DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

4
DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

Transcript of DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

Page 1: DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

50I N T R E S P E C I A L

DEUTSCHLAND b

SILICON VALLEY

b DEUTSCHLAND

Page 2: DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

51

Ein Gespräch mit Jochen Bedersdorfer, CTO bei Sematell

I N T R E P E R F O R M

Jochen Bedersdorfer ist seit Ende des vergangenen Jahres neuer CTO von Sematell. Der Silicon-Valley-erfahrene Bedersdorfer kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück. Schon während seines Studiums der Computerlinguistik begann der Technologie-Spezialist seine Karriere am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Er war maßgeblich an der Entwicklung von Mailminder beteiligt, einer Vorgängerversion der heutigen Response-Management-Lösung ReplyOne. Nach der Ausgründung aus dem DFKI trieb er im neuen Unternehmen, der damaligen XtraMind, die Weiterentwicklung als Leiter der Softwareentwicklung voran.Nach der Akquisition des Unternehmens durch Attensity wechselte Bedersdorfer 2009 ins Mutterunternehmen in die USA, wo er zuletzt als Vice President of Engagement Solutions and Technology tätig war. 2014 übernahm er die Leitung der Softwareentwicklung von Saffron Technologies und gestaltete maßgeblich den erfolgreichen Verkauf des Unternehmens an Intel im Jahr 2015 mit. Bevor er Ende 2018 wieder zu Sematell stieß, war er stark in der Silicon Valley Start-up Community mit den Technologieschwerpunkten künstliche Intelligenz und Blockchain engagiert, darunter als Gründer und CTO von ContextSmith sowie als Director of Engineering von Cryptowerk.

© S

emat

ell

Page 3: DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

© S

emat

ell

JOCHEN BEDERSDORFERCTO, Sematell

EIN GESPRÄCH MIT Jochen Bedersdorfer,

CTO bei Sematell

www.sematell.com

52

INTRE: Welcome in Germany. Ein sehr bekanntes Lied von Marius Müller-Westernhagen hat den Titel „Ich bin wieder hier, in meinem Revier“ Sind Sie wieder in Ihrem Revier? BEDERSDORFER: Ja, klar! Ich entspreche voll  dem  Saarländer  Klischee  von  „Daheim  ist  es  am  schönsten“. Es ist toll für mich, zumindest über längere Zeit- räume nach Hause  ins Saarland zu kommen, auch wenn das Silicon Valley meine zweite Heimat geworden ist. Die Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe und auch weiter- hin sammeln werde, möchte ich nicht missen. Ich pendle nach wie vor zwischen den Ländern. Remote zu arbeiten ist heutzutage ja glücklicherweise kein Thema mehr.Wieder bei Sematell tätig zu sein, ist auch wie nach Hause kommen. Trotz wechselvoller Geschichte mit diversen Ver-käufen und Umfirmierungen, Ablösung von der US-ameri-kanischen Muttergesellschaft und Neustart als deutsches Unternehmen  unter  Sematell-Flagge  hat  sich  das  Unter-nehmen  ja  immer  weiterentwickelt  und  sich  im  Markt bewährt.  Die  Technologie  und  die  Funktionalität  haben überzeugt – über all die  Jahre hinweg. Das  ist  schon be-eindruckend.  Es  ist  sehr  spannend  für  mich,  gleichzeitig an  Bewährtes  anknüpfen  und  ganz  neue  Entwicklungen  vorantreiben  zu  können  –  und  das  sowohl  mit  alten  als auch einer ganzen Reihe von neuen Kollegen.

INTRE: Thomas Dreikauss, CEO der Sematell, hat gesagt, „dass Ihre Entscheidung für Sematell unter-mauert, welches Potenzial in der Sematell KI-Techno-logie steckt.“ Daher die Frage, wie viel KI-Technologie steckt darin?  BEDERSDORFER:  Mindestens  eine  Ton-ne! Im Ernst, da steckt schon sehr ausgefeilte, aber eben  auch  praxiserprobte  Technologie  drin.  ReplyOne  nutzt  einen  hybriden  Machine-Learning-Ansatz  aus  NLP  und statistischen  Verfahren.  Unsere  Algorithmen  verarbeiten natürliche Sprache, erkennen Entitäten  im Text und sind sogar  in  der  Lage,  Sentiment-Analysen  durchzuführen.  Im  Gegensatz  zu  Deep-Learning-Verfahren  funktioniert 

unsere Lösung aber auch bereits sehr gut, wenn nur eine begrenzte Datenmenge zum Anlernen zur Verfügung steht. Unsere Textklassifikation erfolgt darüber hinaus nicht nur auf einem Gesamttext, sondern kann Texte in zu analysie-rende  Abschnitte  zerlegen,  sodass  auch  komplexe  The-men  oder  mehrere  Themen  pro  Anfrage  erkannt  werden können. Das macht unseren Kategorisierungsalgorithmus so präzise und einzigartig. Wir haben außerdem mit dem DFKI einen starken Partner an der Hand, der weltweit im Hinblick auf KI-Technologie sehr angesehen ist und unsere Lösung regelmäßig evaluiert.

INTRE: Sematell will mit Ihrer Unterstützung die In-novationsgeschwindigkeit deutlich erhöhen. Worauf können sich die Kunden im Jahr 2019 einstellen?  BEDERSDORFER:  Einen  ersten  Ausblick  darauf  werden wir auf der CCW in Berlin geben. Wir werden zum Beispiel das Thema Chat in ReplyOne weiter ausbauen. Unsere KI lässt sich sehr gut  für Chats nutzen, weil wir bereits aus kurzen  Textpassagen  relevante  Informationen  extrahieren können,  aber  eben  nicht  rein  Stichwort-basiert  arbeiten. Das nämlich macht einige Chatbots so fehleranfällig. Mit unserer NLP-Engine können wir sehr viel schneller erken-nen, was der Kunde genau will und ihm dann auch die wirk-lich passende Antwort liefern.Auch  das  Thema  Cloud  werden  wir  weiter  vorantreiben und konsequent von einem individuellen SaaS-Angebot zu einem Plug-and-Play Cloud-Angebot weiterentwickeln. Das ist  insbesondere  für  kleinere  Contact  Center  sehr  span-nend, die so ohne große Initialinvestitionen eine hochpro-fessionelle  Lösung  nutzen  können,  die  problemlos  nach oben skaliert.

I N T R E P E R F O R M

e

Page 4: DEUTSCHLAND b SILICON VALLEY b DEUTSCHLAND

53

Und wir wollen unsere KI auch noch stärker für eine bes-sere  Planung  und  proaktive  Alarmierung  nutzen.  Da  ist das Stichwort Predictive Analytics. Ziel  ist es, dass unser Reporting-Tool  ReplyControl  sehr  früh  erkennt  und  den Serviceverantwortlichen benachrichtigt, wenn sich ein rele-vantes Servicethema aufbaut, zum Beispiel Reklamationen eines  fehlerhaften  Produktes.  Damit  können  Servicever-antwortliche  diese  Themen  frühzeitig  deeskalieren  –  das ist für eine gute Customer Experience enorm wichtig und reduziert gleichzeitig Kosten.

INTRE: Haben wir in Deutschland ausreichend not-wendige „Fachleute“, die KI entwickeln können? Wenn nein, was können Unternehmen machen und was sollte „Deutschland“ machen? BEDERSDORFER: Den viel beklagten Fachkräftemangel haben wir natürlich auch im Bereich KI. Software-Entwickler sind in ganz Deutsch-land heiß begehrt,  insbesondere Entwickler mit KI-Erfah-rung. Wir haben in Saarbrücken einen kleinen Standortvor-teil, weil wir in unmittelbarer Nähe zu einem renommierten KI-Kompetenzzentrum sitzen und auch Zugriff auf  inter-essierte Studenten haben, die zum Beispiel  ihre Master-arbeit  oder  Dissertation  in  diesem  Themenbereich  ver- fassen wollen.Wir haben in Deutschland sehr gute Hochschulen und For-schungseinrichtungen für das Thema Informatik und spe-ziell KI, aber immer noch zu wenige Absolventen. Eigent-lich wäre eine Imagekampagne für das Informatik-Studium vonnöten, um insgesamt mehr Abiturienten und vor allem auch Frauen für den Studiengang zu begeistern.Um das Thema KI in die Unternehmen zu bringen, brau-chen  wir  in  Deutschland  meines  Erachtens  aber  auch bessere  Rahmenbedingungen  für  Start-ups.  Eine  Unter-nehmensgründung  ist  in  Deutschland  nach  wie  vor  viel zu  aufwendig  und  komplex.  Mit  unserer  typisch  deut-schen Bürokratie stehen wir uns manchmal selbst im Weg. Mit  Inkubatoren, die Gründern einen schnellen Start mit Co-Working-Büroräumen und Training  für die wichtigsten Anforderungen liefern, und einem vereinfachten Zugang zu Kapital zur Unternehmensfinanzierung können Ideen ein-fach schneller umgesetzt werden. Von dieser Innovations-kultur profitieren letztlich auch etablierte Anbieter.

INTRE: Kann Deutschland bei der Entwicklung von KI mit anderen Ländern wie beispielsweise USA und China mithalten? BEDERSDORFER: In der akademischen Forschung sind wir in Deutschland ganz vorne mit dabei. Es hapert eher beim Transfer des akademischen Wissens hin  zu  einer  fertigen,  kommerziell  erfolgreichen  Lösung. Unsere Grundlagenforschung ist super, aber bei der Imple-mentierung hinken wir teilweise anderen Ländern hinterher.

INTRE: Welche KI-Trends sehen Sie bis 2025?BEDERSDORFER: Das ist ein Blick in die Glaskugel. 2025  ist  im KI-Umfeld aufgrund der Entwicklungsgeschwindig-keit  gefühlt  mindestens  ein  Jahrzehnt  entfernt.  Da  kann ganz viel passieren.Ich sehe im Moment vor allem zwei größere Entwicklungs-trends.  Zum  einen  werden  KI-Lösungen,  die  auf  neuro-nalen  Netzen  basieren,  ohne  großen  Trainingsaufwand bereits „out-of-the-box“ sehr gute Ergebnisse liefern. Neu-ronale  Netze  werden  zukünftig  ein  eigenes  Kurzzeit-Ge-dächtnis mitbringen und können damit flexibel ohne neues Anlernen auf unbekannte Daten reagieren. Damit wird die Implementierung von KI-Technologien  in Unternehmens-anwendungen viel leichter.Zum anderen wird nach meiner Einschätzung die Bedeu-tung  von  Predictive  Analytics  weiter  zunehmen,  weil  sie den  größten  Einfluss  auf  und  wirtschaftlichen  Hebel  für  die Unternehmen hat. Unternehmen können ihre Kunden und Geschäftspartner dadurch  viel  besser  verstehen und damit Arbeitsprozesse, Produktangebote und den Personal- einsatz besser planen und steuern.

INTRE: Wie lebt es sich im Silicon Valley? Dreht sich im Silicon Valley wirklich alles nur um Geld?  BEDERSDORFER:  Eigentlich  geht  es  nur  sekundär  um Geld.  Vorrangig  ist  die  richtige  Idee  zum  richtigen  Zeit-punkt und dann die richtigen Kontakte. Es geht um Pres-tige  und  den  Hunger  nach  Erfolg.  Das  Silicon  Valley  ist  ein Schmelztiegel  von Menschen unterschiedlichster Na-tionen,  die  sich  gegenseitig  mit  ihren  Ideen  befruchten. Und jeder will die Idee, mit der das Start-up zum Unicorn wird,  auch wenn viele Start-ups nach zwei oder drei  Jah-ren wieder aufgeben müssen. Wenn  irgendwo der ameri-kanische Traum lebendig ist, dann hier. Nirgendwo auf der  Welt haben Start-ups einfacheren Zugang zu Kapital. Die Millionen,  die  einige  Unternehmer  dort  verdient  haben, stellen  sie  als  Venture  Capital  neuen  Start-ups  zur  Ver- fügung, um daraus Milliarden zu machen.INFO: www.sematell.com

AUTOR: -/RED

SEMATELL MIT JOCHEN BEDERSDORFER AUF DER CCW 2019

Für seinen ersten öffentlichen Auftritt als CTO von Sematell nutzt  Jochen  Bedersdorfer  die  CCW  2019  (19.-21.  Februar 2019),  die  internationale  Kongressmesse  für  innovativen Kundendialog.  „Intelligent,  digital,  automatisiert  –  so  nut-zen Sie das Potenzial  von künstlicher  Intelligenz  für  Ihren Kundenservice!“ lautet der Titel des Vortrags, den er im Rah-men des Sematell-Auftritts (Halle 3, E12/F9) am 20. Februar 2019 um 14 Uhr im Messeforum der Halle 3 halten wird.

I N T R E P E R F O R M