, da esvon seiner Struktur her eher „einem verschachteltenKommunikationsnetzwerk“ (Siedschlag 2004, S. 55) ent-spricht als einem sozialen Kommunikationsfeld oder ei-ner öffentlichen Arena mit Sprecher- und Publikumsrol-len und vermittelnden Kommunikatoren (Journalisten).Durch die im Internet prinzipiell gegebene Möglichkeit,zwischen den Rollen des Senders und des Empfängers zuwechseln, und der damit gegebenen unüberschaubarenVielzahl an Sendern, sowie mit dem Fehlen von (profes-sionellen) Kommunikatoren, die als Filter von Informa-tionen fungieren, ist eine eigene Struktur von Öffentlich-keit gegeben, die sich von der massenmedialenÖffentlichkeit unterscheidet.

Drucksache 15/6015 – 108 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zugang zur Öffentlichkeit

Während Massenmedien als Filter fungieren, die bestim-men, was aus der Vielfalt der Sprecher, Meinungen undThemen als öffentlich wahrnehmbar und damit als öffent-lich relevant erscheint, existieren solche Filter im Internetnicht oder nur in Ansätzen. Damit ist der Zugang zur Öf-fentlichkeit als Sprecher sowohl von den technischen alsauch den sozialen Bedingungen her erleichtert. Jeder PC-Nutzer mit Internetanschluss ist im Prinzip in der Lage,sein politisches Anliegen „ins Netz zu stellen“. Er mussnicht die durch bestehende Aufmerksamkeitsstrukturenund Themenkonjunkturen bestimmten Filter der Massen-medien passieren. Gerade hieran machen sich Erwartungeneiner neuen, für die Artikulation auch nicht organisierterInteressen zugänglichen politischen Internetöffentlichkeitfest. Diese Möglichkeiten werden durchaus bereits ge-nutzt: Für politisch Aktive und Interessierte kann dasNetz eine interessante Erweiterung der Möglichkeiten zurpolitischen Artikulation sein. Zivilgesellschaftliche Grup-pen, deren Zugang zu den Massenmedien eher beschränktist, nutzen das Netz zur Selbstdarstellung und zur direk-ten Kommunikation mit Mitgliedern und Sympathisan-ten. Wie sich u. a. an der Repräsentation des Themas„Genfood“ im Netz zeigen ließ, kann dadurch das imNetz auffindbare Spektrum an Meinungen und Positionendurchaus breiter sein als das in den Massenmedien ver-fügbare, auch für den zwar thematisch interessierten, abernicht über größere Vorkenntnisse und die Zeit für aufwän-dige Recherchen verfügenden Nutzer. Zudem bieten sichden interessierten Bürgern vielfältige Möglichkeiten dernetzöffentlichen Artikulation auf eigenen Webpräsenzenoder in den Internetforen, Chats, Mailinglisten, Gästebü-chern etc., die von politischen Organisationen und Institu-tionen angeboten werden.

Sichtbarkeit im Netz

Die Artikulation im Netz ist aber nicht im gleichen Sinneöffentlich wie die Artikulation als Sprecher in den Mas-senmedien. Während mit der Veröffentlichung in Presse,Rundfunk und Fernsehen öffentliche Aufmerksamkeit ingewissem Maße gegeben ist, muss Aufmerksamkeit fürpolitische Anliegen im Internet erst hergestellt werden.Erforderlich ist das mehr oder weniger gezielte Aufsu-chen der entsprechenden Website durch die Nutzer. DieBereitschaft hierzu ist in der Regel nicht bei einem allge-meinen Publikum vorhanden, sondern eher bei bereits or-ganisierten oder thematisch interessierten Minderheiten.Das Internet kann deshalb auch in noch stärkerem Maße– als dies mit der Diversifizierung der Massenmedien be-reits gegeben ist – als eine Ansammlung vieler von einan-der mehr oder weniger deutlich abgegrenzter Teilöffent-lichkeiten verstanden werden. Solche Teilöffentlichkeitenkönnen bei vorhandener geteilter Betroffenheit bzw. star-ken geteilten politischen Anliegen – wie das Beispiel derDebatte zum Thema Urheberrecht zeigt – durchaus rechtaktiv sein. Solche Teilöffentlichkeiten sind aber nur fürdie Interessierten sichtbar, die diese aktiv aufsuchen müs-sen.

Der aktive Rezipient

De facto sind es für die große Mehrheit der Nutzer vor-wiegend die bevorzugt genutzten Portale sowie die Such-maschinen, die eine Auswahl aus der Vielfalt der im Netzverfügbaren Informationen treffen. Fundstellen, die aufden Listen der Suchmaschinen auf den ersten Plätzen er-scheinen, haben eine größere Chance, vom Rezipientenwahrgenommen zu werden. Zwar muss auch in der mas-senmedial durch Presse, Funk und Fernsehen vermitteltenÖffentlichkeit letztlich der Rezipient aus dem Angeboteine Auswahl nach seinen Interessen und Relevanzkrite-rien vornehmen. Hier liegt allerdings das Angebot in rela-tiv übersichtlicher, allen gleich verfügbarer Form (als Ar-tikel, Sendung etc.) vor, so dass sich sozusagen einobjektiv vorhandener öffentlicher politischer Raum zumThema X zu einem bestimmten Zeitpunkt rekonstruierenlässt. Dieser besteht im Falle des Internets jeweils nur inder Gesamtheit der – von Institutionen und Organisatio-nen aller Art sowie von Initiativen und Einzelpersonen –„ins Netz gestellten“ Angebote. Aus dieser nur potenziellverfügbaren Gesamtheit kann sich jeder Nutzer seine ei-gene Auswahl zusammenstellen. Hierin ist die Chancegrößerer Unabhängigkeit und Freiheit der Informations-beschaffung, aber auch die Gefahr des „information over-load“ begründet. Empirischen Untersuchungen zufolgeist der Anteil der aktiv nach neuen Websites suchendenInternetnutzer mittlerweile relativ gering und im Wesent-lichen auf „Informationseliten“ und junge Netznutzer be-schränkt.

Information aus erster Hand

Mit dem Wegfall von massenmedialen Filterfunktionensind nutzerseitig enorm verbesserte Zugangsmöglichkei-ten zu Informationen entstanden. Da mittlerweile kaumein relevanter politischer Akteur (staatliche Institutionen,öffentliche Einrichtungen, Parteien, gesellschaftlicheGruppen, Wirtschaftsunternehmen etc.) auf einen mehroder weniger umfangreichen Auftritt im Netz verzichtet,ist es dem kompetenten Nutzer prinzipiell möglich, sichunmittelbar bei den Quellen zu einem politischen Themaumfangreiche Informationen von unterschiedlichen Sei-ten relativ schnell und preiswert zu beschaffen. Auchwenn das Internet inhaltlich (von der Quantität her) domi-niert wird von kommerziellen und Unterhaltungsangebo-ten, ist es als Medium zur Information über das politischeTagesgeschehen durchaus (insbesondere für Jüngere, fürJournalisten und politisch stark interessierte Bürger) vonBedeutung. Politisch Interessierte nutzen die gegenüberder massenmedialen Berichterstattung bestehenden Vor-teile der Information „aus erster Hand“. Die Nutzung dererheblichen Breite von Informationsmöglichkeiten setztaber Medienkompetenz und ein gewisses Maß an politi-scher Bildung voraus.

Qualität und Kritik

Mit dem Fehlen von „gatekeepers“ gibt es im Internetauch keine vorab durch professionelle journalistischeStandards gewährleistete Bewertung und Selektion vonInformationen nach Kriterien der Qualität, Seriosität, Re-

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levanz und Validität. Es ist dem Nutzer – quasi als Preisfür den freien Zugang – selbst auferlegt zu selektieren.Dabei kann er nun zwar seine eigenen Relevanzkriterienin Anschlag bringen und ist nicht von denen der Massen-medien abhängig. Dies setzt aber – wie gesagt – auch er-hebliches (politisches) Wissen und Medienkompetenz vo-raus. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass dieinteraktive und vernetzte Struktur der Kommunikation imNetz, entstehende Formate kollektiven Schreibens unddie Möglichkeit zur wechselseitigen Kommentierung vonTexten die Funktion einer kollektiven Qualitätssicherungwenigstens ansatzweise erfüllen können. Im Internet sindInformationsangebote zwar keiner Vorauswahl, aber öf-fentlicher Kritik ausgesetzt. Erhöhte Kritikfähigkeit desNutzers als Teil der Medienkompetenz ist damit eine we-sentliche Voraussetzung für die Realisierung der Autono-mie des Rezipienten.

Interaktion und politische Stellungnahme

Das Internet bietet im Gegensatz zu den Massenmedienvielfältige Möglichkeiten der Interaktivität. Dies impli-ziert nicht nur, dass jeder Nutzer auch zum Sender oderSprecher werden kann, sondern auch die Möglichkeitendes direkten Meinungsaustauschs, des Gespräches, derDebatte oder gar des anspruchsvollen Diskurses. Es be-steht offensichtlich bei politisch interessierten Nutzerndurchaus ein Interesse an politischen Chats und Foren.Allerdings werden die interaktiven Möglichkeiten derNetzkommunikation – auch z. B. von zivilgesellschaftli-chen Gruppen – anscheinend bisher nur in vergleichs-weise geringem Umfang genutzt. Das Netz scheint – we-gen des fehlenden Engpasses massenmedialer Filter –eher als Medium der Selbstdarstellung und der öffentli-chen politischen Stellungnahme interessant zu sein dennals Medium des Meinungsaustauschs oder Diskurses(Kap. V.3). Organisierte Diskurse z. B. in staatlichen On-lineforen zeitigen aber durchaus positive Resultate undauch in professionellen Zusammenhängen (Forschung,Unternehmen etc.) haben Onlinediskussionen an Bedeu-tung gewonnen.

Netzöffentlichkeit und politisches System

Aus der Struktur von Internetöffentlichkeit ergibt sicheine im Vergleich zur massenmedialen Öffentlichkeit„mittelbare“ Beziehung zum politischen System. Massen-mediale Öffentlichkeit kann als Ort der Beratung öffentli-cher Angelegenheiten und als Schnittstelle zwischen Zi-vilgesellschaft und politischem System zur Ausbildungeiner das politische System orientierenden (oder irritie-renden) öffentlichen Meinung verstanden werden. Ent-scheidend ist dabei, dass Themen, Anliegen und Meinun-gen durch die Massenmedien eine erhöhte Chanceerhalten, im politischen System wahrgenommen oder vondiesem aufgegriffen zu werden. Schon indem ein ThemaGegenstand massenmedialer Berichterstattung wird, kannes in der „Mediendemokratie“ mit politischer Aufmerk-samkeit rechnen. Im Vergleich dazu sind die Schnittstel-len zwischen Onlineöffentlichkeit und politischem Sys-tem eher schwach. In der Regel müssen online generierte

Themen die Aufmerksamkeit der Massenmedien weckenund von diesen aufgegriffen werden, um ihren Weg in daspolitische System zu finden.

Interaktion zwischen Staat und Bürgern

Allerdings bietet das Internet auch neue Möglichkeitender Vermittlung von gesellschaftlichen Anliegen in daspolitische System und des direkten Austauschs von Poli-tik und Bürgern im Onlinedialog. Für die Frage nach derQualität des Internets als politische Öffentlichkeit sinddementsprechend insbesondere die erweiterten Möglich-keiten direkter Interaktion zwischen Staat (Parlament,Regierung und Administration) auf der einen und Bürge-rinnen und Bürgern auf der anderen Seite von Bedeutung –und hier insbesondere für das Parlament, dem im Systemrepräsentativer Demokratie die Rolle der Schnittstellezwischen Öffentlichkeit und Regierung zukommt. Die in-teraktiven Möglichkeiten werden sowohl von Re-gierungen als auch von Parlamenten mittlerweile vielfachgenutzt. Zu unterscheiden ist dabei u. a. zwischen offe-nen, unverbindlichen Diskussionsangeboten zu aktuellenpolitischen Fragen und Diskussionsangeboten zur Einbe-ziehung von Betroffenen und Interessierten in laufendeProzesse politischer Meinungsbildung und Entschei-dungsfindung. Eine konkrete Anbindung besteht dann,wenn die relevanten politischen Akteure regelmäßig überdie inhaltlichen Beiträge der Bürger informiert werdenoder sich sogar an den Diskussionen beteiligen und – alsMindestvoraussetzung – Auswertungen der Diskussions-ergebnisse durchgeführt und netzöffentlich bereitgestelltwerden. Ein weiteres Element mit Potenzial zur Stärkungder Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit und Politik istdie Nutzung von Onlineforen zur Modernisierung desAnhörungswesens. Wie vor allem die britischen parla-mentarischen Erfahrungen mit Onlinekonsultationen ge-zeigt haben, kann hier durch zielgruppenspezifische Onli-nediskussionen ein erheblicher Mehrwert gegenüberanderen Maßnahmen der E-Partizipation in diesem Be-reich (Onlineumfragen, E-Mail-Einreichungen von Stel-lungnahmen, Web-TV etc.) erreicht werden. Das Internetspielt aber – z. B. in Großbritannien und auf EU-Ebene –auch eine wichtige Rolle in Bezug auf die nicht diskursi-ven Elemente von Anhörungen (z. B. durch die Möglich-keit, Stellungnahmen per E-Mail einzureichen, und dieDurchführung von begleitenden Onlineumfragen zumAnhörungsthema).

E-Demokratie als Herausforderung

Insgesamt kann bisher aber, trotz des umfangreichen An-gebots und einzelner gelungener Onlineforen, nicht voneiner systematischen Nutzung von Onlinediskussionenals Beitrag zur Profilierung des von den meisten Regie-rungen propagierten Projekts „E-Demokratie“ gespro-chen werden. Die Angebote von Parlamenten und Re-gierungen stoßen aber durchaus auf Interesse beiInternetnutzern und auch in eher unverbindlichen Diskus-sionsangeboten für jedermann überwiegen die sachlichenBeiträge meist gegenüber der pauschalen Politikerschelte.Gerade weil Interesse und Erwartungen bei (vor allem

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auch jüngeren) Nutzern in der Regel groß sind, werdendie mangelnde Klarheit bei der Zielsetzung der Diskussi-onsangebote und das in der Regel mangelnde Feedbackder Politik zum Problem. Die Integration von Onlinedia-logangeboten in die bestehenden Strukturen der repräsen-tativen Demokratie stellt sowohl hinsichtlich materiellerwie auch politisch-kultureller und institutioneller Rah-menbedingungen eine Herausforderung dar, der man mitunkoordinierten, von der Funktion her eher unklaren undnur minimal betreuten Angeboten nicht gerecht wird.Ebenfalls zu konstatieren ist, dass zentrale Anlaufstellenfür die bürgerschaftliche E-Partizipation in Deutschlandfehlen.

Deliberation und Netzöffentlichkeit

Aus den technisch gegebenen Möglichkeiten der Interak-tion sowie der offenen Netzstruktur (Kap. I) speisen sichErwartungen, dass politische Kommunikation im Netzden deliberativen Charakter von Demokratie unterstützenkönne (Kap. III). Bei der Einschätzung der Realisierbar-keit und bisherigen Realisierung dieser Erwartungen istzunächst in Rechnung zu stellen, dass eine Voraussetzungvon deliberativer Demokratie – ein für alle gleichermaßengewährleisteter Zugang zur politischen Öffentlichkeit –hinsichtlich des Netzes nicht besteht. Sicher bieten sichfür (tendenziell wenige) Aktivbürger verbesserte Infor-mations- und auch Kommunikationsmöglichkeiten. All-gemein gilt dies jedoch allenfalls im Prinzip. Wegen feh-lender technischer Voraussetzungen bzw. – langfristigwohl entscheidender – Medienkompetenz bieten sichdiese Möglichkeiten für viele Bürger in der Realität nicht(Kettner 2004). Wenn auch das Netz durch den prinzipiellmöglichen Wechsel von der Publikumsrolle in die Spre-cherrolle die Möglichkeit reziproker Kommunikation unddamit eine wesentliche Voraussetzung für politische Deli-beration bereitstellt, sind doch die Erfahrungen mit On-lineforen – schon gar solchen, die eine Verbindung vonDebatten im Netz und Willensbildungsprozessen in denInstitutionen der repräsentativen Demokratie herstellen –zu spärlich, als dass man ihr Potenzial für eine Revitali-sierung der Demokratie durch Deliberation einschätzenkönnte.

Segmentierte Öffentlichkeit

Wahrscheinlicher (und z.T. auch beobachtbar) ist eine In-tensivierung politischer Debatten in motivierten Teilöf-fentlichkeiten, die dann auch Effekte auf die allgemeineÖffentlichkeit haben können. Das Netz ermöglicht esGleichgesinnten oder Gleichinteressierten relativ pro-blemlos, Informationen und Meinungen auszutauschen.Dabei ist nicht von der Hand zu weisen, dass die schonfür die massenmediale Kommunikation feststellbare Seg-mentierung von Öffentlichkeit gefördert wird, mit mögli-chen negativen Folgen für die demokratische „Leistungs-fähigkeit“ politischer Öffentlichkeit allgemein. Einepositive Konsequenz ist aber die Erleichterung der Selbst-organisation der Gesellschaft und politisches Engagement(Marschall 1999), wovon allerdings auch Obskurantisten,rechtsradikale Gruppen und andere Gegner der Demokra-

tie profitieren können. Bei den politischen Akteuren wirdaber in der Regel ein Interesse vorhanden sein, mit demeigenen Anliegen Anschluss an die allgemeine Öffent-lichkeit zu finden, um hier um Unterstützung zu werben –womit sich die betroffene Teilöffentlichkeit der Kritik derNetzöffentlichkeit und der allgemeinen Öffentlichkeitstellt.

Politik und lebensweltliche Kommunikation

Nicht auszuschließen ist, dass die Möglichkeit direktenargumentativen Austauschs im Netz die als „Two-stepflow“ der Medienwirkung bekannten Prozesse unter-stützt: Medienberichterstattung wirkt demnach nichtdirekt auf Einstellungen und Meinungen von Medienrezi-pienten ein, sondern die Berichterstattung von Massen-medien bildet den Anlass für lebensweltliche Kommuni-kation in persönlichen Netzwerken, und erst über diesenVerarbeitungsschritt kann von einer Medienwirkung ge-sprochen werden. Die interaktiven Möglichkeiten derNetzkommunikation könnten nun diesen Verarbeitungs-prozess der nach wie vor von Massenmedien dominiertenpolitischen Berichterstattung unterstützen: „Nicht zuletztwegen des in netzbasierter Kommunikation erreichbaren,gegenüber Alltagskommunikation tendenziell höheren In-formationsniveaus, modifiziert Netzkommunikation denTwo-Step-Flow so, dass aus Konversation leichter undhäufiger konversationelle Deliberation wird, als in einemnicht durch Netzkommunikation erweiterten Two-Step-Flow Kommunikationsverhältnis.“ (Kettner 2004, S. 54).

Transnationale Öffentlichkeiten

Es kann trotz der schon mit der Verbreitung von Massen-medien einhergehenden Rede vom „globalen Dorf“ undtrotz des grenzüberschreitenden Charakters netzbasierterKommunikation bisher nicht von der Existenz einer – dienationalen Öffentlichkeiten überwölbenden – transnatio-nalen Öffentlichkeit ausgegangen werden (Kap. III.4 u.V.2). Politische Aufmerksamkeiten, Themen und dieBühne politischen Handelns insgesamt bleiben im We-sentlichen national bestimmt. Nicht zu verkennen sinddennoch die unter dem Begriff „Globalisierung“ zusam-mengefassten Prozesse einer engeren wirtschaftlichen,aber auch kulturellen und politischen Kopplung nationa-ler und regionaler Kontexte. Nationale Wirtschaft, Kulturund Politik sind nicht länger unabhängig und isoliert von-einander zu betrachten. Sie sind vielmehr angebunden anund überwölbt von internationalen Wirtschaftsprozessen,politischen Regimes und kulturellen Entwicklungen.Zweifellos hat netzbasierte Kommunikation einen erheb-lichen Anteil an diesen Prozessen. Die Internationalisie-rung von Finanz-, Waren- und auch Arbeitsmärkten setzteine grenzüberschreitende Kommunikationsinfrastrukturvoraus wie sie das Internet bietet. Ebenso unterstützt undbeschleunigt netzbasierte Kommunikation die schondurch die Massenmedien beförderten Prozesse kulturellerGlobalisierung. Weitgehend spekulativ müssen vorerst soweitreichende Thesen wie die eines durch netzbasierteKommunikation intensivierten Austauschs zwischen Kul-turen oder gar der Ausbildung eines netzbasierten Kos-

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mopolitismus als dominierende politische Mentalität blei-ben (Winter/Groinig 2004). Hinsichtlich politischerKommunikation lässt sich allerdings feststellen, dassdurch das Netz der internationale Austausch zwischen po-litischen Akteuren befördert wird und sich – zentriert umbestimmte globale Themen wie Umwelt, wirtschaftlicheGlobalisierung und soziale Gerechtigkeit – internationalvernetzte Bewegungen ausbilden, die in dieser Form ohnedie Möglichkeiten netzbasierter Kommunikation kaumvorstellbar wären (Kap. VI.2). Hier – aber zum Teil auchbei gezielten Angeboten der Politik z. B. auf EU-Ebene(Kap. IV.1) – entwickeln sich ansatzweise transnationaleÖffentlichkeiten, die allerdings von verschiedenen Res-triktionen – wie vor allem Sprachbarrieren und dem oftgeringen Kenntnisstand über andere Länder – beeinträch-tigt werden. Beim Beispiel des Diskurses über „Genfood“(Kap. V.3) zeigte sich eine im Vergleich zur Presse ausge-prägte internationale oder grenzüberschreitende Ausrich-tung der Netzkommunikation.

Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit?

Insgesamt werden, gemessen am Ideal einer bürgerlichenÖffentlichkeit, als Defizite zu kennzeichnende Merkmaleder Mediendemokratie durch netzbasierte politischeKommunikation wohl kaum vollständig zu beseitigensein. Hierzu zählt die für Massendemokratien kennzeich-nende thematische Fragmentierung von Öffentlichkeit,nach der sich einerseits die politische Öffentlichkeit ineine Vielzahl von thematisch spezialisierten Teilöffent-lichkeiten aufspaltet und andererseits die politische Öf-fentlichkeit selbst auf eine Spezialöffentlichkeit wie vieleandere reduziert wird. Das technische Potenzial des Net-zes trifft in der Mediendemokratie auf eine Teilung derÖffentlichkeit in Sprecher- und Adressatenrollen und aufeine politische Kultur, in der (die massenmedialen Kanäleergänzenden) Schnittstellen zwischen öffentlicher argu-mentativer Reflexion und politischer Entscheidung kaumausgebildet sind. Dem vorhandenen Potenzial der netzba-sierten Kommunikation, solche Schnittstellen technischzu realisieren, müsste auf der Ebene politischer Kultur dieBereitschaft zum ergebnisoffenen (und deshalb riskanten)politischen Diskurs und auf institutioneller Ebene eineentsprechende Anbindung von netzbasierter politischerKommunikation an Entscheidungsprozesse zur Seite ge-stellt werden.

Es ist nach einer Zeit weitreichender, teils euphorischerThesen zur Bedeutung des Internets als Raum politischerKommunikation mittlerweile geradezu en vogue, Netz-kommunikation als politisch bedeutungsloses Rauschenzu betrachten. Auch die Ergebnisse der vorliegenden Un-tersuchung stützen die weitreichenden Thesen vom Inter-net als neue demokratische Form politischer Öffentlich-keit nicht. Ebenso wenig aber geben sie Anlass, die Redevon der politischen Belanglosigkeit des Internets zu stüt-zen. Das Internet „[…] als Medium der politischen Kom-munikation bietet […] vor allem denen Vorteile, die ge-nau wissen, was sie suchen bzw. die einen bereitsbestehenden Kreis von Kommunikationsteilnehmern an-sprechen wollen. Jedoch steht nicht zu vermuten, dass dasInternet die politische Kommunikation revolutionieren

und die relative Reichweite und Bedeutung herkömmli-cher Medien reduzieren wird. Insofern stellt das Interneteine bedeutsame Erweiterung des politischen Kommuni-kationsraums dar, die bestehende Asymmetrien etwas ab-schwächen, aber keinesfalls beseitigen kann. Insgesamtgilt es zu berücksichtigen, dass politische Kommunika-tion nur einen winzigen Bruchteil der webgestütztenKommunikation ausmacht und vor allem diejenigen ein-bezieht, die ohnehin politisch interessiert und aktiv sind.Als Mittel der politischen Kommunikation bietet das In-ternet einige Vorteile aus der Sicht interessierter Bürge-rinnen und Bürger, wird aber in seiner Bedeutung alsMedium zur Aktivierung der Bürgerschaft und zur Demo-kratisierung von politischen Diskursen überschätzt“(Rucht et al. 2004, S. 90 f.).

2. Handlungsoptionen

Es gibt mithin bisher keine Anzeichen dafür, dass – wie inden 1990er Jahren erwartet – ein grundsätzlicher Wandelpolitischer Öffentlichkeit durch das Internet stattgefundenhätte. Weder lässt sich beobachten, dass die massenme-dial vermittelte Öffentlichkeit als Medium der Selektionvon Themen und Aufmerksamkeit und System der Ver-mittlung zwischen politischen Akteuren und Publikum anBedeutung verliert. Noch hat sich durch das Internet derGrad der Aktivierung politischer Bürgerschaft einschnei-dend verändert. Dennoch aber hat sich das Netz zum inte-gralen Bestandteil von Politikprozessen mit neuenMöglichkeiten der Information und Beteiligung von Bür-gerinnen und Bürgern und der Kommunikation zwischenPolitik und Bürgern etabliert. Aus den in der vorliegen-den Studie identifizierten durch netzbasierte Kommuni-kation induzierten Veränderungen politischer Öffentlich-keit lassen sich folgende Herausforderungen ableiten, aufdie sich Parlament, Regierung und Administration ein-stellen müssen:

– Auf Seiten politischer Akteure wird das Netz als Me-dium politischer Kommunikation (Selbstdarstellung,Mobilisierung) und auf Seiten der Nutzer als Quellepolitischer Information an Bedeutung gewinnen.

– Ohne, dass die massenmediale Öffentlichkeit an Be-deutung verlieren würde, werden eine Reihe von poli-tischen Prozessen im Internet stattfinden (politischeInformation, Meinungsbildung und Deliberation,Agenda Setting, Organisation und Mobilisierung) undin Form von Themen, Debatten, politischen Aktionenauf die massenmediale Öffentlichkeit ausstrahlen.

– Die Ausbildung virtueller politischer (Kommunika-tions-) Gemeinschaften (entlang von politischen Inte-ressen, Befindlichkeiten, Themen, Weltanschauungen)wird durch das Internet erleichtert. Damit nimmt nichtnur die Vielfalt politischer Kommunikation, sondernauch die Segmentierung von Öffentlichkeit zu.

– Die Ansprüche politisch interessierter und gut infor-mierter Bürger hinsichtlich des Zugangs zu politischenInformationen, der Transparenz politischer Prozesseund auch der Teilhabe an der Entscheidungsfindungüber das Netz werden wachsen.

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– Für Nutzergruppen mit geringer Kompetenz im Um-gang mit den Möglichkeiten der (politischen) Kom-munikation und Information im Netz (aufgrund vonsozioökonomischem Status, Bildungsabschluss, Alter)kann das Internet als Quelle politischer Informationund Teilhabe verschlossen bleiben.

– Die Offenheit des Netzes impliziert als negative Be-gleiterscheinung auch einen Mangel an Instanzen derQualitätssicherung. Die Bewertung der Zuverlässig-keit und Seriosität der Vielfalt der im Netz verfügba-ren Informationen und Quellen und entsprechende Se-lektionsprozesse könnten nicht nur für die letztgenannten Nutzergruppen zum Problem werden.

Unter dem Gesichtspunkt einer lebendigen „digitalen De-mokratie“ mit möglichst aktiven und gut informiertenBürgerinnen und Bürgern ist eine weitgehende Unterstüt-zung und Förderung derjenigen Strukturen und Prozessewünschenswert, die erweitertes bürgerschaftliches undpolitisches Engagement ermöglichen. Ebenso wäre – so-weit dies in der Macht von Regierung und Parlamentliegt – negativen Tendenzen („Digital Divide“, Segmen-tierung, Nivellierung von Informationen, antidemokrati-sche Aktivitäten im Netz) gegenzusteuern.

Politische Handlungsmöglichkeiten – mit unterschiedli-cher Reichweite – ergeben sich auf verschiedenen Ebe-nen, die im Folgenden kurz erläutert werden. Insbeson-dere für Parlamente eröffnen sich durch die Verbesserungder eigenen Webpräsenz, die Verlinkung mit Netzangebo-ten der Zivilgesellschaft sowie die stärkere Nutzung derinteraktiven technischen Potenziale Möglichkeiten, auchim Zeitalter politischer Netzkommunikation ihre Doppel-rolle als Forum politischer Debatten und als Scharnierzwischen Öffentlichkeit und politischem System wahrzu-nehmen.

Förderung der Medienkompetenz und Zugang zum Netz

Das Thema „Digital Divide“ ist lange Zeit vorwiegendunter dem Gesichtspunkt der Verfügung über den techni-schen Zugang zum Netz diskutiert worden. Die Gewähr-leistung eines Netzzugangs durch staatlich geförderte Ini-tiativen auch für solche Gruppen, die aus ökonomischenund sozialen Gründen von der Netzkommunikation aus-geschlossen sind, wird auch weiter von Bedeutung sein.Weitergehende Forderungen zur Sicherung der informa-tionellen Grundversorgung verlangen zudem die Garantieeines öffentlichen Zugangs zu Onlinediensten und dahereine verstärkte Bereitstellung von Netzzugängen in öf-fentlichen Einrichtungen sowie eine Subventionierungvon Netzzugängen in Privathaushalten finanziell schwa-cher Bevölkerungsgruppen (ähnlich dem System öffentli-cher Bibliotheken und Sozialtarifen bei Telefonanschlüs-sen) (Kuhlen 2002).

Für die Nutzung des Netzes zum Zwecke politischer In-formation und Artikulation sind aber inhaltliche Aspektedes „Digital Divide“ von mindestens ebenso großer Be-deutung. Aus den im Internet verfügbaren Informationenwird erst dadurch Wissen, dass diese sinnvoll in die Deu-

tungsmuster und Handlungszusammenhänge der Nutzereingeordnet und das heißt zunächst hinsichtlich ihrer Be-deutung bewertet werden. Voraussetzung hierzu ist, bezo-gen auf das Internet als Raum politischer Kommunika-tion, neben Kulturtechniken wie Lesen, Kategorien bildenund Klassifizieren, Filtern, Schreiben usw. vor allem eingewisses Maß an politischer Bildung.

Hieraus ergäbe sich zum einen die Aufgabe, das Internetals politischen Raum in den Curricula der schulischen po-litischen Bildung noch stärker zu berücksichtigen. Eswäre darüber hinaus aber auch über Maßnahmen nachzu-denken, wie über geeignete Webangebote soziale Grup-pen „abgeholt“ werden können, um sie an die sinnvolleNutzung des Wissensspeichers und Kommunikations-raums Internet heranzuführen. Es wäre also nicht die Nut-zung des Netzes an sich zu fördern, sondern es wären me-dienpädagogisch spezifische soziale und kulturelleInteressen aufzugreifen und diese als Anknüpfungspunktefür Angebote im Internet zu nutzen (Iske et al. 2004;Schönberger 2004a). Ansätze hierzu sind z. B. von Seitendes Deutschen Bundestages mit der Website „mitmi-schen.de“ für Jugendliche bereits gemacht worden. Derweitere Ausbau gruppen- bzw. themenspezifischer Ange-bote auf den Websites einschlägiger staatlicher Akteure,die dann auch den angesprochenen Gruppen durch ent-sprechende Linklisten und Empfehlungen Hilfestellungzur Erschließung des im Netz vorhandenen Angebots bie-ten, erscheint sinnvoll. In der Regel bieten zum BeispielRessortforschungseinrichtungen und andere öffentlich fi-nanzierte wissenschaftliche Einrichtungen im Netz einumfangreiches Angebot an Daten, Dokumenten, Publika-tionen etc., das für das jeweilige Fachpublikum von gro-ßem Wert ist, sich aber dem interessierten Laiennutzerkaum erschließt.

Medienkompetenz ist die Voraussetzung dafür, sich dieInformationsvielfalt des Netzes sinnvoll zu erschließen.Hierzu gehört insbesondere der kompetente Umgang mitden als Navigationshilfen fungierenden Suchmaschinen.Nicht nur müssen sinnvolle Suchwortkombinationen ein-gegeben werden, um die Informationsvielfalt ent-sprechend den Informationsbedürfnissen des Nutzers zureduzieren. Die von den Suchmaschinen gelieferten Er-gebnisse müssen auch hinsichtlich der Relevanz einge-schätzt werden können, weshalb pointiert davon gespro-chen wird, dass Bildung die beste Suchmaschine sei(Barber 2001b; s. a. Banse et al. 2001; Barber 2002).

Suchmaschinen sind in letzter Zeit zunehmend in die Kri-tik geraten, wegen des Mangels an Transparenz der beimRanking der Suchergebnisse angelegten Kriterien, vermu-teter Anfälligkeit für Manipulation der Suchergebnisse(z. B. durch gezielte Verlinkung von Webseiten) sowieder Frage, in welchem Umfang „Suchmaschinen“ inhalt-liche Kontrolle ausüben sollten, z. B. durch das Ausfilternrechtsradikaler Angebote aus den Suchergebnissen. Such-maschinen stellen im Netz Schaltstellen dar, die denfreien Zugang zu Informationen einschränken oder len-ken können. In welcher Weise hier durch die aktuelle Do-minanz der Suchmaschine „Google“ tatsächlich Problemeentstehen ist aber noch nicht klar. Auch sind die Durch-

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führbarkeit und die Wirksamkeit von Maßnahmen wie dievielfach geforderte Transparenz der Auswahlprozedurenumstritten. Transparenz von Auswahlkriterien könnte dieManipulation der Ergebnisse durchaus erleichtern undwiderspricht dem Geschäftsinteresse der Suchmaschinen-betreiber. Die Politik hat sich der Problematik durchausbereits angenommen (z. B. die Förderung der Entwick-lung von Suchmaschinen für den Wissenschaftsbereichdurch das BMBF und die einschlägigen Aktivitäten desUnterausschusses „Neue Medien“ des Deutschen Bun-destages). Eine weitere Beobachtung der Entwicklungund eine systematische Untersuchung zur Bedeutung undWirkung von Suchmaschinen sowie zu den verfügbarentechnischen und anderen Optionen zur Lösung der beste-henden Probleme ist angezeigt (s. a. Neuberger 2005).

Einwirkung auf die Netzöffentlichkeit – Vielfalt und Qualitätssicherung

Wenn auch im Internet für jeden die Möglichkeit besteht,sich im Netz zu artikulieren, so sind dennoch die Chan-cen, dabei in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu wer-den, ungleich verteilt. Zudem bestehen Herausforderun-gen hinsichtlich der Sicherung der Qualität politischerInformation und durchaus auch die Gefahr einer weiterenSegmentierung von Öffentlichkeit in Teilöffentlichkeiten,die für einander und für eine allgemeine Öffentlichkeitkaum wahrnehmbar sind. Zur Gewährleistung bzw. För-derung der Vielfalt und Qualität des politischen Kommu-nikationsangebots im Netz bieten sich verschiedene Vor-gehensweisen an:

– Zum einen kommt hier die zielgerichtete Unterstüt-zung der Webpräsenz von gesellschaftlichen Gruppenin Frage, die ansonsten im Netz nicht präsent wären.

– Zum anderen besteht die Möglichkeit, privat oder öf-fentlich getragene politische Qualitätsangebote imNetz zu unterstützen, die durch Verlinkungen undÜbersichten auch als Orientierungshilfen in der Viel-falt des politischen Webangebots sowie als Knoten-punkte für verschiedene Teilöffentlichkeiten fungierenkönnen.

– Zur Sicherung von Vielfalt und Chancengleichheitkann zudem die Subventionierung von unabhängigenStiftungen dienen, die hochwertige Webangebote be-reitstellen, z. B. zum Verbraucherschutz oder zu The-men wie Gesundheit, Umwelt etc.

Diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch eine Aus-weitung des Engagements des öffentlich-rechtlichenRundfunks im Bereich der Internetkommunikation (Neu-berger et al. 2004; Schulz et al. 2002). Ziel eines öffent-lich-rechtlichen Engagements müsste nach Maßgabe desArt. 5 GG die Gewährleistung der freien öffentlichen undindividuellen Meinungsbildung, die Sicherung der Mei-nungsvielfalt und der kommunikativen Chancengleich-heit sein (Hoffmann-Riem 2003). Gegen eine solcheAusweitung des Auftrags öffentlich-rechtlicher Rund-funkanstalten wird eingewandt, dass ein Mangel an Infor-mationsvielfalt, der die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Angebots rechtfertigen könnte, im Internet

gerade nicht besteht (Degenhart 2001). Dieser Einwandignoriert aber die Probleme des „information overload“und des Informationsmülls. Der Zugang zum Internet bie-tet noch keine Gewähr dafür, dass der Nutzer auch dievon ihm gesuchten Informationen erlangt. Es könnte„[…] ein durch Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG gedecktes Zielsein, Strukturen zu befördern, die es dem Bürger erlau-ben, sich angesichts der Vielzahl der Angebote zu orien-tieren und an bestimmte Informationen zu gelangen. Gehtman davon aus, dass bestimmte Informationen für denNutzer nur dann einen Wert haben, wenn sie von einer be-stimmten Qualität sind, so kann diese Gewährleistungauch umfassen, dafür zu sorgen, dass diese Qualität trans-parent wird“ (Schulz et al. 2002, S. 60, nach Neuberger etal. 2004).

Durch ein verstärktes Engagement der Öffentlich-Recht-lichen im Internet würden in der Netzöffentlichkeit sehrgut positionierte und qualitativ hochwertige Angeboteweiter an Bedeutung gewinnen (Schulz et al. 2002). Esließen sich auf diesem Wege möglicherweise Qualitäts-standards setzen, die zu einer allgemeinen Qualitätsstei-gerung der Netzkommunikation führen könnten.

Bei einer Ausweitung der Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Medien gälte es allerdings zu verhindern, dasses vorrangig zu einer bloßen Übertragung der Ausdrucks-formen des traditionellen Rundfunks auf die neuen On-linedienste kommt und somit das Potenzial des Internetsnicht ausgeschöpft wird (Schulz et al. 2002). Öffentlich-rechtliche Anbieter sollten sich nicht auf den Bereich derredaktionellen Vermittlung beschränken, sondern könntenauch partizipative Vermittlung einbinden (Bardoel/d’Haenens 2004) wie es z. B. zum Teil bereits durch (gutbetreute und relativ stark genutzte) Onlinediskussionsan-gebote geschieht. Ein beachtenswertes Beispiel für dieweitergehende Nutzung der Informations- und Kommuni-kationspotenziale des Netzes ist hier das „iCan-Projekt“(Kap. IV.2.2), eine von der BBC bereitgestellte medialePlattform zur Förderung bürgerschaftlichen Engage-ments.

Staatlicherseits wird in Deutschland bereits eine Reihevon Projekten zur Einwirkung auf die Netzöffentlichkeitgefördert. Zu nennen sind hier in Bezug auf die Bundes-regierung z. B. die Förderung von Internetprojekten, diesich gegen politischen Extremismus, Rassismus, Antise-mitismus und Gewalt engagieren, sowie von Projektenzur Netzkultur durch die Kulturstiftung des Bundes.Denkbar wären in diesem Zusammenhang auch die Ein-richtung und der Ausbau themenspezifischer Portale, beidem die politischen Institutionen der verschiedenen Ebe-nen (EU, Bund, Länder, Gemeinden) sowie gesellschaftli-che Gruppen kooperieren. Diese Portale können als zen-trale Informationsknotenpunkte für die jeweiligennetzöffentlichen Diskurse dienen, vor allem durch die Be-reitstellung umfangreicher Listen von Links zu entspre-chenden Angeboten im In- und Ausland.

In Bezug auf die Möglichkeiten des Staates zur Gewähr-leistung eines qualitätsvollen Internetangebots werdenneben der direkten Förderung von Netzöffentlichkeit undNetzkultur sowie Maßnahmen zur Bekanntmachung von

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Qualitätsangeboten auch die Stützung der Selbstregulie-rung des Netzes durch die Zertifizierung von Webangebo-ten und die Vereinbarung von „codes of conduct“ disku-tiert (Neuberger et al. 2004, S. 26 f.). Aufgrund der durchArtikel 5 GG garantierten Meinungsfreiheit hat der Staatkaum Möglichkeiten, selbst regulierend einzugreifen, umdie Qualität der aktuellen Informationsangebote zu ver-bessern. Staatliche Regulierung muss sich darauf be-schränken, positive Anreize zu schaffen, um die Leistun-gen und die inhaltliche Qualität des Netzangebots zufördern. Aufgrund der immer noch geringen Reputationdes Internets dürfte der Anreiz für Anbieter groß sein,Kodizes zu vereinbaren, insbesondere dann, wenn sie Re-gelungen über ein Gütesiegel enthalten, mittels derer siedie Qualität ihrer Angebote für den Nutzer transparentmachen können. Der zentrale Anreiz, Anstrengungen zurSelbstregulierung zu unternehmen, liegt in der ökonomi-schen Orientierung der privatwirtschaftlichen Onlinean-bieter (Campbell 2003). Gütesiegel für Anbieter sind bis-her im Bereich E-Business verbreitet. Aber für diezahlreichen Anbieter politischer oder kultureller Inhalteohne kommerzielle Interessen dürfte ein Gütesiegel, wel-ches die Verlässlichkeit von Informationen indiziert(Wagemans 2003), interessant sein. Ein Beispiel aus demBereich der Gesundheitsinformation ist die Initiative„eEurope Health“. Der Staat kann die Organisation einerInitiative zur Etablierung eines Kodex für politische On-lineinformationsangebote anstoßen und einen finanziellenBeitrag dazu leisten. Denkbar ist auch die Teilfinanzie-rung einer Stiftung, vergleichbar der „Stiftung Waren-test“. Vorschläge zur Etablierung einer „Stiftung Medien-test“ werden bereits seit längerer Zeit diskutiert (s. a.Günther 2001; Krotz 1996).

Nutzung des Netzes für die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern

Eine Grundvoraussetzung für die qualifizierte bürger-schaftliche Deliberation politischer Themen ist die ausrei-chende Information der Bürger über politische Meinungs-bildungs- und Entscheidungsprozesse. Die Chancen undHerausforderungen, die sich in dieser Hinsicht durch dasInternet ergeben, sind bereits seit längerem bekannt.Trotzdem zeigt sich immer wieder, dass gewisse Pro-bleme – wie z. B. das starke Gefälle innerhalb der Bevöl-kerung bei der Medienkompetenz und politischen Bil-dung – noch nicht ausreichend berücksichtigt wordensind. So ergab z. B. eine gestufte Onlinebefragung (Füh-les-Ubach 2005b) von Nutzern des Internetangebots desDeutschen Bundestages, dass – trotz des weitgehendenAusbaus des Onlineinformationsangebots des Parlamentsin den letzten zehn Jahren und der vermutlich relativ ho-hen Medienkompetenz und politischen Bildung der Be-fragten – viele Nutzer gerade in diesem Bereich weitereVerbesserungsmöglichkeiten sehen. Dieses und andereBeispiele im Bereich offizieller Webangebote weisen da-rauf hin, dass einer differenzierten Zielgruppenorientie-rung herausragende Bedeutung für die Akzeptanz undden Erfolg der Angebote zukommt. Ein weiterer wichti-ger Punkt ist die Übersichtlichkeit und Navigierbarkeitder Angebote, die von vielen informationssuchenden

Bürgern als Hauptkriterien für die Güte eines Angebotsangesehen werden. Auch hier stellt man, insbesondere beiden Websites der Bundesregierung, erheblichen Verbesse-rungsbedarf fest. Strukturelle Probleme sind dabei derUmfang und die „historische Gewachsenheit“ der Web-präsenzen sowie der häufige Wechsel von Kompetenzeninnerhalb der Verwaltungen. Es böten sich Maßnahmenzur verbesserten Koordination und Vereinheitlichung derAngebote an und z. B. auch – zur Reduktion des Werbe-aufwands – die Festlegung und Bekanntmachung einesfesten Starttermins (wie z. B. jeder erste Montag im Mo-nat) für Onlinediskussionsangebote (IZT 2005).

Es ließe sich auch erwägen, ob zur Förderung digitalerDemokratie und bürgerschaftlicher E-Partizipation ein„Deutschland-Portal für E-Demokratie“ eingerichtet wer-den sollte, z. B. nach dem Muster des gemeinsamen Por-tals von Bund, Ländern und Kommunen zur E-Govern-ment-Strategie (www.deutschland-online.de) bzw.gekoppelt mit diesem. Allerdings wären dazu – ange-sichts der bisherigen Erfahrungen mit dieser Initiative(s. a. Kubicek/Wind 2005) – eine Vorabklärung und -fest-legung von Kompetenzen und Finanzierungsfragen anzu-streben. Denkbar wäre auch, beim Auf- und Ausbau einessolchen nationalen E-Demokratie-Portals auf bürger-schaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement, dieMitarbeit von Verbänden, Stiftungen, Parteien etc. undeventuell auf Sponsoring zu setzen. Zudem böte sich eine„Verlinkung“ mit Angeboten in anderen Ländern und aufEU-Ebene an.

Staatliche Angebote zur Onlinediskussion und E-Partizipation

Das Netz wird von der Politik bereits vielerorts auch ge-nutzt für die Förderung bürgerschaftlicher Deliberation(z. B. durch Onlinediskussionsforen auf staatlichen Web-sites), die Partizipation von Bürgern an politischenMeinungsbildungsprozessen (durch den Einsatz vonOnlinebefragungen, Foren und Chats im Rahmen vonAnhörungen) und vereinzelt auch für den unmittelbarenDialog, also für die Diskussion zwischen Entscheidungs-trägern und Bürgern (vor allem durch Chats). An ver-schiedenen Stellen sind Routinen entstanden. Trotzdemlässt sich insgesamt gesehen immer noch von einer Expe-rimentierphase sprechen.

Nationale wie internationale Erfahrungen mit der (hiervorrangig betrachteten) Onlinediskussion verweisen aufzwei Grundvoraussetzungen für erfolgreiche staatlicheAngebote in diesem Bereich:

– Die Angebote sollten so konzipiert, ausgestattet undbetreut sein, dass vermeidbaren Enttäuschungen derBürger entgegengewirkt wird. Die dafür notwendigenMaßnahmen unterscheiden sich im Einzelfall – zentralsind aber eine klare Zweckbestimmung der Diskussio-nen, Transparenz in Bezug auf die Beteiligung derPolitiker und die Nutzung der Ergebnisse, den Diskus-sionen angemessene Moderationsleistungen und Maß-nahmen zur Werbung und Zielgruppenansprache.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 115 – Drucksache 15/6015

– Ein Konsens der relevanten politischen Kräfte und dieKooperation zwischen den verschiedenen staatlichenAkteuren bestimmen maßgeblich den Erfolg staatli-cher Politik in diesem Bereich. Eine Herausforderung,die sich der ganzen Politik stellt, sollte auch durch diePolitik gemeinsam und koordiniert angegangen wer-den.

Auf allgemeiner Ebene stellt sich zudem die Herausforde-rung, die weitreichenden programmatischen Ziele mit derrealen Praxis in Einklang zu bringen. Hier sollten dieZiele in Bezug auf die Rahmenbedingungen, das Ent-wicklungstempo, den angestrebten Umfang und dieFunktionen des Onlinediskussionsangebots konkretisiertwerden. Zur Verringerung der Kluft zwischen Anspruchund Wirklichkeit böte es sich an, auch das bürgerschaftli-che und zivilgesellschaftliche Engagement stärker zu sti-mulieren und häufiger eine Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren anzustreben. Von besonderer Bedeu-tung sind auch die Evaluation der Diskussionsangeboteund der nationale und internationale Erfahrungsaustauschüber diese sowie – als Voraussetzung für beides – derendurchgängige Onlinearchivierung (Kap. VI.4).

Für alle Akteure sinnvoll wäre eine Vertiefung der inter-institutionellen und internationalen Zusammenarbeit.Speziell auf den Deutschen Bundestag bezogen erschei-nen eine weitere Intensivierung des Austauschs mit ande-ren Parlamenten und eine Beobachtung der Innovationenangeraten, die andere Parlamente in der Onlinekommuni-kation mit Bürgern machen. Intensivieren und besserkommunizieren ließen sich z. B. die deutschen Beiträgezu einschlägigen Aktivitäten der InterparlamentarischenUnion (IPU), des Europäischen Zentrums für Parlamenta-rische Wissenschaft und Dokumentation (EZPWD) undder Europäischen Konferenzen der nationalen Parlamenteüber Informations- und Kommunikationstechnologien(EPRI). Des Weiteren könnte die Zusammenarbeit mitnicht staatlichen Akteuren intensiviert werden, auchdurch die Kooperation mit in diesem Bereich engagiertenBürgern und Initiativen (wie dies in Großbritannien z. B.beim Projekt www.theyworkforyou.com der Fall war).Der Austausch mit dem schottischen Parlament (s. u.)zum Thema E-Petitionen zeigt auf jeden Fall, dass derWeg zur digitalen Demokratie durchaus als ein gemeinsa-mer internationaler Lernprozess verstanden werden kann.

Der Missbrauch staatlicher Onlinediskussionsangebotedurch Bürger stellt – legt man die Ergebnisse der Recher-chen zu den britischen und deutschen Angeboten zu-grunde, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchungdurchgeführt wurden – offenkundig keinen prinzipiellenHinderungsgrund für deren Weiterentwicklung dar: Zwarwar bei einigen Diskussionsangeboten der britischen unddeutschen Regierung jeweils etwa ein Drittel aller Bei-träge inakzeptabel – vor allem, weil sie strafbare, beleidi-gende und extremistische Äußerungen enthielten. Bei derMehrheit der Angebote gab es aber in dieser Hinsicht keinenennenswerten Probleme. Bei Onlineanhörungen des briti-schen Parlaments, den Onlinekonferenzen und -foren desDeutschen Bundestages und dem Pilotprojekt „Elektroni-sche Demokratie“ kam es zu fast keinen Äußerungen die-

ser Art. Allerdings stellt sich das Problem auf andererEbene auch für den Deutschen Bundestag: So berichtendie dort für die Sichtung von eingehenden E-Mails Zu-ständigen, dass der Anteil der E-Mails mit Beleidigungen,strafbaren Äußerungen oder rechtsradikalem Hinter-grund ebenfalls bei ungefähr einem Drittel liege. Dies sei,vor dem Hintergrund des insgesamt stark angestiegenenE-Mail-Aufkommens, eine zusätzliche, auch emotionaleBelastung. (Zum Vergleich: Der Petitionsausschuss nenntfür 2002 einen Anteil von ca. 13,5 Prozent verworrenen,anonymen, beleidigenden oder sonst mangelhaften Ein-gaben.) Wenn dieses Problem bei Onlinediskussionsange-boten zu erwarten ist, bieten sich Maßnahmen an, bei de-nen die Potenziale des Internets für lebendige, spontaneDiskussion nicht beeinträchtigt werden (wie z. B. die au-tomatische E-Mail-Benachrichtigung der Moderationüber neu eingestellte Beiträge oder die Einrichtung vonUnterforen mit besonderen Registrierungspflichten).

In Bezug auf die kurzfristigen und strategischen Hand-lungsoptionen im Bereich staatlicher E-Demokratie-An-gebote lassen sich – insbesondere auch hinsichtlich desDeutschen Bundestages – drei Möglichkeiten unterschei-den, die einander prinzipiell nicht ausschließen: der Auf-bau eines E-Petitionswesens mit netzöffentlicher Kompo-nente, die qualitative Verbesserung und ggf. auch derAusbau allgemeiner politischer Diskussionsangebote so-wie die Modernisierung des Anhörungswesens.

E-Petitionen und netzöffentliche bürgerschaftliche Diskussion

Derzeit ist beabsichtigt, auf der Website des DeutschenBundestages ein E-Petitionssystem einzurichten. Zu die-sem Zweck hat sich der Deutsche Bundestag eingehendmit dem international viel beachteten E-Petitioning desschottischen Parlaments auseinandergesetzt. Durch dieInternetveröffentlichung von Petitionen und die Möglich-keit anderer Bürger, diese – ebenfalls netzöffentlich – zukommentieren, würde ein relevanter Beitrag zur bürger-schaftlichen Onlinedeliberation konkreter politischer Fra-gen und Probleme geleistet werden.

Von Vorteil ist hier auch, dass an bestehende parlamenta-rische Expertise zum Dialog mit Bürgern angeknüpftwerden könnte und – im Gegensatz zu vielen anderenstaatlichen Onlinekommunikationsangeboten – ein Feed-back der Politik gewährleistet wäre. Allerdings ist imweiteren Kontext politischer Netzöffentlichkeit sowiehinsichtlich der Bedeutung für die Arbeit des DeutschenBundestages daran zu erinnern, dass ein solches Angebotnur für bestimmte Themen und zudem nicht immer fürdie Arbeit anderer Ausschüsse relevant wäre. Neben ei-nem E-Petitionssystem besteht also auch ein Bedarf fürOnlineangebote zur Diskussion allgemeiner politischerThemen sowie für Modernisierungsmaßnahmen im Be-reich des Anhörungswesens.

Allgemeine politische Diskussionsangebote

Die Bundesregierung hat als kontinuierliches AngebotFachforen, bei denen Expertenwissen und der Sachver-

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stand von Bürgern politisch nutzbar gemacht wird, sowieForen, die den besonderen Informationsbedürfnissen be-stimmter Gruppen (wie z. B. Gründer einer „Ich-AG“)dienen. Mit diesem kontinuierlichen Forenangebot wur-den sehr positive Erfahrungen gemacht, eine Fortsetzungwäre daher auf jeden Fall sinnvoll. Darüber hinaus hat dieBundesregierung auch – diskontinuierlich und an ver-schiedenen Stellen – Angebote zu allgemeinen Diskussio-nen politischer Themen gemacht. Dabei wurden zum Teilsehr umstrittene und emotional bewegende Themen aus-gewählt. Viele dieser Angebote waren technisch sehravanciert, Schwächen sind aber bei der inhaltlichen Be-treuung und beim Feedback der Politik festzustellen. Hin-sichtlich des gesamten Forenangebots der Bundesregie-rung ist festzuhalten, dass das geplante zentrale Portal zudiesem Angebot eine deutliche Verbesserung zur jetzigen,unübersichtlichen Situation darstellen würde. Bei derDurchführung von politischen Diskussionsforen erscheint– neben der Berücksichtigung der anderen einschlägigenEmpfehlungen (BMI 2002) – vor allem angeraten, das Ti-ming der Angebote zu verbessern, politische Ansprech-partner für die Bürger und eine aktive Moderation zu inte-grieren sowie in der Vorbereitung der Angebote auchRecherchen zu den thematisch relevanten netzöffentli-chen Diskussionen durchzuführen (s. a. IZT 2005). ZurVermeidung von Enttäuschungen – insbesondere bei jün-geren und politisch wenig kundigen – Teilnehmern soll-ten die besonderen Erwartungshaltungen, die bei Diskus-sionsangeboten der Regierung bestehen, stärkerberücksichtigt werden.

Der Deutsche Bundestag könnte erwägen, ob er sein tra-ditionsreiches und im Vergleich zu den meisten anderenParlamenten weit entwickeltes Onlinediskussionsange-bot (Foren und Onlinekonferenzen) wieder intensivernutzt, stärker bewirbt und neu strukturiert, z. B. durch diekonsequente Kombination von Foren und Konferenzen,wobei letztere – analog zur „virtuellen Podiumsdiskus-sion“ im Rahmen des Pilotprojekts „Elektronische Demo-kratie“ – zur Beteiligung der Abgeordneten genutzt undals „Event“ in die Foren integriert werden könnten. An-sätze zu einer Weiterentwicklung des Onlinediskus-sionsangebots bestehen aktuell vor allem auf der ju-gendspezifischen Website www.mitmischen.de. Vor demHintergrund der besonderen Bedeutung dieser Bevölke-rungsgruppe und ihrer starken Internetnutzung böte essich auch an, dieses Angebot als Schwerpunkt zu wählen,wobei allerdings bestehende Unterschiede (Bildung, Me-dienkompetenz etc.) innerhalb dieser Altersgruppe stär-ker zu berücksichtigen wären (Iske et al. 2004). Als at-traktive Option erscheint auch ein Pilotprojekt, bei demzugleich das Diskussionsangebot auf www. bundestag.deund www.mitmischen.de sowie andere Ressourcen undMöglichkeiten des Deutschen Bundestages genutzt wer-den. Dabei böte sich ein Thema an, das sowohl viele Ju-gendliche als auch Erwachsene anspricht und betrifft,z. B. aus dem Bereich der Jugendpolitik. In einem Pilot-projekt ließe sich auch erproben, inwieweit eine Koopera-tion mit Verbänden, Unternehmen und zivilgesellschaftli-chen Organisationen in diesem Zusammenhang möglichist.

Modernisierung des Anhörungswesens

Am voraussetzungsreichsten – aber auch für die Politikselbst besonders viel versprechend – ist die Modernisie-rung des Anhörungswesens. Neben der Erhöhung derTransparenz politischer Prozesse und dem „Einfangen“von Meinungsbildern könnten hier – in die Tiefe gehende,zielgruppenspezifische und durch eine sachliche Diskus-sion evaluierte – bürgerschaftliche Beiträge für die Poli-tikgestaltung genutzt werden. Dabei geht es nicht um dieEinführung eines direktdemokratischen Elements. Er-reicht werden können vielmehr ein verbesserter Zugriffauf gesellschaftliche Wissensressourcen und zielgruppen-spezifische Onlinedialoge mit Bürgern.

Auf Seiten der Bundesregierung käme es bei der Moder-nisierung des Anhörungswesens zunächst darauf an, einzentrales Onlineportal zu den eigenen Anhörungen einzu-richten – wie es u. a. die EU und die britische Regierungschon haben. Dabei ließen sich auch Elemente der bür-gerschaftlichen Onlinepartizipation und -Diskussion(Umfragen, Onlineeinreichung von Stellungnahmen, Dis-kussionsforen zum Thema etc.) integrieren.

Der Deutsche Bundestag könnte bei seinen Anhörungenan die britischen Erfahrungen anknüpfen, dabei aber auch– auf Basis der eigenen, langjährigen Erfahrungen mitOnlinediskussionsangeboten – über diese hinaus gehen,z. B. durch die Kombination von Foren, Web-TV, Chats,Onlinekonferenzen und gestuften Onlinebefragungen.Erste Ansätze in dieser Richtung finden sich derzeit beimGesetzgebungsprozess zum Informationsfreiheitsgesetz.Bei eventuellen Anleihen beim britischen Modell sind,wie in der vorliegenden Studie skizziert, die Unterschiededer beiden politischen Systeme zu berücksichtigen. Ausden britischen Erfahrungen ergeben sich vor allem:

– die Unverzichtbarkeit einer in beide Richtungen – alsoPolitik und teilnehmende Bürger – aktiven Modera-tion, die Diskussionen notfalls stimuliert und struktu-riert und deren Ergebnisse den Bedürfnissen der parla-mentarischen Arbeit angemessen aufbereitet;

– die Notwendigkeit eines politischen Konsenses imParlament zu den Maßnahmen zur Erweiterung digita-ler Demokratie;

– die Vorteile einer engen Kooperation staatlicher Ak-teure untereinander und mit nicht staatlichen Akteu-ren;

– die Notwendigkeit einer klaren Regelung der Beteili-gung von Abgeordneten oder Mitarbeitern;

– der Bedarf für eine sorgfältige Vorbereitung solcherAngebote (insbesondere in Bezug auf die Zielgrup-penauswahl und Werbung).

Angesichts begrenzter Ressourcen erscheint auch hiereine Konzentration auf ein Pilotprojekt mit „Best-practice“-Anspruch sinnvoll, wobei dessen experimentel-ler Charakter gegenüber der Öffentlichkeit zu verdeutli-chen wäre.

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Netzöffentlichkeit und staatliche Webangebote als wissenschaftliche Forschungsgegenstände

Ein wesentliches Problem für die Bewertung des Internetsals Raum politischer Kommunikation und damit auch fürdie Beantwortung der Frage nach politischem Handlungs-bedarf und Handlungsmöglichkeiten stellt der Mangel angesichertem Wissen über Struktur und Nutzung des An-gebots an politischer Information im Netz wie auch desUmfangs und der Modi politischer Kommunikation imNetz dar.

Auf die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die sich derForschung durch die vernetzte Struktur, die Vielfalt undFlüchtigkeit der Netzkommunikation stellen, ist in die-sem Bericht verwiesen worden. Zumindest eine aus-schnittsweise Erfassung des öffentlichen politischenRaums Internet scheint aber, wenn auch mit recht großemEinsatz an Mitteln, möglich (z. B. Koopmans/Zimmer-mann 2003; Rucht et al. 2004 u. Kap. V.3). Eine Förde-rung der Weiterentwicklung hierzu nötiger spezifischerMethoden der empirischen Internetforschung sowie auf-wendiger Projekte zur Erfassung von Struktur, Verlauf,Trägern, Themen, und dominanten Modi politischer Dis-kurse im Netz ist wünschenswert, um die Wissensbasisauch für medien- und kulturpolitische Entscheidungenund Strategien zu verbessern. Schon für die klassischeMassenkommunikationsforschung gilt die integrierte in-haltsanalytische Untersuchung des medialen Angebotsund der kulturellen und lebensweltlichen Rahmenbedin-gungen der Rezeption von Medieninhalten als wichtigesForschungsdesiderat. Bei der Internetforschung erscheintdie Integration verschiedener Forschungsmethoden auf-grund der interaktiven Struktur des Netzes und der erwei-terten Autonomie des Rezipienten (auch als Sender oderSprecher) als unabdingbare Voraussetzung ertragreicherForschungsprojekte, wobei Vergleichsstudien (zu Mas-senmedien- und Netzöffentlichkeit) zusätzliche Heraus-forderungen mit sich bringen.

Über diesen grundsätzlichen Aspekt hinaus scheinen be-zogen auf die Information politischen Handelns folgendeDesiderate der Forschung erwähnenswert:

– Angesichts der Tatsache, dass sich das spezifische In-ternet-„Mediendispositiv“ noch nicht herausgebildethat, also nicht davon ausgegangen werden kann, dasssich Art und Weise der Netznutzung bereits zu stabilenkulturellen Mustern verfestigt haben, ist ein laufendesMonitoring der politischen Kommunikation im Netzerforderlich, um den zu vermutenden weiteren Wandelder Internetkommunikation zu verfolgen. Eine Unter-stützung der wissenschaftlichen Beobachtung des In-ternets als politischem Raum scheint insbesonderedeshalb angezeigt, weil in den großen empirischen,auch als Zeitreihen angelegten Untersuchungen zur In-ternetnutzung (wie z. B. die ARD/ZDF-Onlinestudie)die Nutzung des Netzes zur politischen Informationund Kommunikation als Untersuchungsgegenstandkeine große Rolle spielt. Neben umfangreichen empi-rischen Erhebungen zum Stand der politischenKommunikation im Netz sind zudem auch mehr ziel-gruppen- und themenspezifische Untersuchungen von-

nöten, die die Entwicklung von Teilöffentlichkeiten inden Blick nehmen.

– Ein grundsätzliches forschungspraktisches Desideratergibt sich aus der Flüchtigkeit der Internetkommuni-kation (s. a. TAB 2001): Das Netz ist schon jetzt einInformations- und Wissensspeicher wie es ihn inquantitativer und auch (vor allem in Bezug auf dieschnelle Verfügbarkeit der Informationen) in qualitati-ver Hinsicht bisher noch nie gegeben hat. Im Prinzipergeben sich daraus auch eine enorme Erweiterungund Erleichterung sozialwissenschaftlicher Forschung(schon wegen des möglichen Zugriffs auf das For-schungsmaterial). Dies setzt allerdings auch diegrundsätzliche Verfügbarkeit der Ergebnisse netzba-sierter Kommunikation voraus. Ein großer Teil derNetzkommunikation, der für die Forschung von Inte-resse sein könnte, ist aber im Netz nicht mehr auffind-bar, weil Websites und insbesondere auch die Proto-kolle von Onlinediskussionen entweder gar nicht odernur in einer für die Öffentlichkeit und die Wissen-schaft unzugänglichen Weise archiviert werden. Indieser Hinsicht ist von staatlicher Seite nicht nur dieUnterstützung von Initiativen zur Organisation eines„Internetgedächtnisses“ wünschenswert, sondern auchdie Onlinearchivierung der auf staatlichen Websitesbereitgestellten Informationsangebote und Onlinedis-kussionen.

– Für die Evaluation von Onlinediskussionen existierenbereits sehr gut geeignete Instrumente zur Anbieterbe-fragung (BMI 2003, Anhang, S. 25–30; s. a. HC2002a; OECD 2003), bei denen lediglich der Aspektder Onlinearchivierung zu integrieren wäre. RelevantePunkte sind hier der Zweck des Forums, der Zeitpunktim Entscheidungsprozess, Grundsätze und Methodender Moderation, Erwartungen der Anbieter, Resonanz,Aufwand, Zielgruppen, Technik und Schulungsauf-wand, Werbung, Kombination mit anderen Maßnah-men wie z. B. Chats, Nutzerzufriedenheit, Vor- undNachbereitung, Weiterleitung der Ergebnisse und Ein-bindung in gewöhnliche Verwaltungsabläufe, Feed-back für die Nutzer, Missbrauch durch Nutzer, vorhe-rige Erfahrungen und Zufriedenheit der Anbietersowie Folgerungen für die zukünftige Arbeit. Auch fürdie inhaltliche Auswertung der Diskussionen durchdie Politik bestehen bereits national (Presse- und In-formationsamt der Bundesregierung 2003) wie inter-national Vorbilder. Insbesondere in Deutschland we-nig entwickelt ist hingegen die Praxis im Bereich dernutzerseitigen Evaluation der Foren. Hier wäre ein re-gelmäßiger Einsatz von nachträglichen Befragungender Teilnehmer zu erwägen. Eine verstärkte wissen-schaftliche Untersuchung laufender und abgeschlosse-ner Aktivitäten zur netzbasierten Kommunikation zwi-schen Staat und Bürgern und zur Onlinedeliberationkönnte die Fortentwicklung und Optimierung der An-gebote maßgeblich unterstützen. Dabei sollte das Au-genmerk insbesondere auch auf die Frage der Einpas-sung der Angebote in die bestehenden Strukturen undVerfahren der repräsentativen Demokratie gerichtetwerden.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 127 – Drucksache 15/6015

Anhang

1. TabellenverzeichnisSeite

Tabelle 1 Anbieter der Internettexte nach Akteurskategorien . . . . . . . . 99Tabelle 2 Hyperlinkstruktur nach Herkunftsländern (in Prozent) . . . . . 100Tabelle 3 Texttypen im Internet und in den Zeitungen. . . . . . . . . . . . . . 101Tabelle 4 Tendenz der Unterthemen nach Suchwortkombinationen

und Zeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102Tabelle 5 Begründete und unbegründete politische Stellungnahmen. . . 103Tabelle 6 Hyperlinkstruktur nach Akteurskategorien (in Prozent) . . . . . 103Tabelle 7 Anbieter aus dem ersten Download der Suchmaschinen-

analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

2. AbbildungsverzeichnisSeite

Abbildung 1 Kommunikationsangebote (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . 92Abbildung 2 Woher beziehen Sie Ihre Informationen zum Thema

Urheberrecht? (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94Abbildung 3 Von welchen der folgenden Akteure haben Sie Internet-

angebote zum Thema Urheberrecht wahrgenommen? (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Abbildung 4 Welche persönlichen Vorteile haben Sie von der Nutzung des Internets bei der Urheberrechtsdebatte? (in Prozent) . . . . 95

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44

ISSN 0722-8333